Every Forbidden Piece of You - Jennifer Lillian - E-Book

Every Forbidden Piece of You E-Book

Jennifer Lillian

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Beschreibung

Er ist der einzige Mann, den Marleen nicht lieben darf und doch kann sie sich ihm nicht entziehen Marleen zieht sich nach dem tragischen Unfalltod ihrer Eltern auf das Anwesen ihrer Freundin Stella in Südostengland zurück. Als sie droht, in ihrer Traurigkeit zu versinken, taucht plötzlich der geheimnisvolle Ryan auf, der sie mit seinem Charme verzaubert. Ein Mann, den sie auf keinen Fall lieben darf. Niemand ist verbotener als Ryan – der Halbbruder von Stella, mehrere Jahre älter und zudem auch noch ihr Boss. Seiner Anziehungskraft kann Marleen sich nicht entziehen und gibt sich Ryan hin. Als ihre Affäre ans Licht kommt, verliert Marleen ihren Job und Ryan droht von seiner Familie verstoßen zu werden. Sind ihre Gefühle füreinander so stark, dass sie trotz aller Widerstände wieder zueinanderfinden?

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Seitenzahl: 370

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Every Forbidden Piece of You

Die Autorin

Jennifer Lillian  wurde 1991 in der Kleinstadt Soltau geboren und lebt heute, gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn, noch immer in der Lüneburger Heide. Nachdem sie ihr Studium in Bibliotheks- und Informationsmanagement in Hamburg erfolgreich abgeschlossen hat, arbeitete sie als Social Media Managerin und Redakteurin in einem Hamburger Online-Magazin.  Auch in ihrer Freizeit beschäftigt sie sich gerne mit Worten, indem sie in den verschiedensten Büchern versinkt oder aber selber Romane schreibt. Ihr Debütroman erschien im Juli 2017. 

Das Buch

Er ist der einzige Mann, den Marleen nicht lieben darf und doch kann sie sich ihm nicht entziehen

Marleen zieht sich nach dem tragischen Unfalltod ihrer Eltern auf das Anwesen ihrer Freundin Stella in Südostengland zurück. Als sie droht, in ihrer Traurigkeit zu versinken, taucht plötzlich der geheimnisvolle Ryan auf, der sie mit seinem Charme verzaubert. Ein Mann, den sie auf keinen Fall lieben darf. Niemand ist verbotener als Ryan – der Halbbruder von Stella, mehrere Jahre älter und zudem auch noch ihr Boss. Seiner Anziehungskraft kann Marleen sich nicht entziehen und gibt sich Ryan hin. Als ihre Affäre ans Licht kommt, verliert Marleen ihren Job und Ryan droht von seiner Familie verstoßen zu werden. Sind ihre Gefühle füreinander so stark, dass sie trotz aller Widerstände wieder zueinanderfinden?

Jennifer Lillian

Every Forbidden Piece of You

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Juli 2023 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrusISBN 9783958187078

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Kissing the Bodyguard

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

TriggerwarnungDieses Buch beschäftigt sich mit sensiblen Themen wie Unfall, Tod und Trauer.

Prolog

Ich weiß nicht mehr, wann genau mein Herz aufgehört hatte zu schlagen. War es bei dem Anruf, der mir die Nachricht überbracht hatte, dass sie nie wiederkommen würden? Meine Eltern. Oder war es der Moment auf dem Friedhof, in dem ich ihnen für immer Lebewohl sagen musste, mich von ihrem Grab, das noch frisch dalag, abwandte und den langen Gang zurück zum Auto marschierte. Zum Auto meiner Tante, die die ganze Zeit über nichts gesagt, sondern nur auf die beiden Särge gestarrt und mich ignoriert hatte. Die kurz darauf neben mir im Wagen saß, weiterhin schwieg und mit mir zum anschließenden Leichenschmaus fuhr, der in ihrem Haus stattfinden würde. Als Kind war ich oft da gewesen, es war mir immer noch vertraut. Was aber alles änderte, war, dass ich von nun an auch dort leben würde. In einem Haus voller Kälte und abschätzigen Blicken.

»Nur bis du Fuß gefasst und dein Leben wieder im Griff hast«, hatte sie mir gesagt und mich angesehen, als wäre ich eine lästige Fliege, die sie nicht so schnell loswerden würde. Ich wusste, dass meine Tante Anne und meine Eltern kein sonderlich gutes Verhältnis gehabt hatten, daher hatte es mich umso mehr gewundert, dass sie mich überhaupt bei sich wohnen ließ. Ich hatte keine Ahnung, was genau zwischen ihnen vorgefallen war. Ich wusste nur, dass Tante Anne keine großen Stücke auf mich hielt. Vielleicht lag es daran, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Vor ein paar Jahren hatte ich einmal ein Gespräch meiner Eltern mitbekommen, in dem es um Dads Vermutung ging, dass Tante Anne eifersüchtig auf meine Mum gewesen war. Vielleicht war dem so. Vielleicht auch nicht. Aber jetzt hatte ich nur noch sie. Wenn man das überhaupt so nennen konnte.

»Bis du dein Leben wieder im Griff hast.«

Ja, wann würde das wohl sein? Nächste Woche, nächsten Monat oder in einem Jahr? Wann würde mein gebrochenes Herz wieder normal schlagen? Wann würde ich den Schmerz überwinden, der mich von innen auffraß und drohte, nichts von mir übrig zu lassen? Und je länger ich mich in meinem tristen Zimmer umblickte, nachdem ich meine Reisetasche auf das alte Bett im Gästezimmer abgelegt hatte, desto mehr fragte ich mich, wie ich das alles meistern sollte. Wie konnte ich den Verlust meiner Eltern, die mir so plötzlich durch einen Autounfall entrissen wurden, in diesem Haus verarbeiten? Mit einem Menschen an meiner Seite, der mich mit einer Verachtung anblickte, als wäre ich der Grund für alles Schlechte auf dieser Welt?

So viele Fragen wirbelten mir durch den Kopf, und eine Antwort war weit und breit nicht in Sicht. Bis zu dem Tag, an dem mir meine beste Freundin Stella einen Vorschlag machte.

»Ich sehe doch, wie unglücklich du bei deiner Tante bist. Du solltest das Angebot meiner Eltern zumindest überdenken.« Sie hielt meine Hand, während wir auf den Stufen zu dem Haus meiner Tante saßen und auf die Wellingtonstreet, am Rande von Northfield, einer kleinen Stadt im Norden von England, blickten.

»Das ist sehr großzügig von deinen Eltern, wirklich. Aber ich kann doch nicht einfach bei euch wohnen, wenn ich eigentlich hier bei meiner Tante leben kann«, widersprach ich und spürte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten. Wie gerne ich einfach von hier weggegangen wäre. Doch ich hatte nicht viel von meinen Eltern geerbt. Das Haus, in dem wir gelebt hatten, war nur zur Miete gewesen, die ich unmöglich stemmen konnte. Und das Geld, das ich von ihnen geerbt hatte, würde ich für die Studienkosten brauchen.

»Aber das ist kein Leben!« Stella schüttelte entschieden den Kopf. »Ihr beide könnt euch nicht ausstehen, und es wundert mich ohnehin, dass du bei ihr wohnen darfst.«

»Nur bis ich mein Leben wieder im Griff habe«, zitierte ich meine Tante und schnaubte verächtlich.

»Ja, aber das wirst du nicht schaffen, wenn du hierbleibst. Bei uns hast du ein großes Zimmer mit einem Bad ganz für dich allein. Unser Haus ist riesig, auf eine Person mehr oder weniger kommt es da nicht an. Du nimmst dein Studium wieder auf, suchst dir nebenbei einen Job und kommst langsam wieder auf die Beine. Meine Eltern lieben dich quasi wie eine eigene Tochter, und sie wollen dir helfen. Und ich sowieso. Du gehst seit zwei Jahren ein und aus, als würdest du längst bei uns wohnen. Es würde sich nichts ändern, außer dass du deinen eigenen Schlüssel bekommst.« Stellas Beharrlichkeit hatte mich schon immer fasziniert. Kein Wunder, dass sie Psychologie studierte und irgendwann einmal in die Eheberatung gehen wollte. So viel Empathie hatte ich in den vergangenen Wochen jedenfalls nicht aufgebracht. Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe, ließ den frühsommerlichen Wind auf mich wirken und beobachtete die triste Umgebung um mich herum. Sollte mein Leben von jetzt an nur noch deprimierend sein? Das würde es bei Tante Anne jedenfalls. Schließlich schenkte ich meiner besten Freundin ein Lächeln. »Okay, gut. Manchmal sind deine Vorschläge gar nicht so dumm.«

Stella lachte überrascht auf und erhob sich voller Tatendrang. »Ich wusste doch, dass ich dich überreden kann! Also los, schnappen wir uns deine Sachen.«

Etwa eine halbe Stunde später hatte ich das Nötigste gepackt und hinterließ meiner Tante einen Zettel, auf dem ich ihr mitteilte, dass ich nicht wiederkommen und nun bei meiner besten Freundin wohnen würde. Sie rief mich nicht wieder an, und somit war die Sache geklärt. Und es sollte nicht mehr lange dauern, bis ich meinen schwachen Herzschlag endlich ein wenig intensiver spüren würde.

Kapitel 1

»Erzähl mal, hast du dich inzwischen eingelebt?« Stella schmiss sich auf mein frisch gemachtes Bett und starrte mich mit ihren großen haselnussbraunen Augen an. Ihre blonden langen Haare fielen ihr dabei ins Gesicht, und sie schob sie elegant beiseite.

Lachend schüttelte ich den Kopf und verstaute ein paar meiner Sachen im Kleiderschrank, der von jetzt an mir gehören sollte. »Es geht mir noch genauso wie vor einer Stunde, als du mir dieselbe Frage gestellt hast.« Ich warf ihr ein T-Shirt entgegen, das sie mit der Hand auffing. Stella rollte sich auf den Rücken. »Ich möchte einfach nur, dass du dich wohlfühlst und es dir an nichts fehlt.«

Ich lächelte sie dankbar an und faltete ein paar Shirts zusammen, die ich auf einem Stapel ordentlich drapierte und anschließend im Schrank verstaute. Dann trat ich einen Schritt auf sie zu, entzog ihr mein Shirt und warf es in den Wäschekorb neben dem Kleiderschrank.

»Ich fühle mich sehr wohl hier und bin euch unglaublich dankbar. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dankbar. Das alles hier ist einfach überwältigend. Das Haus, dieses Zimmer, einfach alles. Wenn ich darüber nachdenke, womöglich noch immer bei meiner Tante zu wohnen … ich will es mir gar nicht vorstellen.«

»Und du bist sicher, dass du nichts weiter brauchst? Wir haben sonst noch andere Zimmer, die …«

»Es ist alles bestens«, fiel ich Stella ins Wort und schob meine leere Reisetasche unter mein Bett. »Wirklich, mach dir keine Sorgen. Das Zimmer ist großartig und sehr gemütlich. Du hast sicherlich nicht vergessen, wie ich bei Tante Anne gehaust habe. Harry Potters Besenkammer unter der Treppe ist ein absoluter Luxus dagegen.« Mir kamen die Bilder meines ehemaligen Zimmers im Hause meiner Tante vor Augen. Sie hatte sich nicht sonderlich viel Mühe gegeben und mir das schäbigste Zimmer überlassen. Nicht einmal Vorhänge gab es, die ich am Abend zuziehen konnte.

»Das Geld ist im Moment sehr knapp«, hatte sie gesagt, als sie mir das Zimmer gezeigt hatte. »Und es sieht nicht so aus, als ob sich das bald bessern würde.«

Ich wusste, dass sie am liebsten noch hinterhergeschoben hätte: weil ich dich nun mit durchfüttern muss. Aber dass sie es nicht laut aussprach, zeigte mir, dass sie wohl doch noch ein wenig Anstand besaß. Den genervten Blick, den sie mir in diesem Moment zugeworfen hatte, würde ich allerdings so schnell nicht vergessen. Hier bei den Stevens’ hatte ich endlich wieder das Gefühl, irgendwo dazuzugehören. Stellas Eltern trafen in Sachen Einrichtung genau meinen Geschmack. Helle pastellfarbene Töne, sowohl an den Wänden als auch in der Einrichtung wie Bettwäsche und Teppichen. Das Anwesen wirkte trotz seiner imposanten Größe überaus freundlich und einladend, und ich hatte mich – in Anbetracht der Umstände – sofort wie zu Hause gefühlt. Immerhin würde ich hier nicht in ein noch tieferes Loch fallen, als ich ohnehin schon steckte. Hier zu sein, machte meine Trauer ein wenig erträglicher.

»Wir könnten es ein bisschen mehr nach deinem Geschmack einrichten«, schlug Stella vor und hatte wieder diesen vorfreudigen Blick. Ich nickte schließlich und ließ mich neben ihr auf dem Doppelbett nieder. Die Matratze gab etwas nach, und ich strich gedankenverloren mit den Fingern über die seidige beigefarbene Bettwäsche. »Vielleicht können wir losziehen und schauen dann nach ein paar kleinen Highlights wie Kerzen, Lichterketten oder so. Ansonsten mag ich das Zimmer, wie es ist. Dafür, dass es ein Gästezimmer ist, ist es supergemütlich.« Inzwischen war ich sogar dankbar dafür, dass es in unserem alten Mietshaus eine Haushaltsauflösung gegeben hatte und fast nichts mehr übrig war, bis auf ein paar persönliche Dinge und Möbel, die ich mithilfe der Stevens’ in einem Container eingelagert hatte.

Stella lächelte breit. »Das freut mich. Wirklich, Marleen, ich möchte einfach nur, dass du glücklich bist. Sofern es eben möglich ist.«

Ich legte meine Hand auf ihr Bein. »Das weiß ich zu schätzen. Dein Dad, deine Mum und du, ihr seid einfach großartig.«

»Hat sich deine Tante noch einmal gemeldet?« Stella schaute mich aus kugelrunden Augen an und schob sich eine verirrte Haarsträhne hinter ihr Ohr.

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, wird sie vermutlich auch nicht. Vielleicht höchstens, wenn sich die Post für mich dort häufen sollte. Da fällt mir ein, dass ich mich dringend noch ummelden muss.«

»Das können wir direkt morgen machen, wenn wir in die Stadt fahren und shoppen gehen. Ich kann trotzdem nicht verstehen, dass deine Tante so eiskalt zu dir ist. Immerhin hat sie auch ihre Schwester verloren, als deine Eltern … na ja …«

Schulterzuckend knibbelte ich an meinen ohnehin schon abgekauten Fingernägeln. »Sie haben sich noch nie gut verstanden, und mich fand Tante Anne schon immer fürchterlich, glaube ich. Jedenfalls habe ich mal gehört, wie sie zu Onkel Stan sagte, dass ich fürchterlich erzogen sei. Viel zu wenig Regeln bekommen habe. Ich weiß nicht, ob nicht doch noch mehr zwischen ihnen vorgefallen ist, aber es wäre eine Erklärung dafür. Dass sie mich aufgenommen hat, ist vermutlich nur für ihr gutes Gewissen gewesen, damit sie jedem auf die Nase binden kann, wie sehr sie doch an dem Verlust ihrer Schwester zu knabbern hat und mir zur Seite stehen will.«

Stella schnaubte verächtlich. »Tut mir leid, aber ich habe deine Tante noch nie gemocht. Und dein Onkel kann froh sein, dass er schon vor Jahren das Weite gesucht hat.«

»Das kannst du laut sagen.«

»Wo wir schon mal bei der buckligen Verwandtschaft sind, ich wollte dir noch sagen, dass du am Wochenende herzlich eingeladen bist, den Geburtstag von meinem Dad mitzufeiern.«

»Dein Dad hat Geburtstag? Oh nein, das habe ich ja völlig vergessen. Ich habe nicht einmal ein Geschenk für ihn!«

»Überhaupt kein Problem. Das können wir morgen auch direkt erledigen, ich habe nämlich auch noch nichts«, sagte Stella lachend und erhob sich vom Bett. »Es werden einige Leute kommen, immerhin wird mein Dad fünfzig. Die Feier findet bei uns im Garten statt und geht bis spät in die Nacht, darauf kannst du dich schon mal einstellen. Die Leute haben Durst und freuen sich, wenn sie was umsonst kriegen, und mein Dad ist nun mal sehr spendabel. Selbst mein großer Bruder wird kommen, wo er sich doch sonst nie hierherbequemen kann. Es wird also etwas Besonderes.« Ich erinnerte mich an ein paar Gespräche über Stellas Halbbruder, den ich allerdings bisher noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Das Einzige, was ich über ihn wusste, war, dass er knappe zehn Jahre älter war als wir und sich nur für seine Arbeit interessierte. Und nicht die lupenreinste Vergangenheit hatte, wenn man den Erzählungen von langen Partynächten und Frauengeschichten glaubte.

»Ich komme gerne«, antwortete ich etwas aufgeregt und blickte zum Kleiderschrank. »Was soll ich denn anziehen?«

»Irgendwas Schickes, was man eben auf einer Gartenparty anzieht. Keine Sorge, wir finden etwas Schönes für dich.«

»Lass mich raten: auch morgen.«

Stella grinste und warf ihre Haare über die Schultern. »Du siehst, es wird ein langer Tag werden.«

Nachdem Stella mein Zimmer verlassen hatte, saß ich da und starrte auf den Fußboden. So lieb mich ihre Eltern auch aufgenommen hatten und so schön es hier war, ich vermisste mein altes Zuhause, mein altes Leben und vor allem meine Eltern. Vermisste dieses Gefühl, dazuzugehören, als Ganzes und nicht nur als Gast, dem man irgendwie helfen wollte. Ich wollte Teil von jemandem sein. Ich wollte wieder Freude empfinden und nicht nur diese tiefe Leere in mir.

Die nächsten Tage vergingen zu meiner Überraschung rasend schnell. Stella war jedenfalls ein Grund, weshalb die Zeit an mir vorbeirauschte, denn sie ließ mich kaum aus den Augen. Wir kauften ein, um mein Zimmer ein bisschen mehr nach meinen Wünschen zu gestalten, und gingen anschließend einen Tee in unserem Lieblingscafé trinken. Bristham, die nördlichste Stadt Englands, die für ihren traumhaften Nationalpark berühmt war, hatte neben der Pflanzenvielfalt auch zahlreiche gemütliche Cafés zu bieten. Nachdem wir eine kurze Verschnaufpause eingelegt hatten, machten wir uns auf die Suche nach einem Geschenk für Stellas Vater Jeffrey.

»Was schenkt man einem Mann, der alles hat?«, fragte ich meine Freundin, die ratlos neben mir stand und ein Parfüm nach dem anderen testete. »Es ist jedes Jahr die gleiche Hölle, die ich beim Geschenkekaufen für Dad durchlebe. Der Mann hat einfach alles und kann sich alles selbst kaufen. Von daher ist deine Frage durchaus berechtigt. Und ich kann dir nur sagen: Ich habe keine Ahnung.« Sie schnupperte an ihrem Handgelenk, verzog angewidert die Nase und stellte die Flasche wieder zurück ins Regal.

Ich musste laut lachen. »Lass mich raten, du schenkst deinem Dad jedes Jahr ein Parfüm?«

»Jap, jedes Jahr, und jedes Jahr tut er so, als würde er sich riesig darüber freuen. Ist das nicht eine schöne Vater-Tochter-Liebe?«, sagte sie kichernd, und ich stockte kurz.

Nachdem Stella bewusst wurde, was sie da gesagt hatte, legte sie mir mitfühlend eine Hand auf die Schulter. »Entschuldige, Mare, ich hab …«

»Ist schon okay, wirklich«, beteuerte ich und bemühte mich um ein unbeschwertes Gesicht, obwohl der Gedanke daran schmerzte, dass ich meinem Dad niemals wieder ein billiges Parfüm würde kaufen können.

»Also«, versuchte ich die traurige Stimmung beiseitezuschieben und sah mich im Kaufhaus um. »Ich denke nicht, dass wir hier das Richtige finden werden, um deinem Dad eine Freude zu machen. Was hältst du davon, wenn du ihm etwas Persönlicheres schenkst?«

»Was schlägst du vor?«

Schulterzuckend blickte ich sie an. »Was unternimmt dein Dad denn gerne?«

»Er golft, er geht gerne essen – meistens mit Kunden.«

»Hm, er isst also gerne. Kann er kochen?«

Stella lachte ungläubig auf. »Großer Gott, nein! Dad kann sehr gut Essen bestellen, aber es selbst zubereiten? Nein, definitiv nicht.«

»Wie wäre es, wenn du ihm was kochst?«

»Happy Birthday, Dad! Hier, ich habe dir eine Tiefkühlpizza in den Ofen geschoben. Bist du irre? Ich kann genauso wenig kochen wie mein Dad.«

»Dann helfe ich dir«, schlug ich vor. »Wir schenken ihm und deiner Mum einen wunderbaren Abend zu zweit. Wir bekochen ihn mit allem Drum und Dran. Von der Vorspeise bis zur Nachspeise und mit leckeren Getränken. Ich bin mir sicher, dass dein Dad so was viel zu selten erlebt.«

»Ja, er ist ständig unterwegs, und manchmal glaube ich, dass es ihm alles ein bisschen zu viel wird. So ein Abend könnte wirklich mal eine Abwechslung sein«, stimmte sie mir zu. »Und damit er dazu noch eine Erinnerung bekommt, schenken wir ihm ein schönes Foto von ihm und Mum. Vielleicht können wir eines von ihnen zusammen an seinem Geburtstag schießen. Das drucken wir dann aus und schenken es ihm beim Essen.«

»Also bekommt er am Wochenende eine Art Gutschein«, sinnierte ich weiter und bemerkte, wie Stella mich erleichtert anblickte. »Ich wusste doch, dass es sich lohnt, dich bei uns wohnen zu lassen«, scherzte sie und zog mich am Arm mit sich. »Dann müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir den Gutschein gestalten wollen.«

Kapitel 2

»Und ich kann wirklich so gehen?« Ich stand vor dem großen Spiegel in Stellas Zimmer und drehte mich um meine eigene Achse. Skeptisch betrachtete ich das roséfarbene Kleid, das mir bis zu den Knien reichte und mit einer niedlichen weißen Schleife um die Hüften ausgestattet war. Vor wenigen Tagen im Kaufhaus hatte es mir noch gut gefallen, dennoch erschien es mir jetzt ein bisschen zu kurz für einen fünfzigsten Geburtstag.

Stella stand da, die Arme fest vor der Brust verschränkt, und musterte mich wie eine Designerin ihr Model. »Selbstverständlich kannst du so gehen. Marleen, du siehst toll aus! Und gerade die kurzen Ärmel und das Strickmuster passen großartig zu dir.«

»Aber nicht mein trauriges Gesicht. Wirklich, vielleicht sollte ich mich lieber hier verstecken und nicht den Gästen die gute Laune verderben. Ich bin einfach noch nicht in Feierlaune«, seufzte ich schließlich und griff fahrig nach den gleichfarbigen Ballerinas, die Stella mir hilfsbereit unter die Nase hielt. Sie kam einen Schritt auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß, dass es noch sehr früh ist. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es dir guttun würde, dich ein wenig abzulenken. Wenn du jetzt hierbleibst und hörst, wie viel Spaß die Leute draußen haben, dann wirst du dich noch mieser fühlen. Versuch es doch einfach mal, und wenn du dann immer noch lieber allein sein möchtest, dann kannst du ja reingehen, okay?«

Ich nickte und rang mir ein Lächeln ab. Stella hatte zwar recht, aber wohl war mir trotzdem nicht. Allerdings würde es auch ein wenig unhöflich wirken, wenn ich nicht auf der Feier dabei war, wo ich doch hier wohnen durfte. Außerdem war Jeffrey – Stellas Dad – so voller Vorfreude gewesen, als er gesehen hatte, wie wir bei der Organisation und Dekoration im Garten geholfen hatten.

»So, und nun komm. Du siehst toll aus, hast wunderschöne Beine, auf die ich nebenbei bemerkt echt neidisch bin, und eine großartige Figur. Mit dem Kleid bist du auf keinen Fall overdressed. Immerhin laufen hier alle so rum. Gewöhn dich besser dran. Jetzt müssen wir dir nur noch deine Haare ein wenig hochstecken, et voilà!«

»Stella, du kommst aus einer ganz anderen Welt als ich«, rief ich ihr in Erinnerung und dachte daran, dass wir uns bis vor zwei Jahren noch gar nicht kannten. Aber was ein Milchshake nicht so alles anrichten konnte. Seit wir nämlich im kleinen Diner in der Innenstadt ineinander gerannt sind, waren wir unzertrennlich. Stella mit Erdbeershake auf dem Pullover und ich mit Vanilleshake in den Haaren. Eine erste Begegnung, die ich nicht missen möchte. Auch Stellas Eltern schlossen mich schnell ins Herz, und irgendwann ging ich bei den Stevens ein und aus. Eine zweite Familie.

»Du gehörst schon eine ganze Weile zu meiner Welt und jetzt eben noch ein bisschen mehr. Wie ich schon sagte: Gewöhn dich dran, denn wenn du hier bei uns lebst, dann wirst du dich auch dementsprechend kleiden müssen. Zumindest bei solchen Veranstaltungen. Und jetzt komm, ich habe einen Riesenhunger und brauche dringend ein Glas Sekt, damit ich die Blicke der ätzenden Zwillingstöchter von Dads Kollegen irgendwie ertragen kann.«

Die Gartenparty war nach etwa einer Stunde bereits in vollem Gange. So viele Menschen um uns herum, dass ich sie kaum zählen konnte. Der Garten war festlich geschmückt und erinnerte beinahe an eine Hochzeit. Weiße Rosen und Hortensien zierten den mittleren Teil des Gartens, in dem die Tische und Stühle für die Gäste aufgestellt waren. Unter einem weißen Pavillon befand sich eine Bar, an der viele Gäste lachend anstießen. Ich war schon einmal bei einem großen Familienfest der Stevens’ gewesen, aber eine Feier in diesem Stil hatte ich noch nicht erlebt. Am Rande des Gartens hatte sich eine Band aufgestellt und gab vorerst leise Musik von sich, sodass sich die Leute unterhalten konnten.

Stella und ich hatten uns einen Tisch mitten im Getümmel gesucht und beobachteten die Menschen um uns herum. Während meine beste Freundin mir erklärte, wer zu wem gehörte, betrachtete ich das Geschehen mit großem Interesse. Schließlich entdeckte ich auch die sogenannten »ätzenden Zwillingstöchter«, vor denen mich Stella eindringlich gewarnt hatte.

»Die sind einfach fürchterlich«, bemerkte Stella neben mir. Sie trugen beide dasselbe grüne Kleid und die gleichen Sonnenhüte. Beide sahen aus, als wären sie einem Heimatfilm entsprungen. Fehlten nur noch geflochtene Körbe mit bunten Blütenblättern darin.

»Sieh sie dir nur an, wie sie lachen und dabei so entzückend die Hände vor den Mund halten. Kicher, kicher. Und in Wahrheit sind sie der Teufel persönlich – in doppelter Ausführung!«, wetterte meine Freundin weiter und brachte mich zum Lachen.

»Wie viel hattest du denn schon mit ihnen zu tun, um das wirklich beurteilen zu können?«, hakte ich skeptisch nach und trank einen Schluck von meinem Sekt, den uns ein Kellner vor einer Weile gereicht hatte.

»Sie sind auf fast jeder Feier, die mein Dad schmeißt, dabei, und immer scheint es, als ob sie keiner Fliege was zuleide tun könnten, aber in Wirklichkeit lästern sie über alles und jeden. Sie machen andere Leute nieder. Glaube mir, ich beobachte sie schon eine Weile, und auf allen Firmenfeiern, wenn ihr Daddy nicht hinsieht, sprechen sie mit verschiedenen Angestellten, nur um sie bei anderen wiederum schlechtzumachen. Ich glaube, die wollen einfach nur die Wir-sind-die-Töchter-vom-Boss-Karte ausspielen und ihre Macht demonstrieren.« Stella schüttelte neben mir den Kopf, als könnte sie die Anwesenheit der beiden kaum ertragen, und wandte sich ihrem Glas zu. »Man munkelt: Eine der beiden hatte mal was mit dem CEO von der Firma ihres Dad. Der war gefühlt zwanzig Jahre älter. Ich meine, wer tut denn so was? Ausgerechnet mit einem älteren Mann?«

»Wie alt darf denn bei dir ein Mann höchstens sein?«, wollte ich wissen.

»Allerhöchstens drei Jahre älter als ich. Ich meine, überleg doch mal, wie stark die Interessen auseinandergehen, wenn der Altersunterschied so groß ist. So was kann einfach nicht funktionieren. Denk mal darüber nach, wie es ist, wenn jemand fünfzig ist und der andere Partner beispielsweise fünfundsechzig. Der eine geht noch viele Jahre schuften, während der andere schon in Rente ist und die Welt bereist.«

Ich kicherte über Stellas ernsten Gesichtsausdruck. »Wow, ich wusste gar nicht, dass du so strikte Vorstellungen von einer Beziehung hast.«

Schulterzuckend trank sie einen Schluck und ließ ihren Blick schweifen. »Vielleicht liege ich mit meiner Annahme auch komplett daneben. Dennoch glaube ich, dass man in dem Teich fischen sollte, in dem man schwimmt. Und damit meine ich gleichaltrige Fische«, setzte sie hinzu, und mir sprudelte beinahe der Sekt aus der Nase, als ich lauthals auflachen musste. »Meine Güte, Stella! Gerade dir hätte ich ein bisschen mehr Offenheit zugetraut. Willkommen im 21. Jahrhundert.«

Sie klimperte unschuldig mit den Wimpern. »Nun ja, in mancherlei Hinsicht bin ich vielleicht ein bisschen zu voreingenommen.«

»Aber nur ein kleines bisschen«, meinte ich ironisch. Plötzlich ertönte neben uns eine Stimme, und eine rundliche Frau, mit außergewöhnlich großem Sonnenhut, rief Stellas Namen und winkte dabei eifrig. »Stella, Schätzchen! Ach, Liebes, komm doch mal her und begrüße eine alte Freundin.«

»Oh Gott«, seufzte Stella, und wieder musste ich lachen. »Das ist Mrs Sirting – die Vorsitzende von Dads Golfclub. Eine anstrengende Frau, sage ich dir. Aber sie mag meinen Dad unheimlich gerne, und mir spendiert sie immer ein Freigetränk, wenn ich mit Dad zum Golfen gehe. Also, wenn ich nicht bald wiederkomme, dann komm bitte nach mir suchen. Sie tut so, als wäre ich die Enkelin, die sie nie hatte.«

Traurig folgte ich Stellas Blick. »Vielleicht wünscht sie sich so sehr Enkel, dass sie das auf dich projiziert.«

»Sie hat fünf Enkelinnen in meinem Alter!«

»Oh.«

Nachdem Stella sich mit einem aufgesetzten Lächeln vom Stuhl erhoben und mir einen letzten hilflosen Blick zugeworfen hatte, verschwand sie schließlich in ihrem blassblauen knielangen Kleid in der Menschenmenge und ließ mich allein zurück. Schmunzelnd blickte ich ihr hinterher. Sie hatte es mal wieder geschafft, mich von meiner Trauer abzulenken. Stella war einfach die Beste, und ich war tatsächlich froh, nun hier zu sitzen und nicht allein in meinem Zimmer. Mittlerweile schienen alle Gäste eingetroffen zu sein, und ich überlegte, wie ich mich am besten unters Volk mischen konnte, damit ich hier nicht am Tisch saß, mit einem Glas Sekt in der Hand, wie bestellt und nicht abgeholt. Doch meine Pläne zerschlugen sich in demselben Moment, in dem ich in diese dunkelbraunen Augen blickte, die mich zwar nur flüchtig streiften, meinen Herzschlag allerdings schnell beschleunigten. Der Mann, dem diese Augen gehörten, blickte kurz in meine Richtung und widmete sich dann wieder seinem Gegenüber. Dabei lachte er lauthals, strich sich seine dunkelbraunen Haare mit einer lässigen Handbewegung nach hinten und steckte die andere Hand in die Tasche seiner dunkelgrauen Anzughose. Seine muskulösen Arme kamen unter dem engen weißen Hemd, das er trug, so stark zur Geltung, dass ich meinen Blick kaum von ihm nehmen konnte. Wann hatte ich das letzte Mal einen so schönen Mann gesehen? Ich schluckte, und als er sich plötzlich in meine Richtung wandte, riss ich meinen Kopf hastig herum und starrte verlegen auf mein Glas.

Oh Gott, dachte ich und schloss einen Moment die Augen. Hatte er mich etwa beim Starren erwischt? Ich griff nach meinem Glas und kippte den Inhalt etwas zu hastig hinunter.

»Darf ich mich setzen?«, hörte ich kurz darauf eine tiefe Stimme neben mir, worauf ich mich an meinem Sekt verschluckte. Hustend blickte ich auf und sah dem Mann ins Gesicht, den ich eben noch beobachtet hatte. Nach Luft japsend nickte ich und brauchte einen Augenblick, ehe ich wieder zu Atem kam. Himmel, war das peinlich!

»Alles in Ordnung?«, fragte er und lächelte mich amüsiert an. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«

Nachdem ich meine Stimme wiedergefunden hatte, hob ich abwehrend meine Hand. »Ist schon in Ordnung, ich habe mich nur verschluckt.«

»Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?«

Kopfschüttelnd räusperte ich mich ein letztes Mal und hoffte, dass sich meine Gesichtsfarbe wieder normalisiert hatte. »Nein, vielen Dank. Ich sollte einfach gar nichts mehr trinken«, fügte ich leise hinzu. Oder nachdenken, oder reden. Einfach nur in Luft auflösen …

»Das wäre sehr schade, wo ich Sie doch eigentlich fragen wollte, ob Sie nicht vielleicht mit mir anstoßen möchten.«

Skeptisch sah ich ihn an und versuchte meinen aufgeregten Atem zu kontrollieren. »Und worauf wollten Sie anstoßen?«

»Na, auf diesen wunderbaren Tag und darauf, dass ich Ihre Bekanntschaft machen darf«, antwortete er, und seine Lippen formten sich zu einem breiten Grinsen.

»Ach, dürfen Sie denn meine Bekanntschaft machen?«, scherzte ich und zog eine Braue in die Höhe. Mir gefiel seine tiefe Stimme. Sie hatte etwas an sich, dass ich ihm am liebsten stundenlang zuhören würde. Sie klang sehr männlich und beinahe melodisch.

»Oh, ich bestehe darauf. Immerhin ist es ungewöhnlich, eine so hübsche junge Frau wie Sie hier allein sitzen zu sehen, zwischen all den Menschen.«

»Und wenn ich gerne allein hier sitze?«

»Damit Sie mich besser beobachten können?«, konterte er, und mir schoss die Hitze in die Wangen.

»Ähm, ich … also …« Nervös strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und wich seinem Blick aus, indem ich in die Menschenmenge schaute, die keinerlei Notiz von uns nahm.

»Schon gut, schon gut«, lachte er auf und schüttelte den Kopf. Dabei entblößte er eine Reihe weißer Zähne, und kleine Lachfältchen bildeten sich unter seinen Augen. »Das war nur ein Scherz. Ich habe Sie hier allein sitzen sehen und dachte, ich sage mal Hallo und biete Ihnen etwas zu trinken an. So ganz ohne irgendeinen Hintergedanken und ohne Sie erschrecken zu wollen.«

»Na ja, allein bin ich eigentlich nicht«, entkräftete ich seinen Eindruck – nicht, dass er noch dachte, ich wäre ein Einsiedlerkrebs oder so was. »Ich bin mit meiner Freundin hier, nur ist sie irgendwie plötzlich verschwunden.«

»Dann leiste ich Ihnen einfach so lange Gesellschaft, bis Ihre Freundin wieder auftaucht. Was halten Sie davon?« Er legte den Kopf schief, und mein Blick fiel auf den leicht geöffneten Kragen seines Hemdes. Was hätte ich nur dafür gegeben, einen Blick unter den Stoff zu erhaschen. Kaum merklich schüttelte ich den Kopf und fragte mich, wo plötzlich diese merkwürdigen Gedanken herkamen. Das war mir noch nie passiert!

»Das ist sehr nett von Ihnen, danke«, antwortete ich schließlich.

»Ich bin Ryan«, sagte er dann und hielt mir seine Hand hin, die ich zögerlich ergriff. Sie war warm, und schlagartig hatte ich den Drang, die Hand einen Moment länger als angebracht festzuhalten. »Marleen.«

»Freut mich, Marleen.« Er räusperte sich und schob seinen Stuhl ein klein wenig dichter an meinen heran. Dabei atmete ich seinen herben Duft ein, der sein gutes Aussehen nur noch verführerischer machte.

»Also, Marleen«, begann er dann und lächelte wieder so gewinnend, als wüsste er, wie sehr er mich aus der Fassung brachte. Vermutlich wusste er es auch ganz genau. »Was führt Sie hierher?«

»Wie gesagt, ich bin nur die Begleitung meiner Freundin und genieße das gratis Essen und Trinken.« Und die gute Aussicht, fügte ich in Gedanken hinzu.

Lachend lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück. Dabei ließ er seinen Blick durch die Menschenmenge schweifen. »Ich frage mich, was die Leute an diesen Veranstaltungen finden. Ich meine, alle schmeißen sich in Schale, ziehen Kleidung an, die viel zu eng ist, als dass man sich darin bequem bewegen könnte, und lachen über flache Witze von Menschen, die sie kaum kennen.«

»Mhh«, machte ich und dachte über seine Worte nach. Auch ich lehnte mich zurück und versuchte mich ein wenig zu lockern. Die Sonne schien kräftig, es war herrliches Wetter, und dieses prickelnde Gefühl, das sich in mir breitmachte, ließ mich mutiger werden. Ein bisschen Small Talk würde ich also bestens hinbekommen. Auch wenn mein Gesprächspartner so gut aussah, dass ich ihn beinahe für unecht hielt. Am liebsten hätte ich ihn mit meiner Hand berührt, um sicherzugehen, dass er auch wirklich real war. »Ich finde solche Veranstaltungen eher interessant. Immerhin kann man hier die Menschen beobachten, welche neidischen Blicke sie sich untereinander zuwerfen, wer hinter wessen Rücken über jemanden spricht und wer sich später vielleicht noch beim Tanzen blamiert, sobald der Alkohol auf das Gemüt schlägt.«

Nachdenklich zog Ryan eine Augenbraue hoch. »Auch wieder wahr. Vielleicht muss ich einfach mal meinen Blickwinkel verändern.«

»Kann manchmal ganz hilfreich sein«, stimmte ich ihm zu.

»Sie haben mich neugierig gemacht«, begann er und sah mich mit seinem schiefen Lächeln an. »Erzählen Sie mir was über sich.«

Ich lachte überrascht auf. »Da gibt es nicht so viel zu erzählen.«

»Doch, das glaube ich schon«, beharrte Ryan, und ich spürte, wie sich eine Spannung zwischen uns auftat, wie ich es mit einem Mann noch nie erlebt hatte. Mein Herz schlug viel zu schnell, als es gesund sein konnte. »Dann erzählen Sie mir, was Sie hier bisher so beobachtet haben.«

»Sie zum Beispiel«, platzte es plötzlich aus mir heraus, und ich musste lachen. »Aber das haben Sie ja schon mitbekommen.«

»Und warum haben Sie mich beobachtet?« Interessiert betrachtete er mich, und ich sah ihm in die tiefdunklen Augen, bevor mein Blick zu seinem gepflegten Dreitagebart und schließlich zu seinem Mund wanderte.

»Auch wenn es nur zwei kurze Sekunden waren, sind Sie mir doch aufgefallen«, gestand ich und versuchte mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.

»Jetzt bin ich aber gespannt.«

»Sie sind der Einzige, der auf dieser Veranstaltung ohne Jackett herumläuft und weder eine Fliege noch eine Krawatte trägt«, sagte ich grinsend. »Ich hätte jetzt eigentlich etwas Spannenderes erwartet, aber ja, das haben Sie gut beobachtet.«

»Freut mich, wenn ich Sie mit meinem analytischen Blick begeistern konnte.« Ich griff nach meinem Sektglas.

»Möchten Sie denn auch wissen, was ich beobachtet habe?«, hakte er nach. Mit einem Nicken bestätigte ich, dass er fortfahren sollte, und kurz musterte er mich, ehe er zu sprechen ansetzte. »Nun, ich wiederum habe bemerkt, dass Sie ein bisschen … wie soll ich das sagen?« Er suchte nach den richtigen Worten, ehe er mich wieder ansah. »Sie sehen ein bisschen verloren aus. Damit meine ich nicht, dass Sie zwischen all den Menschen verloren wirken, verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich glaube, dass hinter Ihrem schönen Lächeln etwas Trauriges steckt.«

Etwas trotzig sah ich ihn an. »Wow, Sie sind ja ein richtiger Psychologe. Und was genau hat mich verraten?«

»Ihr Lächeln hat Ihre Augen nicht erreicht. Das genügt schon, um zu erkennen, ob jemand richtig fröhlich und ausgelassen ist oder nur lächelt, um den Schein zu wahren.«

Ich senkte den Blick und schob mein Glas zwischen meinen Händen hin und her. »Damit haben Sie vielleicht sogar recht. Heute ist nicht mein bester Tag.« Tatsächlich hatte Ryan komplett ins Schwarze getroffen. Natürlich war es der Geburtstag von Jeffrey Stevens. Dennoch war da ein kleiner Funken Neid in mir, den ich immer spürte, wenn ich sah, wie fest Jeffrey seine Tochter in den Arm nahm, sie auf den Scheitel küsste oder sie voller Stolz seinen Gästen vorstellte. Wie sehr wünschte ich mir, noch einmal von meinem Dad in die Arme geschlossen zu werden.

»Dann machen wir doch einfach das Beste daraus. Ich besorge uns eine Kleinigkeit zu trinken, und dann schaue ich mal, dass ich Sie zum Lachen bringen kann, ohne dass Ihre Augen dabei traurig aussehen. Ich bin immerhin sehr gut darin, andere aufzuheitern.«

Jetzt musste ich wirklich lachen und beobachtete, wie Ryan sich von seinem Stuhl erhob, einem vorbeilaufenden Kellner zwei Gläser Sekt vom Tablett stibitzte und sich wieder neben mir auf den Platz sinken ließ. Dabei hielt er mir ein Glas vor die Nase. »Marleen, auf dass ich Sie heute noch irgendwie amüsieren werde«, sagte er grinsend und prostete mir zu, ohne den Blick von mir zu nehmen.

Ich konnte gar nicht genau sagen, wie lange Ryan und ich dasaßen und uns unterhielten. Die Zeit schien nur so an uns vorbeizuziehen, und ich hing förmlich an seinen Lippen. Mit ihm vergaß ich sogar die Trauer, die die vergangenen Tage wie eine dunkle Wolke über mir gehangen hatte, für einen Moment. Gerade sprachen wir darüber, welche Orte er schon gesehen hatte, als mir Ryan einen interessierten Blick zuwarf. »Und wohin verschlägt es Sie am liebsten?«

Ich dachte kurz nach, spielte an meinem Sektglas herum und lächelte verträumt. »Eines Tages möchte ich unbedingt nach Irland.«

»Nach Irland?«

»Genau. Ich liebe die Natur, Berge, Wälder und Seen, und die Natur in Irland reizt mich besonders.«

»Mhh, so hätte ich Sie gar nicht eingeschätzt.«

»Ach nein?«

Ryan schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hätte Sie eher als jemanden eingeschätzt, der Städte vorzieht. Und dabei meine ich nicht, dass Sie so aussehen, als würden Sie den ganzen Tag nur shoppen gehen«, erklärte er grinsend und hob abwehrend die Hände, »sondern eher, dass Sie sich für die Städte an sich interessieren. Alte Bauten, die Geschichte dahinter. So was in der Art.« Er stützte sich mit einem Arm auf den Tisch und trank einen Schluck. Dabei ließ er mich nicht aus den Augen. Ich schmunzelte und erwiderte seinen Blick. »Sie haben recht, ich liebe Städtetouren und alles, was dazugehört, aber eben auch die Natur. Vor allem Wälder. Ich liebe den Duft, die Ruhe, eben diese Abgeschiedenheit. Und ich habe gehört, dass die Wälder Irlands ganz besonders schön sein sollen.« Traurig erinnerte ich mich daran, wie Dad mir immer wieder vorgeschwärmt hatte, wie schön es dort war und dass er unbedingt eines Tages mit uns dorthin reisen wollte, um uns zu zeigen, wo er damals sein Auslandssemester verbracht hatte. Die Reise sollte nächstes Jahr starten.

»Ah, ich sehe, du bist schon in bester Gesellschaft!«, hörte ich plötzlich Stellas fröhliche Stimme.

Erschrocken blickte ich auf, und sie lächelte Ryan breit an. Offenbar kannten die beiden sich.

»Hey, Stella!«, begrüßte er meine Freundin, und kurz darauf kam sie um den Tisch gelaufen. Ryan erhob sich und schloss sie in eine feste Umarmung. Ein wenig verwirrt schaute ich die beiden an und fragte mich, woher sie sich wohl kannten, und als Stella von ihm abließ und mich anstrahlte, sah ich Ryans skeptischen Blick auf mir. Irgendetwas hatte sich in diesem Moment verändert. »Wie ich sehe, hast du schon Bekanntschaft mit meinem Bruder gemacht«, sagte sie lächelnd, und schlagartig spürte ich, wie all die rote Gesichtsfarbe, die sich auf meinen Wangen breitgemacht hatte, wie weggeblasen war. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Ryan war der Ry, von dem Stella sprach, wann immer es um ihren großen Bruder ging?

Kapitel 3

»Ryan ist dein Bruder?«, fragte ich so unbefangen wie möglich. Vielleicht hatte Stella zu viel getrunken und ihn womöglich verwechselt? Wohl kaum!

»Eher mein Halbbruder, aber ja«, antwortete sie stolz und setzte sich auf den freien Stuhl neben ihm. Immer noch spürte ich Ryans Blick auf mir, und mir entging nicht, wie er sich etwas versteifte. Ich kramte in meinen Erinnerungen nach Erzählungen über Ryan, und sofort kamen mir wieder Begriffe wie Bad Boy, Workaholic und Frauenheld in den Sinn. Jemand, von dem man unbedingt die Finger lassen sollte. Von dem ich die Finger lassen sollte. Und jetzt wusste ich auch, warum ich ihn nicht direkt hatte zuordnen können. Immer wenn sie von ihrem Bruder sprach, nannte sie ihn Ry! Gott, wie offensichtlich es doch war und wie blind ich manchmal durchs Leben ging. Am liebsten hätte ich mir mit der flachen Hand auf die Stirn geschlagen.

»Und du?« Stella stieß ihren Bruder von der Seite an. »Ich hoffe, du hast meine beste Freundin nicht mit deinen Geschichten über die Arbeit gelangweilt.«

Er räusperte sich kurz und warf mir einen fragenden Blick zu. Dennoch war da ein Funkeln in seinen Augen, das ich nicht deuten konnte. »Ich habe nicht über die Arbeit gesprochen, aber womöglich habe ich deineFreundin«, wobei er das Wort ein wenig zu stark betonte, »trotzdem gelangweilt?«

»Nein, das haben Sie nicht.«

»Da bin ich aber froh. Wenn er erst einmal anfängt, über die Arbeit zu sprechen, gibt es bei ihm kein Halten mehr. Er ist eben ein totaler Workaholic«, erklärte Stella amüsiert. »Du musst wissen, dass Ry ein kleiner Teil von Dads Verlag gehört und somit auch unser Verlags-Imprint in South Boulding. Deshalb kriegt man ihn ja auch nie zu Gesicht!« Ihr anklagender Unterton entging mir nicht. Wieder schluckte ich. »Ach ja? Dann sind Sie der Bruder, von dem Stella hin und wieder erzählt?«

Stella wollte gerade etwas antworten, als hinter ihr eine Stimme ertönte und uns aufschrecken ließ. Jeffrey Stevens stand etwas abseits mit einer Gruppe und rief seine Tochter zu sich. »Stella, würdest du mal bitte kurz kommen?«

»Tja, dann bin ich mal wieder weg.« Genervt erhob sie sich von ihrem Platz. »Hätte ich vorher gewusst, wie anstrengend dieser Tag wird, hätte ich …«

»Stella, komm bitte einmal her«, wiederholte Jeffrey, und Stella eilte zu ihm, nachdem sie mir ein entschuldigendes Lächeln zugeworfen hatte.

Nachdem sie weg war, schauten Ryan und ich uns schweigend an. »Der ältere Bruder also.«

»Die junge beste Freundin also«, erwiderte er feixend, als würde das Ganze ziemlich lustig sein.

»Ich hätte nicht gedacht, dass Stellas älterer Bruder noch so jung aussieht.«

Er kippte den letzten Schluck seines Glases in einem Zug hinunter und zuckte mit den Schultern. »Mein Dad ist mit 18 Vater geworden und brachte mich mit in die Ehe«, erzählte er, als wäre das alles selbstverständlich, was es ja auch irgendwie war. »Und nun, ja, wie Stella schon sagte, bin ich ohnehin fast nie hier, da ich unten im Süden so viel zu tun habe. Ich bin schon früh in sein Geschäft eingetreten, und jetzt mit 32 leite ich einen Teil des Verlags. Beeindruckend, nicht?« Ich erkannte einen sarkastischen Unterton in seiner Stimme.

»Also wirklich ein Workaholic«, wiederholte ich Stellas Bemerkung und versuchte, mich ganz unverfänglich zu geben. Doch irgendwas passte da gerade gar nicht, und in meinem Bauch machte sich ein unschönes Gefühl breit. Dieser wunderschöne Mann war also der Halbbruder meiner besten Freundin und ohnehin nur für ein paar Wochen im Jahr in der Stadt. Alle Fantasien, die ich mir in der vergangenen halben Stunde ausgedacht hatte, zerplatzten im selben Moment. Dieser Mann war definitiv tabu! Immerhin gehörte er zu Stellas Familie – nein, das ging einfach nicht. Und dann der Altersunterschied … nein. Nein. Nein. Dennoch machte sich eine bedrückende Stille zwischen uns breit, nachdem Stella verschwunden war. Dann bemerkte ich, dass seine Mundwinkel amüsiert zuckten.

»Was ist so komisch?«, wollte ich wissen und spielte am Stiel meines Sektglases.

»Nichts, ich bin nur überrascht, dass ich dich noch nie gesehen habe, obwohl du und Stella doch so eng befreundet seid.«

»Geht mir genauso. Immerhin hat sie bisher nur Ry erwähnt, und tja, weiter habe ich wohl nicht gedacht, nachdem du dich mir vorgestellt hast.«

»Hättest du trotzdem Lust, mit mir den Sekt zu trinken? Um ehrlich zu sein, habe ich keine Lust, mich einer anderen Unterhaltung zu widmen, wenn wir uns gerade so gut verstehen.«

Ich gluckste und drückte mir den Handrücken auf den Mund, um meinen Sekt nicht auszuspucken. Ein Glas Sekt geht schon in Ordnung,