Als wir Mäxchen "Servus" sagen mussten - Martina Meier - E-Book

Als wir Mäxchen "Servus" sagen mussten E-Book

Martina Meier

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Beschreibung

Anton war der Kater meiner Großeltern. Wir wohnten weit weg von Oma und Opa, aber mir machte es nichts aus, lange im Auto sitzen zu müssen, um sie zu besuchen. Als wir letztes Jahr an Weihnachten die lange, schneebedeckte Einfahrt zu Omas und Opas Haus hinauffuhren, merkte ich schon, dass etwas nicht stimmte. Ich weiß nicht, warum, aber ich spürte es. Oma öffnete uns die Haustür mit einem furchtbar traurigen Gesicht. Meine Lieben, ich sage es euch besser gleich, meinte sie. Anton ist letzte Nacht gestorben.In diesem Augenblick zerbrach meine ganze Welt, es fühlte sich an, als würde irgendetwas mein Herz umklammern und es ganz fest zusammendrücken. Ich bekam fast keine Luft mehr und dann begann ich zu weinen, so lange, bis Mama mich in die Arme nahm und ins Haus trug, als sei ich noch ein Kleinkind. Unsere kurzen Erzählungen und Gedichte spenden Kindern und Jugendlichen Trost, wenn der geliebte Hund oder das treue Pferd stirbt oder der alte, kranke Kater über die Regenbogenbrücke gehen muss.

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Seitenzahl: 164

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Als wir Mäxchen „Servus“ sagen mussten

Kinder in der Trauer um ein geliebtes Haustier begleiten

Martina Meier (Hrsg)

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.papierfresserchen.de

[email protected]

© 2018 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

Alle Rechte vorbehalten.

Erstauflage 2018

Herstellung und Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de

ISBN: 978-3-86196-784-2 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-163-3 - E-Book

*

Inhalt

Im Katzenhimmel

Moritz, der kleine rote Perserkater

Freunde vergessen einander nie

Pünktchen

Lämmchen

Vergiss mich nicht

Abschied von Benny

Anton

Für immer Momo

Timmy fehlt

Seppel

Man sollte niemals NIE sagen!

Das Wolkenbild

Bis bald, kleiner Timmi!

Mäxchen

Wo bin ich nur

Bannai anam

Brief von Mäxchen

Bis bald, Puschkin

Das Medaillon

Erdbeerchens neun Leben

Kindergespräch

Die große Chance

Louisas Abschiedsschmerz

Katzen vertragen keine Vitamine

Das Hühnerbegräbnis

Biancas Unfall

Maddox’ Reise

Das Geheimnis des Großen Hundes

Ben, Wuffi und die Sonnenblume

Ohne Lenni ist alles doof

Trostgedanken

Flicka

Trostkloß

Unser Buchtipp

*

Im Katzenhimmel

Das Letzte, woran Gizmo sich erinnern konnte, waren grelle Lichter, die die dunkle Nacht durchbrachen, und ein lauter Knall. „Wäre ich doch nur bei Emma auf dem Bett geblieben“, dachte er bei sich.

Als er nun die Augen öffnete, blickte er in einen strahlend blauen Himmel mit vereinzelten Schäfchenwolken. „Määäh“, konnte man von einigen Wolken hören – es waren tatsächlich Schafe.

Gizmo blickte sich weiter um. Er lag auf einer grünen Wiese. Vereinzelt gab es Papiertüten, in denen kleine Kätzchen spielten. Regenbogenfische flogen zappelnd durch die Luft. In der Nähe war ein Hügel mit einigen Bäumen. Er konnte auch das Schnaufen einer Dampflok hören.

„Na, bist du endlich aufgewacht?“, fragte ihn die vertraute Stimme der Nachbarskatze.

„Doris ... aber du warst doch verschwunden. Wo sind wir hier?“

„Wir sind im Katzenhimmel.“

„Im Katzenhimmel?“

„Ja, ich war nicht verschwunden. Ich war sehr schwer krank. Und du hattest einen Unfall.“

Unfall. Das war also bei dem lauten Knall passiert.

„Komm mit, Gizmo, ich zeige dir alles. Oder möchtest du den Rest der Ewigkeit hier liegen bleiben und die Schafe zählen?“

Natürlich wollte er das nicht. Er blickte kurz an sich hinunter. Nach einem Unfall hätte er mit Blutflecken und Prellungen gerechnet – vielleicht sogar mit gebrochenen Knochen. Aber er war komplett unversehrt und sein schwarzes Fell glänzte seidig matt. Auch das Aufstehen bereitete ihm keinerlei Probleme. Er fühlte sich topfit und kerngesund. Erst jetzt bemerkte er, wie verändert auch Doris aussah. Bei ihrer letzten Begegnung hatte sie kahle Stellen gehabt und konnte sich vor Erschöpfung kaum noch bewegen. Ihr Fell glänzte nun auch und sie schritt leichtfüßig voran.

„Nun komm endlich. Wer zuerst bei den roten Punkten ist“, rief Doris und rannte los.

Gizmo sprintete hinter ihr her. Über die grüne Wiese in einen Wald. Dort waren tatsächlich rote Punkte am Boden, die sich bewegten. Sie versuchten, welche zu fangen – und zum ersten Mal konnte er einen dieser roten Punkte mit den Pfoten festhalten.

Danach gingen sie weiter zu einem Fluss, aus dem Seifenblasen Richtung Himmel aufstiegen. Unterwegs begegneten sie den unterschiedlichsten Katzen: großen, kleinen, dünnen, moppeligen, mit kurzem Fell oder mit langem. Alle waren gesund und fröhlich.

„Heißt es nicht immer, Katzen hätten neun Leben?“, fragte Gizmo, als sie gerade in einem Baum auf einem Ast lagen.

Doris drehte ihren Kopf und überlegte kurz. „Ja, jede Katze kann neunmal leben. Aber viele möchten auch hierbleiben, weil sie nicht so ein liebevolles Zuhause hatten wie wir. Möchtest du etwa zurück?“

„Ich vermisse Emma“, antwortete Gizmo traurig.

Doris streckte sich. „Dann müssen wir zu den neun Weisen. Sie wissen, wie viele Leben du noch übrig hast.“

Sie sprang vom Baum und Gizmo folgte ihr. Sie gingen über Schmetterlingswiesen, vorbei an warmen Öfen und über Pusteblumenfelder zu einem Felsen. Sie stiegen hinauf zu einer Höhle. In der waren neun Katzen verteilt.

„Gizmo“, sagte die Kleinste. „Du möchtest zurück?“

„Ja.“ Der Kater war verwundert, dass sie ihn kannten.

„Oh, du erinnerst dich nicht mehr“, sprach eine dicke Katze mit langem Fell. „Du hattest dein zweites Leben. Beim letzten Mal wolltest du auch unbedingt sofort zurück.“

„Mein zweites Leben?“

„Ja“, erwiderte eine Katze, die wie ein kleiner Gepard aussah. „Du solltest nächstes Mal wirklich besser aufpassen.“

„Es sei dir gewährt. Ich sehe, dass du zurück zu dem kleinen Mädchen möchtest, bei dem du gelebt hast“, sprach eine anscheinend blinde Katze.

Emma. Es war damals Liebe auf den ersten Blick gewesen. Er hatte diese Kleine sofort in sein Herz geschlossen – und sie ihn in das ihre. Nichts wünschte er sich sehnlicher, als wieder bei ihr zu sein. Sich von ihr hinter den Ohren kraulen zu lassen. Mit ihr zu spielen und auf ihrem Bett zu schlafen.

„Ja, ich möchte zurück zu Emma.“

Da öffnete sich ein Tor und ein dunkler Weg war zu sehen.

„Du musst nur durchgehen. Dann fängst du ein neues Leben an“, sprach eine Stimme, die er nicht zuordnen konnte.

Er nahm all seinen Mut zusammen und lief in die Finsternis.

Es war schon ein halbes Jahr her, seit Gizmo von einem Auto überfahren worden war. Emma war seitdem nicht mehr wirklich fröhlich gewesen. Daher fuhren ihre Eltern öfter mit ihr ins Tierheim – vielleicht fand sie dort heute einen neuen Freund.

Als sie den Raum betraten, fiel Emmas Blick sofort auf einen kleinen schwarzen Kater mit weißen Pfoten. Er kam auf sie zu – und es war, als wäre Gizmo wieder da. Sofort schloss Emma ihn ins Herz und auch der Kater schien schon in sie verliebt zu sein.

Anja Pachali, 1987 in Thüringen geboren und aufgewachsen. In der Welt zu Hause, eine Reisende. Seit Sommer 2016 in München wohnhaft. Genießt das Leben und probiert gerne Neues.

*

Moritz, der kleine rote Perserkater

Er war so schön flauschig, man konnte kaum seine kleinen Äuglein sehen. Rotes, weiches und unendlich kuscheliges Fell hatte er. ER hieß Moritz, war ein junges Katzenbaby von gerade mal acht Wochen und hatte sich sofort in mein Herz geschlichen. So lange hatten mein Bruder und ich Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis unsere Mutter sich endlich hatte breitschlagen lassen. Sie wollte keine Haustiere mehr, weil es immer so schmerzhaft war, wenn sie dann nicht mehr da waren. Aber am Ende bekamen wir eben doch diesen tollen Kater. Und er war so putzig.

Moritz war auf einem Bauernhof geboren und hatte es nur in unsere Wohnstube geschafft, weil er eine Perserkatze war UND rothaarig! Denn nur einer solchen Kombination hatte unsere Mutter zugestimmt. In der Hoffnung, dass es keine roten Perserkatzen gäbe? Aber es gab sie! Und eine gute Freundin unserer Mutter hatte ebendiese „Mischung“ gefunden.

Tja, und nun war es so weit – wir hatten endlich eine Katze. Einen Kater! Und was für einen Kater! Moritz war von Anfang an anders als andere Katzen. Er fraß kein normales Katzenfutter, sondern ließ sich mit Frischfleisch füttern, wenn ihm was nicht schmeckte, rümpfte er die Nase und man konnte sein „Bäääääh, igitt, DAS soll ich essen?“ förmlich hören.

Schnell hatte er uns im Griff und wurde von vorne bis hinten verwöhnt. Wir fütterten ihn mit der Hand, schnitten das Fleisch so klein, damit er es auch mit seinen zarten Zähnchen essen konnte. Wir liebten ihn! Alle liebten ihn! Und wir waren froh, dass wir ihn hatten.

Viele Jahre voller Kuscheleinheiten und gemeinsamem Auf-dem-Boden-Liegen kamen auf uns zu. Es war eine herrliche Zeit! Wir sprachen mit Moritz fast wie mit einem Menschen und es machte den Anschein, als wenn er uns wirklich verstand. Wir zogen in eine andere Stadt, Moritz zog mit – wir zogen nochmals um, er kam mit. Immer war er da! Wenn ich von der Schule nach Hause kam, wenn ich abends ins Bett gehen musste. Und auch wenn ich morgens aufwachte. Selbst wenn ich nachts aufwachte, war er da. Moritz lag eingerollt auf meiner Decke und schnurrte.

Moritz stieg tagsüber in sämtliche Kartons, die wie von Zauberhand in unsere Wohnung kamen – Milchkartons. Aber die wurden bei uns nicht gefaltet und in das Altpapier gegeben, nein, bei uns lag ein kleines rotes Knäuel drin und schnurrte. Natürlich lag auch eine Decke unter dem Kater, er sollte es ja gemütlich haben! Den ganzen Tag lag er irgendwo rum und schlief. Und immer wenn jemand an ihm vorbeiging, hob er sein kleines rotes Köpfchen und schaute uns mit seinen kleinen Knopfaugen an.

Manchmal „sprach“ er auch mit uns. Zumindest hörte es sich so an, er antwortete mit Mauz-Geräuschen, wenn er gefragt wurde, ob er denn hungrig sei. Und wenn er im Garten gewesen war und wieder hineinwollte, mauzte er so lang, bis ihn jemand zur Haustür hineinließ. Er ging nicht durch seine Katzenklappe im Keller, nein, er mauzte. Und wenn einer von uns es sich auf dem Sofa gemütlich machte, machte Moritz es sich dort auch gemütlich und forderte seine Streicheleinheiten ein. Wie eine anständige Katze das macht, fing er auch ab und zu mal eine Maus. Diese fraß er aber nicht auf, nein – er brachte sie als „Geschenk“ zu uns ins Haus. Das freute nicht unbedingt alle, war aber so.

Ich erzählte dem Kater alles, was mich bedrückte. Alles! Und er? Er hörte mir aufmerksam zu und ich hatte immer das Gefühl, dass er mich verstehen würde. Wenn ich traurig war, kuschelte ich mich an ihn. Wenn ich fröhlich war, kuschelte ich mich an ihn. Wenn ich Langeweile hatte, spielte ich mit ihm. Das Schönste war, dass er es scheinbar schon immer fünf Minuten früher wusste, wenn ich nach Hause kam – er stand oft schon an der Tür, wenn ich reinkam, und freute sich, wenn er mich sah. Es war einfach herrlich, ihn zu haben!

Und natürlich dachte ich gar nicht daran, dass es irgendwann anders werden könnte. Doch es kam, wie es kommen musste, irgendwann war Moritz so alt geworden, dass er eines Tages nicht mehr die Kraft hatte weiterzuleben, und wir mussten uns von ihm verabschieden.

Tagelang waren wir unglücklich, auch Monate später verging kein Tag, an dem ich nicht an ihn dachte. Und kein Tag endete, ohne dass ich meinen Freundinnen erzählt hatte, wie schrecklich ich mich fühlte. Manchmal musste ich unaufhörlich weinen. Manchmal musste ich es jedem erzählen, dass es ihn nicht mehr gab. Und stell dir vor, alle wussten, wie es mir ging, denn alle hatten schon mal ein Haustier verloren. Leonie erst kürzlich ein Meerschweinchen, Lara einen sprechenden Papagei und Linda ... Linda hatte sogar schon zwei Katzen nicht mehr nach Hause kommen sehen.

Ein anderes Mal musste ich mir stundenlang die alten Fotos von Moritz anschauen und weinte bitterlich. Am nächsten Tag ging es mir nur gut, wenn ich das Thema Haustier komplett ignorierte. Und immer dachte ich, er würde gleich durch die Tür kommen und sich neben mich legen. Aber er würde niemals wieder kommen. Niemals wieder in meinem ganzen Leben wollte ich mir ein Tier ins Haus holen. Zu schmerzhaft war es, dieses zu verlieren.

Und heute? Heute habe ich einen kleinen, flauschigen weißen Hund und freue mich über jeden Tag, den wir miteinander verbringen können. Und ich weiß, dass er es gut bei mir hat. Und ich weiß, dass es irgendwann kommen wird, wie es kommen muss. Aber ich will deshalb nicht auf die schönste Zeit meines Lebens verzichten. Und ich glaub, er auch nicht!

Und weißt du was? Manchmal habe ich das Gefühl, als wenn die Seele meines alten Katers in meinem Hund steckt. Sie sind sich vom Wesen her so verblüffend ähnlich, dass ich oft verwundert bin. Wenn ich traurig bin, kuschel ich mich an ihn und erzähle ihm, was ich auf dem Herzen habe. Wenn ich irgendwo sitze, kommt er sofort angeflitzt und setzt sich zu mir, schaut mich mit seinen kleinen Knopfaugen an und guckt verständnisvoll. Und wenn ich nach Hause komme, steht er schon erwartungsvoll an der Tür und freut sich, wenn ich reinkomme.

Und noch was „Lustiges“: Mein Hund frisst kein Hundefutter, er frisst nur Fleisch, das wir extra für ihn kochen und mit Gemüse verfeinern. Und wenn man ihm doch mal was anderes hinstellt, kann man das „Bäääääh, igitt, DAS soll ich essen?“ förmlich hören. Nur kleine Mäuse bringt er mir nicht. Und darüber bin ich echt froh!

Wenn ich heute an meinen Kater Moritz zurückdenke, möchte ich keinen einzigen Tag missen. Es war eine sehr schöne Zeit! Und ja, es war schwer, ihn zu verlieren, aber zu wissen, dass er es gut bei uns hatte und sein Leben genießen konnte, macht es leichter. Heute sind es einfach nur noch schöne Erinnerungen. Und ich sitze auf meinem Sofa, meinen kleinen, flauschigen Hund auf meinem Schoß, und erinnere mich gerne an die vielen kuscheligen Stunden mit meinem Kater zurück.

Und wer weiß schon, ob nicht doch ein kleines Stück des Katers in meinem Hund zu finden ist? Ein schöner Gedanke.

Yasmin Mai-Schoger wurde 1970 in Niedersachsen geboren und wohnt seit ihrem Studium mit ihrer Familie in Baden-Württemberg. Die Autorin schreibt Gedichte und Märchen für Kinder und Erwachsene; die Geschichten über die Harznoks stammen aus ihrer Feder – zurzeit schreibt sie an einem lustigen Theaterstück.

*

Freunde vergessen einander nie

„Theo geht es sehr schlecht“, sagte die Tierärztin vorsichtig und sah dabei meiner Mama ins Gesicht. Dann fuhr sie fort und ich bemerkte, dass ihr Blick dabei über mein Gesicht huschte. „Ich denke, es gibt jetzt nur noch eines, was wir für ihn tun können.“

Mir schossen Tränen in die Augen. Meine Mama hatte mir zu Hause gesagt, dass es sein könnte, dass Theo heute eingeschläfert werden müsste. Sie hatte mir erklärt, was das bedeutete, aber bis eben hatte ich es nicht verstanden. Jetzt verstand ich es. Ich fühlte die Tränen in dicken Rinnsalen über meine Wangen laufen und von meinem Kinn tropfen. Theo war doch mein Freund!

Die Tierärztin wandte sich mir zu. „Wie heißt du?“, fragte sie mich.

„Emily.“

In diesem Ton, den Erwachsene benutzten, wenn sie mit Kindern redeten, sagte sie dann: „Weißt du, Emily, Theo ist sehr krank.“ Ich nickte. Das hatte ich schon gewusst und Mama hatte das auch gesagt. Nach einem kurzen, fragenden Blick zu meiner Mama fuhr die Tierärztin fort: „Theo hat Schmerzen. Du hast bestimmt zu Hause gesehen, dass es ihm nicht gut geht, oder?“

„Er hat Krebs“, sagte ich und fühlte eine weitere Träne auf mein T-Shirt tropfen.

Die Tierärztin nickte. Dann fuhr sie fort: „Wir haben eine ganze Weile versucht, ihm zu helfen und ihm sein Leben so schön wie möglich zu machen. Aber jetzt geht es nicht mehr. Weißt du, was das bedeutet?“

Ich biss mir auf die Unterlippe. „Wir werden ihn einschläfern“, presste ich mit zitternder Stimme hervor. „Wir müssen das für ihn tun. Mama sagt, es wäre nicht fair, wenn wir zuließen, dass er weiter so schlimme Schmerzen hat, nur damit wir ihn noch eine Weile bei uns haben können.“ Jetzt liefen die Tränen so schnell aus meinen Augen, dass ich nichts mehr sehen konnte.

Meine Mama streichelte mir über den Kopf und die Tierärztin reichte mir ein Papiertuch. Ich wischte mir die Wangen ab und putzte mir die Nase. Es half nicht viel.

„Das ist das Beste, was wir jetzt noch für ihn tun können“, bestätigte die Tierärztin.

Zwischen zwei Schluchzern sagte ich: „Ich möchte seine Pfote halten, wenn er einschläft.“

Die Tierärztin nickte. „Das ist sehr tapfer von dir, Emily. Und es ist sehr schön für Theo, wenn du bei ihm bleibst. Er weiß dann, dass du da bist und ihn niemals im Stich lässt.“

Meine Mama setzte Theo vorsichtig auf den Tisch und nahm ihn fest in den Arm, damit er nicht wieder runterspringen konnte. Die Tierärztin breitete ihre Sachen auf dem Tisch aus, dann legte sie ein blaues Band um Theos Bein und zog es fest. Sie rasierte ein bisschen Fell weg, und als danach der kalte Alkohol auf seine Haut tropfte, zuckte Theo zusammen. Meine Mama beruhigte ihn wieder. Anschließend pikste die Tierärztin so ein Plastikding in sein Bein und klebte es fest.

„So“, sagte sie dann zu mir, „wenn du magst, kannst du dich jetzt hier neben mich stellen und seinen Kopf streicheln. Erzähl ihm irgendwas, damit er deine Stimme hört und weiß, dass du bei ihm bist. Ich gebe ihm jetzt eine Spritze, dann schläft er ganz schnell ein. Das merkt er gar nicht.“ Sie schaute zu meiner Mama hinüber, die noch immer Theo fest in den Armen hielt. Meine Mama nickte.

Ich fühlte Tränen in meinen Augen brennen. Doch ich hatte mir fest vorgenommen, in diesem Moment nicht zu weinen, damit Theo nicht noch mehr Angst haben musste. „Theo! Theo, alles wird gut. Wir sind bei dir! Ich hab dich so lieb. Du bist der beste Hund der Welt!“ Solche Sachen wisperte ich ihm zu und streichelte seine weichen Ohren. Dabei merkte ich gar nicht, wie die Tierärztin ihm die Spritze gab. Ich sah nur, wie Theo plötzlich ganz schlaff wurde in Mamas Armen. Vorsichtig bettete sie seinen Kopf auf den Tisch.

Fassungslos stand ich da. Theo! Mein Theo ... Mir wurde erst in diesem Moment wirklich klar, was einschläfern bedeutete. Dass er jetzt tot war. Fort. Für immer. Mühsam holte ich Luft, den Blick starr auf meinen Freund gerichtet, mit dem ich jetzt nie wieder über die Wiese rennen würde, der nie wieder im Sommer in den Teich springen würde, der nie wieder unter einem Baum stehen und ein Eichhörnchen anbellen würde.

Ich sah, wie die Tierärztin ihr Stethoskop an Theos Herz hielt und ein paar Sekunden lauschte. Dann nahm sie es aus den Ohren und hängte es sich wieder um den Hals.

„Ist er schon tot?“, flüsterte meine Mama und ihre Stimme zitterte. Die Tierärztin nickte. Ich sah, wie meine Mama ihr Gesicht in den Händen vergrub und weinte. Da weinte ich auch.

Die Tierärztin reichte meiner Mama ein paar Papiertücher, dann gab sie mir auch welche. „Du warst so tapfer, Emily“, sagte sie.

Ich schluchzte noch mehr. „Ich kann nicht glauben, dass er jetzt weg ist! Und dass ich nie wieder mit ihm spielen und kuscheln kann!“

Die Ärztin löste das Plastikding von Theos Bein, dann sagte sie: „Theo ist jetzt im Hundehimmel. Da tut ihm nichts mehr weh und er kann mit all den anderen Hunden dort rennen und spielen.“

Ich weinte noch mehr. „Aber ich bin so traurig!“

Die Ärztin strich sanft über Theos Kopf. „Natürlich bist du das. Aber weißt du was? Das ist gut so.“ Überrascht schaute ich sie an. „Du weinst so sehr um ihn und du bist so traurig, weil du ihn sehr geliebt hast. Er hatte bei euch ein wunderschönes Leben. Und ich bin sicher, er war glücklich und hätte sich kein schöneres Zuhause wünschen können.“

Ich schaute sie mit tränenschwimmenden Augen an und dachte über ihre Worte nach. Und dann sah ich Bilder vor mir, von früher, bevor Theo krank wurde. „Mama, weißt du noch, damals, als er in den Teich gesprungen ist und sich in den Seerosen verheddert hat? Papa musste reingehen und ihn befreien!“

Die Tierärztin lächelte und meine Mama lächelte auch. „Ja“, sagte sie. „Und das andere Mal, wo wir den kleinen Hund der Nachbarin zu Besuch hatten und der Theos ganzes Futter aufgefressen hat? Theo stand nur da, schaute ihm zu und guckte dich an, als wollte er sagen: Frauchen, tu doch was.“

Bei der Erinnerung daran musste ich lachen, obwohl ich noch weinte.