Adolf Hitler - Verführer der Christenheit - Jost Müller-Bohn - E-Book

Adolf Hitler - Verführer der Christenheit E-Book

Jost Müller-Bohn

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Beschreibung

Wie war es möglich, dass es im Lande der Reformation zu solch einer exzessiven Tyrannei kommen konnte? Diese Frage kann nur geistlich verstanden werden, weil das Ausmaß der Ereignisse in Deutschland in kein bisher gekanntes Geschichtsschema einzuordnen geht. Die großen Hitler-Biografien von Professor Maser, Fest, Haffner und Toland zeigen politische, historische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Fakten auf. Doch konnten diese wissenschaftlichen Arbeiten nicht die ganzen Hintergründe des Phänomens dieser Zeit enträtseln, weil es sich hierbei um ein übernatürliches Charisma in der Person Hitlers handelt. Mit diesem Buch wird der Versuch unternommen, aufzuzeigen, was das Verhalten der Deutschen damals gelenkt und beeinflusst hat, wie es geschehen konnte, was heute unfassbar erscheint. Es soll helfen, das heute Unverständliche zu verstehen, das Unfassbare fassbar zu machen, um für das Zukünftige gewarnt zu sein.

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Adolf Hitler Verführer der Christenheit

Die Magie eines Antichristus

Jost Müller-Bohn

Impressum

© 2014 Folgen Verlag, Wensin

Autor: Jost Müller-Bohn

Cover: Eduard Rempel, Düren

Bildnachweis: Bundesarchiv, Bild 102-13774 / Heinrich Hoffmann / CC-BY-SA

Lektorat: Mark Rehfuss, Schwäbisch Gmünd

ISBN: 978-3-944187-51-8

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

Adolf Hitler – Verführer der Christenheit ist früher als Buch im St.-Johannis-Verlag, Lahr, erschienen.

Dieses eBook darf ausschließlich auf einem Endgerät (Computer, eReader, etc.) des jeweiligen Kunden verwendet werden, der das eBook selbst, im von uns autorisierten eBook-Shop, gekauft hat. Jede Weitergabe an andere Personen entspricht nicht mehr der von uns erlaubten Nutzung, ist strafbar und schadet dem Autor und dem Verlagswesen.

»Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser heiliges deutsches Vaterland einem der größten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert. Ich prophezeie Ihnen feierlich, dass dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und unsere Nation in unfassbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden Sie wegen dieser Handlung in Ihrem Grabe verfluchen.«

Inhalt

Prolog – Ein Kind ist nun geboren

Geleitwort: Adolf Hitler – Verführer der Christenheit

Saat und Ernte – Hitlers geistliche Entwicklung

Hitler – dämonische Merkmale

Hitler – ein Magier der Massen

Hitler und die Parallelen zum Weltdiktator

Kommt Hitler wieder?

Hitler, die Juden und die Rassen

Hitler und die Kirchen

Hitler – ein finsterer Charismatiker

Das weltgeschichtliche Gotteszeichen

Prolog Ein Kind ist nun geboren!

Über die lange Brücke weht ein eisiger Nordwind. Der Fluss bildet die Grenze zwischen Österreich und Deutschland. Frühling und Winter ringen miteinander – bald scheint die Sonne, bald regnet es – manchmal graupelt es auch.

Gleich beim Stadttor, dem sogenannten »Salzburger Tor«, steht ein massives Haus mit Namen »Gasthof zum Pommer«. Hinter festen Steinmauern wurde soeben ein Kind geboren.

Erschöpft liegt die junge Mutter im Bett. Der Hausarzt, ein untersetzter Mann im besten Alter, wäscht seine geröteten, weichen Hände.

»Sie müssen sich sehr schonen. Bleiben Sie doch ganz ruhig, es ist alles in bester Ordnung«, versichert der Doktor der Frau noch einmal und trocknet dabei die Hände am weißen Handtuch ab.

»Sie haben einen Jungen, ein prächtiges Kind – so, wie Sie es sich immer gewünscht haben, Frau Hitler.«

»Ist er auch gesund und lebensfähig?«, forscht die Wöchnerin mit matter Stimme.

»Aber ja – ich habe es Ihnen doch schon mehrmals versichert. Das Kind hat geschrien wie ein Berserker.«

»Wird er auch am Leben bleiben, Herr Doktor? Bitte, sagen Sie mir die Wahrheit.«

»Aber liebe Frau, ich versichere Ihnen, er ist gesund und lebensfähig, ein kleiner Schreihals wie die meisten Kinder, die zur Welt kommen.«

»Ich möchte mein Kind sehen, bitte, Herr Doktor, ich will ihn jetzt sehen.« »Selbstverständlich, Sie dürfen ihn auch gleich sehen.«

»Herr Doktor, sind Sie sicher, dass das Kind am Leben bleibt?«

»Aber Frau Hitler, wie oft soll ich es Ihnen noch sagen: Er ist gesund und lebensfähig. Eine schöne Schöpfung des lieben Herrgotts.«

»Aber ich höre ihn doch gar nicht mehr. Lebt er denn noch – er soll gleich wieder schreien!«

»Er wird noch genug schreien, liebe Frau, vielleicht mehr, als Ihnen lieb ist.«

Jetzt krempelt der Arzt die hochgeschlagenen Hemdsärmel herunter und versucht umständlich, die steifen Manschetten wieder in Ordnung zu bringen. » Frau Hitler, versuchen Sie zu ruhen. Sie brauchen sich überhaupt keine Sorgen zu machen.«

»Warum höre ich ihn denn nicht? Weshalb schreit er nicht mehr, Herr Doktor? Ist etwas geschehen? Bitte, sagen Sie mir doch die Wahrheit!« Die Frau bekreuzigt sich: »Gott soll ihn mir erhalten. Vater im Himmel, bitte, erhalte mir meinen Sohn – er soll leben, ja leben – er muss leben …«

»Nun erregen Sie sich doch nicht unnötig, Frau Hitler – das Kind ist außer Lebensgefahr, es wird sich durchzusetzen wissen.«

Der Arzt hält der jungen Frau die Hand.

»Er darf nicht sterben – nein, er soll leben … bitte, ich möchte ihn sehen.« Der Arzt streicht der Frau über das volle Haar:

»Hören Sie, Frau Hitler, Sie haben einem gesunden Knaben das Leben geschenkt, weshalb sind Sie so erregt und misstrauisch?«

»Warum bringt die Hebamme mir das Kind nicht? Weshalb dauert es so lange?«

»Ihr kleiner Sohn wird für Sie recht hübsch gemacht«, antwortet der Mediziner. »Er wird gewaschen und mit Öl eingerieben; Sie wollen doch ein sauberes Kind oder? Es dauert nur noch einen Augenblick, dann können Sie sich den schönsten Buben aus Österreich betrachten.«

»Bitte, Herr Doktor, Sie versprechen mir doch bei Gott, dass mein Sohn auch wirklich gutes Blut und gesunde Glieder hat?«

»Aber ja, liebe junge Mutter – er wird Ihnen und anderen eine rechte Freude sein. Nun müssen Sie sich aber endlich ruhig verhalten. Entspannen Sie sich und schließen Sie Ihre Augen. Sie brauchen dringend Ruhe.«

»Wissen Sie, Herr Doktor, ich habe in den letzten Wochen immer wieder gebetet und gebetet, dass das Kind am Leben bleibt und ein tüchtiger Mensch wird …«

Der Arzt tätschelt die Hand der Frau:

»Warum haben Sie solche Angst …?«

»Weil die anderen …«

»Welche anderen?«

»Herr Doktor … keines meiner Kinder ist am Leben geblieben. Die Leute meinen, es sei ein Fluch auf der Familie, der Böse hätte sie alle geholt.«

»Aber Frau Hitler, welch ein dummes Geschwätz. Nur der Herrgott hat Macht, Leben zu geben oder es auch zu nehmen. Ihrem kleinen Sohn will er gnädig sein – er wird leben und seiner Umwelt von großem Wert sein.«

»Meinen Sie …?« Die Frau seufzt.

»Ich will dem Herrgott täglich danken, wenn es so ist.«

Die blasse Frau atmet so tief, dass man ein leises Pfeifen in der Nase vernimmt. Nun geht der Arzt zur Hebamme, die den kleinen Jungen windelt.

»Kennen Sie diese Frau schon länger?«

»Nein, Herr Doktor, vor drei Monaten ist sie mit ihrem Mann nach Braunau gezogen. Mit ein paar Koffern kamen die beiden hier im Gasthof an. Sie suchten dringend eine Unterkunft, weil Herr Hitler eine Anstellung im Zollamt bekommen hat.«

»Der Mann ist also Beamter?«, fragte der Arzt.

»Ja, aber er säuft sehr viel. Er ist ein jähzorniger und streitsüchtiger Mann, ein fürchterlicher Haustyrann. Er brüllt seine Frau an, als wäre sie eine gemeine Dienstmagd.«

Die Hebamme bürstet dem kleinen Würmchen die schütteren, dunklen Haare.

»Aber seine Frau ist sehr liebenswürdig und auch eine fromme Katholikin, das kann man wohl sagen. Sie blickt meist so schwermütig und lacht nie. Sie hat ja auch nichts zu lachen – bei diesem Mann.«

Nun nimmt sie das Neugeborene auf den Arm: »Hoffentlich hat dieser kleine Mensch mehr von der Mutter als vom Vater geerbt. Solch ein Kind ist doch ein wahres Gottesgeschenk, meinen Sie nicht auch, Herr Doktor? Hoffentlich wird es auch so fromm und lieb wie seine Mutter.«

Der Arzt nickt und wendet sich wieder zu der Wöchnerin, die eben wie aus einem ohnmachtsähnlichen Zustand erwacht ist. Mit ihren großen blauen Augen blickt sie den Mediziner flehentlich an. Doch der Arzt lässt sie nicht zu Wort kommen. »Nein, nein, Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen, Frau Hitler, Ihr Junge ist ein völlig normales Kind.«

Ermunternd nickt er ihr zu.

»Das sagen alle Ärzte – sie wollen einen nur beruhigen. Bei meinen anderen Kindern war es auch so – und doch hat der Tod sie alle geholt.«

Sie greift flehentlich nach der Hand des Arztes.

»Drei Kinder habe ich in den letzten Jahren verloren. Deshalb bin ich so ängstlich.«

»Drei …?«, fragt der Arzt.

»Ja, Herr Doktor, dies ist mein viertes Kind … in knapp vier Jahren.«

»Daran dürfen Sie jetzt nicht denken. Freuen Sie sich über das Neugeborene. Dieser Junge wird bestimmt überleben.« Der Arzt tritt ans Fenster und schaut hinaus in das nasse, düstere Treiben des Aprilwetters. Über die roten Ziegeldächer rinnt das Wasser, aus der Regenrinne schießt ein kleines Bächlein auf die Straße.

»Unsere Ida starb im letzten Jahr, ein paar Tage vor dem Christfest. Sie war ein süßes, hübsches Mädchen und schon zwei Jahre alt. Dann sind die Kinder doch so niedlich. Können Sie verstehen, Herr Doktor, dass ich am liebsten auch gestorben wäre, obwohl ich schon wieder schwanger war? Auf dieses Kind konnte ich mich jetzt überhaupt noch nicht freuen – und doch will ich, dass es am Leben bleibt. Wenn man nur wüsste, was aus dem Jungen wird.«

»Alles liegt in Gottes Hand – nun versuchen Sie, sich auszuruhen. Das Kind braucht eine gesunde Mutter.« Das Gesicht der jungen Frau sieht wachsweiß aus, wie ausgeblutet. Die Haare kleben feucht und schweißig an der Stirn; um Nase und Mund liegt ein dunkler Schatten.

»Mein Mann hat einmal zu mir gesagt: ›Warum müssen alle deine Kinder so schwächlich und klein sein?‹ Deshalb habe ich so fürchterliche Angst, das Kind könnte wieder sterben.«

»Frau Hitler, Sie dürfen nicht so viel sprechen, Sie müssen innerlich zur Ruhe kommen.«

»Manchmal denke ich, meine Kinder sind wohl erblich belastet und müssen deshalb so frühzeitig sterben.«

»Aber das ist doch Unsinn …«

»Vielleicht haben die Kinder auch schlechtes Blut. Ich bin nämlich die Kusine meines Mannes und dreiundzwanzig Jahre jünger als er …« Sie stützt sich auf ihre Hände, als wolle sie sitzen: »Hat mein Sohn auch reines Blut – ist auch wirklich alles in Ordnung?«

»Aber ja, gute Frau …«

»Ist er auch nicht zu klein?«

»Frau Hitler, diese kleinen, unscheinbaren Lebewesen sind oft widerstandsfähiger als andere. Nun sollen Sie sich aber wirklich keine Gedanken mehr machen. Wie soll denn das Bürschchen heißen?«

»Adolf, Herr Doktor – das klingt so ähnlich wie Alois, und so heißt doch mein Mann.«

»Na also – Adolf, das kommt ja aus dem Gotischen – die Germanen sagten: Athaulf – der Edelwolf … und Wölfe sind bekanntlich zäh und widerstandsfähig. Der Junge wird sich schon durchzusetzen wissen. Wenn Ihr Adolf ein paar Jahre älter ist, wird er Sie mit seinem Geplapper ganz verrückt machen, er hat eine gute Lunge. Vorhin hat er so laut geschrien wie drei von seiner Sorte.«

Gerade kommt die Hebamme mit einem großen, dicken Tuch. Nur ein winziges, puterrotes Köpfchen ragt heraus.

»So, Frau Hitler, nun können Sie sich Ihr Prachtexemplar genauer ansehen! Schauen Sie, was für ein hübscher, kleiner Junge; seine dunklen Haare …«, dabei streicht der Doktor über die Stirn, »… und diese unschuldigen, blauen Augen, dieser kleine, süße Mund und seine ausdrucksvollen, zarten Finger. Ich bin zwar kein Prophet, aber Ihr kleiner Adolf wird es im Leben zu etwas bringen.«

Dankbar blickt ihn die junge Frau an. Ein Lächeln streicht über ihr Antlitz, als sie das überaus friedvolle Gesicht des Neugeborenen neben sich liegen sieht. Ganz verklärt schaut sie wieder zum Arzt: »Wie ein Engel, ich wünschte, er könnte ein Diener Gottes werden.«

»Wer weiß, was das Schicksal uns beschert?« Der Arzt geht zur Waschkommode und beginnt, seine Instrumente einzupacken. Dabei beobachtet er die glückliche Mutter, die das Köpfchen ihres Sohnes streichelt.

»Adolphus«, sagt sie sanft, »mein kleiner Adolf …«

Der Arzt setzt sich auf einen Stuhl am Tisch und beginnt den Geburtsschein auszufüllen. »Heute haben wir den …?« Er zieht seine Stirn kraus und überlegt, »richtig … den 20. April!«

Vom Korridor hört man kräftige Schritte. Dann klopft es.

» Herein!«, ruft der Arzt und erhebt sich. Die Tür wird geöffnet, ins Zimmer tritt ein uniformierter Zollbeamter.

»Herr Hitler?«

»Ja, Herr Doktor, Alois Hitler.«

»Ich gratuliere Ihnen, Sie sind heute Vater eines gesunden Sohnes geworden«, er streckt ihm die Hand entgegen und schüttelt sie mehrmals. Dem Arzt entgeht der aufdringliche Alkoholgeruch nicht.

»Einen Sohn also …«

Der korpulente Mann in der schneidigen Uniform mit dem hohen, steifen Kragen trägt einen wulstigen Backenbart nach dem Vorbild seines Kaisers Franz Joseph.

»Wie geht es dem Kind?«

»Mutter und Kind sind wohlauf«, der Arzt führt den kaiserlich-königlichen Oberzollinspektor zum Bett seiner Frau.

Mit kleinen Schritten folgt der Beamte dem Mediziner.

»Na, Klara«, sagt er etwas linkisch, »wie ist es denn gegangen?«

Dann beugt er sich über das große Wickelkissen: »Nanu, der ist ja kaum zu sehen – das Kind ist ja noch kleiner als die anderen!«

»Aber, aber – Herr Hitler«, sagt der Arzt, »das hat überhaupt nichts zu sagen. Das Kind ist gesund und munter vom ersten Augenblick an. Als er zur Welt kam, fing er mächtig an zu schreien.«

»Ich verstehe – die Klara hat daran ja keine Schuld. Man muss es halt nehmen, wie es kommt.«

Der Arzt legt die Hand auf den Arm des Beamten.

»Vielleicht hätte Ihre Frau die Geburt eines schwereren Kindes überhaupt nicht überstanden.«

Vom Bett hört man das heftige Schluchzen der jungen Frau.

»Sie müssen jetzt sehr gut zu Ihrer Frau sein, sonst stehen Sie bald als Witwer mit dem Neugeborenen allein da. Also nehmen Sie sich zusammen, Herr Hitler!«

»Aber das Würmchen ist doch so klein und schwächlich, vollständig lebensunfähig, das sieht man doch, Herr Doktor.«

»Meinen Sie, Alexander der Große wäre als Riese auf die Welt gekommen? Auch Goliath war nach der Geburt ein kleines Lebewesen.«

Der Arzt drückt den Beamten wieder an das Bett seiner Frau und bedeutet ihm, jetzt recht zärtlich zu ihr zu sein. Umständlich beugt sich der viel ältere Ehemann zu seiner Frau nieder und küsst sie leicht auf Stirn und Wange.

»Schon gut, Klara – man kann dem Schicksal nicht entrinnen. Nun hör schon auf zu weinen«, er streichelt ihre blasse Hand. Die Frau weint immer noch.

»Alois, ich hab täglich gebetet, dass das Kind am Leben bleibt …« Sie schluchzt laut auf.

»Ja, ja – ist schon gut, Klara, ich weiß, du kannst nichts dafür.«

»Immer bin ich in die Kirche gegangen und habe die Jungfrau Maria gebeten, es am Leben zu erhalten. Meine Kräfte sind bald aufgebraucht. – Ich kann nicht mehr! Vater im Himmel, erbarme dich! Erbarme dich doch!«1

1 nach einem Bericht von R. Dahl

Geleitwort Adolf Hitler – Verführer der Christenheit

Die Frage nach einem ungeheuren Phänomen der Weltgeschichte in der Person des Adolf Hitler kommt nicht zur Ruhe.

Mehr als 50 000 Publikationen über Hitler und das Regime des Nationalsozialismus sind bereits erschienen, unzählige psychologische und metaphysische Spekulationen entstanden – und doch bleibt die Frage nach der grundlegenden Wahrheit bis heute unbeantwortet, nämlich: Aus welcher Kraftquelle konnte Hitler ein totales Regime seiner Bosheit bis zur letzten Konsequenz durchführen?

Seit Jahrzehnten sind Wissenschaftler, Historiker, Psychologen, Mediziner und Publizisten bemüht, die Hintergründe dieser einmaligen, welthistorischen Erscheinung zu deuten.

War Hitler der visionäre Übermensch – jenseits von Gut und Böse, wie ihn der Philosoph Friedrich Nietzsche beschrieb? Oder litt der »böhmische Gefreite« an einer heimtückischen Geisteskrankheit, die ihn zu den finsteren Exzessen seiner Schreckensherrschaft befähigte? – War Hitler ein Genie, das am gefährlichen Abgrund des Wahnsinns balancierte? – War Hitler ein Dämon oder ein Prophet, ein teuflisches Werkzeug im großen Spiel der diabolischen Kräfte, die die Menschheit immer wieder seit dem Brudermord von Kain an Abel heimsuchen?

Hitlers Fühlen, Wollen und Denken war in einem Maße vom skrupellosen Machttrieb besessen, wie wir es bei keinem aus der Geschichte bekannten Gewaltmenschen wiederfinden. Nie war ein so fanatisches Wesen mit dem Willen zur Macht berauscht wie er. Dieser Pseudo-Messias hatte die Wunschträume eines Propheten der Finsternis nahezu mit Leben erfüllt, sie mit seiner eiskalten Menschenverachtung nackt verkörpert und ausgelebt, nämlich mit absoluter Gefühllosigkeit und der alles verzehrenden Glut unversöhnlichen Hasses.

Hitler hat mit bösartigem Instinkt die totale Diktatur der Massen in der Wut seiner Besessenheit praktiziert, vor dem die Machtfülle Alexander des Großen, die Befehlsgewalt eines Cäsar und anderer Kaiser und Könige des Mittelalters, wie auch den Herrscherglanz Napoleon I., dessen kriegerische Eroberungszüge in etwa dieses Eroberers glichen, in den Schatten gestellt.

Unzählige historische Publikationen, Legenden und Vermutungen entstanden über seine Person. Aus der Vielzahl geschichtlicher Fakten bildet sich ein Geschichtsbild, das vielleicht der Wirklichkeit näher kommt. Und dennoch beschäftigt die Nachwelt immer neu die Frage: Wie war es denn nun wirklich? Der römische Prokurator Pontius Pilatus hatte Jesus gefragt: »Was ist Wahrheit?« Jener hatte dem Machthaber der Welt erklärt: »Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme!« oder auch anders übersetzt: der versteht die geistlichen Zusammenhänge.

Wenn es nun Hitlers fürchterliche Absicht war, die Welt so gründlich zu verändern, um dabei alle kulturellen und religiösen Werte auf den Kopf zu stellen, dann hat er sein Ziel zu seiner Zeit bestens erreicht, nämlich: »Die Pyramide auf den Kopf zu stellen.«

Die Frage bleibt bestehen: Kann ein einzelner so vermessen und so fanatisch sein, um die Staaten Europas schier aus den Angeln zu heben? – Wo nahm Hitler die Kräfte her, um als berufsloser Autodidakt alles zu vollbringen?

Als Napoleon zum Kaiser und genialsten Feldherrn seiner Zeit aufstieg, hatten ihm die Ereignisse der französischen Revolution den Weg bereitet. Wir müssen aber bedenken, dass Napoleon durch jahrelange Studien an einer französischen Kriegsschule und später an der Kriegsakademie in Paris die nötigen militärischen Voraussetzungen zum Feldherrn vermittelt bekommen hatte. Dass er sich dann auch zu einem ausgezeichneten Staatsmann entwickelte, ist keine so augenfällige Verwandlung.

Alexander der Große (356-323 v. Chr.) kam aus einem Königshaus, war Sohn König Philipps II. und ein Schüler des weltbekannten griechischen Philosophen und Naturwissenschaftlers Aristoteles, ehe er zur berühmtesten Persönlichkeit der Geschichte seiner Zeit wurde. Er studierte als talentierter Schüler Schriften über Politik, Logik, Metaphysik, Ethik und Psychologie seiner hervorragenden Lehrer.

So können wir bei allen despotischen Ausschreitungen die Absichten und Verhaltensweisen in den Taten von Alexander dem Großen, von Julius Cäsar, Friedrich dem Großen oder auch von Napoleon einordnen; dennoch müssen alle Vergleiche mit Demagogen, Umstürzlern, Volksverführern und Diktatoren gegenüber der Persönlichkeit Hitlers kräftig hinken, denn die ungeheuerlichen Praktiken dieses finsteren Phänomens entziehen sich den bekannten Maßstäben der Logik und psychologischer Erkenntnis.

Wenn auch einige Cäsaren des römischen Imperiums und auch spätere Tyrannen und Despoten vom Größenwahnsinn erfasst wurden, so unterschieden sie sich grundsätzlich von der Person Hitlers: Sie besaßen keinen missionarischen Sendungsauftrag für eine Welterlösung.

Welche Kraft besaß der arbeitslose Asylant und Gelegenheitsarbeiter Adolf Hitler, um zunächst eine hervorragende Geistesnation von 60 Millionen Deutschen zu täuschen, zu hypnotisieren und brutal zu verführen?

Saat und Ernte Hitlers geistliche Entwicklung

Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen …

Matthäus 13, 25

Am späten Nachmittag des 20. April 1889 erscholl aus dem »Gasthof zum Pommer«, in dem kleinen Grenzstädtchen Braunau am Inn, das erste Geschrei eines neugeborenen Kindes.

Im ersten Stock hatte die junge Ehefrau Klara Hitler, geborene Pölzl, ihrem Mann Alois Hitler einen Sohn geboren.

Das tosende Geschrei dieses Menschen sollte sich im Verlauf der ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts erheblich verstärken und erst enden, als sich derselbe Adolf Hitler, zehn Tage nach seinem 56. Geburtstag, am 30. April 1945 um 15.30 Uhr in Berlin unter den Trümmern der Reichskanzlei eine Kugel durch das Organ schoss, das eine Welt in Flammen zu setzen vermocht hatte, nämlich in sein ungeheures Mundwerk. Wer heute in die kleine, alte Stadt Braunau reist, wird die schöne gotische Kirche und das mächtige Salzburger Tor als Zeugen einer stolzen Vergangenheit bewundern. Das Geburtshaus des späteren Tyrannen und Verführers des »Großdeutschen Reiches« kennen nur Eingeweihte. Nichts erinnert an den angeblich größten Feldherrn und Staatsmann aller Zeiten: Adolf Hitler. Kein Namensschild, keinen Hinweis findet man an diesem Gebäude, weil er als der grausamste Diktator und auch Vernichter von zig Millionen Menschen und unübersehbaren Kulturgütern gilt.

Sein Vater, Alois Hitler, war unehelich geboren und führte durch vier Jahrzehnte hindurch den Mädchennamen seiner Mutter: Schicklgruber. Später wurde der Name bei der Behörde in Hiedler geändert, weil Alois angeblich der Sohn des Müllergesellen Georg Hiedler gewesen sein soll. Ob dieser Hiedler wirklich der Vater des Alois war, weiß man nicht.

Der Zollbeamte nannte sich dann einfach Hitler und galt in Braunau als ein eigenwilliger, streitsüchtiger und dem Alkohol zugeneigter Mann. Dementsprechend war auch sein Familienleben. Von seiner ersten Frau trennte er sich. Als sie später gestorben war, heiratete er rasch ein Mädchen, mit dem er schon ein Kind hatte. Nach der Geburt des zweiten Kindes starb auch diese Frau. Nun heiratete Alois Hitler seine Kusine Klara Pölzl, die dreiundzwanzig Jahre jünger war als er. Ihr viertes Kind in dieser Ehe war Adolf Hitler. Bald nach der Geburt dieses Sohnes zog die Familie des Zollbeamten innerhalb des Grenzstädtchens Braunau in die Linzer Straße um. Klara Hitler kannte das, kaum waren die Tapeten an der Wand getrocknet, sah sich der viel ältere und launische Ehemann bereits nach einer anderen Wohnung um. Deshalb zogen die Hitlers schon einige Zeit später in die bayerische Grenzstadt Passau, wo die österreichische Zollbehörde auf deutschem Boden eine Außenstelle unterhielt.

Dadurch war das Leben des kleinen Adolf recht unstet. Die Familie litt keine Not. Als der kränkliche Vater sich schon mit 58 Jahren pensionieren ließ, folgten unruhige Jahre für die Kinder durch den steten Wechsel von Wohnort und Schule.

Alois Hitler kaufte sich in Hafeld an der Traun ein kleines Haus am Bach, zu dem auch eine kleine Landwirtschaft gehörte. Aber als alle Möbel ihren Platz gefunden hatten, veräußerte der ehemalige kaiserlich-königliche Zollbeamte das Anwesen wieder und siedelte in das benachbarte Lambach über. Sein Sohn Adolf wurde schulpflichtig und kam in die Dorfschule Fischlham. Der musisch begabte Sohn hatte Gefallen am Zeichenunterricht und wurde als Chorschüler im katholischen Stift Lambach, einem mächtigen langgestreckten Barockbau, der das ganze Panorama beherrschte, aufgenommen. Bald stieg er zum Messjungen in der Dreifaltigkeitskirche in Lambach auf und sang aus voller Kehle »zur Ehre Gottes«. Sehr stolz war er auf sein buntes Messgewand. Hier hörte Hitler zum ersten Mal von den schrecklichen Juden, die die Gottesmörder genannt wurden, weil sie den Herrn und Heiland Jesus Christus gefoltert und ans Kreuz genagelt hatten. Die unangreifbare Hierarchie der allein selig machenden katholischen Kirche beeindruckte Hitler sehr. Vor allem das unantastbare Machtgefüge und die absolute Strenge der Päpste faszinierten den Diktator bis an sein Lebensende. Adolf Hitler konnte als Volksschüler dem Unterricht gut folgen, besonders in den Fächern Geschichte, Geografie und Zeichnen hatte er Begabungen. Deshalb beschloss er, nur noch seinen Neigungen zu leben und geregelte Tätigkeiten zu verachten.

Doktor Huemner, ein Lehrer aus Linz, erinnerte sich später an seinen Schüler: »Er war entschieden begabt, wenn auch einseitig, hatte sich aber wenig in der Gewalt, zumindest galt er für widerborstig, eigenmächtig, rechthaberisch und jähzornig …«

Schon der Übergang zur Realschule in Linz führte im jungen Leben Hitlers zu Krisen, er blieb bereits in der ersten Klasse sitzen. Hitler verteidigte später seine schlechten Leistungen mit dem Argument, er hätte im Sinn gehabt, gegen den herrischen Vater zu opponieren, weil dieser ihn in den Staatsdienst zwingen wollte, wozu er absolut keine Neigung empfand.

Nach dem Willen des Vaters musste der aufgeweckte Schüler in die Staatsrealschule nach Steyr überwechseln. Im Jahre 1903 starb sein Vater plötzlich an einem Schlaganfall. Hitler soll in diesem Jahr selbst kränklich gewesen sein. Bald nach dem Tode des Vaters gab Hitler seinen Schulbesuch auf, ohne die mittlere Reife erlangt zu haben. In seinem letzten Zeugnis gab es nur wenige Zensuren, die besser als »genügend« waren. Er selbst schien froh, die Bürde eines geregelten Schulunterrichts hinter sich gebracht zu haben. Er blieb zwei Jahre untätig zu Hause sitzen und wich allen beruflichen Entscheidungen aus. Mit seinem Freund August Kubizek machte er Ausflüge. Sie gingen ins Theater und besuchten die Oper. Außerdem zeichnete er leidenschaftlich gern. Im Herbst 1907 entschloss sich der junge Hitler, nach Wien zu fahren, um dort, seinen Neigungen entsprechend, ein »akademischer Maler« zu werden. Seine sehr nachsichtige Mutter war verärgert, doch schließlich erlaubte sie ihm, ein Künstler zu werden, da Adolf ihr von einer glanzvollen Künstlerkarriere vorgeschwärmt hatte. In der Stumpergasse, bei einer Frau Zakreys, mietete er sich ein kleines Zimmer.

Im Oktober 1907 stellte er sich zur Aufnahmeprüfung in der Wiener Kunstakademie der bildenden Künste vor. Doch seine Probezeichnungen wurden als ungenügend zurückgewiesen und er selbst zum Studium nicht zugelassen. In der sogenannten Klassifikationsliste von dieser Aufnahmeprüfung findet man den Eintrag: »Die Probezeichnungen machten mit ungenügendem Erfolg oder wurden nicht zur Probe zugelassen die Herren: Adolf Hitler, Braunau am Inn, 20. April 1889, deutsch, katholisch, Vater Oberoffizial, vier Realschulklassen, wenig Köpfe. Probezeichnungen ungenügend …«

Einige Wochen später musste der gescheiterte Hitler nach Linz zurückreisen, da seine Mutter nach einer Brustoperation todkrank geworden war. Der jüdische Hausarzt Dr. Bloch teilte ihm mit, dass seine Mutter als unheilbar anzusehen sei und er sich mit dem Gedanken vertraut machen müsste, sie bald für immer zu verlieren.

Hitler pflegte seine Mutter mit aller Hingabe, er kochte, heizte, scheuerte die Wohnung und bereitete der Mutter ihre Lieblingsgerichte. Drei Tage vor dem Weihnachtsfest 1907 starb die 47-jährige Mutter an Krebs. Am Tage vor Heiligabend zog ein kleiner Trauerzug durch die Straßen, unter ihnen der achtzehnjährige Hitler im langen, schwarzen Winterrock mit seiner kleinen elfjährigen Schwester Paula an der Hand. Der jüdische Arzt schrieb später über diese Zeit: »In innigster Liebe hing er an seiner Mutter, jede Bewegung beobachtend, um ihr rasch kleine Hilfeleistungen angedeihen lassen zu können. Sein sonst traurig in die Ferne blickendes Auge hellte sich auf, wenn die Mutter sich schmerzfrei fühlte.« Am Grab der Mutter weinte Hitler angeblich zum ersten Mal in seinem Leben. Dr. Bloch beschreibt hier einen völlig haltlosen jungen Mann: »Ich habe in meiner beinahe vierzigjährigen ärztlichen Tätigkeit nie einen jungen Menschen so schmerzgebrochen und leiderfüllt gesehen, wie es der junge Adolf Hitler gewesen ist.«

Hitler war nun Vollwaise und hatte weder einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung. Mit seiner kleinen Schwester Paula war er von nun an auf eine kleine Rente angewiesen. Als Einsamer lief er am Heiligabend 1907 durch die Gassen von Linz, bis der Morgen graute.

Da er aber hartnäckig an seine Berufung zur Malerei glaubte, überredete er auch seinen Freund Kubizek, mit ihm nach Wien zu ziehen. Das kleine Zimmer hatte kaum Platz für das Klavier des Freundes und Hitlers Malutensilien. Beide träumten von einer großen Karriere. Die Liebe zur Musik weckte sein Freund Kubizek in ihm. Vor allem die großen Musikdramen Richard Wagners hatten es Hitler angetan. Dieser Komponist und Musikschriftsteller wurde später zum musikalischen Herold des »Nordischen Mythos«. Seine Werke sind Vorläufer der arischen Religion einer christuslosen Christenheit. Da Wagners Vater und Schwiegervater Freimaurer waren, ist es nicht von ungefähr, dass auch Richard sein Leben lang ein okkult belasteter, spiritistischer Mann blieb. Er wurde darüber hinaus zum krassen Antisemiten.

Später schrieb Hitler über seinen Lieblingskomponisten: »Wagner ist die größte Prophetengestalt, die das deutsche Volk besitzt. Mir sind die Gedankengänge Wagners aufs Innigste vertraut. Ich kehre auf jeder Stufe meines Lebens zu ihm zurück.«

Doch kehren wir zu den beiden Kunstjüngern nach Wien zurück. In dieser Zeit lebte Hitler nur von Brot und Milch. Sein Freund Kubizek lud ihn dann und wann in die Mensa ein, wo er wie andere von billiger Studentenkost lebte. Im Frühling unternahmen die beiden romantische Ausflüge in den Wiener Wald. Im Sommer reiste August Kubizek für einige Monate nach Linz, um seinen Militärdienst zu absolvieren. Als er im November 1908 nach Wien zurückkam, war sein Freund Adolf spurlos verschwunden.

Hitler hatte sich noch einmal bei der Akademie der Künste zu einer Aufnahmeprüfung beworben, wurde aber diesmal von vornherein abgelehnt. Seine Zeichnungen würden bestenfalls für architektonische Arbeiten reichen, doch konnte Hitler dieses Studium nicht beginnen, weil er keine abgeschlossene Schulausbildung hatte. So tauchte der Gescheiterte in der Hauptstadt Wien unter.

Hitler nannte diese Zeit »die dunkelsten Jahre meines Lebens«. In den Polizeiakten und Karteien fanden sich später nur noch schwache Spuren des seinerzeit herumstreunenden zwanzigjährigen Mannes, zumal der »Führer des Großdeutschen Reiches« sehr bemüht war, die finstere Vergangenheit seines Lebens auszulöschen, damit kein Makel auf das helle Kleid des unantastbaren »Entdeckers der arischen Herrenrasse« fallen konnte. Geld besaß er wenig, und so war er gezwungen, aus der Hand in den Mund zu leben.

Bei gutem Wetter verzog sich Hitler auf die Bänke im Schönbrunner Park. Hier begann er sich zu »bilden« und fand so zu seiner »Weltanschauung«. Sprunghaft und nicht systematisch lesend, kam er zu der Überzeugung, nichts mehr dazulernen zu müssen als das, was er eben gelesen hatte. Vor allem waren es antisemitische »Ostara«-Hefte, die er mit größtem Interesse las. Der Verfasser dieser okkult-mystischen Hefte nannte sich Georg Adolf Lanz von Liebenfels, war ein ehemaliger Mönch, der nach dem Muster katholischer Orden eine Sekte, nämlich den »Neutempler-Orden«, ins Leben gerufen hat. Lanz von Liebenfels war der Sohn einer Jüdin namens Hopfenreich. Später wurde er als Schlüsselfigur sinnverwirrender, rassistischer Strömungen in Österreich und Deutschland angesehen. Auch sieht man in ihm den Mann, der »Hitler die Ideen gab«. Er gilt als der Entdecker des Germanentums und wird in Fachkreisen als Rassenforscher, Religionsphilosoph und Sexualmystiker angesehen.

Eines Tages wanderte Hitler nach Heiligenkreuz ins Zisterzienser-Kloster, um die Anschrift von Adolf Lanz, dem Herausgeber der »Ostara«-Hefte, dem Verkündiger der neuen Rassenlehre, in Erfahrung zu bringen. Aus diesem Kloster war Adolf Joseph Lanz, der als Mönch unter dem Namen Bruder Jörg gelebt hatte, entwichen. Er hatte die Jüdin Liebenfels geheiratet und sich ab dieser Zeit Dr. Georg Lanz von Liebenfels genannt. Seinen Vater, ein Lehrer aus Wien, machte er gegen jedes Recht zum »Baron Lanz«. Über seine Mutter schwieg er, weil ihr Vater ein Jude war. Die »Ostara«-Hefte erschienen bereits seit 1905 und erreichten zeitweilig eine Auflage von hunderttausend Stück.

Mit dem Namen »Ostara« war Maria gemeint, und sie sollte die Stammmutter der edlen, blonden, arischen Rasse sein.

Jesus tritt als Erlöser der gefallenen Rassen unter dem Namen Frauja auf (der Name für Christus in der Bibelübersetzung des Westgotenbischofs Wulfila) – der nach Lanz’ Erkenntnis die Rassenreinheit verkündet und den blondblauen Gott aus dem Grab der Niedermenschheit zur Auferstehung durch die Reinigung des Blutes führen soll. Deshalb vermutete Hitler später, dass der leibliche Vater von Jesus entweder ein germanischer Söldner bei der römischen Legion oder ein durchreisender griechischer Künstler gewesen sein könnte.

Auf der Umschlagseite der »Ostara«-Hefte las man als Werbungstext: »Sind Sie blond? Sind Sie ein Mann? Dann lesen Sie die ›Ostara-Bücherei‹ der Blonden und Mannesrechtler!«

Der Geist des Diabolus, des Durcheinanderbringers, war am Wirken. Den gesamten Heilsplan des ewigen Gottes übertrug Lanz auf seine Lehre. Die blond-blaue Rasse war göttlichen Ursprungs; die Dunkelrassen – allen voran die widerlichen Juden – kamen aus dem Abgrund vom Satan. Im ursprünglichen Paradies lebte nur die blond-blaue Götterrasse. Von einem Affendämon verführt, bringt Eva als Stammmutter die verderblichen Mischrassen zur Welt. Die Ursünde sei die vom Teufel verursachte Rassenmischung. Seit jener Zeit liegen die Mächte des Lichtes und der Finsternis im ewigen Streit miteinander, wobei die Gefahr besteht, dass die blond-blaue göttliche Rasse ins Dunkle, ins Tierische verfällt.

»Neben Jesus als dem Typ des gottmenschlichen Ariers sieht Lanz dann Mose als darwinistischen und ersten Antisemiten, der die jüdischen Affenmenschen und Dunkelrassen bekämpft. Mose, zusammen mit Hesekiel und Jeremia seien ›Verherrlicher der Goten und Germanen, Prediger der Rassenauslese und Rassenmoral‹. In seinem Kampf sucht der Erlöser nach treuen Gefährten. Ist Rassenmischung das eigentliche Böse, kommt durch sie alles Übel in die Welt, so ist Reinzucht ein Mittel der Auferstehung. Endgültige Erlösung ist erreicht, wenn das gesamte blond-blaue Blut sich wieder losgerungen hat aus der Verfallenheit in die Niedermenschheit. In einer arischen Weltrevolution würden sich die Blondblauen aller Länder vereinigen, die Affenmenschen wieder bändigen, das Rasseparadies neu aufrichten.

Die germanische Rasse sei Gott; Gott sei gereinigte Rasse. ›Die blonde heroische Rasse ist der Götter Meisterwerk, die Dunkelrassen der Dämonen Pfuschwerk.‹ Jesus sei ein nordischer Gott, der ursprünglich Rassenkult stiftete. Das gegenwärtige profane Christentum sei nur ein matter Abglanz dieser hehren Rassenreligion, die jetzt endlich wieder durch die ›Neutempler‹ freigelegt und wiedergeboren werde. Der Auftrag des arischen Christentums bestünde in Bewahrung der eigenen edlen Art und in Vernichtung der Dunkelrassen, entsprungen aus Sodomie. Alle Geschichte sei nichts anderes als ein Kampf göttlicher Arier gegen schmutziges Gesindel der Untermenschen. Den Kindern des Lichts bliebe keine andere Wahl, als in den ewig verordneten tragischen Kampf gegen die arglistigen und bösartigen Knechte der Finsternis zu ziehen. Selbst Sterilisieren und Völkermord gehören zur völkischen Notwehr. Für germanische Hochzucht müsste der Preis gezahlt werden. Eines sei sicher: die Reinen, Edlen würden siegen, ihnen gehöre das künftige Paradies, das einst verloren gegangen durch Rassenschande.«2

Diese dämonisch inspirierten Irrlehren liest Hitler als Zwanzigjähriger in Wien, in einem Alter, da vieles in ihm zur Offenbarung wird. Die persönliche Schuld und Sünde gegenüber dem ewigen Schöpfer wird in einen Schwulst von Rassenvermischungsschuld entstellt. Hier wirken auf Hitler bereits spiritistisch-magische Kräfte, denn für ihn galt die Astrologie von Lanz als höchste aller Wissenschaften. Aus dem Gemenge von entstelltem Christentum und finsterer Menschenvergötzung, wie auch Rassenverachtung, entstehen die antigöttlichen und antichristlichen Ideologien. Aus der okkulten völkischen Idee entspringt die antichristliche Verblendung, die Mystik und Vergötzung der finsteren Welt.

In den »Ostara«-Heften des Jahrgangs 1908 und 1909 sind Anweisungen über Messungen von Körperteilen abgebildet, durch die man seinen nordischen Anteil feststellen kann.

»Gesäßform: A der niederen, B der höheren Rasse.«

Es war ein glücklicher Tag im Leben des jungen Mannes Hitler, als er nach peinlichen Messungen einen überwiegend nordischen Bluteinschlag bei sich selbst ermittelte, obwohl von blondem Haar jede Spur fehlte.

Wen wundert es, dass Hitler später in seinem ideologischen Bestseller »Mein Kampf« dem religiösen Wahn freien Lauf ließ, als er schrieb:

»Ein völkischer Staat wird damit in erster Linie die Ehe aus dem Niveau einer dauernden Rassenschande herauszuheben haben, um ihr die Werke jener Institution zu geben, die berufen ist, Ebenbilder des Herrn zu zeugen und nicht Missgeburten zwischen Mensch und Affe.«3

»Menschliche Kultur und Zivilisation sind auf diesem Erdteil unzertrennlich gebunden an das Vorhandensein des Ariers. Sein Aussterben oder Untergehen wird auf diesen Erdball wieder die dunklen Schleier einer kulturlosen Zeit senken.

Das Untergraben des Bestandes der menschlichen Kultur durch Vernichtung ihres Trägers aber erscheint in den Augen einer völkischen Weltanschauung als das fluchwürdigste Verbrechen. Wer die Hand an das höchste Ebenbild des Herrn zu legen wagt, frevelt am gütigen Schöpfer dieses Wunders und hilft an der Vertreibung aus dem Paradies.«4

Hier offenbart sich das Gleichnis des Herrn Jesus vom Unkraut, das unter den Weizen gesät wird – vom »Teufelsweizen«, der vom Feind in das Bewusstsein Hitlers gesät wurde.

Lanz von Liebenfels, der Begründer des Neutempler Ordens, kaufte später Ordensburgen. Auf der Burg Werfenstein hisste er 1907 eine Hakenkreuzfahne. Ehe der Nationalsozialismus gegründet wurde, wehte bereits das magische Emblem in deutschen Landen.

Später gründete Hitler die bekannten braunen Ordensburgen und befürwortete die Sterilisation bei unzähligen Menschen aus der »Dunkelrasse« oder dem sogenannten »unwerten Leben«. Eine böse Saat, die über Jahrzehnte wucherte und eine millionenfache grausame Frucht brachte. Lanz von Liebenfels schrieb an seinen Bruder Almilius ein Jahr vor der Machtübernahme Hitlers:

»Weißt Du, dass Hitler einer unserer ersten Schüler ist? Du wirst es noch erleben, dass er und dadurch auch wir siegen und eine Bewegung entfachen werden, die die Welt erzittern macht. Heil Dir!«

Als Hitler Führer des Großdeutschen Reiches geworden war, erhielt Lanz von Liebenfels von dem damaligen Reichsminister Alfred Rosenberg Schreibverbot.

Doch verfolgen wir den geistlichen Werdegang des jungen Hitler.

In den schwersten und bittersten Jahren in Wien lebte er nun als Handlanger und Gelegenheitsmaler für Trödler und zufällige Kunden.

Manche Nächte schlief er auf Parkbänken oder in Kellerfensternischen von Kaffeehäusern. Schließlich landete er im Asyl für Obdachlose im Arbeiterviertel Meidling. Zwischen Landstreichern, kleinen Gaunern und anderen Habenichtsen musste er kampieren. In langen Nächten streckte er seine Glieder auf harten Drahtpritschen aus, wobei er seine Schuhe und die wenigen »Wertsachen« unter dem Kopfkissen versteckte. Eine dünne Decke und seine einzige Jacke spendeten ihm Wärme.

Später schreibt Hitler im Rückblick:

»Nun lungert er herum, versetzt und verkauft selbst noch das Letzte, kommt in seiner Kleidung immer mehr herunter und sinkt damit auch äußerlich in eine Umgebung herab, die ihn nun neben dem körperlichen Unglück noch seelisch vergiftet.«

In diese scheußliche Lage, die er hier schildert, ist er nicht durch ein unabwendbares Geschick geraten, sondern sie ist einfach die Folge seines Widerwillens, einer geregelten Beschäftigung nachzugehen. Hätte Hitler wirklich als »Hilfsarbeiter« gearbeitet, wie er es in dem Buch »Mein Kampf« angibt, dann hätte er gewiss nicht in dieser Umgebung leben und Hunger leiden müssen. Mit dem Verdienst eines Hilfsarbeiters und seiner Waisenrente hätte der Alleinstehende, der keine alkoholischen Getränke zu sich nahm, der auch nicht rauchte und keine Beziehungen zu Frauen unterhielt, ohne materielle Sorgen leben können. Aber eben diesen ordentlichen Weg schlägt der in Fantasien lebende Hitler nicht ein.

Als er einmal zu etwas Geld kam, raffte er sich auf und siedelte in ein Männerheim um. Viele verkrachte Existenzen lebten damals in der Meldemannstraße 27. Hier lernte er einen gewissen Reinhold Hanisch kennen, einen Grafiker aus dem Sudetenland, der gewisse Gründe hatte, mit dem Namen »Fritz Walter« unterzutauchen. Hanisch beschreibt die erste Begegnung mit Hitler:

»Am ersten Tag saß auf dem Bett neben mir ein Mann, der nichts als zerrissene Hosen anhatte. Seine Kleider waren in der Entlausungsanstalt, denn er war seit Tagen obdachlos gewesen und in fürchterlich verwahrlostem Zustand herumgelaufen.«

Andere Augenzeugen beschreiben das Aussehen Hitlers zu dieser Zeit so: »Er trug einen ungepflegten Vollbart und sah wie ein heruntergekommener Ostjude aus.« Hanisch und Hitler wurden Freunde.

»Du malst, und ich werde deine Karten an den Mann bringen. Weihnachten steht vor der Tür, und da kaufen die Leute manches.« So klapperte sein neuer Freund die vielen Kaffeehäuser und Kneipen des Bezirks ab, um die handgemalten Postkarten Hitlers zu verkaufen. Man muss sagen, dass Hitler gefällig und gut zeichnete.

Wenn Schnee fiel, besserte Hitler seine Barschaft auch durch Schneeschaufeln auf. In der Wärmestube des Klosters in der Gumpendorfer Straße aß er morgens eine heiße Armensuppe, während er abends im Heim von einem Stück Pferdewurst oder einem Kanten Brot lebte.

Die Arbeitsteilung mit Reinhold Hanisch ging eine Zeit lang gut. Dann aber fühlte sich Hitler von seinem Freund hintergangen und um den Verkaufserlös geprellt. Es kam zu lautstarken Auseinandersetzungen, bis Hitler schließlich bei der Polizei Anzeige erstattete. Der betrügerische Freund wurde festgenommen und verurteilt. Von nun an verkaufte Hitler seine Bilder selbst.

Augenzeugen aus dieser Zeit schildern Hitler als einen Menschen, der keinerlei Wert auf sein Äußeres legte. Er trug einen bis über die Knie reichenden Kaftan, den ihm ein ungarischer Jude geschenkt, der ebenfalls mit ihm in dem Männerheim gewohnt hatte. Sein dunkles Haar quoll unordentlich unter einem abgetragenen, schmutzigen Melonenhut hervor und reichte bis über den ebenso schmutzigen Kragen. Das schmale, verhungerte Gesicht war von einem schwarzen Bart umgeben. Das einzige, was ihn anziehend und doch wieder abstoßend erscheinen lässt, sind die großen, weit aufgerissenen blauen Augen. »Alles in allem eine Erscheinung, wie sie eigentlich unter Christen selten vorkommt«, bemerkte Reinhold Hanisch.

Hitler malte auch Plakate und Vorlagen für Anzeigen und Reklamezettel. Einige dieser grafischen Produkte sind noch bis heute erhalten: eine Zeichnung für »Teddys Schweißpuder« und ein Entwurf von einem St. Nikolaus als Kerzenverkäufer. In die unterste rechte Ecke dieser Entwürfe setzte er stets sein Signum: A. Hitler.

Immer wieder vertiefte sich Hitler in die Artikel der schwülstigen »Ostara«-Hefte. Unter dem spiritistischen Zeichen des Hakenkreuzes wollte man den »Rassenkampf« zur Ausrottung des Tiermenschen und für die Entwicklung des höheren »Neumenschen« betreiben. Mehr und mehr geriet der junge Hitler in einen zwei Jahre anhaltenden »Seelenkampf«, der in ihm die »schwerste Wandlung« verursachte, vom schwächlichen Weltbürger zum fanatischen Antisemiten zu werden, wie er selbst schrieb.

Unter dem geistlichen Einfluss seiner okkulten Literatur bekamen Persönlichkeiten aus seinem privaten Vorleben ein konkretes Feindbild.

Der jüdische Hausarzt Dr. Bloch, der Hitlers Mutter bis zu ihrem Tod behandelt hatte, dem er noch aus Wien anfangs »ergebene« Grüße geschickt hatte, wurde für ihn zum »Vergifter« seiner vermeintlich falsch behandelten Mutter. Hier, in der Weltstadt Wien, sah er nicht die jüdischen Ärzte und Gelehrten, die Handwerker und Kaufleute, die ihren Berufen wie jeder andere normale Bürger nachgingen, sondern viele arme, verwahrloste Juden aus den Ostprovinzen des Reiches. Der Anblick dieser erbärmlichen Kreaturen gab den Beschreibungen aus den »Ostara«-Heften recht: »Die Juden sind das schlimmste Ungeziefer der Welt. Sie müssten vertilgt werden, wenn die Völker gesunden wollen.«

Später schreibt Hitler im Rückblick auf diese Zeit:

»Seit ich mich mit dieser Frage zu beschäftigen begonnen hatte, auf den Juden erst einmal aufmerksam wurde, erschien mir Wien in einem anderen Lichte als vorher. Wo immer ich ging, sah ich nun Juden, und je mehr ich sah, umso schärfer sonderten sie sich für das Auge von den anderen Menschen ab. Besonders die innere Stadt und die Bezirke nördlich des Donaukanals wimmelten von einem Volke, das schon äußerlich eine Ähnlichkeit mit dem Deutschen nicht mehr besaß.«5

Lanz von Liebenfels’ Rassentheorie war von dem Schreckbild des dunklen Verführers durchsetzt, der die »blonden Edelfrauen« schändete. Das Weib, so versicherte er, habe die Sünde in die Welt gebracht und durch den Umgang mit wollüstigen Untermenschen die Verpestung des nordischen Blutes herbeigeführt. Diese sexuellen Neidkomplexe und erotischen Zwangsvorstellungen übernimmt Hitler in seine Weltanschauung und diktiert seinem Privatsekretär Rudolf Hess in der Festung Landsberg:

»Der schwarzhaarige Judenjunge lauert stundenlang, satanische Freude in seinem Gesicht, auf das ahnungslose Mädchen, das er mit seinem Blute schändet und damit seinem, des Mädchens Volke, raubt. Mit allen Mitteln versucht er die rassischen Grundlagen des zu unterjochenden Volkes zu verderben.«6

Hitler interessierte sich als Österreicher mehr für ein Deutschtum und hasste alles, was »international« war. Täglich konnte er in den Wiener Zeitungen lesen, dass die »Sozialisten« von Juden geführt würden. Deshalb steigerte er sich auch in den Hass gegen alle »Marxisten«.

»Alle Machtmittel gehören eingesetzt zur Ausrottung dieser Pestilenz.«7

So irrte ein heimatloser Taugenichts Tag für Tag durch die Straßen von Wien. Damals traf man in den Straßen der Hauptstadt viele Juden. Die meisten lebten sehr unauffällig wie in vielen Großstädten Europas. Sie waren seit Jahrhunderten über die ganze Welt zerstreut. Ihr Glaube an die Gesetze der »Thora«, der fünf Bücher Moses, hielt sie am Leben, so, dass sie alle Massaker und Pogrome überlebten.

Judenfeindliche Gesetze und Unterdrückungen können einen Volkscharakter zum großen Teil verändern. Deshalb sah man einen schlechten Juden immer hasserfüllter an als übliche Deutsche, Russen, Polen, Franzosen oder sonstige Staatsangehörige. Die Fehler der Juden wurden durch die Fremdheit ihrer Volksart und die religiösen Bräuche noch verstärkt. Üble Vorurteile breiteten sich aus: die Juden sind böse, gefährliche Parasiten, sie sind Blutsauger, die auf Kosten anderer Völker leben und gewissenhafte Europäer vergiften.

Hitler als ein ungebildeter, unreifer Wegelagerer las als Arbeitsloser weiterhin zweifelhafte Broschüren. So kamen ihm auch die Schriften von Guido von List in die Hände. Dieser hatte 1905 die Gesellschaft mit dem Namen »Die Armanenschaft« gegründet, eine okkulte Geheimsekte, die aufgrund geheimnisvoller Enträtselung von Runen eine repräsentative arische Rasse als eine Elite der gesamten Menschheit erkennen wollte. »Durch Pflege magischer Geistes-, Seelen- und Körperkräfte vermögen Höchstbegabte ihren Geist auf die höchste Erkenntnisebene zu heben.«

»Lists üppige literarische Produktion ist wissenschaftlich wertlos, wird aber zur einflussreichen politischen Stimmungsdichtung. Das Gefährliche an dieser zwischen Wahnsinn und Schwachsinn angesiedelten Ideologie ist ihre enorme mystische, spiritistische Aufladung. Jene Quelle sollte Hitlers verblendetes und übermächtiges Sendungsbewusstsein entzünden. Diese Vereinigung gerät als Blutloge und Blutsbrüderschaft in Verruf. Gerüchte über Perversion, Grausamkeiten und mittelalterliche Schwarzkunst lösen in Wien weithin Beunruhigung aus. Der Armanenschaft gehören führende Vertreter der österreichischen Gesellschaft an, wie zum Beispiel der Wiener Oberbürgermeister Karl Lueger (1910).«8

Als August Kubizek, der einzige Jugendfreund Hitlers, nach dem Krieg befragt wurde, ob er sich daran erinnere, jemals »Ostara«-Hefte bei Hitler gesehen zu haben, verneinte er dies. Es ist deshalb anzunehmen, dass Hitler diese okkult-spiritistisch geprägten Hefte erst später, nach seiner Trennung von Kubizek, im Spätsommer 1908 also, gelesen hat. Dafür spricht auch die Tatsache, dass in der Zeit von Oktober 1908 bis Anfang 1909 in den genannten Heften folgende Aufsätze erschienen: »Antlitz der Rasse« (Heft 28), »Allgemeine rassenkundliche Somatologie« (Heft 29), »Besondere rassenkundliche Somatologie I« (Heft 30) und »Besondere rassenkundliche Somatologie II« (Heft 31).

Sehr wahrscheinlich ist auch, dass Hitler in diesen Jahren die Schriften von Guido von List kennengelernt hat. Dr. Karl Lueger und auch Lanz von Liebenfels waren Anhänger der »Guido-von-List-Gesellschaft«. So schließt sich der finstere Kreis der antisemitischen Strömung um die Jahrhundertwende in Wien.

»Angebliche Forschungsergebnisse« des Guido von List unter den Titeln »Deutschmythologische Landschaftsbilder«, »Die Armanenschaft der Ario-Germanen«, »Das Geheimnis der Runen« (mit einem stilisierten Hakenkreuz als Titel, siehe Abbildung S. 202), und andere sollten nach Lists Auffassung das verdeckte Urgermanische ans Tageslicht befördern, von der christlichen Oberschichtung befreien und eine okkultistische Terminologie als Lehre für »Eingeweihte« sein.9

Der antichristliche Geist wirkte zu allen Zeiten, ja in allen Jahrhunderten, wie wir im Brief des Apostels Johannes lesen: »Kinder, es ist die letzte Zeit! Ihr habt doch gehört, dass ein Antichristus kommen wird. Und nun sind schon viele Antichristen da. Daran erkennen wir, dass es letzte Zeit ist« (1. Joh. 2, 18, Bruns). Ein letzter großer Vorläufer des »totalen Antichristen« sollte durch diese okkult-spiritistischen Schriften seine ersten Impulse bekommen, ein grässlicher Same der unsichtbaren, finsteren Welt, der sich dann in den nächsten Jahrzehnten zu einem wilden Strom eines antigöttlichen Feldzuges über Europa ergießen sollte. Da sich Hitler dem Wehrdienst in der österreichischen Armee hatte entziehen wollen, war er im Mai 1913 nach München übergesiedelt. Aber in der bayerischen Hauptstadt lebte er ruhelos von der Hand in den Mund, ohne Aufgabe und ohne Ziel.

Im Rückblick auf seine geistliche Entwicklung könnte man sagen: In Linz stand Hitler dem Judentum wohlwollend gegenüber, später in Wien wurde er ein krasser Judengegner und ein fanatischer Antisemit. Hitlers Wehrdienstverweigerung ist auch in diesem Geist zu suchen, denn er äußerte sich gegenüber seinem Wohnungsvermieter in München, dass der Generalstab der österreichischen Armee von Juden und Homosexuellen durchsetzt sei und er keine Neigung hätte, diesem Judenhaufen zu dienen.

Hier in München finden wir später in Hitler einen jungen Mann, der wohlgepflegt ist, der sich recht und schlecht durchs Leben schlägt. Sein Auskommen verdient er sich durch die Malerei und verkauft seine künstlerischen Arbeiten bei der Kunsthandlung Stuffle am Maximiliansplatz.

Im Hochsommer 1914 wird der österreichische Thronfolger mit seiner Frau in Sarajevo ermordet. Der Erste Weltkrieg ist die Folge. Obwohl Hitler nach einem sehr geschickten Täuschungsmanöver von der österreichischen Musterungskommission in Salzburg vom Wehrdienst befreit worden war und den Befund »Zum Waffendienst und Hilfsdienst untauglich, zu schwach, waffenunfähig« ausgestellt bekommen hatte, meldet er sich bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges freiwillig zum Militärdienst. Gesund und munter schwenkt er auf dem Odeonsplatz vor den Stufen der Feldherrnhalle inmitten einer vieltausendköpfigen Menge den Hut als Zeichen seiner überschäumenden Begeisterung. Eingekeilt in der großen Menschenmenge, erkennt man das hagere, schnurrbärtige, mit leidenschaftlicher Freude gekennzeichnete Gesicht Hitlers sehr deutlich (siehe Bild). Später wurde dieses Bild den Volksgenossen des »Großdeutschen Reiches« als Beweis der Vorsehung, der Auserwählung des Führers gezeigt, der als Unbekannter aus der Weltbevölkerung zum Messias ausersehen und bestimmt gewesen sei, um die germanische Herrenrasse zu höchstem Glanz zu führen.

Sollte es nur ein Zufall gewesen sein, dass man Hitler auf dem Bild eines Pressefotografen sehr deutlich in der namenlosen Masse später wiederfinden konnte?

Er schreibt über diesen Augenblick: »Mir selber kamen die damaligen Stunden wie eine Erlösung vor.«

Erlösung? – Von wem oder was?

Sehr früh scheint sich das Sendungsbewusstsein in Hitler bemerkbar gemacht zu haben. Die politischen Verhältnisse beurteilte der einfache Frontsoldat sehr visionär: »Juden und Marxisten sind Zwillinge, diese müssen von der Bildfläche verschwinden. Das politische Schicksal scheint dafür hilfreich, um den Einfluss des Judentums auf das deutsche und österreichische Volk zu brechen.« Gegenüber seinem Zimmervermieter in München äußert er sich so: »Einsam und verlassen steht das jüdische Führerpack nun plötzlich da. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, gegen die ganze betrügerische Genossenschaft, diese jüdischen Volksvergifter, vorzugehen. Jetzt muss kurzerhand der Prozess gemacht werden, ohne die geringste Rücksicht auf Geschrei und Gejammer.« – »Die Führer dieser ganzen Bewegung gehören sofort hinter Schloss und Riegel. Kurzen Prozess soll man mit ihnen machen.«

Der erste weltumfassende Krieg seit Schöpfungsanfang entbrannte. Durch diesen Weltenbrand wurde vieles zum Weltproblem. Die Errungenschaften in der Technik wie Rundfunk, Telegrafie, Dampf- und Benzinmaschinen, Autos und Flugzeuge rückte die Menschen näher zusammen. Die Welt wurde kleiner; Hass, Empörungen und Spannungen konnten sich schneller über die nationalen Grenzen ausweiten. So standen nicht nur Länder, sondern ganze Erdteile in kürzester Zeit im satanischen Morden. Die Vernichtungsgewalt wurde lawinenartig größer.

Das Blut durchtränkte den zerwühlten Schlachtenacker. Neun Millionen Tote, die schaurige Bilanz moderner Dämonie.

Zum ersten Mal in der Geschichte ist der Krieg total geworden. Minenfelder, Schützengräben, Giftgas, Flammenwerfer, Panzerkampfwagen und Bombenflugzeuge sind die Errungenschaften satanischer Gehirne.

Das Schlachtfeld wird zum Trichtermeer, in seelenloser Grausamkeit zerfleischen sich Freund und Feind.

Das Erlebnis des Krieges löschte bei Hitler das erniedrigende Elend der Wiener Jahre aus. Er hatte bei Nietzsche gelesen, dass Leben Kampf und der Kampf wiederum ein Naturgesetz sei, wobei der Stärkere siege und der Schwache untergehe. Unter dieser Vorstellung stürmte er in Flandern mit den Kameraden seines Regimentes über regennasse Felder dem Feind entgegen. Der Heimatlose hatte nun ein Asyl anderer Art gefunden. Von einem seiner Vorgesetzten stammt der Ausspruch: »Für den Gefreiten Hitler war das ›Regiment List‹ Heimat.«

Inmitten der furchtbaren Schlacht begegnet dem unerschrockenen Meldegänger Hitler ein Phänomen, das dem späteren uneingeschränkten Tyrannen bis an sein Lebensende eine gewisse Schicksalsgläubigkeit einbrachte. Hitler berichtet:

»Ich war dabei, mein Essen in einem Graben mit anderen Kameraden zu verzehren. Plötzlich schien eine Stimme zu mir zu sagen: ›Steh auf und gehe nach drüben.‹ Die Stimme war so klar und eindringlich, dass ich automatisch gehorchte, als wäre es ein militärischer Befehl gewesen. Ich sprang sofort auf die Füße und ging zwanzig Schritte den Graben entlang; mein Essen im Blechnapf nahm ich mit. Dann setzte ich mich hin, um weiter zu essen und war wieder ganz ruhig. Kaum hatte ich das getan, als ein Blitz und eine ohrenbetäubende Detonation von der Stelle des Grabens herkam, die ich gerade verlassen hatte. Eine verirrte Granate war über der Gruppe geplatzt, in der ich gesessen hatte, und alle waren tot.«10

Hitler berichtete von mehreren Ereignissen während der Kämpfe, wo er unter dem Schutz der Vorsehung gestanden habe. Schon bei Ausbruch des Krieges sagte ihm eine innere Stimme: »Dir wird nichts geschehen.«

Eine Stimme Gottes? – Stand Hitler tatsächlich unter einer bewahrenden Macht?

Nach den ersten Kämpfen war das Regiment auf die Hälfte seiner Kriegsstärke zusammengeschmolzen. In der ersten Ruhestellung wurde dem Soldaten Hitler das »Eiserne Kreuz zweiter Klasse« verliehen, und er erhielt den Rang, den er bis zum Ende des Krieges innehaben sollte, er wurde Gefreiter. Er liebte das Leben an der Front. Vor Ausbruch des Krieges war sein Leben sinnlos und recht erbärmlich gewesen. Jetzt aber hatte es seine Ordnung. Er wusste, wohin er gehörte und wozu er lebte. Sein durch die beschämenden Elendsjahre tief verletztes Selbstbewusstsein wurde durch die Ereignisse des Krieges in seltsamer Weise gestärkt.

Hitlers früherer Regimentskommandeur Oberst Spatny berichtet über den begeisterten Meldegänger:

»Die stets unruhige und scharfe Kampffront in Nordfrankreich und Belgien, in der das Regiment immer war, stellte an jeden Angehörigen des Regiments die höchsten Anforderungen in Bezug auf Opferwilligkeit und persönliche Tapferkeit. In dieser Beziehung war Hitler für seine Umgebung ein musterhaftes Vorbild. Seinen persönlichen Schneid, sein vorbildliches, mustergültiges Verhalten in allen Gefechtslagen übte eine mächtige Wirkung auf seine Kameraden aus, weshalb er in Verbindung mit seinem bescheidenen Wesen und seiner bewunderungswerten persönlichen Anspruchslosigkeit sowohl bei seinen Vorgesetzten wie Gleichgestellten eine hohe Achtung genossen hat.«11

Das Urteil seiner Kameraden aber war ein anderes. Sie nannten ihn einen »Spinner«, einen Sonderling, der mit dem Helm auf dem Kopf oft gedankenversunken in einer Ecke saß und den keiner aus seiner Apathie herauszubringen vermochte. Die meisten seiner Kameraden blieben nur widerwillig bei dem blutigen Kriegshandwerk. Sie sehnten sich nach ihren Familien, nach der Heimat und nach ihren bürgerlichen Berufen. Für sie war der Krieg das schrecklichste Erlebnis und der fragwürdigste Einsatz ihres Lebens.

Hitler war anders. Wenn es keiner mehr wagte, durch die eisenhaltige Luft des Trommelfeuers zu rennen, lief er freiwillig als Meldegänger zu den zusammengeschossenen Kompanien an die vorderste Front. Im Bunker starrte er oft stundenlang in krankhafter Monotonie vor sich hin. In seinem mageren, gelblichen Gesicht mit dem mächtigen Schnauzbart war stets ein Zug von Bedrückung erkennbar. Man konnte etwas Krankhaftes hinter den exzentrischen Zügen vermuten, sie passten zu den merkwürdigen, unpersönlichen Eigenarten des Einzelgängers. Bei seinen anhaltenden Grübeleien ging es ihm durch den Sinn: Falls der Feind siegen sollte, dann wären auf jeden Fall die »Roten« und die »Juden« schuld, die gemeinsam eine internationale Verschwörung gegen Deutschland und seine herausragende Herrenrasse angezettelt hätten.

Während sich die Kameraden ihren oberflächlichen Geschichten über »Weiber oder anderen Schund« widmeten, glaubte Hitler allein die Wurzel des Übels zu kennen. In seiner Vereinsamung und geradezu krankhaften Kontaktschwäche steigerte sich in ihm das visionäre Bewusstsein einer göttlichen Erwähltheit. Die erhaltenen Fotografien aus dem Ersten Weltkrieg deuten etwas von der mystischen Fremdheit zu den Kameraden an, die er im Grunde maßlos verachtete. Schweigend, unerreichbar mit starrem Gesichtsausdruck saß Hitler da. Schon Anfang 1915 schrieb er seinem befreundeten Assessor Hepp nach München:

»Ich denke so oft an München, und jeder von uns hat nur den einen Wunsch, dass es bald zur endgültigen Abrechnung mit der Bande kommen möge, zum Draufgehen, koste es, was es wolle, und dass die, die von uns das Glück besitzen werden, die Heimat wiederzusehen, sie reiner und von der Fremdländerei gereinigter finden werden, dass durch die Opfer und Leiden, die nun täglich so viele Hunderttausende von uns bringen, dass durch den Strom von Blut, der hier Tag für Tag fließt gegen eine internationale Welt von Feinden, nicht nur Deutschlands Feinde im Äußeren zerschmettert werden, sondern dass auch unser innerer Internationalismus zerbricht. Das wäre mehr wert als aller Ländergewinn. Mit Österreich wird die Sache kommen, wie ich es immer sagte.«

Hitler erkennt nicht den eigentlichen inneren Feind, den Widersacher Gottes, der es versteht, von der Auflehnung gegenüber Gott, der furchtbaren Macht der Lüge abzulenken, um den Menschen oder ganze Völker in den Rachen der Hölle zu werfen.

An der Front bleibt er der Unverstandene. Eine Heimat, die er nie besaß, hat er im Feld gefunden. Das Niemandsland finsterer Geister war sein Zuhause. Hier, in den nasskalten Unterständen, in den öden Mannschaftsunterkünften blieb er seinem mysteriösen Wesen treu. Jede menschliche Beziehung war ihm fremd, die sprichwörtliche Kontaktschwäche blieb erhalten.

Anfang Oktober 1916 wurde Hitler am linken Oberschenkel verwundet und kam ins Lazarett nach Beelitz bei Berlin. Bei seinem ersten Besuch in der damaligen Reichshauptstadt fand er statt nationaler Einigkeit viele politische Meinungsverschiedenheiten, Parteienstreit, Resignation und Widerstand gegen die bestehende Monarchie. Voller Empörung begegnete er Drückebergern, die sich dem Grauen des Krieges auf ihre Weise zu entziehen versuchten. Hinter allem Üblen sah Hitler die Erscheinung des Juden am Werk. Sein Hass steigerte sich gegen die »hebräischen Volksverderber«, gegen das dreckige »Ungeziefer«, gegen die »Meineidigen, marxistischen Verbrecher der Revolution«.

Daher fühlte er sich nach fünfmonatigem Heimataufenthalt im Frühjahr 1917 an der Front wieder befreiter und nützlicher. Aber ausgerechnet ein Jude war es, der ihm jetzt das »Eiserne Kreuz I.« überreichte, nämlich Leutnant Hugo Gutmann, ein jüdischer Offizier mit »jüdischen Allüren und Manieren«. Hitler steckte das EK I. in die Tasche und erwähnte nie, dass er seine Tapferkeitsauszeichnung von einem Juden überreicht bekommen hatte. Dieses Eiserne Kreuz sollte ihm später den Nimbus höchster Tapferkeit einbringen. Er trug es stolz als nationalsozialistischer Propagandaführer und später als der Führer der arischen Herrenrasse.

Im Sommer 1918 traten die deutschen Truppen im Westen noch einmal zu einer Großoffensive an und konnten einige Erfolge verzeichnen. Doch dann blieb der Siegeszug der deutschen Armeen nach wenigen Scheintriumphen, ohne ein entscheidendes Ziel erreicht zu haben, im ungeheuren Feuer der Materialschlacht stecken. Im Verlauf der letzten Kämpfe unternahmen die Engländer in der Nacht vom 13. zum 14. Oktober südlich von Ypern einen Gasangriff. Auf einem Hügel bei Wervick geriet der Meldegänger Hitler in ein mehrstündiges Trommelfeuer von Gasgranaten. Gegen Morgen verspürte er heftige Schmerzen in den Augen. Taumelnd erreichte er den Regimentsstab. Einige Stunden später war er erblindet; seine Augen, so beschrieb Hitler später seinen Zustand, hatten sich wie in glühende Kohlen verwandelt. Bald darauf wurde er zum Preußischen Reservelazarett Pasewalk in Pommern transportiert.

Hier hörte Hitler, der keine Zeitungen lesen konnte, verwirrende Gerüchte von Unruhen, Streiks und der baldigen Beendigung des Krieges.

Am 11. November 1918 ruhten die Waffen. Der Krieg war verloren, Kaiser Wilhelm II. nach Holland geflohen. Der militärischen Niederlage folgte eine Revolution in der Heimat. Hitler schildert diese dramatischen Vorgänge in dem Buch »Mein Kampf«:

»… plötzlich und unvermittelt kam das Unglück herein. Matrosen kamen auf Lastkraftwagen und riefen zur Revolution auf, ein paar Judenjungen waren die ›Führer‹ in diesem Kampf um die ›Freiheit, Schönheit und Würde‹ unseres Volksdaseins … Keiner von ihnen war an der Front gewesen. Auf dem Umweg eines sogenannten ›Tripper‹-Lazaretts waren die drei Orientalen aus der Etappe der Heimat zurückgegeben worden. Nun zogen sie in ihr den roten Fetzen auf.«12

Der Lazarettgeistliche ließ die Verwundeten zusammenrufen und berichtete mit bebender Stimme, dass die Revolution ausgebrochen und das Haus Hohenzollern gestürzt sei. Man müsse jetzt von dem Großmut der Feinde leben, denen man sich bedingungslos ergeben habe.

Hitler schrieb darüber:

»… da hielt ich es nicht mehr aus. Mir wurde es unmöglich, noch länger zu bleiben. Während es mir um die Augen wieder schwarz ward, tastete und taumelte ich zum Schlafsaal zurück, warf mich auf mein Lager und grub den brennenden Kopf in Decke und Kissen. Seit dem Tage, da ich am Grabe der Mutter gestanden, hatte ich nicht mehr geweint … nun aber konnte ich nicht mehr anders.«13

2 Siegfried Fritsch: Der Geist über Deutschland, Seite 209-210

3 Adolf Hitler: Mein Kampf, Seite 421

4 a. a. O. Seite 444/445

5 a. a. O. Seite 60

6 a. a. O. Seite 357

7 a. a. O. Seite 357

8 Siegfried Fritsch: Der Geist über Deutschland, Seite 207-208

9 Dr. Werner Maser: Die Frühgeschichte der NSDAP

10 W. Baetke: Die Religion der Germanen in Quellenzeugnis, Frankfurt 1937, Seite 16

11 Bundesarchiv NS 26/17

12 Adolf Hitler: Mein Kampf, Seite 221

13 a. a. O. Seite 223

Hitler – dämonische Merkmale

»Da fuhr der Böse in ihn.«

Es steht außer Zweifel, dass nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in der Person Adolf Hitlers eine einschneidende Veränderung vor sich ging. Bis zu diesem Zeitpunkt könnte man das Leben des neunundzwanzigjährigen Mannes als fast normal bezeichnen. Es gab viele junge Männer, die keine abgeschlossene Schulbildung hatten, auch unzählige, die kein Berufsdiplom vorweisen konnten. Nicht nur in Deutschland und in Österreich blühte der Antisemitismus sowie eine fanatische Ablehnung gegen den Marxismus. Überall in der Welt lebten Junggesellen, die meistens als Sonderlinge ihr Leben fristeten.

Hitler hatte das Ende des unseligen Krieges als Verwundeter im Reservelazarett zu Pasewalk erlebt. Seine Gelbkreuzgasvergiftung war am Abklingen, er konnte wieder sehen. Seine Erholung von der Vergiftung nahm einen ganz normalen Verlauf, da Hitler fast drei Wochen in ärztlicher Behandlung war.

Aber dann kam es zu einem mysteriösen Rückschlag, der von Psychiatern und Neurologen nicht eindeutig diagnostiziert werden konnte. Bedauerlicherweise sind die ärztlichen Angaben über seinen Heilungsprozess nicht mehr nachzulesen, da die Gestapo alle bekannten Aufzeichnungen seines Krankheitsverlaufs beschlagnahmt und vernichtet hat.

Die Opfer von Gelbkreuzgasvergiftungen sind gewöhnlich geistig nicht verwirrt, sie sinken in der Regel in eine tiefe Apathie, weil sie nicht von der Idee abzubringen sind, für immer erblindet zu sein. Deshalb fühlen sie sich verständlicherweise sehr unglücklich, sie sind verzagt und verzweifelt. Nach ein oder zwei Wochen sind die Lider der Patienten wieder soweit abgeschwollen, dass sie ihre Augen öffnen können. Zugleich kommt dann neuer Lebensmut in sie, weil sie wieder sehen und an dem äußeren Geschehen Anteil nehmen können.

Ganz anders bei dem Gefreiten Adolf Hitler. Nach seinen eigenen Angaben verlief seine Wiederherstellung nicht, wie es nach der Erfahrung bei anderen Verwundeten der Fall war. Nach der öffentlichen Bekanntgabe des Lazarettgeistlichen von der Niederlage Deutschlands erblindete Hitler von neuem. Er schrieb darüber:

»Während es mir um die Augen wieder schwarz ward, tastete und taumelte ich wieder zum Schlafsaal zurück, warf mich auf mein Lager und grub den brennenden Kopf in Decke und Kissen.«14

Nach Hitlers Angaben dauerte die Krise nach dem 11.11.1918 einige Tage fort. Es stellt sich die Frage: Warum wirkte das Gelbkreuzgas bei Hitler zunächst nervenanregend? Weshalb erblindete Adolf Hitler wieder bei der Nachricht von der deutschen Niederlage und warum konnte er plötzlich wieder sehen mit dem Auftrag, Deutschland zu erlösen? Wie entstand in Hitler die ungeheure Vorstellung, die Juden seien Deutschlands Verderben, so dass er in einem anhaltenden fanatischen Hass verharrte?

Die oft zitierte Stelle aus dem Buch »Mein Kampf« wird meist verstümmelt wiedergegeben. Wir lesen in seinem Werk:

»Mit den Juden gibt es kein Paktieren, sondern nur das harte Entweder-Oder. Ich aber beschloss, Politiker zu werden.«15

Der erste Satz ist von dem zweiten nicht zu trennen.

Hitlers krankhafte Veränderung in geistlich-seelischen Reaktionen lässt sich am deutlichsten aus der Halluzination herauslesen, die einen zweitägigen Anfall tödlichen Trübsinns beendete. Die verschiedenartigen Schilderungen seiner übersinnlichen Anfälle beruhten jeweils auf Äußerungen, die er oder andere über ihn in den frühen Zwanzigerjahren gemacht haben.