Agile Führung altbewährt - Roland Scherer - E-Book

Agile Führung altbewährt E-Book

Roland Scherer

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Beschreibung

"Haben wir den Mut, auf bewährte Strategien zurückzugreifen, auch wenn jeder neuen Trends nachläuft." Agilität, Holacracy, Digitalisierung - Methoden, die scheinbar eine neue Führung erfordern. Roland Scherer bringt alte - leider verdrängte - Führungsgrundsätze in Erinnerung, die sich bei Licht betrachtet als erstaunlich modern erweisen. Der Ruf nach einer agilen Führung ist nichts anderes als die Erinnerung an alte, fast preußische Tugenden, die festgefahrene Organisationen, Firmen und deren Mitarbeiter neu beleben. Gute Führung bleibt aktuell, egal wie sie genannt wird. Denn was ist neu daran ... ... die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt zu stellen? ... den Mitarbeitern Raum zu geben, damit sie kreativ und motiviert für das Unternehmen arbeiten können? ... Führung als dienende Funktion zu sehen? Nichts!

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Seitenzahl: 304

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Vorwort

Gedanken zu Beginn

Ist Coaching ein Karriere-Turbo?

Warum ich keine Kochbücher liefere

Seminar, Workshop, Mediation, Coaching, Supervision, Psychotherapie

Systemischer Coach oder Berater - wann brauche ich wen?

Ich lasse mich coachen. Bin ich ein Versager?

Einführung ins systemische Denken

Was sind systemische Grundsätze?

Warum sind Systeme so stur?

System(at)ischer Zusammenbruch

Systemisches Teamcoaching

Die Resilienz einer Organisation

Ideenfindung durch lösungsfokussiertes Denken

Systemische Aufstellung - Wundermittel oder Hokuspokus?

Der Schwarze Schwan killt den Truthahn

Willkommen im Hamsterrad

Angst im Beruf

Müssen wir stets unsere Leistungsgrenzen erreichen?

Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen

Verantwortung tragen

Immer im Dienst

Eilig, dringlich, flüchtig …

Gestresst? – Selbst schuld!

Den wilden Keiler reiten

Burnout als Zeichen von Kompetenz und Einsatz

Inkompetenz schenkt Selbstvertrauen

Resilienz – Kompetenz der Zukunft?

Die sogenannten High-Performer

Führung kann nicht jeder

Führung, Leitung, Management

Die passende Führung

Das Ansehen einer ganzen Branche zerstört

Warum sind Chefs weniger gestresst?

„Komm raus aus Deiner Komfortzone!“

Fragen stellen - aber richtig!

Pünktlichkeit in Meetings

Hierarchische Führung

Führungsstil als Genderfrage

Zuckerbrot und Peitsche sind nicht genug

Lob schadet, Tadel nützt?

Das vergiftete Sandwich

Von Reynolds lernen

Der Fisch fängt am Kopf zu stinken an

Ein Chef ist kein Coach

Bin ich verantwortlich für das Glück meiner Mitarbeiter?

Der Leiter als Mediator

Ist Empathie in der Führung schädlich?

Die Suche nach dem Mitarbeiter-Potenzial

Konflikte entschärfen - aber wie?

Frauen im Team

Projekte sind etwas Besonderes

Projekt, Prozess und Aufgabe

Komplexität im Projekt

Best Practice für Projekte?

Effizienz-Fanatismus bei Projekten

Lost in Collaboration

Interkulturell zusammenarbeiten

Neue Strategien und ihre Einführung

Strategieentwicklung - warum?

Strategieentwicklung – wie geht das?

Methoden der Strategiefindung

Strategieentwicklung im Projekt

Change-Projekte: Viel Feind – kein Ehr?

Die Besonderheiten bei Change-Projekten

Der Change als topographischer Prozess

Projektleitung ist Führung

Sind Informationen Hol- oder Bringschuld?

Geistige Nebelwerfer verhindern effektive Kommunikation

Eigenlob stimmt – auch im Projektmarketing

Fehler im Projekt

Angst vor Versagen und Fehlern

Der HiPPO-Effekt

Frühwarnsystem im Projekt: Viele Nasen riechen den Braten!

Was ist bei der Titanic falsch gelaufen?

Ab in die Urne?

Nur Aspirin reicht nicht

Die eigene Meinung und der Konformitätszwang

Authentizität und unsere dunkle Seite

Vernebeln Gefühle den Geist?

Wie komme ich authentisch rüber?

Und wer begleitet Sie in die Arbeit?

Muss immer alles klar sein?

Rückschaufehler

Sei erfolgreich!

Stichwortverzeichnis

Danksagung

Zur Schreibweise in diesem Buch:

Ich schreibe in diesem Buch in der männlichen Form, z. B. „Leiter“ oder „Mitarbeiter“, ich meine damit natürlich auch die weiblichen Kolleginnen. Leider ist eine Form, die männlich und weiblich ist, im Deutschen sehr umständlich und/oder mit dem hässlichen Binnen-I belegt.

Vorwort

Ich schreibe Blogbeiträge. Alle 14 Tage wähle ich mir ein Thema aus dem Dunstkreis "Projekte, Führung, Coaching und Beruf" aus. Daraus entwickele ich einen Blogbeitrag, der für mich und, wie ich hoffe, auch für Andere ein aktuelles und relevantes Thema behandelt.

Wer meine Internetseite kennt, dem werden die Themen dieses Buchs bekannt vorkommen. Denn im Wesentlichen besteht es aus den Blogbeiträgen. Warum mache ich daraus zusätzlich dieses Sachbuch?

Die Beiträge habe ich im Buch überarbeitet, außerdem in Kapitel strukturiert und in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht. Die Reihenfolge der Blogbeiträge ist dagegen mehr oder weniger zufällig, so wie die Themen gerade anstanden. Ich denke, dass sie in einer logischen und thematischen Reihenfolge leichter zu lesen sind und mehr Klarheit geben. Sie können das Buch dennoch in jeder von Ihnen gewünschten Reihenfolge lesen, die Beiträge bleiben verständlich. Schmökern ist erlaubt, und wenn Sie ein Kapitel oder ein Beitrag nicht interessiert, überspringen Sie ihn einfach. Die folgenden Beiträge bleiben trotzdem verständlich.

Ich finde ein Buch einfacher zu lesen. Es ist handlicher, es lebt, es bekommt Eselsohren, Unterstreichungen und Randbemerkungen. Schließlich können Sie ein Buch auch verschenken. Einen Blogbeitrag zu teilen ist nicht das gleiche.

Auch wenn das moderne Wort "agil" im Titel meines Buches steht, wer-den Ihnen die Themen dieser Essay-Sammlung bekannt vorkommen.

Denn was ist neu daran…

... die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt zu stellen?

... den Mitarbeitern Raum zu geben, damit sie kreativ für das Unternehmen arbeiten können?

... Führung als dienende Funktion zu sehen?

Nichts! Nur wurden diese Gedanken in den letzten Jahren vergessen, weil viele dachten, eine Firma sei für die Befriedigung eigener narzisstischer Bedürfnisse da.

Der Ruf nach einer agilen Führung ist nichts anderes als die Erinnerung an alte, fast preußische Tugenden, die festgefahrene Organisationen, Firmen und deren Mitarbeiter neu beleben.

Haben wir also den Mut, auf altbewährte Strategien zurückzugreifen, auch wenn Jeder neuen Trends nachläuft.

Gedanken zu Beginn

Als Coaching wird heute fast alles bezeichnet. Es wird sogar gefordert, dass der Leiter einer Gruppe oder Abteilung deren Coach sein müsse. Das ist Unsinn. Ein Klient, der zu einem Coach geht, gibt diesem das Thema, die Geschwindigkeit des Fortschreitens und zum Teil auch die Methoden vor. Und wenn ihm der Coach nicht passt, sucht er sich einen neuen. Beim Chef ist das Thema festgeschrieben: es geht darum, die Aufgaben der Gruppe oder der Abteilung möglichst gut zu stemmen. Auch der Takt wird vom Chef vorgeschrieben, und wenn Ihnen der Chef nicht passt, sucht der sich einen neuen Mitarbeiter. Also, alles grundsätzlich ganz anders, die Intention, das Vorgehen und die Methoden der Führung.

Das erste Kapitel dreht sich deshalb um Gedanken zum Coaching - was es ist, was man dabei macht. Und ich zeige Ihnen, was zwischen Coach und Coachee, also zwischen Ihnen und mir ablaufen kann. Ich zeige das nur exemplarisch auf. Schließlich hat jeder Coach seine eigenen Methoden und jedes Coaching läuft anders ab.

Im letzten Beitrag dieses Kapitels werden die Ängste vor einem Coaching behandelt. Coaching hat schließlich etwas mit Psychologie zu tun, und wer zu einem Psychologen geht, ist in der Vorstellung vieler nicht ganz recht im Kopf. Mein Wunsch ist, dass Sie dieses ungute Gefühl verlassen hat, wenn Sie das erste Kapitel gelesen haben.

Ist Coaching ein Karriere-Turbo?

Wenn ich wieder einmal eine Spam bekomme mit dem Titel: "Verdoppeln Sie Ihr Geld in 4 Wochen!", dann frage ich mich, warum die Spammer ihre tollen Tricks nicht selber anwenden. Da könnten sie aus 1.000 Euro innerhalb eines Jahres über 4 Millionen machen und sich dann zur Ruhe setzen. Ich würde es, wenn mir der Trick bekannt wäre, genauso machen. So habe ich das Gefühl, dass die Spammer den Trick auch nicht kennen, sondern nur mein Geld wollen.

Ähnlich geht es mir, wenn ich lese: "Wir coachen Sie zum nächsten Karrieresprung!" Auch da frage ich mich, warum die Coachs, wenn sie den Königsweg nach oben kennen, nicht selbst Karriere gemacht und ihr eigenes Karrierecoaching betrieben haben und längst Vorstandsvorsitzende sind. Muss also ein Karrierecoach durch die eigene Karriere bewiesen haben, dass er weiß, wie man aufsteigt? Ich meine, dass das nicht so ist, und werde das weiter unten begründen.

Anders ist das bei einem Seminar (siehe: "Coach oder Berater - wann brauche ich wen"). Da weiß der Seminarleiter wie es geht und gibt sein Wissen an die Teilnehmer weiter. Und er sollte das, was er lehrt, auch bereits erfolgreich in der Praxis angewendet haben, um zu wissen, welche Fallstricke da lauern.

Der Coachee muss seinen eigenen Weg finden

Im Personal Coaching hingegen - und Karriere-Coaching ist eine Form davon - nützt es dem Coachee kaum etwas, wenn er weiß, wie andere, also auch sein Coach, Karriere gemacht haben. Denn die passende Methode ist zu sehr von der Persönlichkeit des Einzelnen abhängig, als dass da Ratschläge hilfreich wären. Trotzdem ist Coaching der Karriere förderlich. Was macht also der Coach mit seinem Coachee, wenn er ihm wirklich hilft?

Im Wesentlichen fragt er. Er bringt ans Licht, was die eigentlichen Wünsche des Coachees sind, welche Ressourcen er hat, welche Fähigkeiten und welche inneren Widerstände. Dabei braucht er weder die Probleme noch die Antworten seines Coachees wirklich zu verstehen. Er muss nur den Prozess der Lösungsfindung - auch im Karrierecoaching - beherrschen. Klar, wenn er merkt, dass dem Coachee eine Fähigkeit fehlt, kann er in den Seminar-Modus umschalten, dann geht es um Wissensvermittlung, und dann stimmt das weiter oben zum Seminar Gesagte. Doch ein guter Coach wird seinem Klienten nicht sagen, wie etwas geht, sondern er wird ihn fragen, wie er sich etwas vorstellt, wie er sich die Zukunft denkt - nicht allgemein, sondern ganz konkret. Glauben Sie mir, diese Art der Fragestellung ist nicht einfach, der Coach muss sie gelernt und ausführlich geübt haben. Ratschläge geben ist viel einfacher, deshalb sind sie im Alltag auch so wohlfeil.

Eine erfolgreiche Führungskraft - der beste Coach?

Auch wenn es einleuchtend scheint, eine erfolgreiche Führungskraft ist nicht unbedingt der beste Coach. Denn diese hat ihre Methoden erfolgreich angewendet, aber das waren eben ihre! Für den Coachee können diese Methoden völlig wirkungslos, ja sogar ausgesprochen schädlich für seine Karriere sein. Möglicherweise ist er mit diesen - ihm fremden - Methoden nicht mehr glaubwürdig, er muss sich verbiegen, um sie anzuwenden.

Coach und Coachee auf Augenhöhe

Auch eine weitere, wesentliche Voraussetzung ist nicht mehr erfüllt, wenn im Coaching Ratschläge gegeben werden: Coach und Coachee sind mehr gleichberechtigt. Es kommt leicht dazu, dass sich der Coachee nur noch berieseln lässt und der Coach zum Guru wird. Wesentlich für ein gutes Karrierecoaching ist, dass der Coach den Coachee dabei fördert, selbst an sich zu arbeiten und auch seine versteckten und dunklen Seiten zu erkennen. Denn der Coachee selbst ist der Experte für seine Probleme und auch für deren Lösungen.

Der Coach kennt nur die Fragen und hat einen großen Methodenkoffer, um diese in der richtigen Form zu stellen. Aber er kennt nicht die Antworten. Und deshalb hat er vielleicht auch nie Karriere gemacht. Oder doch, aber eine ganz andere, die seiner Vorstellung von Karriere entspricht.

Warum ich keine Kochbücher liefere

Kochbücher sind praktisch: Man nehme, was drin steht, und bereite es wie beschrieben zu. Fertig ist ein vorzügliches Essen. Was braucht es da einen 3-Sterne-Koch?

Die Erfahrung zeigt, dass es doch einen Unterschied macht, ob ein Neuling etwas aus dem Kochbuch kocht oder ein 3-Sterne-Koch, auch wenn sich beide exakt an die Vorgaben halten. Wo ist also der Unterschied?

Der Profi brät z. B. ein Stück Fleisch nicht nach der Uhr, sondern weiß aus Erfahrung, wann es gar ist, er hat das im Gefühl. Und er kennt die Hintergründe der Vorgaben aus dem Kochbuch. Er nimmt sie nicht als gottgegeben hin, er weiß, warum der Autor sie so und nicht anders aufgeschrieben hat. Je komplizierter die Zubereitung ist, umso mehr macht sich der Unterschied bemerkbar – ein Rührei kann (fast) jeder. Trotzdem können Kochbücher auch für Profis hilfreich sein, sie liefern Anregungen.

Best Practise

Warum gebe ich Ihnen dann keine Checkliste, Best Practice-Anweisungen oder ähnliches zu den verschiedenen Themen an die Hand, um Sie so bei Ihrem Projekt anzuleiten? Andere Coachs machen das ja schließlich auch!

Wenn Sie sich die Checklisten oder Best Practice-Anweisungen genauer anschauen, werden Sie feststellen, dass es sich bei ihnen um das Management von Projekten dreht. Die Entwicklung sozialer Kompetenzen, die zum Führen eines Projektes gehört, ist ungleich schwieriger. Aber genau das ist mein Schwerpunkt. Das Managen eines Projektes ist sicher nicht einfach, aber es verhält sich zur Führung wie ein Rührei zu einem Soufflé: beim zweiten kann ungleich mehr schief gehen. Da nützt kein Kochbuch.

Sie müssen also lernen, warum das Soufflé mal wieder zusammengefallen ist. Das lernen Sie nicht aus dem Kochbuch und mit Checklisten, sondern indem Sie sich Rat bei einem erfahrenen Koch holen, indem Sie zuschauen. Und natürlich: Indem Sie selbst kochen und sich über die Schulter schauen lassen. Indem Sie Fehler machen und dabei lernen. Dadurch werden Sie immer besser, die Erfahrung führt dazu, sich auch an Unbekanntes zu wagen, weil man auf Bekanntes zurückgreifen kann. So habe ich letztens zum ersten Mal eine Sauce Hollandaise gemacht. Ich war nicht wenig stolz, als sie auf Anhieb geklappt hat. Ohne Anleitung! Aber ich hatte vorher schon öfter Mayonnaise gerührt, und habe deshalb ein Gefühl dafür, wie Eigelb und Öl eine Emulsion bilden, und da ist es zu Eigelb und flüssiger Butter nicht weit.

Meine Ziele

In meinen Beiträgen möchte ich Ihnen also keine Anweisungen geben, ich möchte Ihnen die Hintergründe schildern. Ich werde Ihnen auch nicht die Verantwortung über Ihr Projekt abnehmen, selbst wenn ich das wollt, könnte ich das nicht. Ich möchte Sie darin bestärken, Eigenverantwortung zu übernehmen. Ich möchte Sie ermutigen, zu führen, nicht zu managen, zu gestalten, nicht zu verwalten – auch auf die Gefahr hin, dass Fehler gemacht werden. Denn Fehler machen klug.

Seminar, Workshop, Mediation, Coaching, Supervision, Psychotherapie

Es ist schwierig, all diese Begriffe sauber zu trennen. Vieles geht durcheinander und sie werden oft nicht richtig benutzt. Deshalb versuche ich hier eine Definition, wohl wissend, dass es zwischen den Formen der Unterstützung fließende Übergänge gibt. So können in einem Workshop plötzlich Probleme auftauchen, die nur durch ein Coaching zu lösen sind. Ein Beispiel hierzu ist ein Coaching zu Führungskompetenzen, bei dem bei der Bearbeitung von Konflikten zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern bei dem einen oder anderen Teilnehmer unbeabsichtigt Schwierigkeiten im eigenen Vater-Sohn-Verhältnis offengelegt werden.

Es können auch beim Coaching einer Gruppe Konflikte sichtbar werden, die zuerst moderiert werden müssen, um eine fruchtbare Zusammenarbeit zu ermöglichen. Oder es stellt sich im Rahmen eines Life-Coachings heraus, dass therapeutische Maßnahmen notwendig sind.

Versuch einer Einordnung

Seminar

(auch: Unterricht, Schulung, Qualifikations-Maßnahme, Ausbildung)

Leiter: Lehrer, Ausbilder, Seminarleiter, Schulungsleiter, TeacherQualifikation des Leiters: fachliches Wissen, didaktische FähigkeitenZiel der Maßnahme: WissensvermittlungForm der Maßnahme: Frontalunterricht, LehrgesprächBemerkung: Reine Seminare werden heute meist nur noch bei großem Teilnehmerkreis durchgeführt

Workshop

(auch: Ausbildung)

Leiter: Lehrer, Ausbilder, Workshop-LeiterQualifikation des Leiters: fachliches Wissen, didaktische FähigkeitenZiel der Maßnahme: Vermittlung von Wissen und FähigkeitenForm der Maßnahme: angeleitete Arbeit der Teilnehmer mit LehrgesprächBemerkung: Durch Erarbeiten der Inhalte ist Lernerfolg, aber auch Zeitbedarf höher

Mediation

(auch: Konfliktlösung, Konfliktmanagement)

Leiter: Mediator, Konfliktmanager, VorgesetzterQualifikation des Leiters: prozedurales Wissen und Fähigkeiten zu psychologischen InterventionenZiel der Maßnahme: Beilegung eines Konflikts, Klärung von Meinungsverschiedenheiten, gemeinsame Suche nach LösungenForm der Maßnahme: Gespräch und angeleitete Arbeit der TeilnehmerBemerkung: Mediation ähnelt dem Coaching, es nehmen aber immer alle Konfliktpartner teil

Coaching

(auch: Begleitung)

Leiter: Coach, Begleiter, ConsultantQualifikation des Leiters: prozedurales Wissen und Fähigkeiten zu psychologischen InterventionenZiel der Maßnahme: Persönlichkeitsbildung, Lebenshilfe, Hilfe bei beruflichen Problemen, Zielfindung, Hilfe in schwierigen LebenssituationenForm der Maßnahme: Unterschiedliche, der Coach begleitet den Prozess, die inhaltlichen Lösungen kommen von den TeilnehmernBemerkung: heute wird vieles Coaching genannt, was eigentlich ein Workshop oder ein Seminar ist

Supervision

(auch: fachliche Beratung)

Leiter: Supervisor, oft aus dem Teilnehmerkreis temporär ernannt.Qualifikation des Leiters: hohes fachliches und prozedurales KönnenZiel der Maßnahme: Berufliches Handeln wird überprüft und verbessert. „Train the Trainer“Form der Maßnahme: Unterschiedlich, oft wie Workshop. Fälle aus der Praxis werden behandelt und nachgestellt.Bemerkung: Meist von medizinischen, sozialen, pädagogischen und therapeutischen Fachkräften genutzt

Psychotherapie

(auch: psychologische Behandlung)

Leiter: Therapeut oder FacharztQualifikation des Leiters: therapeutische Fähigkeiten, Wissen über therapeutische Interventionen, Approbation zum TherapeutenZiel der Maßnahme: Heilung oder Linderung einer psychischen oder psychosomatischen ErkrankungForm der Maßnahme: sehr unterschiedliche, abhängig von der vom Therapeuten gewählten InterventionsartBemerkung: zwingend notwendig bei ernsthaften psychischen Störungen oder Erkrankungen

Coaching oder Therapie

Schwierig ist vor allem die Abgrenzung zwischen Coaching und Therapie, da hier auch juristische Probleme tangiert sein können. Ein sicheres Merkmal ist, dass der Klient eines Coachs eigenständig Lösungen für seine Probleme finden kann, der Patient eines Therapeuten ist dazu aufgrund seiner schweren Störung oder Erkrankung mindestens temporär nicht in der Lage. Deshalb muss der Therapeut die Verantwortung für seinen Patienten übernehmen, während der Coach die Verantwortung für das Handeln ganz beim Klienten lassen sollte. Das bedeutet auch, dass der Coach keineswegs ein Guru sein darf, der den Klient in Abhängigkeit hält.

Der Coach muss trotzdem ein gewisses Maß an Verantwortung übernehmen. Stellt er nämlich fest, dass der Klient nicht (mehr) eigenständig handeln kann, muss er das Coaching einstellen und die Behandlung dem Therapeuten überlassen. Es gibt Graubereiche, denn es ist schwer zu entscheiden, wann ein Problem zur Störung oder Erkrankung wird. Der Coach muss sauber unterscheiden, was nicht mehr in seinen Tätigkeitsbereich fällt, Eine Hilfe ist dabei die „Internationale Klassifizierung psychischer Störungen (ICD-10)“.

Systemischer Coach oder Berater - wann brauche ich wen?

Ein Coach, der Systeme coacht, ist noch lange kein systemischer Coach. Denn nicht der Inhalt oder das Ziel, sondern der Prozess der Begleitung muss systemisch sein, das macht den systemischen Coach aus.

Der Coach begleitet den Prozess, der den Klienten zu neuen Erkenntnissen über sich selbst und sein Verhältnis zur Umwelt führt. Diese Begleitung lässt sich am besten systemisch angehen. Dagegen ist der systemische Ansatz kontraproduktiv für den Berater oder Lehrer (Tutor, Instruktor, Consulter, …), also für den Wissensvermittler. Die Frage, wessen Expertise ich wann brauche, soll in diesem Artikel betrachtet werden.

Die unterschiedlichen Ansätze

Der Berater hat zu seinem Klient ein hierarchisches Verhältnis, wie das zwischen Lehrer und Schüler. Er weiß mehr als sein Klient. Ein Berater wird deshalb zum Berater, weil er überzeugt ist: „Ich weiß mehr als Du!“ Nur so hat er die Motivation jemandem etwas beibringen zu wollen, die Überzeugung ist für die Wissensvermittlung notwendig. Der Coach geht dagegen davon aus, dass er nichts von den Problemen versteht, die sein Klient hat, und noch weniger von den Lösungen. Für ihn ist der Klient der Experte für Problem und Lösung, er selbst ist „nur“ der Experte für den Prozess der Problemdefinition und der Lösungsfindung. Er weiß, wie er den Klienten dazu bringt, sich seines Wissens bewusst zu werden und es auszusprechen. Dabei versucht der Coach die Erkenntnisse des Klienten nicht zu verstehen, denn das würde eine eigene Interpretation in den Erkenntnisprozess bringen, die für dessen Fortschritt hinderlich wäre. Wenn er glaubt, die Gedanken des Klienten verstanden zu haben, fragt er nicht weiter. Coach und Klient reden dann von unterschiedlichen Dingen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wesentliche Dinge werden vom Klienten nicht ausgesprochen.

Der Klient als „Black Box“

Der Klient ist für den Coach eine „Black Box“, die er nicht verstehen muss. Die Überzeugung, den Klienten zu verstehen, führt nämlich dazu, dass der Coach glaubt, Auswirkungen von Interventionen vorhersagen zu können. Das ist im Coachingprozess falsch, denn es können in den Augen des Coachs kleine Interventionen zu großen Veränderungen führen, während große, aufwändige Interventionen manchmal wirkungslos verpuffen. Der Berater hingegen braucht für seine Wissensvermittlung eine gewisse Kenntnis der Reaktion des Klienten auf Inhalt und Form des vorgetragenen Stoffs. Er benötigt daher vor allem pädagogische Kenntnisse. Es ist für den Berater und den Beratungsprozess notwendig, dass er davon überzeugt ist, den Klienten besser versteht als dieser sich selbst.

Dem Coach hingegen ist klar, mit dem Klienten ein System zu bilden, dass sie sich also gegenseitig beeinflussen. Nach seiner Überzeugung tritt ein ähnliches Phänomen auf, wie es Heisenberg in der Physik gefunden hat: Der Beobachter beeinflusst als Teil des Gesamtsystems das beobachtete Objekt. Der Coach begrüßt diese Tatsache, denn so ist schon eine Änderung des eigenen Verhaltens eine wirksame Intervention. Der Berater hingegen muss für die Wirksamkeit seiner Wissensvermittlung die Distanz zum Klienten wahren.

Schließlich hat der Coach Vertrauen zum Klienten. Er ist davon überzeugt, dass dieser bei entsprechender Begleitung selbst zur Lösung seines Problems findet. Der Berater hingegen hegt gegenüber den Fähigkeiten seines Klienten Zweifel, er ist davon überzeugt, dass seine Wissensvermittlung zu dessen Erkenntnisgewinn notwendig ist.

Insgesamt gesehen wird der systemische Coach also das, was die Expertise des Beraters ausmacht, als Hybris ablehnen und das Gegenteil davon als eigene Expertise pflegen. Zusammengefasst sieht das so aus:

Aussage des Beraters/ Lehrers

Expertise des Beraters/Coachs

Aussage des systemischen Coachs

„Ich weiß es besser als Du.“

Wissen / Nichtwissen

„Ich weiß nichts über Dein Problem und dessen Lösung.“

„Ich verstehe Dich besser als Du Dich selbst.“

Verstehen / Nichtverstehen

„Du selbst bist der Experte für Dein Problem.“

„Ich habe mit Dir und Deinem Problem nichts zu tun.“

Distanz / Eingebundensein

„Ich spiele eine Rolle im Systemkontext.“

„Ohne meine Hilfe schaffst Du es nicht.“

Zweifel / Vertrauen

„Ich vertraue Deinen Fähigkeiten.“

Was ist also besser, Beratung oder Coaching?

Beides ist gleich wichtig und im richtigen Kontext das jeweils einzig richtige Vorgehen. Dazu zwei Beispiele:

Projektmanagement

Das scheint ein klarer Fall für die Wissensvermittlung zu sein, hier also ist der Berater oder Lehrer gefragt. Die prozedurale Herangehensweise an ein Projekt muss gelernt werden, die vorgeschriebenen Tools und deren Benutzung sind kennenzulernen und zu üben.

Nun kommt es aber vor, dass die Wissensvermittlung nichts zu nützen scheint, der Projektleiter versagt bei seinen Managementaufgaben, weil er z. B. an der „Aufschieberitis“ leidet. Dann ist es sinnvoll in einem Coachingprozess dieses Verhalten zu ändern, erst dann kann sich der Erfolg einstellen. Beratung nützt in diesem Fall wenig.

Gruppenbildungsprozess

Muss sich ein neu gebildetes Team zusammenraufen, scheint die Begleitung dieses Prozesses eindeutig eine Aufgabe für den Coach zu sein. Denn ein gutes Verhältnis zu einem anderen Menschen ist nichts, was man lernen kann wie ein Vorgehen in einem Prozess.

Fehlen aber in der Gruppe Grundkenntnisse zur Konfliktbewältigung oder zur Kommunikation, muss der Berater her, der das entsprechende Wissen vermittelt.

Berater und Coach können in den oben genannten Fällen auch personalidentisch sein, sie müssen nur wissen und deutlich unterscheiden, welche Rolle sie im Augenblick haben.

Welche Expertise bevorzuge ich?

Ich sehe mich bei der Begleitung eines Klienten als systemischer Coach, bin mir aber bewusst, dass ich kontextabhängig durchaus auch die Aufgabe habe, als Berater aufzutreten. Dabei bin ich mir immer im Klaren, welchen „Hut“ ich im jeweiligen Fall aufhabe. Denn die jeweils notwendige Grundhaltung führt zu sehr unterschiedlichen Interventionen, die kontraproduktiv sein können, wenn sie im falschen Kontext angewendet werden. Ich erkenne während des Prozesses der Begleitung, wann Hilfe zur Selbsthilfe und wann Wissensvermittlung angebracht ist. Denn meist ist Komplementärberatung notwendig, für die mir beide Expertisen zur Verfügung stehen.

Ich lasse mich coachen. Bin ich ein Versager?

Ein noch recht junger Bekannter von mir hat eine schwere, psychosomatisch bedingte Erkrankung. Schuld ist eindeutig ein Glaubenssatz, den er von seinen Eltern für sein Leben mitbekommen und verinnerlicht hat. Aber weil er ein „Ganzer Mann“ ist, lässt er sich nicht helfen: "Das schaffe ich schon alleine," sagt er, und: "Wenn mein Vater rauskriegt, dass ich zu einem Psychofritzen gehe, verliert er jede Achtung vor mir!" Ich befürchte, er stirbt auch als „Ganzer Mann“ - möglicherweise in naher Zukunft, denn seine Krankheit ist nicht ungefährlich.

Ich kenne diese Auffassung, ich war schließlich nicht schon immer Coach. Als Maschinenbauingenieur habe ich auch nichts von den "Kopfschrumpfern" gehalten. Ich musste einige nicht ganz einfache Erfahrungen machen, bis mir klar wurde, dass nicht derjenige ein Versager ist, der sich Hilfe holt, sondern derjenige, der vor lauter Scham und Befangenheit und falsch verstandener Männlichkeit alles mit sich selbst auszumachen versucht. Meist klappt das nämlich nicht.

Hilfe annehmen im Beruf

Überlegen Sie, wie das im Beruf ist: Nehmen wir einmal an, bei der Arbeit stößt einer Ihrer Mitarbeiter auf ein Problem, das er nicht kennt. Er weiß aber, dass ein Kollege sich schon einmal damit auseinandergesetzt hat. Welchen Mitarbeiter schätzen Sie nun mehr: denjenigen, der sich beim Kollegen Hilfe holt, oder denjenigen, der versucht, sich alleine durchzuwursteln und dabei die Fehler macht, die andere vor ihm auch schon einmal gemacht haben, und der deshalb die doppelte Zeit braucht oder zu keinem guten Ergebnis kommt?

Und jetzt geht es um Probleme aus dem psychischen Bereich. Wahrscheinlich haben Sie davon weniger Ahnung - Ihr Arbeitsgebiet ist ja ein ganz anderes. Was noch dazu kommt, Sie haben bestimmt schon einmal gehört, dass kein Arzt sich selbst oder seine eigene Familie behandelt, sofern das gesundheitliche Problem über einen Schnupfen hinausgeht. Das ist bei Coachs und Therapeuten genauso. Sie suchen sogar noch schneller Hilfe bei einem Kollegen, weil sie wissen, dass wir alle einen blinden Fleck haben, bestimmte eigene Probleme oder die naher Angehöriger also nicht sehen können.

... und was macht ein „Ganzer Mann“?

Aber ein „Ganzer Mann“ braucht natürlich niemanden! Er käme sich als Versager vor, wenn er sich Hilfe holen würde. Er ist schließlich kein Weib, die können sich bei den Psychos ausheulen, dazu hat er keine Zeit. Und so wurschtelt er still vor sich hin, verscherzt es sich mit seinen Kollegen, verliert seine Frau, seine Kinder werden ihm fremd. Oft ist sein einziges Heilmittel exzessive Arbeit und Alkohol oder andere Rauschmittel. Und er weiß nicht, was er falsch macht. Oder er weiß es und kann es nicht lassen und weiß nicht warum.

Hilfe suchen ist ein Zeichen von Stärke

Wer sich beraten oder coachen lässt, oder, wenn er krank ist, zum Therapeuten geht, der ist weder ein Versager noch schwach. Er hat einen klaren Blick auf sich selbst, er hat den Mut zu sagen: "Hier komme ich nicht weiter!" Und dann handelt er entschlossen und sucht sich Hilfe. Ich weiß, wie schwer das ist, und deshalb habe ich vor einem solchen Menschen Respekt. Und ich nehme seine Probleme ernst, auch wenn ich im ersten Augenblick denke, sie seien einfach und leicht zu beheben. Denn ich weiß aus Erfahrung, für diesen Menschen sind sie nicht einfach. Und ich weiß, dass nur der Coachee der Experte für sein Problem ist. Ich weiß nichts darüber.

Trotzdem kann ich helfen, indem ich die richtigen Fragen stelle, denn das ist meine Aufgabe. Anders als die gängige Vorstellung glauben lässt, macht ein Coach kein Problem weg, sondern er begleitet den Coachee bei seiner Lösung des Problems. Nach dem Coaching kann der Coachee stolz auf sich sein: er hat sein Problem angegangen und erfolgreich bearbeitet. Seine Umgebung wird sich nicht geändert haben, Kollegen, Chefs, und Mitarbeiter werden die gleichen geblieben sein, mit all ihren Macken. Aber sein Blick darauf wird sich geändert haben und er wird leichter damit umgehen können. Und er wird sich selbst anders sehen und, was das Wichtigste ist, er wird eine größere Handlungsfreiheit haben.

Auch andere werden wahrscheinlich wahrnehmen, dass er sich geändert hat. Vielleicht werden sich die Leute wundern, aber er muss den Grund dafür ja nicht überall herumerzählen, wenn er das nicht will. Und jeder Coach hat Schweigepflicht - übrigens erst recht gegenüber dem Arbeitgeber, auch wenn der den Coach beauftragt hat.

Einführung ins systemische Denken

Sie fragen sich bestimmt, was dieses Kapitel ausgerechnet in diesem Buch zu suchen hat. Das Thema ist doch eher etwas für Psychologen!

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Themenkreis hier einfügen soll. Doch schließlich habe ich mich dafür entschieden, denn systemisches Denken ist nicht nur für Psychotherapeuten und Coaches geeignet. Es ist für jeden praktisch, der mit Menschen professionell umgehen muss. Und dazu gehören auch Sie, lieber Leser!

Der Grundgedanke ist, dass man Organisationen als Systeme begreift. Die Menschen innerhalb dieser Organisation sind dann die Elemente des Systems. Ein "Systemiker" betrachtet nicht die Eigenschaften der Elemente, sondern „nur“ deren Interaktionen. Ein System wird con ihm also nicht durch die Eigenschaften seiner Elemente bestimmt, denn diese sind nicht beobachtbar. Beobachtbar und somit auch zu beeinflussen sind hingegen die Reaktionen der Elemente.

Ein systemisch denkender Mensch sieht ein System als die Summe der Kommunikationsereignisse an, die in ihm stattfindet. Damit befreit er sich auch von dem Dilemma, einem Menschen Eigenschaften zuschreiben zu müssen, obwohl der sich je nach Gelegenheit und Umgebung völlig anders verhalten kann. Er beurteilt nur seine Äußerungen. Und nach dem berühmten Ausspruch von Paul Watzlawick "kann man nicht nicht kommunizieren". Selbst wenn man ganz still bleibt und sich nicht bewegt, wird das vom Gegenüber als eine Botschaft verstanden und entsprechend interpretiert.

Ich kann dieses umfangreiche Thema hier nur kurz anreißen, wenn Sie sich näher dafür interessieren, kann ich die Bücher von Insa Sparrer und von Matthias Varga von Kibéd empfehlen.

Was sind systemische Grundsätze?

Therapien, Beratungen und Coachings, ja sogar neue Methoden der Mitarbeiterführung schmücken sich heute mit dem Beiwort „systemisch“. Was sind systemische Grundsätze eigentlich?

Systemische Prinzipien

Was sind die Prinzipien, auf die sich systemisches Denken und Handeln gründen?

Prinzip des

Nichtleugnens

: Es ist, wie es ist! Eine Beschreibung der eigenen Wahrnehmung ist die Basis. Und es darf sein, was ist, und was sein darf, darf sich auch ändern. Der Gedanke, der hier konkretisiert wird, ist, dass sich nur das ändern kann, was auch gesehen wird und gesehen werden darf. Der Satz: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ ist das genaue Gegenteil dazu.

Das Recht auf

Zugehörigkeit

: Wer oder was zum System gehört, hat auch ein Recht darauf, dazuzugehören. Aber auch Elemente, die das System verlassen haben, sind zu würdigen, auch sie sind Teil des Systems

Die Anerkennung der

Zeitlichen Reihenfolge

: Dass Jemand oder Etwas länger zum System gehört, muss gewürdigt werden. Deshalb muss z. B. ein neuer Chef erst einmal vorsichtig und minimal führen.

Die Anerkennung von höheren

Leistungen und Fähigkeiten

: Wer oder was mehr zum Bestehen und Prosperieren des Systems beigetragen hat, hat ein Recht darauf, gewürdigt zu werden.

Wahrung des

Ausgleichsprinzip

: Der Ausgleich zwischen Geben und Nehmen muss sichergestellt werden. Dabei kann und muss dieser Ausgleich nie exakt sein, aber er muss dem Gläubiger nutzen, muss also in seiner Währung erfolgen.

Das Prinzip des Nichtleugnens leuchtet ein, auch wenn sogar dagegen oft verstoßen wird. Vor allem aber beim Recht auf Zugehörigkeit und beim Ausgleichsprinzip werden Fehler gemacht, denn diese Prinzipien sind leicht zu übersehen. Trotzdem gelten sie und sind wichtig, denn wenn gegen sie verstoßen wird, funktioniert die Gruppendynamik nicht mehr richtig.

Systemische Grundsätze

Bestimmte Grundsätze im Verhalten von Systemen und ihren Elementen sollte man nicht aus den Augen verlieren:

Systeme haben die Tendenz, sich zu

erhalten

, und zwar möglichst unverändert.

Die meisten Systeme wollen entweder

wachsen

oder sich

fortpflanzen

.

Es gilt das

holistische

Prinzip: Alles hängt mit Allem zusammen. Jedes Element eines Systems hat Einfluss auf das Gesamtsystem.

Es gibt im System kein „richtig“ oder „falsch“, kein „gut“ oder „böse“. Es gibt nur

angemessenes

und nicht angemessenes

Verhalten

.

Es gibt keine

Wahrheit

, sondern nur eine persönliche Wahrnehmung. Eine Lüge ist eine unzutreffende Schilderung der eigenen Wahrnehmung.

Der scheinbar

Schuldige

ist oft nur der Symptomträger, nicht der Verursacher eines Fehlers. An Fehlern oder am Scheitern sind alle Mitglieder des Systems beteiligt. Mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, definiert also weder den Schuldigen noch löst es das durch den Fehler entstandene Problem.

Systemische Verhaltensweisen

Daraus leiten sich sinnvolle Verhaltensweisen ab, darunter die folgenden:

Unterschiede

sind Vielfalt und Reichtum und sind zu begrüßen.

Ohne unterschiedliche Fähigkeiten sind wir hilflos gegenüber den Veränderungen der Randbedingungen und Anforderungen, und nur Unterschiede bringen die Energie zum Fließen. Ein System ohne Unterschiede, mit maximaler Entropie, stirbt den Wärmetod.

Konflikte

sind Entwicklungschancen, Widerstand bringt Energie.

Das scheinen Widersprüche zu sein, aber ohne Konflikte gibt es keine Veränderungen, und nur wer Interesse an einer Sache hat, leistet Widerstand.

Wenn man die

Verhältnisse nicht ändern

kann, lohnt es sich, die Sicht auf die Dinge zu ändern, man muss ihnen einen neuen Rahmen geben (Refraiming). Diese mentalen Änderungen brauchen allerdings Zeit, und leider kann man ihren Zeitbedarf vorher nicht definieren.

Die Systemtheorie

Die Systemtheorie ist in der Naturwissenschaft in der Wende zum 20. Jahrhundert entstanden, als die alten, rein mechanischen Weltbilder die beobachteten Phänomene nicht mehr beschreiben konnten. Die Zusammenhänge wurden, angefangen beim Wetter über das Zusammenleben von Menschen bis hin zu unserer Stromversorgung als chaotisch erkannt. Chaos ist an sich nichts Schlimmes, nur sollte man nicht versuchen, das Chaos mit mechanischen Regelwerken zu beherrschen. Eine adäquate Beschreibung kann nur systemtheoretisch geleistet werden.

Menschen interagieren immer in Systemen wie Familien, Gruppen, Firmen, Abteilungen und Staaten. Die Gestaltpsychologie nimmt als Modell die Gestalt, „das Ganze“, her, das Eigenschaften besitzt, die in seinen Teilen nicht zu finden sind. Denn das Ganze besteht nicht nur aus seinen Teilen, sondern auch aus den Beziehungen der Teile untereinander. Außerdem verändert sich das Verhalten aller Teile und deren Interaktionen, wenn ein zusätzliches Teil dazu kommt. Aus der Gestaltpsychologie ist die psychologische Systemtheorie entstanden.

Die Soziologie und die Psychologie haben erkannt, dass ihr Forschungsgegenstand, Menschen und ihr Zusammenleben, chaotisch ist und versuchen seither, dieses Chaos mit systemtheoretischen Ansätzen zu beschreiben. Daraus haben sich die systemischen Vorgehensweisen von Beratern und Coachs entwickelt. Allerdings sollte man wissen, dass auch ein Beobachter, also ein Coach oder Berater, zu einem Teil des Systems wird und dieses somit verändert. Der Coach "stört" also das System.

Das systemische Vorgehen legt besonderen Wert auf die Wechselwirkungen der Elemente eines Systems, nicht aber auf deren Eigenschaften. Ein systemisch Denkender geht davon aus, dass ein Mensch als Element eines Systems keine feststellbaren Eigenschaften hat, aufgrund derer er handelt, sondern dass sein Handeln von den Interaktionen mit den anderen Elementen der Systeme und seiner früheren Erfahrungen mit anderen Systemen bestimmt wird.

Der Coach und das System

Ein System versucht sich möglichst unverändert selbst zu erhalten. Coaches verändern das System nicht, sie machen es den Mitgliedern des Systems durch sog. Interventionen möglich, Veränderungen herbeizuführen. Interventionen sind in der Regel Fragen oder Provokationen, die darauf ab zielen, die eingefahrenen Wege des Systems zu stören. Sie haben also nicht die Änderung von Mitgliedern des Systems zum Ziel, sondern die Änderung ihrer Interaktionen. Ein wichtiges Werkzeug dabei ist die „zirkuläre Frage“, die Informationen über diese Interaktionen zutage bringen. Anstatt zu fragen: “Wie fühlst Du Dich?“, wird gefragt: „Was glaubst Du, wie xxx denkt, dass Du Dich fühlst?“. Oft werden auch Skalenfragen gestellt, z. B. in der Form: In einer Skala von 0 bis 10, für wie wahrscheinlich hältst Du es, dass die Änderung eintritt?“ Und: „Was brauchst Du, damit die Wahrscheinlichkeit um einen Punkt steigt?“

Bei der Systemischen Arbeit geht es darum, die Ressourcen und Kompetenzen zur Interaktion der Elemente eines Systems zu stärken. Das Vorgehen sucht also nach Ressourcen und Lösungen des Gesamtsystems, die klassische Beratung fragt dagegen nach den Schwächen und Problemen der Mitglieder des Systems. Systemisch wird davon ausgegangen, dass die Experten für ein System die Betroffenen, also dessen Mitglieder sind. Der Coach erkennt die Regelkreise, weiß aber nichts über die Probleme und ihre Lösungen. Er ist „nur“ der Experte für den Lösungsprozess.

Für den Coach ist systemisches Vorgehen kein Werkzeug, sondern eine Haltung. Man kann es nicht einfach erlernen, sondern muss dazu seine Denkstruktur ändern, denn im Beratungsprozess wird man nur dann die systemischen Grundsätze befolgen können, sofern man sie verinnerlicht hat.

Systemische Vorgehensweisen

Einige Vorgehensweisen, die ein systemischer Coach befolgen sollte:

Der Coach geht wertschätzend vor und bietet Hilfe zur Selbsthilfe an.

Indem die Entwicklungsfähigkeit des Klienten gestärkt wird, werden seine Selbstheilungskräfte aktiviert. Der Coach tritt wie ein Gärtner auf: er gräbt um, jätet, sät, aber wachsen muss der Klient selber. Eine Pflanze wächst ja auch nicht schneller, weil an ihr gezogen wurde.

Der Coach hat ein konstruktivistisches Weltbild. Er geht davon aus, dass jeder seine Sicht auf die Welt selbst schafft, ohne dass man sagen kann, wie die Welt „in Wirklichkeit“ aussieht. Niemand sieht die Welt objektiv, jeder schaut durch seine Brille und sieht etwas anderes aus einem anderen Blickwinkel. Die Welt wird durch den Betrachter geprägt. Der Radikale Konstruktivismus geht sogar davon aus, dass es keine vom Beobachter unabhängigen Phänomene gibt.

Der Klient sucht unter Begleitung des Coaches nach dem Verhalten, das Erfolg bringt. Dabei werden dem Klienten Blockaden bewusst, die seine Handlungsmöglichkeiten beschränken, die er allerdings auflösen kann.

Es wird nicht nach Fehlern und Schwächen, sondern nach stärkenden Ressourcen gesucht.

Warum sind Systeme so stur?

Die Tage hat mir ein Projektleiter eine E-Mail geschrieben, in der er mich sinngemäß gefragt hat, warum sich Systeme so gegen Veränderungen wehren. Er hätte das zwar in Büchern über Systeme gelesen, aber so richtig begreifen würde er das trotzdem nicht. Was da beschrieben würde, wäre ja alles richtig und er hätte es sogar bei einem kleinen Change-Projekt am eigenen Leib erfahren, aber die Gründe für die Sturheit eines Systems würden ihm nicht einleuchten. Jedes einzelne Element eines Systems sei schließlich lernfähig, nur das System selbst scheine nicht veränderbar zu sein.