Andragogik - Jost Reischmann - E-Book

Andragogik E-Book

Jost Reischmann

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Beschreibung

Die Wissenschaft von der lebenslangen und lebensbreiten Bildung Erwachsener ist seit den 1970er Jahren an deutschen Universitäten vertreten. Eine spannende Sammlung, welche die dynamische Entwicklung dieses jungen Fachs beschreibt, die wissenschaftliche Diskussion von den Anfängen bis heute nachvollziehbar macht und zum Weiterdenken anregt. Nicht zuletzt will sie jedoch als engagierter Appell zu einem selbstüberzeugten Auftreten ihrer Fachvertreter in Wissenschaft und Praxis verstanden werden.

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Jost Reischmann

AndragogikBeiträge zur Theorie und Didaktik

Dieser Titel ist auch als Printausgabe erhältlich

ISBN 978-3-944 708-47-8

Sie finden uns im Internet unter

www.ziel-verlag.de

Herausgegeben von

RA Jörg E. Feuchthofen

Prof. Dr. Michael Jagenlauf MA

Prof. Dr. Arnim Kaiser

Die Reihe Grundlagen der Weiterbildung bietet Raum für

Theorien, die das berufliche Handeln anregen und vertiefen.

praktische Grundlagen und Tools.

Ausarbeitungen, die konkurrierende Theorien, Praxen, Modelle und Ansätze gedanklich und empirisch weiterführen.

Wichtiger Hinweis des Verlags: Der Verlag hat sich bemüht, die Copyright-Inhaber aller verwendeten Zitate, Texte, Bilder, Abbildungen und Illustrationen zu ermitteln. Leider gelang dies nicht in allen Fällen. Sollten wir jemanden übergangen haben, so bitten wir die Copyright-Inhaber, sich mit uns in Verbindung zu setzen.

Inhalt und Form des vorliegenden Bandes liegen in der Verantwortung des Autors.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-944 708-48-5 (eBook)

Verlag:

ZIEL – Zentrum für interdisziplinäres erfahrungsorientiertes Lernen GmbH Zeuggasse 7-9, 86150 Augsburg, www.ziel-verlag.de1. Auflage 2016

©

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

eBook-Herstellung und Auslieferung: HEROLD Auslieferung Service GmbHwww.herold-va.de

Jost Reischmann

Andragogik: Beiträge zur Theorie und Didaktik

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil 1: Andragogik - Wissenschaft und Identität

1.1 Andragogik - Wissenschaft von der lebenslangen und lebensbreiten Bildung Erwachsener. Plädoyer für eine selbstbewusste pädagogische Subdisziplin (2002)

1.2 Andragogik? Andragogik! Die Profession der vielen Namen - wenn es denn überhaupt eine ist. Ein Appell (2014)

Teil 2: Das „ganze“ Lernen - lebensbreite Bildung

2.1 „Wirf deinen Kopf weg und komm zu deinen Sinnen“. Selbsterfahrung als Lernprozeß in der Gruppe (1981)

2.2 Lernen „en passant“ - die vergessene Dimension. Die Kehrseite der Professionalisierung in der Erwachsenenbildung (1995)

2.3 Das Konzept des lebensbreiten Lernens. Von „Lernen en passant“ zu „kompositionellem Lernen“ und „lebensbreiter Bildung“ (2002)

Teil 3: Andragogische Konzepte

3.1 Keine Konjunktur mehr für offenes Lernen? (1994)

3.2 „Da habe ich wirklich etwas gelernt!“ - Lebendiges Lernen von Erwachsenen: Selbststeuerung oder Ermöglichungsdidaktik? (mit Klaus Dieckhoff) (1996)

3.3 Selbstgesteuertes Lernen: Verlauf, Ergebnisse und Kritik der amerikanischen Diskussion(1999)

3.4 Die Wunderwelt selbstgesteuerten Lernens (1998)

Teil 4: Didaktik und didaktische Konzepte

4.1 The day after tomorrow. Didaktische Überlegungen zur andragogischen Wertschöpfungskette (2005)

4.2 Kompetenz lehren? Der kompetenzorientierte Ansatz in der Andragogik zwischen Didaktik und Organisationsentwicklung (2004)

4.3 Evaluation als didaktische Hilfe zum Transfer (1988)

Teil 5: Didaktische Modelle

5.1 „Das bißchen Pädagogik kommt dann von selbst …“. Optimierte betriebliche Weiterbildung durch Coaching (1991)

5.2 Bamberg wichtelte Zeit. Andragogen bilden eine Stadt (2005)

5.3 Das Modell „Übungsfirma“. Lernen in komplexer Praxissituation am Beispiel der Techma Achalm GmbH (1992)

5.4 Das Zeitungskolleg - Ein neues Modell offener Erwachsenenbildung (1978)

5.5 Warum fliegen Erwachsenenpädagogen nach USA? (1986)

5.6 Der Bamberger Andragogentag (2010)

Teil 6: Andragogik? Andragogik!

Abschiedsvorlesung: ein Rechenschaftsbericht (2008)

Biographische Notiz zum Autor

Vorwort

In diesem Buch sind Beiträge des Verfassers zur Theorie und Didaktik der Andragogik über einen Zeitraum von mehr als drei Jahrzehnten zusammengetragen.

Warum dieses Buch?

Die Wissenschaft von der Bildung Erwachsener ist ein junges Feld. Eine wissenschaftliche Betrachtungsweise der Erwachsenenbildung datiert man in Deutschland zwar in die 1920er-Jahre zurück, aber ein universitäres Studienfach entstand erst ab den 1970er-Jahren: Die Sektion Erwachsenenbildung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft fand 1971 ihren Anfang1; 1991 erschien von der Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschulverbandes ein Band mit dem Titel „Zehn Jahre Erwachsenenbildungswissenschaft“2.

Wie in Siebenmeilenstiefeln hat sich dieses Fach innerhalb von zwei Generationen fortentwickelt3. In dieser dynamischen Entwicklung eines jungen Feldes sollte aber nicht vergessen werden und verloren gehen, was in diesen Jahren bereits gedacht und entwickelt wurde. Dieses Erinnern an wissenschaftliche Diskussionen, Entwicklungen, Auseinandersetzungen stellt das Hauptmotiv für dieses Buch dar.

Viele Kolleginnen und Kollegen haben bei dieser Formierung unserer Wissenschaft mitgewirkt, vielen verdanke ich entscheidende Impulse. Mit den Verweisen in den jeweiligen Diskussionen und den Literaturverzeichnissen möchte ich mich einerseits bei diesen Kolleginnen und Kollegen bedanken; andererseits soll dies aber auch dokumentieren, in welcher Breite, Anspruch und Qualität eine beachtliche „scientific community“ entstand, die unsere Wissenschaft formiert hat.

Doch nicht allein ein historisches Interesse motivierte zu diesem Buch: Vieles ist inhaltlich noch bzw. wieder von Interesse und kann auch in gegenwärtigen Diskussionen zum Argumentieren und Weiterdenken beitragen.

Die Beiträge sind weitgehend in ihrer Originalfassung belassen (auch in der alten Rechtschreibung) - trotz der Verlockung, aus heutiger Sicht Änderungen und Ergänzungen vorzunehmen. Aber es sollte der historische Anspruch gewahrt werden mit der Botschaft: So war damals die Diskussion! Wo Redaktionen seinerzeit Kürzungen vorgenommen Texte hatten, wird hier wieder der Langtext wiedergegeben. Gekürzt wurden Überschneidungen mit anderen in diesem Buch abgedruckten Texten, ergänzt wurden dann Verweise auf diese. Überschneidungen ließen sich jedoch nicht ganz vermeiden, da jeder einzelne Aufsatz auch für sich verständlich bleiben sollte.

Teil 1 enthält zwei Beiträge zum Thema „Andragogik“. Es war und ist dem Verfasser ein Anliegen, die Formierung und Profilierung der Wissenschaft von der lebenslangen und lebensbreiten Bildung Erwachsener zu fördern; mit der Bezeichnung „Andragogik“ wurde eine distinkte Identität angemahnt. Die erste Publikation dazu erfolgte 19964; der in 1.1 abgedruckte Aufsatz ist eine erweiterte Fassung (2002). Definiert wird: „Der Gegenstandsbereich von Andragogik ist das Verstehen und Gestalten der lebenslangen und lebensbreiten Bildung Erwachsener“ (S. 20). Die zentrale Intention offenbart der Untertitel: „Plädoyer für eine selbstbewusste pädagogische Subdisziplin“.

Andragogik bezeichnet in diesem Verständnis eine Wissenschaft (und ein universitäres Studienfach) - so wie „Medizin“ oder „Jura“ oder „Biologie“. Diese Etikettierung sollte die Identität des Faches stärken. Bereits 1991 (!) hatten Tietgens/Nuissl gewarnt: „Der Verzicht auf Identität hat heute seinen eigenen Schick. Ob davon Erwachsenenbildungswissenschaft auf Dauer leben kann, erscheint zweifelhaft. Vergewisserungen über die eigenen Traditionen erscheinen daher wohl angebracht“5.

Aggressiver und von der Fachentwicklung enttäuschter argumentiert deshalb der neueste Beitrag dieser Sammlung (2014 - 1.2):. „Erwachsenenbildner“ - das kann Hinz und Kunz sein“. Und: „Eine „Profession“ mit einem „Hinz-und- Kunz-Namen“ ist keine Profession, da sie nicht als etwas Einmalig-Distinktes wahrgenommen und angesprochen werden kann“ (S. 35). Trotz der wissenschaftlichen Leistungen von zwei Generationen, auf die man stolz sein kann, ist es nicht gelungen, eine disziplinäre und professionelle Identität aufzubauen. Deshalb versteht sich dieser Beitrag als Appell und Handlungsempfehlungen an die Fachvertreter zum selbstüberzeugten Auftreten auf dem Weg - vielleicht - zur Profession.

Dieser engagierte Appell zu einer selbstüberzeugten Wissenschaft und Zunft gründet nicht nur auf Wunschträumen oder theoretischen Überlegungen: Sondern auch auf der konkreten Beobachtung, dass Absolventen dieses Faches (nicht nur des Lehrstuhls Andragogik der Universität Bamberg) als gesuchte „Change Agents“ weit über die traditionelle Erwachsenenbildung hinaus in vielfältigen Positionen beste Arbeitsplätze erhielten und dort erfolgreich sind - durchaus ein Grund für Selbstbewusstsein und Stolz. Dazu mehr in Teil 5 und 6.

Teil 2 beschäftigt sich in drei Beiträgen mit dem „ganzen Lernen“, eröffnet damit eine weite Perspektive über schulähnliche Belehrungsformen hinaus auf die vielfältigen Formen, in denen im Leben Erwachsener Bildung erfolgt.

Der Bericht über Selbsterfahrungsgruppen in Kalifornien (2.1) mag zunächst irritieren: Handelt es sich dabei nicht um „Therapie“? Es war für mein Verständnis der umfassenden Bildung Erwachsener ein entscheidender Schritt, angeregt auch durch die hier beschriebenen Erfahrungen, meinen hermeneutischen Zirkel zu durchbrechen und zu erkennen, dass das, was Menschen geworden sind, was sie gebildet hat, durch vielfältige und auch ganz anders geartete Lernprozesse als im traditionellen Schullernen erfolgt. Und dass dieses Lernen durchaus beeinflusst und gestaltet werden kann.

Auf diesem Hintergrund wurden dann die Begriffe „Lernen en passant“ (2.2), „lebensbreite Bildung“, und „kompositionelles Lernen“ (2.3) geboren:

- Mit „Lernen en passant“ verweise ich auf Lernen, das sich in der Wahrnehmung der handelnden Person in Situationen nebenbei ergibt, in denen die überwiegende Motivation nicht auf den Erwerb von Wissen und Können gerichtet ist.

- Mit „Lebensbreite Bildung“ wollte ich darauf hinweisen, dass sich Menschen nicht nur in zeitlicher Perspektive lebenslang (um-)formen und bilden, sondern dass wir permanent, unausweichlich und im Hier-und-Jetzt einer Vielzahl von Lernanregungen/ Lernherausforderungen ausgesetzt sind - also in der Breite des Lebens. Und das nicht nur intellektuell, sondern auch emotional, moralisch, körperlich - also ganzheitlich. Deshalb auch nicht lebensbreites Lernen, sondern lebensbreite Bildung (der pädagogische Terminus).

- Auf das Zusammenwirken aller Lernanregungen in einer Lebenssituation verweise ich mit dem Begriff „kompositionelles Lernen“.

Die Beiträge in diesem Teil haben hermeneutische Absicht: Sie sollten die Augen dafür öffnen, dass die Bildung Erwachsener jeden Augenblick vor unseren Augen stattfindet - wenn wir sie sehen können.

Konzepte und Theorien in der Pädagogik und Andragogik kommen und gehen. Die Beiträge in Teil 3 können deshalb in zweifacher Perspektive gelesen werden: inhaltlich drei Konzepte beschreibend - offenes Lernen (3.1), lebendiges Lernen (3.2) und selbstgesteuertes Lernen (3.3 und 3.4 - dies ein interessantes Beispiel für die Anwendung der introspektiven Methode) -, oder strukturell als Beispiele für Aufgang und Niedergang von Konzepten allgemein. Denn es scheint eine typische Phasenabfolge in der Pädagogik/Andragogik zu geben:

- Zunächst dienen neue Konzepte zur bekenntnishaften Allumfassendheit: In freier Assoziation beschwört man mit dem neuen Konzept alles, was gerade gut und teuer ist. Dies ist zugleich Stärke und Schwäche: Die Stärke liegt in der Begeisterung und unmittelbaren Einsichtigkeit, die das Konzept auslöst, der Nachteil ist die begriffliche Vagheit und die empirische Luftigkeit.

- In der nächsten Phase werden solche - inzwischen nicht mehr so neuen - Konzepte theoretisch ausdifferenziert und praktisch erprobt. Die Lobreden wirken allmählich ermüdend - man hat alles schon einmal gehört. Der „Honeymoon“ ist vorbei; jetzt ist die professionelle theoretische und praktische Alltagsarbeit angesagt. Mit dieser Phase der Ausdifferenzierung und Erprobung folgt unausweichlich der Nachteil, dass Konzepte an umfassender Begeisterungsfähigkeit verlieren; gewonnen wird der Vorteil, dass sie rational reflektiert und angemessen eingesetzt werden. Jetzt muss man sich die Mühe machen, Literatur aufzuarbeiten, Erfahrungen empirisch zu überprüfen und zu vergleichen und für die Praxis zeit- und geldaufwendige Realisierungen mit begrenztem Erfolg auf sich zu nehmen. Die „Wellenreiter“ auf dem Begeisterungsmarkt steigen nun aus.

- Die dritte Phase ist dann die traurigste: Wer nach Jahren sorgfältiger und mühsamer Forschungsarbeit seine Ergebnisse vorlegt, findet kaum noch Interesse und Publikationschance; neue „Wellenreiter“ begeistern die Gemüter …

Diese Kommen und Gehen von Theorien und Konzepten wird der Pädagogik oft als Schwäche vorgeworfen. Das Gegenteil trifft zu: Der Gegenstandsbereich der Bildungswissenschaft ist die jeweilige, sich immer wandelnde Bildungswelt. Wenn Bildungswelt sich ändert, muss auch Bildungswissenschaft sich ändern. Dies ist anders als in anderen Wissenschaften. In diesem Sinne wertet Nohl bereits 1928 „die Geschichte der pädagogischen Ideale … nicht [als] eine Kette von Irrtümern, … sondern sie ist an jeder Stelle, wo überhaupt ein wirkliches Ideal gelungen ist, ‚unmittelbar zu Gott’“6. Ältere Theorien in der Pädagogik werden damit nicht „falsch“, sondern haben lediglich reduzierte Interpretationskraft bzw. Interpretationsbreite für neuere Bildungsprobleme Obwohl: Manchmal erfolgten die Wenden in der andragogischen Theoriebildung schon in arg stürmischer Abfolge …

Die drei Beiträge in Teil 4 befassen sich mit didaktischen Konzepten, also Überlegungen, wie bestimmte allgemeine Lehr-/Lernvorstellungen an spezifische didaktische Situationen herangetragen werden können. Didaktik wird dabei - in einer plakativen Formulierung - verstanden als alle systematischen Überlegungen, „Mitteilenswertes mitteilenswert mitzuteilen“ (S. 141). Und zu den kognitiven und emotionalen Herausforderungen didaktischen Denken und Handelns gehört auch die Einsicht in das unausweichliche „didaktische Paradoxon“7: Denke und handle so, als ob sich erfolgreiches Lernen „machen“ ließe, und sei dir im klaren, dass Lernerfolg eben doch nicht „gemacht“ werden kann!

Jeder dieser drei Beiträge soll Beispiel sein, wie konkretes didaktisches Handeln aus allgemeineren Vorstellungen entwickelt werden kann. Die Überlegungen zu einer günstigen, didaktischen Gestaltung von Lernangeboten setzen in 4.1 den Schwerpunkt auf die Zeit „nach“ einem Kursangebot - bisher selten in didaktische Überlegungen einbezogen. Grund dafür könnte sein, dass in einer von der Schulpädagogik her gedachten Didaktik die Anwendungsphase in ferner Zukunft liegt; im Gegensatz dazu muss sich der Wert von Weiterbildung oft schon „morgen“ im Transfer auf das konkrete Leben erweisen. Die Auseinandersetzung mit dem kompetenzorientierten Ansatz in der Andragogik (4.2) sucht im ersten Teil zunächst eine begriffliche Klärung dieses oft beschworenen Modebegriffs und leitet daraus im zweiten Teil Folgerungen für das didaktische Handeln her. 4.3 diskutiert „Evaluation“, die sich in den 2000er Jahren zu einem verbreiteten Kontrollelement aufgeschwungen hat, unter der Perspektive, wie sie als didaktische Hilfe zum Transfer nutzbar gemacht werden kann.

Es gehört zu den Standardaussagen der Erwachsenenbildung und ihrer Wissenschaft, dass Erwachsene in vielfältig mehr und anderen Situationen und Arrangements lernen als Kinder. Teil 5 stellt unterschiedliche didaktische Modelle vor, in denen beispielhaft gezeigt wird, wie Lernen für Erwachsene arrangiert werden kann - und welches die theoretischen und didaktischen Überlegungen sind, die das jeweilige Modell begründen und gestalten.

- „Menschen helfen Menschen“ - diese Idee aus der Humanistischen Psychologie wird bei „Coaching von Weiterbildnem“ (5.1) didaktisch umgesetzt; Methoden der Wahl sind Beratung und Modelllernen in einer 1:1 Situation.

- Die Idee der „Lebensbreiten Bildung“ wurde im Projekt „Bamberg wichtelte Zeit“ (5.2) in einer (Mini-) Organisationsentwicklungsmaßnahme didaktisch umgesetzt und zugleich eine „andere“ Rolle von Andragogen erfahrbar gemacht.

- Lernen in praxisnahem Setting, das die Arbeits- und Lebensrealität arbeitsloser Erwachsener respektiert, wird am Beispiel einer Übungsfirma (5.3) didaktisch umgesetzt.

- Als Modell für „Offenes Lernen“ verstand sich das Projekt Zeitungskolleg (5.4); über seinen Medienverbund bot (und untersuchte) es Lerngelegenheiten ohne schulische Organisation.

- Reisen als Lernanlass ist ein traditionelles Thema in der Andragogik; 5.5 diskutiert drüber hinaus den spezifischen Wert für die Bildung von Andragogik-Studenten.

- Das zirkuläre Verhältnis zwischen Gestalten und Verstehen, zwischen Praxis und Theorie bei einer andragogischen Praxiskonstruktion wird am „Bamberger Andragogentag“ (5.6) illustriert.

Die dargestellten Modelle reichen bis in die 1970er Jahre zurück. Dies entspricht durchaus der Intention dieses Bandes: daran zu erinnern, was und wie in diesem jungen Fach bereits in den Anfangsjahren gedacht wurde - auch, dass stellenweise die Freude über Neuentdeckungen stärker war als kritische Reflexion auf Grenzen und Einschränkungen.

Trotz aller Unterschiede ist den Beispielen in Teil 5 gemeinsam, dass diese Lerngelegenheiten von Spezialisten intentional-professionell arrangiert sind. Lange Jahre war der Begriff „Lehren“ für diese Tätigkeit verpönt. Vor allem in der aggressiv-abgrenzenden Frühphase der Diskussion um selbstgesteuertes Lernen wurde „Lehren“ auf besserwisserisches Hinabreden eines pedantischen Lehrers auf den Lerner verkürzt. Hier wird „Lehren“ anders verstanden: „Lehren“ umfasst sämtliche intentionale Arrangements, die von Institutionen und/oder Personen angerichtet werden mit der Absicht, erfolgreiches Lernen zu ermöglichen, zu fördern und zu erleichtern.

Die Kompetenz, Lernen und Bildung in den verschiedensten Formen - die Beispiele im Teil 5 illustrieren dies - zu fördern, ist genuine Aufgabe von Andragogen. Aufgabe eines Studiums der Andragogik ist es, seinen Absolventen diese Kompetenz in den vier Teilkompetenzen Lehren, Beraten, Planen/Organisieren und Forschen zu vermitteln. Wo das gelingt, gibt es guten Grund, auch zu vermitteln, dass Andragogen etwas Besonderes sind, etwas können, was andere nicht können, und darauf stolz sein können - als Person und als Zunft.

Damit schließt sich der Kreis zu den Anfangsbeiträgen dieses Bandes mit dem Appell, die Stärke einer disziplinären und professionellen Identität aufzubauen und nach innen und außen zu vertreten. Bedingungen dafür sind nicht nur fundierte Theorien und sorgfältige Forschung, sondern auch die reflektierte Handlungsfähigkeit, vielfältig Lerngelegenheiten in der Praxis anzurichten.

Den Abschluss dieser Textsammlung bildet die Abschiedsvorlesung des Verfassers (Teil 6). In diesem Beitrag werden dem Anlass entsprechend nochmals zentrale Positionen des Verfassers dargestellt. Deshalb kann dieser Beitrag durchaus auch als erster gelesen werden. Er versteht sich aber auch als „Rechenschaftsbericht“ darüber, was das Fach Andragogik geleistet hat und leisten kann.

Es ist die Hoffnung des Verfassers, mit diesem Buch eine selbstbewusste Formierung und Profilierung der Wissenschaft von der lebenslangen und lebensbreiten Bildung Erwachsener zu stärken. Die Aufgabe lohnt: UNESCO hat die Perspektive für die Bildung Erwachsener hoch gesetzt: „Adult education … is a key to the twenty-first century … It is a powerful concept for fostering ecologically sustainable development, for promoting democracy, justice, gender equity, and scientific, social and economic development, and for building a world in which violent conflict is replaced by dialogue and a culture of peace based on justice” und “to make adult learning: a joy, a tool, a right and a shared responsibility” (UNESCO 1997)8.

Tübingen, September 2016

Jost Reischmann

1 Schmidt-Lauff, Sabine (Hg.) (2014): Vergangenheit als Gegenwart - Zum 40-jährigen Bestehen der Sektion Erwachsenenbildung in der DGfE. Opladen: Budrich.

2 Mader, Wilhelm u.a. (1991). Bad Heilbrunn: Klinkhardt (wobei der Titel missverständlich ist: Es handelt sich um einen Nachdruck von Artikeln aus den Jahren 1981-1991, keine Datierung der Wissenschaft).

3 siehe beispielweise die Beiträge in Egetenmeyer, Regina/Schüßler, Ingeborg (Hg.) (2012): Akademische Professionalisierung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Hohengehren: Schneider.

4 Reischmann, Jost (1996): Andragogik: Wissenschaft von der Bildung Erwachsener. In: Karin Derichs-Kunstmann/Peter Faulstich/Rudolf Tippelt (Hg.): Qualifizierung des Personals in der Erwachsenenbildung. Beiheft zum Report. S. 14-20.

5 Tietgens. Hans/Nuissl, Ekkehard (1991): Vorwort. In: Mader, Wilhelm u.a.: Zehn Jahre Erwachsenenbildungswissenschaft. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S.10.

6 Nohl, Hermann (1928/61963): Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie. Frankfurt/M.: Verlag Schulte-Bulke. S. 111.

7 Reischmann, Jost (1998): Wie lehrt man „Kompetenz“? In: GdWZ, 9.Jg., H.6, S. 270. Siehe in diesem Band auch S. 145 und S. 174.

8 UNESCO (1997): CONFINTEA V: The Hamburg Declaration On Adult Learning. http://www.unesco.org/education/uie/confintea/declaeng.htm

Teil 1: Andragogik - Wissenschaft und Identität

1.1 Andragogik: Wissenschaft von der lebenslangen und lebensbreiten Bildung Erwachsener

Plädoyer für eine selbstbewusste pädagogische Subdisziplin

1. Thesen

1. Das Feld „Bildung Erwachsener“ hat eine vor 30 Jahren nicht vorstellbare Bedeutung für den Einzelnen, die Gesellschaft und die Wirtschaft gewonnen und sich in diesem Zeitraum inhaltlich, personell und institutionell ausdifferenziert. Dabei ist eine eigene wissenschaftliche Betrachtungsweise entstanden.

2. Da eine neue „Sache“ entstanden ist, wird auch eine neue Bezeichnung benötigt. Als Bezeichnung für die Wissenschaft von der Bildung Erwachsener wird „Andragogik“ vorgeschlagen.

3. Mit „Andragogik“ öffnet sich besser als mit der Bezeichnung „Erwachsenenbildung“ der Blick auf lebenslange und insbesondere auf lebensbreite Bildungs- und Lernbereiche Erwachsener, die bisher nur begrenzt wahrgenommen wurden.

4. Es wird die Position vertreten, dass es sinnvoll ist, Andragogik als Subdisziplin der Pädagogik zu konstruieren.

5. Die Bezeichnung „Andragogik“ soll auch die Besonderheit und die Professionalität der Kompetenzen der AbsolventInnen dieses Studiengangs zum Ausdruck bringen.

6. Schließlich soll ein verändertes (Selbst-) Bewusstsein dieses Faches als Antwort auf Veränderungen im Praxisfeld wie in der Wissenschaft dokumentiert werden.

2. Die kurze akademische Geschichte der Wissenschaft von der Bildung Erwachsener

In der engagierten Ungeduld, die anstehenden Theorie- und Praxis-Probleme am liebsten alle zugleich zu lösen, wird oft übersehen, dass die kurze akademische Geschichte unseres Faches eine gewaltige und positive Dynamik aufweist. Dazu drei Indikatoren:

Indikator 1. Akademische Institutionalisierung

Bis 1956 gibt es an keiner bundesdeutschen Hochschule einen Professor für Erwachsenenbildung oder Studienmöglichkeiten, bestenfalls ein belächeltes Hobby-Seminar eines nicht ganz ausgelasteten Pädagogen.

1956 wird Fritz Borinski an der Freien Universität Berlin auf einen Lehrstuhl für Pädagogik berufen. Sein bekanntes Interesse war die Erwachsenenbildung als Gegenstand von Forschung und Lehre; die Spezialisierung auf diesen Gegenstand gelang mit der Gründung der Abteilung Erwachsenenbildung im Jahr 1967. 1964 übernimmt Joachim Knoll einen Lehrstuhl für Pädagogik in Bochum und macht am Institut für Praktische Pädagogik Erwachsenenbildung/außerschulische Jugendbildung zum bevorzugten Thema. 1970 wird Horst Siebert in Hannover Professor für Erwachsenenbildung - erstmals unmittelbar und ausschließlich mit „Erwachsenenbildung“ als Bezeichnung der Professur.

Mit der 1969 eingeführten Rahmenprüfungsordnung für das Diplom in Erziehungswissenschaft waren die Zutaten für die Akademisierung vorhanden: Erstmals war es in Deutschland möglich, Erwachsenenbildung an Wissenschaftlichen Hochschulen zu studieren und mit einem Hochschul-Diplom abzuschließen, und es entstanden in den nächsten Jahren Professuren speziell für diesen Schwerpunkt. Bereits 1985 wertet Schlutz: „Der Wissenschaftsbereich ‚Erwachsenenbildung’ ist mit seinen Stelleninhabern, Forschungsaktivitäten und Studenten eine allmählich kaum noch zu übersehende soziale Tatsache“ (1985, S. 563).

1995 dokumentiert die AUE-Dokumentation von Faulstich/Graeßner über „Studiengänge Erwachsenenbildung/Weiterbildung“ bundesweit 36 Standorte für grundständige und 21 für weiterbildende Studiengänge der Erwachsenenbildung; ca. 25 C4- und 15 C3-Professoren vertreten dieses Fach.

Bei allen Wunschträumen, dass alles besser sein könnte: Gemessen an allen akademisch-institutionellen Indikatoren - Professuren, Prüfungsordnungen, Studenten, akademische Abschlüssen, wissenschaftlichen Tagungen und Fachgesellschaften, einer „scientific community“ - hat sich für den Gegenstandsbereich „Bildung Erwachsener“ in kaum 30 Jahren eine Wissenschaft neu institutionalisiert.

lndikator2: Literaturbestand

1962 füllt der Bücherbestand zur Erwachsenenbildung bestenfalls ein Regalbrett. Von Karbe/Richter erscheint die erste Gesamtbibliographie zur Erwachenenbildung - ein schmales Bändchen. Im Vorwort schreiben die Autoren: „Abgesehen von sehr wenigen Büchern zum Problem der Erwachsenenbildung liegt eine fast unübersehbare Zeitschriftenliteratur vor. Die Gründe hierfür sind darin zu sehen, dass sich ‚die Wissenschaft’, d. h. die Pädagogik, nur sehr wenig mit der Erwachsenenbildung befasst hat, dass es die ‚Praktiker’ waren und sind, die zu den Problemen Stellung genommen haben. Sie hatten und haben keine Zeit, Bücher zu schreiben.“ (Karbe/Richter 1962, S. 5). Bei einer solchen Literaturlage von „Wissenschaft“ zu reden wäre vermessen gewesen.

Heute lässt sich das Angebot wissenschaftlicher Lektüre einschließlich Handbüchern, Fachlexika, Fachzeitschriften und Forschungsberichten - Literaturbestand und -typen wie sie eine „anständige“ Wissenschaft aufweisen muss - nur noch per CD-ROM organisieren. Das ist vielleicht nicht nur ein Segen, aber es dokumentiert, dass innerhalb weniger Jahrzehnte ein neuer Fundus an wissenschaftlichem Wissen entstanden ist.

lndikator3: Internationale Entwicklung

Begegnungen mit internationalen Fachkollegen sowie die internationale Fachliteratur bestätigt, dass auf wissenschaftlicher Ebene gemeinsame Paradigmen, Fragestellungen, akademische Institutionalisierungsformen, Forschungstraditionen und -ergebnisse vorliegen. Diese internationalen Begegnungen und Erfahrungen spielen für das Plädoyer, dass der vorparadigmatische Zustand eines „Faches“ überwunden ist, eine entscheidende Rolle.

Einen wichtigen Beitrag zur Wahrnehmung der internationalen Entwicklungen - heute noch lesenswert - leistete der fünfte Band des von Pöggeler herausgegebenen Handbuchs der Erwachsenenbildung „Erwachsenenbildung in fünf Kontinenten“ 1979. Inzwischen haben sich die internationalen Kontakte vervielfältigt und die Kenntnis voneinander ist gewachsen. Hierzu haben e-Mail und Internet in den letzten Jahren erheblich beigetragen (siehe z. B. www.Andragogy.net). Internationale Organisationen wie ESREA (European Society of Research in the Education of Adults - www.helsinki.fi/jarj/esrea/) oder ISCAE (International Society for Comparative Adult Education - www.ISCAE.org mit Mitgliedern in 35 Ländern von Äthiopien und Burundi bis Alaska, Australien und Korea) stellen solche Kontakte her und tragen zum Austausch von Forschung und wissenschaftlicher Erkenntnis bei.

Diese internationale Entwicklung versichert, dass das Entstehen einer eigenen wissenschaftlichen Disziplin keineswegs ein deutscher historischer oder regionaler Sonderfall ist, sondern ein weltweiter Prozess.

Fazit

Über dem stetig an Bedeutung zunehmenden Praxisfeld „Erwachsenenbildung“ und den zugehörigen engagierten Erziehungslehren bestimmter Gruppen und Institutionen („Theorien 2. Grades“ nach Erich Weniger 1929) entstanden zunehmend Reflexionsfelder, für die akademisch-wissenschaftliche Institutionen, Formen und Standards in Anspruch genommen wurden („Theorien der Theoretiker“). Die ursprünglich zusammenhängenden Denk- und Handlungsfelder der „Erwachsenenbildung“ differenzierten sich aus: inhaltlich entstand eine eigene wissenschaftliche Betrachtungsweise, personeller entstand eine Arbeitsteilung zwischen Praktikern und Theoretikern, institutionell entstanden neben Praxiseinrichtungen wissenschaftliche Institutionen, vor allem Universitäts-Lehrstühle; auch die Umwandlung der „Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschulverbandes (PAS)“ in das „Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE)“ liegt in der Linie dieser Entwicklung. In diesem Ausdifferenzierungsprozess war - inhaltlich, personell und institutionell Synergie bildend - eine neue „Sache“ entstanden: eine Wissenschaft von der Bildung Erwachsener.

3. Zur Bezeichnung der Wissenschaft: Alter Name für eine neue Sache

Mit dieser Ausdifferenzierung war aus einer Sache - „Erwachsenenbildung“ - eine Vielfalt von Aufgaben und Funktionen in unterschiedlichen Bereichen geworden: Praxishandeln, planen/organisieren, politisch vertreten, wissenschaftlich forschen und reflektieren. Für diese Vielfalt von Aufgaben und Funktionen aber wurde zunächst immer noch die einheitliche Bezeichnung „Erwachsenenbildung“ verwendet. Dies erzeugte eine Reihe von Problemen und Missverständnissen, die insbesondere für die Wissenschaft jetzt dauerndes Nacherklären forderte:

1. Im gängigen Sprachgebrauch bezeichnet „Erwachsenenbildung“ nach wie vor das Praxisfeld, nicht aber die Wissenschaft - „eben das, was mit wirklichen Erwachsenen in eigens für Bildung vorgesehenen Institutionen betrieben werde“ (Schlutz 1985, S. 564). Die in den 70er-Jahren entstandenen Lehrstühle verwenden zwar unverändert die Bezeichnung „Erwachsenenbildung“, verstehen darunter jedoch etwas anderes, nämlich die wissenschaftliche Betrachtungsweise und das akademische Studium dieses Faches. Die zunächst am meisten verbreitete Bezeichnung der Wissenschaft - „Erwachsenenbildung“ - führt damit unausweichlich zu Missverständnissen (zum Beispiel, welche Erwachsenenbildungskurse man am Lehrstuhl Erwachsenenbildung besuchen könnte), zu Verwechslungen (zum Beispiel mit den universitären Weiterbildungszentren oder dem Arbeitskreis universitäre Erwachsenenbildung AUE) und zur begrifflichen Unklarheit (zum Beispiel wenn in Auseinandersetzungen beide Semantiken ungeklärt ineinander übergehen). Es wäre hilfreich und klärend, würde man für die zwei verschiedenen Gegenstände „Praxis“ und „Wissenschaft“ der Bildung Erwachsener zwei verschiedene Begriffe verwenden.

2. Da „Erwachsenenbildung“, mehr noch „Weiterbildung“ als Aktionsfelder von Institutionen verstanden werden - als das, was „in eigens für Bildung vorgesehenen Institutionen betrieben“ (s.o.) wird -, grenzen diese Bezeichnungen den Blick auf ein bestimmtes Segment der Bildung Erwachsener ein: auf die Fortsetzung/Wiederaufnahme organisierten Lernens und die für organisiertes Lernen unmittelbar bedeutsamen Überlegungen. Dies aber wird von der Wissenschaft bald als zu eng empfunden und gefordert, es „müßte der Wissenschaft von der Erwachsenenbildung bewußt werden, daß sie sich nicht von der bald voranschreitenden, bald retardierenden Expansion des Systems Weiterbildung vorschreiben lassen darf, was ihr Gegenstand sein soll“ (Schlutz 1985, S. 564). Mit Begriffen, die vorrangig Praxis- und Institutionen-Handeln etikettieren, ist es schwierig, auch die selbstorganisierten und nichtintentionalen Bildungsprozesse Erwachsener und damit die Gesamtheit der Bildungsprozesse Erwachsener als Gegenstandsbereich der Wissenschaft von der Bildung Erwachsener wahrzunehmen - eine Kehrseite der erfreulichen Professionalisierung im Praxisfeld (Reischmann 1995).

3. Ein weiteres Problem der Bezeichnung „Erwachsenenbildung“ liegt in der semantischen Kopplung mit einer historisch ganz bestimmten Tradition: der Tradition insbesondere der Volkshochschule. Bewerben sich Diplompädagogen jedoch im Bereich der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung, dann stellt die Bezeichnung „Erwachsenenbildung“ im Zeugnis ein Handicap dar: denn in diesem Feld gilt der Begriff „Weiterbildung“. Ein Indikator dafür, dass diese begrifflichen Enge von „Erwachsenenbildung“ gespürt wurde, kann darin gesehen werde, dass für Lehrstühle, die in den 80er-Jahren entstanden, die Doppelbezeichnung „Erwachsenenbildung/Weiterbildung“ gewählt wurde; auch das wichtige „Handbuch der Erwachsenenbildung/Weiterbildung“ (Tippelt 1994) wählt diese Doppelbezeichnung.

4. Als Bezeichnung des Wissenschaftsbereichs passt „Erwachsenenbildung“ auch nicht in die Systematik des Faches Pädagogik: Schulpädagogik, Sozialpädagogik, Elementarpädagogik - Erwachsenenbildung? Und Pöggeler zieht die Parallele zu anderen Wissenschaften: „Man spricht z.B. in der Medizin auch nicht von einem ‚Lehrstuhl für Operieren’, sondern für ‚Chirurgie’“ (Pöggeler 1999, S. 21).

Die Bezeichnung „Erwachsenenbildung“ (wie auch die englischsprachige Bezeichnung „Adult Education“) für die Wissenschaft von der Bildung Erwachsener muss damit heute als missverständlich und wenig selbst-bewusst eingeschätzt werden.

Erwachsenenpädagogik wäre ein Alternativbegriff, mit dem stärker die Anbindung an die wissenschaftliche Disziplin reklamiert wird. Eingeführt wurde er bereits vor 1960 durch Werner (vgl. Pöggeler 1974, S. 18). In neuerer Zeit scheint sich diese Bezeichnung wieder stärker zu verbreiten; so wählten jüngst (2001) Amold/Nolda/Nuissl den Titel „Wörterbuch Erwachsenenpädagogik“. Sicherlich ist die Anbindung an die Pädagogik als Wissenschaft eine wichtige Positionierung und dokumentiert die neue Sache „Wissenschaft“ nach Ausdifferenzierung des Feldes.

Aber mit dieser Bezeichnung setzt man sich gleich zwischen drei Stühle: Die althumanistischen Puristen bemerken süffisant, man kenne wohl den Wortsinn von „Pädagogik“ nicht; ähnlich verweist auch für den englischen Sprachbereich van Gent (1996, S. 115) auf das „terminological embarrassment of ‚adult education’“. Pöggeler kann es sich erlauben, den Begriff „Erwachsenenpädagogik“ als „semantischen Nonsens“ (1999, S. 21) zu bezeichnen. Und die betrieblichen Weiterbildner sitzen bei der Ablehnung des Pädagogik-Begriffs plötzlich mit ihren Widersachern aus der freien Volksbildung in einem Boot: „Genau das Kindisch-Pädagogisierende wollen wir nicht!“ (sicherlich ein Missverständnis der pädagogischen Wissenschaft, aber leider in der Praxis verbreitet).

Verschiedentlich wird in Diskussionen, in denen es explizit auf die wissenschaftliche Positionierung ankommt, die Formulierung „Wissenschaft von der Erwachsenenbildung“ (siehe etwa im obigen Schlutz-Zitat S. 12) verwendet. Diese Formulierungen bestätigen die Notwendigkeit eines separaten Begriffs zur Bezeichnung der Wissenschaft. Dass er sich nicht durchgesetzt hat, liegt sicherlich nicht nur daran, dass er auf keinen Briefkopf passt, sondern auch, das eine solche Gegenstandsbeschreibung kaum als Wissenschaft- und Lehrstuhlbezeichnung geeignet ist.

Zur Vermeidung dieser Missverständnissen, zur begrifflichen Klarheit und zur Betonung des inzwischen entstandenen disziplinären Anspruchs wird hier deshalb dafür plädiert, in Abgrenzung zum Praxisbereich „Erwachsenenbildung“ zur Bezeichnung der Wissenschaft den Begriff „Andragogik“ zu verwenden.

4. Zur Geschichte des Begriffs „Andragogik“

Der Begriff „Andragogik“ bedurfte erst einer internationalen Karriere, um in Deutschland, seinem historischen Ursprung, erneut diskutiert zu werden.

Die früheste Nennung des Begriffs „Andragogik“ findet sich 1833 bei Alexander Kapp, „erstem Oberlehrer am Archigymnasio in Soest“, in einem Buch über „Platon’s Erziehungslehre“. Dieses Buch erinnert in seinem Aufbau an Comenius’ Pampädia - auch hier wird Lernen als Notwendigkeit im gesamten Lebenslauf thematisiert. Unter der Überschrift „Die Andragogik oder Bildung im männlichen Alter“ und der Unterüberschrift „Notwendigkeit der Weiterbildung im männlichen Alter“ (sollte dies auch die erste Nennung des Begriffs „Weiterbildung“ sein?) führt er aus;

Nicht nur für Jünglinge muß man die wo möglich besten Lehrer aussuchen, sondern auch die Männer haben insgesamt dieselben noch nöthig, da sie in dem Zustande, in welchem sie sich jetzt verhalten, nicht verbleiben dürfen. Sollte sie aber in diesem Streben Jemand auslachen, daß sie, alt schon, noch Lehrer besuchen wollen, so dünkt uns, müssen sie sich mit Homeros schützen, welcher gesagt hat: ‚nicht gut ist Scham dem darbenden Manne’ … Denn immer soll als ausgemacht dastehen, daß die recht Erzogenen gewöhnlich gut werden, und daß die Erziehung keineswegs gering geschätzt werden dürfe, in so fern sie unter den Vorzügen, welche die trefflichsten Menschen besitzen, der erste ist, und von der Art, daß, wenn er einmal sinkt, jeder Mensch sein ganzes Leben hindurch aus allen Kräften dahin streben muß, ihn wo möglich wieder zu heben.“ (Kapp 1833, S. 241).

Auf rund sechzig Seiten wird dann abgehandelt: „Selbsterkenntniß die erste Forderung an den Mann“, „Charakterbildung des Mannes“ und „Bildung des Mannes zum und im Berufe“, und zwar die Bildung des Arztes und Gymnastikers, des Kriegers, des Lehrers und Erziehers, des Staatsredners, des Gesetzgebers und Herrschers und schließlich die Bildung des Mannes zum Familienvater. Aus den Ausführungen wird deutlich, dass Kapp mit „Andragogik“ keine Theorie oder gar Wissenschaft von der Bildung Erwachsener im Auge hat, sondern die praktische Erziehung und Bildung.

Kapp verwendet diesen Begriff ohne Erklärung oder weitere Ausführung im Titel des „dritten Theils“ seines rund 450-seitigen Buches. Es wird aus dieser Quelle nicht klar, ob er es selbst geprägt hat, oder ob dieses gräcophile Kunstwort in Analogie zu dem auch erst wenige Jahrzehnte alten Kunstwort „Pädagogik“ bereits von anderen verwendet wurde. Es ist das Verdienst von Franz Pöggeler (1965), diese frühe Quelle ausfindig gemacht zu haben.

Dann wird der Begriff in der Weimarer Zeit mehrfach verwandt (vgl. Pöggeler 1965, S. 706f), so bei Rosenstock (z. B. 1929, S. 359), der offenbar davon ausgeht, den Begriff geprägt zu haben, und bei Picht, von Erdberg und Flitner - allerdings mit jeweils unterschiedlichen Konnotationen, die noch aufzuarbeiten wären.

Bevor Pöggeler den Begriff „Andragogik“ dann wieder ab 1957 mit seiner „Einführung in die Andragogik“ verwendet, hat bereits die internationale Verwendung begonnen: Hanselmann in der Schweiz 1951, Ogrizovic 1956 in Jugoslawien, ten Have 1959 in Holland, ab 1969 erscheint die jugoslawische Erwachsenenbildungszeitschrift unter dem Titel „Andragogija“.

Eine erste Diskussion über Zustandekommen und Abgrenzung des Begriffs Andragogik erfolgt 1974 durch Pöggeler im ersten Band seines „Handbuchs der Erwachsenenbildung“, das den Untertitel trägt: „Einführung in die Andragogik“ (S. 17f).

Für die internationale englischsprachige Rezeption entscheidend war Malcolm Knowles, der wohl am meisten gelesene und zitierte amerikanische Fachautor. In einer Reihe von Publikationen entwickelt er ab 1968 sein Konzept der „Andragogy“. Er beschreibt rückblickend 1989 seine Begegnung mit dem Begriff:

“…in 1967 I had an experience that made it all come together. A Yugoslavian adult educator, Dusan Savicevic, participated in a summer session I was conducting at Boston University. At the end of it he came up to me with his eyes sparkling and said, “Malcolm, you are preaching and practicing andragogy.” I replied, “Whatagogy?” because I had never heard the term before. He explained that the term had been coined by a teacher in a German grammar school, Alexander Kapp, in 1833 … The term lay fallow until it was once more introduced by a German social scientist, Eugen Rosenstock, in 1921, but it did not receive general recognition. Then in 1957 a German teacher, Franz Poggeler, published a book, Introduction into Andragogy: Basic issues in Adult Education, and this term was then picked up by adult educators in Germany, Austria, the Netherlands, and Yugoslavia …” (Knowles 1989, S. 79).

Knowles veröffentlichte seinen ersten Artikel, in dem er „Andragogy“ verwendete, 1968 in der Zeitschrift „Adult Leadership“ unter dem Titel „Andragogy, Not Pedagogy“. Von dort breitete sich der Begriff und das Konzept nicht nur in Nordamerika aus, sondern in vielen englischsprachigen Ländern und darüber hinaus: So wird 1973 wird an der Concordia University in Montreal ein „Bachelor of Andragogy“-Programm eingerichtet. In Venzuela gibt es das „Instituto Intemacional de Andragogia“, seit 1998 gibt die Adult & Continuing Education Society of Korea die Fachzeitschrift „Andragogy today“ heraus. Es scheint, dass die richtige Person den richtigen Begriff im richtigen Moment vorschlug: das Feld benötigte offenbar ein solches „unifying concept“.

Was machte Malcolm Knowles’ Konzept der „Andragogy“ - „the science and art of helping adults leam“ (Knowles 1980) - so attraktiv, dass „within North America, no view of teaching adults is more widely known, or more enthusiastically embraced, than Knowles’ description of andragogy“ (Pratt 1998, S. 13)? Pratt begründet die Attraktivität mit zwei Argumenten: Knowles’ Konzept „is built upon two central, defining attributes: First, a conception of learners as selfdirected and autonomous; and second, a conception of the role of the teacher as facilitator of learning rather than presenter of content“ (Pratt 1998, S. 12). Beides - die sympathische Sicht des autonomen Lerner und des nicht schulmeisternden „Lern-Erleichterer“ - schmeichelte den in der Erwachsenenbildung Tätigen sicherlich als bestätigend-positive Selbstidentität. Vielleicht hat auch ein drittes, nie genanntes Argument zur Attraktivität dieses Konzepts beigetragen: Knowles versteht Andragogy zunächst als aggressiven Gegenbegriff zu Pedagogy - bezeichnende Überschriften waren „Andragogy, not Pedagogy“ (1968) und „Farewell to Pedagogy“ (1970) - und gab damit die Chance zur Rache an Lehrern - „Pädagogen“ - für erlittene Schulleiden. Dabei spielt die nicht nur im Deutschen ambivalente Semantik des Pädagogik-Begriffs eine Rolle: Das Webster’s New World Dictionary of the American Language umschreibt „pedagog” als „a teacher, especially a pedantic one“ (1982, S. 441) - dieser abwertende Beiklang ist auch im Deutschen nicht fern.

Zudem konstruiert Knowles sein Verständnis von „Andragogik“ mit einem inhaltlich spezifischen Bekenntnis zu Selbststeuerung, Autonomie, Individualismus, nicht-direktivem Vorgehen, Ablehnung von Macht. Die Orientierung an diesen Werten einte offenbar die Gemeinde der in der Erwachsenenbildung Tätigen in vielen Ländern. In dieser Identitätsbildung liegt sicherlich das besondere Verdienst von Knowles. Jedoch wird „Andragogik“ damit auf eine bestimmte historische, gesellschaftliche und ethische Situation festgeschrieben (zu dieser Kritik s. Reischmann 1998, 1999, Savicevic 1999). Van Gent (1996) etikettiert den Knowles’schen Andragogikbegriff deshalb als „specific approach“, „prescriptive and humanistic“ (S. 116). In der Klassifikation von Weniger (1929) würde man dies als Theorie zweiten Grades einordnen, als Theorie einer Bewegung.

Einen anderen Verwendungsstrang von „Andragogik“ ergab sich insbesondere im osteuropäischen Kontext; der bei Knowles erwähnte Dusan Savicevic (der 1991, 1999 erhebliche Kritik gegen Knowles’ Andragogik-Verständnis vorbringt „Malcom never understood the European concept of andragogy“ - mündliche Mitteilung) spielte dabei eine besondere Rolle. Wie erwähnt erhielt die jugoslawische Zeitschrift für Erwachsenenbildung bereits 1969 den Titel „Andragogija“ und es gibt die jugoslawische Gesellschaft für Andragogik, in Slovenien gibt es das „Andragoski Center Republike Slovenije“, an der Universität Prag gibt es die „Katedra Andragogiky“, die Internet-Adresse der estländischen Erwachsenenbildungsgesellschaft ist „andra.ee“. In dieser Tradition verwenden insbesondere Forschungs-, wissenschaftliche und professionelle Organisationen die Bezeichnung Andragogik.

Auch in der niederländischen Diskussion gibt es eine Auseinandersetzung um Andragogik (s. Pöggeler 1974, S. 18f, van Gent 1996, S. 115); diese blieb aber weitgehend auf die Niederlande begrenzt.

Insgesamt lässt sich der Trend feststellen, Andragogik als auch international kommunizierbaren Fachbegriff zu verwenden. Der Bedeutungsgehalt ist dabei nicht konsistent: Es kann damit ein bestimmtes Konzept beschrieben werden (wie bei Knowles) oder aber einfach der Begriff Erwachsenenbildung (zumeist stark praxisorientiert) wohlklingend ersetzt werden.

Es liegt an der Profession, eine definitorische Klärung herbeizuführen. Hier wird dafür plädiert, den Begriff „Andragogik“ zur Bezeichnung der Wissenschaft zu verwenden und auf diesen Bedeutungsgehalt einzugrenzen.

5. Gegenargumente

Zwei Haupteinwände werden gegen die Verwendung des Begriffs „Andragogik“ vorgebracht:

1. Es gibt eine Scheu in der pädagogischen Zunft, ungewöhnliche Fachtermini zu verwenden. Jedoch: Für eine Wissenschaft sind trennscharfe Fachtermini einer unscharfen Umgangssprache vorzuziehen.

Viel ernster ist ein dritter Problemkreis, den dieses Plädoyer für einen separaten Begriff und einen separaten Wissenschaftsbereich „Andragogik“, möglicherweise schmerzhaft berührt:

Die Biografien der „Väter“ der Erwachsenenbildung seit Beginn des 20. Jahrhunderts zeigen, dass sie fast ausschließlich über zunächst intensives Praxisengagement zur Wissenschaft gelangten; in ihrem Leben gehörte „Erwachsenenbildung“ als Praxisgestaltung und darauf aufbauende Theoriereflexion zusammen. Die „Jungen“ dagegen haben diese biografische Zurechnung zu bestimmten Praxisbereichen oder Institutionen viel weniger, denn zunehmend führt in dem beschriebenen Ausdifferenzierungsprozess der Weg in die Wissenschaft direkt über die wissenschaftliche Qualifizierung. Wird ein ausschließenden Wissenschaftsbereich reklamiert, zu dem nur noch die Wissenschaftler, aber nicht mehr die engagierten Praktiker gehören, dann mag für manchen diese aus der Ausdifferenzierung eines einheitlichen Feldes entstehende Abgrenzung wie eine persönliche Ablehnung und eine Abwertung bisherigen Engagements aussehen. Die Schwierigkeiten bei der Umwandlung der Pädagogischen Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung des Deutschen Volkshochschulverbandes (PAS) in das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) können als Beispiel für diesen schmerzhaften Prozess dienen. Viel Herzblut, viel Engagement haben Generationen von „Erwachsenenbildnem“ in Praxis- und Theoriearbeit gesteckt, wichtige Literatur wäre nicht geschrieben worden ohne die engagierte Einmischung und Gestaltung von Volkshochschulen, kirchlichen Bildungswerken, Gewerkschaftsgruppen. Erwachsenenbildung war und ist ein stolzer Begriff, ist und war Bekenntnis und Auftrag - „mission“ heißt das im Amerikanischen.

Und gerade dennoch: Bekenntnis, Auftrag und „Mission“ haben auch Gräben gezogen, blind gemacht, das Verstehen behindert, Parteibildung provoziert: Volkshochschule gegen betriebliche Weiterbildung oder kirchliche Bildungswerke, aufklärend gegen nützlich, befreiend gegen Broterwerb, offen gegen geschlossen, veranstaltet gegen selbstgesteuert, soziale Bewegung gegen „Ausbeutung“. Bekenntnisse zur politischen Bewusstseinsbildung (zur „richtigen“ natürlich), zur Emanzipation (wovon auch immer), zur eigenen Institution als einzig rechtgläubiger Bildungseinrichtung bedürfen dringend eines Korrektivs. Wissenschaft ist natürlich nur ein Modus der Auslegung von Wirklichkeit - weder der einzige noch der immer beste. Dennoch:

Die Trennung zwischen den engagierten Bildungslehren bestimmter Gruppen und Institutionen (Weniger 1929 „Theorien 2. Grades“) und einer Wissenschaft jenseits der (durchaus oft sympathischen) Scheuklappen engagierter Personen, Gruppen und Institutionen („Theorien 3. Grades“) öffnet die Chance, jede Option auf ihren angemessenen Ort zu befragen, hilft bei der Klärung des jeweils Gemeinten und macht die Stärken und Schwächen des jeweiligen Zugangs deutlich. Deshalb: Die Ausdifferenzierung eines eigenen Wissenschaftsbereiches ist kein Verrat an hohen Idealen, sondern hilft beim rationalen Auseinandersortieren des jeweils Angemessenen.

6. „Andragogik“ öffnet den Blick auf „mehr“

Wesentliche Vorteile von „Andragogik“ liegen darin, dass dieser Begriff einerseits „über“ den Parteien angesiedelt werden kann, dass er andererseits nicht auf traditionelle Praxisfelder festgeschrieben ist und blind bleibt für „andere“ Lernformen. Würde man beispielsweise folgendes spontan unter „Erwachsenenbildung“ einordnen:

- Ein Architekt fährt am Wochenende nach Dresden und fotografiert dort alte und neue Architektur - “Man möchte doch wissen, was sich dort an Architektur entwickelt!“

- Auf dem Betriebsausflug diskutiert ein Grüppchen über „geheime Regeln“ in ihrem Betrieb.

- Eine Selbsthilfegruppe von Diabetikern erprobt miteinander Kochrezepte.

- Ein Mitarbeiter macht einen Fehler, sucht nach den Ursachen, versucht ihn auszubügeln, erfährt dabei, dass sein Vorgesetzter ihm (nicht) zur Seite steht

- und „hat etwas gelernt, was nie wieder passieren wird!“

- Jemand kauft und liest regelmäßig eine (Hobby-, Fach-) Zeitschrift: Computer, Fischen, Modelleisenbahn, Börsenblatt.

- Eine Firma richtet eine Kaffee-Ecke ein, an der man auch den Chef gelegentlich trifft und aktuelle Fragen besprechen kann.

- Zur Lösung eines Problems (z. B. Interaktionskonflikte oder Sachprobleme) holt man einen externen Berater, der neue (und verschüttete alte) Blicke und Handlungsmöglichkeiten eröffnet.

In jedem dieser Beispiele verändern sich Menschen (manchmal auch Institutionen oder Unternehmen), lernen dazu: manchmal mit Absicht, manchmal „en passant“. Manchmal als Gruppe, manchmal als Einzelner. Manchmal in organisierter Form, manchmal so, wie es sich eben ergibt. Manchmal mit einer Art von „Lehrer“, manchmal selbstgesteuert und von sich aus. Und sehr oft in einer „Komposition“ (Reischmann 2002, siehe 2.3, S. 63 in diesem Band) aus mehreren dieser Elemente. Die Begriffe „education permanente“, „lifelong learning“ oder „lebenslanges Lernen“ beschreiben dieses Lernen nicht hinreichend, deshalb erschien es sinnvoll, für solche ganzheitliche, (all)täglich stattfindende, in vielfältigen Formen in der Breite des Lebens ablaufende Lernprozesse die Bezeichnung „lebensbreite Bildung“ zu wählen (Reischmann 1995, siehe 2.2, S. 53 in diesem Band). Diese umfassende Sicht auf die Bildung Erwachsener bleibt mit „Erwachsenenbildung“ oder „Weiterbildung“ zumeist außerhalb des Blicks. Die Begriffe Erwachsenenbildung oder Weiterbildung sind für die Beschreibung dieser lebensbreiten Lernprozesse zu eng; sie erschließen nur ein Ausschnitt aus den vielfältigen Prozessen, Situationen und Formen, in denen Menschen sich lernend verändern.

Verwendet man zur Bezeichnung der Wissenschaft von der lebenslangen und lebensbreiten Bildung Erwachsener den Begriff „Andragogik“, dann öffnet dies den Blick auf „mehr“. Um dieses Hinausgehen über organisiertes und institutionalisiertes Lernen zu signalisieren, wird hier bewusst nicht die Formulierung „Erwachsenenbildung“ (intentional, organisiert) verwendet, sondern „Bildung Erwachsener“ - denn dies umfasst mehr. In diesem Sinne wird hier dafür plädiert: Der Gegenstandsbereich von Andragogik ist das Verstehen und Gestalten der lebenslangen und lebensbreiten Bildung Erwachsener.

7. Die Beziehung zwischen Andragogik und Pädagogik

Dass es eine Wissenschaft von der Bildung Erwachsener gibt, ist inzwischen national und partiell auch international konsensfähig. Allerdings gibt es bisher keinen Konsens über das eigene wissenschaftliche Selbstverständnis, über ein gemeinsame Paradigma als „Gesamtkonstellation von Überzeugungen, Werten, Verfahrensweisen, die von Mitgliedern einer bestimmten Gemeinschaft geteilt werden“ (Thomas S. Kuhn). Hier wird die Position vertreten, dass zentrale Bezugswissenschaft für das Praxisfeld Erwachsenenbildung/Weiterbildung die Pädagogik ist, und dass Andragogik eine Subdisziplin der Pädagogik ist.

Diese Position steht in der Fachdiskussion durchaus im Dissens. Drei Positionen seien angeführt:

1. Ablehnung von „Pädagogik“

Zunächst gibt es eine verbreitete Abneigung gegen eine Anbindung der Andragogik an die Pädagogik. Sehr deutlich wurde dies bereits bei Knowles. Ähnlich kritisierte Dräger 1986, an die Entschulungsdebatte erinnernd, die Orientierung an der Pädagogik: „Die Pädagogik paßt das Lernen in Schule und Erwachsenenbildung an die Pädagogik an. Zur Wahrnehmung anderer Lernmöglichkeiten und Lernformen ist die entwickelte Pädagogik mit ihrem Ordnungsbild ‚Schule’ (Unterricht) das falsche Konzept.“ (Dräger 1986, S. 37). Er geht davon aus, dass „die Schule … das Ordnungs-, das Deutungsmuster der Pädagogik (ist)“ (S. 33).

Ob man Andragogik pädagogikfern oder pädagogiknah verortet, hängt damit davon ab, wie man Pädagogik sieht. Versteht man, wie Peter Jarvis, führender Erwachsenenbildungswissenschaftler aus England, „Pedagogy“ als „the discipline in which attention is focussed on the schoolmaster’s behavior while teaching“ (Jarvis 1987, S. 311), dann wird die Wissenschaft „Pädagogik“ auf Beschulung - möglicherweise sogar auf „pedantic“ Praxis (Webster 1982, S. 441) - verkürzt. So (miss-)verstanden ist Pädagogikfeme der Andragogik in der Tat angezeigt.

Die Frage ist aber, ob damit die Wissenschaft Pädagogik zutreffend beschrieben ist. In der Geschichte der Pädagogik begegnet man vielfältig anderen Positionen: Wer über die Didaktik des Comenius hinausliest, der findet bei ihm nicht nur in der „Pampaedia“ ein lebensumfassendes Bildungskonzept für die gesamte Lebensspanne. Rousseau schrieb seinen Emil nicht, um Kinder zu erziehen, sondern um seine Gesellschaft - Erwachsene - zu ändern. Dem frühen Pestalozzi ging es auf seiner „Landkommune“ Neuhof und in seinem Volksroman „Lienhardt und Gertrud“ um die „Erziehung des Volkes“, sein Stanser Brief berichtet viel mehr von Sozialarbeit als von Schule. Es wäre durchaus lohnend, einmal die „klassischen Pädagogen“ daraufhin zu befragen, wo sie weitaus breitere Bildungskonzepte entwickelten, als uns eine in der Tat an Kindern und Schule orientierte Geschichtsschreibung glauben macht. Auch ein zweiter Zugang kann die angeblich verschulte Enge der Pädagogik in Frage stellen: Kategorisiert man heute die Beiträge der Zeitschrift für Pädagogik, dann stellt man mit Erstaunen fest, dass das angebliche Monopol von Schule und Kindererziehung in der Pädagogik zu einem Teil ein Wahrnehmungsproblem ist: die Beiträge umfassen weit mehr Bildungsbereiche und -aufgaben. Dennoch kann man immer wieder feststellen, was Ernst Krieck bereits 1922 kritisch formulierte: „Die Pädagogik erfüllte, ja, sie ahnte das Ausmaß ihrer Aufgaben und Möglichkeiten auch nicht von ferne“ (zitiert in Dräger 1986, S. 35). Dies aber wäre nicht als Ablehnung der Pädagogik, sondern als Herausforderung an die Pädagogik zu sehen: alte und neue pädagogische Traditionen herauszuarbeiten, die Bildung im umfassenden Lebenszusammenhang ausfalten und sich keineswegs auf Beschulung verkürzen.

Eine grundlegende Pädagogikfeme für die Andragogik lässt sich also nur rechtfertigen, wenn Pädagogik einseitig verstanden wird als Beschulungswissenschaft und -praxis. Diese aber ist nach der hier vertretenen Position ein falsches Verständnis der Wissenschaft „Pädagogik“: Trotz mancher Einseitigkeiten versteht sich Pädagogik in der Geschichte, im aktuellen Diskurs wie auch in den Selbstverständnisdiskussionen als allgemeine Bildungswissenschaft. „Pedantische Schulmeister“, machtausübende Beschulung und erziehendes Abrichten sind Beispiele gerade für das Fehlen von Pädagogik, wie sich in vielen Begründungen von pädagogischen Klassikern nachlesen lässt.

2. Andragogik als eigene Wissenschaft

Knowles hat die amerikanische Diskussion entscheidend geprägt durch die Forderung nach einer eigenständigen Wissenschaft „Andragogik“. Denn er sieht (1978) grundlegende Unterschiede zwischen Pädagogik und Andragogik in den Annahmen über den Lerner, das Lernen und den daraus folgenden Design-Elementen. Diese Unterschiede treffen sicher zu. Jedoch hat die Pädagogik immer schon Sondersituationen bestimmter Altersgruppen oder Personengruppen berücksichtigt, also „Unterpädagogiken“ mit eigenen Gesetzmäßigkeiten unter gemeinsamem Dach zugelassen - dafür braucht man keine eigene Wissenschaft.

3. „interdisziplinäre Querschnittswissenschaft“

Die „Wissenschaft der Erwachsenenbildung“ wird oft als eine „interdisziplinäre Querschnittswissenschaft“ dargestellt (z.B. Siebert 1989, S. 12, Friedenthal-Haase in Kade 1990). Scharf formuliert es Jarvis: „It must be recognized that the knowledge that is utilised in the education of adults is, fundamentally, knowledge from other disciplines which is applied to the education of adults … Hence, it (adult education) is an integration of branches of disciplines, rather than a discipline in its own right“ (Jarvis 1987, S. 311).

Diese Berufung auf Interdisziplinarität bietet eine Reihe von Vorteilen: Zunächst hört sich Interdisziplinarität immer gut an, ist ein modern-beliebtes Prinzip. Sodann umgeht man mit dieser weichen Inklusionsformulierung mühsame wissenschaftstheoretische Klärungsdiskussionen: etwa ob ein Bereich, zusammengestoppelt als „amorphous body of knowledge“ einer „variety of combinations of sub-disciplines“ (Jarvis 1987, S. 312), überhaupt einen eigenen Wissenschaftscharakter besitzen kann oder bestenfalls ein „Fach“ (also eine „Schublade“, in die man Pragmatisch-Brauchbares ohne eigenen diszipliären Anspruch einsammelt) sein kann, oder wie aus interdisziplinären Versatzstücken diverser Wissenschaften (nach welchen Kriterien?) eine eigene interdisziplinäre Disziplin entstehen soll. Und schließlich stößt man damit auch keine Kollegen vor den Kopf, denn es ist - auch weltweit - typisch, dass bisher die meisten Wissenschaftler zunächst von einer anderen Wissenschaftsrichtung kommen. Das war in der Weimarer Zeit so: „In den 20er Jahren störte es die Pädagogen nicht, daß Soziologen wie Ernst Michel und Leopold von Wiese, Philosophen wie Max Scheler und Paul Honigsheim, Juristen wie Eugen Rosenstock-Huessy und Robert von Erdberg die wichtigsten Theorien zur Erwachsenenbildung schrieben. Flitner war als Pädagoge damals eine Ausnahme“ (Pöggeler 1999, S. 21). Zwar verschob sich das Gewicht in der Nachkriegszeit zunehmend in Richtung Pädagogik, aber auch heute noch kommt eine erheblicher Teil der Wissenschaftler dieses Faches ursprünglich von einer anderen Wissenschaft her. „Interdisziplinarität“ vermeidet schmerzhafte Abgrenzungen und tut niemandem wehe.

Aber tut sie der Sache wohl?

Sicherlich ist es richtig, dass ein Phänomen nicht nur von einer einzelnen Disziplin interpretierbar ist: An einem Stück Käse kann der Physiker den freien Fall demonstrieren, der Chemiker das Verhalten von Milchsäure, der Jurist die Feinheiten des europäischen Lebensmittelrechts - und außerhalb von wissenschaftlicher Disziplin gibt es auch noch sinnvollen Umgang mit diesem Gegenstand. Sicherlich lässt sich kein Praxisfeld durch einen einzigen wissenschaftlichen Zugang erschöpfen, und sicherlich lässt sich der Gegenstandsbereich „Erwachsenenbildung/Weiterbildung“ von vielen Wissenschaften her bearbeiten. Dass ein Phänomen von unterschiedlichen Disziplinen untersucht wird, bedeutet aber nicht, wie Jarvis folgert, „there must be some overlap between the disciplines“ (S. 304): Nicht die Disziplinen überlappen sich (wie sollte man sich das vorstellen?), sondern Disziplinen tragen ihre jeweils spezielle und disziplin-konstitutive Fragestellung an das gleiche Phänomen heran. Physik bleibt dabei Physik, Chemie bleibt Chemie und wird nicht plötzlich zu Theologie oder Medizin. Mit der Entscheidung, mit welcher disziplinärer Fragestellung man an ein Phänomen herangeht, ist aber auch eine Entscheidung über die Antwort gefällt: Wer historisch fragt, erhält historische Antworten - und muss dann sehen, ob damit ein angemessenerer Umgang mit dem Phänomen möglich ist. Mader (1977) hat in diesem Sinne in einem höchst lesenswerten Aufsatz gezeigt, dass sozialwissenschaftliche Wissensbestände eben nicht ausreichen, didaktische Phänomene zu bearbeiten, sondern dass dazu ein genuin didaktisches Paradigma nötig ist.

Zum Wissen über den erwachsenen Lerner haben in der Tat viele Wissenschaften beigesteuert: Psychologie und Soziologie, Theologie und Philosophie, Jura und Betriebswirtschaft, Medizin und Geschichte. Für das Praxisfeld und das Nachdenken über Erwachsenenbildung sind solche Beiträge aus verschiedenen Disziplinen notwendig und hilfreich. Dies ist überhaupt keine Frage. Nur: Wird ein Philosoph, der über die ideale Kommunikation nachdenkt, damit ein Erwachsenenbildungswissenschaftler? Wird ein Volkswirt, der mit den Mitteln seiner Wissenschaft die Kosten betrieblicher Weiterbildung errechnet, damit zum Erwachsenenbildungswissenschaftler? Und fühlte sich ein Historiker oder Psychologe, der mit Methoden und Fragestellungen seines Faches ein Phänomen der Bildung Erwachsener untersucht, fachlich verstanden, wenn man ihm erklärt, er sei jetzt nicht mehr Historiker oder Psychologe, sondern „Erwachsenenbildungswissenschaftler“?

Eine Disziplin konstituiert sich durch ihren spezifischen, fokussierenden und damit auch selektierenden Zugriff auf Realität. Aus dieser „disziplinierten Einseitigkeit“ gewinnt sie ihre Stärke und Schärfe - und natürlich auch Begrenztheit. Für die Konstitution einer Disziplin ist entscheidend, ob eine eigene, konsistente Fragestellung an ein Phänomen herangetragen und damit ein eigenes Paradigma entwickelt wird. Von diesem wissenschaftstheoretischen Verständnis her ist es schwer, sich eine wissenschaftliche Disziplin vorzustellen, die sich als Querschnitt verschiedener Disziplinen konstituiert.

4. Andragogik als Subdisziplin der Pädagogik

Damit stellt sich als zentrale Frage: Hat „Andragogik“ einen eigenen, konsistenten, spezifischen, sie von anderen Wissenschaften unterscheidenden Zugang zum Feld der Bildung Erwachsener? Gibt es ein „unifying concept“, ein gemeinsame Paradigma im Sinne von Kuhn als „Gesamtkonstellation von Überzeugungen, Werten, Verfahrensweisen, die von Mitgliedern einer bestimmten Gemeinschaft geteilt werden“?

Die Beantwortung dieser Frage und die Begründungen müssten sicherlich viele Seiten und viele Zitate umfassen. Dies ist hier nicht möglich. Deshalb wird hier lediglich eine kurze Positionsbeschreibung angeboten mit der Funktion, den Leser zur eigenen Positionierung einzuladen:

Den spezifischen Zugang der Andragogik formuliert Faber so: „Andragogik fragt in wissenschaftlicher Hinsicht nach der ‚Education’ Erwachsener, die sich selbst durch Lernen und über Bildungsangebote unterschiedlichster Art zu ‚formieren’ und über ‚Selbsterziehung’ zu ändern suchen“ (Faber 1988, S. 79). In diesem Sinne haben wir oben bereits formuliert: Der Gegenstandsbereich von Andragogik ist die ganze, lebenslange und lebensbreite Bildung Erwachsener. Damit fragt Andragogik:

Was sind wert- und sinnvolle Bildungsprozesse, was bedeuten sie für die Bildung des Erwachsenen und die Bildung der Welt, in der er lebt, und wie sind solche Bildungsprozesse zu fördern?

Mit diesen Fragen nach dem Warum und Wofür, dem Was und dem Wie von Bildung ist nach unserem Verständnis das eigenständige Paradigma der Andragogik als Wissenschaft formuliert. Diese Paradigma ist erkenntnisleitend, vorrangig und dient als „Filter“, unter dem das Wissen aus anderen Wissenschaften als hilfreich oder nutzlos klassifiziert wird.

In dieser Formulierung wird bewusst der Begriff „Bildung“ verwendet. Er signalisiert deutlicher als der Begriff „Lernen“ (obwohl Pädagogen diesen Begriff in der Regel synonym gebrauchen und damit Missverstehen insbesondere mit Psychologen programmiert ist), dass es nicht nur um Veränderung geht, sondern vor allem um Verbesserung, und dies nicht eindimensional-linear, sondern komplex-ganzheitlich-transformativ. Worin Verbesserung besteht und wohin diese führen soll, sind normative, besser: teleologische Fragen, für deren Beantwortung dieses Fach Heuristiken zur Verfügung zu stellen hat. Eine Auseinandersetzung mit dem Bildungsbegriff, über drei Jahrzehnte sträflich vernachlässig, wäre dringend angezeigt.