Als der zweite Frühling kam - Gudrun Leyendecker - E-Book

Als der zweite Frühling kam E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Als der zweite Frühling kam ist der 14. Band der Romanreihe Liebe und mehr. In Catania blühen schon die Mimosen, es ist Frühling auf Sizilien. Die Journalistin Abigail Mühlberg wird von einer Maskenbildnerin aus Sankt Augustine um Hilfe gebeten. Ihr Patenkind ist verschwunden und soll sich in dunklen Kreisen bewegen. Bei der Suche gibt es unerwartete Schwierigkeiten, aber auch überraschende Wendungen.

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Als der zweite Frühling kam

ist der 14. Band der Romanreihe Liebe und mehr. In Catania blühen schon die Mimosen, es ist Frühling auf Sizilien. Die Journalistin Abigail Mühlberg wird von einer Maskenbildnerin aus Sankt Augustine um Hilfe gebeten. Ihr Patenkind ist verschwunden und soll sich in dunklen Kreisen bewegen. Bei der Suche gibt es unerwartete Schwierigkeiten, aber auch überraschende Wendungen.

Von dem Balkon des Hotelzimmers aus konnte ich den gelblich grauen Rauch beobachten, der aus dem Krater des Ätnas wie ein schmales Band in den Himmel strebte. Der Gedanke daran, dass sich hier vor kurzem noch glühende Lavamassen hinabgewälzt hatten, im Schein eines gigantischen Feuers, verursachte mir ein leichtes Magendrücken. Wie ein spuckendes riesiges Untier hatte der Vulkan wieder einmal gewütet und seinen Zorn abgelassen. Jetzt schien er kraftlos und ermattet zu schlafen. Aber ich spürte, es war kein tiefer Schlaf, sondern nur eine Pause, um wieder Kraft zu schöpfen.

Ermanno trat hinter mich und legte mir seinen Arm um die Schultern.

„Er zieht einen immer wieder in seinen Bann“, riet er meine Gedanken und Gefühle. „Wollen wir heute noch Theresa und Giorgio besuchen? Ich glaube, sie wären enttäuscht, wenn wir nicht einmal kurz bei ihnen vorbeischauten.“

Ich sah in den blauen Frühlingshimmel. „Ja, sie erwarten uns schon. Ich freue mich auf das Wiedersehen nach der langen Zeit. Fast zwei Jahre sind es jetzt her, seit wir hier mit ihr diesen Unglücksfall aufgeklärt haben. Wie schön, dass wir uns in diesem Urlaub wenigstens einmal ungestört erholen konnten. Catania und der Ätna im Frühling, das ist einfach ein Traum.“

„Auf diese Ferien mussten wir auch lange warten“, fand er. „Der Herbst und der Winter waren ziemlich anstrengend. Wir haben es uns verdient.“

„Bei uns in Deutschland ist noch strenger Winter“, wusste ich. „Ich habe eben mit Adelaide telefoniert. Sie hat mir erzählt, dass Moro in den letzten Wochen ein wenig depressiv war und sie die ganze Truppe der musikalischen Künstler, die im Seitentrakt wohnen, immerzu bitten musste, ihren Mann mit Musik zu erfreuen und zu unterhalten.“

„Es ist nicht leicht für Moro, mit seinem Alter von 82 Jahren gesundheitlich schon so sehr eingeschränkt zu sein. Das stelle ich mir schrecklich vor. Er kann nicht mehr richtig laufen, er kann nur noch wenig sehen und seine Hände zittern. All das, was ihm früher Freude gemacht hat, muss er jetzt anderen überlassen.“

„Was bin ich froh, dass die beiden Rossinis jetzt Bernhard und Carla an ihrer Seite haben, die beiden sind jung und können zupacken, und außerdem sind sie immer hilfsbereit, freundlich und gut gelaunt. Da zeigt es sich wieder einmal, dass viele negative Sachen auch ihre gute Seite haben. Wenn Carla irgendwo anders eine Arbeit gefunden hätte, wäre sie nicht ins Schloss gekommen und hätte nicht als Hausdame oder Hausmädchen für Ada arbeiten können.“

„Und Bernhard als Gärtner, mit der Erfahrung der großen bekannten Gärten im kurfürstlichen Dresden, ist der ideale Betreuer des Schlossgartens in Sankt Augustine. Wir brauchen uns also über die beiden hier keine allzu großen Sorgen zu machen, während wir hier entspannen.“

Ich lächelte ihn an. „Du hast Recht. Im Augenblick vermisse ich die kleine Dachwohnung des Schlosses wirklich nicht, obwohl sie uns zur zweiten Heimat geworden ist. Lass uns die letzte Zeit hier genießen!“

Für Ende Februar war die Temperatur außergewöhnlich warm. Ich trug eine weiße Hose und einen hellblauen, leichten Pulli, den ich in Deutschland zu dieser Zeit allenfalls in einer geheizten Wohnung hätte tragen können. Auch Ermanno hatte die Wintersachen zu Hause gelassen und sich zu seiner Jeans ein dunkles Shirt übergezogen.

Ich nahm ein Päckchen aus dem Koffer. „Hier habe ich noch ein kleines Geschenk für Theresa. Ich fand es in einem Antiquitätengeschäft.“

„Dann ist es bestimmt etwas Besonderes“, vermutete er. „Sie ist schon etwas extravagant, unsere kleine Künstlerin. Ich erinnere mich noch daran, dass sie sich damals Susi nannte.“

„ Ja, genau. Sie ist einzigartig. Deshalb ist das Geschenk auch ein Schachspiel mit handgemachten Figuren aus Ton. Ich finde sie sehr originell und hoffe, dass sie Theresa gefallen. Kennst du dich aus in dem Viertel, in dem die beiden wohnen?“

„Das Häuschen liegt im Westen von Catania. Es ist nicht sehr weit von hier, wir können zu Fuß gehen, wenn du magst.“

„Und ob! Dieses Licht zwischen den historischen Gebäuden fasziniert mich. Wenn ich ein Maler wäre die Moro, ich würde mir hier gar nicht mehr weggehen. Schade, dass er seine Heimatstadt nicht besuchen kann.“

„Vielleicht könnte er noch hierher fliegen?“

„Er meint, das sei für sein Herz zu aufregend. Immerhin hatte er schon mehrmals einen Herzinfarkt. Er wird sich mit Erinnerungen und Filmen begnügen müssen.“

„Das finde ich auch traurig für ihn. Zum Glück hat er die Fürsorge seiner Adelaide, die alles für ihn tun würde. Ich bin übrigens soweit“, meinte er. „Und du siehst auch schon perfekt gekleidet aus.“

Ich strahlte ihn an. „Dann passen wir gut zusammen.“

In diesem Augenblick meldete sich mein Handy, und obwohl mir die Nummer aus Deutschland unbekannt war, nahm ich den Anruf entgegen.

Eine Frauenstimme meldete sich. „Guten Tag Frau Mühlberg, Sie kennen mich nicht, noch nicht. Ich bin Frau Irene Kelly aus Sankt Augustine. Ich habe eine ganz große Bitte an Sie. Von meiner Bekannten habe ich gehört, dass Sie schon viele vermisste Personen gefunden haben. Würden Sie mir auch dabei helfen, mein Patenkind zu finden?“

Ich war überrascht. „Oh! Ich glaube nicht, dass ich Ihnen da im Moment helfen kann. Ich bin augenblicklich mit meinem Freund in Italien, ganz weit im Süden, auf Sizilien. Wir verbringen da gerade unseren Urlaub und werden noch drei Tage hier sein. Haben Sie sich schon einmal an die Polizei gewandt?“

„So dringend ist es nicht. Es kommt sicher nicht auf ein paar Tage an, da ich mit meiner Nichte seit einiger Zeit keinen Kontakt mehr hatte. Ich habe sie zum letzten Mal gesehen, da war sie ein Kind von sechs Jahren. Inzwischen ist sie fast zwanzig Jahre alt. Es geht darum, dass sie jetzt möglicherweise in schlechter Gesellschaft ist. Davon hat mir eine Freundin erzählt.“

„Ach so, ich dachte, sie sei jetzt in den letzten Tagen verschwunden. Dann werde ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen, wenn ich wieder zurück bin. Ich habe ja jetzt ihre Telefonnummer und werde mich dann umgehend melden.“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen, dann werde ich Ihnen schon einmal alle Daten schicken, wenn Ihnen das Recht ist.“

„Das können Sie gern, vielleicht auch, all das, was Sie über sie wissen, eine kleine Lebensgeschichte, soweit Sie informiert sind. Dann kann ich vielleicht zwischendurch auch schon einmal im Internet ein bisschen recherchieren.“

Sie bedankte sich bei mir, und Ermanno lächelte mir zu. „Ich glaube, wir beide haben einen neuen Fall.“

***

Die schmalen Gassen am Rand der Altstadt erinnerten mich an Venedig und andere historische Städte des südlichen Italiens. In manche, so wie hier, fand die Nachmittagssonne nur noch spärlich hinein.

Das kleine, orangefarben gestrichene Häuschen schien sich die Sonne gestohlen zu haben und leuchtete uns schon von weitem entgegen. Blumenkübel zierten den Eingang, in den Terrakotta -Töpfen blühten goldgelbe Aurikel.

Theresa, die junge hübsche Künstlerin öffnete uns selbst die Tür und stürmte auf mich zu. „Habt ihr es doch noch geschafft, zu uns zu finden?! Schade, dass mein Mann gerade unterwegs ist. Aber Hauptsache, ihr seid gekommen. Herein mit euch!“ Eine stürmische Umarmung folgte, ihr Gesicht strahlte und drückte ehrliche Freude aus.

Sie führte uns in eine Art Wintergarten, fast ganz aus Glas, in dem zahlreiche Kübel mit Mimosenpflanzen dem Raum eine freundliche Atmosphäre gaben. Die unzähligen zarten, gelben Blüten, zwischen dem kräftigen, dunklen Grün ihrer schlanken Blätter, schmückten das Zimmer mit tausenden von hellen Farbtupfen.

Teresa bot uns Platz an, füllte Limoncello in kleine Gläser und stieß mit uns auf das Wiedersehen an.

„Diese beiden Orte, Catania und Sankt Augustine, sind für mich sehr schicksalhaft. Beide liebe ich sehr, aber hier fühle ich mich noch mehr zu Hause, wegen Giorgio und wegen Giuseppe, meinem Vater. Hier bin ich sehr glücklich und habe die schrecklichen Zeiten schon weitgehend verarbeitet. In der letzten Zeit hatte ich eine sehr fruchtbare Phase, ich werde euch nachher einmal meine neuesten Skulpturen zeigen.

Ich reichte ihr das Geschenkpäckchen, dass sie eilig öffnete. „Was sind die schön!“ rief sie aus, als sie die handgeformten Figuren entdeckte. „Das ist übrigens eine Idee für mich. Wenn ich einmal keine großen Figuren mehr herstellen kann, aus welchem Grund auch immer, dann kann ich mich an einen Tisch setzen und kleine Schachfiguren formen. Aber jetzt erzählt einmal, wie war euer Urlaub hier?“

„Genau genommen war es nicht nur ein Urlaub“, erklärte Ermanno. „Wie du weißt, bin ich Geologe und Biologe und hatte hier zur selben Zeit einen Auftrag, der mit der Flora Siziliens zu tun hat. Wusstest du eigentlich, dass es auf Sizilien 3000 verschiedene Pflanzenarten gibt, und dass es im Mittelmeerraum nirgendwo so viele verschiedene Pflanzen gibt wie hier?“

Theresa staunte. „Nein, ich lebe hier und habe es nicht gewusst. Aber ich liebe die Pflanzen hier alle, die Zitronenbäume, den Jasmin, die Mimosen und die Bougainvillea. Aber ich weiß,

dass sich aufgrund der Bedingungen hier, auch noch Pflanzenarten erhalten haben, die aus grauer Vorzeit sind. Stimmt es, Ermanno?“

„Das ist richtig, es gibt Reliktpflanzen aus dem Tertiär und Klimaflüchtlinge, die der Eiszeit entkommen sind, aber ich will euch darüber jetzt keinen Vortrag halten. Wie geht es dir und Giorgio?“

„Wir können es noch gar nicht fassen, dass wir jetzt unsere Liebe offiziell leben dürfen, jetzt, nachdem sich herausgestellt hat, dass er am Tod seiner Frau nicht schuldig ist, sondern sie es selbst war, die kriminell wurde. Glück genießen zu können, will auch erst gelernt sein, wenn man es vorher nicht kannte. Und ihr? Habt ihr keinen neuen Kriminalfall?“

Ich lächelte. „Das ist noch nicht ganz heraus. Es gibt einen neuen Vermisstenfall, eine Patentante vermisst ihre Nichte, allerdings schon seit einiger Zeit. Offenbar haben sie den Kontakt zueinander verloren. Aber irgendjemand hat ihr nun zugetragen, dass es wohl gut sei, sich jetzt einmal um die Nichte zu kümmern. Genaues muss ich noch in Deutschland klären.“

„Klingt wieder einmal spannend“, fand sie. „Da habt ihr sicher wieder eine Weile zu tun. Aber im Sommer müsst ihr unbedingt einmal wiederkommen oder im späten Frühjahr, damit ihr wieder im Meer baden könnt.“

Ich nickte ihr zu. „Die Spaziergänge am Strand waren auch sehr erfrischend und die Runden am Ätna sehr erholsam. Wir haben sogar an den schneefreien Hängen wieder ein paar der vielen Höhlen inspiziert, und Ermanno ist tatsächlich mit seiner Arbeit fertig geworden. Da wollen wir dann morgen noch einmal in die Wälder von Monti Madonie, einem der wenigen Waldgebiete von denen, die noch auf Sizilien übrig geblieben sind.

„Wenn man sich heute das Land vorstellt, scheint es einem undenkbar, dass einmal so viel Wald hier gewesen ist“, fand Ermanno. „Aber er wurde leider, wie in vielen anderen Gegenden auf der Erde weitgehend abgeholzt.“

„Trotzdem ist Sizilien immer noch märchenhaft“, schwärmte Theresa. „Und jetzt kommt mit in meine Werkstatt, in mein Atelier!“

Wir standen auf und folgten ihr in den hellen Anbau, der ebenfalls zwei Wände aus Glas besaß. Neben einigen Arbeitsplatten, Staffeleien und allerlei unbehandelten Steinen entdeckten wir eine Sammlung von fertigen Figuren aus Speckstein.“

„Interessant!“ fand Ermanno und betrachtete die voluminösen Frauen- und Männergestalten, die spärlich bekleidet und doch recht majestätisch auf die Betrachter herabblickten.

„Das ist eine Bestellung vom Bürgermeister von Palermo“, berichtete sie uns. Weil die Insel Sizilien nicht nur eine italienische sondern auch eine griechische Geschichte hat, ließ er die Götterwelt der beiden Länder parallel herstellen.“ Sie erklärte und zeigte uns die einzelnen Figuren. Da gab es die römische Venus und die griechische Aphrodite, den römischen Mars und den griechischen Ares, Saturn und Hephaistos und all die anderen bekannten Götter der Antike.

„Großartig! Du bist ein Genie!“ lobte ich Theresa. „Dafür muss man nicht nur Geschmack und handwerkliches Können haben, sondern auch ein Talent, sich in die Materie hinein zu denken und zu fühlen. Und wo nimmst du die ganze Zeit her? Jetzt, da ihr euch gefunden habt, wollt ihr doch bestimmt auch etwas miteinander unternehmen, du und Giorgio, oder?“

„Oh, wir nutzen jede Zeit, die wir uns stehlen können. Leider muss Giorgio jetzt häufig auf Geschäftsreisen, sogar nach Deutschland, und wenn ich nicht gerade so viel zu tun hätte, würde ich ihn sicherlich begleiten. Unser guter lieber alter Moro Rossini selbst war es, der ihm die Kontakte rund um Sankt Augustine herum verschafft hat. Wundert euch also nicht, wenn ihr ihm dort demnächst einmal über den Weg lauft!“

„Das ist schade, dass du im Augenblick an solch großen Figuren arbeiten musst“, fand ich. Die kannst du nicht gut hin und her schleppen. Aber wenn du mal die kleinen Schachfiguren bastelst, das könntest du dann auch wieder im Rosenturm fertig bringen, wo du damals gewohnt hast, als ich dich als Susi kennenlernte.“

Sie lächelte. „Richtig! Das waren noch Zeiten! Wenn du mir nicht geholfen hättest, ihr beide, meine ich, dann hätten wir nie wieder zueinander finden können, Giorgio und ich. Aber jetzt sagt mir, worauf ihr Hunger habt! Eine schöne Minestrone, Pasta oder Pizza.“

„Mach dir mit dem Essen keine Arbeit für uns“, bat sie Ermanno. „Ich habe meine Frau heute Abend zum Essen eingeladen, und zwar in das Restaurant am Strand, wo wir schon damals einmal gegessen haben, als wir noch kein Paar waren.“

Sie staunte „Deine Frau? Ich wusste gar nicht, dass ihr jetzt verheiratet seit.“

„Nein, sind wir auch gar nicht. Aber auch ohne Trauschein empfinde ich es so. Wir waren gestern auch bei meinem Lieblingsjuwelier, dort hat sie schon einmal ein paar Ringe anprobiert. Denn, selbst wenn eine Hochzeit noch nicht in Aussicht steht, habe ich ihr schon lange einen speziellen Ring versprochen, der ein Symbol für unsere Partnerschaft sein soll.“

Theresa lachte. „Nein, da seid ihr aber umständlich. Nachdem der Fall damals geklärt war, und mir Giorgio seine Liebe geschworen hat, haben wir kurz danach in Catania geheiratet. Eigentlich hatten wir vor, eine große Hochzeit zu machen, wie das so in Italien üblich ist. Ihr solltet auch eingeladen werden. Aber dann wurde mein Vater schwer krank, und wir befürchteten, dass er stirbt und unsere Hochzeit nicht mehr erleben kann. Deshalb haben wir ganz schnell eine kleine Feier mit ihm und ein paar Leuten hier inszeniert. Zum Glück ist er danach aber wieder gesund geworden. Und die große offizielle Hochzeit, die müssen wir sowieso noch einmal nachholen, sobald Giorgio diese ganz großen Aufträge in Sankt Augustine erledigt hat.“

„Und was macht er da genau?“ erkundigte sich Ermanno.

„Ach, ihr wisst das noch gar nicht? Bürgermeister Schneider lässt doch die Theaterräume in der riesigen Mehrzweckhalle renovieren. Es soll nun ein richtiges Theater werden, damit es auch in diese historische Stadt passt. Giorgio hat alles dafür entworfen, die Fassade außen, die Innenkulisse und auch den Zuschauerraum. Ich habe jetzt gerade kein Bild davon hier, es ist ganz grandios geworden. Und die Kulisse probieren sie auch an Ort und Stelle aus, da kommen extra Schauspieler und Sänger, die ihre Erfahrung mit einbringen können.“

„Das ist typisch Bürgermeister Schneider“, fand ich. „Er denkt aber auch an alles. Was bin ich froh, dass wir jetzt diesen perfekten Mann für diese Stadt gefunden haben. Immer wieder versteht er es, Geld für die Instandhaltungen aufzutreiben.“

„Ich denke, er hat ganz gute Spender in und um Sankt Augustine“, überlegte Ermanno. „Rossini sorgt selbst für die Instandhaltung des Schlosses, und die gute Tante von Laura, Frau Ackermann, ist ganz groß im Spenden.“

„Giorgio wird gut bezahlt“, berichtete Theresa. „Aber ihr könnt euch denken, dass wir auch das Geld sehr nötig haben, nachdem er verdächtigt wurde, seine Frau umgebracht zu haben, und er sich so lange versteckt halten musste.“

„Geht es euch denn jetzt gut?“ fragte ich sie direkt. Theresa nickte. „Oh ja, der Bürgermeister von Palermo hat mir schon einen Vorschuss gegeben und Giorgio wird in Sankt Augustine monatlich bezahlt. Wir können gut leben, und es wird immer besser.“

Ich atmete erleichtert auf. Theresas Leben hatte also geordnete Bahnen gefunden, ja beide Eheleute konnten sogar mit der Kunst Geld verdienen, was nicht jedem Künstler gegeben ist. Wir blieben eine ganze Weile bei ihr, begutachteten noch das eine oder andere Modell, das sie geschaffen hatte und verabschiedeten uns dann mit einer herzlichen Umarmung von ihr.

„Aber zur Hochzeit müsst ihr unbedingt kommen, zu der Nachfeier! Das müsst ihr mir versprechen!“ legte sie uns beim Abschied nahe und winkte uns lange hinterher.

Im Schein der Abendsonne spazierten wir wieder zurück zu unserem Hotel. Nachdem wir uns dort umgezogen hatten, durchquerten wir fast die ganze Stadt, stiegen zum Strand hinunter in östliche Richtung und verbrachten den Rest des Tages in dem hübschen Restaurant mit Blick auf das Meer, wo wir die gemeinsame Zeit miteinander genossen. „Das sind unvergessliche Tage“, flüsterte ich um Mitternacht Ermanno zu. „Sternstunden, die man im Herzen behält, und als Antwort küsste er mich.

***

Noch im Flugzeug schwärmten wir von den letzten beiden Tagen auf Sizilien. Der Ausflug zum Monti Madonie hatte uns mit seinem Waldgebiet gezeigt, wie Sizilien früher einmal ausgesehen haben musste. Und überall hatte es schon nach Frühling geduftet.

Den letzten Tag hatten wir noch einmal in Catania genossen, den Dom besucht und uns am Elefantenbrunnen fotografiert. Die meisten Plätze waren mit Erinnerungen verbunden, Bilder aus der Zeit von vor zwei Jahren, wo uns nur wenig Zeit zum Beschauen und Genießen geblieben war.

Das schmerzhafte Ziehen vom Abschied zeigte sich wie immer in meiner Brust, wenn ich aus einem schönen Ort der Welt wieder abreisen musste. Aber die Ankunft in Sankt Augustine, im Schloss von Moro Rossini und seiner Frau Adelaide, wo unsere kleine Dachwohnung auf uns wartete, entschädigte uns voll und ganz.

Die Schlossherrin Adelaide, der man die 72 Jahre noch nicht so ganz abnahm, begrüßte uns im kleinen Salon mit Kaffee und Kuchen. Gemeinsam mit Carla hatte sie die berühmten Augustiner gebacken, runde Pfannkuchen mit Pflaumenmus gefüllt, und in Fett ausgebacken. Als Überraschung hatten sie einen Maulwurfkuchen hergestellt, der in seiner Form als Berg bekannt ist, aber die beiden Künstlerinnen hatten ihm oben eine Spitze aus weißem Zuckerguss wie Schnee verpasst, und aus einem Krater floss das Johannisbeergelee in alle Richtungen.

Wir zweifelten keinen Augenblick daran, dass dies eine Nachbildung des Aetnas sein sollte, begutachteten und lobten die Backwerke und ließen uns gemeinsam mit Moro und Adelaide, Carla und Bernhard den Kaffee zum Kuchen schmecken.

Während es im Schloss inzwischen keine Veränderungen gegeben hatte und auch nichts Nennenswertes geschehen war, konnten wir von einigen Veränderungen im Stadtbild von Catania berichten, aber auch von unserem Besuch bei Theresa und Giorgio.

Ermanno wandte sich an Moro. „Durch unsere detektivische Arbeit Ende des letzten Jahres haben wir gar nichts davon mitbekommen, dass du Giorgio in Sankt Augustine zu so einer interessanten Arbeit verholfen hast. Damit hast du den frisch Verheirateten einen großen Gefallen getan, denn nach Giorgios Abwesenheit fehlt ihnen bestimmt so einiges an Geld in der Kasse.“

Der Schlossherr nickte. „Daran habe ich auch gedacht, immerhin ist er in der gleichen Stadt geboren wie ich, dem unvergleichlichen Catania, wenngleich auch über 40 Jahre später. Und außerdem ist er wirklich ein Meister seines Faches. Er hatte mir bei seinem letzten Besuch eine Reihe von Fotos seiner Arbeiten gezeigt, und die sind sehr gut.“

Ich sah in die Runde. „Die einzige Schwierigkeit besteht nur darin, dass Theresa momentan alleine auf Sizilien nach ihrem Liebsten schmachten muss. Sie arbeitet gerade an einem großen Auftrag, den ihr der Bürgermeister von Palermo für seinen Eigenbedarf gegeben hat. Daher kann sie ihren Ehemann nicht begleiten.“

Moro dachte nach. „Man kann nicht alles haben. Ich bedaure zwar auch, dass die beiden nun schon wieder getrennt sind, aber man kann solche Zeiten überleben, wenn man bedenkt, wie es meiner Adelaide und mir gegangen ist. Etwa 35 Jahre waren wir getrennt, aber ich wünsche natürlich keinem solch ein Schicksal. Ich werde einmal sehen, was ich machen kann. Den Bürgermeister von Palermo kenne ich leider nicht, dazu bin ich schon viel zu lange aus Italien fort, aber ich kenne den Bürgermeister Schneider aus Sankt Augustine gut, und ich werde ihn nach einem Urlaub für Giorgio fragen.“

„Aber jetzt müsst ihr euch erst mal hier ausruhen“, wandte sich Carla an uns. „Während ihr im Süden bestimmt schon den Frühling gesehen habt, ist es hier noch Winter, wenn auch inzwischen ohne Schnee. Dieser Wetterumschwung könnte euch schon zu schaffen machen, wir haben ja ein ganz anderes Klima. Und dann noch der Flug, und diese Wartereien an den Flugplätzen, das ist doch ätzend.“

„Eine kurze Pause tut ganz gut“, bestätigte ich ihr und nahm die Kaffeekanne, um den anwesenden Gästen das belebende Getränk einzuschenken. „Aber nicht zu lange. Ich habe nämlich schon wieder einen neuen Auftrag, und Ermanno kann mir sicherlich dabei helfen mit seiner Erfahrung als Privatdetektiv.“

„Was ist es denn diesmal?“ erkundigte sich Bernhard.

„Ich soll für Frau Irene Kelly nach ihrer Nichte suchen. Die ist jetzt 20 Jahre, hatte mit ihrer Tante schon länger keinen Kontakt mehr, und soll sich jetzt in zweifelhafter Gesellschaft befinden. Vielmehr weiß ich darüber auch noch nicht, aber Frau Kelly hat sicher noch einige Informationen für mich parat.“

„Ich kenne Frau Kelly gut“, überraschte mich Adelaide. „Sie war einmal als Klientin bei mir, als ich noch im Rosenturm wohnte.“

„Dann weißt du bestimmt auch einiges über sie“, vermutete ich.

„Sie ist Lehrerin und ich schätze sie auf etwa 40 Jahre, die genauen Daten von ihr habe ich nicht mehr im Kopf. Da sie alleinstehend ist, hat sie wohl noch Zeit übrig. Daher gibt sie auch viele Privatstunden, also Nachhilfe. Wenn ich mich nicht irre, kann sie auch Italienisch und unterrichtet es ein wenig. Ich habe sie als eine sehr bescheidene Frau kennengelernt, denn sie wohnt in einem winzigen Appartement im Nordwesten von Sankt Augustine, ein paar Straßen hinter dem Rosenturm.“

„Weißt du auch irgendetwas von der Nichte?“

„Sie hat einmal von ihr erzählt, und war ganz traurig darüber, dass sie sie aus den Augen verloren hat. Die Mutter ist wohl früh gestorben, die Mutter der Nichte, meine ich, und der Vater konnte den Tod seiner Frau nicht verwinden. Da ist er dann mit seiner Tochter nach Brasilien gezogen, aber kurze Zeit danach ist auch der Vater gestorben. Da war das Kind gerade einmal 8 Jahre alt.“

„Wie tragisch!“ fand Carla. „Beide Eltern so früh verloren. Was ist dann aus ihr geworden?“

„Frau Kelly hat sich nach ihrer Nichte erkundigt, auch in Brasilien. Immer wieder. Dort hat ihr dann die deutsche Botschaft mitgeteilt, dass die Nichte nicht auffindbar sei. Aber jetzt bei den neuesten Recherchen, hat ihr eine neue Mitarbeiterin der deutschen Botschaft verraten, dass die junge Deutsche vor einem halben Jahr wieder zurück in ihre Heimat gezogen ist. Leider gäbe es dort aber keine Akten, in denen vermerkt ist, wohin sie gezogen sei. Frau Kelly hat dann immer weiter gesucht.“

„Aber jetzt wird sie doch sicher eine Spur haben, wenn du gezielt nach ihr suchen sollst.“

Nachdenklich sah ich sie an „Offenbar. Sonst wüsste sie nicht, dass sie sich in dunklen Kreisen befindet. Irgendjemand muss sie wohl gesehen haben. Aber das werde ich wohl morgen erfahren, wenn ich Frau Kelly besuche.“

„Das wird aber ein schweres Unterfangen werden“, vermutete Bernhard. „Hoffentlich kann dir diese Frau Kelly wenigstens genügend Anhaltspunkte mitgeben, sonst kommt mir die Suche ziemlich aussichtslos vor, wie nach einer Stecknadel im Heuhaufen.“

Ich nickte. „Und über die Meldeämter ist es auch sehr schwierig, da habe ich schon meine Erfahrungen gemacht. Ich kann von Glück sagen, dass ich Cordula vom Amt hier in Sankt Augustine kenne. Sie hilft mir manchmal unbürokratisch weiter. Aber ihr seid herzlich eingeladen, mir zu helfen, wenn ihr irgendwelche Ideen habt.“

„Meine Ideen beschränken sich auf Ideen, die ich beim Kochen und Backen mit Adelaide ausprobieren kann“, freute sich Carla. „Hat euch der Ätna geschmeckt?“

„Was für ein Glück, dass der echte ein bisschen länger zusammenhält“, fand Ermanno. „Ich werde mich auch nur beiläufig um diese Suche kümmern können, weil ich ab morgen wieder an der Universität Vorlesungen gebe.“

„Na Gott sei Dank, dass der viele Schnee jetzt endlich getaut ist“, meinte Adelaide. „Leider gibt es hier in Sankt Augustine keine Uni, an der du arbeiten könntest. So hast du doch jeden Tag ziemlich viel zu fahren, aber endlich ohne Schnee auf der Straße.“

„Ja, es wird doch jetzt jeden Tag heller“, fügte Carla hinzu, und ich hoffe, dass ihr den Frühling aus dem Süden mitgebracht habt. Hattet ihr dort wirklich besseres Wetter als wir?“

Ich lächelte in verträumte Erinnerung. „Ganz sicher, und ich hoffe, dass der Frühling nicht dort auf der Insel bleiben möchte. Vorstellen könnte ich es mir schon, denn es ist einfach traumhaft dort.“

***

Trotzdem gefiel es mir in Sankt Augustine, als ich am nächsten Tag durch das historische Städtchen spazierte und die alten Gebäude betrachtete. In den Vorgärten entdeckte ich Primel, Krokusse und die letzten Schneeglöckchen, auch die Narzissen steckten neugierig ihre ersten grünen Blätter in die Höhe.

Das Appartement der Lehrerin lag in einem einstöckigen Neubau, den ein guter Architekt harmonisch in das Straßenbild eingepasst hatte. Ein dunkles Dach zog sich tief hinunter bis zum matten Weiß des Mauerwerks.

Frau Kelly öffnete die Tür, sie schien mich erwartet zu haben. „Kommen Sie herein, Frau Mühlberg! Ich habe auch schon alle Unterlagen für Sie vorbereitet.“ Sie führte mich in einen größeren Raum, der sowohl Wohnküche, als auch Wohnzimmer mit einer Schlafcouch beinhaltete. Lediglich ein kleines Bad und den Flur hatte man separat abgetrennt.