Aktenzeichen 1 KL-So 59/42: Die Ermittlungsakte Cäzilie Bauer - Ulrike Claudia Hofmann - E-Book

Aktenzeichen 1 KL-So 59/42: Die Ermittlungsakte Cäzilie Bauer E-Book

Ulrike Claudia Hofmann

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Beschreibung

Es beginnt mit dem Tod eines Menschen und endet mit einer Kostenabrechnung: Die junge Magd Cäzilie Bauer findet am 2. Februar 1942 auf einem Hof in Bachmehring bei Wasserburg am Inn eine Leiche. Es handelt sich um den fast 60jähringen Fuhrknecht Leonhard Eder. Er liegt mit Schnittwunden und blutüberströmt in seiner Kammer. Die Magd gibt an, dass Eder Selbstmord begangen habe. Aber stimmt das? Oder wurde Eder kaltblütig ermordet? In dem Buch dürfen Sie, liebe Leserinnen und Leser, live die Akten der Ermittlungsbehörden mitlesen. Damit können sie nicht nur den Fall, sondern auch die Aufklärung anhand der Originalquellen ungefiltert nachvollziehen. Und das Buch bietet noch mehr: Hintergrundkapitel liefern Informationen zu den Hauptprotagonisten und zu zeitgenössischen Besonderheiten. Dafür wurden teilweise bisher unberücksichtigte Quellen ausgewertet. Sie geben wertvolle, bisher noch wenig bekannte zeithistorische Einblicke.

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Seitenzahl: 298

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Kurzinfo:

Es beginnt mit dem Tod eines Menschen und endet mit einer Kostenabrechnung:

Die junge Magd Cäzilie Bauer findet am 2. Februar 1942 auf einem Hof in Bachmehring bei Wasserburg am Inn eine Leiche. Es handelt sich um den fast 60jähringen Fuhrknecht Leonhard Eder. Er liegt mit Schnittwunden und blutüberströmt in seiner Kammer. Die Magd gibt an, dass Eder Selbstmord begangen habe. Aber stimmt das? Oder wurde Eder kaltblütig ermordet? In dem Buch dürfen Sie, liebe Leserinnen und Leser, live die Akten der Ermittlungsbehörden mitlesen. Damit können sie nicht nur den Fall, sondern auch die Aufklärung anhand der Originalquellen ungefiltert nachvollziehen. Und das Buch bietet noch mehr: Hintergrundkapitel liefern Informationen zu den Hauptprotagonisten und zu zeitgenössischen Besonderheiten. Dafür wurden teilweise bisher unberücksichtigte Quellen ausgewertet. Sie geben wertvolle, bisher noch wenig bekannte zeithistorische Einblicke.

Die Autorin:

Dr. Ulrike Claudia Hofmann, geb. in Coburg,

ist Historikerin und Archivarin. Sie arbeitet und

lebt mit ihrer Familie in München.

WIDMUNG

Für Johannes und Julius

Vorwort

Werden auch Sie von Krimis in den Bann gezogen? Ob fiktiv oder auf historischen Begebenheiten basierend, bleiben sie erfundene Geschichten. Für mich als Historikerin und Krimifan ist allerdings nichts Spannender und Authentischer als solche Geschichten, die das Leben schreibt. Dieses Buch bietet Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, die Gelegenheit, in einen wahren Kriminalfall mit hineingenommen zu werden. Es dokumentiert den Mord an dem Knecht Leonhard Eder aus dem Jahre 1942 im Landkreis Wasserburg am Inn. Versetzen Sie sich in die Orte der Handlungen und in die beteiligten Personen. Lassen Sie dabei die Geschehnisse auf sich wirken. Wie beurteilen Sie die Angeklagte, schuldig oder nicht schuldig? Halten Sie die Zeugen für glaubwürdig? Der Fall erzählt sich selbst, indem die Quellen zum Sprechen kommen.

Viel Freude beim Lesen

wünscht Ihnen

Ulrike Claudia Hofmann

Inhalt

Kurzinfo

Vorwort

Einführung

Teil I: Tod in Bachmehring

Einwirkung Dritter ausgeschlossen

Hintergrund: Gehörlose in der NS-Zeit

Hintergrund: Leonhard Eder

Hintergrund: Der Obduktionsbericht

Teil II: Die Ermittlungen in München

Die Wende

Der Fall bei der Kripo München

Eine Familientragödie

Spurensuche in Wasserburg

Cäzilie im Verhör

Die Überprüfung von Cäzilies Aussagen

Hintergrund: Die Familie Bauer

Hintergrund: Cäzilie Bauer

Teil III: In den Mühlen der Justiz

Cäzilies Übergabe an die Justiz

Briefwechsel aus dem Gefängnis

Cäzilies Schmuggelbriefe in Stadelheim

Die Ermittlungen des Staatsanwaltes

Die Gerichtsverhandlung

Hintergrund: Rechtsanwalt Dr. Robert Bandorf

Hintergrund: Staatsanwalt Dr. Karl Manchot

Hintergrund: Sondergerichte in der Nazi-Zeit

Hintergrund: Richter Michael Schwingenschlögl

Hintergrund: Auguste Brandl

Teil IV: Der Weg zur Hinrichtung

Der Kampf ums Überleben

Die Hinrichtung: eine Verwaltungsangelegenheit

Hintergrund: Das Amt des Scharfrichters

Hintergrund: Der Scharfrichter Johann Reichhart

Abkürzungen

Danksagung

Einführung

Die Grundlage für dieses Buch bilden die Fallakte der Kriminalpolizei in München und vor allem die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft München I. Beide befinden sich heute im Staatsarchiv München1. Der Fall lässt sich durch die Zusammenstellung der Originalquellen nahezu lückenlos verfolgen.

Das Buch ergänzt nichts und lässt nichts Wesentliches weg. Entsprechend habe ich die Originaltexte sowohl in der Orthographie und Zeichensetzung als auch der Grammatik so niedergeschrieben, wie sie in den Quellen überliefert sind. Auch unvollständige Sätze oder Formulierungen, die nach heutigem Sprachgebrauch den Lesefluss erschweren, sind unverändert wiedergegeben. Kürzungen in den Originaltexten beschränken sich auf Wiederholungen oder für den Fall irrelevante Textpassagen sowie auf biographische Angaben, die in eigenen Hintergrundkapiteln präsentiert werden.

Damit Sie in dem teilweise komplexen Gang der Ermittlungen die Orientierung behalten, gebe ich Ihnen einige Hilfsmittel an die Hand:

In einer Ermittlungsakte werden in der Regel die Dokumente in ihrer chronologischen Reihenfolge abgelegt, so dass der Handlungsablauf oft unübersichtlich ist. Für Sie habe ich den Fall thematisch und zeitlich strukturiert. Anhand dieses roten Fadens führe ich Sie Schritt für Schritt durch das Geschehen. Daneben sind die teilweise sehr umfangreichen Originaltexte durch zusammenfassende Überschriften in überschaubare Leseportionen unterteilt. Darüber hinaus bieten sog. Hintergrundkapitel und eingefügte Bemerkungen Informationen sowohl zu den Hauptbeteiligten als auch zu einigen zeitgenössischen Besonderheiten. Dafür wurden manche, bisher unberücksichtigte Quellen ausgewertet. Damit können Sie den Fall und seine Hintergründe in das Zeitgeschehen einordnen und erhalten gleichzeitig wertvolle, bisher noch wenig bekannte zeithistorische Einblicke. Außerdem führe ich in diesen Hintergrundkapiteln weiterführende und die zu Grunde liegenden Literatur- und Quellenangaben an.

1Signaturen: StAM, PolDir 8016; StAM, Staatsanwaltschaften 10600.

Teil I:
Tod in Bachmehring

Einwirkung Dritter ausgeschlossen

Eindeutiger Selbstmord?

Montag, 2. Februar 1942: Erster Polizeibericht des Gendarmerie-Postens Wasserburg a. Inn an die Staatsanwaltschaft Traunstein über die Auffindung der Leiche von Leonhard Eder in Bachmehring

„Betreff: Ableben des ledigen landwirtschaftl: Arbeiters Leonhard Eder, zuletzt wohnhaft und beschäftigt bei Rupert Stemmer, Realitätenbesitzer in Bachmehring, LKr. Wasserburg a/Inn, durch Öffnen der Puls- u. Halsschlagader.

Am 2.2.42 gegen 13,15 Uhr wurde der Gend. Posten Wasserburg darüber verständigt, daß sich im Anwesen des Kunstmühle u. Sägewerkbesitzers Rupert Stemmer,in Bachmehring der ledige landw. Arbeiter u. Fuhrmann Leonhard Eder seinem Leben durch Öffnen der beiden Pulsadern und der Halsschlagader in seinem Zimmer ein Ende bereitet hat. Die sofort aufgenommenen Erhebungen ergaben folgendes:

Die Schlafkammer des Eder befindet sich abseits des Wohngebäudes. Sie liegt über der Wagenremise und bildet eine Art mit einer Tür versehenen Bretterverschlag. Die Kammer selbst ist klein und mit einem Bett, einem großen Schrank und einem Tisch ausgestattet. Durch zwei Fenster wird der Raum genügend erhellt.

Bei meinem Eintreffen konnte ich im Bett des Verlebten eine Menge Blut feststellen. Neben dem Bett auf dem Fußboden lag die Leiche. Das Gesicht war dem Boden zugewendet. Beide Füße waren ausgestreckt und beide Arme nicht an den Körper heran gezogen. Der Tote war nur mit ein paar Socken, Unterhose und Hemd bekleidet.

Letzteres war stark mit Blut durchtränkt. In Kopfhöhe fand sich eine große bereits gestockte Blutlache vor. Im Bett lag ein künstliches Gebiß u. ein größeres zusammenklappbares Taschenmesser. Unmittelbar hinter den beiden Handgelenken an der Innenseite des Toten war je ein breiter sehr tief gehender Einschnitt wahrzunehmen. Weiter fand sich in der Kehlkopfgegend gegen die linke Halsseite ein 4-5cm langer, tiefer Schnitt. Drei weitere kleinere Stiche waren in unmittelbarer Nähe des Kehlkopfes sichtbar. Der Tod ist infolge Verblutung eingetreten.

Die ledige Hausgehilfin Cilli Bauer hat noch gesehen wie sich Eder den letzten Stich beigebracht hat. Sie erklärte folgende Einzelheiten:

Mit dem Taubstummen arbeite sie bereits seit 4 Jahren zusammen. Während dieser Zeit habe er öfters geäußert, daß er sich entweder aufhängen oder die Gurgel abschneiden werde. Derartige Äußerungen habe sie im Spaß angesehen, wie sie auch Eder als spaßhafte Gesten zum Ausdruck gebracht habe.

Am 1.2.1942 sei er ihr beim Wassertragen und beim Brennholz herbeischaffen behilflich gewesen. Nach dieser Tätigkeit habe er ein Zeichen gemacht, als wenn er in ein Gasthaus gehen wollte. An diesem Tag habe sie ihn nicht mehr gesehen.

Am 2.2.42 gegen 8,00 Uhr habe sie ihn zur „Suppe“ rufen wollen. Um ihn in der gewohnten Weise zu verständigen, habe sie zuerst einen Schneeballen an das verdunkelte Fenster geworfen und mit einem Schaufelstiel gegen die Decke der Remise gestossen. Im Glauben, daß sie von Eder wahrgenommen worden sei, habe sie eine weitere Verständigung unterlassen. Nach kurzer Zeit habe sie die gleiche Tätigkeit wiederholt. Weil er um 8,30 Uhr noch nicht aufgewesen sei, sei sie zu ihm in die Kammer gegangen. Dort habe sie Licht gemacht und feststellen können, daß er sich scheinbar in einem tiefen Schlaf befinde. Sie habe angenommen, daß er tags zuvor wie dies schon öfter vorgekommen sei, zuviel getrunken habe. Hierüber habe sie auch ihrer Herrschaft berichtet.

Gegen 13,00 Uhr (bäuerliche Zeit 12,00 Uhr) hätte er zum Essen kommen sollen. Sie habe nun in seinem Zimmer nachgesehen. Dabei habe sie die Beobachtung gemacht, wie Eder mit einem Taschenmesser mehrmals gegen seinen Hals im Bette liegend, gestochen habe. Beide Hände und auch das Bett seien stark mit Blut befleckt gewesen. Die Bettdecke sei in der Ecke beim Schrank gelegen. Eder sei nur mit dem Hemd und der Unterhose bekleidet gewesen. Er habe noch eine Bewegung mit dem Messer in der Herzgegend gemacht. Zu einer Ausführung sei er jedoch nicht mehr gekommen, weil sie ihm das Messer genommen habe. In diesem Augenblick sei er vom Bett herunter gefallen. Daraufhin sei sie davon gelaufen und habe im Hause Mitteilung gemacht. Die Tat habe Eder bei abgedunkelten Fenstern ausgeführt, weil sie beim Betreten der Kammer das Licht angeschaltet habe. Der bei Stemmer beschäftigte Obermüller Josef Zeitler erklärte, daß er nach der Mitteilung der Bauer in die Kammer des Eder gegangen sei. Irgendein Lebenszeichen habe er von ihm nicht mehr vernommen.

Nach den vorgeschilderten Umständen ist eine Einwirkung Dritter ausgeschlossen. Eder ist bereits seit nahezu 30 Jahren bei Stemmer beschäftigt. Er war sparsam, wenn er auch ab und zu etwas zuviel getrunken hatte. Seine früher geäußerten Selbstmordgesten wurden nicht ernst genommen. Neben allgemeinen Fleiß hatte er auch zuweilen andere besondere Eigenheiten. Des Lesens und Schreibens war er unkundig.

Die Staatsanwaltschaft Traunstein und das Amtsgericht Wasserburg wurden fernmündlich verständigt. Erstere hat die Leiche zur Beerdigung freigegeben.

Personalien: Eder Vorname Leonhard, geb. 12. Juni 1882 in Holzen, Gde.Babensham, LKr. Wasserburg a/Inn. Eltern: hier unbekannt, lediger Fuhrmann, zuletzt wohnhaft und beschäftigt bei Rupert Stemmer, in Bachmehring, LKr. Wasserburg a/Inn.“

Zweifel kamen auf

Mittwoch, 4. Februar: Nachtragsbericht des Gendarmerie-Postens

Der Mühlenbauer Stemmer glaubte nicht an Selbstmord

„Am 3. Februar 1942 wurde der hiesige Gend.- Posten von dem Arbeitgeber des Leonhard Eder davon verständigt, daß es sich bei dem Ableben seines Arbeitnehmers um einen sonderbaren Vorgang handle bzw. gehandelt haben muss. Er (Stemmer) sei bereits von seinem Nachbarn (...) darauf aufmerksam gemacht worden, daß es hier beim Stummerl (unter diesem Namen wird Eder bezeichnet) nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Außerdem habe die Hausmagd – Bauer – nicht unmittelbar nach der Wahrnehmung der Selbstentleibung des Eder seine Angehörigen verständigt, sondern sei zuerst in die Waschküche gegangen u. habe sich dort abgewaschen u. sich dann in der Küche die Hände abgetrocknet. Erst jetzt habe sie die beim Essen sitzenden Angehörigen mit den Worten verständigt: „Der Stummerl hat sich die Gurgel abgeschnitten“.

Kritische Haltung von Rupert Stemmer zu Cäzilie Bauer

„Auch habe sich die Bauer etwa 10 Minuten in seiner Kammer aufgehalten. Außerdem habe er erfahren, daß sie einmal 10 oder 12 neue Hemden von Eder zu einem Postpaket zusammengerichtet u. durch die Melkerin Anna Kandler zur Postbeförderung übergeben habe. Die Kandler habe aber (…) ihn hierüber Mitteilung gemacht. Weiter habe sich die Bauer einmal einen Laib Brot u. Geräuchertes ohne seinem Wissen u. jenes seiner Frau unbefugt angeeignet. Seine Frau habe ihr diese Lebensmittel im Postamt Wasserburg weggenommen. Sie – Bauer – hätte diese Sachen nach Hause geschickt. Die Bauer habe nach seinen Beobachtungen mit dem „Stummerl“ eine Art „Liebelei“ unterhalten. Es sei daher sehr leicht möglich, daß sie einen größeren Geldbetrag von Eder unter irgend einen Vorwand erhalten habe. Die Angaben der Bauer über den Selbstmordvorgang des Eder seien nicht ganz richtig gewesen, weil sie über den Gang in das Waschhaus nichts gesagt habe. Außerdem komme ihm heute (3.2.42) die Bauer ganz beeindruckt vor.“

Zu klärende Fragen für die Polizei

„Nachdem die Bauer bei ihren Schilderungen über den Gang in das Waschhaus, bevor sie die Angehörigen des Stemmer über den Vorfall verständigte, bei der Einvernahme nichts erwähnt hat u. im Hause des Stemmer sowie in der Nachbarschaft über das Ableben des Eder durch eigene Hand Zweifel aufgetaucht sind, wurde die Staatsanwaltschaft Traunstein um weitere Weisungen angegangen.

Insbesondere bedarf es einer Klärung, ob der Verlebte nach dem Oeffnen der Pulsadern noch soviel Kraft in seiner Hand besessen hat, daß er noch einen weiteren kräftigen Stich u. 3 kleinere in den Hals sich hat beibringen können. Außerdem ob die Wegnahme des Messers durch die Bauer wie sie angibt, einen gewissen Kraftaufwand erforderlich gemacht hätte.

Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat auf Grund dieses Berichtes die Beschlagnahme der Leiche angeordnet. Im Benehmen mit dem Amtsgericht Wasserburg wurde die Verbringung der Leiche in das Leichenhaus Wasserburg zur Leichenöffnung veranlaßt.“

Blut auf Cäzilies Schürze

„Die Bauer schilderte den Sachverhalt in gleicher Weise wie sie dies bereits bei der ersten Einvernahme gemacht hatte. Allerdings gab sie an, daß sie deshalb sogleich in das Waschhaus gegangen sei u. ihre mit Blut befleckte Schürze zu reinigen. Die Schürze sei dadurch mit Blut besudelt worden, weil sie sich beim Einschalten des Lichtes an der Längsseite des Bettes aufgehalten habe um dort den Lichtschalter (Zugschalter) zu erreichen. Diesen Zugschalter habe Eder früher einmal eingerichtet. Ein anderer weiterer Lichtschalter

(Drehschalter) sei in dieser Kammer nicht vorhanden. Beim Aufleuchten der Lampe habe sie gesehen wie Eder auf der rechten Seite gelegen sei u.mit der linken Hand sich das Messer in den Hals gestochen habe. Mit der rechten Hand habe er umhergefuchtelt. Zugleich habe er einige unartikulierte Laute von sich gegeben. Sie habe ihm nun sofort das Messer genommen das er fast krampfhaft gehalten habe. Nachdem sie das Messer in ihrer Gewalt gehabt habe, sei Eder vom Bett herausgefallen. Sie habe sofort das Messer auf das Bett geworfen u.sei davon gelaufen. - Das Messer wurde im Bett neben dem künstlichen Gebiß vorgefunden. - Die in der Ecke beim Schrank vorgefundene Bettdecke, Pferdedecke u. Joppe habe sie beim Verlassen des Zimmers aus der unmittelbaren Nähe der Bettlade entfernt. Die Pferdedecke wurde später zum Zudecken der Leiche genommen.“

Leonhard Eders Geld

„In der Hosentasche – die von ihm getragenen Hose hatte er auf das Kopfende des Bettes gelegt – fanden sich verschiedene Schlüssel u. der Geldbeutel vor. Mit einem dieser Schlüssel konnte der Schrank geöffnet werden. In letzterem hatte er etwas Papier- und Kleingeld offen aufgelegt gehabt. Im oberen Teil des Schrankes war eine nicht fabrikmäßig hergestellte Geldkassette. Sie war mit einem Vorhangschlosse abgesperrt. Der am Schlüsselbund angebracht gewesene Schlüssel paßte zwar, sperrte aber infolge der Verschmutzung des Dornloches die Kasse nicht. Ein weiterer im Bereich der Kasse gefundener Schlüssel ermöglichte ein Oeffnen derselben. Der zugegen gewesene Arbeitgeber Rupert Stemmer erklärte, daß Eder in der Kasse einen größeren Geldbetrag haben müsse. In dieser fanden sich aber nur etwa 5-6 a 5 RM-Stücke u. einige Zettel (Rechnungen) vor. Den größeren Geldbetrag hatte er in seinem Geldbeutel verwahrt gehabt.

Insgesamt wurden 148,50 RM vorgefunden. Stemmer bemerkte, das in der Kasse etwas 600,- RM sein müssen. Die Angehörigen des Stemmer (3 erwachsene Töchter u. seine Ehefrau) bemerkten, daß ihnen Eder vor längerer Zeit, etwas vor einigen Monaten bis zu 1 1/2 Jahren, seine Ersparnisse gezeigt habe. Er habe dort mehrere Banknoten nach der Größe der Geldscheine geordnet zusammengelegt gehabt. Der genaue Betrag sei ihnen nicht bekannt gegeben worden, weil Eder sehr mißtrauisch gewesen sei. Er habe niemanden an seine Kasse herangelassen. Er müsse sich im Laufe der Zeit mindestens 2500,- RM zusammengespart haben. Obwohl er in der Wäsche u. mit Anzügen sehr gut gestellt gewesen sei, habe er außerordentlich gespart. In den letzten Monaten sei er auch nicht ins Gasthaus gegangen. Geraucht habe er nur wenig.

Neben seinem Lohn von wöchentlich 5,50 RM u. einer monatlichen Rente von 32,- RM habe er auch zuweilen Trinkgelder erhalten. Ob er nun irgendwo sein Geld angelegt habe, könne man nicht sagen. Man halte dies aber nicht für wahrscheinlich. Irgendeine Unordnung an seinem Schranke oder Spuren an der Geldkassette die an eine Wegnahme eines Geldbetrages vor oder nach dem Ableben des Eder schließen hätten lassen, konnten nicht festgestellt werden. Eder hat sich öfters bei seinem auswärts wohnenden Bruder aufgehalten. Dieser konnte bis zur Stunde noch nicht angetroffen werden.“

Wie stand Cäzilie zu Eder?

„Die Bauer selbst erklärte, daß sie von Eder niemals Geld erhalten habe. Ihr wurde auch nicht gerade vorgehalten, daß sie von ihm Geld herausgelockt oder sich auf andere Weise in den Besitz von Geld des Eder gesetzt hätte. Sie bemerkte, daß sie lediglich mit ihm 2 mal im Kino in Wasserburg gewesen sei u. anschließend mit ihm in ein Kaffee gegangen sei. Eder habe bei diesen Anlässen alles bezahlt.

Die Bauer hatte über die von Eder erhaltenen Hemden nichts erwähnt. Als ihr darüber Vorhalt gemacht wurde, erklärte sie, daß sie einmal von ihm in die Kammer gerufen worden sei. Eder habe einige alte Hemden in einem Packpapier eingewickelt gehabt. Darunter habe sich auch ein farbiges neues Hemd u. ein weißes mit Rostflecken befunden. Die übrigen Hemden hätten zusammengeflickt werden sollen. Eder habe ihr zu verstehen gegeben, daß er diese Hemden nicht mehr tragen wolle u. daß sie damit machen könne, was sie wolle. Sie habe hierauf die Hemden zusammengepackt u. diese der Kandler übergeben. Letztere hätte sie gelegentlich zur Post geben sollen. Später habe ihr diese gesagt, daß sie die Hemden nicht auf die Post gebracht habe. (….). Frau Kandler hat dieses Packet in ihrem Zimmer verwahrt. In diesem fanden sich neben den Hemden des Eder auch einige Wäschestücke der Bauer vor.“

Eine offene Frage: Wo war das Geld von Eder?

„Über den Verbleib des fehlenden Geldbetrages sind noch weitere Erhebungen notwendig. Insbesondere ob nicht sein Bruder einen größeren Geldbetrag von dem Verlebten erhalten hat. Eder hat noch zuvor zu verstehen gegeben, daß er sich Möbel kaufe, daß er heiraten werde u. daß er sich auch eine Zugmaschine anschaffe. Diesen Bemerkungen kann kein besonderer Glauben beigemessen werden, dh. sie sind nicht ernstlich zu nehmen.“

Bemerkung

Zum Vergleich: Ein Kilogramm Brot kostete 1942 ca. 37 Reichspfennige, ein Ei 12, ein Liter Milch 27 Pfennige. Für ein Kilogramm Kartoffeln musste man etwa 11 und für einen halben Liter Bier rund 39 Pfennige bezahlen. Eine Reichsmark würde heute in etwa drei Euro fünfzig bis vier Euro entsprechen.

Eders Leiche wurde geöffnet

Freitag, 6. Februar 1942: Leichenschau in Wasserburg

Im Sektionszimmer des Leichenhauses Wasserburg fand nachmittags um 3 Uhr die Sektion des Leichnams von Leonhard Eder statt. Durchgeführt wurde sie von Obermedizinalrat Prof. Dr. Merk, Vorstand des Gerichtlichen-Medizinischen Institut der Universität zu München. Er kam u.a. zu dem Ergebnis:

„(...) Es können sehr wohl die vorgefundenen Stich- und Schnittverletzungen sämtliche vom Verstorbenen sich selbst beigefügt worden sein, wenn auch im einzelnen die Reihenfolge dieser Schnitte und Stiche nicht mehr einwandfrei festgestellt werden kann. Ein Beweis oder nur auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine zweite Person an der Ausführung dieser Schnitt-Stichverletzungen mit beteiligt gewesen wäre, kann nicht festgestellt werden. Von einer Vergiftung haben sich Spuren bei der Sektion nicht nachweisen lassen.“

Die Gendarmerie in Wasserburg legte sich fest

Sonntag, 8. Februar 1942: Meldung eines Selbstmordes nach München

Der Gendarmerie-Posten in Wasserburg schickte eine Meldung über den Selbstmord von Leonhard Eder an die Kriminalpolizeileitstelle in München mit dem Vermerk: „Beweggrund zur Tat unbekannt“.

Cäzilie bei den Gendarmen in Wasserburg

Dienstag, 10. Februar 1942: Verhör von Cäzilie

Wie Cäzilie das Vertrauen Eders gewann

„(...) Ich habe jede Arbeit verrichtet. Zu dieser gehörte auch das Bettaufmachen der anderen bei Stemmer befindlichen Arbeiter. Während ich zu den Räumen der anderen Arbeiter ohne weiteres gelangen konnte, hatte Eder sein Bett nur in seiner Gegenwart aufmachen lassen. Dieses habe ich auch nur in den Abendstunden vor seinem Zubettgehen vornehmen dürfen. Das erste Jahr hat er mir außergewöhnliches Mißtrauen entgegengebracht. Auf seinem Tisch lagen verschiedene Seifenstücke. Zuweilen glaubte er, daß ich ihn vielleicht Seife genommen hätte, weil er mich an der Brust faßte u. auch die Schürzentasche ausgesucht hat. Dieses Mißtrauen dauerte fast 2 Jahre lang. Ich habe nun versucht ihn dazu zu bewegen, daß er sich ein Vorhangschloß kauft das mit 2 Schlüssel ausgestattet ist. Dies hat er nun später auch getan u. mir einen Schlüssel überlassen. Auf diese Weise konnte ich sein Bett wie die anderen auch in der Frühe machen. Von diesem Schloß hat er einen Schlüssel zu sich gesteckt u. den anderen habe ich nach Gebrauch in der Küche aufgehängt. Diese Schlüsselsache war auch bei Stemmer bekannt. Das Bettaufmachen wurde an Werktagen in der Frühe u. an Sonn- und Feiertagen gegen Abend zu vorgenommen. In gleicher Weise wurde auch dann noch verfahren, als ich bereits einen 2. Schlüssel des Eder gehabt habe. Wenn Eder beim Bettaufmachen (Sonn- und Feiertage) Zuhause war, hat er mir bei dieser Tätigkeit zugesehen. Diese Arbeit dauerte nicht lange. In meiner Gegenwart hatte Eder den Schrank nie aufgemacht u. mich bei jeden Griff beobachtet.“

Stummerl erzählte Cäzilie Privates

„(…) Am 1.2.42 (Sonntag) (…) gab er mir zu verstehen, daß er noch in ein Gasthaus gehen wolle. Eine von ihm mit der Hand gemachte Geste ließ darüber keinen Zweifel aufkommen. (…) Auch gab er mir zu verstehen, daß er bald heiraten werde, daß er 11 Kühe besitzen werde, daß ein Haus vorhanden sei u. er fortkommen werde. Seine „Braut“ schilderte er schwarzhaarig, rote Backen u. größer als er selbst. Mich hat er dabei verächtlich gemacht. Vom „heiraten“ hat er schon vorher öfters gesprochen. Einmal teilte er mit seinen Gesten mit als wenn er bei der Bauerswitwe „Moar“ in Höhfelden gewesen wäre. Er verschwieg dabei nicht, daß ihn diese hinausgeworfen hat. Von ihr hat er auch Ostereier erhalten.“

Der Abend vor dem Unglück – Eder ging aus

Der Tag des Unglücks

„Am 2.2.42 wurde ich durch ein Geräusch von unten her aufgeweckt. Dieses wurde dadurch verursacht, weil die Melkersaushilfe Frau Reihofer durch das Fenster ihren Mantel gesteckt hat. Das Fenster war nicht zugeschlossen, weil tags vorher dh. am Abend die beiden Töchter des Stemmer in das Kino gegangen sind u. ihnen der Hausschlüssel auf das Fensterbrett gelegt wurde. - Auf Rückfrage bestätigten Fany u. Zilli Stemmer daß das Fenster nach dem Kinobesuch kaum mehr geschlossen u. nur angelehnt worden sei.

Zuerst habe ich im Rinderstall nachgesehen. Seine Anwesenheit wurde dort nicht wahrgenommen. Selbst im Pferdestall konnte ich ihn nicht finden. Auch im Abort hielt ich Nachschau. Nun dachte ich an seine beim Wassertragen gemachten Bemerkungen über den Besuch eines Gasthauses. Es war sonderbar, daß Eder noch nicht da war, weil er sonst, wenn er wirklich ein Gasthaus besucht hat, zur rechten Zeit gekommen ist.

Ich hielt nun in seiner Kammer Nachschau. Die Treppentür war nicht eingeklingt. Auch die Tür zu seiner Kammer war nur angelehnt. Beide Fenster waren abgedunkelt. Ich wußte wo sich der Lichtzugschalter befindet. Als ich Licht gemacht hatte lag Eder noch im Bett u. bis zum Hals hinauf zugedeckt. Er konnte nur durch ein Rütteln wachgeweckt werden. Ob er nun ganz aufgewacht ist, kann ich nicht sagen, weil er nur die Augen etwas aufgemacht hat. Ich ließ ihn liegen u. machte das Licht wieder aus. Die beiden Türen habe ich nicht eingeklinkt.

Abermals besuchte ich ihn in seinem Zimmer. Ich schüttelte ihn u. er gab mir zu verstehen daß er mich verstanden habe. Auch diesesmal verließ ich seine Kammer so wie zuvor. Ich machte die Betten der anderen Knechte fertig. Nach dieser Arbeit ging ich in das Waschhaus. Dort schürte ich nach u. arbeitete anschließend im Waschhaus weiter. Ich beeilte mich, weil ich doch Nachmittags fertig werden wollte um nach Wasserburg in die Zitherstunde zu kommen. Auch hatte ich vor, mir die Haare richten zu lassen. Es war Lichtmeßtag u. daher Bauernfeiertag.

Ich kann nur sagen, daß Eder mit Hemd, Unterhose, roten Pullover u. grünen Socken bekleidet war. Beide Oberschenkel dh. die Füsse waren bis zu den Knöcheln in eine gelbe Decke unordentlich eingewickelt. Die Pferdedecke u. eine schwere braune Joppe habe ich gleichfalls der Bettdecke nachfolgen lassen. (…)

Nachdem ich nun alles wahrgenommen gehabt habe, habe ich fluchtartig die Kammer verlassen sodaß ich von der Treppe heruntergefallen bin. Ich habe mich nun in das Waschhaus begeben u. dort flüchtig meine Jacke vom Blut gereinigt. Dieses habe ich deswegen getan, weil die Jacke nicht mein Eigentum ist u. sie beim Lichteinschalten voll Blut geworden ist. Auch meine rechte Hand wurde mit Blut befleckt. Außerdem habe ich die Waschküche schon deswegen aufgesucht, weil 1. Eder bereits tot war – er lag auf dem Boden – u. 2. ich die Jacke sofort reinigen wollte. Diese Handlung hat nur sehr kurze Zeit gedauert.

Sofort bin ich nun in die Küche u. habe dort Mitteilung gemacht. Die Anwesenden haben sich sofort an den Tatort begeben. Ich selbst bin mit ihnen gegangen.

Oben angekommen hat Bürger den auf dem Boden liegenden Eder eine Decke übergeworfen. Ob er ihn am Kragen gefaßt hat, kann ich nicht sagen, weil ich mich sofort wieder entfernt habe.“

Kein Verhältnis, nur gemeinsame Freizeit

„Wenn mir vorgehalten wird, daß ich mit Eder ein Verhältnis unterhalten habe, so muß ich das entschieden bestreiten. Ich habe ihm seine Sachen deswegen hergerichtet, dh. instandgesetzt, weil er niemand hatte der ihn geflickt haben würde.

Ein weiterer mir vorgehaltener Vorfall bezügl. eines Auftrittes im Herbst 1941 wonach ich von ihm Geld erhalten hatte, hat sich folgendermaßen zugetragen:

Im Jahre 1940 war eine Zirkusvorstellung in Wasserburg. Bei dieser Vorstellung waren Eder, ich u. die nun erkrankte Melkerin Anna Kandler anwesend. Der Eintritt wurde von Eder bezahlt. Er machte die Bezahlung des Eintrittsgeldes davon abhängig, weil ich ihm einige Anzüge aufbügeln mußte. Nach Beendigung dieser Vorstellung gingen wir gemeinsam nach Hause. Nach langer Zeit trat er an mich heran mit ihm ins Kino nach Wasserburg zu gehen. Dieses Ersuchen wurde von ihm vor dem Zirkusbesuch gestellt. Ich sagte zu. Wir gingen gemeinsam in die Abendvorstellung. Nach Schluß dieser Vorstellung besuchten wir das Kaffe Obermeier. Dort nahmen wir einen kleinen Imbiß ein, der von ihm bezahlt wurde. Die Zeche waren kaum 4.-RM. Auf dem Heimwege warf er mir bereits vor, daß ich verschiedenes nicht hätte bestellen sollen. Diese Vorwürfe dauerten die ganze Woche hindurch an. Es war ihm alles zu teuer. Dafür mußte ich bald darauf einen Pullover u. 2 Paar Socken in Ordnung bringen.

Nach langer Zeit wollte er abermals in das Kino gehen. Ich willigte zwar ein u. ging am darauffolgenden Sonntag mit ihm. Zwar zögerte ich, aber schließlich ließ ich mich doch herbei. Auch diesesmal besuchten wir ein Kaffe. Die Zeche von nicht ganz 2.-RM wurde von ihm beglichen. Auch dieser Betrag war ihm zuviel.

An einem Herbstsonntag 1941 wollte ich allein in das Kino gehen. Ich war bereits angezogen. Als ich zur Tür hinaus wollte kam mir Eder entgegen. Er frug mich wohin ich zu gehen gedenke. Nachdem ich ihm zu verstehen gegeben habe, daß ich das Kino besuchen will, wurde er ziemlich heftig u. glaubte, daß ich mit dem Müller – Zeitler – vielleicht zusammenausgehe. Er warf mir dabei mit seinen Gesten vor, daß er für mich schon 2 mal das Kino u. 1 mal den Eintritt für die Zirkusvorstellung bezahlt habe. Den Geldbetrag den er für mich u. sich selbst ausgelegt hatte, zeigte er an den Finger u. durch die bekannte Bewegung mit Daumen u. Zeigefinger auf. (…) Geld habe ich von Eder nicht gesehen. Als er die Zeche bezahlte, hat er das notwendige Geld heimlich aus seiner Tasche genommen. Auch nicht einen Pfennig sah ich in seiner Kammer.(...)“

Cäzilie und ihr Hilfspaket

„Wenn mir wegen des einmal von Frau Stemmer bei mir gefundenen Eierpacketes Vorhalt gemacht wird, so will ich dies erklären.

Meine Schwester, Gusti Brandl in München, Fachnerstraße 31/0, teilte mir öfters mit, daß sie 3 kleine Kinder habe u. bei der letzten Geburt einen Keiserschnitt bekommen habe. Sie sei mit Lebensmitteln sehr schlecht gestellt u. reiche mit den zur Verfügung stehenden Lebensmitteln nicht aus. Es wäre ihr viel geholfen, wenn ich ihr Eier besorgen könnte. Trotz zweimaligen Vorsprechens bei meiner Arbeitgeberin Frau Stemmer habe ich keine Eier erhalten können. Ich dachte mir nun, daß ich ihr heimlich einige Eier zur Seite leg u. sie wegschicke. Nachdem ich sie zusammengepackt habe, hätte ich es bringen lassen. Ich habe ungefähr 50 Eier in 2 Tagen zusammengebracht. Dazu habe ich aus der Speise ein Stück Fleisch u. ein Stck. Brot genommen. Zuvor habe ich mich vergewissert, ob auch Frau Stemmer über das notwendige Quantum Eier für die nächsten Tage verfügt. Ich hätte ihr die Eier nach der Beförderung bezahlt. Stehlen wollte ich sie nicht. Nachdem Frau Stemmer vom Packet erfahren hatte, hätte ich ihr dafür 30 RM geboten. Frau Stemmer hat sich darauf nicht eingelassen.

Hinsichtlich der von Eder erhaltenen Hemden muß ich erklären, daß er mir diese einmal geschenkt hat. Er rief mich einmal in seine Kammer u. zeigte mir dort verschiedene gebrauchte Hemden. Hier muß ich richtig stellen, daß er mir ein Packet bereits im Hofraum herunten gezeigt hat. Dabei erklärte er auf seine Art, daß er den Inhalt des Packetes mir zu schenken gedenke. Ich konnte zugleich erfahren, daß es sich um einige gebrauchte Hemden handelt. Ich dachte, daß diese vielleicht für meinen Bruder noch brauchbar sein könnten. Ich zeigte sie der Melkerin Kandler. Ich habe von mir einen Strang Wolle u. ein Werktagskleid von mir dazugetan. Zu einer Postbeförderung bin ich nicht gekommen, weil es mir an der notwendigen Zeit mangelte. Das Packet hatte mir die Kandler aufgeben sollen. Davon hat auch Stemmer erfahren. Ich verzichtete hierauf auf die Hemden.“

Cäzilie – der Grund für Eifersucht auf dem Hof?

„Wenn zwischen dem Müller – Zeitler – u. Eder eine Eifersucht bestanden hat, so kann ich hier keine Erklärung abgeben. Ich weiß nur, daß Eder bald hier bald dort ein Mädchen sich eingebildet hat. Öfters hat er von Mädchen gesprochen dh. derartige Zeichen gemacht. Man hat daraus entnehmen können, daß er wieder eine gefunden habe u. er wieder einmal heirate.

Zu allen gegen mich erhobenen Zumutungen muß ich sagen, daß ich niemals bei Eder einen größeren oder kleineren Geldbetrag gesehen habe. Ich habe ihm keinerlei Anlaß gegeben sich einzubilden, daß er mit mir vielleicht des Geldes wegen eine Liebelei anfangen könne. Ich war ihm gegenüber hilfsbereit, habe unentgeltlich seine Wäsche gewaschen u. in Ordnung gebracht. An seinem Tode kann mich unmöglich irgendeine Schuld treffen. Was ihn zum Selbstmord getrieben hat, ist mir völlig unbekannt (…).“

Für die Justiz in Wasserburg und Traunstein herrschte Klarheit

Dienstag, 17. Februar 1942: Feststellung des Amtsgerichts Wasserburg

„I. Ein Verschulden Dritter liegt nach dem Sektionsbericht nicht vor.

II. Beerdigungsbewilligung erteilt. (...)“

Wo war Eders Geld?

Montag, 23. März 1942: Nachforschungen der Gendarmerie Wasserburg nach dem vermissten Geldbetrag von Leonhard Eder

„Die Nachforschungen nach den vermißten Geldbetrag wie er seinerzeit von Stemmer als Arbeitgeber des Verlebten angegeben wurde, haben nun folgende Ergebnisse zu verzeichnen:

Leonhard Eder besaß bei seinem Ableben einen baren Geldbetrag von 290,- RM. Bei Stemmer hat er ein Guthaben von 1623,68 RM. Weiter hat er anhand vorhandener Quittungen seit etwa 10 Jahren für Anzüge allein einen Betrag von 736,27 RM aufgewendet. In der Zwischenzeit hat er an Prozeßkosten (Rauferei) einen Betrag von 33,65 RM aufwenden müssen. Zusammengerechnet ergibt dies einen Geldbetrag von 2973,60 RM. Dazu kommen noch die Ausgaben die nicht verzeichnet sind.

Eder hat seit 1932 eine Rente von monatlich 32,-RM bezogen. Seit dieser Zeit ist eine Lohnzahlung an ihn nicht mehr verbucht. Hierzu erklärte Stemmer, daß er den Eder hie u. da ein ordentliches Trinkgeld gegeben habe. Auch habe Eder für Fuhrleistungen von anderen Personen Trinkgeld erhalten. Eine regelrechte Lohnzahlung ist an Eder nicht erfolgt. Eine Lohnnachkontrolle ist daher unmöglich.

Wenn man nun die verzeichneten Ausgaben des Eder u. den nachweisbar vorhandenen Barbestand mit dem ungefähren Einkommen (Rente u. Lohn) in den letzten 10 Jahren gegenüberstellt, so kann der Schluß gezogen werden, daß er bei seinem Ableben über einen größeren Barbestand nicht mehr verfügt hat.