ACHTUNG MOGELPACKUNG! - Yvonne Willicks - E-Book

ACHTUNG MOGELPACKUNG! E-Book

Yvonne Willicks

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Beschreibung

Ein Muss für den Lebensmittelkauf Mit ACHTUNG MOGELPACKUNG! Wissen für Verbraucher haben Konsumenten einen praktischen Ratgeber zur Hand, der die Tricks und Kniffe der Food-Industrie aufdeckt und dem Verbraucher hilft, das zu bekommen, was er wirklich möchte. Und nicht etwa eine als gesunde Kinder-Salami getarnte Fett- und Aromastoffbombe. Alles in allem: ein ultimativer Wegweiser, der nicht nur Basiswissen rund um bewussten Einkauf liefert, sondern selbst versierten "Food-Shoppern" verblüffende Hintergrundfakten bietet.

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Yvonne Willicks und Stefanie von Drathen

ACHTUNG MOGELPACKUNG! Wissen für Verbraucher

Mai 2017

© 2017 Edition Essentials GmbH & Co. KG, Heidelberg

[email protected]

© WDR, Köln

Lizenziert durch die WDR mediagroup GmbH

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen und Datenbanken. Die Inhalte dieses Buches sind sorgfältig geprüft, dennoch kann keine Garantie übernommen werden.

Das Buch enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte, Veränderungen oder Verfügbarkeit im Netz wir keinen Einfluss haben und für die wir auch keine Gewähr übernehmen können.

REDAKTION

Yvonne Willicks, Stefanie von Drathen

LEKTORAT

Eva-Maria Thürmer

LAYOUT

TW Werbeagenten Heidelberg GmbH

BILDNACHWEISE

Luca Siermann, Stefanie von Drathen und WDR

ISBN 978-3-9816935-7-7

eISBN 978-3-98169-358-4

Yvonne Willicks und Stefanie von Drathen

ACHTUNG MOGELPACKUNG!

Wissen für Verbraucher

Liebe Leserinnen und Leser!

Es ist schön, dass Sie sich dieses Buch gekauft haben, denn es wird Ihnen auf jeden Fall helfen, bei Ihrem täglichen Einkauf klarer zu sehen!

Ich habe mich schon immer dafür interessiert, was hinter den Labels, Siegeln und teilweise kryptischen Beschreibungen auf unseren Lebensmittelverpackungen steckt.

Wahrscheinlich bin ich einfach ein kritischer Geist, noch wahrscheinlicher: Ich lasse mich, genau wie die meisten von Ihnen, nicht gern über den Tisch ziehen.

Aus vielen Zuschriften und Gesprächen weiß ich, dass es Ihnen genauso geht wie mir und dass Sie sich ärgern über ständig schrumpfende Verpackungen, Luftnummern und versteckte Preiserhöhungen. Seit 7 Jahren decken wir in der WDR Servicezeit solche Mogelpackungen auf.

Tatsächlich haben sich durch unsere Berichterstattung und durch aufmerksame und kritische Verbraucher Hersteller und Handel in einigen Bereichen bewegt – und zwar auf uns zu. Davon berichten meine Kollegin Stefanie von Drathen und ich in diesem Buch.

Wir zeigen Ihnen aber auch, dass das Leben als Verbraucherjournalistin manchmal mit dem Märchen vom Hasen und vom Igel zu vergleichen ist. Gerade wenn ein Missstand ausgemerzt ist, taucht das nächste Ärgernis auf.

Aber: Wir müssen uns das nicht bieten lassen. Wir Verbraucher haben schließlich die Kaufmacht – und das ist Herstellern durchaus bewusst!

Alle Verpackungen und Links in diesem Buch sind zum Erscheinungstermin im Mai 2017 aktuell.

Damit Sie in Zukunft noch kritischer und (wie es immer so schön heißt) als mündiger Verbraucher entscheiden können, was in Ihrem Einkaufswagen landet und was Sie lieber stehen lassen, haben Stefanie von Drathen und ich dieses Buch geschrieben und unsere Erfahrungen für Sie zusammengetragen.

Blättern Sie einfach durch, lesen Sie sich an einer Stelle fest und vergleichen Sie unsere Berichterstattung mit Ihren Erlebnissen.

Gerne können Sie mir auf Facebook oder unter www.yvonnewillicks.de davon berichten.

Herzliche Grüße

Yvonne Willicks

PS: In unserem Buch finden sich aus urheber- und markenrechtlichen Gründen keine echten Produktabbildungen.

Vorwort

Über die Autorinnen

1. Einfach geht anders! Lebensmittelkennzeichnungen und Verpackungen

1.1Bezeichnungen

1.1.1Kleine Aromen-Kunde

1.2Health Claims

1.3Verpackungsärger

2. Einfach weggeschummelt – wie Zutaten von der Verpackung verschwinden!

2.1Versteckte Schweinereien

2.2Versteckte Käfigeier

2.3Clean Labels

2.4Versteckte Gentechnik

2.5Lebensmittel „made in Germany“

2.5.1Herkunftskennzeichnung mit EU-Gütezeichen

3. Genau hinschauen bei Siegeln und Labels

3.1Test- und Lebensmittel-Siegel

3.2Fairtrade-Siegel

3.3Tierschutzlabel

4. Falsche Versprechen und gutgläubige Verbraucher!

4.1Regionaler Schwindel

4.2Luftverpackungen

4.3Schnäppchenlüge

Mogelpackung des Jahres

Fazit

Register

Über die Autorinnen

YVONNE WILLICKS (Jahrgang 1970) ist in Kamp-Lintfort am Niederrhein geboren und aufgewachsen. Mittlerweile pendelt sie zwischen ihrer Wahlheimat Hamburg und ihrem Arbeitsplatz in Köln. Yvonne Willicks ist verheiratet und hat drei inzwischen erwachsene Kinder zusammen mit ihrem Mann großgezogen. Seit 2005 präsentiert sie mit großer Freude und in ihrer unverstellten Art Verbraucherthemen im deutschen Fernsehen.

STEFANIE VON DRATHEN (Jahrgang 1972) arbeitet seit mehr als 15 Jahren als Fernsehjournalistin. Gemeinsam mit Yvonne Willicks hat sie viele Sendungen produziert. Stefanie von Drathen lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Berlin.

1. Einfach geht anders! Lebensmittelkennzeichnungen und Verpackungen

Lebensmittelverpackungen richtig zu entschlüsseln, kann ganz schön kompliziert sein. Wer sich nicht auskennt, lässt sich schnell täuschen durch blumige Produktnamen auf den ach so schön gestalteten Verpackungen. Oft muss auch ich ganz genau hinschauen, um überhaupt erst mal zu erkennen, um was für ein Produkt es sich handelt und welche Qualität es hat. Seit Dezember 2014 ist europaweit eine neue Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) in Kraft. Und natürlich wurden nicht alle von uns Verbrauchern bemängelten Kritikpunkte berücksichtigt. Noch immer können Hersteller tricksen, vertuschen und verwirren. Aber immerhin: Es hat sich einiges getan. Auf vielen Produktverpackungen stehen nun mehr Sach- und weniger Scheininformationen.

Was muss auf der Packung stehen?

Das wurde auch Zeit! Denn egal ob Profi vom Verbraucherverband oder Kunde im Supermarkt: Viele Slogans, Logos und Abbildungen verwirren und geben eben keine klare Information zur Kaufentscheidung. Die große Mehrzahl von uns Kunden hat das Gefühl, dass bei den Aussagen auf den Packungen viel getrickst wird.

Aber wer weiß, worauf es beim täglichen Einkauf ankommt, lässt sich nicht so leicht hinters Licht führen. Nur, worauf gilt es zu achten?

Pflichtangaben auf Lebensmittelverpackungen

Für alle Lebensmittelverpackungen gibt es verpflichtende Angaben, die uns Kunden helfen sollen, das Lebensmittel richtig einzuschätzen. Das Herzstück jedes Produkts ist die Zutatenliste, in der (bis auf wenige Ausnahmen) sämtliche Inhaltsstoffe in absteigender Reihenfolge aufgeführt sein müssen. Das heißt: Von der Zutat, die an erster Stelle steht, ist am meisten im Produkt enthalten. Von der Zutat, die an letzter Stelle steht, ist am wenigsten drin.

Der Name auf der Vorderseite der Verpackung wie „Yvonnes Traumkekse“ ist ein Phantasiename. Den kann sich der Hersteller frei wählen. Der offizielle Name des Lebensmittels ist nach der neuen LMIV die „Bezeichnung“, in diesem Fall „Haferkekse“.

Meistens steht sie über dem Zutatenverzeichnis, eine rechtliche Vorschrift dazu gibt es aber nicht. Sie soll die Ware eindeutig kennzeichnen. Das tut sie auch manchmal, aber leider nicht immer (mehr dazu: 1.1 Bezeichnungen).

Auf (fast) jedes Produkt gehört ein Mindesthaltbarkeitsdatum, ausgenommen sind einige wenige Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse, Wein oder Zucker. Das Mindesthaltbarkeitsdatum gibt an, bis zu welchem Tag das Lebensmittel Geschmack, Geruch, Farbe und Nährwert mindestens behält. Das heißt aber nicht, dass es danach schlecht ist. Das Produkt kann auch nach Ablauf noch sicher und gesund sein. Etwas anderes ist das „Verbrauchsdatum“, das auf leicht verderblichen Lebensmitteln wie zum Beispiel Hackfleisch steht. Solche Lebensmittel sollten so schnell wie möglich verbraucht werden, denn nach Ablauf des Verbrauchsdatums ist das Lebensmittel nicht mehr zum Essen geeignet.

VERBRAUCHER UND VERPACKUNGEN

Nach einer Studie im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) sind rund 75 Prozent der Verbraucher der Ansicht, dass die Angaben auf der Verpackung Lebensmittel oft besser darstellen, als sie in Wirklichkeit sind. 72 Prozent haben das Gefühl, dass bei den Aussagen viel getrickst wird. Und knapp 77 Prozent meinen, dass man beim Lebensmitteleinkauf genau hinschauen muss, um die tatsächliche Qualität eines Produktes zu erkennen.

Quelle: Zühlsdorf, A., Nitzko, S., Spiller, A. (2013): Aufmachung und Kennzeichnung von Lebensmitteln aus Sicht der Verbraucher: Empirische Untersuchungsbefunde, Göttingen.

Rückverfolgbarkeit und Ansprechpartner

Außerdem muss auf einer Verpackung eine Los- und Chargennummer vorhanden sein, damit sie bis in die produzierende Fabrik zurückverfolgt werden kann. Name und Anschrift des Herstellers, Verpackers oder EU-Verkäufers darf auch nicht fehlen. Und: Die Netto-Füllmenge muss angegeben werden, also wie viel Gramm oder Milliliter in der Packung enthalten sind. Die vielen unterschiedlichen Verpackungsgrößen machen es Verbrauchern aber schwer, Mengen und somit die Preise richtig einzuschätzen. Nach der LMIV müssen auf allen Lebensmitteln potenzielle Allergene kenntlich gemacht werden. Zurzeit sind das 14 Lebensmittelzutaten. Sie lösen 90 % aller Lebensmittelunverträglichkeiten aus. Dazu zählen Eier, glutenhaltige Getreide, Schalenfrüchte (also Nüsse), Erdnüsse, Soja, Milch und Sellerie. In der Regel sind die Allergene in der Zutatenliste fett gedruckt. Bei unverpackter Ware muss der Kunde die Möglichkeit haben zu erfahren, welche Allergene enthalten sind, entweder durch eine Zutatenliste oder eine mündliche Auskunft (mehr dazu: 1.3 Verpackungsärger).

Nährwerttabellen gehören seit Dezember 2016 verpflichtend auf fast alle verpackten Lebensmittel. Sie zeigen an, wie viele Kalorien, wie viel Fett, Zucker usw. in einem Produkt – bezogen auf 100 Gramm oder 100 Milliliter – enthalten sind. Vorgeschrieben ist die Kennzeichnung der sieben wichtigsten Nährwerte: Energiegehalt, Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß, Salz. Zusätzlich können noch angegeben werden: einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Stärke, Ballaststoffe, mehrwertige Alkohole und Vitamine und Mineralstoffe. Wirbt ein Produkt mit einem Nährstoff, wie etwa „reich an Ballaststoffen“ oder „mit Vitamin C“, dann muss der Gehalt des angepriesenen Stoffs in der Nährwerttabelle angegeben werden.

Für einzelne Produktkategorien gibt es weitere Pflichtangaben, zum Beispiel zur Herkunft bei Fleisch oder Olivenöl, zum Einfrierdatum bei Fleisch und Fisch oder zur besonderen Aufbewahrung. Für alle Pflichtangaben gilt, sie müssen an einer gut sichtbaren Stelle angebracht werden und deutlich und gut lesbar sein. Die Schrift muss mindestens 1,2 Millimeter hoch sein, bei kleinen Verpackungen mindestens 0,9 Millimeter.

Dazu gibt es noch eine Reihe freiwilliger Zeichen, die auf spezielle Anbauoder Haltungsformen hinweisen. Wie etwa das „Fairtrade“-Zeichen oder der Hinweis „ohne Gentechnik“. Besonders gerne schmücken Hersteller ihre Produkte aber mit Aufdrucken wie diesen: „Mit Vitamin C, das zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress beiträgt.“

Das sind nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, sogenannte „Health Claims“. Sie dürfen nur nach wissenschaftlicher Prüfung und einer europäischen Zulassung verwendet werden – und trotzdem lässt sich auch mit ihnen eine Menge Schindluder treiben (mehr dazu: 1.2 Health Claims).

1.1 Bezeichnungen

Wenn es um die Namen von Produkten geht, ist die Lebensmittelindustrie kreativ darin, uns Verbraucher zu manipulieren. Was zum Beispiel ist eine „Himmelscreme“ oder ein „Traumkeks“? Produktnamen dürfen Hersteller frei wählen, da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. „Bauern-Rouladen“, „Fruchtzwerge“ oder „Texas-Topf“. Diese kreativen Wortschöpfungen schmücken großflächig das Etikett auf der Vorderseite der Verpackungen. Aussagekräftig sind sie aber nicht. Der offizielle Produktname steht oft eher kleingedruckt auf der Rückseite. Er nennt sich im Bürokraten-Deutsch „Bezeichnung“, bis Ende 2014 „Verkehrsbezeichnung“, und gehört auf jede Verpackung. Laut Gesetz soll die Bezeichnung das Lebensmittel eindeutig benennen, sodass wir Verbraucher es erkennen und von anderen Lebensmitteln unterscheiden können.

Bezeichnungen im Deutschen Lebensmittelbuch

Eine Orientierungshilfe für Verbraucher, aber auch für Unternehmen, die Lebensmittelüberwachung und für Gerichte bietet das Deutsche Lebensmittelbuch (DLMB). Darin sind viele Bezeichnungen genau festgeschrieben, etwa „Pastete nach Wildschweinart“ oder „Rinder-Roulade“. In dem DLMB findet man dann, wie viel Wildschwein in der Pastete stecken muss und wie viel Rind in einer Rinder-Roulade. Aber längst nicht alle Produkte sind im Lebensmittelbuch beschrieben und auch Neu-Kreationen müssen nicht eingetragen werden.

Für einzelne Warengruppen, wie etwa Schokoladen, Konfitüren oder Butter, gibt es spezielle Vorschriften, sogenannte „Produktverordnungen“, in denen genaue Vorgaben zur Herstellung und Rezeptur gemacht werden. Die Bezeichnungen sind hier gesetzlich festgeschrieben.

Liegt für ein Lebensmittel weder im Lebensmittelbuch noch in einer Produktverordnung eine eindeutige Bezeichnung vor, kann der Hersteller selbst eine Bezeichnung wählen. Diese muss – das schreibt das Lebensmittelrecht vor – so formuliert sein, dass unmissverständlich deutlich wird, um was es sich handelt.

Über die Bezeichnungen, die im Lebensmittelbuch festgelegt werden, entscheidet eine 32-köpfige Kommission in Berlin, die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK). Das Gremium besteht zu gleichen Teilen aus ehrenamtlichen Vertretern der Lebensmittelüberwachung, der Wirtschaft, der Wissenschaft sowie der Verbraucherschaft. Die DLMBK beschreibt in Leitsätzen genau, welche Anforderungen die verschiedenen Produkte erfüllen müssen, um die verkehrsübliche Bezeichnung auf den Verpackungen tragen zu dürfen. Die Leitsätze sind zwar keine Gesetze, haben in der Praxis und in Streitfällen aber einen hohen Stellenwert. Offiziell haben sie „den Charakter objektivierter Sachverständigengutachten (…), die den redlichen Herstellerund Handelsbrauch sowie die berechtigte Verbrauchererwartung berücksichtigen“.1

Ja, aber Phantasienamen dürfen trotzdem groß auf den Verpackungen stehen!

Für den Verbraucher oft hilfreich

Manchmal ist anhand der Bezeichnung schnell erkannt, dass der Unterschied zwischen dem tatsächlichen Inhalt und dem vom Hersteller ausgedachten Phantasienamen sowie der Verpackungsaufmachung riesengroß ist.

Bei unseren Recherchen 2014 zum Thema fanden wir eine Reihe von Produkten, die sich durch ihre Bezeichnung selbst demaskierten.

Früchtetee

Ein Tee der Marke Teehaus warb bis 2016 auf der Schauseite groß mit dem Schriftzug „Johannisbeer-Kirsch“ und Abbildungen von knackigen Früchten. Die Bezeichnung zeigte: Es handelt sich um einen aromatisierten Früchtetee – ohne eine einzelne Johannisbeere oder Kirsche!2

Instant-Tee

Auf der Schauseite des Milchtee-Getränks „Chai Latte“ aus dem Haus Krüger warben hübsche Vanilleblüten und eine Zimt-Gewürzstange für den würzigen Geschmack. Anhand der Bezeichnung war schnell klar, dass es sich bei dem Produkt um eine aromatisierte „Instant-Zubereitung für Teegetränke“ handelt, Zimt oder Vanille waren nicht enthalten.

Wasabi-Paste

Eines unserer Lieblingsprodukte war die „Wasabi-Paste“ der Firma Obenta. Statt „Wasabi-Paste“, wie groß auf dem Etikett beworben, handelte es sich um eine grün gefärbte „Scharfe Paste aus Meerrettich nach Wasabi-Art“ mit viel Meerrettich und einem minimalen Wasabi-Anteil von 1 Prozent. Der Name auf der Vorderseite also reine Phantasie!

Das ist kein Einzelfall! Die meisten „Wasabi“-Pasten enthalten nur sehr, sehr wenig Wasabi …

Wie viel Spinat gehört in ein Spinatgericht?

Der schnelle Blick auf die Bezeichnung kann sich also lohnen und manchmal die zeitaufwendige Entzifferung der klein geschriebenen Zutatenliste ersetzen. Aber nicht immer hilft der offizielle Name eines Lebensmittels, um dessen Qualität richtig einzuschätzen. Verbrauchererwartung und Realität klaffen auch hier manchmal ganz schön weit auseinander.

Einige Beispiele aus unseren Recherchen zum TV-Beitrag:

Brokkoli-Nudelgericht

Ein Nudelgericht der Firma Knorr nennt der Hersteller „Penne mit Broccoli“. Und auch der offizielle Name, die Bezeichnung lautet: „Nudeln mit Broccoli in einer cremigen Sauce“. Allerdings enthält das Fertigmenü nur 2,5 Prozent Brokkoli. Dieser Hinweis versteckt sich im Zutatenverzeichnis.

2,5 Prozent sind bei einer Portionsgröße von 280 Gramm ganze 7 Gramm Brokkoli!!!

Spinat-Nudelgericht

Ähnlich ein Produkt des Konkurrenten Maggi. Der offizielle Name eines Fertigmenüs lautet „Pasta in Blattspinat-Käse-Sauce“. Der Spinatanteil: 1,4 Prozent.

Spinatsauce mit 1,4 Prozent Spinat!? Hallo?

Verbraucherstudie zu Bezeichnungen

„Verwirrend!“, urteilt auch Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale in Hamburg. Sie rät dazu, sich weder auf die Produktnamen noch auf die Bezeichnungen zu verlassen, sondern immer einen Blick auf die Zutatenliste zu werfen. Nur so können Kunden sicher sein, was und wie viel davon wirklich in einem Produkt enthalten ist.3

Die Ernährungswissenschaftlerin hat 2012 eine bundesweite Studie zu den „Bezeichnungen“ (damals noch „Verkehrsbezeichnungen“) durchgeführt. Rund 120 Produkte haben sie und ihre Kollegen untersucht und festgestellt, dass hier noch eine Menge Handlungsbedarf besteht.

Silke Schwartau, Verbraucherzentrale Hamburg: „Die Bezeichnungen sollen klar und eindeutig über wesentliche Zutaten und charakteristische Eigenschaften von Lebensmitteln informieren. Die meisten Bezeichnungen sind aber schwer zu finden, schlecht zu lesen und als solche oft gar nicht erkennbar.“

Kritik von Foodwatch an der Kommission

Über die Diskussionen innerhalb der DLMBK, die über viele Bezeichnungen entscheidet, ist nur wenig bekannt. Alle Beteiligten unterliegen einer Schweigepflicht, auch Sitzungsprotokolle werden nicht veröffentlicht.4 Interessierte können aber einige Informationen auf der Homepage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) finden. Denn dort sind die Sachstandsberichte der jeweiligen Fachausschüsse einsehbar. Darin erfährt man zumindest, welche Leitsätze gerade überarbeitet werden.

Die Arbeit in der Kommission ist nicht unkompliziert. Denn Verbraucherschützer müssen gemeinsam mit den Vertretern der Lebensmittelindustrie einen Konsens über die verschiedenen Bezeichnungen und die Anforderungen dazu finden – und zwar einstimmig. So lautet der Auftrag des BMEL. Nicht immer leicht für die beteiligten Gruppen. Obwohl wenig aus der Kommission an die Öffentlichkeit gelangt, spricht vieles dafür, dass mit allen Mitteln und harten Bandagen um Lösungen gerungen und gefeilscht wird – manchmal jahrelang.

Mit einigen der rund 2.200 im Lebensmittelbuch festgeschriebenen Bezeichnungen scheinen die Kommissionsmitglieder selbst nicht zufrieden zu sein, aber ein Kompromiss bleibt eben immer ein Kompromiss. In einem Beitrag in Behr’s Jahrbuch von 2015 verteidigt Dr. Birgit Rehlender, die Vorsitzende der DLMBK, die Arbeit ihrer Kommission gegen Kritik. Rehlender sitzt für die Verbraucherseite in der Runde. Ihren Hauptjob hat sie bei der Stiftung Warentest. Dort ist sie Projektleiterin für Lebensmitteltests.

Dr. Birgit Rehlender, Vorsitzende DLMBK: „Um aber die allgemeine Verkehrsauffassung beschreiben zu können, muss der redliche Herstellungs- und Handelsbrauch ermittelt werden. Dies geht nicht, ohne die Produkte in Augenschein zu nehmen, die wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten für ihre Produktion zu kennen und sie an den rechtlichen Erfordernissen zu spiegeln.“

Erster Kritikpunkt: Definierte Begriffe

Die Bezeichnungen sind also hart erkämpfte Zugeständnisse, wohl oft die Einigung auf den allerkleinsten gemeinsamen Nenner. Aber wo bleiben wir Kunden da, wenn die Profis sich einigen? Denn wer von uns kennt sich schon mit dem Fachvokabular aus dem Gremium aus? Geschweige denn mit den Rezepturen der Lebensmittelindustrie? Für uns Verbraucher bleiben viele Fragezeichen.

Kalbfleisch-Leberwurst

Beispielsweise bei der „Kalbfleisch-Leberwurst“. Kalbfleisch-Leberwurst ist ein im DLMB definierter und somit geschützter Begriff. Wie viel Kalbfleisch erwarten wohl durchschnittliche Verbraucher in einer Kalbfleisch-Leberwurst?

Ja, wohl mindestens die Hälfte, sag ich mal so!

In der „Kalbfleisch-Leberwurst“ der Marke Du darfst, die wir in unserem Beitrag in der WDR Servicezeit 2014 thematisiert haben, waren es 17 Prozent. 17 Prozent? Ja, richtig gelesen! Der Rest war Schweinefleisch, Schweineleber und Speck.

Hier prallt offenbar die Erwartung der Kunden auf die Realität der fachmännischen Lebensmittelwirtschaft. Denn nach dem Deutschen Lebensmittelbuch musste „Kalbfleisch-Leberwurst“ nur zu 15 Prozent aus Kalbfleisch bestehen, um den Namen tragen zu dürfen. Die Bezeichnung verwirrte wohl mehr, als dass sie aufklärte.5

Viele, viele Verbraucher beschwerten sich deswegen. Das hat Wirkung gezeigt. Die betreffenden Leitsätze des DLMB wurden inzwischen überarbeitet, die Änderungen gelten seit Ende 2015. Danach soll eine „Kalbfleisch-Leberwurst“, in der auch Schweinefleisch steckt, künftig „Kalbfleisch-Leberwurst mit Schweinefleisch“ heißen, wobei der Rindfleisch-Anteil überwiegen soll. Unser Du darfst-Produkt würde demnach wohl eher „Leberwurst mit Kalbfleisch“ genannt werden müssen. Nach den neuen Richtlinien muss bei Produkten, bei denen „Kalb“ in der Bezeichnung vorangestellt ist, der Fleischanteil zu mehr als 50 Prozent aus Rindfleisch bestehen, überwiegend von Kälbern und Jungrindern.

Verwirrend, diese Begriffe! Aber es bewegt sich was, wenn wir Verbraucher aktiv werden!

Zweiter Kritikpunkt: Phantasievolle Namenskreationen

Bauern-Roulade

„Rinder-Roulade“ ist in den Leitlinien des Lebensmittelbuchs festgeschrieben und muss nach einem speziellen Rezept mit einem speziellen Fleisch hergestellt werden. Wie sieht es aber mit einer uns bei der Recherche aufgefallenen „Bauern-Roulade“ aus? Bei dem Begriff „Roulade“ erwarten wir – und wohl auch die Kunden – ein hochwertiges Fleischprodukt. Man könnte ja annehmen, dass der Namen geschützt sei. Dem ist aber nicht so. Erst die Bezeichnung des Produkts bringt Klarheit. Statt um eine „Roulade“ handelt es sich bei den „Bauern-Rouladen“ der Firma Dreistern um „Frikadellen-Rollen“.

Das ist ja wohl nicht dasselbe!

Nach der Ausstrahlung unseres Beitrags in der WDR Servicezeit erhielten wir Post von einem Zuschauer, der uns aufklärte, dass Bauern-Rouladen in Ostdeutschland ein gängiges Gericht waren. Wir kannten es nicht!

Dritter Kritikpunkt: Namensgebende Zutaten

Silke Schwartau und ihr Team von der Verbraucherzentrale Hamburg bewerteten in ihrer Studie zu den „Verkehrsbezeichnungen“ 2012 fast die Hälfte als beschönigend. Die offiziellen Namen täuschten eine höhere Qualität vor, als tatsächlich vorhanden sei, so ihr Fazit. Viele Produkte werben im Namen oder der Aufmachung mit besonderen Zutaten wie Spinat, Brokkoli oder Früchten. Kunden erwarten in solchen Produkten eine angemessene Menge der angepriesenen Zutaten. Aus Sicht der Experten war die aber bei fast jedem zweiten Produkt nicht vorhanden. Meist wurden die Verbraucher mit Alibimengen abgespeist.

Erdbeermüsli

Wie etwa bei dem „Crunchy Müsli Erdbeere“ von Bio Zentrale. Auf der Vorderseite warb das Produkt mit knackigen frischen und getrockneten Erdbeeren. Laut Bezeichnung handelte es sich um ein „Crunchy Müsli mit getrockneten Erdbeeren“. Enthalten waren genau 1,7 Prozent Früchte.

Das ist doch ein Witz, oder?

Dessert-Pulver

Auf dem Fertignachtisch „Himmelscreme“ aus dem Haus Dr. Oetker waren großflächig Pfirsiche und Maracuja-Früchte abgebildet. Offiziell handelte es sich um ein „Cremepulver für ein Joghurt-Pfirsich-Maracuja-Cremedessert“. Das Fruchtdessert enthielt ganze 1,7 Prozent der namensgebenden Früchte.

Unglaublich!

Wirbt ein Produkt auf der Vorderseite der Packung mit einer besonderen Zutat (im Fachjargon „wertgebende“ oder „namensgebende Zutat“), ist der Hersteller nach der QUID-Regelung verpflichtet, im Zutatenverzeichnis anzugeben, wie viel davon tatsächlich drinsteckt.6 Also wie viele Erdbeeren ins „Erdbeermüsli“ gemischt wurden oder wie viel Spinat in ein Spinatgericht. Allerdings gibt es keine gesetzlichen Vorgaben über eine Mindestmenge – also darüber, wie viel Frucht oder Gemüse in den Produkten mindestens enthalten sein muss.

Und es gibt natürlich auch wieder Ausnahmen von der Pflicht …

Servicetipp: Trockenprodukte vs. Frischware

Wichtig zu wissen ist, dass der Anteil von Früchten oder Gemüsen gerade bei Trockenprodukten durch Wasserentzug extrem schrumpft. Der auf der Zutatenliste ausgewiesene Anteil entspricht somit nicht unbedingt der Menge an Frischware, die tatsächlich für das Produkt verwendet wurde. Manchmal weisen die Hersteller darauf hin.

Schoko-Kirsch-Müsli

Etwa beim „Müsli Schoko Kirsch“ der Firma Kölln. Laut Zutatenliste enthält die Getreidemischung 4,5 Prozent getrocknete Cranberrys und 3,5 Prozent getrocknete Sauerkirschen. Das entspricht einem Frischfruchtanteil von 12 Prozent für die Cranberrys und 20 Prozent für die Sauerkirschen.

Das hört sich ja schon gleich anders an!

Vierter Kritikpunkt: Getränke

Besonders geärgert haben sich Silke Schwartau und ihre Kollegen über die Aufmachung und den wahren Inhalt von Getränken. Hier rät sie, ganz genau hinzuschauen!

Himbeer-Rhabarber-Schorle

2014 fiel uns ein Getränk der Eigenmarke „Active Fruits“ des Discounters Netto auf. Auf der Flasche stand in großen Lettern: „Himbeer-Rhabarber“. Zudem wurde auf der Flasche mit „30 % Saftgehalt aus Frucht- und Gemüsesaftkonzentraten“ geworben. Miniklein darunter die Bezeichnung: „Mehrfrucht-Rhabarbergetränk mit Himbeer-Geschmack“. Anhand der Zutatenliste erkannten wir, wie viel Himbeer- und Rhabarbersaft tatsächlich in der Flasche steckten, nämlich 0,1 Prozent Himbeersaft und 0,1 Prozent Rhabarbersaft. Dafür aber 28,5 Prozent Apfelsaft!

Leute, echt! 0,1 Prozent???

Wir und auch viele Kunden fühlten uns getäuscht. Das Landgericht Amberg sah das ebenso. Im Sommer 2016 urteilte das Gericht, dass ein Getränk, das auf seiner Verpackung Himbeeren und Rhabarber verspricht, mehr enthalten muss als jeweils nur 0,1 Prozent.

Es befand, dass Verbraucher sogar davon ausgehen könnten, dass das Getränk einen Anteil von 30 Prozent Himbeer- und Rhabarbersaft enthalte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Aber es ist Rückenwind für die Verbraucherschützer, die strengere rechtliche Regeln für die Verwendung der offiziellen Produktnamen fordern.

Silke Schwartau, Verbraucherzentrale Hamburg: „Die Bezeichnung gehört auch auf die Vorderseite der Verpackung. Sie sollte gut lesbar sein, keine falschen Erwartungen wecken, weder beschönigen noch verschleiern. Mit Aromen aufgepeppte Lebensmittel müssen auf den ersten Blick als solche erkennbar sein. Deswegen gehört ein Hinweis auf Aromen zwingend in die Verkehrsbezeichnung.“

Was hat sich seit der Ausstrahlung getan?

Nach anhaltender Kritik an der Arbeit der rund fünfzig Jahre alten Lebensmittelbuch-Kommission hat sich das Bundesagrarministerium endlich bewegt. Bundesminister Christian Schmidt (CSU) hat die Arbeit der Kommission evaluieren lassen. Im März 2015 wurde das Gutachten vorgelegt. Danach soll sich die Kommission in Zukunft stärker am Verbraucherwillen orientieren, ganz so wie es der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD vorsieht. Die Organisationsstrukturen sollen angepasst und Abläufe beschleunigt werden. „Mehr Effizienz, mehr Akzeptanz, mehr Transparenz und mehr Kommunikation“, so das Motto der Reform. An der Kommission selbst will der Minister aber festhalten. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hatte die komplette Abschaffung der Institution gefordert.

Christian Schmidt, Bundesernährungsminister: „Die Leitsätze haben sich bewährt (…). Die Leitsätze können aber nur dann wirken, wenn sie auch bei der Verbraucherschaft Akzeptanz finden, aktuell und verständlich sind.“

Das sieht auch die Vorsitzende der Kommission Birgit Rehlender so.

Dr. Birgit Rehlender, Vorsitzende DLMBK: „Ohne die wertvollen Beschreibungen gäbe es ein weitaus höheres Täuschungspotenzial und damit letztlich viel mehr gerichtliche Auseinandersetzungen.“

Ernährungsminister Christian Schmidt will das Buch „mit deutlicher Feder kräftig überarbeiten“. Auch die 32 ehrenamtlichen Kommissionsmitglieder aus Wirtschaft, Verbraucherschaft und Wissenschaft begreifen das Evaluierungsverfahren und die Reform als Chance. Denn, so die Vorsitzende: „Nichts ist so gut, als dass man es nicht noch besser machen könnte!“

Yvonnes Notiz

Gut ist ja schon mal, dass wir Verbraucher überhaupt in der Lebensmittelbuch-Kommission vertreten sind. Obwohl ich das 1. als eine Selbstverständlichkeit und 2. als Minimalanforderung verstehe. Aber es wäre ja auch durchaus vorstellbar, dass Industrie und Lebensmittelüberwachung die Taufnamen unserer Produkte unter sich aushandeln.7

Reformen finde ich immer gut. Vor allem, wenn sie mehr Verbrauchernähe versprechen. Besser aber noch ist es, nicht zu warten, bis sich die Politik oder etwa die Wirtschaft bewegt. Da setze ich doch lieber auf Aufklärung und Information, um Kunden vor falschen Versprechen zu schützen und ihnen zu ermöglichen, Qualität selber zu erkennen.

Was mir Sorge bereitet, ist, warum uns das von Seiten der Industrie so schwer gemacht wird. Wissenschaftler sprechen da bereits von einer „Misstrauensspirale“, die besonders für die Qualitätsanbieter auf dem Lebensmittelmarkt gefährlich werden könnte. Nach einer Studie der industrienahen Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) zur Verbraucherkompetenz glaubt knapp die Hälfte der Befragten, dass bei der Lebensmittelkennzeichnung „getäuscht“ wird.8 Das sollte der Lebensmittelwirtschaft doch wirklich zu denken geben. Mich ärgert, dass oft nur noch ein hoher Preis am Supermarktregal als Qualitätsmerkmal gilt. Das stimmt so einfach nicht. Aber andere Qualitätskriterien sind auf den ersten Blick häufig nicht zu erkennen!

Gerade bei Lebensmitteln heißt es deswegen immer wieder aufs Neue: Wer die Zutatenlisten liest, ist klar im Vorteil. Dann ist auch schnell eine Bauern-Roulade als gefüllte Frikadelle enttarnt und ein Fruchtdessert als aromatisierte Zuckercreme.

Zum Weiterlesen

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: www.bmel.de

Auf der Internetseite des BMEL finden sich Informationen rund um die Kennzeichnung von Lebensmitteln, die Arbeit der Lebensmittelbuch-Kommission und die Sachstandsberichte der einzelnen Fachausschüsse.

Verbraucherzentrale Hamburg: www.vzhh.de

Die Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg zu Bezeichnungen ist online abrufbar. Hier der Link: www.vzhh.de/ernaehrung/235745/mein-name-ist-hase.aspx

1.1.1 Kleine Aromen-Kunde

In den Bezeichnungen finden sich oft indirekte Hinweise auf Aromen. Sie gehören wie Salz und Zucker mittlerweile selbstverständlich in die Großküchen der Lebensmittelproduzenten. 15 Gramm zugesetzte Aromen nimmt jeder Bundesbürger im Schnitt jährlich zu sich. Sie müssen – wie alle Zutaten – in der Liste der Inhaltsstoffe auftauchen.

Unterschiedliche Arten von Aromen

Die Kennzeichnung von Aromen ist in der EU-Aromen-Verordnung geregelt. Danach gibt es drei Kategorien:

1. Aroma

2. natürliches Aroma

Aber natürliches Aroma ist nicht unbedingt natürlich!

3. natürliches xx-Aroma, also Aroma, das die namensgebende Zutat im Namen trägt, wie Himbeer- oder Vanille-Aroma.

Alle diese Aroma-Kategorien können mit dem Begriff „Aroma“ in der Zutatenliste aufgeführt werden. Das macht es für uns Verbraucher kompliziert, denn es nicht immer zu erkennen, um welche Art Aroma es sich handelt. Allerdings ist davon auszugehen, dass, wenn in der Zutatenliste nur der Begriff „Aroma“ zu finden ist, dieses in der Regel im Labor chemisch hergestellt wurde. Auch dann, wenn die Geschmacksrichtung vorangestellt ist, wie „Vanille-Aroma“. Schlüsselbegriffe für synthetische Aromen sind „Geschmack“ oder „Typ“.

Allerdings haben wir bei unseren Recherchen auch eine Eiscreme gefunden, bei der „natürliches Bourbon-Vanille-Aroma“ als „Aroma“ deklariert wurde. Es ist also alles möglich!

Bei der Kennzeichnung „natürliches Aroma“ muss der Stoff aus einer natürlichen Quelle stammen, aber nicht zwangsläufig aus einem Lebensmittel. Er kann aus pflanzlichen, tierischen oder mikrobiellen Rohstoffen gewonnen werden, kommt also meistens auch aus dem Labor.

Ach, ganz ehrlich: Wer hat sich das denn ausgedacht?

Dagegen muss „natürliches xx-Aroma“ zu mindestens 95 Prozent aus der jeweiligen Frucht gewonnen werden, die es im Namen trägt. Es darf sich dann „natürliches Himbeer-Aroma“ oder „natürliches Vanille-Aroma“ nennen. Die Begriffe „künstliches“ und „naturidentisches Aroma“ gibt es nicht mehr.

Das ist schade, denn das war ja wohl echt eindeutiger!

1.2 Health Claims

„Calcium trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel bei“, „Vitamin C trägt zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress bei“ oder „Proteine tragen zur Erhaltung normaler Knochen bei“. Das sind sogenannte „Health Claims“ – zu deutsch Gesundheitsversprechen. Bei Herstellern sind sie beliebt als freiwillige Angabe auf Verpackungen, denn so sehen die Waren gleich viel gesünder aus – und sind somit verlockender für den Kunden. Denn Lebensmittel, da sind sich die meisten Deutschen (89 Prozent) einig, sollen vor allem gesund sein.9

Seit Dezember 2012 dürfen gesundheitsbezogene Angaben nur noch dann auf eine Verpackung gedruckt werden, wenn sie von der EU geprüft und zugelassen worden sind.10 Will ein Hersteller auf eine (bislang nicht zugelassene) gesundheitsfördernde Wirkung seines Produkts hinweisen, muss er der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Studien vorlegen, die diese Wirkung bestätigen. Knapp 2.300 Gesundheitsversprechen hat die EFSA bereits überprüft. Zugelassen – und damit ausreichend wissenschaftlich belegt – wurden nur 259!

Hersteller müssen reagieren

Für die Industrie war die Health-Claims-Verordnung ein schwerer Schlag, denn viele – oft jahrelang verwendete – Werbeaussagen mussten schnell von den Produktverpackungen entfernt oder geändert werden.

Sprüche wie „Gesunde Vitamine naschen“ oder „So wertvoll wie ein kleines Steak“ gibt es darum nicht mehr!

Joghurt-Riese Danone zum Beispiel konnte nicht wissenschaftlich nachweisen, dass sein Produkt „Actimel“ die Abwehrkräfte tatsächlich stärkt. Das Gesundheitsversprechen verschwand von der Verpackung. Nun ziert ein Claim für die Vitamine B6 und D den Joghurtdrink: „Diese tragen zur einer normalen Funktion des Immunsystems bei.“

Auch dass „Activia“ die Verdauung in Schwung bringt, ist passé. Die besondere „Actiregularis-Kultur“ in dem Produkt von Danone sorgt nur noch „für einen charakteristisch milden Geschmack“. Immerhin, der Joghurt ist noch immer ein „kleiner leckerer Beitrag für dein Wohlgefühl“.

Das Milchgetränk „Yakult“ darf nicht mehr behaupten, einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der Gesundheit zu leisten. Der Claim ist von der Packung verschwunden.

Früher waren Fruchtzwerge „So wertvoll wie ein kleines Steak“. Heute sind sie nur noch „mit Calcium und Vitamin D“. So ändern sich die Zeiten.

Health-Claims-Verordnung noch lückenhaft

259 gesundheitsbezogene Angaben konnten aber wissenschaftlich bewiesen werden und sind somit EU-weit erlaubt. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass allein aus Deutschland 10.500 Claims zur Prüfung eingereicht wurden – aus ganz Europa sogar 44.000. Sophie Herr vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) ist dennoch nicht zufrieden mit der Health-Claims-Verordnung. Dabei haben Verbraucherverbände jahrelang für eine solche Regelung gekämpft.

Sophie Herr, vzbv: „Das eigentliche Ziel, nämlich Verbraucher vor nicht haltbaren Gesundheitsversprechen zu schützen, ist bislang nicht erreicht worden.“

Denn noch immer kann praktisch jedes Lebensmittel mit einem Gesundheitsversprechen versehen werden. Hersteller müssen nur EINE gesundheitsfördernde Zutat, also beispielsweise ein Vitamin, hinzufügen und schon können sie ihre Produkte mit dem Vitamin-Claim versehen. So werten Produzenten auch fett- und zuckerreiche Produkte mit einem angeblich gesundheitlichen Nutzen auf. Ein Fehler im System! Denn die Health-Claims-Verordnung sieht eigentlich nicht vor, dass auf allen Produkten Gesundheitswerbung gemacht werden darf.

Mein Team hat einen Health-Claims-Dschungel in Berlin aufgebaut, 2014.

Nährwert-Anforderungen fehlen

In der ursprünglichen Fassung der Verordnung sollten (bis Januar 2009) Standards erarbeitet werden, die festlegen, welche Produkte überhaupt mit einer gesundheitsfördernden Wirkung Werbung machen dürfen. Also ab wann Lebensmittel zu fettig, zu salzig oder zu süß für Gesundheitsversprechen sind. Doch bis heute fehlen diese sogenannten Nährwertprofile – und es sieht auch nicht so aus, als ob sich im EU-Parlament dafür jemals eine Mehrheit finden ließe. Dabei hat die WHO 2015 konkrete Vorgaben für ernährungsphysiologisch ausgewogene (Kinder-)Produkte erarbeitet. Eine ideale Vorlage also für die europäische Regelung. Aber denkste! Ohne die Nährwertprofile kann die Health-Claims-Verordnung ihr eigentliches Ziel nicht erreichen.

8 Jahre später!

Die Verordnung ist quasi auf halber Strecke stehen geblieben!

Sophie Herr, vzbv: „Ohne Nährwertprofile hat die Verordnung bislang nicht zum gewünschten Ergebnis geführt, Verbraucher konsequent vor leeren Gesundheitsversprechen zu schützen. Das Problem ist, dass viele Industrieprodukte sich mit den Claims einen gesunden Anstrich geben wollen – und rechtlich auch immer noch können.“

Gesunde Kinder-Salami?