Alles Walzer - Christoph Wagner-Trenkwitz - E-Book

Alles Walzer E-Book

Christoph Wagner-Trenkwitz

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Beschreibung

Launiges vom Ball der Bälle Er ist Staatsaktion und Society-Bühne, Medien-Rummelplatz und Dschungelcamp für Frackträger: der Wiener Opernball. Seit 20 Jahren kommentiert Christoph Wagner-Trenkwitz mit Karl Hohenlohe den Opernball für den ORF und hat ihn durchaus lieben gelernt. Doch bietet der Ball der Bälle viel zu viele Gelegenheiten, um auf pfiffige Kommentare und die eine oder andere Respektlosigkeit zu verzichten. So präsentiert der scharfzüngige Beobachter die witzigsten Hoppalas und Bonmots, hochnotpeinlichsten Auftritte und modische Fehltritte, die besten Seiten-, Ein- und Ausblicke der vergangenen Jahre: der Opernball von Antike bis Zukunft, von Adlmüller bis Zilk, von Alles bis WalZer ...

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Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

© 2020 by Amalthea Signum Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Elisabeth Pirker/OFFBEAT

Umschlagabbildungen sowie alle Abbildungen im Buch:

© Michael Pammesberger

Lektorat: Madeleine Pichler

Herstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten

Gesetzt aus der 10/14,1 pt Sabon LT Pro

Designed in Austria, printed in the EU

ISBN 978-3-99050-189-4

eISBN 978-3-903217-68-3

Inhalt

Geleitschutz

von Karl Hohenlohe

Vorbemerkung

A–Z

Literatur

Der Autor

Geleitschutz

von Karl Hohenlohe

Was den Opernball anbelangt, gilt Christoph Wagner-Trenkwitz als Hunderttausendsassa. Niemand sonst wo in Wien kennt die Damen und Herren vom Orchester, von der Tanzriege und der Pfadfinder- Gruppierung vulgo Platzanweiser so gut wie er. Als Experte der floralen Prachtentfaltung des Balles ist er weit über die Bundesländer hin berüchtigt. Die Sängerinnen, das Köchelverzeichnis, Hymnen, Ballhistorie, Partituren und Komponisten sind sein Zuhause. Wer, wenn nicht er kann also ein profundes Opernballbuch schreiben?

Ich kann zu den Lebensumständen von CWT nur wenig sagen – sein Alter, sein Gewicht, sein Deodorant sind mir fremd. Wir haben uns im vorigen Jahrhundert auf einem Flohmarkt für kasachische Miniaturdampfmaschinen in Łódź das erste Mal gesehen und seither nicht aus den Augen verloren.

Wagner-Trenkwitz hat mir einmal erzählt, er hätte bei der Weltausstellung in der Rotunde (1873, ich kann nicht länger über sein wahres Alter schweigen) in einem Blumenfachgeschäft ausgeholfen, ich nehme an, sein ungeheuerliches Pflanzenwissen stammt aus dieser Zeit.

Immer schon war es mir ein Anliegen, ihn zu fördern, ihm unter die Arme zu greifen und ihm den Sinn des Lebens ein wenig näherzubringen: Ich habe ihn das Service beim Ping-Pong gelehrt, war bei den Turmspringer-Kursen dabei und habe ihn zu den ersten Ikebana-Steckkursen begleitet.

Nun wird er von der langen Leine gelassen, zum ersten Mal in seinem Leben muss sich Christoph Wagner-Trenkwitz mutterseelenalleine beweisen. Zehntausende haben mich gewarnt, es wäre noch zu früh, er wäre der Aufgabe, allein ein Opernballbuch zu kreieren, niemals gewachsen, aber ich weiß es besser. Ich habe die Eigentümer der kritischen Stimmen niedergeschlagen und plötzlich ist Ruhe eingekehrt.

Natürlich plagt mich die Sorge, er würde, so wie ich, Bianca Jagger mit der Mutter von Mick Jagger verwechseln, Tulpen als Rosen benennen und Caruso für einen Autoverleiher halten.

Letztendlich bin ich aber voll berechtigter Hoffnung, dass er seine Leistung auch ohne seinen Mentor abrufen kann und die kommenden Seiten – wenn nicht von Pulitzer, so zumindest von diesen Dynamitleuten in Schweden – gewürdigt werden.

Den Abend des abgesagten Opernballs 2021 werden wir selbstverständlich gemeinsam in unserem Homeoffice vulgo Home-Chamber alias Heim-Kammerl verbringen. Wir werden ins Leere kommentieren und hoffentlich genauso viel Spaß haben, wie Sie beim Weiterblättern.

Vorbemerkung

Zum Wiener Opernball Ausgabe 2005 schufen Hohenlohe und Wagner-Trenkwitz (die im Folgenden liebevoll Kari & Christoph genannt werden) eine Fernsehdokumentation, die den Titel Das heitere Opernball-ABC trug. Natürlich dachten wir an Robert Lembkes Heiteres Beruferaten und andere TV-Klassiker, als wir uns an die Arbeit machten. Wir scherzten unter dem Buchstaben D etwa über Düsseldorf (das nichts mit dem Ball zu tun hat) und brachten beim Stichwort »Damenwahl« einen pfeifenden und schnaubenden Damen-Wal ins Bild.

Natürlich dachten wir nicht daran (wir haben überhaupt nie so viel gedacht), den von optischen Effekten lebenden und damit sehr opernballgemäßen Beitrag jemals in schriftliche Form umschmieden zu müssen. »Der Opernball von A bis Z, also von Abendrobe bis Zylinder, von Antel bis Zilk, von Antike bis Zukunft, von Anabolika bis Zugluft und von Androsch bis Zawinul«, so tönte es damals (ohne dass wir sicher von einem Ballbesuch der Jazzlegende Joe Zawinul wussten).

Einige Monate später (aber nicht viele, es war noch vor der Weltherrschaft von Dr. Google) wurde uns ein Lexikonartikel ( Literatur am Ende des Buches) von überschaubarer Länge abverlangt. Anstatt uns fasslicher Ernsthaftigkeit und ernsthafter Fasslichkeit zu befleißigen, schufen wir ein kleines ABC, das gewissermaßen die Keimzelle des vorliegenden Buches war.

Natürlich geht es auch in diesem nicht immer mit ernsten Dingen zu, vieles fehlt, anderes hätte ich mir (und Ihnen) ersparen können, manches wird extrem subjektiv, anderes unerträglich objektiv sein … doch nun genug der Rechtfertigungen!

Mein Dank gilt dem grandiosen Michael Pammesberger – ihm ist es zuzuschreiben, dass Sie dieses Buch auch genießen werden, wenn Sie kein Wort davon lesen –, der umsichtigen und stets hilfreichen Lektorin Madeleine Pichler sowie, last and least, Karl Hohenlohe: Er hat ein poetisches Vorwort geschrieben und kann sich ohne sonstigen Aufwand in aller Seelenruhe darüber freuen, der meistgenannte Mensch in diesem neuen Standardwerk zu sein.

Mögen Sie ebenfalls Freude an dem Bändchen haben und mögen uns am letzten Donnerstag vor dem Aschermittwoch noch viele Opernbälle erfreuen!

Christoph Wagner-TrenkwitzRijeka, im Oktober 2020

A–Z

Absage, die

Was für ein deprimierender Beginn unseres Opernballphabets! Aber es muss sein: Regierungsvertreter ließen uns Mitte September 2020 wissen, dass die »Mutter aller Virenschleudern« (dieser Begriff stammt allerdings von Journalist Hans Rauscher) im Februar 2021 nicht stattfinden kann. Von »Society-Schock« und »Winter-Blues« war in den Medien zu lesen, da aber auch der Ballverliebteste aller Baumeister »Verständnis« zeigte, wie die Tiroler Tageszeitung exklusiv meldete, fügte man sich in das »coronabedingt« (= mein zurzeit bestgehasstes Wort) Unausweichliche.

Der neue Direktor Bogdan Roščić sprach sein ehrliches Bedauern aus; insgeheim war er vielleicht auch einer Sorge ledig und dachte, gut bis 2022 auf sein Opernballdebüt warten zu können. Für die Zeit bis dahin formulierte Hans Rauscher einen guten Tipp: »Wenn es dann aber wieder geht, vielleicht in der nächsten Saison, könnte sich der Direktor ja überlegen, wie man den Opernball wieder zu einem wirklich eleganten Wiener Ereignis macht.«

Bisherige (Fast-)Nichtabhaltungen des Balls werden unter den Schlagworten Chronik beziehungsweise Karajan abgehandelt.

Alias

Im Laufe der Jahrzehnte hat unser Fest viele schmückende Beinamen erhalten. Allzu gern gedroschen und reichlich banal: »der Ball der Bälle« (wozu eigentlich die Wortabstände? Man spricht es doch auch »BallderBälle«) und »Staatsgewalze«, womöglich noch im »vielleicht schönsten Ballsaal der Welt«. Die Elegante Welt (ein Periodikum, das aus verständlichen Gründen nicht mehr existiert) schrieb 1968 etwas tiefergehend vom »Staatsakt im Dreivierteltakt«.

Glauben Sie ja nicht, dass der Volksstimme, dem Organ der Kommunistischen Partei Österreichs, nichts Positives zu unserem Event eingefallen wäre: »Jetzt ist der Opernball der schönste Hausball Wiens.«

Kari & Christoph bemühen sich, um nicht Vielgesagtes dauernd wiederzukäuen, andere Umschreibungen zu finden: Von einem »Zeltfest der Hautevolee« war die Rede – obwohl wir ja wissen, dass die Mehrzahl der Ballbesucher*innen* Menschen wie Du und Ich sind, und erst recht die Mehrzahl der Ballbetrachter*innen vor den TV-Geräten; aber die vage Hoffnung, sogenannte »Prominente« (zu Deutsch: »Herausragende«) aus dem Menschengewurl herausragen zu sehen, will nicht schwinden. Der Begriff »Mittelding zwischen Staatsbegräbnis und Avatar« hat den Honorar-Verantwortlichen des ORF maßlos amüsiert, ohne dass sich dies auf unsere Gagen niedergeschlagen hätte. Als »Dschungelcamp für Frackträger« bezeichneten wir das Fest sowie angesichts der 364 Tage währenden Vorfreude als »Aller Tage Abend«. Wir erinnerten uns auch einmal an die Arche Noah: »Von jeder Tierart ein Pärchen, das hier der Sintflut entgegenfeiert.«

Sabine Schiechl hat im Untertitel ihrer 2001 erschienenen Diplomarbeit den Opernball mit einem anderen klugen Alias umschrieben: »… kulturtheoretische Überlegungen zu einer erfundenen Tradition als ruhendem Pol im Wandel der Zeit«. Egon Friedell wieder meinte einstmals, in Österreich werde man nur dann berühmt, wenn man etwas auffällig nicht tut. Da sich ein auffälligeres Nichts als der Wiener Opernball kaum vorstellen lässt, könnte man ihn auch so charakterisieren (ich tat es in meiner Anekdotensammlung Schon geht der nächste Schwan): »Eine Spitze, größer als der dazugehörige Eisberg«.

Dem letzten Vorkriegsopernball im freien Österreich, 1938, widmete die Neue Freie Presse eine ganze Seite (und die waren damals groß). Sie schwärmte von einem »Empfang, den das repräsentative und mondäne Wien sich selber gibt«, geprägt von dem »harmonischen Dreiklang: Frauenschönheit, Modekunst und Walzerrhythmus. Ein Abend, an dem man sozusagen alle Augen voll zu tun hat …«.

Anlässlich seines 85. Geburtstages im Sommer 2020 fand der ehemalige Staatsoperndirektor Ioan (dieser) Holender eine andere blumige Umschreibung: »Der blöde Opernball.« So kann man es natürlich auch sehen, oder lieber wie Lotte Tobisch: »Ich weiß nicht, von wem der Satz stammt, der Opernball sei die wichtigste Nebensache der Welt, aber irgendwas ist schon wahr dran.«

*Breaking News: Es gibt ein drittes Geschlecht! Sollten Sie das von mir erfahren, meine Dame, mein Herr (wenn Sie weder noch sind, dann wissen Sie es ja bereits), dann ehrt mich das. Die oben gewählte Schreibweise mit dem Binnensternderl ist jedenfalls die korrekte, und sie wird Ihnen in diesem Büchlein noch ein paar Mal begegnen.

Alles Walzer!

Nicht nur der (halb originelle) Titel dieses Buches, sondern auch der Ruf, bei dem Kari & Christoph in ihrer Kemenate (Kammerl) unbedingt schweigen müssen. Die Formulierung soll noch auf Strauss-Schani persönlich zurückgehen: So forderte er die Anwesenden auf, nicht mehr nur zu lauschen, sondern tätig zu werden. Beim Ball fallen die Kordeln (Parkett) und die Massen strömen aufs Tanzparkett.

Der langjährige Opernball-Zeremonienmeister Robert Hysek fügte den beiden prägnanten Worten noch ein sehr persönliches »… und viel Vergnügen« an (wobei er das letzte Wort, echt Wienerisch, »Verknügen« aussprach) – Gott sei Dank hat er nicht auch noch »Grüssiemahlzeit« gewünscht. In rezenten Jahren wird der Ruf den stimmpotenten Künstlerinnen und Künstlern anvertraut, die während der Eröffnung das Stehparterre unter der Mittelloge bevölkern.

Regelmäßig wird angezweifelt, ob »Alles Walzer« überhaupt sprachlich korrekt sei; als Bundesheerabsolvent erinnere ich mich aber gut an »Alles auf!« und »Alles in Deckung!«. Außerdem liegt die Betonung ohnehin nicht bei »Walzer«, denn im allgemeinen Gedränge kann man sich samt Partner*in höchstens ein wenig herumschieben, sondern auf »Alles«.

Als Ergänzung zu diesen Überlegungen drängt es mich, ein Stückchen echte Literatur abzudrucken (in diesem Buch fast ein Fremdkörper!), und zwar aus dem Gedicht »Glückwunsch« von Ernst Jandl: »wir alle wünschen jedem alles gute […] wir jeder wünschen allen alles gute«.

Alternative Bälle

Es muss ja nicht immer das Mega-Event sein, vor allem, wenn man die Geldbörse schonen oder eine Message vermitteln möchte. Am Abend des Opernballs findet zumeist der Wiener Rosenball statt, veranstaltet von der schwulen Szene (es soll auch schon mal ein Opernballmoderator nach seinem Einsatz am Ring zum Rosenball gewechselt sein). Zwischen 1998 und 2004 wurde am Tag des Opernballs von der Straßenzeitung Augustin die Gegenveranstaltung »Opferball« organisiert. Es herrschte freier Eintritt für Obdachlose, denen auch die Einnahmen zugutekamen.

Kari & Christoph sind sehr angetan vom sogenannten »kleinen opernball« (oder schreibt man ihn doch mit Großbuchstaben?), wohin sie nach ihrer aktiven Zeit wohl wechseln werden. 1962 begründete die ÖVP-Bezirksvertretung Neubau diese Veranstaltung (deshalb auch »Kleiner Neubauer Opernball«), die jeweils am Nachmittag des großen Bruders stattfindet und als größter Seniorenball Österreichs gilt. Seniorenclub-Star Hilli Reschl moderierte lange Jahre, immer wieder fanden sich Bundespräsidenten samt Gattinnen ein. Beim ersten Mal kamen rund 50 Gäste (also etwa so viele wie bei einer schwachen Opernballdemo), doch mit steigenden Pensionistenzahlen wuchs die Veranstaltung und wechselte in größere Säle, zuerst ins alte Hotel Wimberger, später in den Messepalast und 1986 in die Hofburg. Seit 1990 findet der gar nicht mehr so »Kleine Opernball« im Wiener Rathaus statt.

»Am«

Die Sprachverschluderung macht auch vor dem Ball der Bälle nicht halt. So wird allgemein davon gesprochen und geschrieben, diese oder jene Persönlichkeit hätte sich »am« Red Carpet (dieser) befunden, obwohl sie auf jenem stand; wirklich am Red Carpet tummeln sich Fotografen und Kamerateams, welche die auf demselben befindlichen Herrschaften für eine kurze Ewigkeit im Bild festhalten. Und am Ball haben nur Hohenlohe (dieser) und Wagner-Trenkwitz (jener) ihren Platz: nämlich in einer separierten Räumlichkeit, die mit dem Begriff »Kammerl« (dieses) gekennzeichnet wird.

An der schönen blauen Donau

Die berühmteste Dreivierteltakt-Komposition überhaupt beginnt ähnlich wie Richard Wagners Parsifal-Vorspiel, geht aber viel lustiger weiter. Der Donauwalzer, wie er allgemein genannt wird, stammt aus der Feder des ehemaligen Hofballdirektors Johann Strauss Sohn (dieser) und trägt die Opusnummer 314, wenn Sie’s genau wissen wollen. Wichtiger ist, dass er, gemeinsam mit dem nachfolgenden Radetzkymarsch des Strauss- Vaters, Wien und die Welt ins Neue Jahr schickt.

Der Donauwalzer fungierte anlässlich der Republiksgründung 1945 als provisorische österreichische Hymne und wird immer noch als heimliche solche bezeichnet (wiewohl ich ja dem ebenfalls von Strauss Sohn vertonten »Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist« den Vorzug gebe). Am Vormittag des 5. November 1955, dem Tag, als die neu aufgebaute Staatsoper der Nation wiedergegeben wurde, fand allhier ein Festakt statt. Karl Böhm, der letzte Operndirektor der Nazizeit, war auch der erste Direktor im freien Österreich (was bei unserem ausgeprägten Traditionsbewusstsein niemanden überraschte). Er erhielt vom Unterrichtsminister den »Schlüssel der Oper« und dirigierte (nicht mit diesem, sondern mit einem regulären Taktstock) das Vorspiel zu Die Meistersinger von Nürnberg, das auch von Führers Gnaden immer wieder gern aufgeführt worden war, und, als Zugabe, den Donauwalzer. Jetzt war man wieder daheim, und dass Johann Strauss aus einer jüdischen Familie stammte, war, ebenso wie in den Jahren davor, kein Thema.

Auch bei der Balleröffnung (Ball und Eröffnung) scheint die schöne blaue Donau einen Fixplatz als Untermalung des ersten Linkswalzers, ausgeführt vom Jungdamen- und Jungherren-Komitee, zu haben (dann raunt Kari dem Christoph gerne hörbar ins Ohr: »Sie spielen unser Lied!«). Doch das war nicht immer so: Schon beim ersten Nachkriegsball 1956 drehte sich das Komitee zu Josef Strauss’ Walzer Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust, während der Donauwalzer dem Staatsopernballett vorbehalten blieb.

Androsch, Hannes

Er war einstmals Österreichs jüngster Finanzminister, mittlerweile ist er weder noch, aber ein gern gesehener Opernballgast. Dort äußerte er zumindest drei Sätze von unvergänglicher Größe: »Der Opernball ist das größte Pinguintreffen des Jahres.« (Dieser Satz hat auch unseren wackeren Zeichenkünstler Michael Pammesberger wiederholt inspiriert). »I’ arbeit’ scho lang nix mehr, i’ bin nur mehr tätig.« Und schließlich, an der Seite von Hannes Kartnig, Fußball-Funktionär noch ohne Fußfessel: »Mir zwa san net scheen, aber mir san da.«

Ästhetik, die

Apropos schön: »Beauty is in the eye of the beholder«, notierte Margaret Wolfe Hungerford 1878 und meinte damit vielleicht die zweite Hofopernsoiree, den Vorläufer des heutigen Opernballs, die in demselben Jahre stattfand. Wir neigen zu der Übersetzung »Schönheit liegt im Auge des Behälters«, womit nur der Container und sein Inhalt, nämlich Kari & Christoph, gemeint sein können. Diese Übersetzung ist aber falsch, und nach einigem Nachdenken kommen wir auf die griffige opernball-spezifische Formel: »Alles (Walzer) ist relativ.«

Relativ tief ist manches, was sich beim Opernball dem Auge dartut. Im Jahre 1964 war dies vielleicht noch nicht der Fall, sonst hätte sich der Redakteur des Rheinischen Merkur niemals zu so noblich-kaisertreuem Geschwurbel aufschwingen können: »… auch ohne die Präsenz gekrönter Häupter ist der Wiener Opernball eine Inkarnation jener imperialen Humanität, die das Haus Habsburg Österreich und der Welt hinterlassen hat: ein seltenes Exempel des guten Stils, ein Musterbeispiel für die gesellschaftliche Funktion des ästhetisch geformten Beisammenseins, das weit über Österreich hinausstrahlt. In dieser festlichen Nacht ist Wien ganz bei sich und Europa zu Hause – und bei allen guten Genien einer Vergangenheit, die sich mehr als unser fortschrittspuritanisches Zeitalter des menschlichen und politischen Werts der guten Formen bewußt war.«

Man denkt unwillkürlich an den Herrn Karl: »Damals hat man etwas auf Formen gehalten. Die Kunden, das waren Herren. Herren und Formen!« Aber weiter im merkurischen Geschwurbel: »Denn noch immer residiert in der ins Wiener Leben integrierten Hofburg der Bundespräsident der Republik Österreich in den Gemächern der Maria Theresia genauso selbstverständlich wie der Finanzminister im Stadtpalais des Prinzen Eugen in der Himmelpfortgasse und der Unterrichtsminister im Palais Starhemberg.«

Ästhetisch geformtes Beisammensein hin oder her, Gott sei Dank existiert die von Maria Theresia gegründete brutale Keuschheitskommision heute nicht mehr, führen wir keine Türkenkriege wie weiland Prinz Eugen, und auch vom Bundesführer der Vaterländischen Front Ernst Rüdiger von Starhemberg hat man schon lange nichts mehr gehört …

Attentat, das