Anthony Noll und der Falsche Auserwählte (Final Cut) - Francis Linz - E-Book

Anthony Noll und der Falsche Auserwählte (Final Cut) E-Book

Francis Linz

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Beschreibung

Dies ist das fünfte Abenteuer von Anthony Noll. Dem Jungen, der zwei Leben führen darf. Eines hier auf Erden und eines weit draußen in den Tiefen des Weltraums, wo er ein zaubernder Roboter ist. Eine Serie, die einen in ein völlig neues Universum entführt. Fantastisch und in Farben gemalt, die noch nie ein Auge zuvor gesehen. Das ist versprochen! Buch 1: Die Schule in Ibalon hat einen neuen Rektor, dessen Name Doktor Wustlonom ist. Der im Auftrag von Ralpanin nun doch noch den Wettkampf durchführen lässt, den dessen Gehilfe Zolmander einst begann. Aber auf der Erde hat es der kleine Zauberer nicht leicht. Muss er doch eine weite Reise antreten, um seine wahren Eltern zu finden. Eine verdammt weite Reise! Buch 2: Weiter tobt der Wettkampf an der Schule. Zumal dort auch noch das Ende der Ausbildung naht, gleichbedeutend mit dem Großen Abenteuer. Das aber alles andere als das ist, sondern nur ein Versprechen auf den Tod. Grausamer man sich keinen vorstellen möchte. Und auch auf der anderen Seite seines Seins gestaltet sich Anthonys Suche nach seinen wahren Eltern alles andere als einfach. Zum Glück gibt es da eine Jacke, die wenigsten ein paar Antworten gibt. Ein modernes Märchen für all die, die im Geiste jung. Aber natürlich auch für all die, die an die große Kraft der Freundschaft glauben, und daran, dass eine Seele immer schön ist, egal in welcher Brust sie liebt und lebt. „Die beste Fantasy-Serie über KI, die KI nie wird schreiben können!“ Ibalon Daily Observer

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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IMPRESSUM:

Widmung

BUCH I

Die Kamera

Das Verhör

So viele Prophezeiungen

Ein fast normaler Tag an der Schule

Zwei vermeintliche Gentlemen

In der Arena

In einem Land namens Deutschland

Eine vierfache Kopfwäsche

Der Zauberberg

Die schwarze Kugel

Der Ozmolot

Auf dem Friedhof

Der Kampf mit der Wespe

Reise nach Chotatyl

Flug über den Atlantik

Der große Krieg um das Universum

Das Geheimnis wahrer Magie

Die Armee des Schreckens

BUCH II

Ein Krankenbesuch

Ein Buchladen birgt ein Geheimnis

Die Suche beginnt

Die Anomalie im vierten Stock

Ein gewagter Sprung

Bruder Nasspan

Ein derber Stoß in den Rücken

Kalte Füße

Der fremde Wagen

Ein Stein und ein Kaugummi

Der geheime Ort

Seltsame Hunde

Der kleine Monkselm

Kurz vor der Abschlussprüfung

Abschied von den Scheiben

Der große Wettkampf

Zurück von einer langen Reise

Zwei Wächter treffen auf zwei Wächter

Immer auf der richtigen Seite

Der Brief

Alle Anthony Noll Romane:

 

 

FRANCIS LINZ

 

Anthony Noll

und der falsche Auserwählte

 

 

BUCH I (wenn kleine Roboter schummeln)

 

BUCH II (wenn kleine Roboter das Spiegeluniversum suchen)

 

 

 

 

IMPRESSUM:

 

Autor:

Francis M. Linz

Gravelottestr. 4

81667 München

Germany

 

 

© Francis Linz 2016

 

E-BOOK / Version Epub2

ISBN 978-3-911350-44-0

Wörter: 203.000

Geschrieben: Herbst/Winter 2015/16

Auflage: Final Cut / Frühjahr 2024

 

Umschlaggestaltung/Illustrationen: © Franus Graueis 2021

 

 

Von diesem Werk gibt es ein Hardcover

und ein Paperback.

 

Weiteres siehe: www.Francislinz.com

od. www.Anthony-Noll.de

 

 

…………………………………………………………………

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Widmung

 

Buch 1

 

Für meine Schwester

Dank dafür,

dass Du mein erstes Buch gelesen hast,

und mir immer Mut gemacht hast,

und das, obschon es ein einziges Machwerk war.

(Na ja, ein paar kurze Passagen sind

vielleicht auch heute noch zu gebrauchen.)

 

Zum Glück ist das schon so lange her,

dass es mir vom Schicksal vergönnt ist,

mich dafür nur noch fremdschämen zu müssen.

 

Buch 2

 

Für meinen Schwager

Dank für den Bodybuilder

und für noch so vieles andere mehr.

 

(Dank an alle,

die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben.)

 

************

 

 

BUCH I

(wenn kleine Roboter schummeln)

 

Die Kamera

 

Kaum verständlich, weil von einem herzhaften Gähnen nach dem anderen unterbrochen, stellte Anthony fest: „Der erste Schultag … nach den Ferien … ist immer der schlimmste, … da komme ich … einfach nicht hoch.“

„Da hast du … aber so was von recht“, stimmte Broms zu. „Aber so was … von verdammt noch einmal!“ Der genauso wenig zu verstehen war, da er genauso ungeniert gähnte. Wozu er, da er den Kopf leicht anhob, auch noch ununterbrochen blinzelte.

Wegen der tausend Sonnenstrahlen, die durch eines der beiden Küchenfenster, über den Rand der Kiste hinweg, sein Gesicht suchten. Was, obwohl er ein Roboter war, einer der Modellreihe X3-Z04, jetzt fast den Eindruck erweckte, als sei ein Bär gerade aus langem Winterschlaf erwacht. Wofür vor allem sein zerzauster Bart sprach, den er sich in der ersten Hälfte des Semesters hatte stehen lassen. Wie all die anderen seiner Zunft übrigens auch, die Damen einmal ausgenommen. Wenn auch nicht alle. Aber natürlich auch sein ungemein breiter Schädel.

Dann aber, nachdem er halbwegs im Hier und Jetzt angekommen war, machte er, den man dank dieses Bartes nur noch schwerlich als einen kleinen Kämpfer bezeichnen konnte, sich daran, aus der Kiste herauszuklettern.

Ganz im Gegensatz zu Anthony, der einfach weiter liegen blieb. Viel mehr noch als nur das. Der kleine Zauberer, den man allerdings noch immer getrost als einen solchen bezeichnen konnte, schon deswegen, weil auch er selber das tat, wobei er vor allem die Schuld dafür bei den ihm weiterhin fehlenden magischen Kristallen in seinem Blut suchte, hatte sich kurzerhand umgedreht und sich die Decke demonstrativ über den Kopf gezogen. Von einem empörten Schnauben begleitet. Möge die Welt da draußen doch erst einmal ohne ihn anfangen. Welche Welt auch immer.

Was der Kämpfer aber nur mit einem lakonischen „Das hilft dir auch nicht, du alte Faulmütze“ kommentierte. Der dann fast zeitgleich mit dem Herausschwingen seines rechten Beines aus der Kiste, seine linke Pranke unmissverständlich auf den Deckel des benachbarten Abteils legte. Denn so müde er war, dass er das vergaß, das konnte nicht passieren.

„Ist ja gut“, murmelte Ghlissun, der direkt vor ebendiesem benachbarten Abteil stand und sich gerade daran machen wollte, auch dieses zu öffnen. Sich so aber in seinem Tun gehindert sah. „Ich habe verstanden. Die Damen haben zu warten.“

Was Broms, während er etwas bedächtiger auch das zweite Bein aus der Kiste schwang, mit einem zufriedenen Grinsen quittierte, das übergangslos aus einem letzten ausgiebigen Gähnen kam. Nur um, nachdem er die rechte Hand wieder vom Deckel gelöst und mit der anderen über seinen Kopf gereckt hatte, um sich ausgiebig zu strecken und zu dehnen, noch gnädig anzufügen: „Recht so getan, mein werter Diener. Wir wollen doch beide nicht, dass diese wunderbare Regel wieder verloren geht, nicht wahr?“

Was ohne Frage eine dieser Fragen war, die gar keine war. Dementsprechend gab es auch keine Antwort. Nur wieder ein Grinsen. Jetzt allerdings auf Ghlissuns Seite. Das sich aber nicht gnädig gab, sondern eher eines war, das ziemlich gequält in den Mundwinkeln hing. Der Tag fing ja gut an.

Doch er, der falsche Diener, sollte nicht der einzige sein, der zu leiden hat. Zumal er der Umstände wegen ja gezwungen war, die Gestalt des wahren Dieners einzunehmen. Also die von Glomp. Mit Haut und Haar. Was nicht nur bedeutete, dass er genau wie dieser auszusehen hatte, von Mitternacht bis Mitternacht, sondern auch noch, dass er dessen Gewicht exakt bis auf das Gramm zu halten hatte. Was eine gute Laune, falls er eine solche an diesem Morgen überhaupt gehabt haben sollte, generell schon im Keim erstickte. Nein, das hatten diese beiden undankbaren Gesellen gar nicht verdient. Und so verbannte er das Grinsen der Niederlage sofort wieder aus seinem Gesicht, beugte sich über Anthony und blaffte diesen barsch an: „Wenn der andere Herr Roboter dann vielleicht auch die unendliche Güte hätte, endlich aufzustehen. Weiß er doch, dass ich auch noch anderes zu tun habe. Bin ich doch ein viel beschäftigter Diener.“

Womit sich Broms Feststellung von gerade eben sich noch viel schneller als befürchtet bewahrheitete. Es half alles nicht. Anthonys Verweigerung der Welt war ohne jede Chance. Anderes war aber auch nicht ernsthaft zu erwarten gewesen.

Dennoch, äußerst widerwillig zog der kleine Zauberer jetzt erst einmal die Decke nur bis zum Kinn hinunter und schimpfte: „Mit der neuen Station sparen wir eine halbe Stunde ein. Wenn nicht mehr. Das habt ihr beiden Grobiane bestimmt vergessen?“

Das ließ Broms aber nur laut auflachen. Der, weil seinem Kumpel dieses Argument aber anscheinend tatsächlich ausreichen wollte und er somit weiterhin keine Anstalten machte, sich zu bewegen, gar die Kiste endlich auch zu verlassen, dann allerdings in einem etwas strengeren Ton befahl: „Gib auf, du übel miefender Schlafsack! Denn wenn du auf die Uhr schaust, dann wirst du rasch merken, dass unser guter Glomp das an zeitlichem Gewinn schon lange mit eingepreist hat.“

Was der Diener an seiner Seite sofort nickend bestätigte.

Dann, während er sich auch im Stehen weiter reckte und streckte, fügte der Kämpfer noch an, allerdings bereits wieder freundlicher im Ton: „Kein Wunder, ist es ja eigentlich sonst immer er, der in diesem Haus um jede Sekunde Faulheit kämpft.“

Was dem Diener sofort wieder dieses gequälte Grinsen über das Gesicht schickte, das nur für kurze Zeit besiegt schien. War es doch in der Tat sonst immer er, der nur schwer von der Couch zu lösen war. Schlimmer noch als ein festgetretener Kaugummi aus dem Teppich. Dann jedoch nickte er noch eifriger als schon zuvor, wenn auch weiterhin stumm, und deutete mit seiner rechten Hand demonstrativ auf die große Uhr, die in der Küche über der Spüle hing. Zum Beweis, wie Recht Broms auch mit dem Rest seiner Aussage hatte.

Sodass das Wunder dann doch noch geschah. Oder es machte zumindest den Eindruck, denn endlich schien sich Anthony in sein Schicksal fügen zu wollen. Immerhin richtet er sich jetzt sogar ein kleines Stück auf. Wobei er aber verwirrt blinzelte und immer wieder nur missbilligend den Kopf schüttelte.

Zum einen natürlich wegen der Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen, das sich genau neben ebendieser Uhr in der Küche befand und die nun auch seine Augen suchten, und zum anderen, und das eigentlich noch viel mehr, um so vielleicht doch noch ein paar Sekunden von der soeben zitierten Faulheit zu gewinnen. Denn so verwirrt er sich auch gab, er war es nicht. Konnte er es gar nicht sein, waren die Zeiger der Uhr doch lang genug, um alle Zweifel zu beseitigen. Trotzdem murmelte er: „Seid ihr beide euch da wirklich sicher?“

Natürlich, ohne Frage, auch wieder nur eine dieser Fragen, die gar keine war, sodass auch diesmal nicht ernsthaft mit einer Antwort gerechnet wurde.

Dennoch bekam der kleine Zauberer eine. Zudem eine, die darüber hinaus sehr deutlich ausfiel. Allerdings nicht mündlich und auch nicht vom falschen Diener, den man schon seit Jahren den wohl begnadetsten aller Körperwandler im ganzen Universum nannte und dessen rechter Arm weiter eisern auf die Zeiger der Uhr deutete, sondern von Broms. Der das billige Manöver sofort durchschaute. Der griff nämlich mit seiner rechten Hand, die sich mit dem Rest des Körpers inzwischen ausgiebig genug gestreckt und gereckt hatte und schon deswegen ganz begierig nach einer neuen Aufgabe suchte, nun recht geschickt nach dem linken Fuß seines Kumpels und zog diesen ganz einfach in die Höhe. Geradezu spielerisch, als ob das gar nichts wäre. Als ob es sich bei ihm vielleicht nur um ein Kissen handelte.

Was sofort Bewunderung erweckt, sie geradezu einfordert, wenn auch nicht gerade in diesem Moment auf Anthonys Seite. Denn da ja auch er auf dieser Welt ein Roboter war, einer aus der Reihe X3-Z04, und somit so menschengleich, dass ihn fast nichts mehr vom Original unterschied, bis auf den Chip in seinem Kopf, mit Blut, Fleisch und Knochen, strebte jetzt nicht nur sein Fuß in die Höhe, sondern selbstverständlich auch sein restlicher Körper. Wobei der Kämpfer aber wieder nur laut auflachte und spöttisch sprach: „Ich sagte es dir doch gerade eben schon, Ant, gib auf. Es hilft dir alles nichts.“

Erschreckt ob dieser Dreistigkeit riss der kleine Zauberer darum die Augen immer weiter auf. Nein, damit hatte er nicht gerechnet. Und so müde er gerade noch war, so laut schrie er jetzt: „Lass mich sofort herunter, du tumber Kämpfer! Du einfältiger Klotz von einem Roboter. Lass mich runter!“, und rot wurde dabei sein Kopf, rot und immer röter.

„Sofort?“

„Sofort!“

Doch „Halt!“, rief jetzt Ghlissun, der, obwohl er nur der falsche Diener war, dennoch genau wusste, was er dieser Rolle schuldig war. Als jemand, der Verantwortung dafür trägt, dass die Ware seines Herrn keinen vermeidbaren Schaden nimmt. Auch wenn es ihm als neues Familienmitglied, das er ja inzwischen eindeutig war, hatte er ja für das Team mit der Biene auf der Brust nicht nur einmal sein Leben riskiert*¹, schon eine gewisse Schadenfreude bereitet hätte, Anthony zurück in die Kiste purzeln zu sehen. Es hätte ihm gewiss ein wenig von der schlechten Laune genommen, die der Umstände wegen sich seit einiger Zeit in ihm breitmachte. Genau gesagt, mit dem Beginn der Mittelferien, die gestern erst ihr Ende fanden. Denn seitdem war ja eine Kamera in ihrem Haus installiert, genau über der Kiste. Eine, deren Aufgabe es war, alles haargenau zu beobachten, was sich hier tat.

„Ist ja gut“, murmelte Broms. „Ich habe verstanden.“ Der sich wohl soeben auch dieser Tatsache wieder bewusst geworden war.

Wofür auch sprach, dass aus seinem spöttischen Grinsen, als auch in seinen Gedanken Anthony bereits laut polternd in die Kiste zurückfiel und dort seine Gliedmaßen unkontrolliert unter und übereinander warf, nun immer mehr eines der Niederlage wurde. Nein, mit den Grauen Wachen legt man sich nicht an! Zumindest nicht, wenn man halbwegs bei Verstand ist und es vermeiden kann und nicht bereit ist, eines schrecklichen Todes zu sterben. Denn auch wenn nicht gewiss war, dass sie rund um die Uhr überwacht wurden, das wäre bei all den Kameras, die der neue Schulleiter bei den sonst noch teilnehmenden Teams hatte installieren lassen, auch kaum möglich, so war eines unbestritten, es war immer ein graues Auge, das ihr Haus dann nimmermüde kontrollierte. Und einzig ihr Badezimmer war dabei ausgenommen.

Also stellte der Kämpfer sich auf die Zehenspitzen und hob Anthony, der sich plötzlich nicht mehr zappelnd wehrte und auch nicht mehr schimpfte, was wohl aber vor allem daran lag, dass sein Kopf inzwischen ein einziger roter Punkt war und der Mund darin genug damit zu tun hatte, wie ein Karpfen nach Luft zu schnappen, über den Rand der Kiste hinweg und ließ ihn geradezu zärtlich auf den Boden sinken. Wo der dann aber erst einmal starr auf dem Rücken liegen blieb.

Allerdings nicht lange. Hatte der kleine Zauberer ja durch seine Handstandübungen auf der Erde, die er immer noch gewissenhaft fast jeden Tag machte, nur an den Samstagen, an denen er die zwei Sender bedienen musste, setzte er aus, eine gewisse Routine darin erworben, die Welt aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen. Wenngleich es dabei natürlich etwas gemächlicher zuging. Ist doch die Ruhe der Gliedmaßen das A und O eines jeden Handstands. Alles andere würde nur seine Statik bedroht. So schlimm, dass man ihn dann irgendwann nur noch einen Purzelbaum nennt. Also rollte er langsam zur Seite und sammelte Kräfte.

Als in seinen Lungen endlich wieder genug Sauerstoff war und auch sein Herz in seinem üblichen Takt schlug, da wollte er aber auch schon lospoltern. Was war das nur für eine bodenlose Frechheit seines besten Freundes? Was nahm der sich ihm da gegenüber bloß heraus? Nur weil der ein bisschen stärker war. Er hatte etwas mehr Respekt verdient. Immerhin war er schon lange nicht mehr der lausigste Zauberer, der jemals seine schmutzigen Füße in ihre ehrenwerte Schule gestellt hat. Auch wenn diese verdammten magischen Kristalle noch immer nur vereinzelt in seinem Blut schwammen. Doch nachdem auch sein Blick fast zwangsläufig aus dieser liegenden Position heraus die Kamera über der Kiste wahrgenommen hatte und auch er sich somit der tödlichen Gefahr wieder bewusst war, die diese ständig ausstrahlte, hielt er den Mund, so schwer es ihm auch fiel.

Im Gegenteil, ruhig rappelte Anthony sich auf und packte, kaum auf den Füßen stehend, den Kämpfer am Arm und sagte nur: „Hast ja Recht, mein guter Freund. Hilft alles nichts“, und eilte mit diesem Richtung Badezimmer. Wobei die Kamera über der Kiste sich aber natürlich sofort leise schnarrend auch in diese Richtung drehte und sie mit ihrem bösen, starren Blick verfolgte.

Was zum Glück aber kein Beweis dafür war, dass jemand am anderen Ende der Leitung ihr das in diesem Moment befahl. Das machte sie nämlich ständig, hatte sie doch einen Sensor, der auf Bewegung reagierte. So fein eingestellt, dass er sogar den Flügelschlag einer Fliege registrierte.

Keine Übertreibung, denn in der Tat, so empfindlich war die Kamera justiert. Dennoch zugleich so grob. Was aber nur auf den ersten Zuruf paradox klingt. Denn bei zwei Bewegungen zugleich entschied sich das Monster ja immer für die schnellere, wobei die Größe des Objekts keinerlei Rolle spielte. Was bewiesen war, denn das Team hatte das mehrfach überprüft. In allerlei Variationen. Und sich dann sogar zunutze gemacht.

Wobei es natürlich Ghlissun war, der dabei den Part der Fliege übernahm und scheinbar verzweifelt gegen das Fenster in der Küche flog. Immer und immer wieder. Und nicht Sims, beherrschte die kleine Körperwandlerin das mit Gewicht ja noch nicht so gut wie er, der wohl ohne jede Übertreibung der Begnadetste in diesem Fach genannt werden darf. Sie wäre in dieser Rolle sicher irgendwann splitternd durch das Glas geflogen. Gesetzt den Fall, sie hätte es geschafft, das Gewicht nur mithilfe der transparenten Flügel erst einmal in die Luft zu heben. Was bezweifelt werden darf. Darum verwandelte sie sich zumeist in eine Ratte. Oder in das, was einer Ratte auf Robotanien eben am nächsten kommt. Obzwar sie ja genau wusste, wie eine echte Ratte auszusehen hat, war solch ein Körper ja das zweite Zuhause ihrer Seele auf der Erde. Und drang dergestalt durch ebendieses Fenster von außen kommend ein. Das in diesem Fall natürlich zuvor einen Spalt geöffnet worden war. Um mit emsig trippelndem Schritt, die Nase schnuppernd in alle Richtungen streckend, die Küche mit all ihren vielen Ablagen zu untersuchen.

Was letztendlich seinen Sinn aber genauso gut erfüllte, sodass der Rest des Teams im Rücken der Linse seine Ruhe hatte und die Dinge tun konnte, die getan werden mussten, die aber keine Graue Wache jemals sehen sollte, und der neue Schulleiter erst recht nicht. Denn solange das ohne rasche Bewegungen geschah, waren sie in Sicherheit. Nein, bloß keine Hektik!

Jetzt hatte der falsche Diener allerdings anderes zu tun, als sich in eine Fliege zu verwandeln. Kaum dass Anthony und Broms die Tür des Badezimmers hinter sich geschlossen hatten, machte er sich daran, das andere Abteil der Kiste zu öffnen. Wobei er aber bereits wieder einen erheblich fröhlicheren Eindruck machte, wiewohl es doch ziemlich anstrengend für ihn war, den Deckel allein in die Höhe zu stemmen. War doch Frohsinn der Charakterzug, für den er sonst bekannt war. Auch wenn die Linse der Kamera sich wie selbstverständlich jetzt leise schnarrend von der Badezimmertür abließ und sich wieder auf ihn richtete.

Gute Laune war aber auch angesagt. Schon deswegen, erwartete den falschen Diener jetzt ja nicht nur seine Schwester im Geiste, nämlich Sims, die auf dem besten Weg war, ein genauso begabter Köperwandler zu werden wie eben er, sondern auch Ramshin. Vor allem aber erwartete ihn deren Gesang. Der so schön war, als komme er von einer anderen Welt. Wenn er nicht sogar an die Engel selbst erinnerte, wenn denn Engel auf Robotanien bekannt gewesen wären. Und wenn er ehrlich war, was er schon allein darum war, weil es ja keinen Grund zum Leugnen gab, dann hatte der falsche Diener sich eigentlich schon gleich nach dem Aufstehen darauf gefreut. Wie eigentlich jeden Tag. Hatte Ramshin doch, selbst für eine Weise, eine ungewöhnlich klare Stimme.

Wenn sie nicht sogar die klarste Stimme aller Weisen hatte. Was nicht nur sofort Ghlissun beschworen hätte, sondern natürlich auch alle anderen aus dem Team mit der Biene auf der Brust. War es ihnen doch ein täglicher Genuss. Und gewiss auch noch so manch anderer kleiner Roboter, der so wie sie auf eine Schule in Ibalon ging, um irgendwann das Große Abenteuer zu erleben. Weil er vielleicht schon einmal in einem Flur oder in einem der Klassenzimmer das Vergnügen hatte, ihr lauschen zu dürfen, und sei es nur für Sekunden. Und sogar manch einer aus dem Hause des Fürsten derer von Ibalon hätte sich im Lob ergangen. Wenn er denn objektiv war. So wie Agada. Wozu aber bekanntermaßen nicht alle aus diesem Haus neigten.

Nein, ganz gewiss nicht! Und vor allem einer ist da zu nennen: Malon. Malon Nummer Acht. Schon deswegen, weil der sich mit Inbrunst ja schon vom Anbeginn aller Zeit Anthonys Intimfeind nannte. Schon von dem Tag an, als sie alle zusammen aus dem Brunnen stiegen, um das Licht dieser Welt zu erblicken. Aus dem einfachen Grund, weil sein Blut voll von ebenjenen magischen Kristallen war, an denen es dem anderen so schrecklich mangelte. Es aus fast nichts anderem zu bestehen schien. Dick und knirschend sei es, wie zerbrochenes rotes Glas. Was zumindest er selbst immer gerne behauptete. Dieser miese, kleine Angeber.

Tief holte der falsche Diener Luft, liegt im Anfang doch immer das härteste Stück Arbeit. Das ist bekannt. Dann aber machte er sich ans Werk. Brauchte aber dennoch, obschon er alles gab, für die ersten zwei Zentimeter, die der Deckel sich hob, schier eine kleine Ewigkeit. Wobei ihm die Mühe allerdings versüßt wurde, genügte doch bereits dieser kleine Spalt, dass die wunderbare Melodie, die Ramshin eben jeden Morgen sang, sich sofort im ganzen Raum verbreiten konnte. Sich somit auch über sein angestrengtes Keuchen legte wie zarter Schnee über eine triste Landschaft. Aber erst nachdem es ihm gelungen war, seinen rechten Fuß mit einem der Tischbeine hinter sich so verstricken, dass beides wie eine Einheit wirkte, konnte der falsche Diener endlich auch mit der Kraft der Beine arbeiten. Sodass der Abstand des Deckels zum Rest der Kiste doch noch stetig stieg. Und immer weiter presste er mit hochrotem Kopf. Denn er sah zwar so aus wie der wahre Glomp und wog sogar bis auf das Gramm genau das Gleiche, war aber in Wirklichkeit von einer ganz anderen körperlichen Konstitution. Sein echter Leib war ja viel kleiner, von der Höhe vielleicht nur ein Drittel, vor allem aber viel graziler.

Wobei aber auch noch mit einberechnet werden muss, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser kaum vorhandenen Kraft ja beständig dabei verloren ging, um ebendieses Gewicht auf das Gramm genau zu halten. Ist das doch die schwierigste aller Übungen. Was ein jeder weiß, nicht nur der, der im Fach des Körperwandelns zu Hause ist. Denn das genau so aussehen wie, das ist nicht schwer, das genau so zu sein dagegen sehr.

Ja, diese Wahrheit, so gänzlich unverrückbar, sie gilt sogar für den begnadetsten aller Körperwandler, den das Universum je sah. Somit konnte er nur hoffen, dass in diesem Moment gerade niemand an dem Monitor saß, an den die Kamera über ihm ihre Signale sendete. Jemand mit kalten, grauen Augen, die nur darauf warten, endlich etwas zu entdecken, das von der Normalität abweicht und somit Verdacht erweckt. Etwas, das wie ein schwächlicher Diener agiert. Wie einer, der kurz vor der endgültigen Abschaltung steht. Denn darauf sind diese Augen ja trainiert. Nichts anderes ist der Sinn ihres Seins. Zumal es eine weitere Wahrheit ist, nicht minder unverrückbar, hat eine Graue Wache eine verdächtige Situation erst einmal als eine verdächtige Situation ausgemacht, dann lässt sie nur ungern locker.

Was für eine grauenhafte Vorstellung! Zum Glück war die Wirklichkeit weitaus fröhlicher. „Guten Morgen, mein guter Glomp!“, rief Sims. Die, kaum dass der Deckel endlich weit genug aufgeschwungen war, dass sie sich gefahrlos aufrichten konnte, ihr Haar ein Stück wachsen ließ, und dieses dann, wie den Schirm einer Basketballkappe, vor ihre Augen warf. Wegen der Sonnenstrahlen, die natürlich jetzt auch sie durch das Küchenfenster hindurch zu blenden suchten.

Ist das doch wiederum eine der leichtesten Übungen für einen Körperwandler. Wie auch, das Haar ständig in anderen Farben zu tragen. Womöglich die eine Seite schwarz, die andere weiß, genau am Scheitel entlang, oder, nur eine Sekunde später, genau andersherum. Was ja schon immer Sims Lieblingsfrisur war und ihr eindeutiges Erkennungsmerkmal. So auch jetzt.

Ramshin, die man hingegen nur eine äußerst mäßig begabte Körperwandlerin nennen muss, nicht nur, weil dieses Fach für sie ja nur ein Nebenfach war, sondern auch weil es ihr ganz einfach an Talent mangelte, wenn auch nicht an Ehrgeiz, und die somit schon froh war, wenn es ihr gelang, etwas mehr Rot auf ihre Wangen zu legen, indem sie nämlich ganz einfach die Luft anhielt, konnte sich natürlich nicht derart schützen. Somit musste sie, nach so langer Zeit in absoluter Dunkelheit, so wie die beiden Knaben, im Angesicht so vielen Lichts erst einmal heftig blinzeln. Dann sogar laut niesen, weil dieses in ihrem Fall ja auch noch in die Nase kroch und diese kitzelte. Was sie natürlich davon abhielt, weiter ihre wunderbare Melodie zu summen. Wenngleich auch sie dem falschen Diener dann einen Guten Morgen wünschte.

Dies im Ohr, verbeugte der sich natürlich sofort und erwiderte: „Auch ich wünsche den beiden jungen Roboterdamen einen wohlgelaunten Tag!“ Und während er ihnen seinen Arm reichte, den aber beide höflich ablehnten, wussten sie ja um den Mangel an Kraft in diesem Arm und darum, dass diese Geste nur dazugehörte, die Rolle eines perfekten Dieners zu erfüllen, da sprach er auch schon weiter: „Auch wenn Sie sich wohl noch ein wenig gedulden müssen, haben die beiden jungen Herren Roboter doch gerade soeben erst das Bad belegt.“

Was Sims sofort laut aufstöhnen ließ: „Oh, verdammt!“

Und auch Ramshin rief: „Bitte nicht! Was für ein Unglück!“

Wozu beide Mädchen sich allerdings verschmitzt zulächelten und fast zeitgleich in gespielter Resignation mit den Schultern zuckten. Denn auch das war ja nur ein Ritual. Hatte Broms sich doch schon am Semesteranfang mit dieser Reihenfolge endgültig durchgesetzt.

Endlich, so will man sagen. Was aber auch Ghlissun einsah. Wiewohl der ja zuvor so oft zuerst das Abteil der Mädchen geöffnet hatte, schon wegen des wunderbaren Gesangs. Wenn auch zumeist, um die Wahrheit mit einem Eid zu stützen, einfach nur aus Vergesslichkeit. Und diese dann das Bad für lange Zeit blockierten. So wie es von jungen Damen nun einmal zu erwarten ist, auch wenn diese Roboter sind und ihre Pubertät erst mit einigen Spritzen voller Hormone angeregt werden musste. Denn Broms weigerte sich dann irgendwann standhaft, in der Zwischenzeit den Tisch für das Frühstück zu decken, sodass der falsche Diener, als er noch so gerne in seiner wahren Gestalt auf dem Sofa des Wohnzimmers herumlümmelte, tatsächlich aufstehen musste, um diese Arbeiten zu erledigen. Denn wer von ihnen beiden der Stärkere war, das bedurfte keiner Diskussion. Die Mädchen hingegen waren da wesentlich pflegeleichter. Sie kamen nicht einmal auf die Idee, in diesem Punkt Widerstand zu leisten. Somit fand die Regelung sein Wohlwollen und endlich auch sein Zutun.

Auch jetzt wollte Sims Ghlissun sofort zur Seite springen, der auf dem Weg in die Küche war. Doch ein kurzes „Tsss!“ von Ramshin hielt sie zurück. Das und ein verstohlener Blick, den diese nach oben zur Kamera hin folgen ließ.

Was Sims sofort verstand. Ein Roboter, der auf eine Schule geht, um für das Große Abenteuer zu lernen, der hilft seinem Diener nicht. Selbst dann nicht, wenn das Team, dem er angehört, sehr arm ist und eben nur diesen einen Diener besitzt. Also drehte sie um neunzig Grad ab und begann plötzlich ihren rechten Arm weit auszustrecken.

Allerdings nicht in der Art, wie das ein normaler Mensch tut oder auch ein Roboter. Nein, der der kleinen Körperwandlerin wurde dabei immer länger und länger. Erst einen Meter, dann zwei, letztendlich sogar drei. Wozu sie nur etwas gelangweilt sagte, den Kopf Ramshin zugewendet: „Nun gut, dann nutzen wir halt die Zeit für ein bisschen Training.“

Was die kleine Weise sofort mit einem stummen Nicken guthieß. Nicht minder unaufgeregt, denn einen Arm zu sehen, der plötzlich fünfmal so lang ist wie ein normaler, war auch für sie nichts Außergewöhnliches. Ging sie ja auf eine Schule, in der es für immerhin ein Viertel der Schüler zum normalen Unterrichtsstoff gehört, eben das zu lernen und irgendwann auch umzusetzen. Auch wenn sie da nicht dazugehörte. Von ihr wurden ganz andere Dinge erwartet.

Dann drehte auch sie von der Kiste ab, allerdings in die entgegengesetzte Richtung, wobei sie, wie selbstverständlich, plötzlich ein Buch in der Hand hielt und feststellte: „Du hast Recht, lernen kann man nie genug.“ Den Blick bereits tief in die Seiten versenkt, schlurfte sie auf das Sofa zu, das in dem Teil des Raumes stand, den sie alle ihr Wohnzimmer nannten. Denn Bücher, das war nun einmal ihre Welt. Und sie zu lesen, gehörte zu ebendiesen Dingen, die wiederum von ihr erwartet wurden. Dort angelangt, ließ sie sich in die Kissen fallen, bereits wieder eine ihrer fröhlichen Melodien summend.

Zum Glück, denn voller Neid war ihr Ghlissuns Blick gefolgt. Der diesen Platz ja eigentlich als den seinen ansah. Auf dem er, ohne Kamera, jetzt zweifellos liegen würde. Wie jeden Morgen. Morgen, Mittag und Abend. Die Musik aber versöhnte ihn mit den neuen Umständen, während er einen Teller nach dem anderen auf den Tisch stellte und das Besteck dazu legte. Dann folgten noch die Brötchen, zwei Körbe voll, von denen aber einer allein für Broms gedacht war, die Milch, der Honig, und, und, und...

Wovon beide Mädchen allerdings keine Notiz nahmen. Auch nicht Sims. Vielmehr war die noch immer mit dem Strecken ihres Armes beschäftigt, dem die drei Meter scheinbar noch immer nicht genug waren und der somit erst kurz vor der Badezimmertür Halt machte. Wo die Hand, die daran ja noch immer hing, die sich aber nicht verändert hatte, weder in Breite noch Länge, was jetzt sehr skurril aussah, sich erhob und mit einem ihrer Finger anklopfte.

Wozu der Mund, quasi am anderen Ende der Leitung, laut rief: „Mal ein bisschen flotter, die jungen Herren Roboter. Verspätung ist kein Delikt, das an einer Schule wie der in Ibalon so einfach hingenommen wird. Nicht einmal am ersten Tag nach den Mittelferien. Im Besonderen ein gewisser Doktor Wustlonom soll deswegen schon den ein oder anderen Delinquenten der endgültigen Abschaltung übergeben haben.“

Kurz war es jetzt still, seltsam still, denn das war ja eine immerwährende Drohung, dieser Lehrer ohne jede Gnade. Und nur das Surren der Kamera, die der Hand natürlich gefolgt war, vibrierte böse im Raum. Dann aber hörte man auch schon Broms auf der anderen Seite der Tür fröhlich antworten: „Ja, ja, mal halblang da draußen. Auch Drachen haben das Recht, ihre Krallen zu feilen, wenn es auf eine Hochzeit geht.“

Was natürlich nur wieder einer jener Sprüche war, der in seinen Kreisen in so einem Fall gesagt werden musste. Sonst war man ja kein richtiger Kämpfer. Bestand der ganze Tag bei ihnen ja quasi nur aus Sprücheklopfen. Morgens, mittags, abends. Bei manch einem von ihnen selbst im Traum. Zumindest bei den männlichen. Auch wenn es, seitdem sie sich ihre Bärte hatten wachsen lassen, etwas besser geworden war, wie Anthony fand. Anscheinend fanden sie sich langsam doch noch alle in ihrer Rolle zurecht. In ihrer Rolle als Kämpfer und Mann. Was nicht leicht ist und manch einer nie lernt. Egal, ob er ein Roboter ist oder nicht.

In der Tat, sogar ein Broms hatte so seine Schwierigkeiten damit. Was Anthony erstaunte, war sein Kumpel doch oft so ganz anders als all die anderen seiner Zunft. Manchmal fast schon wie ein Weiser. So klug und den Finger immer Wind, somit stets im Voraus wissend, wo der einem hart ins Gesicht bläst und wo er hinter dem Segel dieses immerzu nur nach vorne treibt.

Allerdings wie ein ungewöhnlich lustiger Weiser. Deren Riege wiederum ja noch nie dafür bekannt war, die größten Spaßvögel zu beherbergen. Und als ob es das zu untermauern gälte, da lachte der Kämpfer auch schon wieder und sprach: „Lange hält man es hier drinnen eh nicht aus. Es wird immer enger. All die Töpfe mit euren Cremes und Lotionen scheinen sich in den Mittelferien vermehrt zu haben. Ihr solltet ihnen verbieten, Kinder zu kriegen.“

Aber nicht nur er lachte, auch Anthony. Der, was die Mädchen zum Glück nicht sehen konnte, plötzlich einen der Tiegel in die Hand nahm, die in einer langen Reihe unterhalb des Spiegels standen, wie eine Armee aus einer anderen Welt, ihn öffnete und sich unter die Nase hielt. Diese aber sofort seltsam kräuselte, fast so, als ob der Duft von Essig sie reize, und den Tiegel erschreckt senkte.

Allerdings nur, um mit einem seiner Finger hineinzustoßen und sich mit diesem und der inzwischen darauf befindlichen Creme, ein dickes, weißes Fragezeichen auf die Stirn zu malen. Natürlich nicht das, das auf der Erde diese Bedeutung hat, sondern das, das auf Robotanien auf Verständnis trifft. Und sich so, eine fette Grimasse ziehend, seinem Kumpel zuwandte.

Was den wiederum vor lauter Heiterkeit jetzt aber fast dazu gebracht hätte, sich selbst eine schwere Verletzung zuzufügen. Wollte er doch gerade dazu ansetzen, mit einer kleinen Schere in der Hand, seinen Bart über der Oberlippe zu stutzen. Denn so wild er kurz nach dem Aufwachen mit diesem gewirkt hatte, so eitel war der Kämpfer in Wirklichkeit. Wie übrigens so viele andere seiner Zunft. Im letzten Moment bremste er zum Glück sein Vorhaben. Ein paar Tropfen Blut rannen aber trotzdem.

„Verdammt!“, rief er und beugte sich sofort noch weiter nach vorne, dem Spiegel zu. Nur um, während die Zunge mit langsam kreisender Bewegung noch immer die Wunde untersuchte, sogleich Entwarnung zu geben. „Noch einmal … gut gegangen … Nicht allzu viel … von dem roten Saft zu sehen … Schon Schlimmeres erlebt.“

Was Anthony jetzt seltsamerweise zu dem Satz veranlasste, gleichwohl er voller Schuldgefühle war: „Wer schön sein will, der muss leiden.“

Was natürlich ein Spruch von der Erde war. So wie der kleine Zauberer generell gerne einmal das ein oder andere, was ihm gefiel, in sein jeweils zweites Leben einfließen ließ. Egal, in welcher Richtung dieses zweite Leben zu suchen ist. Und das, obwohl es gar nicht gut war, die Welten miteinander zu vermischen. Nicht einmal bei solch Kleinigkeiten. Was er eigentlich wusste.

Es war ein Spruch, den Broms aber scheinbar noch nicht kannte und der ihm noch dazu zu gefallen schien. Denn breit grinste der schon wieder. Was bei all dem Blut, das sich noch auf seinen mächtigen Zähnen und auf den Lippen befand und welches die Zunge eher verteilt als denn verschwinden hatte lassen, jetzt allerdings einen ziemlich gegenteiligen Effekt hatte. Sah er doch so keineswegs mehr aus wie ein Weiser, schon gar nicht wie ein ungewöhnlich lustiger Weiser, sondern eher wie ein Raubtier nach einer grausigen Mahlzeit. Wohl weil beide Anteile tief in seiner Brust wohnten. Und keiner war Sieger über den anderen.

Umso erstaunlicher war aber, was der Mund dazu sprach: „Ach, Ant, du bist ja nur neidisch. Bei den paar Härchen, die bei dir sprießen, da tut es sicher auch ein Radiergummi.“

Was jetzt natürlich wieder ein Spruch aus der Gilde der Kämpfer war. Noch dazu einer, den Anthony nur zu kannte und der ihm an einem anderen Tag bestimmt auch ein bisschen wehgetan hätte, war doch in der Tat dieses Zeichen, das angeblich den großen Mann vom kleinen trennt, bei ihm noch so richtig vorstellig geworden. Wie so viele andere Zeichen auch, die das vermeintlich tun. Und nicht nur einmal fragte er sich deswegen, ob die vielen Hormonspritzen, die man ihnen allen bei der großen Inspektion verpasst hatte, in seinem Fall nicht wirkten, weil diese große Inspektion bei ihm ja eben nicht so abgelaufen war wie bei den anderen.

Wogegen allerdings sprach, dass er ja auch auf der Erde ein ziemlicher Spätentwickler war. Wenn man von der Körperlänge einmal absehen will. Denn beide Leiber waren so gut wie identisch. Nicht nur bei solch offensichtlichen Dingen wie der Augen- und Haarfarbe. Nein, sogar die Sommersprossen waren immer am gleichen Platz und nur der kleine Bauchansatz, den er auf der Erde trug, war weiterhin als einziger Unterschied auszumachen. Der ihm aber natürlich noch immer eine große Hilfe war, wenn er des Morgens erwachte, um zu wissen, auf welcher Seite des Spielfelds er sich gerade befand. Ein Griff dorthin genügte.

Jetzt aber war Anthony nur froh darum, dass sein Freund sich nicht wirklich ernsthaft wehgetan hatte. Darum wischte er sich das dicke, weiße Fragezeichen nachlässig mit dem Finger wieder von der Stirn und lachte über den Radiergummi. Wenngleich mehr aus Erleichterung.

Sims, auf der anderen Seite der Tür, die ihren Arm in moderatem Tempo wieder auf die gewohnte Länge schrumpfen ließ, konnte das alles natürlich nicht sehen. Zum Glück. Zum einen, wegen des vielen Bluts, das sich noch immer auf Broms Gesicht befand. Sie war, was den roten Saft anbetraf, nämlich sehr sensibel. Mehr noch bei den anderen Teammitgliedern als bei sich selbst. Auch bei dem Kämpfer. Und zum anderen, gab sie ja ein wahres Vermögen für all die Cremes und Tinkturen aus, die da im Badezimmer in ihren ungezählten Töpfen, Tiegeln und Flakons standen. Wozu sie aber nur immer sagte: „Ein Körperwandler muss auf sein Aussehen achten und vor allem auf seine Haut. Ist sie doch ganz anderen Strapazen ausgesetzt als die der anderen. Auch und vor allem, die Haut der Roboter aus der Modellreihe X3-Z04. Die so menschengleich sind, dass sie so oft so viel menschlicher sind als die Menschen selbst.“ Denn natürlich hatte der kleine Zauberer bei seiner Begabung mit so wenig Ursache wie möglich das größtmögliche an Unheil anzurichten, die teuerste Creme erwischt. Zudem einen nicht unerheblichen Batzen davon geraubt.Von dem sich auch mit bestem Willen nicht alles wieder ganz zurückstopfen ließ. Schon gar nicht, nachdem er zu Boden gefallen war und sich mit einigen Blutstropfen Broms vermischt hatte.

Noch einmal mit lautem Ruf mahnen, das musste die kleine Sims dann allerdings nicht. Die beiden Jungen verließen keine Minute später das Badezimmer, was hieß, dass jetzt sie und Ramshin an der Reihe waren.

Wobei sie dieses erstaunlicherweise aber nicht lange in Besitz nahmen. Zumindest nicht so lang wie in früheren Tagen. Wohl auch deswegen, stand ja jetzt niemand mehr ungeduldig davor, den man warten lassen konnte und somit ein bisschen ärgern.

Dann wurde gefrühstückt. Ohne viele Worte. Allein wegen der Kamera. Die es allerdings nicht schaffte, Broms in seinem Appetit zu bremsen.

Das aber war schlicht nicht möglich. Trotz der gedrückten Stimmung verschlang der so viel wie immer. Wenn es nicht sogar ein bisschen mehr war. Was sogar einen Grund hatte, wenn es dafür überhaupt eines Grundes bedurfte, lagen ja heute keine Pausenbrote bereit. Das übliche Bündel, das er sich in seinen Schulranzen stecken durfte und bei Bedarf, der bei einem Kämpfer bekanntlich sehr schnell entsteht, verspeisen konnte. Wenn es denn sein musste, sogar mitten im Unterricht. Denn hat der Kämpfer Hunger, dann hat sich dem alles andere unterzuordnen.

Nein, mit so einem Leiden spaßt man nicht. Ist doch Hunger das größte Unglück, das ein Kämpfer kennt. Manchmal schlimmer noch als ein abgetrenntes Bein. Nicht einmal ein Lehrer namens Doktor Wustlonom kam dagegen an. Er, der jedem Schüler einer anderen Ausbildungsrichtung, den er auch nur beim Knabbern an einem Keks während der Unterrichtsstunde erwischte, ohne zu zögern der endgültigen Abschaltung übergab. Was nicht nur einmal von ihm so schon bewiesen worden war.

Wobei der Verzicht auf die Pausenbrote jetzt aber nicht das Resultat davon war, weil das Team mit der Biene auf der Brust womöglich plötzlich zu Wohlstand und Reichtum gekommen wäre und sich somit anstatt der kargen Kost, und die Pausenbrote des falschen Glomps waren eindeutig das, karge Kost, jeden Tag die Mensa in der Schule leisten konnte, sondern weil schon zu Beginn dieses Semesters der neue Schulleiter beschlossen hatte, dass diese ab jetzt allen Schülern offenzustehen hat. Und zwar umsonst. Auch der Nachtisch und die Getränke. So viel man will. Was natürlich besonders die Kämpfer erfreute. Was aber nur zu dem Zweck geschah, dass er die Schüler so besser unter Kontrolle hatte. Nicht dass sich welche irgendwo im Gebäude herumtrieben und er nicht wusste: Wo?

So wurde es zumindest gemunkelt. Denn einen anderen Grund für diese nicht unerheblichen Kosten gab es nicht. Zumindest keinen, der ein Kind der Logik hätte sein wollen.

Nachdem auch der letzte Bissen, der, wie sollte es auch anders sein, sich natürlich zuvor in Broms Mund befunden hatte, den Schlund hinuntergerutscht war, erhoben sich die vier. Um dann, nur von einem kurzen „Tsss!“ unterbrochen, das einmal mehr Ramshin ausstieß, das diesmal aber Anthony galt, weil der, wie schon zuvor Sims, dem falschen Diener bei seinen Arbeiten helfen wollte, erneut das Badezimmer aufzusuchen. Nun zum Zweck des Zähneputzens. Was jetzt auch zu viert erlaubt war, ohne dass graue Augen an einem Monitor daran hätten Anstoß nehmen können. Wegen Sitte und Anstand.

Anthony, der der Letzte war, schloss leise die Tür hinter sich, wobei er aber kurz den Kopf schüttelte. Nicht weil er noch daran dachte, dass er der Kamera beinahe verraten hätte, dass es bei ihnen etwas anderes zuging als bei den anderen Teams, indem er Ghlissun beim Abräumen des Tisches und dem Abwasch half, sondern weil er sich gar nicht mehr daran erinnern konnte, wann eigentlich diese Unsitte eingerissen war, zweimal am Morgen das Bad aufzusuchen. Denn früher, als noch der wahre Glomp ihr Diener war, da waren sie aufgestanden und hatten vor allen anderen Dingen erst einmal ausgiebig gefrühstückt. So wie sich das gehört. Zumeist noch in ihren Schlafanzügen. Die sie erst ablegten, und zwar alle gemeinsam, als sie darangingen, sich zu waschen und die Zähne zu putzen. Jetzt aber war das eine plötzlich vom anderen getrennt. Wobei die große Inspektion nicht allein die Ursache dafür sein konnte. Denn Sitte und Anstand waren nur Grund dafür, dass die Frauen und die Männer beim Ausziehen sowie beim Ankleiden unter ihresgleichen zu sein hatten. Wenn es denn überhaupt einen Grund dafür gab, denn er hatte Sims und Ramshin ja schon oft zuvor nackt gesehen und wusste somit, was das eine Geschlecht vom anderen trennt. Aber wahrscheinlich war es, weil der falsche Diener sich dann irgendwann generell geweigert hatte, seinen haushälterischen Pflichten nachzukommen. Angefangen mit dem Zubereiten des Frühstücks. So war alles in Unordnung geraten. Das und seine Unart, die Knaben nicht immer vor den Mädchen aus der Kiste zu entlassen.

Das Zähneputzen dauerte dann wiederum erstaunlich lang. Aber nicht, weil vielleicht Broms‘ Beißer einer besonderen Pflege bedurft hätten, aufgrund dessen, was sie täglich so alles zermalmen mussten, sondern weil die vier das Bad dann picobello sauber machten. Die Spiegel abwischten und abtrockneten, und auch die Kacheln. Sogar die Schmutzwäsche sortierten und in die jeweils richtigen Körbe warfen. Dunkles zu Dunklem, Helles zu Hellem. Obwohl sie ja einen Diener hatten, der sich wegen der Kamera jetzt halbwegs wieder auch wie so einer benahm. Es wegen dieser aber in diesem Fall nicht machen musste.

Was wieder einmal so klingt, als ob es nicht passen kann. Noch dazu, weil dieser Diener dann auch noch keine Dankbarkeit zeigte, nachdem die vier das Bad endlich wieder verlassen hatten und sich im Flur bereits die Jacken und Schulranzen überwarfen. Ganz im Gegenteil, die Tür zum Bad theatralisch aufreißend rief der nämlich sofort, fast schon entsetzt: „Du lieber Roboter, wie sieht es denn hier aus! Das ist ja wie immer der reinste Saustall. Ihr vier werdet es wohl nie lernen. Ich werde wohl mindestens zwei Stunden brauchen, wenn nicht noch einige mehr, um da halbwegs wieder Ordnung hineinzukriegen.“

Wobei sein Verhalten seltsamerweise jetzt aber nicht das einzig Erstaunliche an dieser Szene war. Denn anstatt betretener Blicke, aus dem Grund, weil dem so war, wie er es sagte, oder vielleicht sogar wegen des totalen Gegenteils, erntete er nur Gelächter. Wozu er, bevor das Team dann endgültig das Haus verließ, aber nur Broms‘ Stimme hörte, die da lapidar sprach: „Nun hab dich mal nicht so, mein guter Glomp. Du bist unser Diener. Als ein solcher hast du dich eben um diese Dinge zu kümmern. Das ist der Sinn deines Seins. Wir hingegen brauchen all unsere Kraft für unsere Ausbildung.“

Und dann klang es nur noch abschließend im Chor: „Wir wünschen dir trotzdem einen angenehmen Tag, du schwer schuftender Roboter! Mach es gut. Bis heute Abend.“ Und hinter den vieren schloss sich die Haustür.

Was aber hatte das ganze Theater zu bedeuten? Was war der Sinn dieses dramatischen Aktes? Denn nichts anderes war es ja. Allerdings ein Akt, der nur zu dem einen Zweck aufgeführt, um ein graues Auge oder auch Ohr an einem Monitor in Ruhe zu wiegen. Wenn sich in diesem Moment denn dort eines befand. Denn da das Badezimmer so ziemlich der einzige Bereich des Hauses war, der von der Kamera nicht einsehbar war, war es nicht nur das, ein Badezimmer, sondern auch ein Ruheraum. Zumindest für einen Diener, der so ungern ein Diener war. Auch wenn er dem wahren Glomp einst etwas ganz anderes versprochen hatte. Denn der Wille war zwar da, nur das Fleisch, es war so unendlich schwach.

Natürlich gab es noch den ein oder anderen Winkel im Haus, der von der Linse nicht direkt einsehbar war. Wie das Eck neben dem Fernseher und dem Bücherregal oder auch ein kleines Stück vom Flur. Aber das alles war bei Weitem flächenmäßig nicht genug, als dass man sich dort für Stunden hätte verstecken wollen, geschweige denn, es sich dort hätte gemütlich einrichten können. Was der falsche Diener jetzt nämlich sofort machte. Wobei er vorhatte, mindestens die von ihm prognostizierten zwei Stunden vollzumachen, da ja alles bereits glänzte und blitze. Somit die Arbeit schon getan war, die er angeblich vorhatte, noch zu tun.

Nein, kein graues Auge konnte Verdacht schöpfen, dass in diesem Haushalt ein schwächlicher Diener agierte. Einer, der womöglich schon kurz vor der endgültigen Abschaltung steht. Denn einen solchen zu finden, darauf sind diese Augen ja trainiert. Nichts anderes ist der Sinn ihres Seins. Dafür war dieser Trick einfach zu gut.

Ausgepowert und erschöpft seufzte Ghlissun, nachdem er die Badezimmertür hinter sich geschlossen hatte, und setzte sich erst einmal auf einen der zwei Hocker, die dort gleich neben dem Eingang standen, denn in der Tat, er war im Moment nichts anderes als das, ausgepowert und erschöpft. Somit auch ein schwächlicher Diener, der tatsächlich womöglich kurz vor der endgültigen Abschaltung steht. Doch wo kein Beweis, da kein Urteil. Er wusste sich in Sicherheit. Dann, als sein Puls wieder die Höhen dieses scheinbar nie enden wollenden Marathonlauf verlassen hatte, ging er zu dem großen Spiegel an der Wand und ließ in eines der vier Handwaschbecken, die sich direkt darunter befanden, Wasser ein, denn ein wenig wie ein Fisch in den Wellen zu planschen, war genau das, was er jetzt brauchte. Nichts entspannte mehr. Auch weil er nicht einmal darauf achten musste, ob das Fenster geschlossen war, denn das Badezimmer hatte zwar eines, aber von der Art, die man nicht öffnen kann. Für die die fauligen Düfte des Darms gab es eine Lüftung in der Decke. Nicht so wie in der Küche, wo ein Fenster, das eben doch offenstand, einst zu einem dummen Zufall führte, dem eine Serie von Geständnissen im Windschatten folgte. Wobei der dumme Zufall der war, dass ihn die Katze bei so einem Bade in der dortigen Spüle überraschte und das erste Geständnis das, dass er dem Team offenbaren musste, dass er gar nicht der wahre Glomp ist, sondern nur dessen Kopie. Zumindest was das Äußere betrifft, mental waren die Unterschiede ja gewaltig, nicht nur was das schwache Fleisch anbetrifft. Von der Zauberei gar nicht erst zu sprechen. Was im Nachhinein besehen aber nicht nur Nachteile hatte. Ganz im Gegenteil! Zumal dann ja auch noch Anthonys Geständnisse folgten. Gleich mehrere an der Zahl.

Nichtsdestotrotz, so ein Abenteuer brauchte er, den man wohl den Begnadetsten seines Faches nennen darf, nicht noch einmal. Nie hatte er mehr Angst gehabt in seinem bis dato nicht gerade ereignisarmen Leben als in diesem Moment. Als scharfe Krallen pfeilschnell durch das Wasser schnitten und ihm nicht nur eine Schuppe von der Haut lösten.

Nach einer knappen Minute war es aber genug, der Pegel des Wassers stand bis zum Rand. Ghlissun drehte den Hahn zu, sprang in die Höhe, wobei er noch mitten in der Luft die Gestalt wechselte und sich in einen kleinen, bunten Fisch verwandelte, und tauchte mit einem fröhlichen Spritzen in das Wasser ein.

Ach, wie ihm das guttat. Geschwind wackelte er mit den Flossen und drehte ein paar schnelle Runden. Er war den vieren ja so dankbar. Nein, sie waren keine Roboter, die nur an sich dachten. Von denen es ja nicht gerade wenige gab. Besonders unter denen, die auf eine Schule gehen, wo der kleinste Fehler schon die endgültige Abschaltung bedeuten kann. Wo ein jeder geradezu dazu gezwungen ist, sich selbst der Nächste zu sein, um letztendlich das große Abenteuer erleben zu dürfen. Denn nichts anderes als dem dient ihr aller Streben. Nein, durch die Bank hatten sie ein Herz. Und eines war dabei größer als das andere. Und sie hatten sogar eine Seele, wenn man denn Anthonys Erzählungen glauben konnte. Aber warum sollten sie eine solche nicht haben? Nur weil sie Roboter sind. Was für ein Unsinn.

 

 

Das Verhör

 

„Ich habe dich gehört!“, rief Frau Watenbloom.

„Was?“, antwortete Anthony, der kein Wort verstanden hatte, da der Fernseher wie immer viel zu laut lief. Eine Quizshow. Was sonst? Die liebte die alte Dame. Sie saß in ihrem Sessel, der in dem Wohnzimmer neben dem Bett stand, das schon deswegen jetzt auch das Schlafzimmer war.

Nach einem ohrenbetäubenden Tusch hörte man den Moderator rufen: „Und jetzt für 500 Punkte: Das größte Säugetier der Erde?“

„Der Blauwal!“, rief sie.

Anthony hingegen befand sich im Flur. Er war ja gerade erst nach Hause gekommen. Oder in das, was er sein neues Zuhause auf der Erde nannte. Das andere, in dem großen Mietshaus, in dem er so viele Jahre mit seinen falschen Eltern gewohnt hatte, war ja in so dramatischer Weise verloren gegangen.

„Ich habe am Nachmittag wieder so nett geträumt“, rief die alte Dame. Wovon jetzt immerhin die zweite Hälfte gut zu verstehen war. Hatte sie es ja geschafft, den Lautsprecher des Fernsehers mithilfe der Fernbedienung auf stumm zu stellen.

Das dauerte immer ein paar Sekunden. Nicht weil sie vielleicht bereits so viele Jahre in ihrem faltigen Gesicht verbarg und sich ihr Geist schon deswegen so oft hoffnungslos im Garten der Realität verlor, was er ganz zweifellos immer wieder tat, sondern weil die Batterien in der Fernbedienung ziemlich alt waren. Da half auch kein Klopfen auf den Fenstersims, was die alte Dame gerne machte und auch jetzt erst unterließ, nachdem ein seltsames Knacken aus dem Gerät zu hören war. Was sofort einen fragenden Ausdruck über ihr Gesicht huschen ließ.

Anthony wusste dennoch Bescheid. Das Stichwort war ja bereits gefallen. Zudem war er dies Thema betreffend ja immer extrem hellhörig. „Geträumt? Wieder von der Schule?“, fragte er und hängte seine Jacke an einen Knauf der Garderobe.

Der fragende Ausdruck auf dem Gesicht der alten Dame verschwand so schnell wie er gekommen. „Ja!“, rief sie und strahlte bereits wieder. „Und weißt du was, das ist doch eine sehr seltsame Schule, von der ich da immer träume.“

Kurz sah Anthony in den Spiegel, der neben der Garderobe hing, und strich sich das Haar aus der Stirn, sodass, obwohl dieses gleich wieder in seine alte Lage zurückfiel, der Leberfleck für einen kurzen Augenblick gut zu erkennen war, der dort seit seiner Geburt prangte. Jener, den man nicht einmal mit viel Scheuermilch entfernen konnte. Aber auch nicht mit Essig, wie es einst seine falsche Mutter immer wieder versuchte. Die ja eigentlich ein Wächter von Xan war und Tzomnilün Grömlümün hieß und von einem Planeten namens Frokkmanil stammte. Und die mit seinem falschen Vater, dessen wirklicher Name wiederum Raptonom Waltonom war und der von dem Planeten Ardomson stammte, zurzeit einen langen Schlaf schlief, unter dem Boden einer Hütte, die tief im Wald versteckt liegt.

Und nur der Gedanke daran ließ plötzlich ein säuerliches Grinsen über Anthonys Lippen huschen, der dann aber doch noch fragte: „Komisch? Inwiefern?“

Worauf er sofort zur Antwort erhielt: „Nun stell dir einmal vor, diesmal habe ich im Unterricht sogar ein wenig zaubern gelernt. Ist das zu glauben?“

Anthony ging ein paar Schritte, verließ den Flur und betrat die Küche, wo er die alte Dame endlich auch im Blick hatte. Durch den Türrahmen hindurch, an den er kurz dreimal höflich klopfe, was er ja immer machte, auch wenn sein Erscheinen, wie eben jetzt, keine Überraschung mehr war, eben der Höflichkeit wegen, um sich dann ein wenig erschöpft an diesen zu lehnen, wobei er aber relativ fröhlich feststellte: „Das ist ja toll! Was genau haben Sie denn genau gezaubert? Ein Kaninchen aus einem Zylinder?“

Ein dummer Scherz, den er sich einfach nicht verkneifen konnte. Der der alten Frau dennoch zu gefallen schien. Sie kicherte. „Aber nein doch, nicht so etwas Albernes. Wir mussten einem Stuhl ein Bein wegzaubern.“

„Einem Stuhl ein Bein wegzaubern?“ Anthony runzelte die Stirn und tat so, als ob er überlegen müsse.

Aber nicht in die Richtung, die sich scheinbar anbot. Denn selbstverständlich hegte er keinen Zweifel an den Worten der alten Dame. Seine Gedanken kreisten vielmehr darum, dass das eindeutig ein Zauber war, den man auf Robotanien schon im ersten Semester lernt. Zumindest wenn man die Ausbildung zum Zauberer durchläuft. Einer, der sogar mit einem ganz gewöhnlichen Zauberstab ausgeführt werden kann, der ja nichts anderes als ein Materietransformator ist. Nicht einmal einer aus Silberquarz ist dafür nötig. Gebacken in einem Höllenofen für über ein Jahr. Erstaunlich, dass Ramshin noch nicht weiter war. Aber natürlich war sie keine Hexe und das Ganze nur ein Nebenfach für sie. „Ist das nicht ein bisschen unpraktisch?“, fragte er dann.

„Aber ja doch!“, rief Frau Watenbloom. Dann kicherte sie wieder: „Andererseits auch nicht. Ich habe nämlich ein Mädchen, das ich nicht leiden mochte, so auf den Hintern plumpsen lassen.“

Anthony zog die Augenbrauen nach oben. Hoppla! So was hätte er der immer braven Ramshin gar nicht zugetraut. Spielerisch mahnend hob er den Zeigefinger und sprach: „Na, na, na! Sie sind mir aber eine. Das ist aber ganz schön frech.“

Was seine Wirkung nicht verfehlte. Die alte Dame wurde sofort ein bisschen rot um die Backen herum und gestand: „Ich wollte es ja eigentlich auch gar nicht. Es war eher ein dummes Versehen.“

Ein Versehen? Wieder zog Anthony die Augenbrauen nach oben, denn auch das war Ramshin so eigentlich nicht zuzutrauen. Dann aber lächelte er plötzlich still vor sich hin, denn vielleicht sollte er ihr gegenüber nicht so einen strengen Maßstab anlegen. Nach dem letzten Semester hatten sich ja so einige Weisen und Seher nicht mehr so ganz richtig erholt. Gelinde gesagt! Und im Vergleich dazu war sie ja recht glimpflich davongekommen.

Kein Wunder, waren ihre Festplatten, wie Ramshin es ja selbst nannte, durch die Umstände ganz schön durcheinandergerüttelt worden. Und wenn man es einmal von einer anderen Seite betrachtete als der, die in Robotanien in Bezug auf die Weisen und Seher sich ihre Gültigkeit nimmt, dann hatte ganz speziell sie sich ja eigentlich nur zum Besseren hin gewandelt. Wie nicht nur er fand. Auch Broms, Ramshin und Ghlissun. Sie war nicht mehr so streng. Nicht mit ihnen, aber vor allem nicht mit sich selbst. Das tat ihr gut. Aber natürlich auch dem Team. Vor allem dem Team!

Sogar die ewigen Streitereien zwischen ihr und Broms hatten abgenommen und fanden manchmal sogar für Wochen nicht statt. Die oft so unglaublich nervig waren. Aber wohl als unangenehmes Nebenprodukt der großen Inspektion so hingenommen werden mussten. Als die mit dicken Spritzen verabreichten Hormone noch nicht um ihre wahren Aufgaben wussten. Und fast war es so, als ob durch die Wirrungen des letzten Semesters ein paar von Frau Watenblooms Eigenschaften dauerhaft auf Ramshin übergegangen wären, und umgekehrt. Was ja auch so sein soll, teilten sie beide sich ja ein und dieselbe Seele. Und das war bewiesen!

Obwohl, und nun wurde das stille Lächeln um Anthonys Lippen herum immer mehr zu einem breiten Grinsen, das aber nicht hämischer oder gar bösartig Natur war, sondern sich eher nachsichtig gab, so viele Eigenschaften von Ramshin waren jetzt bei Frau Watenbloom nicht unbedingt festzustellen. Die alte Dame war nämlich mindestens genauso verwirrt wie vor ihrer Pillenkur. Nicht nur einmal hatte er sie, seitdem er bei ihr wohnte, daran erinnern müssen, dass man sich, bevor man das Haus verlässt, ordnungsgemäß ankleidet oder wenigstens umzieht. Nackt auf der Straße zu erscheinen macht nämlich keinen guten Eindruck bei den Nachbarn und auch ein Nachthemd ist da nicht immer erste Wahl. Egal, ob im Sommer oder Winter.

Allerdings waren sie um das Wissen ihrer anderen Seite dann beide wieder etwa auf dem gleichen Level. Mehr oder weniger. Zumindest hätten sie beide sich prima ergänzt, wie Anthony fand. Zumal Ramshin inzwischen akzeptiert hatte, dass es ein alter Mensch auf einem Planeten namens Erde ist, der ihre Seele beherbergt, wenn sie denn in der Kiste schlief und träumte. Was sie zweifelsohne tat, wie sie inzwischen sogar selber zugab. Wenn auch nicht immer mit großer Freude und schon gar nicht öffentlich, denn wie lautete das zweite Gebot auf Robotanien: ‚Roboter träumen nicht. Robotern ist es untersagt zu träumen. Handelt ein Roboter wider dieser Anweisung, sind die Grauen Wachen unverzüglich zu informieren, und eine endgültige Abschaltung ist unumkehrbar.’

Das war nämlich ein schweres Verbrechen. Wenngleich es nichts gegen das Wissen ist, eine Seele zu besitzen, ist das doch das schlimmste aller Delikte, das für einen Roboter auf Robotanien überhaupt nur vorstellbar ist. Und eine endgültige Abschaltung geradezu unabwendbar. Eine Verbrecherin zu sein, das widerstrebte der kleinen Weisen aber noch immer, gleichwohl sie nicht mehr so streng mit sich selbst war. Allerdings träumte sie nie so reale Dinge wie Frau Watenbloom. Oder wenn, dann gab sie es nicht zu.

Die alte Dame hingegen war nicht in der Lage zu begreifen, dass die Dinge, die sie träumte, eben das waren, real. Oder wenn ja, dann gab auch sie es nicht zu.

Was Anthony aber weniger vermutete. Somit hatte er es schon lange aufgegeben, ihr das zu erklären. Nämlich, dass sie hier auf Erden ein alter Mensch ist und dort, auf Robotanien, ein Roboter. Wenngleich einer aus der Reihe X3-Z04, die alle so menschengleich sind, dass sie so oft so viel menschlicher sind als die Menschen selbst. Konnte er doch richtig sehen, wie seine Worte zu dem einem Ohr hinein und dann auch schon zum anderen wieder hinausflogen. Als wären sie nicht weiter als beschriebene Papierflieger. Also spielte er das Spiel mit, wenn sie denn erzählte, was sie so in ihren Träumen erlebt hatte. Wichtiger war ja, dass es sie nicht belastete, denn das hätte ja auch sein können. So aber freute sie sich, wieder eine Schülerin zu sein und auf eine Schule gehen zu dürfen. Wahrscheinlich, weil sie selbst so lange Lehrerin gewesen war. Auch wenn es in ihren Augen eine sehr komische Schule war, auf der sie sehr seltsame Dinge lernte. Sehr, sehr seltsame Dinge. Dinge, die sie selbst nie unterrichtet hatte.

Ja, damit konnte man leben. Viel wichtiger war ja, dass die alte Dame es für wahr und real nahm, dass sie in ihrem Keller zwei Außerirdische beherbergte, die früher einmal ihre Katzen waren. Was auch jedem anderen nicht leichtfallen würde. Denn ein Wanken hier, vielleicht das Aufkommen falscher Tierliebe, würde ganz schnell zu einem großen Unglück führen.

So aber, nachdem was geschehen war, hasste sie die beiden abgrundtief und hatte geschworen, den Keller niemals wieder zu betreten. Was sie tatsächlich bis jetzt so eingehalten hatte, nicht nur, weil es für sie inzwischen viel zu beschwerlich war, die enge Treppe hinabzusteigen. Sodass es allein Anthonys Aufgabe war, die zwei bösartigen Kreaturen zu versorgen.

Aber auch, sie zu verhören. Was er heute ja noch vorhatte. Mit hoffentlich endlich einmal einem anderen Ergebnis wie schon so oft zuvor. Doch zuerst wollte er erst einmal etwas essen. Er hatte nämlich einen Mordskohldampf. Kam er doch tatsächlich von einem Tag harter Arbeit zurück.

Also rief der kleine Zauberer, nachdem er sich abgedreht hatte und eigentlich schon den Deckel so gut wie in der Hand hielt, der auf der Pfanne lag, die in der Mitte des Küchentisches auf ihn wartete: „Was gibt es denn heute Gutes?“

„Bratkartoffeln. Pass aber gut auf, die sind wahrscheinlich noch ziemlich heiß! Mit viel Zwiebeln, so wie du sie magst.“

Was Anthony jetzt auch riechen konnte. Wieder mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Das diesmal aber nur eine tiefe innere Zufriedenheit spiegelte. Er liebte Bratkartoffel mit viel Zwiebeln.

Dennoch war er froh darum, noch einmal nachgefragt zu haben, sodass er sich jetzt nicht die Finger verbrannte. Denn die Pfanne war in der Tat noch glühend heiß. Also nahm er erst einmal die Serviette in die Hand, die neben seinem Teller lag, bevor er mit dieser geschützt den Deckel anhob. Dafür war das Ding nämlich wie geschaffen, auch wenn er nicht wusste, was es sonst am Tisch zu suchen hatte. Er hatte zwei saubere Ärmel, wozu brauchte er eine Serviette? Aber die alte Dame bestand darauf.

Die dann noch aus ihrem Sessel heraus rief: „Habe ich fünf Minuten, bevor du gekommen bist, fertig gehabt. Du bist heute ein bisschen spät dran.“

Eigentlich wollte Anthony jetzt eine Antwort geben, während er sich setzte, gab es ja einen guten Grund für seine Verspätung, doch da war auch schon wieder der Fernseher zu hören.

Schnellraterunde: „Das Dunkle unter den Fingernägeln, wie sagt man dazu?“

Also sparte er sich diese ein, da er ja somit wusste, dass der letzte Satz der alten Dame gar keine Frage war, sondern nur eine Feststellung.