All his secrets - Jennifer Lillian - E-Book

All his secrets E-Book

Jennifer Lillian

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Beschreibung

Er ist dein heißer Boss, und er hat ein großes Geheimnis … Um ihr Kriminologie-Studium zu finanzieren, nimmt Louisa einen Job als Assistentin an. Von nun an muss die tollpatschige Studentin ausgerechnet Ethan Bradford hinterherputzen, dem wohlhabendsten Junggesellen der Stadt und Boss von Bradford Security. Lou merkt schnell, dass das kühle Auftreten von Ethan nur eine Fassade ist, und auch er ist gegen seinen Willen von ihr verzaubert. Lou kann seiner Anziehungskraft nicht widerstehen, doch dann stößt Lou auf ein Geheimnis von Ethan, das sie alles hinterfragen lässt. Kann sie ihm wirklich trauen?

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All his secrets

Die Autorin

Jennifer Lillian  wurde 1991 in der Kleinstadt Soltau geboren und lebt heute, gemeinsam mit ihrem Verlobten und ihrem gemeinsamen Sohn, noch immer in der Lüneburger Heide. Nachdem sie ihr Studium in Bibliotheks- und Informationsmanagement in Hamburg erfolgreichen abgeschlossen hat, arbeitete sie als Social Media Managerin und Redakteurin in einem Hamburger Online-Magazin.  Auch in ihrer Freizeit beschäftigt sie sich gerne mit Worten, indem sie in den verschiedensten Büchern versinkt oder aber selber Romane schreibt. Ihr erster Debütroman erschien im Juli 2017. 

Das Buch

Er ist dein heißer Boss, und er hat ein großes Geheimnis …

Um ihr Kriminologie-Studium zu finanzieren, nimmt Louisa einen Job als Assistentin an. Von nun an muss die tollpatschige Studentin ausgerechnet Ethan Bradford hinterherputzen, dem wohlhabendsten Junggesellen der Stadt und Boss von Bradford Security. Lou merkt schnell, dass das kühle Auftreten von Ethan nur eine Fassade ist, und auch er ist gegen seinen Willen von ihr verzaubert. Lou kann seiner Anziehungskraft nicht widerstehen, doch dann stößt Lou auf ein Geheimnis von Ethan, das sie alles hinterfragen lässt. Kann sie ihm wirklich trauen?

Jennifer Lillian

All his secrets

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Mai 2022 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrusISBN 978-3-95818-660-6

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Epilog

Leseprobe: Hook me up

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

»Um Himmels willen, Louisa! Willst du mir auch noch meinen allerletzten Nerv rauben?«, fragte meine Mum wütend, während ich mein Smartphone gute zehn Zentimeter von meinem Ohr entfernt hielt. Ich musste nicht einmal den Lautsprecher auf meinem Gerät aktivieren, ich konnte sie auch bestens ohne verstehen.

»Natürlich möchte ich das nicht. Mit deinen angespannten Nerven könnte ich ohnehin nichts anfangen«, fügte ich leise hinzu und bereute meine Worte im selben Moment.

»Ich glaube nicht, dass du in der Position bist, gegen mich auszuteilen, meine Liebe«, rief Mum weiter in den Hörer und ich war froh, dass uns etwa zweihundert Meilen voneinander trennten. Ich hätte einfach auflegen können, so tun, als hätte es das Gespräch nie gegeben, doch dafür war es jetzt zu spät. Ich hatte meiner Mutter gebeichtet, dass ich mein Wirtschaftsstudium im vorletzten Semester geschmissen hatte. Im vorletzten, wie sie es mir in den vergangenen Minuten immer wieder mit Nachdruck in Erinnerung gerufen hatte.

»Wie kann man nur so wenig Ausdauer haben? Immerhin hattest du es schon so weit geschafft. Wie kommst du dazu, diese Entscheidung einfach allein zu treffen? Wir hätten doch darüber reden können, Louisa.«

»Du hättest mich das niemals durchziehen lassen«, erklärte ich, obwohl ich längst in dem Alter war, meine Entscheidungen selbst zu treffen. Doch so wie meine Mutter das sah, traf das scheinbar nicht zu.

»Natürlich hätte ich das nicht! Wie hätte ich zulassen können, dass du deine Zukunft einfach wegwirfst?«

»Siehst du? Deshalb habe ich nichts gesagt. Mum, du weißt nicht, wie schlecht es mir mit dem Studium ging. Es ist nichts, was mich auch nur ansatzweise zu dem bringt, was ich eigentlich machen will.« Ich seufzte und setzte mich auf die Parkbank unweit der Uni, die ich endlich hinter mir lassen konnte. Die Gespräche um mich herum waren laut und heiter, aber ich war froh, kein Teil mehr davon sein zu müssen.

Mum stöhnte genervt in den Hörer. »Kommst du mir jetzt wieder mit dem Kriminalitätsquatsch?«

»Es heißt Kriminologie«, korrigierte ich sie und rieb mir müde die Augen. Wie oft hatte ich versucht, ihr diesen Begriff einzuprägen?

»Sag ich doch. Kriminologie«, wiederholte sie. »Und was willst du damit machen? Verbrecher jagen? Den Präsidenten beschützen? Louisa, sieh das Ganze einmal realistisch. Du bist vierundzwanzig Jahre alt. Jetzt ein neues und zudem nutzloses Studium zu beginnen, wird dich nicht weiterbringen. Du hättest mit deinem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften so viel anfangen können. Meinst du nicht, dass du deine Kündigung zurückziehen kannst? Soll ich mit deiner Direktorin sprechen? Ihr sagen, dass du nicht ganz du selbst warst und …«

»Mum!«, unterbrach ich sie lauthals und eine ältere Dame, die an mir vorbeispazierte, zuckte zusammen und sah mich vorwurfsvoll an. Entschuldigend hob ich die Hand und lächelte ihr freundlich zu. In ruhigerem Ton sprach ich weiter: »Ich werde meine Kündigung nicht zurückziehen und noch weniger will ich, dass du dich einmischst. Die Entscheidung ist gefallen. Ich werde dieses Fach nicht weiterstudieren.«

Erneut ein Seufzen auf der anderen Leitung.

Ich hatte die leise Hoffnung, dass ich Mum endlich erreicht und überzeugt hatte, doch auch dieser Gedanke war nur eine platzende Seifenblase. »Was hätte dein Vater nur dazu gesagt?«

Augenrollend schüttelte ich den Kopf. »Er hätte mich ermutigt, das zu tun, was ich möchte.« Er war immer auf meiner Seite gewesen. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie Mum in ihrem Wohnzimmer stand, den Blick auf Dads Foto auf der Kommode gerichtet, als könnte er ihr sagen, was nun zu tun war. Aber Dad war seit seiner Krankheit vor etwa sechs Jahren nicht mehr bei uns. Ein kurzes Schweigen entstand, bis Mum sich offensichtlich von ihrem Schock erholt hatte. »Was willst du jetzt tun?«

Achselzuckend schaute ich auf die gepackte Reisetasche neben mir. »Ich werde mir einen Job suchen und mich in der Zwischenzeit für ein Studium in Kriminalität bewerben.«

Wieder ein Stöhnen. Sie wusste einfach, wie man jemandem ein schlechtes Gewissen machen konnte, und das nur mit Seufzen und Stöhnen.

»Hast du denn schon einen Job?«

Ich schluckte. »Ich bin noch auf der Suche?« Meine Antwort klang eher wie eine kleinlaute Frage. Erneutes Stöhnen auf der anderen Leitung.

»Okay, Louisa. Ich möchte, dass du nach Hause kommst. Du hast kein Geld für eine Wohnung. Du wirst hier einziehen und dann sehen wir weiter.«

So wie Mum das sagte, hörte es sich mehr an wie ein Befehl als ein mütterlicher Plan, ihrer Tochter beizustehen. So sehr ich mich auch dagegen sträubte, wieder nach Hause zu kommen, so sehr wusste ich, dass ich keine andere Wahl hatte. Ich überlegte kurz, vielleicht bei meiner besten Freundin Marleen unterzukommen. Doch vermutlich wäre in ihren vier Wänden gar kein Platz für mich. Tja, das hatte ich nun davon. Ich hatte mein Studium geschmissen, meinen Platz im Wohnheim verloren und kein Geld, da Mum mir dieses nun nicht mehr zahlen würde. »Bist du dir sicher, dass ich nach Hause kommen soll? Ich meine, nicht dass ich dich irgendwie einenge … Ich könnte vielleicht bei Marleen bleiben …«

»Natürlich sollst du nach Hause kommen! Früher haben wir schließlich auch zusammengelebt, und bis auf deine nervige Angewohnheit, immer irgendwo etwas liegen zu lassen, hat das doch gut funktioniert. Aber ich räume dir deine Sachen nicht mehr hinterher, du bist mittlerweile alt genug.« Ach, jetzt bin ich auf einmal alt genug!

»Sehr gut, Mum. Ich bin noch nicht einmal zu Hause und du gehst jetzt schon beinahe an die Decke.«

»Halt dich einfach an die Hausregeln, dann wird das schon. Bei Marleen zu wohnen, halte ich für keine gute Idee. Immerhin hat sie einen Job und einen Freund. Was willst du dich da aufdrängen? Komm nach Hause. Und dann setzen wir uns zusammen und sehen, wie es mit dir weitergeht.«

Augenblicklich fragte ich mich, ob es vielleicht besser gewesen wäre, wenn ich das nächste Jahr einfach auf der Straße verbracht hätte, nur um meiner Mum dann einen gefälschten Abschluss vor die Nase halten zu können. Der Gedanke schien mir attraktiver als der, wieder zu Hause leben zu müssen. Aber nun war es zu spät. Die Katze war aus dem Sack und ich fühlte mich noch schlechter als zuvor.

»Ich nehme den nächsten Zug nach Hause, dann bin ich heute Abend da«, erklärte ich schließlich.

»Gut. Du hast ja einen Schlüssel, denn ich bin vorher bei der Arbeit. Es gibt viel zu tun!«

»Ist gut. Ich warte zu Hause auf dich«, sagte ich und legte hastig auf, bevor sie mir noch erklären würde, wie ich ein Zugticket zu kaufen hatte. Schließlich war ich jetzt ihre Tochter, die keinen Abschluss hatte und nicht auf eigenen Beinen stehen konnte. In anderen Worten: Ich war die größte Enttäuschung ihres Lebens!

Kapitel 2

Mein Zimmer sah genauso aus wie früher, bevor ich ausgezogen war. Vielleicht hatte es Mum doch geschmerzt, dass ich die Stadt verließ, weshalb sie diesen Raum so erhielt, als würde ich jeden Moment heimkommen. Was ja nun auch der Fall war. Vermutlich war das Wunschdenken, denn meine Mum war mehr General als einfühlsame Mutter und wusste wahrscheinlich nichts Besseres mit meinem Zimmer anzufangen. Sie liebte mich, das wusste ich, sonst hätte sie sich nicht ständig um mich gesorgt und es wäre ihr egal gewesen, was ich mit meinem Leben anfing. Nur konnte sie es nicht so herzlich zeigen. Mein Dad hingegen war ganz anders gewesen. Er war einfühlsam, fürsorglich und liebevoll. Schon oft hatte ich mich gefragt, wie er es so lange mit meiner Mum hatte aushalten können, aber wie heißt es so schön: Gegensätze ziehen sich an. In Mum und Dads Fall traf das auf jeden Fall zu. Mein Dad fehlte mir so sehr, dass es auch nach den vergangenen sechs Jahren noch immer unheimlich schmerzte. Wieder in meinem alten Elternhaus zu sein, machte das alles nicht einfacher.

Achtsam legte ich meine Kleidung in meinen alten Kleiderschrank, dessen Tür noch immer leicht aus den Angeln hing. Als Jugendliche hatte ich vor Wut dagegengetreten und da es meine Schuld war, wurde er auch nicht repariert. Vorsichtig glitt ich mit meinen Fingern über die Tür und seufzte bei der Erinnerung. Nachdem ich mich halbwegs eingerichtet hatte, blickte ich mich um. Alles war noch im selben Grünton gestrichen. Die weiß-grün gestreiften Vorhänge und die grüne Bettwäsche waren an ihrem gewohnten Platz. Man konnte meinen, ich mochte die Farbe einmal sehr. Inzwischen war ich eher der Blautyp, aber ich hatte nicht vor, es mir hier allzu gemütlich zu machen. Immerhin wollte ich mit vierundzwanzig nicht ewig bei meiner Mutter wohnen – eigentlich wollte ich gar nicht bei meiner Mutter wohnen, dachte ich trübsinnig und atmete tief durch. Gerade verließ ich mein Kinderzimmer, als ich hörte, wie Mum die Haustür aufschloss und ins Haus trat. Ein altbekanntes Geräusch. Ich lief die Treppe hinunter und begrüßte sie mit einer Umarmung, die sie zu meiner Überraschung fest erwiderte. »Hi, Mum.«

»Hallo, Louisa. Wie war die Anreise?«, fragte sie, während sie eine Einkaufstasche auf dem Boden abstellte. Hastig nahm ich sie ihr ab und trug sie in die angrenzende Küche auf der linken Seite des Hauses.

»Ganz gut. Keine Störungen oder Verzögerungen«, antwortete ich und hoffte, dass sie nicht sofort auf den Begriffen Studium, Abbrecherin und Versagerin herumreiten würde. Also begann ich geschäftig ihre Einkäufe zu verstauen. Sobald eins dieser Wörter fallen sollte, könnte ich ein Gewürzgurkenglas fallen lassen, um den unangenehmen Themen zu entgehen.

»Gut, wenn wir ausgepackt haben, bereite ich uns etwas zum Abendessen zu. Ich habe einen Riesenhunger. In der Firma war heute einiges los. Ich komme mit der Arbeit langsam nicht mehr hinterher. Und jetzt hat Mathilda auch noch gekündigt!« Mum warf die Arme in die Luft und seufzte. »Sie meinte, sie käme mit meinem scharfen Ton nicht klar. Was ist das bitte für eine schlechte Begründung?«

Eine nachvollziehbare Begründung, dachte ich, zuckte aber lediglich mit den Schultern. »Was hältst du davon, wenn ich uns einen Tee mache, du dich an den Küchentisch setzt und ich uns etwas zu essen koche?«, schlug ich vor und bemerkte Mums skeptischen Blick. Sie sprach es nicht aus, doch ich wusste, dass sie fragen wollte, ob ich überhaupt kochen konnte. Aber sie nickte lediglich und setzte sich an den runden Tisch der alten Landhausküche. Mit wenigen Handgriffen bereitete ich uns einen Tee zu und reichte ihr eine Tasse, ehe ich mich an die restlichen Einkäufe machte und überlegte, was ich kochen könnte. Hin und wieder schaute ich zu Mum, die nicht viel redete. Das hatte sie nach einem langen Arbeitstag noch nie getan. Sie wirkte älter als bei meinem letzten Besuch an Weihnachten. Das war jetzt etwa sechs Monate her. Ihre kurzen braunen Haare waren an den Schläfen leicht ergraut und ich fragte mich, wann sie das letzte Mal beim Friseur gewesen war, um sie zu färben. Früher legte sie großen Wert darauf. Früher, als Dad noch lebte.

»Wie läuft es sonst in der Firma?«, fragte ich, um das Gespräch in eine mir entfernte Richtung zu lenken.

»Wie ich schon sagte, es gibt viel zu tun. Jetzt, da Mathilda gekündigt hat, fehlt mir eine Kraft. Paul ist derzeit noch krankgeschrieben, hat irgendetwas mit dem Magen und Patricia geht bald in Mutterschutz. Obwohl sie meiner Meinung nach noch fit genug wäre, wenigstens ein paar Einkäufe zu erledigen.«

Ich schluckte. Wow, meine Mum würde sogar eine hochschwangere Frau zum Arbeiten verdonnern, wenn das Gesetz es nicht anders vorschreiben würde.

»Wenn das so weitergeht, werde ich bald selbst das Zepter in die Hand nehmen müssen und den Bürokram dann am Abend erledigen.«

Ich griff nach verschiedenem Gemüse und begann, dieses in kleine Stücke zu schneiden. Ich hatte mich für eine leckere Gemüsepfanne mit Pesto entschieden. Ein Gericht, bei dem ich nicht viel falsch machen und meine Mutter zur Abwechslung mal nicht enttäuschen konnte. »Aber Mum, das wirst du niemals allein schaffen. Immerhin läuft die Vermittlungsfirma doch bestens und wirft auch gut was ab. Du wirst sicherlich wieder neue Mitarbeiter finden.« Wenn du sie nicht alle vergraulst.

»Ja«, bestätigte sie mir, »irgendwann schon. Bis dahin muss ich mir aber etwas überlegen.« Sie bedachte mich mit einem vielsagenden Blick, doch ich wandte mich wieder dem Essen zu. Seit ich denken kann, lebte Mum für ihre Arbeit. Vor vielen Jahren hatte sie diese Vermittlungsfirma gegründet, mit der sie Arbeitskräfte an verschiedene Arbeitgeber vermittelte. Sobald jemand eine Aushilfe suchte, schickte Mum einen von ihren Mitarbeitern hin, damit diese die Aufgaben erledigen konnten. Dabei handelte es sich um Jobs wie Botengänge, Fahrservices, Kellnerarbeiten oder Reinigungsaufgaben, die dann für ein paar Tage oder Wochen in Anspruch genommen werden konnten. Manchmal waren sie auch nur einmalig. Je nachdem, was gewünscht wurde. Ich hoffte für Mum, dass sich die Mitarbeitersituation bald wieder regeln würde.

Nachdem wir gegessen und den Abwasch gemacht hatten, zogen wir uns mit einem Glas Weißwein ins Wohnzimmer zurück. Müde ließ ich mich auf die dunkelgrüne Couch fallen und Mum legte ihre Füße auf den Fußhocker vor ihrem Sessel. Draußen hatte sich das warme frühsommerliche Wetter etwas abgekühlt und durch die offenen Fenster wehte eine angenehme Brise ins Haus. Ich zog meinen weißen Cardigan, den ich mir nach dem Essen über mein T-Shirt gezogen hatte, etwas enger.

»Also, nun zu dir«, begann meine Mutter und schwenkte ihr Glas leicht in der Hand, während sie mich genau ansah. Wir saßen uns gegenüber und ich hatte keine Chance ihren bohrenden Blicken zu entgehen. Also trank ich einen langen Schluck und schaute sie unschuldig an. »Was meinst du?«

»Wie soll es mit dir weitergehen?«

Ich stellte mein Weinglas auf dem Couchtisch vor mir ab und bettete meine Hände in den Schoß. »Na ja, ich habe vor, mich an der Howland Universität zu bewerben.«

Mum fielen beinahe die Augen aus den Höhlen. »Du meinst das mit dem Studium also wirklich ernst?«

»Was dachtest du denn? Dass ich ein Online-Seminar mache und dann hat sich das Thema erledigt? Nein, Mum. Ich möchte dieses Fach studieren. Das wollte ich schon immer. Das Wirtschaftsstudium habe ich nur gemacht, weil … na ja, weil es sich eben angeboten hat und ich dachte, es wäre gut dieses Fach zu studieren.« Und weil du es unbedingt wolltest, fügte ich gedanklich hinzu. »Aber ich habe mich geirrt. Ich habe es wirklich versucht, sonst hätte ich noch viel früher abgebrochen, aber jetzt ging es einfach nicht mehr. Meine Noten wurden immer schlechter, weil es mich nicht mehr erfüllt hat. Und ich will etwas tun, das mich glücklich macht. Und mit Kriminologie stehen mir so viele Möglichkeiten offen«, erklärte ich euphorisch und erntete ein Stöhnen.

»Welche Aussichten sollen das bitte sein?«

»Ich könnte danach zur Polizei gehen oder in einem Gefängnis arbeiten. Ich könnte beim Gericht anfangen oder in politischen Institutionen. Aber am interessantesten wäre für mich die Tätigkeit bei der Kriminalpolizei. Doch vorher müsste ich mich für ein Jurastudium einschreiben oder für Sozialwissenschaften oder Psychologie. Anschließend könnte ich dann Kriminologie studieren. Ich habe mich ganz genau informiert«, plapperte ich und wurde immer aufgeregter, endlich mit ihr darüber zu sprechen.

Mum hob die Hand. »Schon gut, schon gut. Nun hol erst mal Luft. Wie willst du das Ganze finanzieren? Schließlich dauert Jura zu studieren ein paar Jahre. Und anschließend dieses Krimi-Studium. Hast du dir überhaupt Gedanken darüber gemacht? Wie alt bist du bitte, wenn du fertig bist? Was ist mit Mann und Kindern? Willst du mit vierzig noch Kinder kriegen?«

Ich hielt kurz die Luft an, um Mum nicht anzubrüllen, dass sie den Ball flach halten soll, und griff nach meinem Glas. »Ich werde nebenbei viel arbeiten müssen, aber das wird funktionieren. Und was die Familienplanung angeht … da habe ich wirklich noch ein bisschen Zeit.«

Mum schüttelte den Kopf, als wäre ich ein kleines Mädchen, das davon träumte eines Tages Präsidentin zu werden. Sie trank einen großen Schluck und sah mich an. »Also gut. Ich mache dir einen Vorschlag«, begann sie und meine Augen wurden größer.

»Du denkst noch einmal ganz genau über das Studium nach. Nicht dass ich das gutheiße, immerhin wirst du nicht jünger und solltest langsam einen Plan von deinem Leben haben. Aber du kommst nun mal nach deinem Vater. Er war auch so ein Traumtänzer. Hat immer nur für seine Träume gelebt und ständig etwas Neues angefangen, aber das ist jetzt nicht das Thema. Du kannst hier wohnen, bis du genug Geld für das Studium und eine eigene Wohnung zusammen hast …«

Ich nickte. Das hörte sich gar nicht schlecht an.

»Aber«, sprach Mum weiter und mir sträubten sich die Nackenhaare. Dieser Ton gefiel mir nicht, denn er besagte, dass es eine Voraussetzung gab, die es in sich haben würde.

»Bis es so weit ist, arbeitest du für mich in der Firma.«

Ich schwieg und sah meine Mutter an, als hätte sie mir gerade einen Mord gestanden. Ehe ich verstand, was sie von mir verlangte, trank ich mein Glas in einem Zug leer. Nicht nur, dass ich unter ihren kontrollierenden Blicken anpacken sollte, ich sollte auch noch Aufträge von ihr entgegennehmen.

»Du möchtest, dass ich für dich arbeite? Dass ich Anweisungen annehme, Dienstmädchen für alles bin oder putze?«

»Willst du damit sagen, dass du dir zu fein für die Arbeit bist?«, antwortete Mum mit einer Gegenfrage und ich schüttelte hastig den Kopf. Wenn man bedachte, dass ich lieber auf der Straße gelebt hätte, als Mum die Wahrheit über mein Studium zu sagen, kam ein Job in ihrer Firma für mich eigentlich nicht infrage. Doch was hatte ich für eine Wahl? Ich hatte keinen Job. Würde so schnell vermutlich auch keinen finden und wohnte bei meiner Mutter, die am längeren Hebel saß und mich in diesem Moment böse anfunkelte.

»Natürlich nicht! Nur habe ich das noch nie gemacht.«

»Du meinst geputzt? Das weiß ich, nachdem ich jahrelang mit dir unter einem Dach gelebt habe …«

»Das meine ich nicht!«, fiel ich ihr ins Wort. Allmählich ging sie mir auf die Nerven. »Ich will damit sagen, dass ich noch nie solche Tätigkeiten für andere verrichtet habe. Kurierdienste und so weiter.«

»Das wirst du schon lernen. Also ist das abgemacht. Du kannst Montag anfangen. Dafür kannst du hier wohnen und dich nebenbei auf deine Flachsidee … ich meine, du kannst dich um dein Studium kümmern.«

Hatte ich schon mal erwähnt, dass Mum einem selten eine Wahl ließ? Aber wenn das bedeutete, dass ich mich um mein Studium kümmern konnte, würde ich dafür in den sauren Apfel beißen. Auch wenn er sehr sauer war.

Kapitel 3

Seit meinem letzten Besuch in meiner Heimatstadt Soulfield – eine niedliche Stadt im nördlichen Teil Amerikas – waren sechs Monate vergangen. Und dass ich kein Rückfahrticket gebucht hatte, fühlte sich merkwürdig an. Dieses Mal war mein Zuhause bei meiner Mum, die darauf lauerte, mir einen Auftrag zu geben, den ich auch ja anständig erledigen sollte. Ich konnte es kaum erwarten, ihr zu zeigen, dass ich nicht die größte Enttäuschung ihres Lebens war und mich als sehr nützlich erweisen würde. Mit einem Coffee-to-go-Becher in der Hand wollte ich gerade das Café verlassen, in dem ich als Teenager häufig mit meiner langjährigen und besten Freundin Marleen gesessen hatte, da klingelte mein Smartphone. Dem aggressiven Klingeln nach konnte es nur meine Mutter sein. Jedenfalls kam es mir so vor, als würde mein Smartphone wütender klingeln, wenn meine Mutter anrief. Hastig nahm ich das Gespräch an.

»Hey, Mum.«

»Louisa? Wo steckst du?«

Ich blickte mich kurz nach einer ruhigeren Ecke um, in der ich telefonieren konnte, ohne dass andere Gäste womöglich Mums laute Stimme hörten. Nur für den Fall …

»Ich habe mir gerade einen Kaffee geholt und gehe ein bisschen durch die Stadt. Ich war lange nicht hier und wollte mich ein wenig umsehen und das schöne Wetter genießen.«

»Gut, nutze deine beiden freien Tage, solange du noch kannst, denn es wartet eine Menge Arbeit auf dich.«

»Hast du einen Job für mich?«

»Einen wirklich wichtigen«, setzte Mum hinzu. »Am besten kommst du ins Büro, dann können wir alles besprechen.«

»Meinst du, dass ich das auch wirklich kann? Sollte ich nicht vielleicht erst einmal etwas Kleineres annehmen? Ich meine, wenn der Auftrag doch so wichtig ist.«

»Glaub mir, ich würde es jemand anderem geben oder selbst machen, wenn ich könnte, aber es kommst im Moment nur du infrage«, gestand Mum, was mich sehr kränkte. Fehlte nur noch, dass sie ein leider hinzusetzte.

»Okay, na gut. Ich komme sofort zu dir. Bis gleich.« Stöhnend verstaute ich mein Smartphone in der Tasche und marschierte in Richtung Ausgang. Von wegen, meine zwei letzten freien Tage genießen! Gerade als ich aus dem Café treten wollte, spürte ich einen Aufprall, gefolgt von etwas Heißem, das sich brennend über meine Hand ergoss. Entsetzt schrie ich auf und blickte zu meiner Verwunderung in ein wütendes Gesicht, welches mich so finster anschaute, dass ich mich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. »Was zum Teufel …?«, fluchte der dazugehörige Mund und ich trat hastig einen Schritt zurück. Vor mir stand ein zugegeben sehr hübscher Mann, in einem sehr teuer aussehenden Anzug. Leider sah dieser durch meinen verschütteten Kaffee nicht mehr so gepflegt aus.

»O mein Gott, entschuldigen Sie bitte«, stammelte ich hilflos und machte Anstalten, dem Mann irgendwie zu helfen. Ich vergaß dabei, dass mir selbst die Haut fürchterlich brannte. »Es tut mir wirklich leid, das war keine Absicht. Ich habe Sie nicht …«

»Haben Sie denn keine Augen im Kopf? Verdammt noch mal! Ich habe gleich einen wichtigen Termin und keine Zeit mich vorher umzuziehen!«, zeterte der Mann weiter und ich biss mir verlegen auf die Unterlippe. Krampfhaft suchte ich in meiner Handtasche nach einem Taschentuch, fand aber keines. »Wie gesagt, das war wirklich keine …«

»Achten Sie das nächste Mal besser darauf, wo Sie hintreten. Himmel noch mal!«

Die Leute, die an uns vorbeiliefen, blickten uns mit staunenden Gesichtern an. Logisch, so eine Szene auf offener Straße fesselte jeden. Ich versuchte, die Leute zu ignorieren und warf meinen fast leeren Kaffeebecher in den Mülleimer neben mir. Dass ich mich selbst komplett mit Kaffee eingesaut hatte, schien den Typen nicht im Geringsten zu interessieren. Dann angelte ich nach meinem Portemonnaie und suchte nach den richtigen Worten, in der Annahme, dass er mich endlich meinen Satz zu Ende bringen lassen würde. »Ich kann mich nur tausendmal entschuldigen. Wirklich. Ich gebe Ihnen gerne Geld für die Reinigung, oder wissen Sie was? Am besten gebe ich Ihnen meine Adresse und Sie schicken mir einfach die Rechnung«, schlug ich vor und rechnete mir im Geiste aus, wie viele Pfandflaschen ich sammeln müsste, um die Rechnung von diesem teuren Anzug bezahlen zu können. Irgendwie hatte ich gehofft, ihn somit besänftigen zu können, doch da hatte ich mich wohl getäuscht. Der Mann sah mich irritiert an. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«

»Ich denke, dafür sind Sie ein bisschen zu schwer«, scherzte ich und verfluchte mich innerlich für meinen schlechten Witz. Wieder bedachte er mich mit einem Blick, als würde er mich gleich in der Luft zerreißen wollen. Instinktiv wich ich einen Schritt zurück. »Entschuldigen Sie, das war leider nicht so witzig, wie es gedacht war …«

»Das ist ganz und gar nicht witzig und Ihre Almosen können Sie sich schenken. Glauben Sie etwa, ich kann meine Rechnung nicht selbst zahlen? Was ich brauche ist kein Geld, sondern eine Zeitmaschine, die mir jetzt die Stunde gibt, die ich benötige, um mich umzuziehen.« So lange brauchte er, um sich umzuziehen? Das war ja wohl maßlos übertrieben!

Langsam wurde ich sauer. Immerhin hatte ich mich mehrmals entschuldigt und ihm den Kaffee garantiert nicht mit Absicht über seinen Anzug geschüttet. Ich war an dem Punkt, an dem ich bereute, dass ich nicht das komplette Getränk auf ihn gegossen hatte. Verdient hatte er es jedenfalls. Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Wissen Sie was? Eben dachte ich noch, dass es mir mit Ihrem Anzug ehrlich leidtun würde. Aber Sie lassen mich ja nicht einmal richtig aussprechen. Geben Sie mir doch einfach die Nummer von Ihrem Terminpartner und ich sage ihm, dass es ein dummer Fehler meinerseits war. Vielleicht lässt sich mit der anderen Person besser reden als mit Ihnen!«

»Allmählich gehen Sie mir wirklich auf die Nerven«, herrschte mich der Mann an, der fieberhaft versuchte, den Fleck mit einem Taschentuch zu entfernen. Als hätte er meinen Satz gar nicht wahrgenommen.

»Und allmählich scheinen Ihnen die Argumente auszugehen. Wenn Sie meine Entschuldigung nicht annehmen wollen und auch mein Geld nicht möchten, kann ich leider nichts mehr für Sie tun. Viel Spaß bei Ihrem Termin«, rief ich aufgebracht und verschwand zwischen den gaffenden Leuten, ehe der Mann, der mir unter anderen Umständen mit seinem dunklen Haar und den nussbraunen Augen wesentlich besser gefallen hätte, noch etwas erwidern konnte.

Kapitel 4

»Was ist denn mit dir passiert?«, begrüßte mich Mum mit entsetztem Blick und malte sich vermutlich die schlimmsten Szenarien aus, in denen natürlich ich die Schuldige war. Dass mir vielleicht jemand seinen Kaffee übergeschüttet haben könnte, daran würde sie im Traum nicht denken.

Ich betrat ihr kleines Büro, was sich in einem Gebäude mit vielen anderen Gemeinschaftsbüros befand, und setzte mich seufzend auf einen der beiden Plastikstühle vor ihrem Schreibtisch.

»Ich wurde angerempelt. War nur ein dummes Missgeschick«, erklärte ich und versuchte nicht weiter darauf einzugehen.

Mum schüttelte lautlos den Kopf und widmete sich einer Akte auf ihrem Schreibtisch, die sie mir reichte. Mir geht es gut, habe keine Verbrennungen oder so, hätte ich am liebsten noch hinzugefügt, weil sie nicht weiterfragte. Sie verlor keine Zeit. Als wäre die Akte ein Heiligtum aus einer längst vergessenen Ausgrabungsstätte, nahm ich sie entgegen und sah meine Mutter fragend an. »Ist das der Auftrag?«

Sie nickte. »Es ist einer der größten, die ich seit langem bekommen habe«, erklärte sie mit Nachdruck.

»Und worum geht es dabei?«

»Mr Ethan Bradford, der bekannteste und vor allem wohlhabendste Junggeselle in Soulfield, benötigt eine Assistentin in seiner Villa.«

Forschend ergründete Mum meine Reaktion, doch ich zuckte lediglich mit den Achseln. »Ich kenne keinen Ethan Bradford. Muss ich das?«

Mum fielen fast die Augen aus dem Gesicht. »Jeder kennt Mr Bradford. Immerhin ist er der Inhaber von Bradford Security!«

»Diese Sicherheitsfirma?«, staunte ich.

Sie nickte. »Genau diese. Er hat sich bereits im gesamten Land einen Namen gemacht und erst kürzlich ist er mit seiner Firma nach Kanada expandiert. Du kannst dir denken, dass er dabei wenig Zeit hat, sich um seine hauseigenen Angelegenheiten zu kümmern.«

»Ich kann mir kaum vorstellen, dass er sich überhaupt um etwas selbst kümmern muss.«

»Dafür hat er auch seine Angestellten«, erklärte Mum und lehnte sich in ihrem quietschenden Bürostuhl zurück. »Seine bisherige Assistentin hat gekündigt und daraufhin hat sich sein Stellvertreter Mr Scowman bei mir gemeldet und mir diesen Job erteilt.« Sie lächelte gewinnend. Scheinbar musste das der Durchbruch für Mums Firma sein.

»Das Honorar ist höher als alles, was ich mit unseren kleinen Aufträgen einnehme. Daher habe ich ihm für Montag direkt zugesagt.«

Nachdenklich spielte ich an einem Eselsohr an der Akte auf meinem Schoß herum. »Aber Assistentin … Was genau verstehe ich darunter? Seine Termine planen? Soll ich auch Botengänge und so was machen?«

»Natürlich!«, rief Mum, als wäre ich komplett unterbelichtet. »Du wirst früh am Morgen bei ihm aufschlagen und ihm in allen möglichen Dingen zur Seite stehen. Und wenn er möchte, dass du seinen Wagen polierst oder die Krallen seines Pudels mit rotem Nagellack lackierst, dann wirst du das anstandslos tun.« Sie zog die Augenbrauen so weit in die Höhe, dass sie beinahe am Hinterkopf landeten.

Ermattet nickte ich. Immerhin hatte ich keine Wahl und war von diesem Job abhängig. So ungern ich mir das auch eingestehen wollte.

»Muss ich auch diese supermodische Kleidung tragen? Businesshose, Blazer und hohe Schuhe, auf denen ich kaum laufen kann?«, scherzte ich schließlich, um endlich ein Lächeln auf Mums Lippen zu zaubern, doch sie sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Dann lehnte sie sich leicht über den Tisch und räusperte sich. Ich kannte dieses Räuspern. Das hatte sie früher schon immer getan, wenn ich in der Schule etwas Dummes angestellt hatte und mich erklären musste. Mum hatte dieses unschlagbare Talent, einen mit bloßem Blick zum Schweigen zu bringen. Am liebsten hätte ich mir auf der Stelle die Lippen zugenäht, damit ich nicht noch mehr dummes Zeug von mir geben konnte.

»Louisa, du wirst dich zusammenreißen. Von diesem Job hängt eine ganze Menge ab. Wenn nicht sogar meine gesamte Existenz und somit auch deine. Die Mitarbeiter sind weg und ich bin mehr oder weniger allein und muss mich erst um gutes Personal kümmern. Und bis dahin wirst du dir Mühe geben, hast du verstanden?«

Schluckend nickte ich. Wie hätte ich sie missverstehen können?

»Du wirst dich am Montag um sieben Uhr bei Mr Scowman melden und dir von ihm alles zeigen lassen. Zieh dir etwas Schickes an und warte darauf, dass er dir passende Dienstkleidung reicht, wenn sie gewünscht wird«, erklärte Mum.

»In Ordnung«, schnaufte ich resigniert. »Aber bist du dir sicher, dass ich schon um sieben Uhr da sein muss? Das ist ganz schön früh«, konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen, denn ich wusste, dass es sie auf die Palme bringen würde.

Mit einem strafenden Blick scheuchte sie mich aus ihrem Büro und ich verschwand so eilig, wie ich gekommen war. Als ich nach draußen auf den Gehweg der belebten Straße trat, atmete ich tief ein und wieder aus. Ich hatte gewusst, dass es schlimm werden würde für Mum zu arbeiten, aber dass es so grausig war, hätte ich nicht einmal im Traum gedacht. Als Chefin hatte sie im Umgang mit Mitarbeitern noch einiges zu lernen, aber das würde ich ihr lieber nicht sagen.

Kapitel 5

Das Wochenende ging schneller vorbei, als ich gehofft hatte, und so musste ich mich am Montagmorgen wohl oder übel meinem allerersten Arbeitsauftrag stellen. Gott sei Dank hatte ich den gestrigen Tag noch mit meiner besten Freundin Marleen verbracht und ihr von all meinen Problemen erzählt. Wir hatten uns mit einem Kaffee an den See gesetzt, an dem wir uns früher immer getroffen hatten und uns alles von der Seele geredet, was uns beschäftigte. Während es bei mir mein abgebrochenes Studium und der neue Job bei Mum waren, war es bei ihr ihr Freund, der sie derart vereinnahmte, dass während unseres Treffens etwa zehn Nachrichten eingegangen waren, in denen er fragte, wann er sie abholen, was er zum Abendessen vorbereiten und ob er noch einkaufen gehen sollte. Zwischendurch dachte ich, dass es mich vielleicht doch nicht so schlecht getroffen hatte wie Marleen. Unser Wiedersehen hatte so gutgetan, dass ich beinahe dachte, es könnte sich alles wieder richten. Beinahe. Denn als ich am Montagmorgen zum Frühstücken die Küche betrat, musterte Mum mich bereits mit einem finsteren Ausdruck. »Willst du etwa in dieser Aufmachung zur Arbeit gehen?«

Ich blickte fragend an mir herab, konnte an meinem weißen Langarmshirt, der dunkelblauen Jeans und meinen schwarzen Ballerinas aber nichts Verwerfliches erkennen.

»Du sollst einen guten Eindruck machen und professionell wirken«, wetterte Mum weiter und stellte ihren Kaffeebecher mit Nachdruck auf dem Küchentresen ab. Dann stampfte sie an mir vorbei. Mit gesenktem Kopf folgte ich ihr. »Ehrlich gesagt finde ich nicht, dass ich unpassend gekleidet bin. Weiß ist immer gut und außerdem …«

» … wirkst du wie eine Studentin, die die Nacht durchgemacht und nichts Besseres zum Anziehen hat. Himmelherrgott«, fluchte sie und ich wusste, dass ich ihr das kaum übel nehmen konnte, denn ihre Nerven schienen blank zu liegen. Ich durfte diesen Job nicht vermasseln.

Sie marschierte in mein Zimmer und durchsuchte meinen Kleiderschrank, in den ich am Vorabend meine Kleidung extra ordentlich einsortiert hatte. Mit gespitzten Lippen erforschte sie meine Garderobe und zog schließlich eine weiße Bluse mit halblangen Ärmeln hervor.

»Hm«, machte sie und hielt das Kleidungsstück wie ein Modedesigner vor meinen Körper. »Auf jeden Fall besser als das, was du jetzt anhast. Zieh die hier an. Hast du noch eine schwarze Hose? Sie passt besser zu deinen Schuhen, die sind immerhin okay.«

Augenrollend wandte ich mich ab und suchte in meiner alten Kommode nach einer schwarzen Jeans. Als ich sie hochhielt, erhellte sich Mums Blick. »Schon besser. Ich sehe dich in fünf Minuten unten. Und binde dir die Haare zusammen, damit wirkst du professioneller«, rief sie über die Schulter, doch da schloss ich schon die Tür hinter ihr.

Nachdem mich Mum noch zehn Mal instruiert hatte, wie ich mich an meinem ersten Arbeitstag verhalten sollte, lief ich beinahe fluchtartig aus dem Haus. Ich fuhr mit dem Bus etwa zwanzig Minuten, bis ich direkt vor einem gusseisernen Tor herausgelassen wurde. Rechts und links von mir befand sich eine weiße Mauer, hinter der prachtvolle Büsche und Blumen hervorragten. Eine Villa konnte ich noch nicht erkennen, denn der Weg, den ich durch das Tor sehen konnte, schlängelte sich durch einen Park. Suchend schaute ich mich nach einer Klingel um und fand sie zu meiner Rechten direkt unter einer schwarzen Kugel, die aus der Wand hervorragte. Vermutlich eine Überwachungskamera. Mit dem Finger betätigte ich den kleinen Knopf und kurz danach ertönte ein Summen und das Tor öffnete sich vor mir wie durch Zauberhand. Der sandige Weg unter meinen Schuhen knirschte und schon nach wenigen Metern ragte ein weißes Gebäude vor mir auf. Ich kam aus dem Staunen kaum heraus, als ich einen Blick auf die erhabenen Säulen warf, die sich vor der Haustür befanden und einen Balkon darüber zu halten schienen. Die Villa wirkte beinahe wie ein Hotel. Ein Nobelhotel, besser gesagt, und beherbergte zu ihrer Rechten einen riesigen Wintergarten, dessen Fenster von innen von lauter Zimmerpflanzen verdeckt wurden. Der Vorgarten war so akkurat geschnitten, als hätte hier jemand mit der Nagelschere Hand angelegt. Die Rosenbüsche, die sich um das Gebäude erstreckten, leuchteten in einem knalligen Rot, was die weiße Farbe der Villa kontrastreich hervorhob. In meinem Magen rumorte es vor lauter Aufregung und ich konnte kaum erwarten, die Villa von innen zu sehen.

Kurz bevor ich die Haustür erreichte, die stark an die Eingangstür einer Kirche erinnerte, wurde diese plötzlich von innen geöffnet und ein strahlender Mann in schwarzem Anzug trat mir entgegen. »Du musst Louisa sein!«

Er reichte mir die Hand und ich atmete erleichtert auf. Vermutlich war er der Stellvertreter von diesem Mr Bradford. Ich schätzte ihn auf etwa Mitte vierzig, denn an den Rändern seiner dunklen Haare machten sich bereits graue Haare bemerkbar und einige Falten erstreckten sich unter seinen freundlichen Augen, was ihn sympathisch wirken ließ.

»Ich bin Mr Scowman, aber nenn mich ruhig Thomas«, begrüßte er mich überschwänglich und reichte mir seine kräftige Hand, die ich höflich schüttelte.

»Dann nennen Sie mich gerne Louisa«, entgegnete ich lächelnd.

»Ich mache dir einen Vorschlag: Wir duzen uns und nennen uns beim Vornamen, solange Mr Bradford es nicht mitbekommt.« Er zwinkerte mir verschwörerisch zu. Scheinbar gefiel es Mr Bradford nicht, wenn seine Kollegen sich wohlfühlten, dachte ich mit einem unguten Gefühl im Bauch. Wer siezte denn heutzutage noch gerne? Aber vielleicht würde ich ihn ja auch gar nicht oft zu Gesicht bekommen, wenn er ohnehin viel am Arbeiten war. Das hoffte ich jedenfalls.

Ich nickte etwas zurückhaltend, bevor Thomas mich breit angrinste und mir mit einem Kopfnicken bedeutete, einzutreten. Mit klopfendem Herzen und dem strengen Vorsatz, dass ich Mum auf keinen Fall enttäuschen würde, betrat ich die heiligen Hallen des Ethan Bradford. Ich hatte das Gefühl, dass die Villa von innen noch größer war, als sie von außen den Anschein machte, und bekam mein Staunen kaum unter Kontrolle. Thomas lachte neben mir. »Wahnsinn, nicht?«

»Es ist riesig«, pflichtete ich ihm bei und sah mich ehrfürchtig um. So ziemlich alles hier war weiß und wirkte edel und teuer. Weißer Fußboden, weiße Wände und eine weiße Steintreppe, die in rundlicher Form ein Stockwerk nach oben führte. Der Eingangssaal war so groß wie die Mensa aus meiner ehemaligen Uni und führte in mehrere Richtungen. Rechts von mir stand ein schwarzes Klavier, umgeben von einer schicken Sofagarnitur. Vor meinem geistigen Auge saßen hochnäsige ältere Menschen darauf und begutachteten unter strengen Blicken den unnahbaren Ethan Bradford, der versuchte, sich in die gehobene Klasse zu spielen. Natürlich konnte ich das nicht mit Sicherheit sagen, aber unwillkürlich kam mir diese Geschichte in den Sinn. Musste man sich nicht erst einmal einen Platz bei den Schönen und Reichen verdienen?

»Na, dann zeige ich dir erst alles. Du wirst dir das Ganze sowieso nicht auf einmal merken können, aber dafür bin ich ja da. Also«, setzte er an und marschierte voran, rechts an der ausladenden Treppe vorbei, die auch aus einem Märchen hätte stammen können, »hier geht es zum wichtigsten Bereich des Hauses, dem Wohnzimmer, in dem sich das meiste Leben abspielt. Insofern hier mal Leben stattfindet«, fügte er noch hinzu. Ich folgte ihm hastig und trat durch eine doppelflügelige Tür, die uns in den Wohnbereich führte. Wieder einmal überkam mich ein Staunen, denn das Wohnzimmer hätte aus einer teuren Hotellobby stammen können. Edle Möbel standen wie in einem Ausstellungsraum da, als dürfte man sie nicht berühren. Grünblau gestreifte Sofakissen auf einem ebenso grünen Untergrund, dessen Farbe sich deutlich von dem restlichen Raum abhob. Gemütliche Filmabende konnte ich mir hier nicht vorstellen. Eine derart große Fensterfront, die mich an die Größe einer Kinoleinwand erinnerte, zeigte auf die angrenzende Terrasse und einen gepflegten Garten.

»Meine Güte«, entfuhr es mir. »Meine Mum, ähm, ich meine, meine Chefin hat mir gesagt, dass es eine Villa ist, aber dass sie einem Luxushotel gleicht, hätte ich nicht erwartet.«

Thomas nickte zustimmend. »Ja, es ist überwältigend. Vor allem wenn man bedenkt, dass es nur von einer Person genutzt wird.«

»Fühlt man sich da nicht irgendwie … einsam?«

Achselzuckend wanderte Thomas weiter durch den Raum zu einer angrenzenden Tür. »Vermutlich schon. Und wenn du mich fragst, würde ich meinen kleinen Bungalow, in dem ich mit meiner Familie lebe, hierfür nicht hergeben.«

Er öffnete eine Tür, die zum Speiseraum führte, der im Gegensatz zu dem Teil der Villa, den ich bereits gesehen hatte, in dunkleren Farbtönen gehalten war. Dunkles, schweres Mahagoniholz zierte beinahe den gesamten Bereich. Der Esstisch mitten im Raum, die Regale rundherum und auch die Kommoden und Anrichten ließen alles eher altmodisch wirken. Das einzig Fröhliche hier waren die cremefarbenen Vorhänge an den rundlichen Fenstern, die ebenfalls in den Garten zeigten.

»Hier finden die Abende mit Geschäftspartnern und Kunden statt«, erklärte Thomas und schritt voran in das nächste Zimmer.

Es folgten der Zigarren- und ein Billardraum, zwei Arbeitszimmer und mehrere Bäder, bis wir schließlich in der Küche ankamen. Die Küche war selbstverständlich ebenfalls riesig und blitzeblank. Weiße Steinplatten dienten als Arbeitsfläche, während weiße Hochglanzmöbel den Raum zum Strahlen brachten. Rotkarierte Vorhänge ließen die Küche jedoch ländlich und heimelig wirken, sodass ich mich hier bisher am wohlsten fühlte.

»Einer der wichtigsten Bereiche für uns Angestellte«, erklärte Thomas und betätigte einen Kaffeevollautomaten. Er hielt fragend eine rote Tasse hoch. »Kaffee?«

»Sehr gern, danke«, antwortete ich und setzte mich an einen runden Holztisch – auch dieser war weiß, wurde aber von einer roten Tischdecke aufgelockert. »Neben der Küche gibt es noch einen Aufenthaltsraum für uns, wo wir unsere Pausen machen können.«

»Gibt es denn noch mehr Angestellte hier?«, fragte ich neugierig.

Ein lautes Brummen erfüllte die Küche, als der Automat seiner Pflicht nachkam. Thomas nickte. »Es gibt eine Köchin, die sich allerdings nur um Speisen kümmert, wenn Gäste im Haus sind oder Feste anstehen. Da Mr Bradford den Tag über wenig im Haus ist, ist die Küche meistens kalt oder er isst außer Haus. Außer morgens, da wirst du ihm sein Frühstück zubereiten.«

»Und wenn er wider Erwarten nicht außer Haus isst?«, hakte ich skeptisch nach.

»Dann ist es deine Aufgabe, ihm etwas Essbares vor die Nase zu setzen«, grinste Thomas schelmisch.

Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Zwar konnte ich ganz gut kochen, aber bestimmt nicht gut genug, um die Ansprüche eines reichen Junggesellen zu erfüllen. Vielleicht könnte ich hier meine Fähigkeiten als Pizzabotin unter Beweis stellen.

»Keine Sorge«, sagte Thomas dann einfühlsam und stellte eine dampfende Tasse vor meine Nase, »es ist alles halb so schlimm und Mr Bradford ist ganz umgänglich, wenn man ihn erst einmal richtig kennengelernt hat.«

»Ganz umgänglich«, wiederholte ich vorsichtig. Bisher hatte ich das Gefühl, dass man in Mr Bradfords Nähe nicht einmal ungefragt atmen durfte, so steif fühlte sich das Zuhause an.

»Ich hoffe einfach, dass ich meine Aufgaben gut erledigen werde. Meine Mum … Chefin, also meine Mum ist meine Chefin und hat mir zu verstehen gegeben, dass ich sie nicht enttäuschen darf«, gab ich ehrlich zu. Thomas wirkte so vertrauenserweckend, dass ich das Gefühl hatte, als könnte ich ihm alles erzählen.

Er nahm sich seinen Kaffee und setzte sich zu mir. »Das Gute ist, dass ich immer erreichbar bin. Ich bin zwar nicht häufig vor Ort, da ich Mr Bradford größtenteils in der Firma unterstütze, aber ich habe ein funktionierendes Handy, und wenn es Probleme gibt, dann schreibst du mir. Einverstanden?«

Ich nickte dankbar. »Das wäre wirklich eine tolle Unterstützung. Ach, und wie sieht es mit Kleidung aus? Muss ich eine Uniform oder so tragen?«

Thomas winkte ab und trank einen Schluck. »Darauf wird hier nun wirklich nicht geachtet. Zieh dich so an, wie du jetzt angezogen bist, und versuch, nichts kaputt zu machen, dann läuft das schon.«

»Ist mit zwei linken Händen nicht immer ganz einfach«, klagte ich in meinen Becher.

»Du hast noch nie als persönliche Assistentin gearbeitet, liege ich da richtig?«

Kurz überlegte ich, was ich antworten sollte. Immerhin könnte er mich direkt feuern und Mum zur Rede stellen, warum sie ihm eine unfähige Person geschickt hat, doch so wie Thomas die Frage stellte, war es kein Vorwurf.

»Na ja, sagen wir mal so, ich fange gerade erst an zu lernen«, wich ich ihm aus.

»Eins muss ich deiner Mutter lassen, sie kann wirklich überzeugend sein.«

»Du wirst mich doch nicht gleich wieder nach Hause schicken, oder? Schließlich werde ich versuchen, mein Bestes zu geben«, brabbelte ich aufgeregt los. Der Umstand, dass ich nicht einmal zwei Stunden im neuen Job ausgehalten hatte, wäre für meine Mutter ein gefundenes Fressen.

»Nun bleib ganz ruhig«, lachte Thomas schließlich und ein erleichterter Seufzer entwich mir.

»Kopf hoch, wir kriegen das schon hin. Ich zeige dir alles und werde dich für Mr Bradford unverzichtbar machen. Wirst schon sehen. Na, dann komm mal mit. Ich zeige dir den Rest des Hauses und dann fangen wir mit den Grundlagen an, okay?«

Dankbar nickte ich und hatte die leise Hoffnung, dass ich das hier gut meistern würde – zumindest mit Thomas' Hilfe.

Kapitel 6

Die restlichen Räume der Villa waren genauso, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Das Gebäude bestand im oberen Stockwerk hauptsächlich aus Gäste- und Schlafzimmern, einem Leseraum und vier Bädern, unter anderem angrenzend an die Gästezimmer. Mr Bradfords Schlafbereich hatten wir nur flüchtig begutachtet, denn irgendwie fühlte es sich nicht richtig an, einfach hineinzugehen. Das würde ich noch oft genug tun müssen, wenn ich ihm frische Wäsche auf sein Zimmer bringen oder mich um die Blumen kümmern würde, was, wie Thomas mir erklärte, durchaus zu meinen Aufgaben zählen würde. Allmählich bekam ich das Gefühl, dass ich weniger seine Assistentin war, sondern vielmehr seine Reinigungskraft.

Kurz darauf betraten wir den Keller, der sich unterhalb des Gebäudes in seiner vollen Größe erstreckte. Es gab sogar einen eigenen Pool! Außerdem einen Kinoraum und mehrere Zimmer, in denen die Wäsche gemacht wurde oder Vorräte gelagert wurden. »In diesem Keller wirst du einige Zeit verbringen, wenn du dich um die Einkäufe oder um die Wäsche kümmerst. Der Poolraum muss jeden zweiten Tag gewischt werden und die Pflanzen hier unten benötigen jeden zweiten bis dritten Tag Wasser«, erklärte Thomas, während er mit schnellen Schritten durch den Keller schritt und immer wieder auf seine Armbanduhr blickte.

»Das gehört also auch zu meinen Aufgaben«, murmelte ich.

Thomas hielt einen Moment inne und lächelte aufmunternd. »Ich weiß, es ist nicht gerade verlockend, vor allem, da der Job als Assistenzjob deklariert wurde. Aber nicht nur Mr Bradfords Assistentin hat ihren Job gekündigt, sondern auch das Dienstmädchen. Mr Bradford fand es also passend, dich gleich in alle Belange des Hauses einzuarbeiten. Dennoch gehen die Aufgaben, die er dir gibt, natürlich vor.«

»Schon gut«, beschwichtigte ich ihn, »es ist alles in Ordnung. Ich hoffe nur, dass ich auch alles kann.«

»Da sorge ich schon für«, versicherte Thomas mir und nahm mich leicht am Ellenbogen. »Und nun komm, gehen wir wieder hoch.« Als wir wieder oben waren, musste ich erst einmal durchatmen. »Das Haus kommt mir vor wie ein Labyrinth.«

»Du gewöhnst dich dran«, lachte er und schritt zu einer Kommode in der Eingangshalle, auf der eine Mappe lag. Er reichte sie mir.

»Hat Mr Bradford das Haus selbst eingerichtet? Ich frage nur, weil es teilweise etwas altmodisch wirkt und andererseits wieder so modern.«

Thomas sah sich kurz um und nickte zustimmend. »Er hat die Villa vor etwa drei Jahren einem alten Pärchen abgekauft. Jetzt ist er dabei, nach und nach alles zu renovieren, aber derzeit kümmert er sich um viele andere Dinge. Da kommt die Villa ein bisschen zu kurz.« Er deutete mit seinem Blick auf die Mappe. »Hier steht alles drin, was du für den Tagesablauf wissen musst. Wöchentliche Termine von Mr Bradford wie zum Beispiel Tennis, wobei du streng darauf achten musst, dass seine Sporttasche pünktlich gepackt vor der Eingangstür steht.«

Ich machte große Augen. »Und was muss da alles rein? Ich meine, wo finde ich seine Turnschuhe und die Sportkleidung? Hat er eine bestimmte Wasserflasche, die er benutzt?«

Wieder lachte Thomas und hob beschwichtigend eine Hand. »Keine Sorge, das findest du in dieser Mappe. Ich muss jetzt leider los und komme erst am späten Nachmittag wieder. Meinst du, du kommst so lange allein klar?«

Ich nickte knapp und zwang mich zu einem Lächeln.

Thomas deutete mit einem Kopfnicken auf die Unterlagen in meinen Händen. »Setz dich damit in die Küche und lies dir alles genau durch. Schau dich in Ruhe um und wenn du Fragen hast, dann schreib sie mir auf, oder schick mir eine Nachricht. Meine Nummer findest du ebenfalls in den Unterlagen.«

»Du meinst wohl in der Enzyklopädie für ahnungslose Dienstmädchen. Die Mappe hat mehr Seiten als die Bibel«, sagte ich ein wenig erschlagen und pustete die Luft aus.