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Man soll aus einer Mücke keinen Elefanten machen. Aber was, wenn mitten in der Nacht ein fremder Adonis unter der Dusche des eigenen Hotelzimmers steht?
Brock Winthrope ist der Stoff, aus dem Tagträume sind – bis Travelbloggerin Pippa ihn unverhofft in ihrer Suite erwischt. Der Buchungsfehler eskaliert in hitzigen Wortgefechten, doch um es wiedergutzumachen, entführt Brock sie auf ein atemberaubendes Date. Seine Küsse brennen sich in ihre Erinnerung – noch Monate später.
Dann schlägt das Schicksal gnadenlos zu. Ausgerechnet bei dem miserablen Marketing-Job, auf den sie angewiesen ist. Ausgerechnet mit dem Mann, der sich als cholerischer CEO entpuppt – und ihre Gehaltsschecks unterschreibt. Die Fehde wird zu knisternder Spannung. Und sich von ihm fernhalten? Zwecklos.
Was schlimmer ist als ein Date mit dem Boss aus der Hölle? Noch eins …
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Seitenzahl: 730
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Man soll aus einer Mücke keinen Elefanten machen. Aber was, wenn mitten in der Nacht ein fremder Adonis unter der Dusche des eigenen Hotelzimmers steht?
Brock Winthrope ist der Stoff, aus dem Tagträume sind – bis Travelbloggerin Pippa ihn unverhofft in ihrer Suite erwischt. Der Buchungsfehler eskaliert in hitzigen Wortgefechten, doch um es wiedergutzumachen, entführt Brock sie auf ein atemberaubendes Date. Seine Küsse brennen sich in ihre Erinnerung – noch Monate später.
Dann schlägt das Schicksal gnadenlos zu. Ausgerechnet bei dem miserablen Marketing-Job, auf den sie angewiesen ist. Ausgerechnet mit dem Mann, der sich als cholerischer CEO entpuppt – und ihre Gehaltsschecks unterschreibt. Die Fehde wird zu knisternder Spannung. Und sich von ihm fernhalten? Zwecklos.
Was schlimmer ist als ein Date mit dem Boss aus der Hölle? Noch eins …
Nicole Snow ist eine Wall Street Journal und USA Today Bestseller Autorin. Sie entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als sie sich in ihren Mittagspausen oder in langweiligen Büromeetings Liebesszenen ausdachte und sich in Liebesgeschichten wegträumte.
Im Mittelpunkt von Nicole Snows Büchern stehen sexy Alpha-Helden, viel Spannung und noch mehr Leidenschaft.
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Nicole Snow
One bossy Date
Aus dem Amerikanischen von Cécile Lecaux
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Grußwort
Informationen zum Buch
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I: BITTE NICHT STÖREN (PIPER)
II: DIE EINLADUNG (BROCK)
III: SCHADENSBEGRENZUNG (PIPER)
IV: DAS ANTI-DATE (BROCK)
V: UNVERHOFFT KOMMT OFT (PIPER)
VI: SCHMUTZKAMPAGNE (BROCK)
VII: GUTES PERSONAL IST SCHWER ZU FINDEN (PIPER)
VIII: WEIL ICH DER BOSS BIN (BROCK)
IX: NICHTS GUTES NACH MITTERNACHT (PIPER)
X: AUSSER BETRIEB (BROCK)
XI: CHICAGO (PIPER)
XII: DER DUNKLE PRINZ (BROCK)
XIII: WIE DIE HÖHLENMENSCHEN (PIPER)
XIV: VERWÖHNPROGRAMM (BROCK)
XV: GROSSE VERSPRECHEN (PIPER)
XVI: NOTBREMSE (BROCK)
XVII: EINER MEHR (PIPER)
XVIII: WHALE WATCHING (BROCK)
XIX: VANESSA (PIPER)
XX: VORBEI IST VORBEI (BROCK)
XXI: AUSZEIT (PIPER)
XXII: ZURÜCK AUF ANFANG (BROCK)
XXIII: EIN STEINIGER WEG (PIPER)
XXIV: SCHATTEN DER VERGANGENHEIT (BROCK)
XXV: GESCHENK IM FRACK (PIPER)
XXVI: SCHADENBEGRENZUNG (BROCK)
XXVII: LOSE ENDEN (PIPER)
XXVIII: LIEBESQUALEN (BROCK)
XXIX: WER ZULETZT LACHT (PIPER)
XXX: AUF DER ZIELGERADEN (BROCK)
XXXI: DIE HOCHZEIT (PIPER)
Impressum
Lust auf more?
Ich fühle mich wie im Paradies.
Die salzige Luft ist heiß, aber eine leichte Meeresbrise sorgt für Abkühlung. Ich stelle mein Glas mit einem leisen Klirren auf dem Tisch ab und greife nach dem Telefon.
Ich kann kaum den Blick von den Palmen losreißen, die sich vor einem malerischen Meerblick im Passatwind wiegen.
Lanai ist schon ein ganz besonderes Fleckchen Erde.
Der Stoff, aus dem die Träume sind, und die ideale Kulisse für dekadentes Nichtstun.
Nicht einmal von Alltagssorgen geplagte Menschen können sich dem Zauber dieser hawaiianischen Oase entziehen.
Wie geht es Dad?, schreibe ich Maisy.
Maisy: Echt jetzt? Du bist auf Hawaii und erkundigst dich nach Dad? Wie ist es denn so im Paradies? Schick mal Fotos! Sie fügt am Ende der Nachricht ein gespanntes Emoji hinzu.
Das ist typisch Maisy. Ich verdrehe die Augen und tippe eine Antwort.
Piper: Traumhaft. Ich wollte dich nur nicht neidisch machen.
Maisy: Schick mehr Fotos!
Ich runzle die Stirn, weil sie meine Frage immer noch nicht beantwortet hat.
Piper: Wie geht es Dad denn nun?
Das Handy vibriert in meiner Hand, bevor ich es weglegen kann, um noch einen Schluck von meinem göttlichen Mai Tai zu trinken.
Maisy: Er ist so unleidig und übellaunig wie eh und je. Heute Abend hat er mich zum wöchentlichen Fischsuppenessen mitgeschleift. Das Übliche eben.
Ich lehne mich lächelnd in meinem Stuhl zurück.
Piper: Du achtest doch darauf, dass er seine Tabletten nimmt und genug Gemüse isst? Die Kartoffeln im Fischeintopf zählen nicht.
Maisy: Ja, Mama. Sie schickt mir ein Emoji mit herausgestreckter Zunge.
Piper: Macht er denn seine Übungen? Sie haben gesagt, dass die Krankheit dadurch langsamer voranschreitet …
Maisy: Hör auf, Pippa. Genieß die Zeit und überlass Papa Bär mir.
Ich nicke vor mich hin, obwohl ich weiß, dass sie mich nicht sehen kann. Sie ist so lieb.
Und sie hat recht. Sie ist sehr selbstständig und reif für ihr Alter. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, eine Siebzehnjährige wie sie zu haben, die sich um Dad kümmert, während ich für ein paar Tage im Luxus schwelge.
Piper: Ich weiß, dass du zurechtkommst. Ich habe nur ein schlechtes Gewissen, dass ich dich mit allem allein gelassen habe.
Tatsächlich tue ich das viel zu oft, genauer gesagt, jedes Mal, wenn ich eine dieser Reisen unternehme.
Maisy: Ich bin stolz auf dich, Pippy. Es ist so cool, dass du deinen Traum lebst. Und das ist erst der Anfang.
Gott, sie ist wirklich die beste kleine Schwester, die man sich nur wünschen kann.
Mal sehen, antworte ich. Ich habe den Auftrag nur bekommen, weil Jenn sich im Marketing den Hintern aufreißt. Das Winthrope Lanai ist so exklusiv, dass ich es mir niemals leisten könnte, wenn sie das nicht eingefädelt hätte.
Das stimmt. Lanai wird nicht von ungefähr »Insel der Milliardäre« genannt.
Maisy: Erinnere mich bei Gelegenheit daran, dass ich mir eine beste Freundin suche, die im Marketing arbeitet.
Ich muss lachen und nehme mir vor, sie mal auf eine meiner Reisen als Hoteltesterin mitzunehmen. Wir finden schon jemanden, der sich in dieser Zeit um Dad kümmert, egal, was es kostet.
Ich gähne laut, während ich eine Antwort tippe.
Ich bin immer noch ganz erschlagen vom Jetlag und ziehe mich jetzt auf mein Zimmer zurück.
Ich trinke meinen Cocktail aus und schlendere gemütlich zu der unglaublichen Präsidentensuite, die Winthrope mir zur Verfügung gestellt hat, zweifellos, weil er sich davon eine schwärmerische Rezension erhofft.
Das Zimmer – oder genauer, die Suite von der Größe eines Penthouses – ist wirklich ein Traum. Ein Duft von Sandelholz und Orchideen liegt in der Luft.
Ein riesiges Himmelbett dominiert den Raum, aber es gibt auch eine weitläufige Lounge-Ecke und eine kleine Küche gleich nebenan. Und jenseits des Bettes befindet sich mein absolutes Highlight: ein großer Balkon mit Blick auf den Ozean.
Wie schon beim ersten Mal, als ich den Ausblick gesehen habe, klappt mir die Kinnlade herunter.
Gott, ich bin wirklich ein Glückskind.
Allein für diese Aussicht stehe ich tief in Jenns Schuld.
Das Mindeste, was ich tun kann, ist, ein paar Fotos zu schießen und zu verschicken. Ich habe mir gerade die Schuhe abgestreift und es mir auf einem Liegestuhl gemütlich gemacht, als ein Ping eine eingehende Nachricht ankündigt.
Jenn: Wie geht es dir so auf Lanai? Von der coolen Suite einmal abgesehen, meine ich.
Piper: Einfach traumhaft. Ich kann dir gar nicht genug danken!
Jenn: LOL. Wenn ich nicht so viel zu tun hätte, wäre ich jetzt bei dir. Wenigstens kann ich mir die Bilder ansehen und ein wenig tagträumen …
Piper: Das nächste Mal kommst du auf jeden Fall mit.
Jenn: Als ob ich in diesem Leben je eine ganze Woche freibekäme. Aber genieß du nur einen Drink auf dem Balkon und poste fleißig auf Insta, damit ich dir zumindest in Gedanken Gesellschaft leisten kann.
Piper: Ja, Chefin.
O ja, ich werde diesen Balkon in vollen Zügen genießen, aber jetzt sind meine Beine noch vom Jetlag bleischwer.
Nachdem ich weitere zwanzig Minuten damit verbracht habe, zuzusehen, wie die glühende Sonne im Meer versinkt, gehe ich hinein und lasse mich auf das Bett fallen. Es ist weich wie eine Wolke, und ich schlafe mit einem dicken weißen Kissen in den Armen ein.
Ich bin für mehrere Stunden ausgeknockt.
Ich kann mich noch vage daran erinnern, wie ich mich unter das dicke weiße Plumeau gekuschelt habe, und registriere, dass ich noch vollständig angezogen bin.
Es ist Nacht geworden. Die hellsten Sterne, die ich je gesehen habe, haben die Sonne am Himmel abgelöst, und der Ozean und der reinweiße Strand funkeln in ihrem Licht wie Diamanten.
Ich ziehe die Hose aus, schlüpfe in ein bequemes T-Shirt und dann wieder in mein kuscheliges Nest.
Kaum habe ich die Augen erneut geschlossen, bin ich auch schon wieder tief und fest eingeschlafen.
Ich treibe in einem kleinen Boot auf dem Wasser. Es erinnert mich an die verwitterten Fischerkähne, auf die Dad uns vor Jahren mitgenommen hat, als er noch fit und gesund war. Sein Lachen war so ansteckend, jedes Mal, wenn er einen Fisch am Haken hatte.
Ich sah die silbrigen Schuppen, die in der Sonne funkelten wie Lametta.
Nur sehe ich nicht die schroffe graue Küste von Washington vor mir, die mir so vertraut ist.
Und es ist auch kein lachender Dad da, keine kreischende kleine Schwester und keine zappelnden Fische, die sich jemand zum Abendessen zubereiten wird.
Ich lächle.
Hier ist es sonnig und warm. Ich möchte jedes bisschen Wärme der tropischen Sonne aufsaugen, die auf mich herabbrennt. Ich hoffe, ich habe genug Sonnenschutz eingepackt, und sehe mich nach meiner Handtasche um, als …
Rums.
Mein Puls schnellt in die Höhe.
Was zum Teufel war das?
Es hat sich angehört, als hätte etwas Großes den Rumpf meines Bootes gerammt.
Ich sehe mich hektisch um, aus Angst, es könnte leckgeschlagen sein, aber …
Rums!
Da war es wieder. Ich presse mir die Hand auf das hämmernde Herz.
Es kommt aus dem winzigen Bad in der Kabine, glaube ich.
Vielleicht ein Problem mit den Leitungen. Ich trete näher, um nach der Ursache zu forschen.
Als ich hineingehe, passiert es.
Rums, rums, rums!
Das Geräusch tut in den Ohren weh, und die ganze Welt dreht sich, begleitet von Wasserrauschen.
Ja, wir sinken, und ich kann nichts anderes tun, als zu schreien.
Stattdessen fahre ich ruckartig hoch, kalten Schweiß auf der Stirn.
Als ich die Augen aufreiße, ist es um mich herum stockfinster.
Wo bin ich?
Ach ja.
Nicht in einem sinkenden Boot, sondern in diesem riesigen Marshmallow von einem Bett.
Ich taste nach meinem Handy und tippe auf das Display. Im schwachen Lichtschimmer des Bildschirms scanne ich langsam das Zimmer, damit mein Hirn ins Hier und Jetzt zurückfinden kann.
»Nur ein Traum. Gott sei Dank.« Seufzend wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Der Jetlag hat mich schlimmer erwischt, als ich dachte.
Ich bin immer noch in diesem wunderschönen Hotelzimmer, und ich schätze, dass noch mehrere Stunden Schlaf vor mir liegen, bis der Wecker klingelt und ein neuer Tag beginnt.
Ich lächle über meinen Albtraum.
Ich hatte schon immer eine blühende Fantasie.
Mein Hals ist ganz trocken. Ich schwinge die Beine über die Bettkante, um mir ein Glas Wasser zu holen und …
Rums!
Wieder dieses Geräusch.
Was hat das zu bedeuten?
Träume ich doch noch? Ich kneife mich in den Oberschenkel und zucke zusammen.
Autsch. Okay, kein Traum.
Rums!
Das ist definitiv real.
Bei der Erkenntnis, dass das Geräusch echt ist, bin ich schlagartig hellwach.
Jemand ist in meiner Suite.
Wer? Warum? Was hat das zu bedeuten?
Ich halte die Luft an und lausche.
Keine Schläge mehr, aber andere, leisere Geräusche, gedämpft, so als würde jemand schwere Gegenstände verrücken und versuchen, dabei möglichst leise zu sein.
Nicht gut.
Wer bricht mitten in der Nacht in eine Präsidentensuite ein? Und wie?
Ich schließe immer ab und bin mir sicher, dass ich das auch gestern Abend getan habe. Oder doch nicht?
Ich schlucke. Meine Kehle ist vor Angst wie zugeschnürt.
Auf Reisen muss man sich immer einschließen. Das hat Dad mir seit meinem ersten Skiurlaub mit zwölf Jahren eingebläut.
Vielleicht war es ein Techniker, der noch spät in der Nacht etwas reparierte – oder aber ein durchgeknallter Serienmörder.
Andere Optionen fielen mir nicht ein.
Mit bebendem Atem stellte ich mir einen Trauerkranz aus bunten Blumen um mein Profilbild auf Instagram vor, in der Mitte in rosa Schrift die Worte: Ruhe in Frieden.
Grundgütiger.
Das ist mal wieder typisch für mich – erst habe ich das Glück, eins der schönsten Hotelzimmer auf ganz Lanai zu ergattern, um dann darin in Stücke gehackt zu werden.
Meine Augen haben sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, und ich schaue mich suchend um.
Wenn dieser Typ es auf mich abgesehen hat, werde ich es ihm jedenfalls nicht leicht machen. Mr. Psycho muss mir schon in die Augen sehen, bevor er die Zimmerwände mit meinem Blut beschmiert.
Lautlos stehe ich auf und verharre einen Moment konzentriert, um die Quelle der Geräusche auszumachen. Klingt, als kämen sie …
Aus dem Badezimmer?
Vielleicht doch nur ein Zimmermädchen?
Aber warum um alles in der Welt sollte ein Zimmermädchen um – ich werfe einen Blick auf die Zeitanzeige meines Handys – 2:37 Uhr nachts mein Bad putzen?
Ich fühle, wie mir alles Blut aus dem Gesicht weicht.
Wir sind wieder bei der Serienmörder-Theorie, weil alles andere einfach keinen Sinn ergibt.
Wenn ich ganz leise bin, kann ich ihn vielleicht überwältigen, bevor er mich überhaupt bemerkt? Ich muss das Überraschungsmoment für mich nutzen oder so viel Lärm machen, dass ein Gast auf der Etage unter mir sich bei der Rezeption über den Lärm beschwert.
Mein Vater hat keinen Feigling großgezogen.
Ich werde den Kerl rausschmeißen oder bei dem Versuch draufgehen.
Mach dich auf was gefasst, Psycho! Du hast dir das falsche Opfer ausgesucht.
Aber meine Gedanken sind deutlich mutiger als der Rest von mir.
Mein Herz hämmert wie verrückt, als ich Schritt für Schritt in Richtung Bad schleiche, aus dem immer noch diese Geräusche dringen.
Die Tür steht einen Spaltbreit offen, obwohl ich mir absolut sicher bin, sie geschlossen zu haben. Ich erstarre.
Hilfe.
Ich wappne mich innerlich, entschlossen, das Überraschungsmoment zu meinem Vorteil zu nutzen, als mir in letzter Sekunde durch den Kopf geht, dass ich vielleicht nicht mit leeren Händen einen mutmaßlichen Mörder stellen sollte.
Ich habe mit Maisy zu viele schlechte Splatterfilme aus den Neunzigern gesehen, um die Rolle der dämlichen Blondine zu spielen, die als Erste dem Psychopathen zum Opfer fällt.
Ich schaue mich im Zimmer um, auf der Suche nach etwas – irgendetwas –, das ich als Waffe einsetzen könnte.
Aber es ist eben nur ein Hotelzimmer, wenn auch ein sehr luxuriöses.
Es gibt hier nicht viel, abgesehen von zwei Lampen und dem einen oder anderen Dekorationsobjekt.
Die Fischfigur aus grüner Keramik auf dem Tisch ist zwar wahrscheinlich schwer genug, um einen Schädel zu spalten, aber auch sehr unhandlich.
Ich könnte eine Flasche Wein aus der Minibar holen – nur dass die vermutlich zu klein wäre, um größeren Schaden anzurichten.
Dann wäre da noch die Küchenzeile. Ich könnte einen der Stühle holen, aber die sind zu massiv und zu groß, um sie durch die Luft zu schwingen und jemanden damit niederzuschlagen.
Uff.
Wenn ich das hier überlebe, werde ich künftig immer eine Stichwaffe mitnehmen.
Wieder lasse ich den Blick umherschweifen, und diesmal bleibt er am Nachttisch hängen, oder genauer, an der schweren Lampe mit dem Fuß aus Kristallglas.
Das ist es.
Ich hole sie und kehre zurück zum Badezimmer.
Leider habe ich vergessen, den Stecker herauszuziehen, sodass ich zurückgerissen werde, als das Ende des Kabels erreicht ist.
»Scheiße!«
Als ich an dem Kabel ziehe, macht das alles nur noch schlimmer, weil es um ein Bein des Nachttisches gewickelt ist, was mir vorhin nicht aufgefallen ist.
Langsam, Pippa, ermahne ich mich, als der Tisch gefährlich wackelt.
Ich stürze auf den Nachttisch zu, um das Kabel aus der Steckdose zu ziehen und vom Tischbein zu befreien, bin aber zu hektisch, sodass der Tisch schließlich krachend umfällt.
Oh. Mein. Gott.
Ich bin erledigt.
Keuchend kneife ich die Augen zu und warte, dass der Einbrecher sich auf mich stürzt.
Der Lärm kann unmöglich unbemerkt geblieben sein.
Mein Serienmörder weiß, dass ich da bin.
Egal.
Ich atme tief durch und packe die Lampe mit beiden Händen, bereit, meinem Angreifer den Schädel einzuschlagen. Als ein Angriff ausbleibt, schleiche ich wieder zum Bad, wobei mich jeder Schritt größte Überwindung kostet.
Ich weiß, dass das keine gute Idee ist, aber ich habe keine andere Wahl.
Und ist die Badezimmertür jetzt nicht ganz geschlossen? Nein, ein schmaler Lichtstreifen dringt durch einen Spalt, der gerade breit genug ist, um einen Blick hindurch zu werfen.
Es ist höchste Zeit, die Tür aufzureißen und zu beten, aber ich bringe es einfach nicht fertig.
Nicht, ohne zu wissen, was sich hinter der Tür verbirgt.
Nicht blindwütig reinstürmen und zuschlagen. Was, wenn es doch jemand vom Personal ist? Vielleicht hat es ja einen Rohrbruch gegeben, und der Hausmeister weiß nicht, dass die Suite belegt ist?
Ich wünschte so sehr, ich könnte selbst an diese Möglichkeit glauben.
Zitternd nähere ich mich dem Lichtstreifen.
Ich höre eindeutig Wasser rauschen. Oder genauer gesagt das Prasseln wie von Regentropfen, die auf eine harte Oberfläche klatschen. Die Dusche.
Vielleicht tatsächlich der Hausmeister?
Vielleicht ist ja doch alles ganz harmlos.
Aber um drei Uhr nachts und ohne Vorankündigung?
Vielleicht ein Notfall?
Meine Zehen krümmen sich. Ich greife nach dem Türknauf, um die Tür aufzustoßen und mich der Gefahr zu stellen.
Tatsächlich bewegt sie sich nur wenige Zentimeter.
Das Rauschen der Dusche wird lauter.
Im ersten Moment kann ich durch die gläserne Duschwand nichts erkennen.
Dann bewegt sich eine Gestalt im Wasserdampf …
Heilige Scheiße.
Okay. Tief durchatmen.
Jemand vom Personal würde definitiv nicht in meinem Badezimmer duschen.
Eben war ich noch fest entschlossen, mich heroisch auf den Eindringling zu stürzen, aber das Adrenalin, das mich bis jetzt so todesmutig gemacht hat, versiegt schlagartig.
Die Lampe in meiner schwitzigen Hand fühlt sich an, als würde sie eine Tonne wiegen.
Ich will nicht kämpfen.
Aber welche Alternative habe ich?
Soll ich einfach warten, bis der duschende Psychopath mich im Bett abschlachtet? Oder soll ich schreiend zur Tür laufen und beten, dass er mich nicht einholt, während ich auf den privaten Fahrstuhl des Penthouses warte?
Zu riskant. Das Geräusch des Fahrstuhls würde mich verraten.
Mir gehen die Optionen aus. Und die Zeit.
Ich atme noch einmal tief durch und stoße die Tür auf, die Lampe bereit für ihren Einsatz als Waffe.
Ich habe vor Jahren mal Softball gespielt. Ich kriege das hin.
Leider trifft mich das, was ich sehe, völlig unerwartet.
Kann man einen Serienmörder heiß finden?
Der Typ in der Dusche sieht nämlich aus wie ein GQ-Model.
Ein knapp zwei Meter großer Koloss, umwabert von heißem Dampf. Er scheint zu den Leuten zu gehören, die siedend heiß duschen.
Ich starre durch den Nebel, kann aber nicht viel erkennen, bis er sich bewegt.
Und dann sehe ich mehr als genug.
Sein ganzer Körper besteht aus harten, definierten Muskeln. Er sieht aus wie das Werk eines Bildhauers, der sich bemüht hat, das Ebenbild eines perfekten Körpers zu schaffen.
Seine Pranken verteilen Schaum über Bizepse, die größer sind als mein Kopf.
Ich kann kaum den Blick von dem Hünen losreißen, der mit geschlossenen Augen dasteht und vor sich hin lächelt, als genieße er seine eigenen Berührungen etwas zu sehr.
Aber bei einem Körper wie diesem ist eine gewisse Selbstverliebtheit wahrscheinlich normal.
Mein Blick gleitet an seiner breiten Brust abwärts über das steinharte Sixpack, das Schambein …
Allmächtiger.
Hitze schießt mir in die Wangen, und ich beiße mir auf die Unterlippe.
Dieses Prachtexemplar ist wirklich in jeder Beziehung einzigartig.
Einen Moment schweifen meine Gedanken ab, und ich stelle mir vor, wie es sich wohl anfühlen würde, die Hand um diesen riesigen, von der Hitze halb steifen Schaft zu legen. Ob ich sie überhaupt schließen könnte?
Dieser Mann ist wie eine Naturgewalt.
Er sprüht vor Kraft, Stärke und Selbstsicherheit.
Aber zurück zu meiner These vom Serienmörder … Ist er vielleicht ein entlaufener Verbrecher?
Hat es auf Hawaii einen Gefängnisausbruch gegeben, von dem ich nichts gehört habe?
Meine Gedanken überschlagen sich, während mein Körper weiter auf diesen geradezu lächerlich gut aussehenden Goliath reagiert und mein Hirn vor so viel geballter Power kapituliert.
Ich werde buchstäblich schwach, und die Kristalllampe entgleitet meinen schwitzigen Händen.
Sie landet krachend auf den Fliesen und zerspringt in tausend Scherben.
»Mist«, fluche ich wie gelähmt.
Alles Weitere scheint wie in Zeitlupe zu passieren.
Der Hüne schlägt die Augen auf und dreht den Kopf zu mir. Er funkelt mich an wie ein Tiger, der unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde.
Oh, oh.
Nachdem meine einzige Waffe in Scherben liegt, bin ich ihm hilflos ausgeliefert.
Meine Instinkte übernehmen.
Ich schreie, noch bevor ich mir dessen bewusst bin.
So laut, dass meine Kehle schmerzt, und ich kann einfach nicht mehr aufhören.
Ich brülle zehn volle Sekunden lang wie am Spieß, bis meine Ohren klingeln und ich ganz außer Atem bin.
Dann stolpere ich keuchend rückwärts aus dem Bad.
Vielleicht war es ja gut, so zu schreien.
Vielleicht hat mich jemand gehört, obwohl die Präsidentensuite das einzige Zimmer auf dieser Etage ist, und vielleicht kommt mir jemand zur Hilfe, obwohl man eine spezielle Schlüsselkarte braucht, um den Fahrstuhl nutzen zu können.
Ich kann also nur beten, dass gerade ein schlafloser Hotelangestellter oder Hotelgast einen Stock tiefer den Radau gehört hat und Alarm schlägt.
Ich bin am Arsch.
Zu meiner Verblüffung steht Goliath immer noch unter der Dusche.
Noch ist also nicht alles verloren.
Ich sollte den Vorsprung nutzen und zum Fahrstuhl rennen.
Ich hole tief Luft und befehle meinen Beinen, sich zu bewegen.
Als ich mich gerade abwenden und losrennen will, fliegt die Tür der Duschkabine auf.
Der Adonis kommt heraus und schnappt sich ein Handtuch von der Stange, das er sich in einer fließenden Bewegung um die Taille schlingt.
Wieder kann ich den Blick nicht von ihm abwenden, auch wenn ich es hasse, dass ich ihn so sexy finde.
Ich rufe mich zur Ordnung und wirbele herum.
»Sie bleiben, wo Sie sind. Machen Sie es nicht noch schlimmer!«, bellt er mit einer Stimme wie Donnergrollen.
O Gott.
Immerhin ist er unbewaffnet und halb nackt. Soll ich es riskieren, zu flüchten? Andererseits ist er so viel größer und stärker als ich, dass meine Chancen, ihm zu entkommen, verschwindend gering sind.
Soll ich mich ergeben und damit begnügen, zu hoffen, dass mir Folter erspart bleibt?
Seufzend wende ich mich ihm wieder zu.
»Was zum Teufel ist los mit Ihnen? Sind Sie eine Einbrecherin?«
Was redet er da?
Inzwischen zweifle ich an meiner Theorie vom Serienmörder. Es gäbe noch zwei weitere Möglichkeiten.
Er hat etwas geraucht oder eingeworfen, oder aber er hat gerade eine psychische Krise.
»Wie sind Sie reingekommen? Antworten Sie. Sofort!«, fragt er barsch.
Er mustert mich mit mörderischem Blick, macht aber keine Anstalten, mich anzugreifen. Noch nicht.
Vielleicht liegt es an den Scherben auf dem Fußboden.
Sein Zögern macht mich etwas mutiger, und ich funkele ihn wütend an.
»Sollte das nicht ich Sie fragen? Ich habe meine Schlüsselkarte benutzt.«
»Ihre Schlüsselkarte?«, zischt er, zieht die Brauen zusammen und mustert mich geringschätzig.
Die Situation wird immer absurder.
Aber wenn ich sowieso geliefert bin, kann ich ihm ebenso gut die Meinung sagen. Ich mache einen Schritt auf ihn zu und trete prompt auf einen Glassplitter.
»Autsch!«
»Verdammt«, grummelt er und kommt vorsichtig auf mich zu. »Sind Sie okay, Lady?«
Ich blinzle zu ihm auf und beiße die Zähne zusammen. Es tut weh. »Ich bin … auf einen Splitter der Lampe getreten. Nicht, dass es Sie etwas anginge …«
»Die werden Sie mir erstatten«, sagt er und betrachtet die Überreste der Lampe auf dem Boden.
Im Ernst?
»Einen Teufel werde ich tun. Erst müsste der Winthrope-Konzern mich verklagen, ehe ich auch nur einen Cent bezahle. Ich möchte mal sehen, wie die sich rechtfertigen wollen. Das wäre nicht passiert, wenn das Hotel nicht mitten in der Nacht einen Verrückten in mein Zimmer gelassen hätte. Ich hatte Todesangst. Schon mal von Notwehr gehört, Blödmann?«
Er sieht mir in die Augen, schnaubt und fährt sich in einer frustrierten Geste mit der Hand durch das nasse sandfarbene Haar.
»Von wegen Angst. Sie haben mich vorhin abgecheckt und dabei an etwas ganz anderes gedacht als an Notwehr.«
Verdammt.
Er hat es also bemerkt.
Prompt schießt mir glühende Hitze ins Gesicht.
Zweimal verflucht.
»Ich warte immer noch auf eine Erklärung, wie Sie in mein Zimmer gekommen sind«, knurrt er. »Und was wollen Sie überhaupt hier?«
Meine Kinnlade klappt herunter.
»Ihr Zimmer? Wow. Sie wollen das also wirklich durchziehen, ja? Für wie blöd halten Sie mich eigentlich?«
Er legt den Kopf schief.
»Sie haben es irgendwie an der Security vorbei und bis in die Präsidentensuite geschafft, Sie können also nicht ganz blöd sein. Das beantwortet aber meine Frage nicht. Machen Sie uns beiden nicht das Leben unnötig schwer. Was zum Teufel wollen Sie hier, und warum sehen Sie mir beim Duschen zu?«
»Was ich will? Ich will, dass Sie aus meinem Zimmer verschwinden.« Ich bin jetzt so in Rage, dass ein brennender Schmerz meinen verletzten Fuß durchzuckt. Ich beiße kurz die Zähne zusammen, bevor ich fortfahre. »Und ich habe Ihnen nicht beim Duschen zugeschaut. Ich wollte nur nachsehen, wer mitten in der Nacht in meinem Zimmer rumschleicht.«
»In Ihrem Zimmer?« Er lacht und klingt dabei wie ein belustigtes Raubtier. »Sie haben eine volle Minute dagestanden und mich angestarrt.«
Seine strahlend blauen Augen durchbohren mich. Ich registriere, dass er älter ist als ich, vielleicht Anfang dreißig.
Dann verschränkt er die Hände über dem Kopf und spannt die Muskeln an.
Wieder bleibt mir der Mund offen stehen.
Sein selbstgefälliges Grinsen wird noch breiter, und er zieht eine Braue hoch. »Ich habe Sie im Spiegel beobachtet und darauf gewartet, dass Sie den ersten Move machen. Ich wollte sehen, ob Sie eine Waffe haben – abgesehen von der Lampe.«
Arschloch.
Stirnrunzelnd schürze ich die Lippen und versuche, ihn noch zorniger anzufunkeln.
»In Anbetracht der Tatsache, dass Sie zu wenig anhaben, um eine ausländische Agentin zu sein, die gekommen ist, um mich zu kidnappen …«
Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich nur in Unterhose und T-Shirt vor ihm stehe.
Kurz bin ich verunsichert, aber innerhalb von zwei Sekunden schlägt die Scham in pure Wut um.
»Sie, Sir, haben sich mitten in der Nacht Zutritt zu meinem Hotelzimmer verschafft. Wenn ich einen Moment dagestanden habe, nachdem ich Sie in meinem Badezimmer überrascht habe, dann weil ich völlig perplex war. Und das darf man ja wohl sein, wenn man einen nackten Riesen in seinem Hotelzimmer vorfindet«, fauche ich.
»Ich glaube keine Sekunde, dass Sie sich im Zimmer geirrt haben. Das hier ist eine eigene Etage. Man kann sich nicht hierher verlaufen«, sage ich mit fester Stimme.
Wenigstens mustert er mich jetzt nicht mehr wie ein Raubtier seine nächste Mahlzeit.
Er räuspert sich. Auf seinem Gesicht spiegeln sich Frust und Verwirrung gleichermaßen. »Sie haben recht. Ich habe dieses Zimmer über das Wochenende reserviert. Meine Schlüsselkarte liegt auf dem Waschbecken. Sie können gerne nachsehen, wenn Sie sich dann wohler fühlen.«
Ich werfe einen Blick auf das Waschbecken. Tatsächlich, da liegt eine silberne Karte mit dem Winthrope-Schriftzug in Schwarz.
Er kann seine Behauptung also beweisen.
Wie ärgerlich.
»Ich habe Sie für einen Serienmörder gehalten«, entgegne ich leise.
»Und ich komme mir gerade wie einer vor. Ich komme gerade aus dem Ausland und habe nicht mit so etwas gerechnet. Ich wollte nur duschen und schlafen und werde stattdessen von einer Verrückten in T-Shirt und Unterhose mit Armen wie Bohnenstangen angegriffen, während ich noch versuche, mir Australien abzuwaschen.«
»Bohnenstangen?«, wiederhole ich. »Sie bezeichnen mich also als Weichei?«
Er zuckt die Achseln.
»Sie haben die Lampe fallen lassen.« Kopfschüttelnd betrachtet er das Chaos auf dem Fliesenboden. »Schade um das schöne Stück.«
Moment.
Er hat gesagt, er sei gerade aus dem Ausland angereist, und das hier sei sein Zimmer. Und er klingt glaubhaft.
War er schon mal hier? Und woher weiß er, dass die Lampe ein »schönes Stück« war?
Aber ich komme nicht dazu, ihn zu fragen.
»Niemand spaziert einfach so in die Präsidentensuite. Wer zum Teufel sind Sie?« Sein Laserblick durchbohrt mich.
»Mein Name ist Piper.« Ich schlucke. »Für mich wurde ein mehrtägiger Aufenthalt in diesem Hotel gebucht. Ich habe ganz normal an der Rezeption eingecheckt. Man hat mir die Schlüsselkarte gegeben, und ich war auch von dem Upgrade überrascht. Ich habe einen Cocktail am Pool getrunken und mich danach auf mein Zimmer zurückgezogen, um zu schlafen. Alles Dinge, die ein normaler Mensch zu Beginn eines Urlaubs tut. Und es war auch alles bestens, bis ein nackter Irrer in mein Zimmer eingedrungen ist und mich bedroht hat.«
»Bedroht? Ihr Ernst?« Er richtet den Blick auf meine Füße. »Wie kommt es dann, dass Sie noch dastehen und mich zutexten?«
Uff.
Wenn ein Unterwäsche-Model einem auf die Füße guckt anstatt ins Gesicht, ist das nicht unbedingt ein Kompliment. Als ich ebenfalls an mir herabblicke, bemerke ich die roten Schlieren, die ich auf den Fliesen hinterlassen habe.
»Sie sollten sich setzen«, brummt er. »Können Sie laufen, oder muss ich Sie tragen?«
»W-was?«, stammele ich.
»Ihr Fuß. Sie bluten ziemlich stark. Sie sollten sich setzen und nachsehen, ob noch Glas in der Wunde steckt.«
Ich starre ihn entgeistert an.
Ist dieser Sonderling auch noch Arzt? Das würde mich endgültig umhauen.
»Nein, alles gut«, entgegne ich leise und kneife die Augen zu. »Netter Versuch, das Thema zu wechseln. Ich kapiere es immer noch nicht. Wollen Sie damit sagen, dass wir beide in dieses Zimmer eingecheckt wurden? Das ergibt doch keinen Sinn.«
Seine Augen funkeln zornig.
Ich hoffe, dass er merkt, dass ich immer noch skeptisch bin.
Aber ganz ausgeschlossen ist es nicht.
Es ist tatsächlich kaum möglich, ohne Schlüsselkarte den Fahrstuhl zu benutzen und in die Suite zu gelangen.
»Offensichtlich hat jemand am Empfang die Suite irrtümlich doppelt vergeben. Ich kläre das.« Der Adonis kommt auf mich zu.
Ich hole tief Luft, unsicher, was ich tun soll.
»Sie stehen zwischen mir und der Tür. Ich frage Sie noch einmal: Können Sie gehen, oder soll ich …« Er bricht mitten im Satz ab und seufzt laut. »Halten Sie still.«
Im nächsten Moment werde ich hochgehoben, und er trägt mich aus dem Bad nach nebenan ins Zimmer.
»Was tun Sie da?«, zische ich, bemüht, nicht panisch zu klingen.
»Ich will verhindern, dass Sie sich noch schlimmer verletzen«, grummelt er. »Außerdem will ich Blutflecken auf dem Teppich vermeiden. Das ist extrem teure Auslegware, und ich habe keine Lust, einen französischen Innenarchitekten zu beauftragen, ihn auszutauschen.«
»Ich kenne Sie doch gar nicht!«, kreische ich ihm ins Ohr und schlage auf seine Schulter ein. »Lassen Sie mich runter. Die paar Schritte kann ich auch allein gehen.«
Er ignoriert meinen Protest und geht einfach weiter.
Neben dem Bett bleibt er stehen, macht jedoch immer noch keine Anstalten, mich herunterzulassen.
»Ernsthaft, das ist nicht witzig. Wer sind Sie?«, fauche ich.
»Ich bin …« Er verstummt und mustert mich abschätzig aus kalten Augen. »Wonach sieht es denn aus? Ich bin der Hotelmanager. Ich übernachte öfter hier, wenn die Suite nicht vergeben ist, was häufiger vorkommt, als Sie vielleicht denken, da sie normalerweise achttausend Dollar pro Nacht kostet. Und gerade tue ich nur meine Arbeit und versuche, uns beiden noch größeren Ärger zu ersparen. Jede Reparatur zieht einen Haufen Papierkram nach sich.«
Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass er lügt?
Dabei ist es die einzige logische Erklärung für dieses Fiasko.
Sein Duft steigt mir in die Nase. Er verströmt einen sauberen, frischen und gleichzeitig männlichen Geruch, nachdem er gerade erst geduscht hat.
Ich sage kein Wort, als er sich nach kurzer Überlegung wieder in Bewegung setzt und mich in einen Polstersessel neben der Balkontür bugsiert. Ich winkle das Bein an und untersuche meinen verletzten Fuß auf Glassplitter.
»Und?«, fragt er. »Wie sieht es aus? Brauchen Sie einen Arzt?«
Ich blicke auf und …
Grundgütiger.
Er hat die Hände in die Seiten gestemmt.
Und das Handtuch um seine Hüften ist ein paar Zentimeter tiefer gerutscht.
Ich habe noch nie einen Mann mit einem definierten v-förmigen Sixpack aus der Nähe gesehen. Ich versuche, den Gedanken zu verdrängen, dass ich auch noch nie einen Mann gesehen habe, der so gut bestückt gewesen wäre.
»Was ist jetzt? Soll ich …«
»Ich bin okay!«, antworte ich gepresst. Tatsächlich bin ich alles andere als okay. »Tut mir leid wegen der Lampe«, füge ich hinzu.
Er tritt an den Beistelltisch neben mir und knipst die Lampe an. »Sie müssen ein VIP sein, wenn man Ihnen die Suite gegeben hat. Wer sind Sie?« Bevor ich antworten kann, nimmt er das Zimmertelefon aus der Station. »Ich lasse Verbandmaterial bringen, damit Sie den Fuß verarzten können.«
Ich zucke die Achseln. »VIP wäre übertrieben. Ich bin nur eine Influencerin. An das Zimmer bin ich über eine Freundin gekommen. Ich schätze, man hat mir das beste Zimmer gegeben, damit ich einen möglichst positiven Reel poste. Ich fand das cool, bis … Sie aufgetaucht sind.«
Er versteift sich und sieht mich an, als hielte ich eine geladene Pistole in der Hand.
»Haben Sie Hunger? Möchten Sie etwas essen oder trinken? Soll ich den Zimmerservice rufen? Tut mir leid wegen dieses Durcheinanders. Es ist nur fair, wenn wir das wiedergutmachen.«
Oha. Seine finstere Miene ist wie weggewischt. Und ich dachte schon, sie wäre fester Bestandteil seines Looks.
»Nein, danke. Ich möchte nur schlafen.«
Er drückt trotzdem eine Taste auf dem schnurlosen Telefon.
Als mir dämmert, was los ist, breche ich in schallendes Gelächter aus.
»Was?« Er mustert mich irritiert. »Was ist denn so furchtbar komisch?«
»Jetzt verstehe ich. Ich weiß, warum Sie plötzlich so zuvorkommend sind. Sie sind ja so leicht zu durchschauen.«
»Wie meinen Sie das?« Zwar klingt er nicht mehr ganz so aggressiv wie vorhin, aber doch wieder eine Spur zu scharf.
Ich zwinge mich, meine Heiterkeit zu unterdrücken.
»Sie machen sich Sorgen wegen meiner Hotelbewertung. Sie haben Angst, dass ich das Hotel in der Luft zerreiße. Das wäre wirklich ungünstig, nachdem das Winthrope Lanai auf den einschlägigen Portalen nur mit durchschnittlichen vier Sternen bewertet wird.«
Seine Augen verengen sich.
Was willst du? Er spricht die Frage nicht aus, aber sie steht ihm unmissverständlich ins Gesicht geschrieben.
»Keine Sorge. Ich bin bei meinen Bewertungen immer ehrlich«, sage ich und hebe eine Hand wie zum Schwur.
»Ehrlich? Was Sie nicht sagen«, brummt er. »Halten Sie die Füße still, wir regeln das.«
Ich ziehe eine Braue hoch und versuche, den Blick nicht von seinem Gesicht abzuwenden, während er ungeduldig auf eine Antwort wartet.
Vielleicht lache ich ja irgendwann über die Ironie, dass mein vermeintlicher Axtmörder plötzlich Angst vor mir zu haben scheint.
Noch habe ich mir keine Gedanken um meinen Reel gemacht, aber es stimmt, dass ich bei meinen Reviews immer absolut ehrlich bin. Gnadenlos ehrlich, könnte man sagen.
Und demgemäß wird diese Begegnung mit einem Sex-Gott, der mitten in der Nacht in meiner Suite aufgetaucht ist, in meinen Reel mit einfließen, so viel steht fest.
Das Hotel ist ein Traum, und in den ersten Stunden nach meiner Ankunft konnte ich die vergleichsweise schlechten Bewertungen nicht nachvollziehen.
Langsam dämmert mir, wie die zustande kommen.
Es liegt am Personal.
Seine Leute sind nicht einmal in der Lage, grundlegendste Abläufe wie Buchungen korrekt zu händeln.
Kein gutes Zeichen.
Kein Meerblick und kein Cocktail der Welt können den Schock einer solchen nächtlichen Begegnung aufwiegen.
»Sind Sie sich ganz sicher, dass Sie nichts essen wollen? Wir haben Kokos-Macadamia-Muffins auf der Frühstückskarte, von denen alle Gäste schwärmen. Ich kann die Küche anrufen und Ihnen zwei Stück bringen lassen. Der erste Schwung des Tages müsste fertig sein.«
Muffins? Er will mich mit Süßkram bestechen?
»Nein, danke«, entgegne ich, um einen neutralen Tonfall bemüht.
Als er ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch trommelt, weil es so lange dauert, bis jemand abnimmt, kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.
»Was gibt es da zu grinsen?«, grummelt er, ein düsteres Flackern in den Augen. »Aber egal. Freut mich für Sie, dass Sie sich so gut amüsieren.«
Du hast ja keine Ahnung, wie sehr.
Verdammt, verdammt, verdammt! Ich bin eben erst zurück und habe schon einen wütenden Hotelgast an der Backe. Ein weiterer von unzähligen Influencern, die das Kronjuwel meiner Hotelsammlung in der Luft zerreißen wird.
Was für eine Rezension habe ich zu erwarten, nachdem ich als CEO der Hotelkette von einem weiblichen Gast mitten in der Nacht splitternackt in deren Dusche angetroffen wurde?
Ich widerstehe dem Impuls, mit der Faust gegen die Wand zu schlagen, als ich mir ausmale, was für Wellen das schlagen wird.
Das wird innerhalb von Sekunden viral gehen. Das hat mir – und der Winthrope Hotelkette – gerade noch gefehlt.
Ich muss dieses Fiasko um jeden Preis verhindern.
Ich halte mir immer noch den Telefonhörer ans Ohr, aber auch nach zwölfmaligem Läuten meldet sich niemand. Noch ein Grund für unsere schlechten Bewertungen, schätze ich.
Endlich klickt es in der Leitung, und jemand meldet sich.
»Danke für Ihren Anruf im Winthrope Lanai. Sie sprechen mit Shelly. Was kann ich für Sie tun?«
Aufwachen, Shelly, denke ich und frage mich, ob dem Personal in der Nachtschicht Kaffee zur Verfügung steht.
Ihre Stimme klingt jedenfalls, als hätte ich sie gerade geweckt.
»Sind Sie müde, Shelly?«, frage ich schroff.
»Was? Nun ja, es ist drei Uhr nachts und ich …«
Mir entfährt ein Stöhnen.
Man erzählt einem Gast niemals und unter keinen Umständen, dass man im Job müde ist und das Anliegen eines Gastes als lästig empfindet.
Offenbar habe ich ein ernsthaftes Personal-Problem.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragt Shelly noch einmal.
»Shelly, hier spricht Brock.« Ich betone meinen Namen, damit sie nicht auch noch nachfragt – Brock wer? Das Letzte, was ich jetzt brauchen kann, ist, dass diese Influencerin erfährt, wer ich wirklich bin. »Jemandem ist ein folgenschwerer Fehler unterlaufen. Die Präsidentensuite wurde doppelt vergeben. Ich muss wissen, wer meine Buchung und die Buchung von …« Verdammt. Wie war noch mal ihr Name?
Ich werfe einen Blick auf meinen »Gast«. Ihre Röte ist einer fahlen Blässe gewichen. Es ärgert mich, dass ich den Blick nicht von ihr abwenden kann.
Sie hat endlos lange Beine und verführerische Kurven unter ihrem knappen Schlaf-Outfit. Das rotblonde Haar fällt ihr wirr über die Schultern, und ihre tiefgrünen Augen sind nur dann auf mich gerichtet, wenn sie sich unbeobachtet fühlt.
Sie kaut nervös auf der vollen Unterlippe, was auch nicht dazu beiträgt, meine Gedanken wieder in unverfänglichere Bahnen zu lenken.
Unter normalen Umständen würde eine Nacht mit einer schönen Frau in der Präsidentensuite anders verlaufen.
»Bitte entschuldigen Sie, wie heißen Sie gleich?«
»Piper«, antwortet sie.
Warum wundert es mich nicht, dass sie ausgerechnet nach dem Rattenfänger von Hameln benannt ist, der mit seiner Pfeife Kinder anlockt, die hiernach spurlos verschwinden.
»Und weiter?«
»Renee«, sagt sie leise.
Ich verkneife mir einen Scherz dazu, dass sie heißt wie ein bekannter Pornostar, um kein Öl ins Feuer zu gießen.
Sie streckt sich nach dem Bett, greift nach der Bettdecke und zieht sie sich über die nackten Beine.
Schade. Unter anderen Umständen hätte ich nichts dagegen gehabt, sie noch eine Weile in ihrem knappen rosa Höschen herumlaufen zu sehen.
»Shelly, schauen Sie bitte nach, wer meine Reservierung und die für Miss Piper Renee vorgenommen hat. Außerdem brauche ich sofort ein neues Zimmer, nachdem die Präsidentensuite über das Wochenende belegt ist.« Ich werfe wieder einen Blick auf ihren Fuß.
Der Schnitt ist nicht sehr groß, blutet aber immer noch. Die Wunde sollte desinfiziert und verbunden werden.
»Und schicken Sie bitte jemanden mit einem Erste-Hilfe-Kasten für Miss Renee rauf. Und zwar pronto.«
Piper lacht. »Nachdem Sie nur mit einem Handtuch bekleidet sind und auch ich nicht viel anhabe, können wir wohl auf Förmlichkeiten verzichten. Sie brauchen mich nicht Miss zu nennen.«
Vielleicht ist sie ja auch verheiratet? Ich knirsche unwillkürlich mit den Zähnen.
»Ist alles in Ordnung, Sir?«
Nein, nichts ist in Ordnung.
Und ich habe das ungute Gefühl, dass es noch schlimmer kommen wird.
»Wenn Sie Ihren Job machen, dann kommt hoffentlich alles in Ordnung«, sagte ich kalt.
»Bevorzugen Sie ein bestimmtes Zimmer?«
Shelly klingt angespannt. Offenbar hat sie endlich kapiert, dass sie bis zum Hals in der Scheiße steckt.
Ich bin kurz davor, die Flitterwochen-Suite zu nehmen.
Sie liegt direkt unter der Präsidentensuite.
Ich habe bereits beschlossen, Miss Renee das beste Zimmer zu überlassen und selbst umzuziehen. Mir ist alles recht, um zu verhindern, dass sie das Hotel in den sozialen Medien zerreißt. Dann erinnere ich mich an etwas, das sie vorhin gesagt hat.
Tatsächlich stammen die meisten schlechten Bewertungen nicht von Gästen, die unsere besten Zimmer gebucht haben.
»Geben Sie mir ein Zimmer zum Garten.«
Wenn ich schon das Zimmer wechseln muss, kann ich aus der Not eine Tugend machen und versuchen, herauszufinden, was unsere Gäste so unzufrieden macht.
»Ein Zimmer zum Garten«, wiederholt Shelly, als wollte sie sich vergewissern, dass sie sich nicht verhört hat. »Mal sehen … ich gebe Ihnen Zimmer … 109. Ist das in Ordnung?«
»Ja.« Ich lege auf und beherrsche mich, um das Telefon nicht gegen die Wand zu schleudern. Ich wende mich wieder Piper zu. »Ich ziehe mich schnell an, und dann besprechen wir alles Weitere. Sie bleiben bitte so lange sitzen und halten den Fuß still.«
Sie blinzelt mich stirnrunzelnd an.
Ich gehe zu dem massiven Schrank neben der Eingangstür und hole meine Reisetasche. Eigentlich wollte ich erst morgen auspacken, und für gewöhnlich schlafe ich nackt.
Aber wie es aussieht, kann es noch eine Weile dauern, bis ich ins Bett komme.
Ich brauche fünf Minuten, um mich umzuziehen.
Als ich wieder herauskomme, sitzt Piper noch in dem Sessel. Sie hat die Bettdecke zur Seite gezogen und drückt ein Taschentuch auf ihren verletzten Fuß.
Mist, ich glotze.
In der ganzen Aufregung vorhin habe ich gar nicht registriert, wie eng das T-Shirt um ihre Brüste spannt, die von der Größe her an Mangos erinnern, oder wie perfekt ihr Spitzenhöschen ihre ausladenden Hüften betont.
Ich wünschte, es würde mir auch jetzt nicht auffallen.
»Ist der Erste-Hilfe-Kasten noch nicht da?«, frage ich, was sie kopfschüttelnd verneint.
Gottverdammt. Ich muss dringend die Schulung des Personals überdenken.
Ich möchte mich gerade bei ihr entschuldigen, als mir ein Klopfen zuvorkommt.
Ich nickte. »Besser spät als nie.«
Ich gehe zur Tür und reiße sie auf.
»Der Erste-Hilfe-Kasten, Sir«, meldete ein uniformierter Mitarbeiter.
Ich nehme den weißen Kasten von ihm entgegen, während er mir knapp von einem Systemfehler an der Rezeption berichtet, der wohl für die Doppelbuchung verantwortlich ist.
Als er fertig ist, schließe ich die Tür und gehe zurück zu Piper. Ich lege ihr den Kasten auf den Schoß.
»Für Ihren Fuß.«
»Danke.« Sie öffnet den Kasten und nimmt ein Desinfektionstuch und ein Pflaster heraus. Dann macht sie sich daran, ihren Fuß zu verarzten.
»Wenn Sie angezogen sind, lasse ich jemanden kommen, der das Bad putzt, damit Sie sich nicht noch einmal an einer Scherbe verletzen.«
»Danke«, sagt sie so leise, dass sie kaum zu verstehen ist, und ohne mich anzusehen.
Es liegt nicht nur daran, dass sie gerade mit ihrem Fuß beschäftigt ist. Offensichtlich vermeidet sie es bewusst, mich anzusehen.
Meine Bemühungen scheinen von ihr abzuprallen. Sie wird dich in ihrem Reel fertigmachen, du Idiot.
»Wie kann ich das Missverständnis wiedergutmachen?«, frage ich, trete dicht vor sie und warte, dass sie mich ansieht.
Sie hebt den Blick und verzieht das Gesicht.
»Machen Sie Witze? Sie waren alles andere als freundlich und zuvorkommend, bis Sie erfahren haben, wer – oder genauer, was – ich bin. Ganz ehrlich, ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie solche Angst. Ich dachte, ein Serienmörder und Axtmörder wäre in meine Suite eingebrochen.«
»Serienmörder und Axtmörder ist nicht dasselbe«, erkläre ich ihr. »Der eine ist ein Psychopath, und der andere wird geleitet von …« Ich breche ab und kneife mir in die Nasenwurzel, als ich ihren Blick registriere. »Ich höre auf meinen Reisen gerne Krimi-Podcasts, okay?«
Ich seufze. Das ist zwar nicht die ganze Wahrheit, aber darauf möchte ich nicht weiter eingehen.
Keine Reaktion.
Nur ein anklagender Blick aus ihren grünen Katzenaugen.
Ich zucke die Achseln. »Egal. Jedenfalls haben Sie keinen verängstigten Eindruck gemacht, als Sie mich in meinem Adamskostüm angestarrt haben.«
Sie funkelt mich zornig an und schnaubt verächtlich. »Wie bitte? Hören Sie sich eigentlich selber zu? Ich bin mitten in der Nacht von Geräuschen in meinem Hotelzimmer wach geworden, das nur über einen privaten Aufzug erreichbar ist. Da ist ja wohl nachvollziehbar, dass ich Sie für einen Mörder oder einen Angestellten gehalten habe. Und soweit mir bekannt ist, schicken Hotels zu nachtschlafender Zeit keine Mitarbeiter auf belegte Hotelzimmer. Ich musste also vom Schlimmsten ausgehen …«
Aha. Sie wird angriffslustig.
Mir ist es lieber, sie spuckt Gift und Galle, als dass sie mich anschweigt.
»Offenbar gab es einen Systemfehler. Eigentlich blockt der Computer ein belegtes Zimmer, um Doppelbuchungen zu verhindern. Ich kann mir nicht erklären, wie das passieren konnte, aber seien Sie versichert, dass ich ebenso mit dem Rezeptionsmitarbeiter sprechen werde wie mit dem IT-Chef. Bei Winthrope ist der Gast nicht nur König, sondern ein Gott. Gestatten Sie mir, Ihnen den Rest Ihres Aufenthaltes so angenehm wie möglich zu machen? Mir ist bewusst, dass das ein denkbar schlechter Einstieg war, und das tut mir aufrichtig leid. Wenn es irgendetwas gibt, was ich für Sie tun kann, um es wiedergutzumachen, brauchen Sie es nur zu sagen.«
Einen Moment sieht es aus, als würde sie darüber nachdenken, dann sieht sie mir wieder in die Augen.
»Nein.«
Verdammtes Biest.
Sie scheint entschlossen zu sein, es mir schwer zu machen.
Sieht ganz so aus, als würde ich mir etwas einfallen lassen müssen, um die Eisprinzessin zu erwärmen.
»Denken Sie nach. Es muss doch etwas geben, womit ich Ihnen eine Freude machen kann.«
Sie hebt eine Hand und tippt sich mit den Fingern an die Wange, als würde sie überlegen.
»Hmmm. Nein. Tut mir leid, aber ich werde definitiv über diesen Zwischenfall berichten«, sagt sie schließlich mit erhobenem Finger. »Aber … da Sie so lieb betteln, gebe ich Ihnen die Gelegenheit, zu entscheiden, was ich sonst noch über das Hotel berichte.«
»Ich bettle nicht«, entgegne ich barsch. »Das war keine böse Absicht, das muss Ihnen doch klar sein. Wie gesagt, es gab einen Systemfehler und …«
»Winthrope ist ein milliardenschwerer Konzern, richtig?«, fällt sie mir ins Wort. »Wenn das Computersystem schon mit einfachen Buchungsabläufen überfordert ist, die Billighotels mühelos hinbekommen, sollten Sie vielleicht in eine bessere Software investieren.«
Seufzend hebt sie die Hände und macht eine Geste, als wollte sie die ganze Angelegenheit wegschieben.
Ich hoffe um meinetwillen und für das Resort, dass es mir gelingt, sie gnädig zu stimmen.
Ich habe in letzter Zeit zu viel negative Kritik abbekommen.
Wenn es öfter zu solchen Missgeschicken wie diesem kommt, würde das vieles erklären. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass so etwas öfter passiert.
Ich habe kompetente Leute.
Größtenteils.
Unsere Software ist auf dem neuesten Stand, auch wenn das System hin und wieder abstürzt.
»Tut mir leid. Es ist ja nicht Ihre Schuld«, sagt sie seufzend und reibt sich den Knöchel. »Sie sind nur der Hotelmanager, ich sollte meinen Frust also nicht allein an Ihnen auslassen.«
Ich beiße die Zähne zusammen.
Ich bin alles andere als ein einfacher Hoteldirektor, aber ihr die Wahrheit auf die Nase zu binden, wäre kontraproduktiv.
»Sie können ja nichts dafür, dass die Dumpfbacken in der Chefetage zu geizig sind, um vernünftige Software anzuschaffen. Hören Sie, ich leide noch unter dem Jetlag. Die Nacht war die Hölle, und … ich bin nicht angezogen. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich ein einfacheres Zimmer nehmen und mir die Suite überlassen. Aber jetzt brauche ich erst mal Schlaf. Wenn Sie mir also wirklich etwas Gutes tun wollen … gehen Sie jetzt, okay?«
Natürlich.
Ich bin ja so ein Hornochse.
Während es mir nicht viel ausgemacht hat, die Hälfte unseres Gesprächs nur mit einem Handtuch um die Hüften zu bestreiten, hätte ich mir denken können, dass es ihr unangenehm ist, in meiner Gegenwart so spärlich bekleidet zu sein. »Entschuldigung. Ich gehe dann jetzt, und wir überlegen uns morgen, wie wir Ihren Urlaub doch noch retten können. Versprochen.«
»Das wird nicht nötig sein.«
Ich hoffe, sie hat recht, aber ich darf jetzt keinen Fehler machen.
Ich muss sie rumkriegen, sie den Zwischenfall vergessen machen und dafür sorgen, dass sie eine Bewertung abgibt, die den Ruf unseres Hauses wiederherstellt. Ich schnappe mir mein Gepäck und gehe, entschlossen, den Rat meines Großvaters zu befolgen, dass man in einer Krise immer auch eine Chance sehen sollte.
Als ich mein neues Zimmer bezogen habe, hole ich meinen Laptop hervor und google als Erstes Piper Renee.
Ich bete, dass sie nur eine Möchtegern-Influencerin mit sechsundsiebzig Followern ist, die meisten davon Freunde und Verwandte.
Das wäre die Rettung, aber noch bevor die Suchergebnisse angezeigt werden, weiß ich, dass dem nicht so ist.
Niemand mit einer Handvoll Followern bekommt die Präsidentensuite.
Zuerst werden ihre Social-Media-Accounts angezeigt.
Fotos und Reels auf Instagram mit teilweise mehreren Millionen Klicks.
Ich schlucke. Meine Kehle ist plötzlich staubtrocken.
Und dann TikTok. Dort hat sie in den vergangenen zwei Jahren über fünfhundert Videos gepostet, die meisten mit einer ordentlichen Reichweite und einige, die viral gegangen sind. Ihre Follower-Zahlen liegen im unteren sechsstelligen Bereich.
»Verdammt«, fluche ich.
Die Nervensäge in der Präsidentensuite ist zwar nicht unbedingt eine Berühmtheit, aber doch gut genug vernetzt, um Winthrope ernsthaft zu schaden, wenn sie es darauf anlegt.
Was den Content betrifft, ist von allem etwas dabei, von traditionellen Reviews über hübsche Landschaften bis hin zu ein paar Filmchen, in denen sie einfach nur herumalbert.
Die meisten Videos handeln von Reisen innerhalb der USA mit Schwerpunkt auf dem Pazifischen Nordwesten.
Und Vögel. Viele Vögel. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand so viel Zeit darauf verwendet, an einem hübschen Ort gefiederte Dinosaurier-Nachfahren zu filmen, die an verrottenden Baumstämmen oder im Gras herumpicken.
Trotzdem kann ich den Blick nicht abwenden und sehe mir ein Video, auf dem sie in einem fließenden grünen Sommerkleid an einem sonnigen Strand in Oregon spazieren geht, bis zum Ende an. Der Wind zerrt an dem Stoff und hebt ihre perfekte Figur hervor, insbesondere ihren knackigen Hintern, in den jeder Mann am liebsten sofort hineinbeißen würde.
Vor allem der Esel, der sich gerade fasziniert durch ihren Content scrollt.
Nach etwa vierzig Videos wird mir bewusst, dass ich eine steinharte Latte habe.
»Idiot«, murmele ich.
Das ist verrückt.
Ihretwegen eine Erektion zu bekommen, ist, als würden einen Bilder einer angriffslustig zischelnden Cobra antörnen.
Außerdem ist vieles von dem Zeug, das sie postet, random. Oder liegt es daran, dass ich ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel habe?
Sie hat einen Glamping-Spot in Idaho geradezu euphorisch bewertet und immer wieder in anderen Videos erwähnt, während ein Luxushotel in Colorado von ihr nur zwei mickrige Sterne bekommen hat.
Was soll das?
Noch schlimmer ist, dass ein Blick auf ihre Follower verrät, dass sie gut vernetzt ist. Es sind bekannte Reise-Influencer darunter, sodass insgesamt eine Reichweite von mehreren Millionen zusammenkommt.
Ich fühle, wie ich blass werde.
Kein Zweifel.
Ein Verriss von dieser Frau könnte den Umsatz des Winthrope Lanai für Monate einbrechen lassen und eventuell auch dem neuen Resort auf Maui schaden.
Ganz zu schweigen von meiner eigenen Reputation.
Ich male mir aus, wie Gramps extra aus London anreist, um mir auf seine ganz eigene britische exzentrische Art auf die Finger zu klopfen. »Was zur Hölle machst du mit dem Konzern, den ich im Schweiße meines Angesichts aufgebaut habe, du kleiner Nichtsnutz«, höre ich ihn in Gedanken sagen.
Scheiße!
Ich muss die Kratzbürste gnädig stimmen, auch wenn ich noch keinen Schimmer habe, wie ich das anstellen soll.
Ich greife nach dem Handy und rufe die Rezeption an.
»Danke für Ihren Anruf im Winthrope Lanai. Sie sprechen mit Shelly. Was kann ich für Sie tun?« Diesmal hat sie beim ersten Klingeln abgenommen und klingt auch nicht mehr wie ein Zombie.
Immerhin.
»Brock Winthrope am Apparat. Sofern noch nicht geschehen, möchte ich für die Dauer von Miss Renees Aufenthalt das Frühstück inkludieren. Auf Kosten das Hauses. Sollte Frühstück gebucht und bereits bezahlt sein, erstatten Sie den Betrag.«
»Gern, kein Problem. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Sir?«
»Sie ist Hoteltesterin, Shelly. Verstehen Sie, was das heißt? Nachdem ich aufgrund eines Systemfehlers mitten in der Nacht in ihr Zimmer geschneit bin, müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, um diesen Fauxpas wiedergutzumachen. Lassen Sie Ihre Fantasie spielen, egal, was es kostet«, sage ich und hoffe, dass die Frau einigermaßen einfallsreich ist.
»Oh, ja, mache ich …« Das klingt nicht sehr überzeugend. »An was hatten Sie denn ungefähr gedacht?«
»Ein Korb mit Delikatessen aus verschiedenen Läden in der Stadt. Zehn Pfund von unseren ikonischen Peaberry-Kaffeebohnen von Wired Cup. Ein Tag im Spa. Das volle Programm eben.« Ich seufze und ärgere mich gleichzeitig, dass mir der Frust anzumerken ist. »Denken Sie sich etwas aus. Sie kennen die Gäste und ihre Vorlieben besser als ich. Ich bin von Natur aus kein Schleimer, und mir persönlich fällt sonst nichts ein.«
Shelly räuspert sich.
»Die meisten Gäste unternehmen gerne Ausflüge. Das macht ja den Charme von Lanai aus – die wunderschönen Strände und Highlights, die nicht von Touristen überlaufen sind wie auf den anderen Inseln. Wir könnten ihr ein Ausflugspaket schnüren. Oder vom Concierge etwas speziell für sie zusammenstellen lassen.«
»Das klingt doch schon viel besser.« Dann fällt mir ein, dass Piper sich ja am Fuß verletzt hat, und ich runzele die Stirn. »Ich weiß allerdings nicht, ob sie in den nächsten Tagen so gut zu Fuß ist. Warten Sie damit noch, bis ich mich erkundigt habe.«
»Kein Problem.«
»Ich melde mich wieder.« Ich lege auf und fahre fort, mich durch Pipers Videos zu scrollen wie ein Stalker.
Die Pension in Idaho, die sie so hypt, wird von einer Familie betrieben, und sie preist sie als authentisches Bed and Breakfast an.
Offenbar hat jemand aus dem Ort ihr die schönsten Ecken gezeigt, und dessen Mom hat ihr zu jeder Mahlzeit gutbürgerliche Kost serviert.
Sofern ihr Fuß nicht allzu sehr schmerzt, dürften also Ausflüge zu den schönsten Orten auf Lanai genau das Richtige für sie sein.
Damit lässt sich arbeiten.
Nur dass ich kein gutes Gefühl dabei habe, die Orga meinem Personal zu überlassen.
Wenn man so lange wie ich Chef ist, weiß man, dass niemand das gleiche Engagement an den Tag legt wie man selbst.
Und ich kenne die Insel in- und auswendig. Ich bin schon als Kind oft auf Maui und Lanai gewesen, und aktuell steht nichts Wichtiges an.
Ich kann die Schnappschildkröte also ebenso gut persönlich herumführen.
Auch wenn ich nicht so gut bin, was das Zwischenmenschliche betrifft.
Und auch wenn es eine Qual werden könnte.
Und wenn ich ihr tiefer unter die Haut gehe als die Glasscherbe, könnte es sich als Supergau entpuppen.
Immerhin hat sie sehr deutlich gemacht, dass sie alles andere als erpicht darauf ist, mich wiederzusehen.
Trotzdem.
Das Risiko läge allein bei mir.
Alles oder nichts. Ich bin mir nicht zu fein, die Ärmel hochzukrempeln und selbst anzupacken. Wobei noch nicht einmal feststeht, ob es mir überhaupt gelingt, sie zu einem gemeinsamen Ausflug zu überreden.
Ich weiß nur, dass ich diese Aufgabe nicht delegieren möchte.
Ich schreibe eine Mail an den – echten – Hoteldirektor und weise ihn an, mir sofort Bescheid zu geben, wenn der Privatfahrstuhl benutzt wird.
Und ich möchte sofort informiert werden, wenn Miss Renee irgendwo auf dem Gelände gesehen wird – nur für den Fall, dass niemand mitbekommt, wie sie den Fahrstuhl verlässt.
Ich sollte ein schlechtes Gewissen haben wegen der Überwachungsoffensive.
Habe ich aber nicht.
Nach fünf Stunden erholsamen Schlafes wache ich vom Klingeln meines Handys auf. Als ich nach dem Telefon greife, werden mir drei verpasste Anrufe in den vergangenen Minuten angezeigt.
Stöhnend fahre ich mir mit der Hand über das Gesicht und nehme den Anruf entgegen. »Ja?«
»Ich habe jetzt Feierabend, wollte Ihnen aber noch berichten, bevor ich gehe. Sie frühstückt im Café Oceannaire im zweiten Stock. Ich habe ihr Frühstück dazugebucht und ihr eine Nachricht unter der Tür durchgeschoben, um sie darüber zu informieren. Ich weiß allerdings nicht, ob sie den Zettel gesehen hat. Sie sah noch ziemlich verschlafen aus, als sie runtergekommen ist.«
»Danke. Ich mache mich sofort auf den Weg.« Noch während ich auflege, springe ich aus dem Bett und greife nach meinen Anziehsachen.
In einem Paralleluniversum würde mich die Herausforderung, Piper Renee zu zähmen, auf eine völlig andere Art reizen.
Aber in diesem werde ich alles geben, damit sie meinem Unternehmen gegenüber Dankbarkeit empfindet.
In einem schicken Dreiteiler, den ich extra gewählt habe, um Eindruck zu schinden, mache ich mich auf den Weg. Nach den Umständen unserer ersten Begegnung halte ich es für angebracht, diesmal ein paar Lagen mehr anzuziehen.
Ich durchquere das Restaurant und schaue mich suchend um.
Ein paar gut gekleidete Gäste sitzen an Tischen oder stehen gerade an dem reich bestückten Buffet.
Und da ist auch Miss Renee.
Sie sitzt allein an einem Zweiertisch und ist geradezu schockierend underdressed verglichen mit den anderen Gästen. Trägt sie immer noch ihr Schlaf-Outfit?
Dann sehe ich, dass sie immerhin Shorts trägt. Sie sitzt etwas zusammengesunken da, beide Hände um eine große Keramiktasse gelegt, als würde sie sich daran festhalten.
Ich ziehe den Stuhl ihr gegenüber unter dem Tisch hervor und setze mich.
»Genießen Sie Ihr Frühstück auf Kosten des Hauses?«
Sie hebt ruckartig den Kopf, und das verträumte Lächeln, das ihre Lippen umspielt hat, als sie noch aufs Meer geblickt hat, ist schlagartig verschwunden. »Oh, ja. Natürlich. Danke.«
»Haben Sie den Hummer schon probiert? Er wird jeden Tag fangfrisch geliefert und ist wirklich köstlich«, sage ich, um einen lockeren Ton bemüht. »Der Hawaiianische Hummer gilt als feiner als jeder Hummer aus dem Osten.«
Sie starrt mich verständnislos an. Das fängt ja gut an.
»Keine Sorge, Herr Hoteldirektor. Ich werde Sie wahrscheinlich nicht in meiner Hotelbewertung erwähnen. Ich habe darüber nachgedacht und möchte nicht, dass dieser Zwischenfall von der eigentlichen Bewertung dieses Resorts ablenkt.« Seufzend blickt sie einen Moment in die Ferne und richtet den Blick dann wieder auf mich. »Außerdem habe ich gehört, dass der Geschäftsführer ein ziemlicher Choleriker sein soll. Es würde mir doch leidtun, wenn er davon erfährt und Ihnen die Hölle heiß macht wegen eines dummen Software-Problems, für das Sie nichts können.«
Ein ziemlicher Choleriker, ja?
Mein Ruf eilt mir voraus.
»Dann haben Sie also Ihre Hausaufgaben über Winthrope gemacht. Und wer hat Ihnen das von dem CEO erzählt?«, erkundige ich mich und bestelle bei der Kellnerin, die sich nach meinen Wünschen erkundigt, einen Kaffee.
Piper nippt an ihrem Kaffee, runzelt die Stirn und stellt die Tasse wieder ab.
»Was ist?«
»Nichts. Ich hätte mir nur einen zweiten Kaffee bestellen sollen«, sagt sie seufzend. »Meiner ist leer.«
Ich blicke mich um, aber die Kellnerin ist nirgends zu sehen.
Verdammt.
Andererseits ist das hier mein Hotel.
»Augenblick. Ich kümmere mich darum.« Ich stehe auf.
»Gehört es zu den Aufgaben eines Hoteldirektors, Kaffee für die Gäste zu besorgen?«, fragt sie lachend.
Ja, zumindest dann, wenn er mit heiler Haut die Bewertung einer Influencerin überstehen will.
»Klar«, lüge ich. »Der Kaffee hier ist etwas ganz Besonderes. Eine einzigartige Kreation. Ich habe sie selbst ausgewählt.«
Ich tippe mir bei diesen Worten stolz auf die Brust und sehe ihr an, dass sie sich ein Augenrollen verkneift.
Das war vielleicht etwas zu dick aufgetragen.
Vielleicht hätte es sie mehr beeindruckt, wenn ich ihr erzählt hätte, dass ich bei der besagten Suche nach dem perfekten Kaffee mit meiner Jacht in ein Jahrhundertunwetter hinausgefahren bin, um die spätere Frau von Kaffeemogul Cole Lancaster aus der Gewalt eines psychopathischen Kidnappers zu befreien.
Das ist dann wohl nach hinten losgegangen.
Ein Kellner, der mich während meines letzten Aufenthalts bedient hat, geht an unserem Tisch vorbei und bleibt abrupt stehen, als er mich erkennt. Er lächelt breit. »Willkommen zurück, Mister …«
Mist, Mist, Mist.
Sag bloß nicht meinen Namen, Junge. Sie hält den neuen CEO bereits für einen unsympathischen Sklaventreiber.
»Brock«, falle ich dem Mann hastig ins Wort.
Er blinzelt verdutzt. »Im Ernst?«
Was heißt hier »Im Ernst«?
Immerhin heiße ich so.
»Ja. Aber übertreiben Sie es nicht.« Ich nicke dem Mann knapp zu.
Ich kann buchstäblich fühlen, wie Miss Renee mich mustert und sich fragt, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe.