Anthony Noll und das Große Abenteuer BUCH 2 (Final Cut) - Francis Linz - E-Book

Anthony Noll und das Große Abenteuer BUCH 2 (Final Cut) E-Book

Francis Linz

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Beschreibung

Dies ist die Fortsetzung des sechsten und letzten Abenteuers von Anthony, dem Jungen, der zwei Leben führen darf. Eines hier auf Erden und eines irgendwo da draußen in den Weiten des Weltraums, wo er ein zaubernder Roboter ist. Eine Serie, die einen in ein völlig neues Universum entführt. Fantastisch und in Farben gemalt, die noch nie ein Auge zuvor gesehen. Das ist versprochen! Buch 2: "wenn große Roboter kämpfen" Weiter geht die wilde Flucht. Nein, Ralpanin und seine schwarzen Schatten geben niemals auf. Unaufhaltsam kommen sie Anthony und seinen Gefährten näher. Auch weil sich Ramshins Gesundheitszustand nach den grauenhaften Operationen, die an ihr vorgenommen wurden, um sie zu einer Grauen Wache zu machen, trotz Aufbringung aller Kräfte, immer weiter verschlechtert. Bis sie endlich doch noch alle in diesem fernen, von böser Magie verseuchten Kanozplian landen. Ist es doch Glomps letzter Wille, von dort Kontakt zum Spiegeluniversum aufzunehmen, um in diesem einen magischen Gegenstand zu deponieren, der für den entscheidenden Kampf gegen den König, der wurd im böser und böser, von immenser Bedeutung ist. Aber auch ein Kraut zu finden, das nur bei Berührung alles zu Staub zerfallen lässt. Und das ist noch nicht alles an Problemen für Anthony, ist da ja auch noch die Sache mit Mathilda. Wird sein Herz, das so viel ja Jahre nur die Schatten gewohnt, doch noch das Licht sehen? Ein modernes Märchen für all die, die im Geiste jung. Aber natürlich auch für all die, die an die große Kraft der Freundschaft glauben, und daran, dass eine Seele immer schön ist, egal in welcher Brust sie liebt und lebt. „Die beste Fantasy-Serie über KI, die KI nie wird schreiben können!“ Ibalon Daily Observer

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Widmung

BUCH II

Ein Stab und ein Brief

Rätsel über Rätsel

Ankunft in Kanozplian

Komplizierte Reiseplanungen

Einige kluge Rückschlüsse

Das Schloss

Der Spiegel

Das Balapunienkraut

Abschied vom Baum

Die Entführung einer alten Dame

Die Raben geben Auskunft

Ein tragischer Tod

Ein prächtiger Kapitän

Ein seltsames, kleines, blaues Licht,

Doktor Wustlonoms Zwilling, ein unvorsichtiger Außerirdischer und eine wilde Flucht

Broms, Sims und Agada

Die Rückreise

Ein explosiver Laborbericht

Alle Anthony Noll Romane:

 

 

FRANCIS LINZ

 

Anthony Noll

und das Große Abenteuer

 

 

BUCH II (wenn große Roboter kämpfen)

 

 

 

 

 

IMPRESSUM:

 

Autor:

Francis M. Linz

Gravelottestr. 4

81667 München

Germany

 

 

© Francis Linz 2020

E-BOOK / Version Epub2

ISBN 978-3-911350-64-8

Wörter: 102.000

Geschrieben: Sommer 2018 - Herbst 2020

Auflage: Final Cut / Frühjahr 2024

 

Umschlaggestaltung/Illustrationen: © Franus Graueis 2020

 

 

Von diesem Werk gibt es auch ein Hardcover

und ein Paperback.

 

Weiteres siehe: www.Francislinz.com

od. www.Anthony-Noll.de

 

 

…………………………………………………………………

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Widmung

 

Für all die Bücher, die mich das Schreiben gelehrt haben.

Vor allem aber Demut. Namentlich herauszuheben,

neben all den tausend, die mein Hirn fütterten:

 

„Garp“ von John Irving

Some „Harry Potter“ novels by J.K.Rowling

„Der Zauberberg“ von Thomas Mann

All Philip Marlow novels by Raymond Chandler

Some from Arthur Upfield

The Hitchhiker through the Galaxie Trilogy by Douglas Adams

„Don’t bite the sun“ by Tanith Lee

„Die Blechtrommel“ von Günther Grass

„Gone with the wind“ by Magaret Mitchell

„Too many women“ by Rex Stout (just for example)

I love Nero Wolfe, better, I love Archie

„Dune“ by Frank Herbert, first volume

„Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry

„Leben zwischen den Zeilen“ von Corinna Soria

„Die Flusswelt der Zeit“ von Philip Jose Farmer, erster Band

„Die Blendung“ von Elias Canetti

„Mein Vater, der Präsident“ und

„Lasst mich trinken das Licht der Sterne“ von Franus Graueis

„Being Earnest“ and „The Canterville Ghost“ by Oscar Wilde

A couple of novels by J.London, Dickens, Dostojewski, Tolstoi, Steinbeck, M.Twain, R.L.Stevenson, Gogol.

Und not to forget, one or two by Terry Pratchett.

 

(Dank an alle,

die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben.)

 

************

 

 

BUCH II

(wenn große Roboter kämpfen)

 

 

Ein Stab und ein Brief

 

Anthony setzte sich auf einen Baumstumpf. Er lachte noch immer über die Geschichte, die Raptonom Waltonom zum Besten gegeben hatte. Wenn auch nur stumm.

Sie beide hatten bis eben noch über die kleinen Nardollaner mit ihren drolligen Knopfaugen geredet, von denen keiner größer gewesen als er. Was heute natürlich etwas anders wäre. Lag ja einiges an Tagen dazwischen, sodass sie ihm wohl alle bestimmt nicht einmal mehr bis zum Bauchnabel reichen sollten. Wobei er hoffte, schon bald einen von ihnen zu treffen. Auf der anderen Seite des Flusses. Aber nicht um das zu überprüfen. Konnten ihnen die doch bei der ihnen angeborenen Freundlichkeit eine große Hilfe sein, beim Finden eines schnellen und zugleich auch relativ sicheren Wegs nach Kanozplian. Und waren im Verlauf der Worte geradezu zwangsläufig bei dem Thema Internat gelandet. Da ja der Stamm, den er damals traf, als Doktor Wustlonom all den Zweitsemestern aus seinen Leistungskursen den Auftrag erteilt hatte, einen Schatz für ihn zu suchen, und wenn gefunden, sofort bei ihm abzuliefern, einer war, der nomadisch lebte. Der seine Kinder, wenn sie in das Alter für die Schule kamen, eben in ein solches Internat steckte.

Was bei seinem einstigen Vater ja ähnlich gewesen sei. Die Erziehung auf Ardomson sei nämlich eine ganz andere als die auf der Erde. Gleich nach der Geburt komme man dort in eine Art Waldkindergarten, den man auch Schule nennen darf, und sehe somit seine Eltern nur noch ein oder zweimal im Jahr. Was er persönlich aber nie als schlimm empfunden hätte. Im Gegenteil, das mache aufgeschlossen für Neues und fördere vor allem die Selbstständigkeit. Beide Dinge seien aber nun einmal unabdingbar für ein Überleben, wo auch immer im Universum. Zudem liebe er Luftveränderung. Schon immer. Mehr noch als alle anderen aus seinem Volk. Sodass er, kaum dass er auf seinen zwei eigenen Beinen hatte stehen können, sogar einfach in irgendwelche, völlig willkürlich ausgewählte Züge eingestiegen war und sich einfach so in die Fremde hatte kutschieren lassen. So lange, bis ihn ein Schaffner fand und ihn mit einem Zettel um den Hals wieder nach Hause schickte. Beziehungsweise in den Waldkindergarten, der seine momentane Heimat war.

Wobei Anthony jetzt aber gar nicht wusste, worüber er am meisten lachte, über seinen falschen Vater, ganz klein, mit einem Zettel um den Hals, auf dem die Heimatadresse stand, mit einem Blick aus dem Zugfenster, in dem nur Fernweh stand, oder über die völlige Unaufgeregtheit, mit der dieser die Geschichte im Heute und Jetzt erzählte. Denn er selbst konnte sich nur zu gut daran erinnern, dass es ein einziges Abenteuer für ihn war, als er einmal, mit dem Zug ganz allein, also auch ohne seinen falschen Vater oder seine nicht minder falsche Mutter namens Tzomnilün Grömlümün, die ja in Wirklichkeit von einem Planeten namens Frokkmanil stammte, in ein Ferienlager fuhr. Denn das war ein Abenteuer, das gut und gerne ein Dutzend Fotoalben in seinem Kopf füllte. In dem, zugegeben, ja sonst nicht viele andere standen. Zumindest nicht, was seine Kindheit vor dem sechsten Lebensjahr anbetraf. Und dabei war er ja nicht einmal allein gewesen, sondern war ständig von einem Schwarm anderer Kinder umgeben, zudem von einem Dutzend Aufsehern und Lehrern, denn er hatte die Reise ja bei der Schultombola gewonnen. Sie war der Hauptgewinn. So wie übrigens bei so vielen anderen Schulen im Land auch. Immer so um die Weihnachtszeit herum. Und seine Klassenlehrerin hatte darauf bestanden, dass er die Reise auch antrat. Ganz egal, wie sehr sich seine falsche Mutter dagegen wehrte. Was die auch tat. Keine Frage. Und wie!

Während er nun ein wenig mit dem Hintern hin und her rutschte, um die gemütlichste Stelle auf seinem Baumstumpf zu finden, da verflog dieses innere Lachen aber auch schon wieder und der junge Zauberer dachte ein wenig wehmütig daran, dass es wohl kaum Graldabu und Hardalmane sein werden, die er auf der anderen Seite dann womöglich irgendwann traf. Somit natürlich auch nicht all die vielen anderen kleinen Gesellen aus ihrem Stamm, deren Namen er zwar fast alle vergessen hatte, die er aber dennoch für immer in seinem Herzen trug. Denn was war das für ein Lachen und für ein Spaß gewesen bei dem Abschiedsfest, das sie feierten und für das Broms sogar den Arm einer Naxe opferte. Und das will was heißen, wenn man denn weiß, was für einen Stellenwert Essen bei einem Kämpfer hat. Es ist der Priester seiner Religion.

Nur Malon Nummer Acht hatte dabei weniger Freude, der ja leider bei diesem Abenteuer auch mit dabei war. Für ihn waren die Nardollaner ja nur Wesen, die nicht höher einzuschätzen waren als Hunde oder Katzen, und die man somit im Notfall auch gerne töten durfte. Doktor Wustlonom hatte es nämlich ausdrücklich so erlaubt, als er sie losschickte. Gleichwohl sie so drollig und niedlich wirkten. Auch wegen ihrer Nasen, die an Golfbälle erinnerten. Aber mit dem Lachen tat sich Malon ja schon immer schwer. Vielleicht wegen all der magischen Kristalle in seinem Blut. Wie es ihm jetzt wohl erging?

Kurz schweiften Anthonys Gedanken in diese Richtung ab, denn das Abschweifen, das war ja schon immer ihre wahre Stärke, noch nie das logische Denken, kehrten aber erstaunlich rasch wieder zurück. Nein, es war kaum vorstellbar, dass er auch nur einen aus diesem Stamm wiedersehen sollte. Das wäre ein viel zu großer Zufall angesichts der unglaublichen Größe des Gebiets, das hinter dem Fluss lag. Das ja in seinen Ausmaßen erst so richtig ersichtlich wurde mit der Karte, die Glomp Raptonom Waltonom geschickt hatte. Auf der allerdings kaum Wege eingezeichnet waren. Nur drei lumpige Pfade, die sich nicht einmal kreuzten.

Obwohl es natürlich viele andere gab. Ganz zweifelsfrei, denn zwei aus dem Stamm der Nardollaner hatten sie ja damals auf ebendiesen bis an den Fuß der hohen Berge gelotst, die Kanozplian von ihrer Welt trennten. Aber die Kartografen, die für diese Karte Verantwortung trugen, hatten diesem Gebiet wohl keine besondere Bedeutung beigemessen.

Dann aber, wobei Anthony noch einmal kurz daran dachte, dass es ja eigentlich nicht sie waren, Broms, Agada, Malon Nummer Acht und er, die den Stamm der Nardollaner damals fanden, sondern eher umgekehrt, nämlich die sie, als sie selig in der Kiste schliefen, was eine ziemlich aufregende Angelegenheit war, versuchte er sich zu konzentrieren. Oder, was den Schlüssel das Loch viel eher finden lässt, wie jetzt wohl ein Kämpfer dazu gesagt hätte, er übte sich im völligen Gegenteil. Im Loslassen. Im Sein des Moments. Im absoluten Sein des Moments.

Was, bevor man es schafft, so paradox es klingen mag, aber eben doch ein gesundes Maß an Konzentration verlangt. Denn ohne Loslassen keine Intuition. Die kommt nämlich nie, wenn man sich mit etwas beschäftigt. Egal, mit was. Und ob es nur mit solch banalen Gedanken ist, was wohl besser beim Frühstück aufs Brot passt, Honig oder Marmelade.

Was jetzt allerdings kein wild an den Haaren herbeigezogenes Beispiel ist, denn beide Dinge spukten tatsächlich plötzlich in Anthonys Kopf herum, umkreisten sich wie ein Perpetuum mobile, denn beides hatten sie ja in mehr als nur ausreichendem Maße in dem kleinen Dorf gekauft, das sie vor gut vier Stunden passiert hatten. Jeweils einen ganzen Karton voll. Was heißt, da das Thema der Ernährung damit ja noch lange nicht abgehandelt war, denn da gab es ja auch noch das Brot, die Nudeln und was sie dort sonst noch so alles in Raptonom Waltonoms großem Rucksack gepackt hatten, dass, selbst wenn sie ab jetzt keinen Laden auf ihrem Weg nach Kanozplian mehr finden sollten oder auch einen fliegenden Händler, die es hier angeblich geben soll, sind die Meziloanier doch äußerst geschäftstüchtige Gesellen, ihr Proviant locker für drei Wochen reichen sollte. Selbst dann, wenn ein jeder von ihnen, Ghlissun eingeschlossen, plötzlich einen Hunger in sich verspüren sollte, wie ihn sonst nur ein Broms in sich trägt. Dementsprechend schwer wog ebendieser Rucksack, den Raptonom Waltonom trug. Auf dem der aber gerade mit dem Kopf lag und versuchte, ein Nickerchen zu machen.

Das kleine Dorf war übrigens schnell gefunden. Es lag nicht weit entfernt von dem Loch, aus dem sie kurz zuvor geklettert waren. Natürlich erst, nachdem sie in einer Gondel durch das geheime System von Tunneln geradezu geflogen waren, das sich unter der Grasnarbe über den ganzen Planeten erstreckte, und im Anschluss einmal mehr eine endlos lange Treppe nach oben stiegen, die diesmal wohl bis zum zwölften Stock eines Hochhauses gereicht hätte. Was besonders für Ramshin ein ziemlicher Kraftakt war.

Wobei geflogen, so krumm das Wort in diesem Zusammenhang einem erscheinen will, geschah es doch unter der Grasnarbe, eindeutig das richtige Wort ist, denn geradezu atemberaubend war die Geschwindigkeit, in der diese ungewöhnliche Reise ablief. Nur am Boden der Gondel liegend, im Schutz der Seitenwände, war es auszuhalten. Und auch nur, weil diese Seitenwände ab einer gewissen Geschwindigkeit um das Doppelte an Höhe gewannen. Fuhren doch plötzlich aus ihren Mitten Teile empor, die zwar durchsichtig waren, sodass sie schon deswegen ein wenig an hochgekurbelte Fenster in einem Auto erinnerten, aber die von der Stabilität eindeutig Panzerscheiben waren. Die bei den Fahrten zuvor wohl deswegen in ihren Verstecken geblieben waren, weil die klobigen Arme der Steinmenschen immer auf diesen Seitenteilen lagen und die so am Ausfahren gehindert wurden, oder vielleicht auch nur, weil die Geschwindigkeit einfach nur noch zu gering war.

Ein Dach aber fehlte trotzdem, sodass, wenn einer von ihnen seinen Kopf neugierig über eines dieser neu gewonnenen Fenster hinausgereckt hätte, ihm dieser vom Fahrtwind gewiss sofort vom Hals gepustet worden wäre. Und wenn nicht das, dann hätte eine Spinne, die sich zufällig vom Dach des Tunnels abgeseilt hatte, denn die gibt es ja auch auf Robotanien, wenngleich sie nur sechs Beine haben, wie so viel anderes Getier hier, das auf der Erde nur vier hat, bis hinab auf die Höhe des Auges, zumindest dieses bei einem Aufprall sofort geraubt. In ihrem Maximum, das bereits nach einer halben Stunde erreicht war und dann auch nicht mehr nachließ, bis hin zum Halt, schätzte Anthony, dass sie fast tausend Km/h erreichten. Was er machte, indem er den kleinen Finger seiner rechten Hand in die Höhe streckte und als Messinstrument einsetzte, da ja der der empfindlichste der fünf war. Wie er es einst in der Schule in Ibalon erlernt und auch trainiert hatte. Was doch ein wirklich enormes Tempo ist. Dennoch waren sie, so wie von Glomp prognostiziert, einen ganzen Tag unterwegs.

Zumindest stand die Sonne fast am gleichen Punkt am Himmel, als sie ihre Köpfe wieder in die Luft reckten, wie zum Beginn ihrer Reise, als sie in ein in ähnlicher Weise von wildem Gestrüpp umranktes Loch eingetaucht waren. Nach einer wilden Flucht vor Ralpanin. Es könnten also auch zwei Tage gewesen sein, denn dort unten in der Finsternis hatten sie ja jedes Zeitgefühl verloren.

Drei Tage waren es aber wohl eher nicht, denn die Stoppeln an Anthonys Kinn, die doch plötzlich mehr wurden, was er mit einem gewissen Stolz registrierte, aber auch mit einem gewissen Widerwillen, hieß das doch auch, dass er sich nun öfters rasieren musste, waren noch viel zu kurz für solch einen Verdacht.

Wobei allerdings noch einschränkend angemerkt werden muss, dass die Sonne nur in dem Punkt, was die Nord-Süd-Ausrichtung anbetraf, fast am selben Punkt über ihnen stand. In Bezug auf die Ost-West-Achse machte sich selbstverständlich ein himmelweiter Unterschied bemerkbar. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Waren sie ja jetzt, wenn man Ibalon als Bezugspunkt nimmt, quasi auf der genau gegenüberliegenden Seite des Planeten. Was heißt, dass sie genau genommen mindestens eineinhalb Tage unterwegs gewesen sein mussten, vielleicht sogar zweieinhalb. Wohl auch darum fühlten sie sich alle so schrecklich müde. Denn was vorher Tag war, war jetzt plötzlich Nacht.

Und wie zum Beweis dafür war Ramshin, die Anthony von seinem Sitzplatz immer gut im Blick hatte, unter einem Baum liegend, bereits wieder eingeschlafen. Ein leises Schnarchen, das sie von sich gab, ließ daran keinen Zweifel.

Aber auch Ghlissun, zwei Äste über ihr, hatte die Augen fest geschlossen und gab ein kaum zu vernehmendes pfeifendes Geräusch von sich. Er hatte, gleich nachdem sie vier das Loch verlassen hatten, die Gestalt eines Wesens eingenommen, dessen Namen Anthony nicht kannte, das er aber, obwohl es fliegen konnte, nicht Vogel nennen wollte, denn es trug ja Pelz statt Federn. Auch war es nicht ganz so bunt wie sonst die Tierwelt auf Robotanien. Zumindest was Ibalon anbetraf und seine Umgebung. Es war eher unauffällig braungrau. Und richtig fliegen tat es eigentlich auch nicht. Es schwebte eher. Das aber so ausgezeichnet, dass es die kleinste Böe zu Nutzen wusste, um so an Höhe zu gewinnen. Was natürlich nicht ohne Sinn war. Immer gut zwanzig Meter über dem Rest des Trupps hielt der Körperwandler so stets nach Gefahren Ausschau, wenn ebendieser Trupp marschierte und keine Rast machte, die sonst vielleicht erst viel zu spät erkannt worden wären.

Und so schliefen die drei nun selig, Ramshin, Ghlissun und auch Raptonom Waltonom. Wobei diese schwere Müdigkeit bei der Weisen aber natürlich auch andere Gründe hatte. Die graue Seite verlor ja immer mehr an Temperatur. Die lange Fahrt in der Gondel und der ewige, kühle Fahrtwind trugen wohl einen guten Teil dazu bei. Noch war sie zwar keine Statue aus Eis, aber Anthony schätzte die Wärme ihrer Glieder auf der rechten Seite inzwischen auf nur noch knapp zwölf Grad.

Was wohl der Realität ziemlich nahekam, denn auch darin war der junge Zauberer ja inzwischen ziemlich gut. Nicht nur im Abschätzen von Geschwindigkeit. Wohingegen die Entfernungen wohl immer ein einziges Desaster für ihn bleiben würde. Da war kein Raum für Illusionen. Zwar hatten sie das Temperaturfühlen und was sonst noch so alles damit zusammenhängt, Bestimmung des Luftdrucks, der Feuchte etc. immer mithilfe ihres goldenen kleinen Fingers, nur eine Stunde die Woche gehabt, noch dazu nur im vierten Semester, war es ja nur ein Nebenfach, aber was er da gelernt hatte, das saß. Es war fast wie mit den Tränken. Einmal gelesen, nie vergessen. Oder, da es ja mehr ein praktisches als denn ein theoretisches Fach war, mit vielen Aufenthalten an der frischen Luft, einmal gefühlt, für immer verinnerlicht.

Nichtsdestotrotz hielt sich die Weise erstaunlich gut. Anthony war von ihrer Willensstärke einmal mehr beeindruckt. Selbst das leichte Hinken ihres rechten Beines kaschierte sie so geschickt, dass es kaum auffiel. Denn getragen werden von Raptonom Waltonom, das wollte sie plötzlich nicht mehr. Da hatte sie ihren Stolz. Sie wollte als vollwertiges Mitglied der Expedition akzeptiert werden. Hier war sie keine Hohepriesterin, die dadurch vielleicht auch noch den Respekt mehrte, den man ihr allein kraft ihrer Geburt entgegenzubringen hatte.

Dennoch waren alle natürlich nur froh darum, dass es am Ende der schier endlosen Reise wesentlich wärmer als in Ibalon war. Zwar nicht so knallheiß wie damals, als er, Anthony, bei seinem ersten Besuch beinahe an der Hitze gestorben wäre, aber doch merklich. Ging das Jahr auf dieser Seite des Globus ja auf den Sommer zu, während es sich in der alten Heimat mit jedem Tag mehr in die frostigen Arme des Winters legte. Bei den Temperaturen, die dort gerade gegeben, wäre das Hinken kaum noch zu verheimlichen gewesen. Nagt die Kälte doch schon an den Gliedern der Gesunden. Und natürlich legte Anthony noch immer seine heilenden Hände auf die graue Seite, wann immer es möglich war und er genug Kraft in sich fand.

Jetzt allerdings wollte er sich weiter an dieser einen Sache versuchen, nämlich seinen Geist zu leeren. Immer mehr und mehr.

Schwer genug war, da nämlich der Honig und die Marmelade, deren imaginäre Gläser scheinbar in Anthonys Kopf inzwischen umgefallen waren, und die nun gemeinsam vereint zähfließend über die grauen Windungen krochen, nur schwer von dort wieder zu entfernen waren. Vielmehr wollten sie sich in jeden freien Winkel kleben. Scheins für immer.

Wohl vor allem der erstaunlichen Tatsache geschuldet, dass Anthony tatsächlich auf einmal einen Appetit in sich trug, wie sonst nur ein Broms. Wenn er auch nicht so viel in sich hineinschaufeln konnte wie der. Das war bei den körperlichen Voraussetzungen aber auch kaum möglich. Er wog ja nicht einmal die Hälfte. Womöglich sogar nur ein Viertel. Nichtsdestoweniger waren die Mengen, die er plötzlich verdrückte, nicht unerheblich. Die letzten Tage waren aber auch eine einzige Aufregung gewesen. Da verlangten die Nerven wohl nach Balsam. Und wenn es nur in der Form von gewöhnlichem Zucker war.

Mit dem Wissen, soeben vier Brote verdrückt zu haben, zwei mit Marmelade, zwei mit Honig, und im Magen somit gar kein Platz für ein neues zu haben, kehrte dann doch langsam Stille in des jungen Zauberers Geist ein. Immer ruhiger wurde der. Doch erst als wirklich nichts mehr auf der Oberfläche der Gedanken trieb, all die quirligen Gischtkronen in stummes Schwarz übergingen, da hob er bedächtig seine rechte Hand und schob diese in die linke innere Tasche seiner Jacke. Die natürlich die war, die er von Glomp geerbt hatte und die sich ihm dann selbst schenkte. Ohne Zwang und ohne etwas Bestimmtes zu erhoffen.

Wobei es aber zuerst so wie immer war. Die Finger, kaum über den Rand der Innentasche geschlüpft, glitten erst einmal nur durch eine unendlich kalte Leere. Die sich, auch wenn sich das Wort eigentlich nicht steigern lässt, noch viel leerer anfühlte, als es dieses Wort für sich allein zu vermitteln vermag. Denn wenn man in einen leeren Sack hineingreift, was ja irgendwie damit vergleichbar ist, zumindest vom Bild her, und was man ja allgemein mit Leere verbindet, dann ist der das eben doch nicht, nämlich leer. Ist er doch immer noch gefüllt, und zwar mit Luft. Hier aber, da war nichts. Nicht ein Molekül, nicht ein Atom. Wie im Weltraum. Und das konnte man deutlich spüren. Auch ohne einen Kurs im vierten Semester belegt zu haben, der das Vermitteln solch eines Fühlens zur Aufgabe hat. Doch dann, nachdem auch der zu den Fingern gehörende Arm fast bis zum Ellbogen in der Tasche verschwunden war, bekamen die Spitzen der Finger plötzlich doch etwas zu greifen. Etwas, das sich weich, wenn nicht sogar ein wenig matschig anfühlte.

Was im ersten Moment natürlich sofort ein kleines Erschrecken auf des jungen Zauberers Gesicht legte. Zudem verbunden mit einem gewissen Ekel. Das dann zum Glück aber doch recht rasch einem freudig erregten Ausdruck wich. Denn zu seiner großen Erleichterung fühlte sich das noch unbekannte Ding nicht wie eine Nacktschnecke an. War doch eine solche der häufigste Fund, den diese Jacke in den letzten Wochen für ihn anzubieten hatte.

Somit war der noch unbekannte Gegenstand etwas Neues und verlangte schon deswegen nach noch mehr Gefühl in den Fingerspitzen. Was er auch erhielt. Der sich, nachdem die Finger sich langsam um ihn herum geschlossen und zudem heil über den Rand der Tasche in das Hier und Jetzt bugsierten hatten, zu Anthonys großem Erstaunen, als ein kleines Schokotörtchen entpuppte. Braun mit glänzender Glasur und einigen bunten Zuckerstreuseln darauf. So herrlich verführerisch in seinem Anblick und Duft, dass es schon deswegen für mehr als nur zwei Sekunden mit großen Augen angesehen wurde.

Kein Wunder, hatte Anthony doch schon so manch andere Dinge aus dieser Tasche gefischt. Dinge, die keineswegs von dieser Güte waren. Nicht nur die schon benannte Armee von Nacktschnecken, zu denen die Jacke scheinbar ein besonders inniges Verhältnis hatte, sondern auch alte Kronkorken, schimmliges Gemüse oder auch eklig stinkende Zigarettenstummel. Dann aber führte er dieses Törtchen plötzlich vor seinen Mund und biss hinein. Ohne Bedenken, denn so echt wie all die anderen Dinge, so echt war auch dieses.

Und Anthony bereute es nicht, denn das Törtchen, es schmeckte einfach nur köstlich. Bissen für Bissen. Fast so, als ob es der gute alte Glomp höchstpersönlich für ihn gebacken und dort deponiert hätte. Geradezu legendär dessen Kochkünste, ganz im Gegensatz zu denen seines vermeintlichen Nachfolgers, der dann plötzlich sein Vorgänger war, nur um zu guter Letzt wieder sein Nachfolger zu werden. Und vergessen war darum auch sofort das Wissen, soeben vier Brote verdrückt zu haben, zwei mit Marmelade, zwei mit Honig, und im Magen somit eigentlich gar kein Platz für noch mehr zu haben.

Dann, kaum die Finger abgeschleckt, wurden diese sofort wieder in das Innere der Tasche geschickte. Wobei Anthonys Geist aber seltsam frei war. War es doch nicht die Gier, die ihn dazu antrieb. Schon gar nicht das Wissen darum, in der Leere der Tasche sogleich ein zweites Törtchen zu finden. Denn wenn er bis jetzt etwas über diese seltsame Jacke gelernt hatte, die alles Mögliche erscheinen lassen konnte, in der man aber auch alles Mögliche für immer in das ewige Vergessen schicken durfte, dann war es das, dass niemals zweimal hintereinander das Gleiche erschien. Nein, es war das Glücksgefühl, das ihn plötzlich ganz warm durchflutete, das ihn dazu antrieb. Das daher rührte, dass diese Jacke auch ihm Gutes schenkte, und zwar immer häufiger. Womit sie sich völlig zu Recht an ihn verschenkt hatte.

Und diese völlige Abwesenheit von Gier oder Verlangen war wohl die Voraussetzung, dass Anthony jetzt sogar etwas zu greifen bekam, das vermutlich nur als ein schöner Zufallstreffer zu werten ist, wie zum Beispiel ein köstlich schmeckendes Schokotörtchen, sondern als ein Wink des Schicksals. Was schon dadurch bewiesen wurde, dass dieses Etwas eindeutig an ihn adressiert war.

Was der junge Zauberer zu diesem Zeitpunkt aber natürlich noch nicht wusste. Sodass erst einmal ein erneutes Staunen auf seinem Gesicht einzog, als seine Finger, kaum in die Tasche gestoßen, wieder etwas zu greifen bekamen. Denn normalerweise vergingen zwischen zwei erfolgreichen Versuchen ja meist ein paar Minuten. Mindestens fünf. Dann aber tasteten seine Finger natürlich sofort neugierig, was es denn wohl sein könne.

Wobei eine schnelle Aussage nur über das Tasten allein aber einmal mehr nicht möglich war. Nur die, dass es sich um einen seltsam kühlen Gegenstand handelte und somit garantiert auch diesmal um keine Nacktschnecke. Den Anthony, wenn er denn laut hätte raten wollen, was er aber immer nur im Geiste tat, nach weiteren zehn Sekunden, in denen das Fragezeichen auf seiner Stirn aber nicht wirklich kleiner wurde, vielleicht einen Apfel genannt hätte. Allerdings einen ungewöhnlich großen Apfel, da es ja seinen Fingern nicht möglich war, ihn zur Gänze zu umfassen. Wobei sein Urteil aber nicht darauf fußte, weil der Gegenstand nachgiebig war, wenn man ihn drückte, das war er nämlich keineswegs, auch hatte er keine Haut, die man mit dem Fingernagel hätte vielleicht durchstoßen können, sodass klebriger Saft aus der Wunde tropfte, sondern weil er irgendwie zu leben schien. Denn das zu fühlen, darauf war ja nicht nur der kleine Finger trainiert, sondern die ganze rechte Hand. Belebte Materie von toter zu unterscheiden. Ist das doch eines der elementarsten Dinge, die ein Zauberer lernen muss. Auf einer Schule in Ibalon, und das bereits im ersten Semester. Noch ohne mit dem ersten goldenen Finger beschenkt worden zu sein. Denn ein gesprochener Zauber wirkt ja bei dem einen oft völlig anders als bei dem anderen. Nein, das eine ist nicht dem anderen gleich, auch wenn die Gewehrkugeln im Krieg es so oft behaupten.

Dass der Gegenstand zu leben schien, war jetzt aber als Kriterium für sich allein genommen noch nicht wirklich etwas, das als ungewöhnlich zu bezeichnen gewesen wäre. Denn all die schleimenden Nacktschnecken, die in der Jacke zuvor zu finden waren, sie hatten ja auch alle gelebt. Doch das, was diesen Fund schon zu diesem Zeitpunkt zu einem außergewöhnlichen Fund machte, das war ja die Tatsache, dass er, als Anthonys Finger ihn über den Rand der Jackentasche ins Außen befördern wollten, plötzlich kein Ende nahm. Und er somit ganz gewiss kein Apfel mehr sein konnte, auch kein ungewöhnlicher großer Apfel, sondern vielmehr mehr und mehr zu einem dieser Dinge wurde, die eigentlich nie und nimmer in diese Jacke hätten hineinpassen dürfen.

Ewig zog Anthony darum immer weiter und weiter, wobei sich sogar kleine Schweißtropfen auf seiner Stirn zeigten. So lange, bis der Gegenstand endlich doch in seiner ganzen Länge befreit war und sich ihm zu erkennen gab. Wenngleich er von Anthony das aber zuerst gar nicht wurde, nämlich erkannt. Denn als er ihn auf den Boden vor sich stellte, da war dieser Gegenstand erst einmal nur ein Stab für ihn. Ein Stab wie jeder andere auch. Wenn er auch ungewöhnlich lang war. Ungefähr zwei Meter. Mit einem dicken Knauf, der sich eben nur auf den ersten Griff wie ein Apfel angefühlt hatte.

Wobei Anthony jetzt seltsamerweise daran dachte, als er den Stab gut eine halbe Minute vor seinen Augen wendete und drehte und ihn gründlich mit seinen Blicken untersuchte, da er braun war und eine Maserung in sich trug und somit wohl aus Holz gefertigt war, dass er vielleicht sogar der eines Schafhirten sein könnte. Denn damals bei den Nardollaner, da waren die ja davon ausgegangen, dass er ein solcher sei. Wegen seiner wollenen Unterwäsche und dem Geruch, der ihn deswegen ständig begleitete. War er doch immer nur am Schwitzen, weil er ja die falsche Wäsche für dieses Abenteuer eingepackt hatte. Die sich in den Bergen dann aber als die richtige erwies.

Zum Glück! Sonst hätte Anthony ja nie Frull getroffen und würde auch nicht den SCHATZ ALLER SCHÄTZE sein nennen. Den er noch immer in seinem Unterkiefer trug und der ein Zahn ist. Allerdings mehr als nur das, nämlich einer, der die Wahrheit von der Lüge trennen kann und sich somit seinen Namen zu Recht verdient. Vorausgesetzt natürlich, dass er ihn sich erst einmal überhaupt verdient. Ist er doch immer so oft so erschöpft. Manchmal so arg, dass er sogar für Jahre schweigt.

Trotzdem, auch ohne den wirklichen Wert der Gabe zu erkennen, freute sich Anthony erst einmal nur. Zumal ein Stab für die lange Wanderung nach Kanozplian sich sicherlich als ganz nützlich erweisen konnte. Er musste nur an den Aufstieg über die kalten Berge denken, der ihnen ja noch bevorstand. Außerdem war ein Stab allemal besser, als vielleicht eine Nacktschnecke von gleicher Länge durch das Loch ziehen zu müssen. Er hatte diesbezüglich nämlich auch schon so seine Erfahrungen machen müssen. Denn mittendrin aufzuhören, das machte keinen Sinn. Ein Gegenstand, der einmal in der Leere der Jacke ergriffen worden war, der musste immer auch ins Außen befördert werden. Die Finger klebten quasi an ihm fest. Und eine armdicke Schnecke auf der Hälfte der Strecke einfach loszulassen und darauf zu hoffen, sie möge ihren Weg in die Freiheit doch bitte selber kriechend finden oder sich zurück in ihr Haus ziehen, das sie ja eigentlich gar nicht hat, sprich zurück in die kalte unendliche Weltraumleere der Jacke, das war nur Zeitverschwendung. Sie bleibt nämlich einfach dort, wo sie war, am Taschenrand, bewegte sich keinen Millimeter und schleimte für Tage alle T-Shirts voll. Er hatte es probiert.

Und wahrscheinlich wäre dieses kleine Glück für Anthony somit schon ausreichend genug gewesen, einen Stab für die lange Wanderung nach Kanozplian zu besitzen. Liegt doch in der Bescheidenheit so oft die größte Freude. Doch plötzlich zeigte der, dass auch er nicht das war, was er auf den ersten Blick zu sein schien, wie schon der Zahn, oder wie zum Beispiel auch die sogenannte Kappe des Nirgendwo, und somit keineswegs mit dem gewöhnlichen Stab eines Schafhirten verwechselt werden durfte. Machte der Knauf an seinem oberen Ende doch plötzlich ein ploppendes Geräusch, öffnete sich wie eine Schatulle, und heraus sprang ein verknitterter Zettel.

Was schon erstaunlich genug war, sodass sich Anthonys Augen ganz automatisch weiteten. Doch noch viel erstaunlicher war, dass dieser Zettel jetzt nicht einfach zu Boden fiel, wie es den Gesetzen der Schwerkraft nach eigentlich von ihm zu erwarten war, wenn auch nicht so schnell wie ein Stein, sondern erst einmal kurz in der Luft verharrte. Starr und stumm. Wobei er sich nicht einmal von einem zweiten ploppenden Geräusch erschrecken ließ, als sich die Schatulle nämlich schloss und der Knauf des Stabes wieder wie ein Knauf aussah und niemand mehr hätte vermuten wollen, dass er auch etwas anderes sein konnte. Dann aber flatterte der Zettel plötzlich aufgeregt mit zwei seiner vier Ecken, ganz so, als ob er ein Vogel sein wolle, der sein Gefieder aufplusterte, und begann, nachdem er so auch erheblich an Größe gewonnen hatte und mehr als nur ein Zettel war, nämlich inzwischen sogar ein ganzer Brief, denn deutlich konnte man auf ihm eine Schrift erkennen, langsam im Kreis um Anthony und den Stab zu segeln. Wobei er aber, kaum dass er zehn Zentimeter an Höhe verloren hatte, sofort wieder aufgeregt zu flattern begann und das Schauspiel somit von Neuem begann.

Was alles in allem so deutlich war, dass es endlich auch Anthony begriff. Das, was er da soeben aus der unendlichen Leere der Tasche geborgen hatte, das war nicht der gewöhnliche Stab eines Schafhirten, nein, das war eindeutig der Stab eines Zauberers. Eines mächtigen Zauberers noch dazu. Nicht weniger groß in seinem Können als der Stab eines Ralpanin. Wenngleich der des anderen gefährlich silbrig schimmerte, somit aus Metall gefertigt war und nicht aus Holz wie dieser. Und da Anthony nur einen Zauberer kannte, der es mit diesem Bösewicht aufnehmen konnte, der ihn zu seinen Lebzeiten sogar übertroffen hatte, konnte das nur der Stab von Glomp sein, der in den Kreisen der Seinen aber auch Valaspun genannt wurde. Und somit kam dieser flatternde Brief mit großer Sicherheit auch von ihm.

Sodass kaum den Zusammenhang erkannt, der junge Zauberer nach diesem Brief griff und ihn mitten aus der Luft pflückte. Ihn kurz noch einmal glatt strich, nur um ihn dann auch schon vor seine Augen zu halten. Unendlich begierig danach, was in den Zeilen wohl stand. Leise murmelnd las er:

 

Hallo Anthony,

 

wie schön, dass du Fortschritte machst. Wenngleich ich natürlich nicht sagen kann, wie schnell. Denn ich habe den Stab für dich in der Jacke hinterlegt und kann nur hoffen, dass du ihn zur rechten Zeit findest. Denke ich doch, dass auch du irgendwann mit Ralpanin einen Kampf zu fechten hast, und da könnte er dir gewiss von großem Nutzen sein. Denn natürlich ist auch er eine der Waffen von Dalafong.

 

 

 

Sofort ließ Anthony den Brief sinken. Was war das nur für eine Hammernachricht! Denn ganz zweifelsohne wäre der Stab für ihn eine große Hilfe gewesen, wenn er ihn nur zwei oder drei Tage früher in Händen hätte halten können. Verdammt noch einmal, diese Jacke, sie war ein großer Segen, aber auch ein ewiger Fluch! Und kurz zeigte sich deswegen nun sogar ein grimmiger Ausdruck auf seinem Gesicht. Denn wenn der Stab nur halb so gut war wie der von Ralpanin, der ihm den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, in einem Tempo, wie das kein Materietransformator schafft und nicht einmal ein Zauberer mit zehn goldenen Fingern, dann hätte er vielleicht sogar eine Chance gehabt. So aber hatte er den anderen nach seiner Flucht gewiss keine Sekunde mehr als zehn mit seiner Kratonaschlange aufhalten können. Da konnte die noch so groß sein und sich noch so fest um dessen Leib schlingen. Denn kaum die Kraft seiner Finger von diesem Zauber gelöst, da löste sich das Monster ja auch schon wieder auf wie ein Trugbild, was es ja auch war, immer mehr und mehr, und was zuvor über eine Tonne wog, das war plötzlich nur noch ein aufgeregt wild herumschwirrender Haufen von Atomen und Molekülen. Keines davon einen Schmerzensschrei verursachend, wenn es einem auf die Zehen fiel. Ralpanin hingegen hatte ihn in der Luft gefesselt gehalten, ohne auch nur einen seinen Finger zusätzlich zu rühren. Allein mit der Kraft ebendieses, seines silbernen Stabes.

Das aber war, das musste auch Anthony zugeben, ein verdammt cooler Trick. Wenngleich er ihm beinahe das Leben gekostet hätte, wenn da nicht diese drei goldenen Finger am Fenster aufgetaucht wären. Einem seltsamen Insekt gleich. Woher die wohl kamen?

Kurz überlegte Anthony, denn das Abschweifen der Gedanken, das war ja schon immer deren große Stärke. Zudem es sich ja auch noch um eines dieser Rätsel handelte, die noch immer nach einer Lösung suchten. Wenn auch diese vielleicht sogar so schwer zu finden war, dass es nie gelingen wird. Gleichwohl die Anzahl der Finger natürlich sofort einen Verdacht in ihm hatten aufkommen lassen. Denn so viele waren es ja auch bei der Grauen Wache gewesen, die er mit Broms zusammen zu Klump und Asche gehauen hatten, damals in einer der vielen kleinen Seitengassen von Ibalon. Zumal sie diese dann ja auch noch in einer Vitrine ausgestellt fanden, bei diesem fetten Händler für Roboterteile, Neu oder Gebraucht, namens Herrn Halsban, weil sie ja immer wieder zurückkamen und die Ghlissun dann doch noch die Flucht aus diesem Geheimfach in der Ladenkasse ermöglichten. Wovon der ihnen ja gleich am Morgen danach, aber natürlich erst, nachdem er sie aus der Kiste entlassen hatte, aufgeregt berichtete. Und wozu er diesen in den letzten Stunden erneut gleich mehrfach wieder befragt hatte. Keine Frage. Aber wie kamen die plötzlich von dort an das Fenster ihres kleinen Häuschens, wenn es denn stimmte, was der fette Händler ihnen lachend berichtet hatte, dabei wackelnd wie Götterspeise, dass sie immer wieder in den Laden zurückkehrten? Waren sie einfach geblieben? An der Haustüre hatten sie sich ja von Ghlissun verabschiedet. Wo aber hatten sie sich versteckt? Und noch viel erstaunlicher, was gab ihnen die Kraft dazu? Die Kraft, sich von scheinbar ganz allein zu bewegen und dann auch noch einen Blitz zu schleudern. Der zwar nicht tödlich war, aber immerhin. Er zumindest hätte nicht von diesem getroffen werden wollen. Gar nicht zu reden davon, warum sich diese Finger plötzlich dazu entschlossen hatten, ihm zu helfen. War er doch eigentlich der Mörder ihres einstigen Besitzers. Fragen über Fragen?

Doch dann, da all diese Rätsel wohl einmal mehr nur zu denen gehörten, die er bis an sein Lebensende nie lösen würde, von denen es ja jetzt schon mehr als genug gab, ließ Anthony all die Gedanken daran fahren, begleitet von einem kleinen resignierten Schütteln des Kopfes, hob den Brief wieder vor seine Augen und las weiter. Wieder leise murmelnd.

 

Eine große Erklärung, wie der Stab funktioniert, unterlasse ich. Es ist wie mit der Jacke, er muss sich eigentlich nur an dich selbst verschenken. Was er aber schon damit gemacht hat, dass er dir meinen Brief offenbart hat. Was heißt, dass er dich als meinen legitimen Erben akzeptiert. Was gut ist, zumal es nicht als gegeben angesehen werden konnte. Akzeptiert er doch nur einen Zauberer mit einer gewissen Reife. Die aber leider nicht auf den Werten Gut oder Böse fußt, sondern nur auf Talent. Er hat somit auch schon ganz anderen Zauberern gedient. Heimtückisch und verschlagen, aber eben nie ohne dieses Talent. Alles andere, zu dem der Stab fähig ist, ist eine Sache der Übung. Wie schon bei der Jacke. Und da ich dich, wie du weißt, für einen äußerst begnadeten Zauberer halte, mehr noch als ich einer in deinem Alter war, kann es sich nur noch um ein paar Jahrhunderte handeln, bis ihr dicke Freunde seid. - HA-HA-HA!

Spaß beiseite, das sind eben nur die Jahre, die ich Vorsprung vor dir hatte, sodass es dir vielleicht im Moment so erscheinen mag, dass du das nie so hinbekommen wirst wie ich. Wobei ich dir aber verraten kann, dass selbst ich nicht alle Geheimnisse entschlüsselt habe, die der Stab in sich birgt. Und auch nicht die der Jacke. Und das, obwohl ich so viel Zeit dafür hatte. Eben so viele Jahrhunderte. Oder waren es sogar tausende? Ich habe es vergessen. Wofür es gelegentlich sogar eine Entschuldigung gab. Musste ich doch so oft Kekse und Kuchen für kleine lernende Roboter backen. Besonders für den einen, dessen zweiter Nachname Hunger ist, ist er doch ein Kämpfer. Und was für einer! Von all den Braten und Eintöpfen in dampfenden Töpfen gar nicht erst zu reden. - HA-HA-HA!

Also gebe dir selber Zeit und sei nicht so streng mit dir, Anthony. Denn selbst wenn es nur zehn Prozent sind, mit denen man eine der Waffen von Dalafong beherrscht, so ist man damit allen anderen noch immer weit voraus. Und warum das? Ganz einfach, weil es sich hier um wahre Magie handelt.

 

 

Wieder ließ Anthony den Brief kurz sinken, denn dass er die Jacke beherrschte wie einst der Diener, davon war er in der Tat so weit entfernt wie die Nase dem Zeh. Und auch wenn es welche gibt, wenn auch nicht unter den Kämpfer, von denen dieser Spruch natürlich stammte, die mit dem einen in dem anderen bohren können, so ist auch dafür immer viel Übung notwendig. Und wohl auch ein gewisses Talent, das er bei sich allerdings auch in diesem Gebiet noch nie sah. Er, der so gelenkig war wie eine Kuh, die nach Kleingeld im Portemonnaie fischt. Vor allem aber natürlich, was die wahre Magie anbetrifft. Nein, so tröstend und wohlwollend die Worte von Glomp auch zu lesen waren, die ihm natürlich sofort Tränen in die Augen schickten, da irrte sich der Stab ganz gewiss.

Dann aber wischte Anthony das salzige Nass mit dem Handrücken von seinen Wangen, hob den Brief an und las weiter, wieder leise murmelnd:

 

Aber nicht nur, dass du den Stab zur rechten Zeit erhältst, sondern auch, dass Raptonom Waltonom zur rechten Zeit bei dir auftaucht, hoffe ich so sehr. Denn auch wenn es dir möglich ist, allein nach Kanozplian zu gelangen, wie du es ja schon einmal bewiesen hast, so ist es gewiss nicht verkehrt, dafür solch einen treuen Helfer an seiner Seite zu wissen. Zumal es ja Grundvoraussetzung ist, damit diese Reise zu einem Erfolg wird.

Wozu ich sofort erklärend schreiben muss, dass das Balapunienkraut dort zu suchen natürlich auch ohne ihn möglich ist. Das ist nämlich einer deiner beiden Aufträge in Kanozplian. Gibt es das Kraut doch eigentlich nur dort. Denn die wenigen anderen Plätze im Universum kommen für dich ja nicht in Betracht. Nicht nur, weil ein Springen durch diesen womöglich noch immer außerhalb deiner Möglichkeiten liegt. Wenn auch nicht außerhalb deines Talents. Mit dem du dann, wie du als Meister dieses Faches es natürlich bereits erraten hast, einen Trank brauen musst. Den ich dir aber schon deswegen in seiner Zutatenliste nicht verraten muss, weil es ja nur einen einzigen Trank gibt, für den diese Ingredienz unabdingbar ist. Zumal der Feind vielleicht Mittel und Wege findet, diesen Brief abzufangen. Man weiß nie. Dieser Trank aber ist sehr wichtig, um den Kampf gegen ebendiesen Feind zu gewinnen. Wenngleich nicht direkt, sondern eher um die Ecke herum. Schon deswegen, nicht dass ebendieser Feind sich dagegen wappnen kann. Die du dann hoffentlich auch als Ecke entdeckst, wenn sie sich dir zeigt. Wobei es sich bei der Suche nach dem Kraut natürlich empfiehlt, eines der dort beheimateten Wesen zu fragen, wo du es denn finden kannst. Was allerdings erheblich durch den Zauberspruch erleichtert wird, den ich dir hiermit mitgebe und der da lautet: ‚Mein Balapunienkraut, wo bist du? Versteckst dich wohl im Schrank und machst nicht Muh!‘ Und den ich dich bitte, sogleich zu üben.

 

Was Anthony sofort artig tat. Drei Mal hintereinander. Sodass genauso oft eine Blume, die wohl dieses Kraut war, in der Luft vor ihm erschien, leicht durchsichtig schimmernd, weil sie ja nicht echt war, sondern nur ein Hologramm. Nichtsdestotrotz völlig ausreichend. Das im Blick weiß ein jeder sofort, was er sucht. Auch jemand, der den Namen des Krauts selbst nicht kennt oder es vielleicht auch nur anders nennt.

Dann las er weiter, allerdings jetzt plötzlich so leise murmelnd, dass es kaum noch zu vernehmen war:

 

Übrigens, auch wenn er nur selten in deinem Leben zum Einsatz kommen wird, es ist ein sehr nützlicher Zauber. Einer, der somit in das Repertoire eines jeden guten Zauberers gehört. Denn natürlich kann man das Balapunienkraut namentlich gegen alles andere austauschen. Wobei ich mir sogar einen kleinen Tipp extra erlaube, bevor ich endlich auf das komme, was dein zweiter Auftrag ist und warum es so unabdingbar ist, dass Raptonom Waltonom bei dieser Reise nach Kanozplian mit dabei ist. Denn was ich dir schon immer mitteilen wollte, aber immer irgendwie vergaß, das ist der Zauber, der es dir ermöglicht, die Gabe zu unterbinden, die sonst so nützlich für dich ist. Und das nicht nur für Minuten, sondern sogar für Stunden. Nämlich die, alle Sprachen zu verstehen und auch zu sprechen. Wohl auch, weil er so furchtbar banal ist, dass ich es mir schon deswegen nie verzeihen könnte, ihn dir nicht doch noch mit auf den Weg gegeben zu haben. Gehört doch auch er unabdingbar zu der Ausbildung, die ich dir als dein Meister schulde. Werde ich doch in wenigen Stunden sterben. Denn dann habe ich ja meinen großen Auftritt im Museum mit Ralpanin. Wenn alles so klappt, wie geplant. Du musst nämlich nur, allerdings an beiden Händen, hast du ja zehn goldene Finger, anstatt nur fünf, wie die meisten anderen Zauberer, den kleinen Finger und den Daumen kurz aneinander reiben. Zum Ein- wie zum Ausschalten. Wobei es ruhig ein wenig warm werden darf. Sofort ist es nur noch die Sprache, in der du aufgewachsen bist, in der du sprichst, denkst und die du auch verstehst. Was aber natürlich ein Unterschied ist, in welchen Körper du dich gerade bewegst. Das darfst du dabei nie außer Acht lassen. Ist es der auf der Erde oder der, dessen Augen das in diesem Moment lesen.

 

Und wieder musste Anthony den Brief kurz senken. Jetzt aber nicht, weil er den Gegenzauber ausprobieren wollte, denn dafür gab es ja im Moment gar keine Möglichkeit, schliefen die anderen ja, der aber wohl der richtige war, da ja auch schon Ramshin etwas in der Art angekündigt hatte, wenn sie auch nicht wusste, dass es in seinem speziellen Fall mit den Fingern an seinen beiden Händen sein musste, sondern weil der Tod von Glomp ihm immer noch so schrecklich wehtat und er schon deswegen durch den Schleier seiner Tränen nichts mehr sah. Die beiden Briefe, die er bis jetzt erhalten hatte, sie waren nichts anderes als das Vermächtnis des großen Meisters. Wie viele sollten es aber noch werden? Wie viele hatte der vor seinem Tod geschrieben. Und wird der Schmerz in seiner Brust über diesen schrecklichen Verlust jemals nachlassen?

Dann aber hob er den Brief wieder an und las weiter, wobei er jetzt das leise Murmeln sogar ganz unterließ:

 

Ach, so viel Dinge wollte ich dir noch mitteilen, mein gelehriger Schüler! So viel Dinge, die zu einer guten Ausbildung eben mit dazu gehören. Sodass mich sogar jetzt, so kurz vor meinem Tod, das schlechte Gewissen überfällt, es nicht geschafft zu haben. Obwohl ich ja weiß, dass es nicht immer war, weil ich sie vergessen hatte, sondern weil die Zeit, die wir beide miteinander hatten, einfach viel zu kurz war. Und dass wohl nicht einmal hundert Jahren ausreichend genug gewesen wären, denn so vieles mehr gibt es zu lernen für den, der sich ein guter Zauberer nennen will. Und dann noch einmal ein paar tausend obendrauf. Besonders die wahre Magie hat so viele Geheimnisse, dass selbst ein Kopf wie der von Ramshin sie nicht alle aufnehmen könnte. Und über so einige wirst du somit noch stolpern auf deinem Weg durchs Leben. Wollen wir nur hoffen, dass du sie dann auch als Geheimnisse erkennst. Denn nur dann kannst du dich ja daran machen, ihre Lösung zu finden.

Was allerdings eines ist, das nicht so lange warten muss, das ist das Geheimnis, wieso Raptonom Waltonom bei diesem so gefährlichen Abenteuer unbedingt dabei sein muss. Muss er dich, damit alles gelingen kann, ja erst einmal zu Hunks führen. Du kennst ihn doch hoffentlich noch, ihn und seine Bande von Würmern, die das Tageslicht scheuen, mehr noch als der Kopf die Unterhose, wie ein Kämpfer jetzt wohl dazu sagen würde. Und einer namens Broms es so oft tat. Das ist nämlich die Grundvoraussetzung für alles. Ohne das ist alles nichts. Weil ich ja bei Hunks einen Gegenstand für dich abgegeben habe. Vor langer Zeit. Der, auch wenn er dir auf den ersten Blick etwas seltsam erscheinen mag, natürlich nichts weniger ist als eine weitere Waffe von Dalafong.

Wobei das, warum ich diese dort deponiert habe, auch schnell geklärt ist. Denn nur so weit unterhalb von Ibalon, in einer Höhle, somit abgeschirmt von vielen Metern aus Fels und Erde, konnte ich sicher sein, dass die Waffe nicht so schnell gefunden wird. Besonders von jemanden, der sich im Aufspüren von magischen Gegenständen leichttut. Du weißt ja selbst, von welchen Personen da die Rede ist. Zumal ich die vielen Jahre nicht wirklich vorausplanen konnte. Und somit auch nicht gewährleistet war, dass es mir gelingt, sie täglich mit einem Gegenzauber zu belegen. Was bei einer Waffe von dieser Stärke natürlich unbedingt sein muss, damit sie eben nicht von diesen speziellen Personen gefunden wird, die sich darauf verstehen. Was du aber natürlich sofort nachholen musst, wenn du sie dann hast. Am besten sieben Mal hintereinander. Ist es doch eine kleine Ewigkeit her, dass sie von mir einen solchen Gegenzauber erhielt. Die Spur, die sie zwangsläufig legt, kaum dass sie ihr Versteck verlassen hat, dürfte dementsprechend leicht zu lesen sein.

 

Ein wenig erschreckt wandte Anthony seine Augen von dem Brief ab. Was war er nur für ein Idiot! Und natürlich tat er jetzt erst einmal das, was ihm so eindringlich im Brief empfohlen wurde. Legte diesen zur Seite, erhob sich rasch von seinem Baumstamm und ging auf die schlafende Ramshin zu. Wo er kurz den Stab an einem anderen Baumstamm abstellte, einen, der noch stand und Blätter in der Krone zeigte, sich dann bückte, um den silbernen Knochen, den sie in ihrem kleinen Rucksack beherbergte, mit einem Finger zu berühren. Denn dass die Weise ab jetzt die Hüterin dieser Waffe sei, darauf hatten sie sich ja bereits im Tunnel geeinigt. Was er aber natürlich vor allem deswegen gemacht hatte, gab es ihr doch das Gefühl, auch ein vollwertiges Mitglied der Mission zu sein. Wobei er es jetzt sogar schafft, sie nicht zu wecken. Obwohl sie mit ihrem Kopf auf ihrem Rucksack lag, so wie Raptonom Waltonom auf dem seinem. Vorsichtig öffneten die Finger seiner rechten Hand den Reißverschluss und die der linken Hand übernahmen den Kontakt. Der Mund darüber murmelte dann nur noch sieben Mal die Formel. Die er aber eigentlich nur noch zu denken hätte brauchen, denn durch den Zahn der Wahrheit und den Ring der Zeit war diese ja quasi schon vor langer Zeit in sein Fleisch und Blut übergegangen. Doch sicher ist sicher.

Wobei der junge Zauberer sich aber natürlich weiter ärgerte. Und zwar über sich. Er soll der sein, der womöglich irgendwann einmal einen König morden wird, der immer böser und böser wurd? Was für ein lächerlicher Gedanke war denn das. Er bekam ja nicht einmal die einfachsten Dinge hin. Denn daran hätte er auch selbst denken können, kaum dass Hunks ihm den Knochen zuwarf. Und er konnte nur hoffen, dass durch die Routine die anderen beiden Waffen betreffend schon ein wenig von dem Gegenzauber auch auf diesen übergegangen war. Nicht dass es Ralpanin ein Leichtes war, sie durch das magische Signal hier aufzuspüren.

Dann, nachdem auch die letzte Silbe ordnungsgemäß ein siebtes und letztes Mal seine Lippen verlassen hatte, erhob er sich wieder, griff den Stab, wanderte hinüber zu seinem Baumstumpf, nahm den Brief in die Hand, setze sich hin und las stumm weiter:

 

Wie der Name der Waffe ist, das kann ich dir leider nicht sagen, mein guter Anthony. Nur dass du ihren Zweck sofort erkennen wirst, wenn sie dir ihr Geheimnis verrät. Dafür aber musst du sie zuerst unbedingt nach Kanozplian bringen.

Wo ihre Reise aber noch lange nicht zu Ende ist. Das ist ja dein zweiter Auftrag. Nämlich die Waffe dorthin zu bringen, wo sie zu guter Letzt gebraucht wird. Allein zu dem Zweck, einer Prophezeiung zur Wahrheit zu verhelfen. Wobei das wirklich Problematische an der Sache aber ist, dass die Waffe sich dir zwar offenbaren wird, wenn die Zeit dafür reif ist, und doch auch nicht. Denn ganz entscheidend ist der Ort, wo das geschieht, der mit Sicherheit nicht Kanozplian ist. Aber auch die Hand, mit der du nach ihr greifst. Vor allem das Wie! Wobei alles, was ich dir dazu noch mit auf dem Weg geben darf, das ist, dass ein Spiegel für das Gelingen dieser Mission entscheidend ist und dass, wenn ich das Warum niederschreiben täte, zum einen der Feind, wenn es ihm gelingt, den Brief abzufangen, über unsere Strategie Bescheid wüsste, und zum anderen sofort eine solch große Anomalie im Universum entstehen würde, dass die, die du damals mit dem Ozmolot, den du unter dem Namen Fred kanntest, in dem Buchladen in diesem fernen München fandst, nur ein kleiner Strudel in einer Badewanne ist. Und dass alles, was ist, dann plötzlich nicht mehr sein wird. Ganz so, als hätte es nie stattgefunden. Die Zukunft keine Zukunft mehr ist, weil ja schon die Vergangenheit nie Vergangenheit war. Ich hoffe, du hast verstanden? Vielleicht auch kann Ramshin dir eine Hilfe sein, das Problem zu lösen. Sie ist ja in diesen Dingen unheimlich fix.

Nun aber mache ich Schluss, und doch auch nicht. Muss ich doch noch so einige Briefe schreiben, bevor es auf mein Ende zugeht. Einen natürlich an den guten Raptonom Waltonom, aber auch noch so einige andere mehr. Vielleicht auch noch den ein oder anderen an dich. Die hoffentlich alle zur rechten Zeit zugestellt werden, denn nicht alles kann man berechnen. Besonders nicht, wenn man nicht mehr eingreifen kann, weil man ja tot ist. Zudem ist das Schicksal tatsächlich manchmal einfach nur ein dummer Zufall. Und so selten geht es dabei gerecht zu.

 

Grüße auch an den Rest des Teams,

Dein und Euer Glomp

 

p.s.: Es gibt da noch so ein paar Zusatzbefehle, die ich mit den Jahren herausbekommen habe. Wobei ich dir am besten gleich den nenne, der dem Stab der Liebste ist. Der lautet nämlich: „Ruhe dich aus, Stab!“ Dann verschwindet er nämlich einfach, ganz so, als würde es ihn gar nicht geben. Ein wenig so, wie es die Gitarre von Ramshin tut. Und mit „Die Arbeit ruft, Stab!“ erscheint er dann wieder. Wobei man aber mit den Fingern zusätzlich schnippen muss. Was ich immer ungern gemacht habe, ist es ja eine ziemlich herrische Geste, als wäre er ein Lakai oder auch ein Hund, doch er besteht darauf. Und du weißt es ja selbst von deinem Zahn, wie launisch die Waffen von Dalafong ab und zu sein können. Besser also man tut das, was sie von einem verlangen. Im Gegenzug erhält man ja so viel von ihnen. Nichtsdestotrotz ist mein Verdacht der, dass die beiden scheinbar nicht gern arbeiten. Der Stab sowohl als auch dein Zahn.

Was jetzt aber nicht heißt, dass der Stab jemals einen Auftrag verweigert hätte. Nein, das ist mir so nie passiert. Aber sich einfach gemütlich dorthin zurückziehen, wo ihn keiner stört, das macht er gern. Wohin auch immer das ist, denn wohin ein solch magisches Utensil geht, um sich auszuruhen, das habe ich nie herausgekriegt. Man kann ihn aber auch einfach in der Jacke deponieren, wobei ein einfaches „Ab in die Jacke, Stab!“ reicht. Allerdings hast du es ja soeben selbst erlebt, wie mühsam es ist, ihn da wieder rauszuholen. Ist also nicht unbedingt ratsam, sind es doch so oft die Notsituationen, in denen man seiner Hilfe bedarf. Die, in denen um nichts weniger als um Leben und Tod geht. Wenn man ihn denn dann überhaupt zu greifen kriegt, was ja auch nicht immer als vorausgesetzt angenommen werden darf. Zumindest nicht am Anfang.

Ansonsten kann er auch seine Länge variieren, denn seine wahren knapp zwei Meter machen sich nicht immer gut. Wobei ich es aber nur mit einem „Werde ein Spazierstock, Stab!“ geschafft habe, ihn eben zu solch einem zu machen. Was für ihn aber scheinbar anstrengender zu sein scheint, als mit drei Walfischen zu jonglieren. Was er übrigens ziemlich gut hinkriegt. Und was er schon darum nicht gerne macht.

Doch der Möglichkeiten gibt es da sicher mehr. Wahrscheinlich könnte man ihn sogar zur Länge eines Zauberstabes schrumpfen, um so auf deiner Erde ein paar Unwissenden zu imponieren. Aber aus dem Alter bist du ja zum Glück schon raus. So will ich zumindest hoffen. Vielleicht könnte man ihn sogar zu einem Zahnstocher machen. Wer weiß? Wozu man natürlich etwas mehr Talent in diesem Gebiet braucht als eben ich. Oder auch nur mehr Einsatz beweist, der mir aber nie nötig erschien. Denn da schicke ihn doch lieber zur Ruhe, bevor er sich müht, ständig als solch ein Zahnstocher auf meinem Tisch herumzuliegen. Das ist nur was für Schaumschläger. Von denen es ja nicht wenige in unserem Gewerbe gibt. Viel wichtiger ist, dass, wenn du mit ihm und seinen schier unglaublichen Möglichkeiten experimentierst, es bei den Zaubersprüchen immer auf den exakten Wortlaut ankommt. Wie es nun einmal mit den Zaubersprüchen so ist. Du weißt ja selbst, welch schreckliche Unglücke den Schülern auf deiner ehemaligen Schule zugestoßen sind, wenn sie manchmal auch nur eine Silbe falsch betont haben. Oder noch viel fataler, den Spruch nur nuschelten. Also merke dir immer gut, was du eben noch zu ihm gesagt hast. Damit du es später auch wiederholen kannst. Wobei das alles allerdings Makulatur ist, wenn du ihn als Waffe einsetzen willst oder auch für einen großen Zauber, wie ebenjenen mit den drei Walfischen, denn da reicht es oft, dass du dir nur das Ergebnis einfach nur denkst, und er kommt sofort seiner Pflicht nach. Ist er doch gewirkt aus reiner Magie. Und manchmal reicht ihm auch nur deine Intuition und er handelt, bevor du auch nur weißt, dass du willst, dass er handelt. Kommt somit, noch bevor du ihn überhaupt gerufen hast. Kurzum, er ist eine unheimlich starke Waffe, fast dem Ring der Zeit gleich, darf aber schon deswegen nur mit größter Überlegung eingesetzt werden. Eine Waffe, aber auch ein treuer Freund, den man nicht enttäuschen sollte. Ich aber vertraue dir da voll und ganz. Ich hatte auf alle Fälle immer viel Spaß mit ihm.

 

Der Brief, der zwischen Anthonys Händen immer mehr in die Länge gewachsen war wie schon der letzte, den er von Glomp erhielt, und der inzwischen fast bis zum Boden reichte, war nun tatsächlich endlich zu Ende. Langsam, aber immer mehr und mehr sackte darum auch die rechte Hand ab, die ihn gehalten hatte. Solange bis das Papier sogar mit einer Ecke den Boden berührte.

Was fast unvermeidlich war, denn auch wenn sich diese Hand große Mühe gab, den Brief nicht zu beschmutzen, war er doch eine kostbare Erinnerung an einen geliebten Freund, so war es jetzt geradezu so, als ob eine unendliche Schwere an ihr ziehen würde. Was jetzt aber nicht nur daran lag, weil der Kopf darüber vielleicht alle Energie benötigte, um auch nur eines der Rätsel zu lösen, das zwischen den Zeilen stand, sondern weil der Brief seine Form zu verändern begann, wie es schon der Letzte tat. Nicht von der Länge und der Breite her, doch von der Dichte. Denn war es zuvor tatsächlich nur Papier gewesen, auf dem die Worte mit Tinte fixiert waren, so war er plötzlich so unnachgiebig, als wäre er nichts anderes als ein ziemlich lang geratener Dachziegel. Sodass es fast schon ein Klappern war, als er letztendlich dem Griff der Finger entglitt und zu Boden stürzte. Was, so paradox es klingt, das völlig richtige Wort ist, denn segeln, das tat er nun wahrlich nicht mehr. Vielmehr brach er sogar auseinander wie eben solch ein Dachziegel und war somit erst einmal nicht mehr als nur ein paar Scherben, die dann aber rasch immer mehr und mehr in sich selbst zerfielen, bis letztendlich alles nur noch feiner Staub war. Welcher in einer kleinen Windböe, die plötzlich und nur an dieser Stelle auftrat, in einer weiten Fahne über den Grund trieb, bis er dem Blick in der Ferne entschwunden war und die Erinnerung an ihn bereits nur noch Geschichte. Wenn auch nicht die Worte, die einst auf diesem Brief geschrieben standen, denn die waren ja nun in Anthonys Kopf. Unauslöschlich, als seien sie soeben mit Ruß in die Windungen tätowiert worden. So deutlich, dass keine Marmelade und auch kein Honig sie hätten verwischen können.

Von dem Klappern geweckt, war es natürlich zuerst Raptonom Waltonom, der seine Augen öffnete, dann Ghlissun und zuletzt Ramshin. Das rechte von ihr nur halb so schnell wie das linke. Denen Anthony, kaum dass der eine vom Baum herab auf seine Schulter gesegelt war und die anderen beiden auf dem Baumstamm neben ihm Platz genommen hatten, selbstverständlich sofort alles erzählte. Ihnen den Stab zeigte, mit dem Finger in Richtung der letzten Staubkörner des Briefes deutete, diesen fast wortwörtlich wiedergab und sie dann auch schon nach Antworten für all die vielen Rätsel fragte. Wenngleich er wusste, dass auch sie ihm nicht helfen konnten. Aber es war wie ein Zwang. Wozu brauchte er dieses seltsame Balapunienkraut? Was ist der Zauber, der ein ganzes Imperium zu Fall bringen kann? Wieso muss der silberne Knochen mit nach Kanozplian? Was ist der zweite Auftrag? Warum drohte eine schreckliche Anomalie, wenn das Geheimnis des silbernen Knochens gelüftet wurde, bevor der es selber tut? Waren mit dem Spiegel die Narben der Naxe gemeint? Und, und, und, …

 

 

 

Rätsel über Rätsel

 

„Was?“, rief Anthony.

Raptonom Waltonom streckte sich ausgiebig und sah ein wenig nachdenklich in die Ferne. „Ich wollte nur wissen, was das eigentlich ist, dieses Meziloanien“, wiederholte er dann. „Ist es tatsächlich das Land vor dem Fluss, in dem diese rätselverrückten Mopkaner leben? Von denen wir ja hoffentlich bald einen zu sehen bekommen. Am besten einen Fährmann, um uns überzusetzen. Dem wir als Preis dafür ja die Lösung eines Rätsels präsentieren müssen, ist das doch seit Jahrhunderten ihre Währung. Oder, das habe ich doch richtig behalten? Denn so nennen sie sich ja selbst, wie du uns gestern Abend noch erzählt hast. Aber wieso heißt das Land dann nicht einfach Mopkanien, oder auch Mopkantinien?“