Am Ende bleibt das Lachen Teil I - Michael Fuß - E-Book

Am Ende bleibt das Lachen Teil I E-Book

Michael Fuss

0,0
5,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Zusammen mit Mario, dem Protagonisten des Romans, erlebt der Leser auf 420 Seiten in zwei Teilen eine Achterbahn der Gefühle. In diesem authentischen Lebensentwurf geht es um den Leichtsinn der Jugend, den Freiheitsdrang, der in uns allen steckt, und um die Liebe zum Leben und zu sich selbst.
Mario entdeckt in den 70ern die linksradikale Szene, aber auch die Drogenkultur. Er gerät auf die „schiefe Bahn“, kommt in den Knast und über weitere „Umwege“ zur „Erleuchtung“. Jahrzehnte später kann er sagen: Das Leben lohnt sich doch und am Ende bleibt das Lachen.

Zielgruppe: Leser, die sich für das Undergroundzeitgeschehen der 70er/80er Jahre in Westdeutschland, Biografien, Spiritualität und Bewusstseinserforschung interessieren.

 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2015

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Michael Fuß

Am Ende bleibt das Lachen Teil I

Jimmy Hendrix, Chuck Berry, Elvis Presley, Mario und das „Erwachen“ Erster Teil

Mario entdeckt in den 70ern die linksradikale Szene aber auch die Drogenkultur. Er gerät auf die „schiefe Bahn“, kommt in den Knast und über weitere „Umwege“ zur „Erleuchtung“. Er erkennt: Das Leben lohnt sich doch und am Ende bleibt das Lachen!BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Am Ende bleibt das Lachen Teil I

Am Ende bleibt das Lachen

Jimmy Hendrix, Chuck Berry, Elvis Presley,

Mario und das „Erwachen“

 

Erster Teil

 

 

 

Impressum:

Michael Fuß

EnergieCoach - Entspannungstrainer 63454 Hanau, Helmholtzstr. 5

www.michael-fuss.de [email protected]

Copyright: © 2015

 

Schrilles metallenes Schlüsselgeklapper

Dumpfes Stahltürenschlagen

Hallende Betongänge

Hin und wieder ein Schrei der

Verzweiflung und Einsamkeit

Mario sitzt in einer kleinen grausamen Welt, auf dem weiß-blau karierten Bettzeug, nahe bei das Waschbecken und die versiffte Kloschüssel und starrt auf die graue Zellenwand. Dort gibt es diesen bunt schillernden Schimmelfleck. Und er verliert sich in dessen Landschaft, wandert in den Weiten seiner inneren Welt.

Draußen, vorm Gefängnis, der Film des alltäglichen Irrsinnes, Realität genannt.

Das Leben läuft weiter, dreht sich wie ein riesengroßes Rad, ob langsam oder schnell, wer weiß das schon? Dieses Leben, das so skurrile Geschichten schreibt. Geschichten, wie sie sich kein Erzähler bessere ausdenken kann.

Geschichten, die in letzter Zeit immer heftigere Formen annehmen. Formen, geprägt von Hektik, Aggression, Angst, Orientierungslosigkeit, Verzweiflung, Zerstörung aber auch von Neubeginn, Wandlung der Werte, der Lebensinhalte. Das Alte wird zerstört, um dem Neuen Platz zu machen. Im Empfinden des Menschen ist die Natur oft grausam, doch das Spiel funktioniert.

Das Spiel nennt sich Evolution.

Und alles strebt zum Licht.

Wandlung innen wie außen.

Prolog

Mario sitzt auf seiner Lieblingsbank, inmitten einer blühenden Apfel- und Kirchbaumlandschaft und blickt in das Maintal. Die ständig wachsende Skyline von Frankfurt zur Rechten. In der Ferne sieht er schemenhaft die Hügel des Odenwalds. Wenn er seinen Blick nach links wendet, erkennt er die massigen Dunstschwaden des Kohlekraftwerks Staudinger vor der Silhouette des Spessarts, sein bevorzugtes Motorradrevier. Mehr in der Nähe zeigen sich einige höhere Häuser von Hanau, seiner Geburtsstadt.

Hinter im hört er das Zwitschern der Vögel im kleinen Wäldchen. Über ihm ziehen in dreier Perlenketten die Flieger zum riesigen Rhein-Mainflughafen. Kondensstreifen queren das hohe Blau des Himmels. Warme Frühlingssonne scheint auf sein Gesicht.

Seit Stunden sitzt er hier und sieht Episoden seines Lebens am geistigen Auge vorbeiziehen. Er war schon immer ein visueller Mensch. Doch er traut schon lange nicht mehr seinen Augen, seinen äußeren Sinnen. Denn die Dinge sind nicht das was sie scheinen.

33 Jahre hat ihm das Leben geschenkt. Tatsächlich, es gab eine Zeit da dachte er, dass er es nicht über die 27 Jahre hinaus schafft.

Und da ist sie wieder – die Freude – denn am Ende bleibt das Lachen….

Mario war gerade auf dem rotierenden Planeten gelandet, da nahmen Chuck und Elvis ihn schon in Besitz. Und wie! Sie schüttelten den Nachkriegsspießern und Wirtschaftswunderpropheten die Schuppen aus den Haaren, schmierten ihnen etwas Pomade rein und zogen ihnen Hosen an, die knackige Hintern machten. Auch Marios Eltern mochten die Petticoats. Heute hängen die Hintern in den Kniekehlen und das Motto lautet: Mut zur Hässlichkeit und zum neuesten Handy.

Jimmy Hendrix, Chuck Berry, Elvis Presley, und Mario – was haben sie gemeinsam? Sie riskieren ihre Haut, um das Leben zu spüren. Und davon handelt dieses Buch. Von Einem der auszog das Fürchten zu lernen, da ihm das normale Leben zu langweilig war. Von Einem der es mit der Angst bekam als es zur Beamtenprüfung kommen sollte und lieber die Unsicherheit wählte. Es handelt vom Leben, dicht unter der Haut, jenseits der Sicherheiten und „klugen Voraussicht“. Hart an der Grenze und manchmal darüber hinaus. Doch der Körper ist geduldig und hält viel aus. Zumindest nach Marios Erfahrung. Leider machte sein Freund Jimmy Hendrix eine andere Erfahrung, doch diese Story steht auf einem anderen Blatt.

Mario war zwar noch ein kleiner Junge, als Chuck und Elvis auf ihre Weise die Welt eroberten. Doch als Jimmy Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison auf dem Plan erschienen, fing er an bewusst mitzumischen.

Diese Geschichte soll davon handeln wie Mario es fertiggebrachte, sich zuerst von der Schwerkraft fast in den Tod ziehen zu lassen, um von dort - wie der Phönix aus der Asche, langsam aber sicher aufzustehen. Denn er entdeckte, was schon weise Menschen vor ihm entdeckt haben: Seine stärkste Angst war seine Angst vor seiner Größe – seinem Potenzial – seiner Schöpferkraft. Dazu gehörten bestimmt auch seine Fantasie und sein verletzliches, liebendes Herz.

Wenn du ihn heute fragen würdest, wie ihm das Leben jetzt schmeckt, dann würde er garantiert antworten: „Ich hoffe ich werde 360 Jahre alt. Denn noch mal will ich nicht die ganze Hirnwäsche – Erziehung genannt – verlernen, um dann nach langem Ringen zu erkennen, was wirklich zählt.

Übrigens, Marios wichtigster Lehrer war das Leben selbst. Der Meister der ihm am meisten zu sagen hatte und den er am besten verstand, - wenn er auf ihn hörte, - war seine innere Stimme, sein innerer Lehrer. Ja er durfte durch viel schmerzhafte Erfahrung erkennen, endlich auf die innere Stimme, seine Intuition zu hören.

Ein Teil des Buches berichtet von einer großen Lüge und einer großen Wahrheit. Nämlich der Rolle der Machthaber und Priesterschaft bei dem Spiel, die Menschheit um ihre natürlichen Rechte zu bringen. Den Menschen wurden Jahrtausende lang erzählt, es gäbe keinen „Spirit“ (höheren Geist) im Menschen-Selbst, sondern nur getrennt von ihm. Mario fand im Laufe seines Lebens heraus, dass das nicht wahr ist, und dieses falsche Konzept die Quelle einer existenziellen Angst für die allermeisten Menschen ist.

Flaubert

Jeder Gedanke in den man sich lange und liebend vertieft, jedes Bild, das man unermüdlich betrachtet, verwandelt uns langsam. Ich glaube, dass einem mit der Zeit Flügel wachsen würden, wenn man immer den Himmel betrachtet. -

Aber wie viele Seelen starren so lange auf die Erde, bis ihre Füße zu Pfoten werden! Man wird buchstäblich in das verwandelt, was man denkt und liebt.

Here we are:

Für diese Inkarnation sucht sich Mario eine Arbeiterfamilie aus. Als Kind des Wirtschaftswunders. Vier Jungens sind sie, Zuhause in Wolfgang, einem Arbeiterviertelanhängsel der Degussa, Alkem und Nukem. Diese Firmen geben später Hanau den zweifelhaften Ruf einer Plutoniumcity.

Na jedenfalls, bei ihnen zuhause, da gibt´s zwei Hochbetten und ne Nähmaschine im Kinderzimmer, an der seine Mutter tagsüber für fremde Leute arbeitet. Dann noch das Schlafzimmer der Eltern, ne kleine Küche, sozialbaumäßig-, und ein schönes "großes" Wohnzimmer, aber das ist nicht zum Wohnen gedacht. Das ist reserviert für Bekannte, die Onkels und Tanten, na halt für Besuch, zum Vorzeigen - verstehste!? Die Jungens dürfen da jedenfalls nicht rein zum Spielen. Auch nicht, wenn’s draußen regnet. Schließlich steht da der treuere Schwarzweißfernseher und die Sofakissen dürfen auch nicht verknautscht werden. Und der schichtarbeitende Vater will sich im Schlafzimmer tagsüber ausruhen. So laufen ungestüme junge Burschen geduckt und kontrolliert durch die Wohnung. Zum Scheißen braucht Mario meist ne halbe Stunde. Auf dem Klo ist er wenigstens alleine und kann seine Karl Maybücher verschlingen.

In dieser Wohnung ist es auch, in der er dieses beschissene Asthma bekommt. Psychische Sache das -, sensibel ist er also schon. Wenn du keine Luft bekommst, oder eigentlich, wenn du die Luft die du drin hast, nicht mehr rausbekommst, wenn du keine Stufe einer Treppe schaffst, wenn du selbst im Bett liegend mit der doch so nötigen Atemluft kämpfst, während du zehn, zwölf Jahr jung bist und deine Freunde draußen auf der Sommerwiese rumkrakelen, dann kannst du ganz schön ins Zweifeln kommen. Du liegst da und denkst und denkst, liest, liegst - weil, du kannst nicht den ganzen Tag lesen, denkst und denkst, zweifelst, weinst ob der Ungerechtigkeit, selten schreist du's heraus: Warum ich? - Warum nicht der Volker, wo der doch immer so fies zu den Kleineren ist? - und du liegst und denkst.

Ab und zu ist es auch schön so zu liegen, an einem frühen Sommermorgen, die Sonne scheint ins Kinderzimmer, die Luft noch kühl. Seine Brüder sind in der Schule, sein Vater auf Arbeit, die Mutter in der Stadt zum Einkaufen. Mario ist endlich mal alleine und kann in Ruhe von fernen Ländern träumen. Vogelgezwitscher gaukelt ihm Urwaldstimmung, er hört Affen schreien, ein klarer Bach lädt zum Schwimmen ein. Frische Luft füllt seine Lungen, macht seinen Körper leicht und seinen Kopf frei, keine Beklemmung mehr in der Brust. - Oh, das ist gut! -

Aber schließlich hört er das Geräusch des Schlüssels im Schloss. Seine Mutter kommt zurück. Dann ist da das Geklapper der Töpfe aus der Küche, es ist bald Mittagszeit. Seine Brüder kommen aus der Schule und schon ist´s wieder ENG in der kleinen Wohnung - ENG in seiner Brust.

Blende - Wetterumschwung

Der Wind kommt von allen Seiten. So plötzlich, wie es unterm Äquator dunkel wird. Und im Mittelpunkt steht Mario. Die verzweifelte Anstrengung, seine Kleidungsstücke zu retten und die Überlegung, in welches er denn als erstes schlüpfen soll – vergebens!

Da! Die Unterhosen flattern davon. Wie von magischen Kräften angezogen, genau einer Vogelscheuche in die Arme, die im Garten Wache hält. Seine Socken sind nicht mehr auffindbar, das karierte Hemd, von der ersten Sturmbö dorthin geweht, hängt in einem Holunderstrauch. Nur seine Jeans hat er noch packen können und keine zehn Pferde können ihn dazu bringen, sich von ihr zu trennen.

Wahnsinn! Vor einigen Augenblicken liegt Mario nichts ahnend im kühlen Wasser des Sees, lässt sich die Nasenspitze von einem Sonnenstrahl trocknen, pult sich einen Wollfussel aus dem Bauchnabel und beobachtet die Schwalben, die sich manchmal haarsträubend dicht aufs Wasser stürzten, um Jagd auf Insekten zu machen. Und dann das!

Schließlich erkennt er aufatmend am Horizont, scharf zum dunklen Gewitterhimmel abgegrenzt, einen hellen streifen Hoffnung heraufschimmern. - Am liebsten wäre er ihm entgegengelaufen.

Blende - 1972 - Ein Besuch in München

Die Sonne brennt.

Es ist ein schöner Mai.

Die Straße ruft.

Geradewegs nach München.

München, bald Olympiastadt, jetzt noch olympiamäßige Baustelle, mit Hektik und vielen Presslufthämmern. Marios Schlafsack liegt am Hauptbahnhof im Schließfach. Gestern ist er von Frankfurt hier her getrampt. Gerade siebzehnjährig, die langen blonden Haare vom Sommerwind zerzaust, läuft er nun in seinen Schlaghosen durch die Straßen der fremden Stadt. In der Linken hat er eine halbvolle Weinflasche, mit der Rechten versucht er sich durch Zeichen mit dem jungen Kanadier zu verständigen, der mit ihm auf Tour ist. Ihre Sprache ist nicht die gleiche aber sie verstehen sich ausgezeichnet, lachen sie doch die meiste Zeit.

Sie amüsieren sich köstlich, am meisten über sich selbst. Und über die Hektiker um sie herum, Menschen genannt. Die hetzen an den Beiden und an ihrem Leben vorbei. Geldmachen ist ihre Devise. Da gibt’s den Geschäftsmann. Ans Brückengeländer gelehnt, studiert er die neuesten Börsennachrichten. Ein Dackel kommt vorbei, hebt sein Bein und pisst ihm auf die schnieken Schuhe.

Blende

Bei Mario zuhause ist es eine Zeitlang üblich, Mitteilungen an ein anderes Familienmitglied auf Zettelchen zu kritzeln und dann an der Kühlschranktür zu platzieren. Eine Notiz seiner Mutter:

Mario, weißt du, dass du morgen früh in Frankfurt anfangen sollst. Es ist einfach schrecklich, dauernd bist du nicht zuhause. Man kann nicht mehr mit dir reden. 7 Uhr 15 Bundespost/Personalstelle FA3.

Im Kühlschrank liegt ein Kottelet, mach dir aber auch Kartoffeln und die Suppe dazu warm. Benimm dich bitte anständig und freundlich, wie ein normaler Mensch und nicht wie der King persönlich, vor dem alle in die Knie gehen müssen. –

Ja, die Lehre zum Fernmeldetechniker hat Mario abgeschlossen. Jetzt wird es scheinbar ernst. Es geht schnurstracks auf die Beamtenprüfung zu – oder?

Blende - In der SDS Studiengruppe Frankfurt

Als Sohn einer Proletarierfamilie ist Mario der „Vorzeigeprolet“, der sich artikulieren kann, findet er schnell seinen Platz in der linksradikalen Gruppierung. Dort sind meist nur Studenten aus dem Mittelstand anzutreffen, die ihren pubertären Fantasien von einer Weltrevolution nachhängen und die Mao Bibel als Statussymbol mit sich führen. Erst spät entdecken sie, dass sie institutionalisiert werden; ähnlich wie spätere Atomkraftgegnergruppierungen, die von den Ölmultis finanziert werden.

Die Treffen der Arbeitsgruppen, mit ihrem ewigen egomanischen Gerede und endlosen Diskussionen findet Mario jedoch bald unnütz. Er tendiert eher zu Aktionen der Leute um Baader & Meinhof. Doch es soll anders kommen.

Blende – Auf dem Weg nach Amsterdam

Mario, Klaus und David sind auf dem Weg zur Stadt der Jugend, Hippies und Gammler. Amsterdam ruft sie wieder. Sie wollen das angenehme mit dem nützlichen verbinden. Heroin und Haschisch gibt es dort im Überfluss und preiswerter als in den Straßen Frankfurts.

Mario hat kurz vorher einen gebrauchten Ford Taunus 12M für 200 Deutschmark gekauft. Er hofft, dass der Wagen die 900 Kilometer hin und zurück schafft. Immerhin, Heizung, Licht, Bremsen und der Motor gehen noch. Die Reifen sind auch ganz OK. Für ein Autoradio zu 45 Mark hats auch noch gereicht. So sitzen die drei Freunde also quietschvergnügt in ihrem Luxusauto.

In der Nähe von Köln, schiebt Klaus langsam einen „Affen“ (Heroinentzugssymptome). Er hat sich in der letzten Zeit einiges in die Vene gedrückt. Doch da muss er jetzt durch. Dazu kommt noch, dass sie sehr spät losgekommen sind. Mario ist Berufstätig und hat nur das Wochenende frei für solche Trips. Den kommenden Montag hat er sich allerdings frei genommen.

In Apeldoorn suchen sie nach einer Jugendherberge. Sie haben kein holländisches Geld. Die Wechselstuben und Banken sind schon geschlossen. Ein Mädchen am Straßenrand, Herrje sieht die gut aus! gibt ihnen den Rat, es doch mal im Hotel gegenüber zu versuchen.

Es ist ein teures Hotel. Mario traut sich in seinen Hippiklamotten erst gar nicht rein. Doch dann läuft er mit seinen Wanderstiefeln über den voluminösen schweren Teppich. Der gefällt ihm. Sonst interessiert er sich ja nicht für so Zeugs. Doch jetzt macht es ihm Freude, über das vielfarbige Muster zu laufen.

Da steht er also an der Rezeption. Alles in schwerem Teakholz gehalten. Der Portier schaut Mario ganz misstrauisch an. Mario rümpft die Nase – der Typ stinkt.

Ja, eine Jugendherberge gibt es hier. Der Mann holt eine Stadtkarte hervor und erklärt mit holländischem Akzent den Weg. Sie liegt außerhalb der Stadt. Und fünfzig Mark wechselt er auch in Gulden.

Mario versteht nicht warum der Portier so stinkt. Der kommt doch mit vielen Menschen zusammen. Da müsste er doch was dagegen tun. Wahrscheinlich merkt er es gar nicht und keiner traut sich es ihm zu sagen. Was für ein Schicksal.

Mario sitzt glücklich wieder im Auto. Den Weg über den schweren vielfarbigen Teppich zurück hat er noch mal genossen. Doch die Jugendherberge finden sie nicht. Mittlerweile ist es dunkel geworden und sie beschließen, im Auto zu schlafen.

Guten Morgen!

Alte Gassen, Kopfsteinpflaster, Grachten mit Hausbooten darin, schiefe Häuser mit winkligen Dächern, vom Wind getriebene graue Wolken, viele Fahrradfahrer. Flair von Großzügigkeit. Leben und leben lassen, eine holländische Tugend.

Sie sind in einem Sleep-In nahe Central Station und Redlight District untergekommen. Die Nacht für fünf Gulden im großen Schlafsaal mit Doppelstockbetten. Sie treffen Menschen aus der ganzen Welt. Amsterdam ist ein Magnet der Jugendrevolte und Alternativscene.

Die Drei sind zu Fuß auf dem Weg ins Chinesenviertel. Sie wollen sich mit Stoff versorgen. Es regnet natürlich.

Sonntagabend, 25. November 1973.

Mario hat dieser Tage großes Glück. Es stürmt seit gestern vom feinsten. Sie sind auf dem Weg zum Restaurant. Hin und wieder liegen Dachziegel auf dem Weg oder ne Werbetafel fliegt durch die Luft. Zehn Meter vor ihm knallt ein großes Stück Mauerputz auf den Bürgersteig. Es hätte ihm auch auf den Kopf fallen können. Jetzt sitzen sie beim Chinesen und füllen ihre Mägen.

 

Vorgestern hatte er den holländischen Grenzer gefragt, ob er am Sonntag Autofahren dürfte. In Deutschland ist nämlich wegen der Ölkrise ein autofreier Sonntag angekündigt. Der Zöllner kann gut Deutsch. Er muss Mario verstanden haben. Und er antwortet, dass es erlaubt sei. Und sie haben ihm geglaubt.

 

Sie fuhren also zum Ijsselmeer. Die Straßen waren absolut leer. Schönes Gefühl, sie für sich allein zu haben. Hin und wieder drehten sich neugierige Köpfe nach ihnen um.

Es war eisigkalt, der Wind hatte sie fast vom Deich gehoben.

Zurück in Amsterdam, wieder wohlbehalten beim Chinesen angekommen, eröffnete ihnen der Wirt, dass die Polizei heute viele Ausländer beim „Schwarzfahren“ erwischt hätte.

Mann o Mann, was haben sie einen Suff gehabt. Das wäre teuer geworden. Und am Ende hätten sie noch all das Dope gefunden, das sie mittlerweile im Auto gebunkert hatten.

Blende - Später in der Nacht.

Im Paradiso musiziert Brian Eno mit exaltierten Bewegungen im Glam-Rock-Chic mit Federboa, Plateauschuhen und Glitzertüchern am Hals. Der Laden ist gerammelt voll. Die Drei tauchen in eine andere Welt ein. Viele Menschen sind scheinbar verkleidet. Doch, wie es sich herausstellt, das ist ihr normales Outfit. Kajalstrich am Auge gehört auch für Männer zur Ausstattung. Die Nacht ist lang. Dafür gibt es ja Speed vom Feinsten.

Am anderen Tag gehts zurück nach Hanau. Und erst zuhause erfahren sie vom ganzen Ausmaß des Sturms. Fünfzehn Tote alleine in Holland. Sechsundneunzig in Europa. Die Bäume knickten ein wie Streichhölzer. So mancher Damm war nahe am Bersten. So manches Treibhaus verlor seine Scheiben. Ein Zug raste in die umgestürzten Bäume. - Doch sie haben Rückenwind, – noch.

Blende - Carola ist in Kesselstadt Marios Nachbarin.

Zu Beginn seiner Heroinkarriere ist sie seine beste Kundin und eine „hilfreiche“ Lehrerin. Er hat den Stoff ja jetzt massenhaft vor sich, oder besser in seiner Tasche. Sie sind beide 18, 19 Jahre jung und wohnen noch bei den Eltern. Sie müssen ihre Beziehung zum Pulver so gut es eben geht verheimlichen. Mario schnupft nur und denkt, er würde sich nie selbst eine Nadel in die Vene stechen können.

Dann kommt der Tag an dem alles richtig ins Rollen kommt. Carola, ein mittelmäßig hübsches Mädchen mit glänzenden schwarzen Haaren, kommt zu ihm in sein ausgebautes Kellerzimmer und legt ein Leinensäckchen auf den Tisch.

„Du Mario“, sagte sie „meine Mutter hat gemerkt, dass ich „H“ nehme. Jetzt durchsucht sie jeden Tag meine Klamotten und wenn sie eine Fixe findet wirft sie sie weg.“

„Ja, und was hab ich damit zu tun?“ fragt er.

„Da in dem Säckchen ist mein Spritzbesteck. Bitte heb es für mich auf. Morgen Mittag komme ich und hols mir wieder ab. Ich muss sonst immer wieder in die Apotheke, mir eine neue Spritze holen.“

„Sicher kann ich das Zeug bis morgen für dich aufheben. Aber dass mir das nicht einreißt, “ sagt Mario lächelnd.

Dann legt er eine Platte von Yes auf. Sie machen sich´s bequem. Er will sie anmachen. Doch sie blockt ab.

„Mario ich mag dich, aber ich kann nicht mit dir schlafen. Komm, hol mir ein Glas Wasser, ich möchte mir jetzt noch einen Druck machen. Du kannst mir doch nen „Hit“ verkaufen?“

Sicher kann er das und Wasser hatte er auch massig. Woher sie das Geld für den Stoff hat überlegt er nicht lang. Sie macht sich also den Schuss und er nimmt noch eine Nase.

Als sie gegangen ist, greift er sich eines seiner Bücher, legt eine neue Platte auf und sich selbst bequem zurück. Doch nach kurzer Zeit kann er sich nicht mehr auf das Buch konzentrieren. Den eben schon dreimal gelesenen Satz hat er gleich vergessen. Er klappt also das Buch zu und versucht sich auf die Musik zu konzentrieren. Fleetwood Mac. Aber auch das hilft nichts. Seine Gedanken treiben davon. Dann haben sie sich eingeschossen.

Jetzt schnupft er schon einige Wochen und er merkt, dass die Dosis nicht mehr törnt. Seine Schleimhäute sind kaputt, die Nase läuft fast immer und riechen kann er auch nicht mehr so recht. Soll er es nicht doch mal mit ‘nem Schuss probieren?

O.K. was soll´s, bevor sich meine Schleimhäute in Nichts auflösen, kannst du es ja mal probieren, sagt Mario zu sich.

Also geht er ein Stockwerk höher, holte aus Mutters Schrank ein Glas und einen Teelöffel. Streichhölzer braucht er auch noch.

Mit den Utensilien bestückt geht er runter in sein Zimmer und schließt die Tür hinter sich ab. In Carolas Päckchen gibt es Tempos, Watte, die Fixe mit zwei Nadeln und einen Löffel. Beim Auspacken fangen seltsamerweise seine Hände an zu zittern.

Also Mutters Teelöffel braucht er nicht zu beschmutzen. Mario hat oft zugeschaut, wenn sich jemand einen Schuss gekocht hat. Er tut eine Messerspitze „H“ auf den Löffel. Um die Fixe zu reinigen, setzt er die Nadel auf und zieht Wasser rein, das er wieder raus drückt. Von Gelbsucht und Furunkeln am Arm hat er damals noch keine Ahnung. Und das Wort Aids ist noch nicht erfunden.

Überhaupt weiß er noch nicht, was Heroin und die Sucht aus einem macht. Heute steht es in jedem Käseblättchen. Was er weiß ist, dass er mit dem Zeug sehr schnell viel Geld verdient.

Jetzt hat er also die Fixe „gereinigt“ und spritzt etwas Wasser auf das „H“ im Löffel.

Mario steckt eine Kerze an und hält den Löffel über die Flamme, damit das Zeug zum Kochen kommt. Dann etwas Watte als Filter in den Löffel und die Flüssigkeit aufziehen. Alles geht ganz schnell. Seltsam, seine Hände zittern immer noch. Nachdem er die Nadel aufgesetzt hat und die Luft aus der Spritze gedrückt hat, ist er bereit für den Schuss. Damit man nicht sehen kann, dass er sich einen Schuss gemacht hat, will er nicht die Vene in der Armbeuge nehmen, sondern eine am Fußknöchel. Wie gesagt, er hat schon oft zugeschaut.

Er bindet sich also oberhalb des Knöchels den Fuß ab und wartet bis die Vene hervortritt. Jetzt ist Mario soweit. Er führt die Nadel an eine besonders starke Ader heran, beißt die Zähne zusammen und sticht die Nadel durch die Haut, um an die Blutbahn zu kommen. Aber die Ader rollt immer wieder seitlich weg und er stochert in seinem Fleisch herum. Es gereicht einem Masochisten zur Ehre.

Mario zieht die Nadel wieder heraus und versucht es an einer anderen Stelle. Na, was soll man sagen, es klappt nicht. Zum Schluss hat er sich den rechten Fuß zerstochen, überall Löcher und Blut, die Fixe ist verstopft und er gibt die ganze Sache auf und den Spritzeninhalt gibt er dem Gully. Damit ist seine erste Begegnung mit der Nadel beendet.

Ein Zitat von Nietzsche

"Jenes verborgene und herrische Etwas,

für das wir lange keinen Namen haben,

bis es sich endlich als unsere Aufgabe erweist –

Dieser Tyrann in uns,

nimmt eine schreckliche Wiedervergeltung für jeden Versuch,

den wir machen,

Ihm auszuweichen oder zu entschlüpfen,

für jede vorzeitige Bescheidung,

für jede Gleichsetzung mit solchen,

zu denen wir nicht gehören,

für jede noch so achtbare Tätigkeit,

falls sie uns von unserer Hauptsache ablenkt –

ja für jede Tugend selbst,

welche uns gegen die Härte

der eigensten Verantwortlichkeit schützen möchte.

Krankheit ist jedes Mal die Antwort,

wenn wir an unserm Recht auf unsere Aufgabe zweifeln wollen,

wenn wir anfangen, es uns irgendwie leichter zu machen.

Sonderbar und furchtbar zugleich:

Unsere Erleichterungen sind es,

die wir am härtesten büßen müssen!

Um auf die Carola zurückzukommen.

Am anderen Tag holt sie sich ihr Spritzenbesteck ab und kauft noch ein Gramm. Dann sieht Mario sie wochenlang nicht mehr.

Später heiratet sie einen jungen türkischen Heroindealer. Der stirbt ein viertel Jahr später am Herzstillstand. Carola wacht morgens auf und hat eine kalte Leiche in den Armen.

Blende – Die Pistole

Eines Tages schaut Mario in die Mündung einer riesigen Armeepistole.

Die hält ihm Steve, sein amerikanischer Kumpel, mit hassverzerrter Grimasse vors Gesicht. So trifft Mario die Fratze des Vietnamkrieges, der 1974 in seinen letzten Zügen liegt. Durch die TV-Bildschirme laufen panisch Frauen und Kinder durch zerbombte Reisfelder, nackt und von Napalm verbrannt.

Steve ist erst vor drei Tagen von seinem halbjährigen Einsatz in Vietnam zurückgekommen. Am Mittag haben sie zusammen im Park Haschisch geraucht. Und im Joschi hat Steve sich noch einen Heroinschuss gesetzt. Dann rastet er aus. All die Verzweiflung und die Wut brechen aus ihm heraus. Und er zeigt Mario, wie er in einem dieser speziellen Einsätze gegen die Vietkongs zwei Frauen und drei Kinder in die Gesichter schoss – einfach so. Natürlich waren sie in dem Moment Ratten, Ungeziefer, das einfach zertreten gehört. Mario ist geschockt darüber, wie schnell der Krieg und die Armee, Menschen seelisch zerstören kann.

Er kennt Steve aus einer anderen Zeit. Sie hatten viel Spaß zusammen gehabt. Die beiden lernten sich beim Kiffen auf einen Jethru-Tull-Konzert in Frankfurts Festhalle kennen. Steve war ein begnadeter Gitarrist und wie so viele andere junge Männer zur Armee eingezogen worden. Sie sollten die freie Marktwirtschaft vor dem ach so dämonischen Kommunismus verteidigen. So fand Steve sich auf einmal nicht mehr im gepflegten Deutschland, sondern in einer heißen, sumpfigen Gegend von Vietnam wieder. Kinder, deren Gesichter von Napalm zerfressene waren, querten seinen Weg. -

Na, Mario schiebt erst mal die Pistole zur Seite und unter den Tisch, bevor es jemandem in der Kneipe auffällt, welch Horror sich gerade gezeigt hat. Dann versuchte er seinen Kumpel zu beruhigen. Doch Steve haben sie das Gehirn gewaschen. Es ist nichts mehr mit ihm anzufangen.

Blende

Mike Rüsch, ein weiterer Weggefährte, ist eine Zeitlang sein Geschäftspartner. Der lebt ganz bürgerlich mit der jungen, geschiedenen, dreifachen Mutter Inge zusammen und hat eine Wohnung mit Farbfernseher, Teppichboden usw. Ist alles da. Mario setzt sich mittlerweile den ersten Schuss schon zum Aufwachen.

Eines Tages fahren sie mal wieder zu dritt, mit Marios 1900er Opel Rekord, nach Amsterdam. Sie müssen Nachschub besorgen. Zehn Uhr in der Nacht kommen sie an. Sie machen sich direkt auf den Weg zu Marios Connection ins Chinesenviertel. Damals haben die Chinesen noch die Oberhand im Rauschgiftgeschäft in Holland. Kurze Zeit später werden die meisten, die keinen Arbeitsnachweis hatten oder sonst wie verdächtig sind, ausgewiesen und abgeschoben.

Die Drei lassen sich also 100 Gramm Heroin abpacken und können sich wieder auf den Heimweg machen. Das Heroin ist wie immer von bester Qualität. Gerade mal zwei Stunden sind sie in der Stadt gewesen. An der Stadtgrenze kochen sie sich erst mal einen anständigen Druck aus den großen hellbraunen Rocks. Der Flash kommt angenehm das Rückgrat heraufgelaufen und zerteilte sich im Kopf wie ein Orgasmus.

Dann machen sie sich daran, ihr Kapital in drei Päckchen aufzuteilen. Inge steckt sich das Zeug in zwei doppelten Pariserpäckchen in die Vagina. Mario und Mike füllen ihre Ration ebenfalls wasserdicht ab. Sie haben es in der Unterhose griffbereit. Einen kleinen „Hit“ behält Mario unterm Gürtel. Das ist ihre Ration für die Heimfahrt.

Es ist drei Uhr Nachts, als sie an „ihrer“ grünen Grenze in den Ardennen ankommen. Sie kennen eine kleine Grenzstation, die nur tagsüber besetzt ist. Für die Nachtzeit gilt die Bestimmung, dass man umkehren und die nächste besetzte Station anfahren soll. Sie halten sich natürlich nicht daran und fahren durch die unbeleuchtete Grenzstation. Es hat schon oft funktioniert, warum soll es nicht auch in dieser Nacht funktionieren.

Der Mond steht hoch und voll. Ringsherum hört man nur die Geräusche des nächtlichen Waldes, alles sonst ist ruhig und still, so scheint es. Und sie fahren mit Herzflattern aber schon fast beruhigt auf der kerzengraden Straße durch den Wald, der Heimat entgegen.

Plötzlich taucht in einiger Entfernung vor ihnen eine rote Polizeikelle auf. Die Drei wissen sofort was jetzt kommt. Schnell ziehen Mario und Mike ihre Ration aus der Unterhose. Zusammen mit ihren Fixerutensilien fliegt das Zeug in hohem Bogen in den Wald hinein. Mittlerweile fährt ihr Wagen in Schrittgeschwindigkeit auf die Straßenabsperrung zu. Inge schafft es nicht mehr, sich ihrer Pariser zu entledigen.

Da stehen sie auch schon vor ihren „Freunden“, besser zwischen ihnen. Denn da kommen plötzlich noch zwei VW Busse hinter ihnen aus dem Wald. Sie sind also nach allen Regeln der Kunst in eine nächtliche Kontrolle geraten. Die Drei müssen bei vorgehaltenen Waffen aussteigen und sich gegen das Auto legen. Hände weit auseinander, Beine gespreizt. So werden sie abgetastet und durchsucht. Mike und Inge müssen umsteigen und Mario bekommt einen Zöllner als Begleitung an die Seite gesetzt. So fährt also der ganze Konvoi doch die nächste besetzte Grenzstation an.

Wir haben also folgende Situation: Ein Grenzerbus mit Mike und Inge vor Mario fahrend. Inge mit genügend Stoff im Körper, um ihnen eine längere Zeit hinter Gittern zu verschaffen. Zwei Drittel ihres Geschäftskapitals liegt irgendwo im Wald, praktisch schon verloren. Hinter dem Opel Rekord folgt ein anderer Bus. Und neben Mario ein Grenzer in bedrohlichem Schweigen, der ihn nicht aus den Augen lässt. Keine Situation, die Mario glücklich stimmen kann. Und plötzlich fällt Mario siedend heiß ein, dass er ja noch ein gutes Gramm unterm Gürtel hat.

Mario denkt bei sich: `He du könntest Vollgas geben und mitsamt dem Grenzer, dem „H“ und deinen Sorgen in den Wald rauschen. Wenn du Glück hast, hast du es geschafft. ´

Doch dann kommt ihm eine Idee und schwitzend führt Mario sie aus. Er fragt den Zöllner: „Warum haben Sie uns eigentlich angehalten?“

Und der erklärt ihm ganz geduldig die Grenzbestimmungen und Vorschriften. Während dessen macht Mario eine unauffällige Bewegung zum Gürtel. Das Päck fällt zum Glück nicht auf den Boden, sondern direkt in seine linke Handfläche.

In Frankfurt haben ihm einige Jungens im Zuge eine Dealer Rivalität den Wagen aufgebrochen, das neue Tapedeck und die Speaker ausgeräumt. Daher ist das linke kleine Dreiecksfenster noch kaputt. Das kommt Mario jetzt zugute. Das Päck in der Linken, den Arm lässig auf dem Fensterrahmen gelehnt, nähert Marios Hand sich langsam dem offenen Dreieck. Der Grenzer ist mit seinem Vortrag gerade an der „amüsanten“ Stelle angelangt, dass man nun gleich, zum Zwecke einer kleinen Untersuchung, den Wagen und sie selbst auf den Kopf stellen würde. Da ist es Mario gelungen das Päck zu verabschieden. Niemand hat etwas gecheckt. Noch ist es ja dunkle Nacht.

Sie sind bald am Ziel. Die Personalien werden aufgenommen, während dessen der Wagen von den Zollspeziallisten auf den Kopf gestellt wird. Ihre Hosentaschen werden links gemacht. Danach wird Mike zur Leibesvisitation in einen anderen Raum gebracht.

Dann kommt Mario dran. Er muss sich ganz ausziehen, auch die Unterhose. Alles wird durchsucht. Er muss sich bücken und die Hinterbacken auseinander ziehen. So kann der Jungzöllner mit einer Taschenlampe in seinen After leuchten. Wahrscheinlich gehört das zur Grundausbildung. Auch sämtliche anderen Körperöffnungen und geheimen Stellen muss Mario vorführen. Selbst die Ohren und die langen Haare werden untersucht.

Mario wird es heiß und kalt. Er weiß, die brauchen keine Minute bei der Inge, dann sind sie geliefert.

Na, der Zöllner findet fürs Erste nichts und Mario darf sich wieder anziehen. Natürlich haben die Grenzer spätestens jetzt gecheckt, dass sie Junkies vor sich haben. Die Einstichnarben in den Armbeugen sind nicht zu übersehen.

So sitzen die Drei also wieder vereint auf der Wartebank. Jetzt wäre Inge dran gewesen. Doch nichts geschieht. Sie sitzen da rum und sehen zu, wie draußen der Opel von den Spezialisten immer noch auseinandergenommen wird. Als die damit fertig sind, kommt einer von ihnen rein und legt eine alte Fixernadel auf den Tisch. Er fragt Mario wem das Gerät gehören würde? Mario kann ihm dazu leider keine hilfreichen Angaben machen. Es vergehen weitere 20 Minuten und nichts geschieht.

Mario erklärt, dass sie es eilig haben nach Hause zu kommen, wegen diesem und jenem und wegen den Kindern von Inge und ob der Zoll jetzt fertig sei mit ihnen. Eigentlich bringen die Drei es dort an der Grenze ganz cool und überlegt.

Einer der Grenzbeamten meint: „Sobald eure Begleiterin untersucht wurde ist könnt ihr los.“

„Wann ist das denn, ich muss nach Hause, meine Kinder warten auf mich“, lies sich jetzt Inge vernehmen.

„Tja junge Frau“, erklärte der Grenzer, „es geht nicht, dass wir sie untersuchen. Das muss eine weibliche Person machen. Wie sie sehen, sind wir alles Männer. Wir haben aber das nächste Krankenhaus angerufen und um eine Ärztin oder Schwester gebeten. Nur ist da im Moment niemand entbehrlich.“

Nach einer weiteren Viertelstunde Warten will Inge aufs Klo.

„Das geht leider nicht, solange sie nicht untersucht worden sind.“

„Pinkel doch hier untern Tisch“, ließ Mario sich vernehmen.

Der Beamte guckt ihn sehr böse an. Inge sitzt auf ihrem Stuhl, klemmt die Knie aneinander und führe auch sonst noch alle Anzeichen eines starken Dranges vor. Nach fünf Minuten die Inge:

„Hallo, ich kann’s nicht mehr lange halten.“

Daraufhin bespricht sich der Beamte mit seinen Kollegen, während er die Drei durch die Glasscheiben, die den Raum umgeben, argwöhnisch beobachtet.

Dann kommt er wieder rein:

„Junge Frau, sie werden gleich können. Sie müssen nur noch einen Moment warten.“

Nach einigen Minuten kommt ein Beamter und führt Inge zu dem Raum, in dem die Leibesvisitation stattgefunden hat. Nachdem sie verschwunden ist, kann Mario beobachten, wie ein Grenzer um das Zollgebäude herumläuft und sich unter dem kleinen, hochgelegenen Fenster platziert, das einzige, das der Raum hatte.

Mario betet. Ja seit langem betet er mal wieder. Er weiß zwar nicht so recht zu wem, aber er bittet darum, dass die Inge das Heroin nicht durch das Fenster entsorgt.

Na, der Beamte wartet vergebens. Inge kommt nach einer Weile wieder zum Vorschein. Augenscheinlich erleichtert. Sie lächelt und gibt Mario und Mike ein Zeichen, dass alles in Ordnung ist. Die beiden staunen nicht schlecht. Mario hat zwar keinen blassen Schimmer wie sie das hinbekommen hat, doch ihm gings um viele Felsbrocken besser.

Die ganze Aktion ist wie von einem guten Regisseur getimet. Zehn Minuten später taucht die Frau auf, die Inge gleich untersucht. Nachdem die Tussi nichts gefunden hat, werden die Drei entlassen. Sie bekommen ihre Papiere und ihre Tascheninhalte zurück. Sie werden noch darüber belehrt, dass sie schriftlich Bescheid bekommen, wegen des Versuchs verbotenerweise die Grenze zu überschreiten.

Die vorderen Sitze und die Rückbank des Opels müssen sie noch selbst einbauen. Die haben die Grenzer zum Zwecke einer besseren Übersicht herausgenommen. Immerhin gibt man ihnen das Werkzeug dafür. Endlich können sie losfahren, noch immer nicht ganz begreifend was eigentlich geschehen ist.

Inge bricht nach einer kurzen Weile das verwunderte Schweigen.

„Ich wurde also in den Raum gebracht. Sie hatten einen Plastikeimer reingestellt. Dort sollte ich reinmachen. Ein Klo gab’s ja nicht. Ich musste mir was überlegen. Durch das Fenster durfte ich das Zeug nicht werfen, das wusste ich gleich. Verstecken durfte ich es auch nicht. Es gab ja dafür eh keine Möglichkeiten. Und dann entdeckte ich, was uns rettete. Es gab ein kleines Handwaschbecken mit Wasserhahn und Abfluss. Ich riss also die Pariser auf. Und lies das Wasser langsam laufen, während ich langsam und möglichst laut in den Plastikeimer pinkelte. Dabei stopfte ich mit der Hand all die schönen Rocks in den Abfluss. Na, wenigstens konnte ich noch einen schlucken. Mein „Affe“ meldete sich nämlich langsam an. Die Pariser habe ich dann notgedrungen zwischen ein paar Papierstapeln versteckt. Ich wollte sie erst runterschlucken, doch dabei hab ich fast gekotzt.“