Älter wirst du sowieso - Cem Ekmekcioglu - E-Book

Älter wirst du sowieso E-Book

Cem Ekmekcioglu

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Beschreibung

Wir haben es selbst in der Hand, wie gut und wie lange wir leben. Ein umfassendes, praxisrelevantes Buch für unser Projekt "gut und lange leben". 90 plus ist in unserer heutigen Zeit durchaus drin. Vermehrt schafft man auch den 100. Geburtstag. Aber ohne jegliches Zutun klappt das nicht, denn einen relativ großen Anteil an unserem Krankheits- oder Sterblichkeitsrisiko haben vermeidbare Faktoren, die wir selbst beeinflussen können: von diversen Aspekten des Lebensstils bis zu soziopsychologischen Einflüssen. Cem Ekmekcioglu ist Professor für Physiologie und beschreibt die wichtigsten und relevantesten Faktoren. Er bezieht zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen aus verschiedensten Forschungsdisziplinen in seine Arbeit ein und gibt konkrete Handlungsanweisungen, wie man mit verhältnismäßig kleinem Aufwand seine Lebensweise optimiert, um fit und glücklich alt zu werden.

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Seitenzahl: 303

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Ebook Edition

Cem Ekmekcioglu

Älter wirst Du sowieso

Was wir heute tun können, um morgen gut und gesund zu leben

Die Ratschläge in diesem Buch sind von Autor und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft worden, dennoch kann keine Garantie übernommen werden. Eine Haftung des Autors beziehungsweise des Verlags und dessen Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

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www.westendverlag.de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-778-8

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2020

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Redaktion: Viviane Richarz

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

Inhalt

Titel
Vorwort
Einleitung
Faktoren, die unsere Lebensspanne und das Krankheitsrisiko bestimmen
Vermeidbare Faktoren
Ein kurzer Exkurs in die wissenschaftliche Studienlandschaft
Warum gibt es immer wieder unterschiedliche Meinungen?
Von wenig zu viel Evidenz
p-Wert, relatives Risiko und odds-ratio
Ein paar Tipps für den Laien
Wissenschaftlich verunsichert
I. Lebensstil
Rauchen
Fazit und Empfehlungen
Ernährung
Antioxidantien
Ernährung und Krebserkrankungen
Ernährung und Langlebigkeit
Kalorienrestriktion
Autophagie
Mögliche Nachteile einer länger andauernden Kalorienrestriktion
Resveratrol
Spermidin
Nahrungsergänzungsmittel
Einfluss von Lebensmitteln und Diäten auf das (vorzeitige) Sterblichkeitsrisiko
Mediterrane Kost
Fazit und Empfehlungen
Bewegung
Wie viel Bewegung wird empfohlen?
Woher die Zeit nehmen?
Was ist zu beachten?
Im Speziellen: Laufen
Kann man es auch (mit Laufen) übertreiben?
Muskulatur im Alter
Fazit und Empfehlungen
Adipositas und Co.
Wie nimmt man am besten ab?
Was bringt überhaupt Abnehmen?
Hat Fettleibigkeit auch irgendwelche Vorteile?
Typ-2-Diabetes mellitus
Vitamin D
Fettstoffwechsel
Cholesterin
Wie kann der Cholesterinspiegel gesenkt werden?
Eier
Triglyceride
Fazit und Empfehlungen
Kombination von verschiedenen Lebensstilfaktoren
Schlaf
Wie viel Schlaf benötigen wir?
Schlafmangel und Schlafstörungen
Konsequenzen eines schlechten Schlafes
Was kann man tun?
Mögliche nicht-medikamentöse Einschlafhilfen
Melatonin
Baldrian
Lichttherapie
Fazit und Empfehlungen
Kognition und Demenz
Kristalline und fluide kognitive Fähigkeiten
Leichte kognitive Störung oder Beeinträchtigung
Demenz
Kognitive Reserve und Plastizität
Was kann man tun?
Ernährung, Kognition und Demenzrisiko
Bewegung und soziale Aktivitäten
Was bringen gewisse Supplemente?
Fazit und Empfehlungen
Check-up
Was wird überprüft?
Bluthochdruck
Ein paar Worte zu Stress und den Möglichkeiten, Stress zu reduzieren
Fazit und Empfehlungen
II. Soziale Faktoren
Soziale Isolation, Einsamkeit und Partnerschaft
Einsamkeit versus soziale Isolation
Gesundheitliche Konsequenzen
Risikofaktoren für Einsamkeit
Was kann man gegen Einsamkeit und soziale Isolation tun?
Ehe und Trennungen
Fazit und Empfehlungen
Die Macht des Helfens
Was sind potenzielle Gründe?
Kann man es auch übertreiben?
Ökonomische Faktoren
Macht Wohlstand überhaupt glücklich?
Stärkere Effekte bei niedrigem Einkommen und geringer Bildung
Der Faktor Neid
Auch auf die Grundeinstellung kommt es an
III. Psychologische Faktoren
Glück und positive Lebenseinstellung
Wie kann Glück definiert werden?
Langes Leben durch Glücklichsein
Die Kraft des Lächelns
Angst und Ärger machen krank
Positive Gefühle stimulieren das Immunsystem
Wie können die günstigen Effekte auf die Gesundheit erklärt werden?
Positive Lebenseinstellung wirkt schmerzhemmend
Optimismus
Charakteristika des Glücks
Ein bisschen mehr Respekt
Wie kann man sein Wohlbefinden steigern?
Freude im Alter
Alles ist (nicht immer) gut
Fazit und Empfehlungen
Optimist auf Knopfdruck?
Sinn und Lebensziele
Fazit und Empfehlungen
Dankbarkeit
Ein kurzes Plädoyer für ein bisschen mehr Dankbarkeit im Leben
IV. Von Erinnerungen zu einem ewigen Leben
Die Macht der Erinnerungen im Alter
Biologisches versus chronologisches Alter
Kann man biologisches Alter auch quantifizieren?
Ewiges Leben?
Unsterblichkeit
V. Was macht ein gutes und langes Leben aus? – Eine Synthese von allem
Die wichtigen Empfehlungen für ein gesundes und langes Leben
Literatur

Meinen Eltern,Esin und Cevdet, in Dankbarkeit gewidmet.

Vorwort

Niemand will alt werden, behaupte ich mal nicht allzu provokant und meine dabei vor allem Menschen ab 40, 50 Jahren und aufwärts. Das Problem ist jedoch, dass nur zwei Dinge in der menschlichen Existenz unausweichlich sind – das Altern und der Tod. Über den Tod und eine mögliche Existenz danach macht sich der Mensch schon seit Jahrtausenden Gedanken. Intensiv über das Altern erst seit dem 20. Jahrhundert. Dabei haben die enormen Entwicklungen in den biomedizinischen Wissenschaften dazu geführt, dass wir den Prozess des Alterns heute viel besser verstehen, wobei immer noch viele Fragen unbeantwortet sind.

Die Lebenserwartung ist in den letzten 100 Jahren stetig angestiegen. Saubereres Trinkwasser, bessere Sanitäreinrichtungen, Wohnverhältnisse und Bildung, hochwertigere Ernährung, aber vor allem auch beachtliche Fortschritte in der Medizin, sowohl in der Diagnostik und Therapie als auch in der Prävention, haben dazu beigetragen, dass viele Menschen ein höheres Alter in einem immer besserem Gesundheitszustand erreichen.1 Vor nicht allzu langer Zeit war ein Alter von 70, 80 Jahren bereits jenseits der Vorstellungskraft, geschweige denn der körperlichen Möglichkeiten der allermeisten Menschen. Mittlerweile denken wir in dreistelligen Dimensionen.

Verschiedenste wissenschaftliche Disziplinen, angefangen von der Soziologie bis hin zur Medizin, beschäftigen sich intensiv mit dem Altern des Menschen und den Möglichkeiten, (medizinischen) Problemen und Konsequenzen einer alternden Gesellschaft. Grundsätzlich existiert keine eindeutige Definition für das Altern. Unter Altern könnte man etwa verstehen, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit aufgrund von körpereigenen (degenerativen) Prozessen zeitabhängig abnimmt. Eine andere Erklärung könnte sich auf eine zunehmende, allgemeine Beeinträchtigung physiologischer Organfunktionen beziehen, die schließlich zu Gebrechlichkeit, Krankheiten und Tod führt.

Nach neueren Überlegungen ist Altern auch die Unfähigkeit des Organismus, adäquat auf externe und interne Stressoren zu reagieren, sodass es dadurch zu einer Störung des inneren Gleichgewichts, der sogenannten Homöostase, kommt.2

Kein Mensch kann sich dem Altern entziehen. Viele Faktoren, die vor allem mit unserem Lebensstil zu tun haben, beeinflussen den Alterungsprozess, sodass Altern nicht gleich Altern ist. Fit oder träge, kerngesund oder krank, zufriedenen oder mürrisch: Das Alter hat viele Gesichter.

Das wissenschaftliche Interesse an der Erforschung des Alterungsprozesses wurde insbesondere durch zahlreiche Experimente an Modellorganismen geweckt – etwa dem Fadenwurm C. elegans oder der Fruchtfliege D. melanogaster –, bei denen durch genetische Manipulation die Lebensspanne verlängert wurde. Bei Nagetieren konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass eine Verminderung der täglichen Kalorienzufuhr (oder caloric restriction in der englischen Fachliteratur) den Todeszeitpunkt hinauszögert. Bahnbrechende Versuche bei Primaten zeigten außerdem eindrucksvoll, dass eine lebenslange Kalorienrestriktion ohne Mangelernährung das Risiko für viele altersabhängige Erkrankungen reduziert.3

Wie lange und wie gut wir leben hängt, neben der immens wichtigen Hygiene und medizinischen Versorgung, sowohl von beeinflussbaren beziehungsweise vermeidbaren als auch von nicht beeinflussbaren beziehungsweise unvermeidbaren Faktoren ab. Diese determinieren unser Risiko sowohl für Krankheiten als auch für (vorzeitige) Sterblichkeit und damit die Lebensspanne. Der nicht beeinflussbare Teil bezieht sich vor allem auf die familiäre (genetische) Belastung, wohingegen Lebensstil, Lebenseinstellung und Lebensumgebung als beeinflussbare Faktoren den Hauptteil eines langen und guten Lebens ausmachen. Der Unterschied zwischen »optimalen« und »schlechten« Bedingungen kann, grob geschätzt, bis zu 20 oder 30 Jahre betragen. Die maximale Lebensspanne, die derzeit bei circa 120 Jahren liegt und eine realistische Obergrenze bei etwa 90 bis 100 Jahren aufweist, wird jedoch nicht so oft überschritten. Trotzdem ist es ein riesiger Unterschied, ob ich mich mit 65, nach jahrelangem schlechtem Gesundheitszustand, oder mit 90, nach einem gesunden, erfüllten Leben, in dem ich vieles erreicht habe, von dieser Welt verabschiede.

Die vermeidbaren Faktoren wie Rauchen, körperliche Inaktivität und ungesunde Ernährung oder auch soziopsychologische Einflüsse wie Einsamkeit oder negative Lebenseinstellung beeinflussen nicht nur unsere Lebensspanne, sondern auch unser Krankheitsrisiko. Mit einer gesunden, positiven Lebensgestaltung, insbesondere im frühen und mittleren Lebensalter, wird die Basis für ein langes und vor allem auch gutes Leben gelegt.

Generell ist gesundes Altern mit einer ausreichenden Gesundheitsprävention und -versorgung, einer befriedigenden sozialen Umwelt sowie persönlicher Sicherheit assoziiert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fasst diese drei Bedürfnisse, die eine Verbesserung der Lebensqualität bewirken sollen, unter dem Begriff »active aging«, also »aktiv altern«, zusammen.4

Ein zentrales Ziel ist die Wahrung der Autonomie und Unabhängigkeit des älteren Menschen, was nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft, das Gesundheitssystem und die Politik von enormer Bedeutung ist. Dies verdeutlicht der Begriff »healthy life expectancy«, die Lebenserwartung bei guter Gesundheit. Eine vollständige Gesundheit ist im hohen Alter realistischerweise häufig nicht möglich, was jedoch durchaus möglich ist, ist ein Leben frei von (schweren) Behinderungen und Schmerzen, sodass persönliche Unabhängigkeit und Lebensqualität gewährleistet sind. Es geht daher nicht nur um ein langes Leben, sondern um ein Leben mit wenig Arztbesuchen, Medikamenten und Krankheiten, die mit einer spürbar eingeschränkten Lebensführung einhergehen.

Außerdem geht es um ein glückliches Leben. Freude, Glück und Lebenszufriedenheit stehen natürlich auch in Zusammenhang mit den Genen, dem Charakter und der Persönlichkeit des Einzelnen, und vor allem mit den Lebensbedingungen und -ereignissen. Aber auch für chronische Pessimisten gibt es Möglichkeiten, umzudenken und die innere Negativität zu überwinden.

Um die Wahrscheinlichkeit für ein langes Leben in Autonomie zu erhöhen, ist es wichtig, bereits in jüngeren Jahren zu investieren. Wobei das Wort »investieren« vielleicht einen negativen Beigeschmack hat. Mit investieren meine ich einen wenigstens halbwegs gesunden Lebensstil zu führen und zu versuchen, ein Mindestmaß an positiver Lebenseinstellung in den Alltag zu integrieren. Weiter sollte bedacht werden, dass auch soziale Faktoren, wie Einsamkeit oder soziales Engagement unser Wohlbefinden und unsere Lebensspanne massiv in beide Richtungen beeinflussen können.

Dieses Buch richtet sich daher sowohl an alle Menschen von 18 Jahren aufwärts, die ihre Wahrscheinlichkeit erhöhen wollen, vielleicht die 90 Jahre oder seltener auch die nächsthöhere Grenze zu knacken als auch an diejenigen, die vorhaben, ihr Krankheitsrisiko deutlich zu minimieren. Das Hauptaugenmerk des Buches richtet sich auf die wichtigsten vermeidbaren Faktoren: was sie bewirken, welchen Einfluss sie auf unser Krankheits- und Sterblichkeitsrisiko aufweisen und was wir, mit ein wenig Umdenken, tun können, um unserem Körper und unserem Geist viel Gutes zu tun.

Als Mediziner und langjähriger, erfahrener Wissenschaftler halte ich mich in meinen Ausführungen primär an zahlreiche seriöse, wissenschaftliche Untersuchungen. Ich habe die relevantesten Studien und Übersichtsarbeiten aufgearbeitet und zusammengefasst. Eine gewisse Auswahl musste ich treffen, da es in meiner zur Verfügung stehenden Lebensspanne unmöglich ist, alle Studien zu lesen und zu berücksichtigen.

Dieses Buch ist demnach in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird der Einfluss von Lebensstil und soziopsychologischer Komponenten auf das Risiko für (vorzeitige) Sterblichkeit und Krankheiten besprochen. Im zweiten Teil gehe ich auf die Aspekte ein, die besonders im Alter eine Rolle spielen. Dazu gehören beispielsweise Erinnerungen, das chronologische und das biologische Alter sowie philosophische Betrachtungen zum Wunsch nach dem ewigen Leben.

Kurzum: Sie finden in diesem Buch die wichtigsten Erkenntnisse für ein gutes und gesundes Leben. Mit etwas Engagement und einer »Investition« in Ihren eigenen Körper werden Sie davon langfristig profitieren können.

Ihr Cem Ekmekcioglu

Einleitung

Die Weltbevölkerung ist vor allem im letzten Jahrhundert rasant gewachsen. Vom Anfang der Zeit bis 1927 dauerte es, bis zwei Milliarden Menschen den Erdball bevölkerten.5 Bis 1974 kam es zu einer Verdoppelung der Bevölkerung. Und gerade einmal 25 weitere Jahre hat es gedauert, bis die nächsten zwei Milliarden dazukamen.5

Abbildung 1: Historische (und zukünftige) Entwicklung der Weltbevölkerung.413

Europa ist der älteste Kontinent im demographischen Sinn. Er hat mit derzeit etwa 43 bis 44 Jahren das höchste mediane Alter, und etwa 19 bis 20 Prozent der Bevölkerung sind älter als 65 Jahre. In den nächsten Jahrzehnten wird sich dieser Anteil noch weiter erhöhen.

Die mittlere Lebenserwartung beträgt derzeit in Westeuropa etwa 84 Jahre für Frauen und 79 Jahre für Männer. Um die Jahrhundertwende ins 20. Jahrhundert betrug sie noch etwa 45 bis 50 Jahre. Bis 2050 wird sie weiter steigen. Die klassische Bevölkerungspyramide wird an ihrer Spitze immer breiter, weil immer mehr Menschen immer älter werden. Möglicherweise verschiebt sie sich auch ein wenig nach oben, unter der Voraussetzung einer erhöhten Lebenserwartung von maximal 100 bis 120 Jahren. Der älteste Mensch soll die Französin Jeanne Calment, die 1997 im Alter von 122,5 Jahren in Arles gestorben ist, gewesen sein.

Auch die Zahl der Hundertjährigen in Deutschland ist in den letzten Jahren stark angewachsen. Zwischen den Jahren 2000 und 2010 stieg sie, nach Angaben der Human Mortality Database von fast 6000 auf über 13000.6 Wenn der Trend der Lebenserwartung in den entwickelten Ländern weiter anhält, hat, Hochrechnungen zufolge, jedes zweite Kind, das nach dem Jahre 2000 in Deutschland geboren wurde, gute Chancen, seinen 100. Geburtstag zu erreichen.7

So gesehen ist die Beschäftigung mit dem Altern immens wichtig, und die Überalterung der Bevölkerung gehört neben dem Klimawandel und der ständigen Bedrohung durch einen Atomkrieg zu den wichtigsten Herausforderungen der Welt. Aus diesem Grund ist es nicht nur für einen selbst, sondern für die Gesellschaft enorm wichtig, gut zu altern, mit möglichst großem Wohlbefinden und wenigen Beeinträchtigungen.

Faktoren, die unsere Lebensspanne und das Krankheitsrisiko bestimmen

Wir haben es zu einem großen Teil selbst in der Hand, wie gut und wie lange wir leben. Zumindest 90 plus ist dabei durchaus drin, vielleicht auch ein wenig mehr. Der Hauptteil unseres Krankheitsrisikos und unserer vorgesehenen Lebensspanne wird durch vermeidbare beziehungsweise beeinflussbare Faktoren bestimmt, die wir optimieren können. Logischerweise nicht beeinflussbar sind die Gene, die uns mit der Befruchtung der Eizelle mitgegeben werden. Diese haben jedoch nur einen relativ geringeren Anteil an unserer Lebensspanne. Es wird geschätzt, dass sie etwa 20 bis 25 Prozent und im späteren Alter ein wenig mehr ausmachen.8–12

Neben der Vererbung, die sich nicht nur begrenzend, sondern auch positiv auf die Lebensspanne auswirken kann – wenn zum Beispiel die Eltern sehr alt geworden sind –, spielt natürlich der Zufall oder das Schicksal, wie man es auch bezeichnen möchte, eine gewisse Rolle. Wir können noch so viel planen, noch so sehr glauben, den Moment, den Alltag und das Leben im Griff zu haben, aber diese überdimensionale Kraft kann niemand beeinflussen. In der nächsten Minute, quasi aus dem Nichts heraus, kann Kismet uns treffen, sei es mit einem abgelenkten PKW-Fahrer an der Fußgängerampel, einem Blitzeinschlag aus »heiterem« Himmel oder einem schlampig befestigten Klavier, das in den zweiten Stock gehievt wird – wobei Letzteres, zugegeben, eher in die Slapstickkategorie fällt. Obwohl die Zufallskomponente jeden treffen kann, ist sie jedoch nicht entscheidend für unser Leben. Auch schwere Unfälle können immer passieren, glücklicherweise machen sie jedoch nur einen relativ geringen Teil in der Todesstatistik aus. Wenn nur Zufälle unser Leben bestimmen würden, würden sich möglicherweise einige Menschen »gehen lassen« und in den Tag hineinleben, sodass auch das gesellschaftliche System darunter leiden würde. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der man nicht planen kann, in der es jederzeit, beim nächsten Atemzug, zu Ende gehen kann. Ich glaube, dass würde einige Menschen in den Wahnsinn treiben, einige würden ihr Leben ausschließlich Gott oder einer übergeordneten Macht widmen und andere vielleicht im Dauerdrogenrausch dahinleben. Es ist gut, dass wir selbst für unser Leben verantwortlich sind, und wenn wir es gut angehen, besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir davon profitieren können.

Neben den Genen und der Zufallskomponente beeinflussen vor allem zwei weitere wichtige, nur teilweise beeinflussbare Umweltfaktoren unser Krankheitsrisiko und unsere Lebensspanne: die Erderwärmung durch den Klimawandel und die Luftverschmutzung. Laut eines umfassenden Berichts stellt dabei die Luftverschmutzung weltweit die bedeutendste Umweltursache für Krankheiten dar und ist für viele Todesfällen verantwortlich. Innerhalb eines verschwindend geringen Zeitraums hat der Mensch die Gastfreundschaft unseres schönen Planeten, zugegeben, ohne zunächst die Konsequenzen zu kennen, ausgenutzt, ihn geplündert und ist gerade dabei, ihn zu ver»wüsten«. Kurz gesagt: Wir haben es ordentlich vermasselt. Jetzt geht es um Schadensbegrenzung, und die ist so wichtig wie nie zuvor. Da muss jeder mitmachen. Viele müssen über ihre Schatten springen und ihre materiellen Begehrlichkeiten sowie kontraproduktiven Bequemlichkeiten zugunsten unserer Welt und der nächsten Generationen überdenken.

Ich habe mich vor Kurzem im Rahmen eines umfassenden österreichischen Berichts, an dem viele Kolleginnen und Kollegen beteiligt waren, mit dem Klimawandel befasst.13 Dieser geht mit direkten und indirekten Gesundheitsrisiken einher. Zu den direkten gehören bei ausgedehnten Hitzeperioden der Hitzekollaps bis hin zum lebensbedrohlichen Hitzschlag, aber vor allem eine erhöhte Sterblichkeit in vulnerablen Populationen, also in Gruppen, die nicht über individuelle oder kollektive Fähigkeiten verfügen, um auf Umwelteinflüsse adäquat zu reagieren.13 Das Risiko für hitzebedingte Symptome und Erkrankungen ist dabei unter anderem bei älteren Menschen und Kleinkindern erhöht sowie bei:

Herz-Kreislauf-Lungenerkrankungen,

psychischen Erkrankungen und kognitiver Beeinträchtigung,

Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit),

körperlicher Behinderung und eingeschränkter Mobilität,

anstrengenden Aktivitäten im Freien während heißer Tageszeit,

limitierenden Möglichkeiten sich zu kühlen oder

einem niedrigen sozioökonomischen Status.

14

,

15

Als mögliche indirekte Gesundheitsfolgen des Klimawandels werden für die Zukunft unter anderem eine vermehrte allergische Belastung durch Pollen, eine mögliche Ausbreitung von nicht heimischen Krankheitserregern sowie Auswirkungen auf die Landwirtschaft und damit verbunden potenziell negative Folgen auf unsere Ernährung diskutiert.

Der Klimawandel betrifft uns alle, und wie man aus der Aufzählung entnehmen kann, weist auch ein recht hoher Anteil der Bevölkerung ein hohes Risiko- und Gefährdungspotenzial bei Hitze auf. Daher ist es immens wichtig, dass wir sofort gegensteuern, bevor es wirklich zu spät ist.

Vermeidbare Faktoren

Trotz der genetischen Belastung, der Zufallskomponente und den Umweltrisiken, sind verschiedene beeinflussbare, individuelle Faktoren hauptverantwortlich dafür, ob wir fit und lange leben oder lange Zeit unseres Lebens in Krankheit verbringen, um dann früher als geplant das Zeitliche zu segnen.

Diese vermeidbaren Faktoren habe ich in drei Gruppen unterteilt: 1. (gesunder) Lebensstil, 2. soziologische Faktoren und 3. psychologische Einflüsse.

1.Zu einem gesunden Lebensstil gehören vor allem folgende Punkte:

Rauchverzicht,

gesunde Ernährung,

regelmäßige körperliche Aktivität,

Vermeiden von deutlichem Übergewicht und vor allem Fettleibigkeit,

kein oder geringer Alkoholkonsum,

ein guter Schlaf,

tägliche kognitive Beanspruchung und

regelmäßige Gesundheitsvorsorge.

Zu den soziologischen Faktoren gehören:

soziale Integration oder Verhinderung von sozialer Isolation und Einsamkeit,

Freiwilligentätigkeit beziehungsweise ehrenamtliches Engagement und

teilweise wirtschaftliche Faktoren, die bekanntermaßen eher weniger steuerbar sind, aber einen wesentlichen Einfluss auf unser Wohlbefinden und indirekt auch unseren Gesundheitszustand aufweisen, vor allem dann, wenn man sich im unteren Bereich der Einkommensskala bewegt. Besonders auch im Alter sind eine gute finanzielle Absicherung und eine befriedigende Wohnsituation sehr wichtig.

2.Psychologische Einflüsse sind:

positive Lebenseinstellung, Freude und Glück,

Optimismus,

Nachdenken über Lebensziele und den Sinn des Lebens sowie

Dankbarkeit.

Bei all diesen Punkten wurde in wissenschaftlichen Untersuchungen ein positiver Effekt hinsichtlich des Wohlbefindens/Glücks und/oder der physischen Gesundheit und/oder des Risikos für (vorzeitige) Sterblichkeit gefunden. Je mehr diese Einflussfaktoren berücksichtigt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für ein zufriedenes, gesundes und langes Leben. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussehen mag – das meiste erfordert keinen großen Kraftaufwand. Wichtig ist jedoch, frühzeitig damit anzufangen, so wenig es auch zu Beginn sein mag. Ein guter Wille und ein bisschen Motivation sowie ein kleines Notizbuch – mehr ist für den Anfang nicht notwendig.

Ich werde Ihnen in diesem Buch die beeinflussbaren Faktoren näherbringen und beziehe mich dabei primär auf Erkenntnisse von zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen aus allen möglichen Forschungsdisziplinen. Viele der Dinge können ohne größere Probleme und Zeitaufwand in den Alltag integriert werden. Sogar für Bewegung oder Sport muss man nicht seinen halben Tag investieren, aber dazu später mehr.

Im Hauptteil dieses Buches werde ich versuchen, Ihnen folgende drei Fragen zu beantworten:

1.Wie wird unser Risiko für (vorzeitige) Sterblichkeit in einem bestimmten (Beobachtungs-)Zeitraum im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (mit oder ohne Risiko) durch vermeidbare Faktoren beeinflusst?

2.Wie wird das Krankheitsrisiko durch vermeidbare Faktoren beeinflusst?

3.Welche positiven Effekte auf Lebenszufriedenheit, Wohlbefinden und Glück sind zu erwarten?

Außerdem werde ich Ihnen Tipps mitgeben, wie Sie mit einem geringen Aufwand die einzelnen Punkte umsetzen und ihr Leben optimieren können, um ihr Krankheits- und Sterblichkeitsrisiko zu senken, die Wahrscheinlichkeit für Wohlbefinden und Glück zu erhöhen und damit die beste Basis für ein gutes, langes Leben zu erlangen. Bevor ich jedoch mit dem Hauptteil des Buches beginne, möchte ich mit Ihnen noch einen kurzen Ausflug in die Welt der wissenschaftlichen Studien machen. Wer sich diesen Theorieteil erst einmal sparen möchte, kann direkt zum ersten Kapitel springen.

Ein kurzer Exkurs in die wissenschaftliche Studienlandschaft

Eine wissenschaftliche Studie basiert auf einer Hypothese, die auf ihren Wahrheitsgehalt getestet wird. Dabei wird generell zwischen nicht-klinischen, experimentellen Studien an vor allem kultivierten Zellen oder Tieren sowie Untersuchungen am Menschen differenziert. Letztere wiederum können in reine Beobachtungsstudien und Interventionsstudien eingeteilt werden.16

Beobachtungsstudien beschränken sich auf das Beobachten von biologischen Vorgängen und Veränderungen, insbesondere Krankheiten, und die anschließende Dokumentation und Auswertung der Daten. Diese Form der Forschung ist als Epidemiologie bekannt, die Wissenschaft von der Entstehung, Verbreitung und Bekämpfung von Epidemien, zeitgemäßen Massenerkrankungen und Zivilisationsschäden. Ein Beispiel für eine bahnbrechende Beobachtungsstudie ist der Zusammenhang zwischen Rauchen und dem Auftreten von Lungenkrebs.

Es existieren verschiedene Arten von Beobachtungsstudien. Zu den bekanntesten gehört die sogenannte Querschnittstudie, die vor allem dazu dient, aktuelle Häufigkeiten von Risikofaktoren und Krankheiten in einer Population zu ermitteln. Zu diesem Zweck werden einige hundert bis zu idealerweise mehrere tausend Personen befragt. Diese werden nach vordefinierten Kriterien ausgesucht, wie zum Beispiel StudentInnen, SeniorInnen oder recht häufig allgemein gesunde 18- bis 65-Jährige. Klassische Beispiele für nationale Querschnittstudien sind großangelegte Gesundheitsbefragungen in Deutschland, Österreich und vielen anderen Ländern. In diesen werden durch alle Bevölkerungs- und Altersschichten TeilnehmerInnen einbezogen und nach allen möglichen Dingen befragt. Ziel ist dabei, nicht nur die Häufigkeit von verschiedenen Krankheiten festzustellen, sondern auch unterschiedliche Komponenten des Lebensstils, wie das Bewegungs- oder Essverhalten, zu evaluieren. Letzteres dient dann vor allem dazu gegebenenfalls Public-Health-Maßnahmen, also Maßnahmen für die öffentliche Gesundheit, wie zum Beispiel Informationskampagnen, einzuleiten, um in weiterer Folge den Lebensstil der Bevölkerung zu optimieren.

Ein großer Vorteil von Querschnittstudien ist, dass sie zum Beispiel im Vergleich zu Kohortenstudien in einem relativ kurzen Zeitraum durchführbar und in der Regel wenig kostenintensiv sind. Zur Ursachenforschung sind sie aber nicht geeignet, da die Befragung nur eine momentane Aufnahme darstellt und daher kausale Zusammenhänge, die sich oft über Jahre erst herauskristallisieren, nicht abgeleitet werden können.

Um unter anderem Ursachen von seltenen oder nicht erklärbaren Erkrankungen herauszufinden, bedient man sich des Öfteren der Fall-Kontroll-Studien. Ein hochaktuelles Beispiel bei dem theoretisch eine Fall-Kontroll-Studie infrage kommen könnte, wäre das mysteriöse Auftreten einer dubiosen Lungenerkrankung bei in der Regel jüngeren KonsumentInnen von E-Zigaretten in den USA.17 Um der Ursache auf den Grund zu gehen, könnten die PatientInnen befragt werden, welche Produkte sie konsumiert haben, ob es zum Beispiel ausschließlich Nikotin gewesen ist oder auch andere Wirkstoffe inhaliert wurden. Die gleichen Fragen könnten einer Kontrollgruppe gestellt werden, die zwar E-Zigaretten raucht, aber nicht erkrankt ist. Dann könnte mit einfachen statistischen Verfahren die Wahrscheinlichkeit (odds ratio, siehe Absatz p-Wert, relatives Risiko und odds-ratio) für die einzelnen Produkte, die Lungenerkrankung ausgelöst zu haben, berechnet werden.

Viel aufwändiger, aber in der Evidenzhierarchie höher positioniert, sind prospektive Kohortenstudien, die zu den Längsschnittstudien gehören. Dabei wird in der Regel eine große, klar definierte Gruppe von Personen über optimalerweise viele Jahre »beobachtet«, das heißt, in regelmäßigen Abständen befragt und gegebenenfalls untersucht, um dann das Risiko für verschiedene Erkrankungen durch bestimmte Risikofaktoren zu determinieren. Viele Public-Health-Interventionen basieren auf Ergebnissen von prospektiven Kohortenstudien, seien es der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs oder auch der Einfluss von Bewegung oder gesunder Ernährung auf das Krankheitsrisiko. Kohortenstudien liefern bei entsprechend großer Stichprobengröße und langer Laufzeit wertvolle Informationen und stellen das Fundament von Public-Health-Empfehlungen dar. Sie sind allerdings zeit- und kostenintensiv, außerdem können die Ergebnisse durch verschiedenste Störfaktoren beeinflusst werden. Diese können zwar bei der statistischen Analyse »rausgerechnet« werden, jedoch ist das aufgrund der Vielzahl an verschiedenen Einflussvariablen nicht immer vollständig möglich. Ein Beispiel wäre die Assoziation zwischen einem hohen Konsum an rotem Fleisch und dem Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Dieser Zusammenhang wurde in vielen Untersuchungen bestätigt. Jedoch wirken sich, neben rotem Fleisch, auch verschiedene andere Faktoren auf das Diabetesrisiko raus, wie zum Beispiel Fettleibigkeit, Rauchen, Bewegung, diverse andere Lebensmittel et cetera. Alle zu erfassen und in der statistischen Berechnung zu berücksichtigen, ist nicht immer möglich, sodass man hinsichtlich des kausalen Zusammenhangs nie zu 100 Prozent sicher sein kann.

Ein weiterer Nachteil von Kohortenstudien ist, dass es unter Umständen sehr lange dauert, bis sich ein potenziell negativer Effekt eines Risikofaktors manifestiert. Um auf das Beispiel Rauchen und Lungenkrebs zurückzukommen: Es kann unter Umständen einige Jahrzehnte dauern bis Ergebnisse vorliegen, vor allem dann, wenn jüngere Personen in die Studie eingeschlossen werden.

Die Versuchspersonen werden üblicherweise in zwei (seltener auch mehrere) gleich große Gruppen eingeteilt: die Studien- oder Verumgruppe (verum von lat. wahr) und die Kontrollgruppe. Daher kommt der Begriff »kontrollierte« Studie. Die Teilnehmer der Verumgruppe werden mit dem neuen Abnehmmittel behandelt. Dagegen erhalten die Personen der Kontrollgruppe ein gleich aussehendes (und zumindest ähnlich schmeckendes) Scheinpräparat, »Placebo« genannt. In manchen Studien erhält die Kontrollgruppe auch gar keine Therapie. Die Resultate aus der Kontrollgruppe bilden jedenfalls den Maßstab, an dem sich die neue Therapie messen muss.

Studien, in denen nur die Testperson nicht weiß, zu welcher Behandlungsgruppe sie gehört, bezeichnet man als »einfach blind«. Bei einer »doppelblind« durchgeführten Studie hingegen, in der zum Beispiel ein Placebopräparat verwendet wird, wissen weder die Versuchspersonen noch die Studienleitung, welche Person zu welcher Behandlungsgruppe, also Kontroll- oder Verumgruppe, gehört. Dadurch soll verhindert werden, dass beide Gruppen unbewusst auf das Wissen um die Behandlungsform reagieren. Ist der Testperson zum Beispiel bekannt, dass sie das Abnehmmittel bekommt, wird sie allein deshalb möglicherweise zufriedener und motivierter sein, als wenn sie nur ein Scheinpräparat bekommt. Das kann wiederum dazu führen, dass sich in diesem Fall die TeilnehmerInnen mehr bewegen und gesünder ernähren, was an sich schon dazu führen kann, dass sie deutlich an Gewicht verlieren.

Der Placeboeffekt, sei es durch Placebopillen und/oder auch durch wohltuende Kommunikation, wenn sich zum Beispiel ein Arzt mehr Zeit für die PatientInnen nimmt, ist nicht zu unterschätzen. Positive therapeutische Placeboeffekte wurden unter anderem bei der Schmerzhemmung, aber auch im Immunsystem beschrieben.18, 19

Warum gibt es immer wieder unterschiedliche Meinungen?

»Die Wahrheit ist, dass es keine Wahrheit gibt.« Dieser Ausspruch des amerikanischen Literaturnobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer (1902–1991), welcher sozusagen eine neuere, modifizierte Version von »Ich weiß, dass ich nichts weiß« (wahrscheinlich erstmalig Sokrates) darstellt, kann teilweise auch auf verschiedene Forschungsdisziplinen der heutigen Zeit übertragen werden. Auf zahlreiche Studien, in denen zum Beispiel positive Ergebnisse beziehungsweise Wirkungen von Nährstoffen, Nahrungsergänzungsmitteln oder Public-Health-Interventionen veröffentlicht werden, kommen andere, bei denen entweder nichts gefunden oder sogar teilweise Gegenteiliges behauptet wird. Die Aussagen »widersprüchlich«, »noch unbewiesen«, »noch unzureichend untersucht« oder auch »weitere Studien sind notwendig« sind heutzutage in wissenschaftlichen Publikationen recht häufig anzutreffen.

Ein wesentlicher Grund dafür ist unter anderem das nahezu exponentiell anwachsende Wissen, die damit verbunden fast unüberschaubare Zahl an Publikationen und ihre ständige Abrufbarkeit innerhalb von einigen Sekunden über das Internet. Durch den starken Konkurrenzkampf und die wissenschaftliche Globalisierung steigt verständlicherweise die Wahrscheinlichkeit für unterschiedliche Studienergebnisse. Zum Beispiel erscheinen in der bekanntesten medizinischen Datenbank Pubmed in der Periode 1960 bis Ende 1969 etwa 1250