Agent 21 - Survival - Chris Ryan - E-Book

Agent 21 - Survival E-Book

Chris Ryan

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Beschreibung

Ein neuer Auftrag führt Zak nach Südafrika. Er soll ein paar Leute aus Cruz Martinez’ Drogenkartell observieren. Ein ziemlich harmloser Job, denkt Zak. Doch dann führt die Spur mitten in den afrikanischen Dschungel – und direkt zu seinem Erzfeind und dessen grausamer Armee aus Kindersoldaten. Zu spät merkt Zak, dass Martinez ihn in eine tödliche Falle gelockt hat. Jetzt zählt nur noch eines: Der Kampf ums nackte Überleben!

"Agent 21" ist eine actiongeladene, packende Agenten-Thriller-Reihe mit exotischen Settings und hochbrisanten Einsätzen. Chris Ryan fesselt seine Leser mit technischer Detailgenauigkeit und irrwitziger Action.

Alle Bände der »Agent 21«-Reihe:
Agent 21 - Im Zeichen des Todes (Band 1)
Agent 21 - Reloaded (Band 2)
Agent 21 - Codebreaker (Band 3)
Agent 21 - Survival (Band 4)
Agent 21 - Dead End (Band 5)

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Seitenzahl: 341

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© Sam Barker

DER AUTOR

Chris Ryan wurde 1961 in Newcastle, England, geboren. Zehn Jahre lang war er für die SAS, die britische Eliteeinsatztruppe, tätig. Er war an verschiedenen militärischen und verdeckten Operationen beteiligt und Leiter eines Antiterrorteams. In den letzten Jahren verfasste er mehrere Actionthriller, die sofort Einzug in die Bestsellerlisten hielten. AGENT 21 ist sein erster Jugendbuch-Thriller.

Von Chris Ryan ist bei cbt bereits erschienen:

Agent21– Im Zeichen des Todes

Agent21– Reloaded

Agent21– Codebreaker

Chris Ryan

Agent 21

Survival

Aus dem Englischen von Tanja Ohlsen

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten Aus dem Englischen von Tanja Ohlsen Lektorat: Luitgard Distel Umschlaggestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen unter Verwendung des Originalumschlags © Stephen Mulcahey, 2014 Karte im Innenteil © Ben Hasler, 2014 jb ∙ Herstellung: kw Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling ISBN: 978-3-641-15530-8V004
www.cbt-buecher.de

Inhalt

Teil I

Spielewelt

Der Wurm und der Stein

Exotherm

Hackerattacke

Der schwarze Kontinent

Hopp und Popp!

Teil II

Smiler

Tränchen

Alles Leben Gross und Klein

Prusik

Latifah

Totholz

Begraben

Lauschangriff

Ausbruch

Einbruch

Kenne deinen Feind

Voodoo

Teil III

Banjul

Der Putsch

Smilers Entscheidung

Spitfire

2 346 625 $

Exit

Epilog

Agent 21: Einsatzunterlagen

Agent 21

Wahrer Name: Zak Darke

Pseudonyme: Harry Gold, Jason Cole

Alter: 15

Geburtsdatum: 27. März

Eltern: Al und Janet Darke (verstorben)

Fähigkeiten: Waffenkenntnisse, Navigation, ausgezeichnete Sprachkenntnisse, ausgezeichnete technische Fähigkeiten und Computerkenntnisse. Ausgebildet als Codeknacker.

Bisherige Einsätze: (1) Undercover eingeschleust auf das Gelände des mexikanischen Drogenbarons Martinez Toledo. Freundete sich mit Cruz an, dem Sohn der Zielperson. Erfolgreiche Beschaffung von Beweismaterial für die illegalen Aktivitäten der Zielperson. Führte das Einsatzteam erfolgreich auf das Gelände. Zielperson eliminiert. (2) In Angola eingeschleust, um einen Sprengkörper auf einem verdächtigen Terroristenschiff, der MV Mercantile, anzubringen. Schiff zerstört, Agent 21 zurückgeholt. (3) Eingesetzt, um einen hochbegabten Jungen aus einem gesicherten Krankenhaus herauszuholen und mit ihm zusammenzuarbeiten. Außerdem Undercover-Einsatz bei einem Verdächtigen. Mission, Bombenanschläge gegen Zivilisten und größere Ziele in Großbritannien zu vereiteln. Mit Erfolg abgeschlossen.

Agent 17

Wahrer Name: geheim

Pseudonyme: Gabriella, Gabs

Alter: 27

Fähigkeiten: Fortgeschrittene Kenntnisse in Nahkampf und Selbstverteidigung, Überwachung, Verfolgung.

Derzeit betraut mit der weiterführenden Ausbildung von Agent 21 auf der entlegenen schottischen Insel St. Peter’s Crag.

Agent 16

Wahrer Name: geheim

Pseudonyme: Raphael, Raf

Alter: 30

Fähigkeiten: Fortgeschrittene Kenntnisse in Nahkampf und Selbstverteidigung, Tauchen, Fahrzeugsteuerung.

Derzeit betraut mit der weiterführenden Ausbildung von Agent 21 auf der entlegenen schottischen Insel St. Peter’s Crag.

Michael

Wahrer Name: geheim

Pseudonyme: Mr Bartholomew

Alter: geheim

Rekrutierte Agent 21 nach dem Tod seiner Eltern. Derzeit sein Betreuer. Hat Verbindungen zum MI5, repräsentiert jedoch eine streng geheime Regierungsbehörde.

Cruz Martinez (vermutlich tot)

Alter: 17

Besondere Informationen: Nachfolger von Cesar Martinez als Kopf des größten mexikanischen Drogenkartells. Macht Agent 21 für den Tod seines Vaters verantwortlich. Hochintelligent. Verhält sich seit seiner Machtübernahme unauffällig. Vermutlich während des Untergangs der MV Mercantile ertrunken.

Malcolm Mann

Alter: 14

Besondere Informationen: Autist mit Borderline-Persönlichkeitsstörung, Computerhacker. Hackte sich in die Sicherheitssysteme mehrerer Geheimdienste. Half Agent 21 in der Vergangenheit. Lebt zurzeit unauffällig in Johannesburg, Südafrika.

Teil I

Spielewelt

Johannesburg, Südafrika, Samstag, 11:00 Uhr

Auf der kalten Colaflasche hatte sich eine dünne Eisschicht gebildet und Kondenswassertropfen rannen daran herunter.

Fast so wie die Schweißperlen, die Zak übers Gesicht liefen.

Das hier sollte eine einfache Mission sein. Warum war er dann so nervös?

Die Cola hatte er bisher nicht angerührt, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, aus dem Fenster des Cafés zu schauen.

Zak konnte nur die Hälfte seines Spiegelbilds im Fenster erkennen, doch es überraschte ihn immer noch. An einem anderen Ort zu einer anderen Zeit hätte er sein neues Aussehen blöd gefunden. Doch hier nicht. Es hatte einen Grund. Man hatte ihm die Haare blond gefärbt und lässig kurz geschnitten. Außerdem trug er blaue Kontaktlinsen, und eine falsche Sonnenbräune färbte seine Haut dunkler. Mit der Baseballkappe, die vor ihm auf dem Tisch lag, sah er aus wie ein Surfertyp und nicht wie ein Teenager, der auf einer windumtosten Insel vor der Küste Schottlands wohnte.

Es war unglaublich, wie man sein Aussehen verändern konnte.

Er sah über den Tisch zu Gabs hinüber. Sein Schutzengel schaffte es irgendwie immer, ein wenig glamourös zu wirken – selbst wenn sie verkleidet war. Heute konnte man nur ein paar Strähnen ihres blonden Haares sehen, die unter einem Barett hervorspitzten. Sie trug ein T-Shirt mit einem glitzernden Rolling-Stones-Logo und hatte einen halb ausgetrunkenen Cappuccino vor sich stehen.

»Du solltest deine Cola trinken, Kleiner«, sagte sie leise. »Nur für den Fall, dass uns jemand beobachtet …«

»Uns beobachtet niemand.«

»Zak!«

Gabs Stimme klang gereizt und Zak wurde rot. Er wusste es schließlich besser. Wenn Zak – oder Raf oder Gabs oder sonst jemand, den er kennengelernt hatte, seit sein Leben eine so außergewöhnliche Bahn eingeschlagen hatte und er von Zak Darke zu Agent 21 geworden war – jemanden in diesem Café überwachte, würde der ihn dann bemerken?

Auf keinen Fall.

Aber das galt auch umgekehrt.

Ein einziger prüfender Blick durch das Café hatte ihm gezeigt, dass einige Leute möglicherweise nach etwas oder jemandem Ausschau hielten. Der Kellner, der hinter der Bar die Kaffeemaschine putzte, die erschöpfte Mutter am Nebentisch mit den beiden Eis essenden Kindern, die Kellnerin, die sie bedient hatte …

Er sah Gabs entschuldigend an und nahm einen Schluck von seiner Cola.

Dann starrte er wieder aus dem Fenster.

Sie beobachteten einen Spielwarenladen namens Spielewelt. Er erstreckte sich über vier Stockwerke und war breit genug für sechs Schaufenster. Auf jedes Fenster war ein großes Clownsgesicht aufgemalt. Sie sollten lustig aussehen, doch Zak fand sie nur beängstigend – er hatte das Gefühl, als würden sie ihn direkt anstarren, und er musste ein Schaudern unterdrücken.

Als er noch klein war, hatten seine Eltern ihn einmal zu Hamleys mitgenommen, dem riesigen Spielwarenladen in London, um den Weihnachtsmann zu besuchen. Die Spielewelt war zwar ähnlich groß, aber weit weniger gut besucht.

Kurz gesagt: Der Laden war gruselig. Er sah überhaupt nicht sehr nach Spielen aus.

Was auch irgendwie logisch war.

Denn Agent 21 und seine Schutzengel waren schließlich nicht nach Südafrika geschickt worden, um Spielzeug zu kaufen.

»Glaubst du, dass er da drin ist?«, fragte Zak.

»Cruz?«

Zak nickte. Natürlich Cruz. Cruz Martinez, sein früherer Freund, der zum mexikanischen Drogenbaron geworden war. Cruz Martinez, dessen Vater die Ermordung von Zaks eigenen Eltern angeordnet hatte und der sich zum Dank dafür eine Kugel aus Gabs Gewehr einhandelte. Cruz Martinez, der, als er ihn das letzte Mal gesehen hatte, von einem sinkenden Schiff ins stürmische Meer gestürzt war. Den jeder für tot hielt, obwohl Zak spürte, dass er noch lebte, und dessen Name ihm eine Gänsehaut verursachte.

Geheimagenten vor Ort hatten ihn im letzten Monat dreimal dabei beobachtet, wie er diesen Spielzeugladen besuchte.

Und niemand glaubte, dass er dort war, um Teddybären zu kaufen.

»Ja«, antwortete Zak. »Cruz.«

»Ich bezweifle es«, erwiderte Gabs. »Es ist schließlich Samstagmorgen. Ich glaube nicht, dass er dort auftaucht, wenn es so voll ist.«

»So voll ist es nicht«, bemerkte Zak.

Gabs zuckte mit den Schultern. »Hier haben die Leute nicht viel Geld für Spielzeug«, erklärte sie, sah aus dem Fenster und stieß leise hervor: »Da ist Raf!«

Sie hatte recht. Wie aus dem Nichts war Raf aufgetaucht. Er stand vor dem Haupteingang der Spielewelt. Seine leichte Leinenjacke hatte er ausgezogen und über die Schulter geworfen. Das war ein Signal und bedeutete, dass er die Umgebung ausgekundschaftet und nichts Verdächtiges bemerkt hatte.

Die Mission konnte beginnen.

Gabs leerte ihre Kaffeetasse und bedeutete Zak, ebenfalls auszutrinken.

»Denk daran«, ermahnte sie ihn. »Es geht nur um eine Überwachung, nichts weiter. Verstanden?«

»Es geht nur um eine Überwachung, nichts weiter.«

Zaks Betreuer Michael hatte bei ihrem Briefing vor zwei Tagen auf der kargen Insel St. Peter’s Crag, die jetzt sein Zuhause war, genau dieselben Worte benutzt.

»Du bist der Einzige, der in den inneren Kreis der Martinez-Organisation vorgedrungen ist. Du musst lediglich herausfinden, ob jemand, den du aus deiner Zeit in Mexiko kennst, bei der Spielewelt arbeitet.«

»Aber die haben doch bestimmt Überwachungskameras in diesem Geschäft«, hatte Zak eingewandt.»Können Sie sich da nicht einfach einhacken? Ich kann mir die Bilder ansehen und sagen, ob ich jemanden erkenne. Das wäre doch viel sicherer, oder?«

»Viel sicherer. Leider sind alle Überwachungsaufnahmen verschlüsselt und werden an einen anderen Server weitergeleitet. Wir haben unsere besten Leute darauf angesetzt. Die können nicht mal den Server lokalisieren, geschweige denn die Bilder entschlüsseln. Das funktioniert also nur, wenn du vor Ort bist. Und jetzt hör mir zu, Zak: Wenn du jemanden erkennst, versuche nicht, ich wiederhole: Versuche auf keinen Fall, ihn festzuhalten. Überlass das den Experten. Du musst nur aussehen wie ein Junge in einem Spielzeugladen. Das ist der einzige Grund, aus dem du dort bist.«

»Verstanden«, meinte Zak.

Obwohl er gerade eben erst die Cola getrunken hatte, fühlte sich sein Mund ganz trocken an. So war es immer kurz vor Beginn eines Einsatzes. Er verspürte eine Mischung aus Aufregung und Furcht, ein Gefühl, von dem man abhängig werden konnte. Zak war es bereits.

Er nahm sein Handy, ein wichtiges Hilfsmittel für ihn. Wenn er Schwierigkeiten bekam, musste er nur einen Code eingeben – 6482 –, schon bekamen Raf und Gabs eine Alarmmeldung und konnten innerhalb von Sekunden eingreifen.

Als er das Handy in die Hand nahm, vibrierte es. Ein einziges Mal. Der Bildschirm leuchtete auf und Zak und Gabs sahen sich an. Nur vier Menschen kannten diese Nummer: Zak selbst, Gabs, Raf und Michael in London.

Er wischte über den Bildschirm.

Und dann riss er die Augen auf. Es war eine Bildnachricht. Das Bild war schwarz-weiß und grobkörnig – wie ein Bild von einer Überwachungskamera. Doch es gab keinen Zweifel, was es zeigte: Zak mit einer Tasche über der Schulter, wie er durch die Zollabfertigung am Flughafen OR Tambo Johannesburg ging. Das war vor zwei Stunden gewesen.

Unter dem Bild stand: Willkommen in Südafrika! Malcolm.

Zak runzelte die Stirn und zeigte Gabs den Bildschirm.

»Malcolm? Woher zum Teufel weiß der, dass wir hier sind?«, fragte sie.

Die Rädchen in Zaks Gehirn arbeiteten bereits auf Hochtouren. Malcolm war ein hochintelligenter Computerhacker, der Zak bei seiner letzten Mission in London geholfen hatte. Ein seltsamer Kerl, aber brillant. Die Behörden hatten ihn einsperren wollen, doch mit Zaks Hilfe war Malcolm ihnen entwischt. Zak und seine Schutzengel waren die Einzigen, die wussten, dass er sich unerkannt in Südafrika aufhielt, und sie hatten ihn nicht verraten. Der Junge hatte eine Pause verdient.

Zak war der festen Überzeugung, dass es kein Computersystem gab, in das sich Malcolm nicht einhacken konnte. Dazu gehörten die Sicherheitssysteme am Flughafen, was dieses Bild bewies.

»Das ergibt Sinn«, murmelte er.

»Was?«, fragte Gabs.

»So wie ich Malcolm kenne, hat er sich ins Flughafensystem eingehackt und lässt jeden, der ankommt, von einer Gesichtserkennungssoftware überprüfen. Als eine Art Frühwarnsystem sozusagen, falls jemand hinter ihm her sein sollte.«

Gabs dachte einen Moment darüber nach. »Das gefällt mir nicht«, meinte sie dann.

»Mir auch nicht.«

»Wir sollten die Aktion abbrechen.« Sie hob ihr Handgelenk zum Mund, um in das dort verborgene Mikro zu sprechen, das drahtlos mit dem Empfänger in Rafs Ohr verbunden war.

Blitzschnell packte Zak Gabs Handgelenk und legte es wieder auf den Tisch. Er konnte ihre Zweifel nachvollziehen. Sie hätten eigentlich unbemerkt bleiben sollen, und jetzt sah es so aus, als wären sie entdeckt worden. Doch Zak sah das anders. Malcolm war ein schräger Vogel, das stand außer Frage. Er war jemand, mit dem man nicht gern im Aufzug stecken bleiben wollte. Aber mit Zak kam er aus. Das hier war nur seine merkwürdige Art, Hallo zu sagen.

»Ich vertraue Malcolm«, sagte er. »Das geht schon in Ordnung. Und wir könnten es möglicherweise zu unserem Vorteil nutzen.«

»Wie meinst du das?«

»Wenn Malcolm sich in die Flughafensicherheit einhacken kann, dann kann er auch die Überwachung eines Spielzeugladens knacken. Ich weiß, dass Michael seine besten Leute darauf angesetzt hat, aber ich wette, so gut wie Malcolm ist keiner von ihnen. Und wir wissen, wo er wohnt.« Zak tippte auf sein Smartphone und rief die Adresse auf. »Mandela Drive siebenundsechzig. Das ist ganz in der Nähe. Warum fragen wir ihn nicht einfach?« Er sah zur Spielewelt hinüber. »Das ist auf jeden Fall sicherer, als sich direkt in die Höhle des Löwen zu begeben.«

Gabs zögerte einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf und widersprach: »Wir haben unsere Befehle. Lass uns das hier hinter uns bringen.«

Sie legte einen Geldschein auf den Tisch – sowohl sie als auch Zak hatten für alle Fälle Bargeld bei sich –, dann standen sie auf und verließen das Café.

Draußen schlug Zak die brutale afrikanische Hitze entgegen. Auch der Verkehrslärm der belebten Straße traf ihn wie ein Hammer. Laute Motoren, Hupen, Leute, die sich anschrien. Sie warteten auf eine Lücke im Verkehr und überquerten die Straße. Keiner von ihnen sprach Raf an oder nahm auch nur Notiz von ihm. Und Zak verabschiedete sich auch nicht von Gabs. Er ging einfach in die Spielewelt hinein und ließ sie davor stehen, wo sie Posten bezog.

Uhrenvergleich: 11:13 Uhr.

Als Erstes fiel Zak im Laden die Musik auf. Sie war leise, aber rasant, wie man sie etwa in einem Tom-und-Jerry-Cartoon erwarten würde. Musik, die einen dazu einlud, Spaß zu haben. Er blendete sie aus und konzentrierte sich auf seine Umgebung.

Er schätzte, dass sich im Erdgeschoss etwa fünfzig Kunden aufhielten. Die Hälfte davon waren Kinder. Dann gab es noch zehn Verkäufer in schicken roten Blazern. Einer von ihnen jonglierte mit vier Bällen. Ein anderer führte gerade einen kleinen ferngesteuerten Helikopter vor.

Eine Seite des Erdgeschosses der Spielewelt war Teddybären vorbehalten. Es gab winzige Bären, riesige Bären und alle vorstellbaren Größen dazwischen. Sie hatten zwar nichts Bedrohliches an sich, doch ähnlich wie die Clownsgesichter riefen sie in Zak ein unangenehmes Gefühl hervor. Einen Augenblick lang stand er ganz still da und dachte an sein Briefing …

»Sieh dir das an!«, hatte Michael gesagt und ihm ein iPad gereicht. Zak hatte auf den Bildschirm getippt und damit ein Video gestartet. Es gab keinen Ton und die Kamera lieferte nur ein verwackeltes Bild. Die Aufnahme schien in einer Art Dschungel entstanden zu sein. Zak bemerkte dichte Vegetation im Hintergrund. Doch im Zentrum der Aufnahme stand ein aufgeklappter Reisekoffer auf dem Boden, in dem etwa zweihundert knuddelige kleine Elefanten lagen.

Auf dem Bildschirm erschien eine Hand mit einem Skalpell, mit dem einem der Elefanten der Körper von der Brust, unterhalb des Kopfes, bis zum Bauch aufgeschnitten wurde. Dann wurde die weiche Füllung herausgezogen und zum Vorschein kam ein Plastikbeutel mit einem weißen Pulver.

»Kokain«, hatte Michael erklärt.»Sehr gute Qualität. Davon ist jede Menge in Asien und ein guter Teil auch in Europa aufgetaucht. Kein schlechtes Versteck, das Innere eines Stofftiers…«

»Kein schlechtes Versteck«, murmelte Zak. Dann schüttelte er den Kopf. In diesen zum Verkauf angebotenen Stofftieren steckte sicherlich kein Kokain. Er beobachtete ein kleines südafrikanisches Mädchen, das ihrer Mutter ein Hello Kitty entgegenstreckte, doch die schüttelte den Kopf und stellte es entschlossen zurück.

»Kann ich Ihnen helfen?«

Zak zuckte zusammen. Vor ihm stand ein Angestellter. Er war jung, wahrscheinlich nicht viel älter als sechzehn, und auf dem Namensschild an seiner roten Jacke stand »Junior«. Seine Haut war tiefschwarz und sein Haar zu eng anliegenden Dreadlocks gezwirbelt. Auf jeder Wange zog sich eine feine blasse Narbe von den Mundwinkeln bis zu den Ohren. Wie ein Lächeln.

Zak kannte ihn nicht und er entspannte sich leicht.

»Harry-Potter-Zauberstäbe«, sagte er. »Haben Sie so etwas?«

»Natürlich. Im dritten Stock. Soll ich sie Ihnen zeigen?«

»Nein, kein Problem. Ich finde sie schon. Ich habe meiner Schwester versprochen, ihr einen von Hermine mitzubringen.«

Innerlich fluchte Zak. Bleib bei einfachen Lügen. Je weniger Informationen du jemandem gibst, desto weniger Löcher kann man darin entdecken…

Junior sah ihn verwundert an. »Wer ist Hermine?«, fragte er.

»Sie ist … ach, nicht so wichtig. Vielen Dank für die Hilfe.«

Zak nickte dem Verkäufer zu und machte sich auf zur Rolltreppe in der Mitte des Geschäfts. Während ihn die Stufen nach oben trugen, warf er noch einmal einen Blick aufs Erdgeschoss. Der Verkäufer mit der merkwürdigen Narbe war nirgends mehr zu sehen.

Zak schlenderte durch den ersten Stock. Dort waren weniger Kunden, bemerkte Zak, als er an Xboxen und Playstations vorbeiging und durch eine Abteilung mit Videospielen kam. Jedes Mal, wenn er einen der Verkäufer in ihren roten Jacken sah, merkte er sich das Gesicht, doch bei keinem klingelte es bei ihm.

Zweiter Stock. Puzzles und Brettspiele. Er sah ein Kind, das ein Haus auf eine Zeichentafel malte, und verspürte ein leichtes Ziehen in der Brust, als er sich daran erinnerte, wie er so etwas mit seinem Dad gemacht hatte.

Konzentrier dich auf den Job, ermahnte er sich.

Von sich aus auf zehn Uhr sah er in der Ecke des Kaufhauses an der Decke eine Überwachungskamera, neben der ein rotes Licht blinkte. Bildete Zak es sich ein oder hatte er gerade eine winzige Bewegung der Linse wahrgenommen?

Fast alle Überwachungskameras bewegen sich, versuchte er sich zu beruhigen. Entspann dich. Du bist fast durch. Noch ein paar Stunden, dann sitzt du in einem Flugzeug nach Hause.

Dritter Stock. Hier war fast kein Mensch. Er ging an »Herr der Ringe«-Figuren vorbei und an weiteren Figuren von Charakteren, die er gar nicht kannte.

»Harry Potter hier entlang, Mister!«

Zak zuckte zusammen und fuhr herum. Wie aus dem Nichts war Junior aufgetaucht, stand direkt neben ihm, grinste und nickte.

»Hier entlang, Mister! Hier entlang!«

Er deutete auf die andere Seite des Ladens. Dort stand die Nachbildung eines Schlosses, umgeben von Zauberstäben und Umhängen.

Zak schüttelte den Kopf. »Schon gut, ich wollte nur …«

»Hier entlang, Mister! Sie müssen kommen!« Er berührte Zak leicht am rechten Arm und führte ihn zu dem Miniaturschloss.

Bei Zak schrillten die Alarmglocken. Plötzlich hatte er sich nicht mehr unter Kontrolle. Er riss Junior seinen Ellbogen weg, bemerkte aber plötzlich eine zweite rote Jacke auf seiner linken Seite.

Noch ein junger Mann. Mit den gleichen Narben im Gesicht wie Junior.

Zak lief es kalt den Rücken hinunter und er sah sich hektisch nach einer Fluchtmöglichkeit um, während er in der Tasche nach seinem Handy tastete. Er musste den Notruf wählen.

Zu spät.

Genau gleichzeitig ergriffen die Jungen ihn an je einem Arm, fest genug, dass es wehtat. Sie zogen Zak Richtung Hogwarts, wo er weitere rote Jacken hinter dem Eingang zum Schloss erkannte.

Er nahm all seine Kraft zusammen und versuchte sich loszureißen. Doch die Jungen waren stark und zogen ihn weiter quer durch das Geschäft und durch den Eingang des Spielzeugschlosses in einen engen Raum dahinter.

In dem vier mal vier Meter großen Raum warteten bereits drei weitere Jungen in roten Jacken auf ihn.

Damit stand es fünf gegen einen. Ein ausgesprochen schlechtes Verhältnis.

An den Wänden standen Regale voller Spielzeug. Zwei der Jungen hielten Harry-Potter-Zauberstäbe in der Hand und holten mit den dicken Enden aus.

Zack! Einer der Zauberstäbe traf ihn am Kopf. Dann ein zweiter. Zak spürte, wie seine Knie wacklig wurden.

Einer der Jungen schlug ihm in den Magen. Die Luft wich ihm aus den Lungen und er klappte zusammen. Ein Knie wurde hochgerissen und traf ihn unter dem Kinn.

Er stürzte zu Boden und sah auf. Fünf Jungen in roten Jacken traten brutal und mit aller Kraft auf ihn ein, in den Bauch und ins Gesicht. Heiß schoss ihm das Blut aus der Nase. Er versuchte, vor Schmerz zu schreien, doch ohne Luft in den Lungen konnte er nicht einmal das.

Auf einmal ließ sich einer der Jungen auf den Boden fallen. Er kniete neben Zak, sein Gesicht knapp vor Zaks. Auch er hatte diese Narben auf den Wangen. Und er hielt etwas in seiner Faust. Es sah aus wie ein gelber Golfball, steckte aber in einer schwarzen Verpackung. Zak konnte die Worte »Goldener Schnatz« auf der Schachtel lesen.

Der Junge grinste höhnisch und Zak bemerkte gelbe Zähne, die wie Grabsteine in seinem Mund steckten. Merkwürdigerweise nahm er noch immer die Musik im Hintergrund wahr.

Mit rauer Stimme flüsterte der Junge: »Willkommen in der Spielewelt!« Dann hieb er Zak mit einem Ächzen, das vermuten ließ, dass er seine ganze Kraft in den Schlag legte, den Schnatz auf die Stirn.

Zak verspürte einen grellen Schmerz und ein blendend weißes Licht blitzte vor seinen Augen auf.

Dann wurde alles schwarz.

Der Wurm und der Stein

»Bleib ruhig, Gabs«, sagte Raf. »Wahrscheinlich geht es ihm gut, und wenn nicht, dann werden wir ihn auch nicht finden, wenn wir in Panik geraten. Das weißt du.«

»Sag du mir nicht, ich soll mich beruhigen!«, fauchte Gabs. »Lass es, okay?«

Raf musste zugeben, dass auch seine eigene Stimme leicht panisch klang, während er sich in dem Spielwarengeschäft umsah und versuchte, ihren Schützling zu finden.

Es war 11:45 Uhr. Zak hatte die Spielewelt vor zweiunddreißig Minuten betreten. Mittlerweile hätte er längst wieder draußen sein sollen.

Raf und Gabs hatten sich verabredet, die Spielewelt genau um 11:43 Uhr zu betreten, und standen jetzt nebeneinander auf der Rolltreppe. Gabs hielt das Handy in der linken Hand und betrachtete es aufmerksam. Ein blinkender grüner Punkt zeigte an, wie dicht sie sich an Zaks eigenem Gerät befanden.

Sie kamen ihm näher.

»Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl bei der Sache«, erklärte Gabs. »Wir hätten abbrechen sollen, als wir die Nachricht von diesem Irren Malcolm bekommen haben. Niemand hätte wissen sollen, dass wir hier sind. Niemand!«

Die Leute drehten sich nach ihnen um, doch das war Gabs egal. Jedes Mal, wenn Zak in Schwierigkeiten steckte – und das schien in letzter Zeit immer häufiger der Fall zu sein –, überfiel sie eine Art Taubheit. Natürlich gehörte so etwas zum Job, aber das bedeutete nicht, dass es ihr gefallen musste. Gelegentlich warf sie dann ihre ganze Ausbildung und ihre Vernunft über Bord. Doch das war ihr egal. Zak war für sie wie ein kleiner Bruder, und sie würde alles tun, um ihn zurückzuholen.

Und sie wusste, dass Raf unter seiner wortkargen, rauen Schale genauso fühlte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Zak ihnen beiden schon mehrmals das Leben gerettet hatte. Sie waren Soldaten, alle drei. Gut, sie trugen keine Tarnkleidung und mussten sich nicht mit einem schreienden Sergeant herumplagen. Sie waren eine spezielle Art von Soldaten, und die Schlachten, in denen sie kämpften, wurden in den Sechs-Uhr-Nachrichten selten erwähnt. Doch auch für sie galt, was für jeden anderen Soldaten auf der ganzen Welt galt: Draußen auf dem Schlachtfeld kümmert man sich um seine Kameraden.

Dritter Stock. Der grüne Punkt blinkte schneller.

Und schneller.

Sie eilten zur anderen Seite des Ladens zu einem Bereich, der wie ein Schloss gestaltet war, umgeben von Harry-Potter-Spielsachen.

Jetzt standen sie in dem Schloss und der grüne Punkt hatte aufgehört zu blinken.

Gabs sah sich um.

Und dann nach unten.

Sie stöhnte auf, bückte sich und hob das Smartphone auf, das auf dem Boden lag. Es sah genauso aus wie das von Gabs, nur mit dem Unterschied, dass der Bildschirm kaputt war. Es sah aus, als wäre jemand draufgetreten.

»Das ist seines«, stieß sie hervor.

Doch Raf sah sich schon um. »Wir brauchen Zugang zu diesen Überwachungskameras«, erklärte er. Dann fluchte er. Das war unmöglich, das hatten sie ja bereits festgestellt. Die Bilder dieser Kameras waren verschlüsselt und wurden an einen unbekannten Server geschickt. Aus diesem Grund waren sie ja hier …

»Was für Ausgänge gibt es noch?«, fragte Gabs und folgte Raf aus dem Schloss. Hier oben waren nur fünf oder sechs Kunden. Mit einem unguten Gefühl erkannte sie, dass man Zak hier leicht hätte entführen können, ohne dass es jemandem auffiel.

Raf deutete nach rechts. Etwa fünfzehn Meter entfernt befand sich ein Notausgang. Sie gingen darauf zu und Gabs drückte den Türöffner.

Die Tür schwang auf, doch Gabs spürte etwas Nasses auf der Klinke und betrachtete ihre Fingerspitzen.

»Blut!«, hauchte sie.

Sie traten ins Freie und fanden sich auf einer metallenen Feuertreppe hinter dem Haus wieder. Unter ihnen sahen sie Stahlcontainer und ein paar geparkte Autos, aber keine Menschen. Und auf jeden Fall nicht Zak.

»Sir, Madam? Kann ich Ihnen helfen?«

Ein junger Afrikaner mit kurzen Dreadlocks und einem roten Blazer war hinter ihnen hergekommen und stand nun in der Tür des Notausgangs. Auf seinem Namenschild stand »Junior« und er hatte auf beiden Wangen eine Narbe.

»Haben Sie gesehen, wie jemand hier hinausgegangen ist?«, fragte Raf.

Junior lächelte unverbindlich. »Ich muss Sie bitten, wieder in das Geschäft zu kommen. Die Feuertreppe ist nur für Notfälle da.«

»Das ist ein Notfall!«, schnappte Gabs.

»Madam, ich werde den Sicherheitsdienst rufen müssen.«

Gabs spürte, wie Raf sie am Handgelenk fasste.

»Alles klar, wir kommen ja schon wieder rein.«

Sie traten zurück in den Laden.

»Haben Sie einen Jungen in etwa Ihrem Alter gesehen, der möglicherweise in Schwierigkeiten war?«, fragte Gabs und bemühte sich, ruhig zu klingen.

Junior sah sie entschuldigend an. »Wir sehen viele junge Leute in der Spielewelt, Madam. Sie kommen aus ganz Johannesburg hierher.« Demonstrativ schloss er den Notausgang. Offensichtlich spürte auch er die Nässe an den Händen, denn er sah – ebenso wie Gabs zuvor – auf seine Fingerspitzen. »Frisch gestrichen«, murmelte er.

»Vielleicht erkennen Sie diesen bestimmten Jungen«, blieb Gabs hartnäckig. »Blonde Haare, Baseballkappe.«

Junior schüttelte den Kopf. »So jemanden habe ich nicht gesehen« erwiderte er. »Tut mir leid.«

Er legte den Kopf schief, lächelte freundlich und wandte sich ab.

»Warten Sie!«, rief Gabs ihm nach.

Junior blieb stehen und sah sich um.

»Diese Narben …«

»Eine Stammestradition«, lächelte Junior.

Gabs runzelte die Stirn. Irgendwie beunruhigten sie die Narben. Sie hatte so etwas schon einmal gesehen, wusste aber nicht mehr, wo.

Junior entfernte sich.

»Ich traue dem Kerl nicht«, stellte Gabs leise fest. »Den würde ich gern mal befragen. Und zwar richtig.«

Doch Raf hielt immer noch ihr Handgelenk. »Sieh mal«, sagte er alarmiert.

Gabs sah auf. Junior war bis zur gegenüberliegenden Seite des Geschäfts gegangen und starrte sie von dort aus an. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und ein bedrohliches Glitzern funkelte in seinen Augen. Rechts und links von ihm standen zwei weitere Verkäufer, ebenfalls in roten Jacken. Und auch sie hatten diese Narben auf den Wangen.

»Von denen gibt es bestimmt noch mehr«, meinte Raf besonnen. »Wir sind unbewaffnet und haben keine Verstärkung. Selbst wenn wir es mit ihnen aufnehmen könnten, würden wir damit nur Zeit verschwenden. Und ich habe das Gefühl, Zeit ist etwas, wovon Zak möglicherweise nicht mehr viel hat, oder?«

Gabs presste die Kiefer aufeinander. Sie nickte, und so liefen sie zur Rolltreppe und hasteten mit schnellen Schritten ins Erdgeschoss hinunter.

»Wir brauchen trotzdem Zugang zu den Aufnahmen der Sicherheitskameras«, erklärte Gabs, als sie den Laden verließen. »Wir müssen wissen, was passiert ist.«

»Das ist unmöglich. Michael hat seine besten Leute darauf angesetzt, das weißt du doch.«

»Nichts ist unmöglich. Wir müssen nur den Richtigen finden.«

Raf zog niedergeschlagen die Stirn kraus. »Wie meinst du das?«

»Genau, wie ich es sage. Jemand weiß, wie man an die Bilder dieser Überwachungskameras kommt. Wir müssen ihn nur finden.«

Es entstand eine Pause.

»Klingt fast so, als hättest du bereits wen Bestimmtes im Sinn«, sagte Raf dann.

»Stimmt«, erwiderte Gabs und lief in nördlicher Richtung zu der Tiefgarage, in der sie ihr Auto hatten stehen lassen. »Genau das habe ich.«

Schmerzen.

Zunächst in Zaks Kopf. In seinem ganzen Schädel hämmerte es von dem Schlag mit der Spielzeugkugel und ihm war schlecht.

Außerdem taten ihm die Handgelenke weh, die fest hinter seinem Rücken zusammengebunden waren und ebenso pochten wie sein Kopf. Der Blutdurchfluss war offensichtlich behindert.

Er lag mit dem Gesicht nach unten auf hartem Beton, der seinem Körper alle Wärme entzogen hatte, sodass er zitterte. Ächzend rollte er sich auf den Rücken und blinzelte. Direkt über ihm, in Längsrichtung zu seinem Körper, befand sich eine Neonröhre, deren Licht in seinen Augen schmerzte.

Wie spät war es? Er hatte keine Ahnung. Er hatte noch seine Uhr um, doch er konnte sie nicht sehen. Er wusste nicht einmal, welcher Tag es war.

Zak zwang sich, sich aufzusetzen, und sah sich um. Er befand sich in einem schmalen Gang zwischen etwa drei Meter hohen Metallregalen voller Spielzeug. Es schien eine Art Lager zu sein. Er schob sich hoch, kam auf die Füße und blieb mit immer noch auf den Rücken gefesselten Händen stehen. Zak atmete tief durch, während ihn eine Welle der Übelkeit überlief.

Der Gang war etwa vierzig Meter lang. Er taumelte zum einen Ende, wo er eine eiserne Feuertür mit einem Metallriegel vorfand. Das Metall am Boden war rostig. Wenn unter der Tür Feuchtigkeit eingedrungen war, sodass das Metall gerostet war, dann bedeutete das, dass die Tür wohl nach draußen führte. Das Geräusch einer viel befahrenen Straße auf der anderen Seite der Tür bestätigte seine Vermutung.

Zack drehte sich mit dem Rücken zur Tür und versuchte mit den Händen den Riegel zu betätigen. Doch der rührte sich nicht. Die Tür war verschlossen.

Er steckte die Hand in seine Hosentasche. Sein Geld hatte man ihm nicht gestohlen – ein Beweis – falls man einen solchen brauchte –, dass es sich um keine gewöhnliche Entführung handelte.

Zak schlich weiter an der Wand entlang und zählte die Gänge im Lager. Es waren sechzehn, alle voll mit Spielzeug, das er in der Spielewelt gesehen hatte. Puppen. Malbücher. Auch ein Haufen Harry-Potter-Spielsachen. Zak hätte im Moment gut ein wenig Magie gebrauchen können.

Er spürte, wie Panik in ihm aufstieg. Daher blieb er stehen, um tief durchzuatmen. Er stellte fest, dass sein Handy weg war, also konnte er nicht darauf hoffen, einen Notruf absetzen zu können. Wenn er den Kopf verdrehte und über seine Schulter nach hinten schaute, konnte er sehen, dass seine Handgelenke mit Kabelbinder gefesselt waren. Leicht anzuwenden und nicht abzukriegen, ohne das Plastik zu zerschneiden. Und Zak hatte kein Messer.

Er holte tief Luft, um die Übelkeit zu bekämpfen, und lief dann zum Ende des Gangs, in dem er sich befand, wobei er versuchte, möglichst leise zu sein. Schließlich konnte er nicht wissen, ob er allein hier war. Am anderen Ende des Gangs wandte er sich nach rechts und folgte wieder der Wand. Auch hier war eine Tür, identisch mit der anderen.

Er wollte gerade den Riegel betätigen, als er plötzlich auf der anderen Seite Stimmen hörte und erstarrte.

Sie unterhielten sich auf Französisch.

»Tu es sûr qu’il est en sécurité?«

Jetzt zahlten sich Zaks ausgezeichnete Französischkenntnisse aus. Fremdsprachen waren ein wichtiger Teil seiner Ausbildung gewesen.

»Natürlich. Die andere Tür ist verschlossen. Und wenn er versucht, hier herauszukommen, werden wir uns um ihn kümmern. Aber wahrscheinlich wacht er gar nicht auf. Du hast ihn ziemlich hart geschlagen.«

»Ich dachte schon, ich hätte ihn umgebracht.«

»Gut, dass du es nicht getan hast. Er hat uns doch gesagt, wir sollten ihn am Leben lassen.«

»Wer?«

»Was soll das heißen, wer? Señor Martinez natürlich.«

Zak gefror das Blut in den Adern.

»Dieser Kerl ist echt gruselig«, sagte die erste Stimme.

»Stimmt. Von einem der anderen habe ich gehört, dass er irgendwo in Afrika etwas Großes plant. Und wenn er große Pläne hat, dann endet das meist damit, dass es für jemanden sehr schmerzhaft wird. Ich vermute, dass er den Gefangenen selbst umbringen will. Also im Ernst, wir sollten ihn einfach da drinnen liegen lassen, wo ihm nichts passieren kann. Martinez ist sowieso in zwanzig Minuten hier. Er war auf dem Weg zum Flughafen, ist aber umgekehrt, als er hörte, dass wir diesen Jungen hier geschnappt haben. Ich weiß nicht, warum er ihn so hasst, aber er tut es. Wenn wir Glück haben, lässt er uns vielleicht dabei zusehen, wenn er ihn umbringt.« Es folgte ein kurzes, hässliches Lachen.

Zak trat von der Tür zurück.

Er bebte vor Angst.

Er hatte ja gewusst, dass sein Erzfeind Cruz nicht tot war. Und jetzt war er unterwegs. In zwanzig Minuten würde er hier sein. Zak saß in der Falle. Er konnte nicht aus dem Lagerhaus entkommen und auch keinen Notruf absetzen.

Die Panik wurde stärker. Stärker als das Schwindelgefühl und die Übelkeit.

Er hatte noch zwanzig Minuten.

Denk nach, ermahnte er sich.

Denk nach!

Er war wieder auf St. Peter’s Crag und ging mit Raf an einer felsigen Steilküste entlang. Plötzlich blieb Raf stehen und bückte sich. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er einen Wurm zwischen Daumen und Zeigefinger.

»Frühstück?«, fragte er ohne die Spur eines Lächelns auf dem ernsten Gesicht.

»Das ist eklig«, wehrte Zak ab.

»Gar nicht. Im Ernst, Zak. Manchmal muss man das nutzen, was man gerade zur Verfügung hat. Es wird Zeiten geben, in denen du glaubst, es sei aus. Aber wenn du mit dem, was du vorfindest, improvisieren kannst, stehen die Chancen gut, dass es nicht so ist.« Wieder bückte er sich und hob einen schartigen Feuerstein auf und hielt ihn zusammen mit dem Wurm hoch.»Die meisten Menschen würden hierin einen Wurm und einen Stein sehen«, sagte er.»Du musst darin eine Mahlzeit und eine Waffe sehen. Die Menschen haben schon immer mit dem improvisiert, was sie gerade zur Hand hatten. Die meisten von ihnen haben heutzutage vergessen, wie das geht. Aber diesen Luxus kannst du dir nicht erlauben.«

12:22 Uhr

Improvisiere!

Und es musste schnell gehen. Zwei Minuten waren bereits vergangen. Ihm blieben also noch achtzehn Minuten, bis Cruz auftauchen würde.

Zuerst das Wichtigste: Er musste diese Plastikhandschellen loswerden. Mit gefesselten Händen konnte er nicht viel tun. Doch er war nur von Spielzeug umgeben. Sicher hatte nichts davon eine scharfe Klinge. Er hastete durch einen der Gänge zurück und sah sich rechts und links nach etwas um, das ihm helfen konnte.

Kuscheltiere.

Billige bunte Laptops.

Chemiebaukästen.

Wasserfarbkästen. Ein Stapel Nachtlichter für Kinder.

Puzzles.

Er blieb stehen, kehrte um und ging zu den Nachtlichtern zurück.

Improvisiere!

Es gab zwei verschiedene Nachtlichter. Die einen mit einem Halbmond als Schirm und die anderen mit einem hellblauen Stern. Zak trat rückwärts an das Regal heran und nahm einen Halbmond heraus. Blind hinter seinem Rücken tastend schaffte er es nach dreißig Sekunden, den Schirm zu lösen.

Jetzt hatte er nur die nackte Glühbirne an einem kurzen Kabel mit einem Stecker in der Hand.

Aufgeregt stellte Zak fest, dass er seinen Wurm gefunden hatte.

Jetzt brauchte er eine Steckdose. Er lief zum Ende des Gangs und sah suchend an der Wand entlang. Etwa drei Meter neben der verschlossenen Tür war eine. Er lief dorthin und kauerte sich daneben auf den Boden.

Die Glühbirne war klein, etwa so lang wie sein Daumen und doppelt so dick. Vorsichtig drehte er sie hinter seinem Rücken so, dass er den Saum seines T-Shirts darum wickeln konnte, und drückte dann mit der rechten Hand zu.

Mit leisem Splittern brach das Glas. Vorsichtig machte Zak die Hand auf und ließ die Glasscherben herunterfallen, ohne den Glühdraht zu beschädigen, wie er hoffte. Die Lampe mit der Birne ohne Glas stellte er auf den Boden und stöpselte den Stecker ein. Hinter ihm leuchtete es auf und er spürte die Hitze des Glühdrahts.

Vorsichtig manövrierte er sich dichter heran und hielt die Hände so, dass sie möglichst nah an den Glühdraht kamen – doch nicht zu nah, denn ein Stromschlag hätte ihn möglicherweise erneut außer Gefecht gesetzt. Er schätzte, dass er nur noch einige Zentimeter davon entfernt war. Dann wartete er, bis die Hitze ihr Werk tat.

Fleisch brennt schneller als Plastik schmilzt, daher war er auf Schmerzen gefasst. Schon nach fünf Sekunden begann seine Haut zu brennen. Er biss die Zähne zusammen, zog die Handgelenke jedoch nicht von der Hitzequelle fort.

Zehn Sekunden vergingen.

Fünfzehn.

Mit aller Kraft zog er die Handgelenke auseinander. Doch obwohl das warme Plastik ein wenig nachgab, schätzte er, dass er noch weitere zehn Sekunden aushalten musste.

Die Schmerzen wurden unerträglich. Er dachte schon, er könne verbrannte Haut riechen.

Zwanzig Sekunden.

Fünfundzwanzig.

Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Mit schmerzerfülltem Keuchen zog er seine Hände weg. Doch er konnte nicht zulassen, dass sich das Plastik wieder abkühlte. Noch einmal zerrte er an dem Kabel und dieses Mal fühlte er, wie es ein wenig mehr nachgab.

Und noch ein bisschen mehr – wie ein Kaugummi, den man in die Länge zog.

Zwischen seinen Handgelenken tat sich eine Lücke von fünf Zentimetern auf. Er wand seine Hände aus der Fessel und saugte augenblicklich an dem verbrannten Fleisch an seinem rechten Handgelenk.

Ignorier den Schmerz!, ermahnte er sich selbst. Du bist noch nicht draußen…

Exotherm

12:24 Uhr

Vor einem zweistöckigen Haus am Mandela Drive, einer Straße in einer gutbürgerlichen Vorstadt von Johannesburg, fuhr ein weißer Range Rover vor. Es war nicht das Haus, zu dem Raf und Gabs eigentlich wollten – ihr Ziel, die Hausnummer 67, lag etwa fünfzig Meter weiter –, doch den Rest würden sie zu Fuß gehen.

Vorher brauchte Gabs jedoch noch etwas. Sie ging um den Wagen herum und öffnete den Kofferraum, wo sie die Ablage über dem Reserverad und der Werkzeugtasche anhob. Dort nahm sie eine schwarze Brechstange heraus.

»Sei gnädig mit dem Jungen«, sagte Raf. »Du weißt doch, dass er nicht gut auf Erwachsene reagiert. Der ist nicht ganz richtig im Kopf.«

Gabs ignorierte es. Sie spannte die Kiefer an und fragte Raf mit blitzenden Augen: »Fertig?«

»Fertig.«

Haus Nummer 67 lag an einer Straßenecke und besaß zwei Ausgänge. Die Haustür führte auf den Mandela Drive hinaus, die Hintertür zur Cape Road. Als sie die Kreuzung erreichten, trennten sich Gabs und Raf. Raf trat auf die Haustür zu, während Gabs in die Nebenstraße einbog.

Dort in der Holztür befand sich ein Türspion und Gabs fragte sich, ob sie sich lieber neben dem Eingang verstecken sollte. Doch sie ging davon aus, dass der Bewohner – wenn er jemanden an der Vordertür sah, den er nicht kannte – das Haus eiligst durch die Hintertür verlassen wollen würde. Er würde gar nicht erst nachsehen, ob dort auch jemand war.

Gabs packte die Brechstange fester und lauschte angestrengt. Ein paar Sekunden später hörte sie die Türklingel.

Drinnen erklangen Schritte in Richtung Vordertür.

Und dann schnellere Schritte zurück ins Haus.

Und zum Nebeneingang.

Sie hörte, wie sich jemand am Riegel zu schaffen machte – und hob leicht die Brechstange.

Die Tür ging auf.

Eine Gestalt erschien.

Es war ein magerer Junge. Regelrecht dürr sogar. Seine braunen Haare waren verstrubbelt und sahen aus, als könnten sie mal wieder gewaschen werden. Er trug eine eckige Brille mit dickem Rand, die seine Augen größer erscheinen ließ.

Und er sah erschrocken aus.

»Hi Malcolm. Ich bin Gabs.«

Malcolm starrte sie entsetzt an. Als sein Blick auf die Brechstange fiel, trat er schnell zurück, um die Tür zuzuknallen. Doch Gabs war schneller und steckte die Brechstange zwischen Tür und Rahmen, damit sie nicht zuging. Dann drückte sie die Tür auf.

Gabs war wesentlich kräftiger, als sie aussah. Die aufschwingende Tür stieß Malcolm zu Boden, seine Brille rutschte ihm von der Nase und er sah sie an wie ein verschrecktes Kaninchen.

»Bitte töten Sie mich nicht!«, flehte er.

Gabs ignorierte ihn und sah sich zuerst um. Die Hintertür führte direkt in die Wohnküche. Sie war perfekt aufgeräumt. Auf dem Tresen standen Müslipackungen aufgereiht – sieben in einer exakten Reihe. Daneben lagen sieben Äpfel und sieben Bananen, fein säuberlich sortiert.

Auf dem Küchentisch lag ein Stapel ungeöffneter iMac-Kartons. Es waren etwa zwanzig Stück. An einem Ende des Tischs war ein Computerterminal aufgebaut, dessen langes Stromkabel zur nächsten Wand führte. Der Bildschirm war voll mit Zeichen, die Gabs nicht entziffern konnte.

Sie spürte, wie Raf hinter ihr ins Haus kam, während sie wieder Malcolm ansah.

»Schön hast du es hier, Malcolm«, sagte sie knapp. »Ich frage mich, in wie viele Konten du dich eingehackt hast, um das Haus zu bezahlen.«

Malcolm schüttelte abwehrend den Kopf. »Ich heiße nicht Malcolm«, stammelte er.

»Entspann dich, Kleiner«, meinte Gabs. »Wenn wir dich ausliefern wollten, hätten wir das schon vor Ewigkeiten getan. Und wenn ich dich hätte töten wollen, wärst du schon längst tot. Wenn du es genau wissen willst, hat unsere Organisation dir die ganze Zeit geholfen, dich zu verstecken. Aber jetzt brauchen wir deine Hilfe.«

Malcolm blinzelte sie an.

»Es geht um Zak. Er wird vermisst. Du sollst ihn finden. Steh auf!« Sie bückte sich, packte Malcolm am Arm und zog ihn hoch.

»Zak?«, fragte Malcolm. »Ich weiß nicht, von wem Sie reden.«

Er war ein sehr schlechter Lügner.

»Wie hast du dich in die Überwachungskameras am Flughafen eingehackt?«, fragte Gabs. »Versuch nicht, es zu leugnen. Ich habe das Bild gesehen, das du Zak vor ein paar Stunden geschickt hast. Wie hast du das gemacht?«