Anthony Noll und das Große Abenteuer BUCH 3 (Final Cut) - Francis Linz - E-Book

Anthony Noll und das Große Abenteuer BUCH 3 (Final Cut) E-Book

Francis Linz

0,0
6,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dies ist das furiose Finale der Geschichte von Anthony, dem Jungen, der zwei Leben führen darf. Eines hier auf Erden und eines irgendwo da draußen in den Weiten des Weltraums, wo er ein zaubernder Roboter ist. Eine Serie, die einen in ein völlig neues Universum entführt. Fantastisch und in Farben gemalt, die noch nie ein Auge zuvor gesehen. Das ist versprochen! Buch 3: "wenn große Roboter lieben" Die Entscheidung naht mit Riesenschritten. Werden alle Prophezeiungen wahr? Muss der Erlöser sterben, damit die anderen weiterleben dürfen? Und was ist mit dem Toten, der ihm das Schwert reicht? Kann Mathilda Anthony verzeihen? Was aber ist mit Amelie? Kann man zwei Frauen zugleich lieben? Ist das denn überhaupt erlaubt? Ja, endlich bekommt der junge Zauberer Antworten auf so viele Fragen. Manchmal aber auch die, die er nie hören wollte. Und natürlich ist es so oft der Tod, der ihm diese gibt. Vor allem der Tod eines kleinen Kindes. Der damit aber nur eine ganz neue Frage aufwirft, die aber zugleich die wichtigste von allen ist. Ist seine Seele in dem Maße gewachsen, dass er das Versprechen einlösen kann, das er diesem Kind gab? In seinen Träumen für immer eins mit ihm zu sein. Ein modernes Märchen für all die, die im Geiste jung. Aber natürlich auch für all die, die an die große Kraft der Freundschaft glauben, und daran, dass eine Seele immer schön ist, egal in welcher Brust sie liebt und lebt. „Die beste Fantasy-Serie über KI, die KI nie wird schreiben können!“ Ibalon Daily Observer

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



IMPRESSUM:

Widmung

BUCH III

Der Baum und die Liebe

Parkplatzsuche

Die Schwadron des Schreckens

Die Falle

Der Weise mit dem zweiten Blick

Ein Treffen mit alten Bekannten

Rismandos neuer Posten

Der Trank, seine Verbreitung und der Schwur

Abschied vom kleinen Monkselm

Die Entscheidung

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

Der Borani

Die Intuition

Am Fluss

Noch ein Abschied

Ankunft daheim

Mit einem Lächeln

Alle Anthony Noll Romane:

FRANCIS LINZ

 

Anthony Noll

und das Große Abenteuer

 

 

BUCH III (wenn große Roboter lieben)

 

 

 

 

 

 

 

IMPRESSUM:

 

Autor:

Francis M. Linz

Gravelottestr. 4

81667 München

Germany

 

 

© Francis Linz 2020

E-BOOK / Version Epub2

ISBN 978-3-911350-74-7

Wörter: 147.000

Geschrieben: Sommer 2018 - Herbst 2020

Auflage: Final Cut / Frühjahr 2024

 

Umschlaggestaltung / Illustrationen: © Franus Graueis 2020

 

Von diesem Werk gibt es auch ein Hardcover

und ein Paperback.

 

Weiteres siehe: www.Francislinz.com

od. www.Anthony-Noll.de

 

…………………………………………………………………

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen

 

Widmung

 

 

Für all die,

die ihre Seele wachsen lassen.

Bis sie groß genug für jede Antwort ist.

Mit einem Lächeln wird sie darum lauschen.

 

(Dank an Franus Graueis

für die Bereitstellung seiner Gedichte.

 

Aber auch an alle,

die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben.)

 

 

*********

 

 

BUCH III

(wenn große Roboter lieben)

 

 

 

 

Der Baum und die Liebe

 

„Es war alles umsonst“, sprach Anthony ins Dunkle hinein, dabei ziemlich verzweifelt klingend.

Dennoch erhielt er sofort eine Antwort, denn er war nicht allein. „Wieso?“, fragte der Baum.

„Weil es genauso ist, wie du es schon vermutet hast. Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun.“

Kurz war es jetzt still und nur der Wind strich leise durch die Äste. Der Baum überlegte.

Plötzlich aber behauptete er: „Das zu wissen, ist doch auch nicht schlecht, oder?“ Er sah die Dinge etwas pragmatischer. Dann fragte er: „Sie haben diesen Sitz in Peru auch verlassen. Bis auf den letzten Mann?“

„Ja.“

Jetzt allerdings seufzte auch der Baum. Aber aus Erleichterung. „Na, dann ist wenigstens von dieser Front für dich vorerst keine Gefahr zu erwarten“, stellte er fest. „Wenngleich, wie wiederum du richtig vermutet hast, sie den Plan, diese Welt zu versklaven, natürlich nicht aufgeben werden.“

„Du glaubst das auch?“

„Selbstverständlich!“, rief der Baum. So entschieden, dass Anthony sogar kurz das Gefühl beschlich, auf seinem üblichen Platz zwischen den Ästen ein paar Zentimeter in Höhe gehoben worden zu sein. Auch wenn seine Augen in der Dunkelheit keinen Anhaltspunkt dafür fanden. Hatte er doch einmal wieder die Nacht für seinen Besuch gewählt. Doch da war kurz dieses flaue Gefühl in seinem Magen, wie bei einer Fahrt mit dem Lift auf die Spitze des Fernsehturms ihrer Stadt. Sie hatten einmal mit der Schule einen Ausflug dorthin gemacht. „Den Plan geben die nicht so schnell auf. Da braucht es schon mehr“, fuhr der Baum fort. „Kein Wunder, nach den vielen Jahren der Planung und all der Energie, die sie in dieses Projekt hineingesteckt haben. Wenngleich sie natürlich all das verlorene Vertrauen erst einmal wieder mühsam zurückgewinnen müssen. Das aber wird wohl dauern. Viele Monate, viele Jahre. Womit wir wieder an dem Punkt gelandet sind, dass zumindest du vorerst deine Ruhe vor ihnen hast. Und das ist doch nicht das Schlechteste, oder?“

„Nun ja“, warf Anthony ein. „Es war ja nicht so, dass die mich direkt bedroht hätten. Vielmehr bin ja ich ihnen gehörig auf die Pelle gerückt.“

„Oh, das siehst du aber ziemlich falsch, mein Guter!“, verneinte der Baum aber sofort. Wieder sehr entschieden klingend, sodass Anthony erneut das Gefühl beschlich, ein paar Zentimeter in die Höhe gehoben worden zu sein. „Die hätten sich schon noch um dich gekümmert. Das ist so sicher wie, dass meine Wurzeln nicht meine Krone kraulen. Wie sie sich übrigens irgendwann um alle kümmern werden, deren Seelen auf zwei Planeten zu Hause sind.“

„Wieso denn das?“ Anthony begriff es nicht. Sofort begann sein rechtes Augenlid irritiert zu flattern. Wie es das so gerne in solchen Situationen machte.

Was nicht besser wurde, als der Baum sprach, scheinbar ohne Zusammenhang: „Die wollen sich das Universum unterwerfen. Und wenn ich dich recht verstanden habe, war es ja dieser Doktor Wustlonom, der wahrscheinlich damals Zolmander am Brunnen getötet hat, oder?“

Was Anthony total verwirrte. „Äh …“, stammelte er erst einmal, und dann gleich noch einmal „Äh …“ Warf dann aber doch ein: „Was hat denn bitte das eine mit dem anderen zu tun?“ Nur um, nachdem der Baum nicht die geringsten Anstalten gezeigt hatte, ihm zu antworten, noch anzufügen: „Außerdem ist das nicht bewiesen. Das habe ich mir nur so zusammengereimt.“

Worauf der Baum allerdings weiterhin stumm blieb. Aber nicht, weil er zu dem Thema nichts zu sagen hatte, oder weil er unhöflich sein wollte, sondern nur, weil er überlegte. Er war diesbezüglich sehr gründlich. Unüberlegte Worte waren seine Sache nicht. Außerdem hingen die Dinge für ihn eben doch irgendwie zusammen. „Aber nicht ohne Grund“, ließ er sich darum dann doch plötzlich vernehmen.

Jetzt aber rief Anthony sofort: „Natürlich mit gutem Grund!“ Und auf einmal war es er, der sehr entschieden wirkte. „Wer sonst hätte es gewesen sein können? Einen Zolmander hätte garantiert kein Schüler besiegen können. Kein Kämpfer, kein Zauberer und keine Hexe oder vielleicht gar irgendeiner aus den anderen beiden Ausbildungsrichtungen. Egal, aus welchem Jahrgang. Und einen anderen Lehrer als Doktor Wustlonom, den kenne ich nicht, der daran Interesse gehabt haben könnte. Keiner von denen war oder ist scharf darauf, zum Direktor ernannt zu werden. Nicht einmal ein Herr Blomquast. Der, wenn er einen Anschlag auf Zolmander geplant hätte, bei seiner Neigung zu verheerenden Unglücken, wahrscheinlich dabei sogar ganz Ibalon in die Luft gejagt hätte. Im besten Fall, wenn nicht sogar ganz Robotanien.“

„Eben“, antwortete der Baum sofort. „Das ist ja.“ Und das in einem Ton, als ob damit tatsächlich alles bewiesen sei. Was aber natürlich nur einmal mehr Anthonys rechtes Augenlid nervös flattern ließ.

Nach einer kurzen Weile der Stille, in der man diesmal aber immerhin einmal kurz den schaurigen Ruf des Kauzes hören konnte, der unter dem Dach des Schulgebäudes jede Nacht seine Brut mit jeder Menge unvorsichtiger Mäuse großzog, erklärte der Baum dann aber doch noch: „Zolmander ist gleich neben der Maschine umgekommen, die die Lepis herstellt. Die plötzlich ja auch hier auf der Erde vermehrt auftauchten. Weil die Nasspan-Brüder ja eine ähnliche Maschine gebaut und hierher gebracht hatten, die in einer Fabrik stand, die jetzt nur noch Asche ist. Muss ich denn wirklich noch mehr sagen? Das kann doch kein Zufall sein. Ich bitte dich, alles andere als das.“ Nur um, plötzlich aber sehr korrekt klingend, als ob er im Zeugenstand irgendeines Gerichts stände, zwei Zweige feierlich zum Eid erhoben, noch zu sagen: „Mein guter Anthony, korrigiere mich bitte sofort, wenn ich etwas Falsches sage. Denn all meine Vermutungen gründen ja nur auf dem, was du mir so erzählst. Ich, wie du dir denken kannst, komm ja nicht so viel herum. Ist mein Radius doch arg beschränkt“, wobei jetzt allerdings sogar ein leises Kichern durch seinen Stamm kroch. Das aber sofort verebbte, als er weitersprach, wenn auch nicht mehr so furchtbar formell klingend: „Somit haben die billigend in Kauf genommen, als sie hier ihre Versuche mit den alten Menschen machten, dass das drüben bei den Weisen und Sehern ein riesiges Chaos verursacht. Wenn dieses nicht sogar von ihnen so beabsichtigt war. Denn allein durch dieses Chaos ist ja bewiesen, dass sie ganz bewusst deine Frau Watenbloom dafür ausgewählt haben. Sie und noch so viele andere alte Menschen, die ein zweites Leben als Roboter führen. Zumeist als Weisen und Seher. Wahrscheinlich sogar nur die.“

In der Tat, das klang ziemlich logisch, sodass Anthony ganz unvermutet sogar leicht zu nicken begann. Dass die Seher und Weisen reihenweise ausgetickt waren, das kann seine Ursache eigentlich nur darin gehabt haben, dass man hier die Alten mit den Lepis völlig überdosiert hatte. Und zwar jene, die auf Robotanien eine Entsprechung haben. Sonst wäre ja Ramshin mit ihren Aussetzern allein gewesen. Noch dazu ein ganzer Schwung dieser Alten, denn am Schluss war ja kaum einer ihrer Kollegen beschwerdefrei. Wenn man das so beschönigend sagen darf. Auch wenn viele von ihnen viel und ausgelassen lachten. Allerdings über den letzten Blödsinn. Nur eines hatte er noch immer nicht verstanden. „Wieso willentlich?“, fragte er darum.

„Es ist doch ganz einfach“, antwortete der Baum, wobei er aber nicht herablassend klang, obzwar ja auch das eigentlich ganz logisch für ihn war. Nicht wie zum Beispiel eine Ramshin es jetzt getan hätte oder auch eine Mathilda. Natürlich zeigte er auch deren nachlässiges Lächeln nicht. Was ja rein biologisch schon völlig unmöglich ist. Rinden sind zumeist ziemlich starr. Kein Wunder also, dass es Anthony schon immer leichter fiel, von seiner Seite Belehrungen anzunehmen. Der dann weiter ausführte: „Und zwar aus drei Gründen. Erstens, weil die kleinen Roboter, selbst wenn sie versagen, immer noch zu Grauen Wachen gemacht werden können. Wahrscheinlich nicht nur die Zauberer und Hexen, sondern auch die aus den anderen Ausbildungsrichtungen. Die aber sind nun einmal eine große Stütze für das System des Schreckens, das der Imperator auf ungezählten Planeten über so viel Jahre hinweg installiert hat. Wenn sie nicht sogar die entscheidende Stütze für dieses sind. Sie sind ja nicht nur als billige Soldaten, sondern auch gut in der Verwaltung zu gebrauchen. Zweitens, weil der einzige Zweck vieler kleiner Roboter ja nur darin liegt, wenn sie das nicht mehr sind, nämlich klein, sondern groß, weil sie ihre Ausbildung trotz aller Widrigkeiten überstanden haben, mehr recht als schlecht, als Stellvertreter des Imperators zu agieren. Als Könige, Diktatoren oder auch nur als vermeintlich frei gewählte Volksvertreter. Überall im Universum. Und drittens, sie im anderen Fall, wenn sie sogar als Premiumware gelten, auf einem fernen Planeten namens Chotatyl auseinandergerissen werden, nur um neu zusammengesetzt zu Superkriegern zu werden.“

Kurz legte der Baum eine Pause ein, da ja seiner Meinung nach hiermit eigentlich endlich alles erklärt war. Doch als Anthony darauf nicht reagierte, fuhr er einfach fort. „Was im Endeffekt natürlich nichts anderes heißt als, dass es dem Imperator nicht mehr so leichtfallen wird, über ebendieses dieses Universum zu herrschen, wenn die Grauen Wachen nicht mehr sein sollten. Ist das doch gar nicht so klein, wie manche denken wollen. Vor allem die, die sich mit der Unendlichkeit so schrecklich schwertun und sie darum ständig zu begrenzen versuchen. Zeitlich wie auch räumlich. Und wenn doch, dann ist es zumindest zu groß für einen allein. Also wird die Bruder-Nasspan-Reihe, so wie du sie nennst, über spät oder lang alles versuchen, diese Stütze des Systems abzusägen. Kurzum, sie werden dich und all die anderen Roboter töten. Egal, ob klein oder inzwischen groß. Oder im besten Fall versuchen, euch auf ihre Seite zu ziehen. Wie Malon Nummer Acht.“

„Verdammt!“, rief Anthony plötzlich ganz aufgeregt. Er hatte endlich verstanden. „Du hast vollkommen Recht.“

Der Baum hingegen wurde wieder ganz ruhig, so wie man das eigentlich von ihm gewohnt war. So ruhig und entspannt, dass Anthony sogar um ein paar Zentimeter in seiner Astgabel sitzend fiel. Als wäre die plötzlich eine Luftmatratze mit Loch. „Nun, so richtig Sorgen brauchen wir uns da aber wohl trotzdem nicht zu machen“, sprach er. „Denn wie du mir ja berichtet hast, scheinen sie ja in direkter Linie von diesem uralten Roboter abzustammen, der in einem Museum in dieser Schule in Ibalon steht.“

Was Anthony jetzt nur mit einem stummen Nicken quittierte. Auf einmal auch sehr unaufgeregt. Auch wenn er wieder einmal nicht verstand, worauf der Baum hinauswollte. Doch niemand schaffte es schneller als der, ihn mit seiner tiefen Gelassenheit anzustecken. Wohl auch, weil sie niemals gekünstelt war.

Was der Baum trotz der Dunkelheit sofort registrierte, wie auch immer, sodass er fortfuhr: „Da der ja nicht umsonst in einem Museum steht, somit uralt ist, basteln sie also schon ziemlich lange daran, das Universum zu unterwerfen und zu versklaven. Wer weiß, seit wie viel hundert Jahren schon. Scheinen damit aber nicht besonders weit gekommen zu sein, wenn man von dem Planeten einmal absehen will, wo die Außerirdischen mit dem gelben Blut herstammen. Denn wenn, dann wäre der Imperator schon längst aufmerksam auf sie geworden und hätte sie vernichtet. Sind sie ihm doch hoffnungslos unterlegen. Und hier auf der Erde müssen sie ja auch erst einmal einen neuen Anlauf nehmen. Fast wieder bei null starten, hat man mir doch einige höchst absonderliche Dinge berichtet. Dinge, die eigentlich kaum zu glauben sind.“

„Wer?“, fragte Anthony sofort. Der auf einmal doch wieder ein wenig unruhig wurde. Diesmal aber nur persönlicher Gründe wegen. Hatte er doch plötzlich einen kleinen Stich im Herzen gefühlt. Den Stich der Eifersucht. War er doch all die Jahre immer davon ausgegangen, dass er der Einzige ist, der sich mit seinem Baum unterhalten kann. Es gab also auch noch andere. Dann aber fügte er noch an, weil das natürlich nicht minder interessant war: „Und was hat man dir so berichtet?“

Der Baum beruhigte Anthony allerdings sofort. Wenn auch nur dessen Sorge seine Frage betreffend, die er eigentlich gar nicht ausgesprochen hatte. Nämlich die, mit wem er sich da so gelegentlich unterhielt. Indem er sprach, und das in einer Ausführlichkeit, die bei ihm selten war: „Eigentlich hat man mir es nicht berichtet, denn so richtig unterhalten kann ich mich ja nur mit meinesgleichen. Dich einmal ausgenommen. Was schon deswegen nicht geht, da ich ja der einzige Baum weit und breit bin. So weit entfernt von einem Bruder oder einer Schwester, dass es mir, egal wie weit ich meine Wurzeln unter der Erde auch strecke, völlig unmöglich ist, mit ihnen Kontakt aufnehmen. Und die, die in meinem Umkreis im Frühjahr kurz ihren Kopf aus der Erde herausstecken, weil der Wind im letzten Jahr ihren Samen aus weiter Ferne kommend auf das Schulgelände wehte oder ihn vielleicht ein Eichhörnchen bis hierher getragen hat, die werden ja zumeist spätestens im Herbst von Hausmeister Rampmann ohne jedes Mitgefühl aus ihrer neuen Heimat herausgerissen. Es sind also zumeist nur sehr wenige Gespräche, die ich mit ihnen führen kann. Wobei erschwerend hinzukommt, dass sie ja noch Kinder sind. Und selbst wenn sie der Wüterich beim ersten Mal übersehen haben sollte, dann haben sie ja nur einen Winter erlebt. Ein zweiter war noch keinem von ihnen vergönnt. Schon deswegen, waren sie ja dann immer viel zu groß, um erneut übersehen zu werden. Und mit den Büschen und Sträuchern, was soll ich sagen, da stößt man mit den Wurzelenden schon mal an so manch anderen an, und ich hätte auch nichts gegen einen gelegentlichen Kontakt, aber es finden sich nun einmal sehr viel Schwätzer unter ihnen. Ziemliche Egomanen. Und wenn nicht, dann gibt es da ja noch die so über einige Millionen von Jahren gewachsenen Vorurteile. Wobei es vor allem die Büsche mit den Dornen sind, die so einige Ressentiments unsereins gegenüber haben. Recht hartnäckige noch dazu. Ich persönlich denke ja, es ist wegen ihres doch ziemlich ausgeprägten Minderwertigkeitskomplexes, den sie so zu kompensieren versuchen. Wir sind halt einfach größer als sie. Und das wird immer so bleiben. Aber ansprechen darf ich das natürlich nicht. Das würde ja nur ihre Abneigung gegen uns stärken. Alles in allem sehr schwierige Charaktere. Und mit dem Gras, nun ja, das gibt es natürlich zuhauf, aber ehrlich gesagt, mein guter Anthony, dessen Wortschatz ist doch arg begrenzt. Oft nicht über zehn Worte hinausgehend. Sonne, Regen, kalt und Brrr, das ist schon alles. Auch nuschelt es und ist, besonders wenn es in Gruppen spricht, was bei Gras ja kaum zu vermeiden ist, kaum noch zu verstehen. Somit sind meine wirklichen Informationsquellen, was die Welt da draußen angeht, natürlich all die Vögel, die sich auf meinen Zweigen niederlassen. Deren Gesang ich, ohne mich zu verraten, gerne lausche. Ist es doch gar kein Gesang, sondern zumeist nur Ratsch und Tratsch. Am liebsten lausche ich dabei natürlich den Zugvögeln, denn die kommen ja wirklich weit rum. Aber auch den anderen, ob bunt oder schwarz, von denen ich manch einen fast schon einen Freund nennen will.“

Erleichtert atmete Anthony auf. Das Gras, die Büsche und die Vögel, die gönnte er dem Baum gerne. Das war kein Grund zur Eifersucht. Dann aber, weil der zwar soeben viel geredet hatte, aber mit keinem Wort seine Neugierde betreffs der Frage gestillt hatte, die er auch tatsächlich ausgesprochen hatte, stellte er diese einfach erneut, wenn auch diesmal um einen Punkt erweitert: „Und was haben dir die Vögel so berichtet?“

Doch jetzt schien es plötzlich so zu sein, als ob der Baum kurz irritiert sei. „Was?“, fragte er, wobei ein kleines Zittern durch seinen Stamm fuhr.

Was aber vielleicht auch nur ein Vorbote des leisen Kicherns war, das sogleich folgte. Das allerdings erst gegen Ende seiner nun folgenden Worte seine Erklärung fand. Zumal der Baum, kaum nachdem dieses Kichern wieder verebbt war, für einen Moment ins Gegenteil verfiel und plötzlich mit dunkler, geradezu unheilvoll klingender Stimme sprach: „Seltsame Dinge tun sich bei den Menschen, haben sie mir erzählt. Sehr, sehr seltsame Dinge, mein guter Anthony. Sie hätten vor deren Fenstern gesessen und durch diese hindurch in deren Fernsehern die abenteuerlichsten Nachrichten vernommen. Von einem Politiker, der vor laufender Kamera plötzlich um hundert Jahre gealtert sei. Wie in einem dieser schlechten Gruselfilme aus alter Zeit hätte dessen glatte Haut, von einer Sekunde auf die andere, überall schrumpelige Falten gebildet, sogar auf der Nase. Von einem Diktator, dem bei einer Rede vor seinem Volk die weißen Haare vom Kopf flogen, geradezu so, als seien sie die Samen eines reifen Löwenzahns. Was sofort eine Revolution in diesem Land ausgelöst hat. Des Weiteren von einem Rockstar, der beim Singen vor ausverkauftem Haus plötzlich all seine Zähne mitten in das Publikum spuckte. Und der dann, als ob es noch nicht genug der Schmach sei, wie von schwerer Arthritis getroffen, nur noch gebückt und mit einem Rollator die Bühne verlassen konnte, und kein Groupie wollte mit auch nur kuscheln. Und, und, und.“

Wobei aber mit den letzten Worten des Baumes aber auch schon wieder dieses seltsame Kichern durch seinen Stamm kroch, das, nachdem er geendet hatte, sogar in ein großes Lachen überging. So stark, dass seine Rinde, an der Anthony ja lehnte, dessen Rippen zu kitzeln begann und auch der plötzlich laut mitlachen musste. Und der eine steckte dabei immer wieder den anderen an, sodass sich dieser Schwall an Heiterkeit über viele Minuten zog.

Dann allerdings, wieder ein wenig ernster im Ton, fragte der Baum: „Kann das alles sein, mein guter Anthony? Oder haben die Vögel vielleicht zu viele von den vergorenen Beeren von den Büschen und Bäumen gepflückt? Noch ist ja nicht Frühling und sie müssen mit dem vorliebnehmen, was vom letzten Jahr noch an deren Ästen hängt.“

Worauf der Zauberer, nachdem er mit einem kurzen und sehr energischen Schütteln das letzte Grinsen aus seinem Gesicht vertrieben hatte, mit einem „Ja, das ist alles richtig“ den Gesang der Vögel bestätigte. Den er, gleichwohl er sonst jede Sprache verstehen und auch sprechen konnte, eben nicht verstand. Dann fügte er noch an: „Und noch viele andere sehr komische Dinge tragen sich gerade auf der Welt zu. Ich krieg das ja zwangsläufig immer mit, wenn ich bei der alten Dame im Schlafzimmer bin und der Fernseher läuft. Was der ja ständig tut. Und neben den Quizshows liebt sie ja auch die Nachrichtensendungen.“

Nun aber schwieg Anthony eine kleine Weile, denn er dachte nach. Was als erstes Ergebnis mit sich brachte, dass er plötzlich wieder damit begann, seinen Kopf zu schütteln. Diesmal aber sehr langsam, fast wie in Zeitlupe. Aber nicht, weil sich vielleicht erneut ein Lächeln in sein Gesicht hatte stehlen wollen, wegen der Erinnerung an all diese höchst amüsanten, manchmal sogar skurrilen Bilder auf der Mattscheibe, und das nur so zu vertreiben gewesen wäre, sondern weil er einmal mehr nicht verstand, worauf der Baum hinauswollte. Und als zweites Ergebnis, dass er letztendlich fragte: „Und was hat das alles mit den Nasspan-Brüdern zu tun? Ich verstehe es nicht ganz?“

Worauf der aber nur knapp fragte: „Wirklich nicht?“

Sodass Anthony sofort wieder überlegte. Dann aber doch wieder nur seinen Kopf schüttelte, wozu ihm jetzt allerdings ein knappes „Nein“ als vollkommen ausreichend erschien.

„Na, überleg doch mal“, sprach der Baum. Der aber sogleich fortsetzte, da das ja mehr oder weniger nur eine rein rhetorische Aufforderung war: „Die kommen jetzt alle nicht mehr an die Lepis ran. Auch können sie jetzt nicht mehr ihre Operation durchführen lassen. Egal, ob nur der Schönheit dienend oder ob diese sogar lebenserhaltend für sie sind. Die beiden einzigen Kliniken, die dafür zuständig waren, sind ja jetzt nicht mehr. Die eine verlassen, die andere abgebrannt. Somit wette ich mit dir, dass da demnächst aus aller Welt noch so die ein oder andere höchst merkwürdige Meldung eintrudeln wird, die berichtet von den einflussreichen Persönlichkeiten, die dort Kunden waren. Die alle ihre Seele verkauft haben, nur für die Macht. Oder auch für den Ruhm. Oder noch erbärmlicher, für den matten Glanz der Schönheit. Denen der Rest der Menschheit aber schon immer völlig egal war. Auch, ob der letztendlich versklavt wird. Wobei die, die den kalten Entzug überleben, was nicht viele sein werden, wieder für dieses Arrangement zurückzugewinnen, sich aber sehr wahrscheinlich dann als ziemlich schwer herausstellen wird. Wenn denn die Nasspan-Brüder wieder aus der Versenkung auftauchen. Vielleicht sogar mit ihrem U-Boot, wie du es so spaßeshalber sogar einmal vermutet hast. Was zwangsläufig irgendwann einmal geschehen wird. Die Reichen und Mächtigen können es nämlich gar nicht leiden, wenn man sie enttäuscht. Sie sind da oft sehr nachtragend. Auch wenn es ja gerade sie sind, die die Welt so oft enttäuschen. Womit wir letztendlich aber nur wieder bei meiner Aussage von vorhin landen. Nämlich die, dass du vor ihnen erst einmal deine Ruhe hast. Vor dem Professor und seinen Handlangern mit den Kiemen hinter den Ohren. Du und all die, deren Seelen wandeln zwischen den Welten. Der hat nämlich im Moment ganz andere Sorgen. Muss er ja hier quasi alles noch einmal neu aufbauen. Sein Netz an Einfluss und Intrigen.“ Plötzlich aber schwieg der Baum. Hatte er ja genug geredet.

Nur um, nach gut einer halben Minute, in der auch Anthony nicht ein Wort fallen ließ, musste der ja erst einmal das Gehörte verarbeiten, plötzlich damit zu beginnen, zu nicken. Erst nur sehr langsam, dann aber immer bestimmter. Was ein wenig seltsam klingt, sich aber daran zeigte, dass es jetzt nur seine Krone war, die sich ein paar Zentimeter auf und ab bewegte. Was Anthony aber trotzdem sofort als leichten Luftzug auf seiner Stirn spürte. Wozu der Baum, fast ein wenig sinnierend wirkend, dann auch sprach: „In der Tat, da werden mir die Vögel in der nächsten Zeit noch das ein oder andere fröhliche Lied singen, das davon kündet, was da alles Seltsames in der Welt der Menschen passiert. Welch einflussreiche Persönlichkeit gerade einen höchst amüsanten Abgang hingelegt hat. Plötzlich vor aller Augen zu Staub zerfallen ist oder ähnlich Gruseliges. Wie einst Dracula mit einem Holzpflock im Herz.“

Dann aber, weil seine Herausforderung von soeben gar nicht einmal nur rhetorisch gemeint war, wiederholte der Baum diese sogar noch einmal, wenn auch jetzt mit einem lachenden Unterton: „Also, was ist los, mein guter Anthony? Wetten wir, dass schon demnächst noch ganz andere skurrile Meldungen über den Bildschirm deiner Frau Watenbloom flackern werden? Was ist dein Einsatz?“

Anthony, der auch diesen Worten gespannt gelauscht hatte, sie gegen all das abwog, was er in seinem Kopf bereits zu diesem Thema angesammelt hatte, zögerte einen Moment. Rief dann aber ziemlich eifrig: „Nein, lieber nicht.“ Obschon er eigentlich schon gerne gewettet hätte. Schon allein deswegen, weil es so ärgerlich war, dass die anderen immer Dinge sofort sahen, die zu erkennen er scheinbar manchmal Jahre brauchte. Denn je mehr er überlegte, desto mehr kam er zu der Überzeugung, dass da natürlich ein Zusammenhang herstellbar war. Keine Lepis, kranke Politiker, siechende Rockstars.

„Schade“, sagte der Baum. „Obwohl natürlich ein Wetteinsatz zwischen uns beiden schlecht zu finden ist. Ich kann dir ja nicht versprechen, dass ich, wenn ich verlieren sollte, die nächsten fünf Wochen das Geschirr für dich und Frau Watenbloom abspüle. Denn auch wenn ich Hände genug dafür hätte“, und weit streckten sich nun die kleinen Ästchen an seinen Zweigen in die dunkle Nacht hinein. „Ist es nun einmal so, wie es eben ist, und wie ich es vorhin schon bemerkt habe, dass ich nur schlecht herumkomme. Manchmal bin ich doch arg angebunden.“ Wobei jetzt natürlich einmal mehr dieses leicht zitternde Lachen durch seinen Stamm kroch, war das doch einer seiner Lieblingswitze. Nur um dann aber, wieder sehr viel ernster im Ton zu fragen, verbunden mit viel Mitgefühl: „Wie geht es eigentlich der alten Dame?“

„Nicht gut“, antwortete Anthony. „Gar nicht gut“, den der Themenwechsel zwar etwas überraschte, der aber gar nicht einmal unfroh darüber war. Immer weiter darüber nachzudenken, dass er oft Jahre brauchte für das, was andere in Minuten zu lösen in der Lage waren, das machte nämlich nicht wirklich Spaß. Man kam sich dabei immer so klein und unbedeutend vor. Zudem das mit Frau Watenbloom ja auch eine schwere Last auf seinem Herzen war, die er nur zu gern teilte. Sodass er fortfuhr: „Es ist ganz schlimm mit ihr geworden. Auf der Fahrt nach Peru, da war noch einmal richtig Leben in ihr Blut geschossen. Jetzt aber liegt sie nur noch im Bett und glotzt lethargisch in die Röhre. Völlig egal, was kommt. Es müssen nicht einmal mehr Quizsendungen oder die Nachrichten sein. Auch das Reden fällt ihr immer schwerer. Habe schon überlegt, ob ich die Lepis auf täglich zwei Stück erhöhen soll.“

Was Anthony jetzt aber wohl besser nicht gesagt hätte, denn sofort begann der Baum sich einmal mehr in seiner Gesamtheit zu strecken. Von der Wurzel bis in die Krone. Diesmal sogar so stark, dass den Zauberer nicht nur das Gefühl beschlich, ein paar wenige Zentimeter in die Luft gehoben worden zu sein, sondern er tatsächlich für einen Moment mit seinem ganzen Körper seine bequeme Astgabel um mindestens eine Handbreit verließ. Nur um sogleich wieder sich der Schwerkraft ergebend rumpelnd auf dieser zu landen. Wobei sein leise gemurmeltes „Autsch, was soll das denn jetzt wieder?“ allerdings völlig unterging. Denn „Mach das bloß nicht, mein Junge!“ befahl ihm der Baum in strengem Ton. „Ich habe noch gut die Worte deines Zauberlehrers Glomp im Ohr, was mit all denen passiert, die zu lange von dieser verbotenen Frucht genascht haben. Diese kommt nämlich keineswegs dem Baum der Erkenntnis gleich. Die Seelenteufel sind Beweis genug. Hast du das verstanden!“

Anthony, der nichts von einem Baum der Erkenntnis wusste, denn die Religion war ja noch nie sein Ding, versuchte jetzt aber erst einmal in seiner Astgabel seine bequeme Position wieder zu finden. Versprach aber, nachdem ihm das endlich mehr oder weniger gelungen war: „Nein, nein, das werde ich natürlich nicht tun. Zumal ich ja auch gar nicht mehr so viele von ihnen besitze. Nur noch eine Handvoll. Es ist nur, weil ich so hilflos bin. Wenn ich ihr meine Hände auflege, geht es ihr zwar besser, aber es hält nicht lange vor. Ein Stündchen oder auch zwei. Nicht mehr. Und ich will doch nicht, dass sie stirbt. Nicht wegen ihr, aber auch nicht wegen Ramshin.“

„Und wie geht es der?“, fragte der Baum sofort. „Ist sie immer noch so schrecklich kalt auf ihrer rechten und grauen Seite?“ Aus dessen Stimme nun wieder sehr viel Mitgefühl herauszuhören war. Was ihn ja eigentlich mehr auszeichnete. Sonst wäre er ja auch nicht Anthonys Freund.

Der davon so sehr berührt war, dass ihm jetzt sogar eine Träne aus seinem rechten Auge herausquoll. Das ja schon immer das der beiden war, das zuerst der Welt verriet, was im Kopf dahinter so vor sich ging. Quälend langsam rollte diese die Wange herab. Geradezu so, als ob sie jede Sekunde nutzen wollte, ebendieser Welt zu berichten, wie unendlich groß und tief der angesammelte Schmerz war, den sie in sich trug. Dann aber sprach Anthony: „Auch bei ihr geht es immer weiter bergab. Immer nur bergab. Sie wird immer nur kälter und kälter.“

„Das tut mir so leid“, sprach der Baum leise. „Ganz schrecklich leid. Für sie, aber auch für dich.“ Und jetzt krümmte sich sogar ein kleiner Zweig an einem seiner Äste vor Mitgefühl, kroch zwischen Anthony und den Stamm und legte sich tröstend um die Schultern des Jungen. „Wenn ich irgendetwas für dich tun kann, lass es mich sofort wissen.“

Stumm nickte Anthony.

Dann sprach der Baum weiter: „Mathilda hilft dir aber sicher bei der Betreuung der alten Dame, oder?“

Was natürlich wieder nur mitfühlend gemeint war, aber sofort eine weitere Träne auf die Reise schickte. Die, die hinter dem linken Auge bereits darauf gewartet hatte. „Ja, das tut sie“, antwortete Anthony mit kummervoller Stimme.

Allerdings erst, nachdem diese Träne bis zu seinem Kinn gerollt war, sich mit der aus dem rechten Auge vermengt und dann auch schon auf den weiten Weg bis hinab auf den Boden gemacht hatte. Dabei versprechend, all die Last zu entführen, die in ihnen beiden lag. Was aber natürlich viel zu wenig war, als dass Anthonys Herz sich dadurch wirklich hätte erleichtert fühlen dürfen. Im Gegenteil, wurde doch mit der Erinnerung an Mathilda an einem Schmerz gerührt, der nicht minder groß war als die Sorge um Ramshin und Frau Watenbloom.

„Spricht sie wenigstens wieder mit dir?“, erkundigte sich der Baum.

Stumm schüttelte Anthony den Kopf.

Kurz war es daraufhin still und nur der Wind strich leise durch die Äste. Der Kauz befand sich wohl gerade auf einem seiner lautlosen Flüge, eine unvorsichtige Maus im Visier. „Nun“, sprach der Baum, „das ist nicht nett von ihr. Nein, das es wirklich nicht.“ Stellte dann aber plötzlich überraschend fest: „Allerdings kann man das auch als gutes Zeichen deuten. Oder etwa nicht?“

Worauf Anthony, in seinem Schmerz gefangen, aber zuerst nicht reagierte. Obgleich es auf den ersten Ruf so völlig widersinnig klang. Doch dann zuckte nicht nur sein rechtes Augenlid, sondern sein ganzer Körper. „Das soll ein gutes Zeichen sein?“, fragte er. Völlig empört, dass der Baum es wagte, so von dieser Sache zu sprechen. Die Schatten auf seinem Herzen ließen diese Blasphemie nicht zu. Das Leid birgt keine guten Zeichen. Das Leid hat nur immer Schmerz im Gepäck. Besonders das Leid geboren aus der Liebe zwischen Mann und Frau.

„Klar“, antworte der Baum aber nur. „Dass sie so reagiert, zeigt ja, wie viel ihr an dir liegt.“

Womit der Baum sicher recht hatte. Für Anthony und die Schatten auf seinem Herz war das allerdings zu viel, sodass sich endlich bei ihm auch die Wut meldete. Die ja eigentlich gar nicht dem Baum galt, sondern den Umständen, die der jetzt aber trotzdem abkriegte. Sie musste irgendwie raus. Zu lange war sie zugedeckt worden von den dunklen Schatten, die allerdings auch jetzt noch ihr Bestes gaben. „Ihr liegt gar nichts an mir!“, rief er zornig, „Was redest du da nur für einen frechen Unsinn, du grober hölzerner Klotz! Sie will mich nicht mehr sehen, hat sie gesagt. Und wenn sie mich bei der alten Dame ablöst, dann muss ich immer sofort den Raum verlassen. Und dann, als ob es nicht schon genug wäre, will sie ja plötzlich auch noch diesen Peter heiraten. Diesen dummen, aufgeblasenen Schnösel mit dem tollen Auto.“

Jetzt aber zuckte der Baum sogar kurz wieder in die Höhe. Das war in der Tat eine Neuigkeit, mit der er nicht gerechnet hatte. „Das hat sie tatsächlich gesagt?“, fragte er völlig ungläubig.

Anthony, ein wenig überrascht, dass man diese Tatsache scheinbar infrage stellte, hatten doch die dunklen Schatten auf seinem Herzen sie eindeutig als Tatsachen ausgemacht, sogar beeidet und besiegelt vom dunkelsten aller Schatten, blieb jetzt aber erst einmal einen Augenblick stumm. Auch weil allein das Bild, Mathilda in einem weißen Kleid auf den Altar zu schreitend, war sie doch Christin, ihm fast den Hals zuschnürte. Wenngleich er dann allerdings einräumen musste: „Dieser Peter hat es auf alle Fälle so behauptet. Ich bin ihm nämlich zufällig begegnet.“

Wobei der junge Zauberer jetzt aber natürlich vergaß zu erwähnen, dass diese Begegnung so gar nicht so rein zufällig war. Sondern dass der andere ihn fast dabei überrascht hätte, als er im Wald hinter Mathildas Haus herumschlich, allein zu dem Zweck, ob er irgendetwas Auffälliges bei ihr beobachten könne. Tauchte der Typ doch wie aus dem Nichts auf dem Weg auf, den in den guten alten Tagen Mathilda und er immer genommen hatten, um zu dem Motorrad in der Garage zu gelangen. Als dieses noch dort untergebracht war, mitsamt Mathildas Helm. Den ihre Mutter ja nicht sehen durfte. Wenn ja, hätten ihnen beiden nichts weniger als die Flammen der Verdammnis gedroht. Also, was brauchte es noch mehr Beweise, dass an der Sache etwas dran war? Mathilda gab nichts mehr auf ihre gemeinsame Vergangenheit. Selbst diesen geheimen Pfad hatte sie dem anderen verraten.

Der Baum allerdings fand sofort die kleine, doch entscheidende Lücke in der Beweiskette der dunklen Schatten, die auf Anthonys Herzen lagen und die ihn so oft so dumm berieten: „Und was hat sie dazu gesagt?“, fragte er.

Worauf Anthony, wiewohl ja ein kleiner Funke Hoffnung darin lag, fast schon widerwillig antwortete: „Hab sie noch nicht gefragt. Bin noch nicht dazu gekommen.“ Nur um dann noch trotzig anzufügen, weil er ja zum einen nie vorhatte, das zu tun, das gehört sich nicht für einen echten Mann, das wäre geradezu unanständig, und zum anderen, es für ihn und seine Schatten noch immer eine Tatsache war: „Wenn der das behauptet, dann wird es wohl auch so stimmen. Bei einem so wichtigen Thema lügt man nicht.“

Jetzt aber lachte der Baum sogar laut. So heftig, dass Anthony einmal mehr auf seinem Platz kurz durchgeschüttelt wurde: „Entschuldigung, mein Guter, habe ich da eben richtig zugehört?“, fragte er. Nur um dann sogleich fortzufahren, da es ja eigentlich gar keine ernst gemeinte Frage war: „Du vertraust diesem Peter einfach so, bei solch einer wichtigen Entscheidung? Die ja nicht nur ihn betrifft. Ihm, dem du jetzt nicht einmal mehr seinen Namen glaubst, seitdem du seinen Führerschein überprüft hast?“

Anthony, von dieser Behauptung völlig überrascht, blinzelte jetzt natürlich einmal mehr mit seinem rechten Augenlid nervös. Dann aber rief er entrüstet: „Das ist ziemlich gemein, dass du das jetzt heranziehst.“

Worin sogar ein Körnchen Wahrheit steckte. Denn diese Geschichte hatte Anthony dem Baum ja ganz im Vertrauen erzählt. Warf sie ja ein weniger gutes Bild auf ihn. Denn tatsächlich hatte er, als dieser aufgeblasene Schnösel bei Mathilda zu Besuch war, in ihrem Zimmer, und er zufällig bei ihrer Mutter vorbeischaute, in der Küche, wegen einer Portion Pommes frites, die er immer gerne von dieser erhielt, zumal er ja noch dünner geworden war in den letzten Wochen, und die er dann nur unter Aufbietung all seiner Kräfte bei sich behielt, zumindest den größten Teil davon, ein wenig landet natürlich wie immer über den Gartenzaun hinweg in der Hecke der Nachbarin, sich dessen Mantel vorgeknöpft, der im Flur am Garderobenständer hing. In einem unbeobachteten Moment. Warum? Er wusste es nicht. Vielleicht hatte er gehofft, etwas in den Taschen zu finden, das den anderen als einen widerwärtigen Drogendealer entlarvte oder auch nur als einen von der Polizei per Haftbefehl gesuchten Dieb oder Hehler. Seinetwegen gerne auch austauschbar gegen Erpresser, Betrüger oder Mädchenhändler. Völlig egal. Fand darin dann aber nur diesen soeben erwähnten Führerschein. Der aber nichtsdestotrotz nicht unwichtig war. Stand doch in ihm, dass dieser Peter in Wirklichkeit Maria hieß. Wenn auch Peter-Maria. Denn sein Nachname war ja einer, der aus diesem Deutschland stammte. Hieß er doch Gutenberg. Was er allerdings erst etwas später herausfand, im Internet. Oder was er zumindest so vermutete. Denn nur in diesem Deutschland, wo er ja sogar einmal war, wenn auch nur kurz, wegen der Reise in das Spiegeluniversum mit einem Ozmolot namens Fred, war das ja ein bekannter Name. Laut Wikipedia gab es dort vor vielen tausend Jahren sogar einen, der den Buchdruck erfunden haben soll. Was vielleicht auch diese ungewöhnliche Begeisterung von Mathilda für diesen Peter erklärte. Wenngleich er nach gründlicher Recherche herausfand, dass es da ja auch noch einen ganz anderen Vertreter dieses Namens gab, der weit weniger edel war, hatte der sich doch nur durch das Erschwindeln seiner Doktorarbeit hervorgetan. Und musste dann als Minister zurücktreten. Was er so Mathilda natürlich gerne einmal stecken wollte, was aber schon darum nicht ging, weil die ja nicht mehr mit ihm redete. Und dass sich dieser dämlicher Peter jetzt nicht Peter-Maria rufen lässt, wie er nämlich wirklich hieß, war wahrscheinlich, weil ihm die Maria peinlich war, ist das doch ein Name für die Frauen. Und darum lässt er ihn jetzt einfach immer weg. Wobei das Dumme war, dass wiederum er zudem nicht mit diesem Wissen hausieren gehen durfte, denn dann käme natürlich sofort die Frage auf, woher er das denn wisse. Waren sie beide ja alles andere als Freunde. Und im Stellen von unbequemen Fragen war Mathilda ja schon immer eine Meisterin. Und er im Lügen ihr gegenüber schon immer nur ein kleiner Molch. Zumal es wohl ohne großen Gewinn für ihn war, denn sie würde die Maria wohl nicht einmal stören. Dass Peter sie angeschwindelt hatte, vielleicht aber schon.

„Ich bin nicht gemein“, sprach der Baum. „Geht es mir doch nur darum, dir aufzuzeigen, dass nicht interessiert, was dieser Peter zu dem Thema Heirat zu sagen hat, sondern sie. Denn nur sie ist für dich wichtig, oder?“

„Ja, aber …“

Weiter kam Anthony diesmal aber nicht. Ein kurzes bedrohliches Zittern ging nämlich jetzt durch den Stamm des Baumes. Viel heftiger noch, als ob der nur lachen würde. Anthony kannte den Unterschied. Wozu er auch noch mit dieser dunklen, einmal mehr Unheil verkündenden Stimme sprach: „Genug jetzt von dir und deinem ewig nach Trübsal suchenden Gedanken. Wenn sie ihn tatsächlich heiratet, dann bist du selber schuld. Wer nicht kämpft, der hat schon verloren.“

„Aber …“

Doch erneut kam Anthony nicht weiter. Zeigte sich das Zittern, das durch den gesamten Stamm kroch, ja sofort wieder. Diesmal sogar eine Nuance stärker. Zudem blieb es.

Aber auch der Tonfall, in dem der Baum dazu sprach, wurde immer dunkler und bedrohlicher und war somit alles andere als gütig: „Und auch der Unsinn mit dem ‚Es war umsonst, diese ganze Reise, sie war umsonst‘, ich kann es nicht mehr hören“, rief der nämlich. „Denn erstens, Frau Watenbloom hatte eine schöne Zeit. Was nicht unwichtig ist, denn wer weiß, wie lange sie noch hat. Und zweitens, Mathilda hat dir endlich erzählt, wie es zu dem schrecklichen Unfall kam, der ihren Körper und vor allem ihre Beine so furchtbar entstellt hat. Nämlich, dass es ihr eigener Vater war, der diesen verursacht hat. Und das unter so schrecklichen Umständen. Und drittens, und das vor allem, du weißt endlich, wie du wirklich zu ihr stehst. Dass du sie nämlich liebst. Nicht nur wie ein Bruder seine Schwester. Also, junger Mann, was willst du denn noch mehr?“

Kurz schwieg der Baum. Aber nicht, weil er eine Antwort von Anthony erwartete, sondern weil seine Wurzeln scheinbar etwas länger brauchten, eine weitere Erkenntnis bis nach oben in seine Krone zu transportieren. Die er dann aber sofort ansprach. „Ach, und beinahe hätte ich es vergessen“, rief er. „Da wäre ja auch noch viertens. Dass der Professor, der schon anderen mit seinen Spritzen die Zunge gelöst haben soll, mitsamt seiner ganzen Bande erst einmal untergetaucht ist, das ist doch viel besser, als wenn du ihn tatsächlich angetroffen hättest. Denn wer weiß, was das für ein Unglück zur Folge gehabt hätte. Vielleicht wärt ihr drei jetzt alle tot. Und nur weil es andere Schurken waren, die deine Schurken vertrieben haben, und nicht du, deswegen ist das Ergebnis doch noch lange nicht schlecht, oder? Für mich war diese Reise nach Peru also alle andere als ein Misserfolg. Und darum will ich jetzt kein Wort mehr von dir davon hören. Sofort ab mit dir nach Hause. Sonst muss ich dich tatsächlich noch abwerfen. Und das eine sage ich dir, lasse dich erst wieder hier blicken, wenn du dir klar bist über die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Zu denen Mathilda eindeutig gehört. Zu denen sie schon immer gehört hat!“, und ein letztes energisches Zittern kroch durch den Stamm, das Anthony eindeutig klarmachte, dass der Baum das mit dem Abwerfen auch so meinte. Er hatte es ja selbst einmal so erlebt. Und erst, als er vom letzten Ast herab auf den Boden gesprungen war, da verebbte es.

Er aber schwang sich sofort auf sein Fahrrad und trat heftig in die Pedale, wobei in seinem Herzen die Worte seines großen Freunds gegen die der dunklen Schatten kämpften, die dort auf sie lauerten. Und noch war nicht klar, wer letztendlich zum Sieger ausgerufen werden würde. Denn wer immer nur seine Samen im Herbst in den Wind Luft wirft oder darauf hofft, dass ein Eichhörnchen kommt und diese woanders hinträgt, oder vielleicht sogar ein Vogel von seinen Früchten nascht, egal, ob diese bereits vergoren sind oder nicht, der hat doch gar kein Recht mitzureden, wenn es um die Liebe zwischen Mann und Frau geht. Der hat doch gar keine Ahnung von irgendwas. Oder vielleicht etwa doch?

 

Parkplatzsuche

 

„Da vorn liegt Tlobures“, stellte Sims fest und deutete dabei mit einem Finger auf die Frontscheibe.

Sie hatten das Wurmloch bereits vor einer Stunde verlassen und ihre Geschwindigkeit langsam immer weiter gedrosselt. Nicht dass es nötig gewesen wäre, dieser Gleiter war so modern, dass er quasi von einer Sekunde zur anderen von der Paranormalen-Über-Lichtgeschwindigkeit zum absoluten Stillstand gezwungen werden konnte, doch das hätte das Material nur unnötig ermüdet. Es war ja nicht ihr eigener. Sie hatten ihn nur von der Rebellion für ihre Mission geliehen bekommen.

Ramshin, die hinter dem Sessel des Piloten stand, bestätigte dann noch einmal: „Wir sind absolut richtig. Der Planet sieht genauso aus wie auf der Sternenkarte abgebildet.“ Wobei sie mit ihrer rechten, grauen Hand auf das Foto deutete, das auf dem kleinen Bildschirm unterhalb der Frontscheibe abgebildet war. Das in der Tat ein Zwilling des etwas größeren direkt darüber war.

Ein Hinweis, den der Pilot, der am Schaltpult gerade einige Schalter betätigte, mit einem säuerlichen Grinsen quittierte. Der natürlich wusste, dass es das richtige Ziel war. Wenn auch nicht, dass es Ramshin gar nicht böse meinte. Dinge zu wiederholen, das half ihr ganz einfach, die Dinge in ihrem Kopf in den richtigen Aktenordnern abzulegen. Vor allem in diesen Tagen. Sie sah gar nicht gut aus.

Allerdings war es dem Piloten und seiner Crew ja schon von Anfang an nicht recht gewesen, von ein paar jungen Abenteurern, die alle gerade erst die Schule hinter sich gebracht hatten, Ghlissun einmal ausgenommen, Befehle entgegennehmen zu müssen. Zumal nicht einer von ihnen Uniform trug. Sie waren hier zwar bei der Rebellion, das aber war nicht gleichbedeutend damit, dass es sich bei ihnen um einen Haufen unzivilisierter Piraten handelte. Die Hierarchie war strikt und die Disziplin streng, sonst wäre ihre Chance gegen das Imperium auch gleich null. Nur in Kinofilmen gelingt das. Zudem nur in denen, die auch so vor Logikfehlern nur so strotzen.

„Na, dann wollen wir mal hoffen, dass dieser werte Weise namens Grogopunillon Bopollinos auch Zeit für uns hat“, sprach nun Broms. Der dabei aber mit seiner dunklen Stimme fast sogar ein wenig unheilvoll klang. Als ob die Ahnung, dass die Mission nicht ganz so leicht werden würde, so wie es sich vielleicht der ein oder andere erhofft hatte, in seinem Kopf schon zu einer unverrückbaren Bestimmtheit angewachsen sei. Dann allerdings rief er, schon wieder wesentlich zuversichtlicher klingend: „Es kommen doch alle mit, oder?“

Sofort riefen fünf Stimmen aufgeregt „Ja!“

Auch die von Ghlissun. Obgleich die seine dabei nicht ganz so euphorisch klang wie die der anderen. Das aber nicht, weil seine Liebe für die Langeweile und den gepflegten Müßiggang durch diesen Ausflug bedroht wurde, sondern nur, weil sie ein herzhaftes Gähnen ablöste. Er war nämlich gerade erst aufgewacht.

Anthony hingegen zeigte ein ziemlich glückliches Gesicht. Das seinen Grund aber nicht darin fand, weil endlich wieder Bewegung in ihre Mission kam, zumal ihr Flug ja nur einen Tag und eine Nacht gedauert hatte, sondern weil er soeben das sechste Schokotörtchen aus der linken Innentasche seiner Jacke gezogen hatte. Er rief sogar ganz aufgeregt: „Natürlich kommen wir alle mit! Was ist denn das für eine dumme Frage“, und stellte ebendieses Schokotörtchen auf der Ablage direkt vor ihm ab. Die aber eigentlich nur ein kleines Brett war, das er aus der Rückenlehne des Sessels der vor ihm sitzenden Agada gezogen hatte. So wie man sie aus einem Flugzeug oder einem Zug auf der Erde kennt.

Wenngleich der Sessel, auf dem die Kämpferin gerade saß, wesentlich komfortabler war als die, die dort zu finden sind. Und natürlich waren das auch all die anderen Sitzmöbel, die der Rest des Teams gestern Abend zu den Ihrigen erwählt hatten. In denen sie, nachdem sie die Rückenlehnen umgeklappt und sie zudem ein wenig im Raum verschoben hatten, sogar ziemlich bequem schlafen konnten. Was Ghlissun mit einem weiteren herzhaften Gähnen bezeugte. Sodass die Kommandobrücke des Gleiters, auch wegen der überall wild herumliegenden Decken und Kissen, fast schon ein wenig wie ein unaufgeräumtes Wohnzimmer aussah. Wenn eben nicht überall noch die zig Bildschirme, die tausend Schalter und Knöpfe und all die kleinen blinkenden Lichter an den Wänden zu sehen gewesen wären. Und ebendieser mürrische Pilot mit noch drei weiteren Besatzungsmitgliedern, die das alles mit flinken Fingern bedienten.

Dann löste Anthony die Ablage sogar aus ihrer Verankerung und ging damit im Raum herum und bot der Runde seine sechs zutage geförderten Schokotörtchen an. Geradezu so, als sei er ein Lakai auf einem Galaempfang. Sims, Ramshin und Ghlissun lehnten allerdings ab. Agada und Broms natürlich nicht. Die dann gerne auch die anderen Törtchen unter sich aufgeteilt hätten.

Die Anthony aber, da auch er ab und zu einen recht guten Psychologen abgab, nachdem er Broms einmal kurz auf die Finger getatscht hatte, vielleicht auch deswegen, weil der auch diesen Flug über Agada die ganze Zeit mit Beschlag belegte, dass sich nicht einmal die Möglichkeit ergab, mit ihr alleine ein paar Worte zu wechseln, den restlichen vier Mann der Besatzung anbot. Wovon zwei Frauen waren. Was nach einem Biss in das seine, endlich auch ein Lächeln auf dem Gesicht des Piloten erscheinen ließ. Der, nachdem er sich die Finger gründlich abgeschleckt hatte, fast fröhlich wirkte, als er zum einen versprach: „Wir werden im Orbit auf euch warten. Egal wie lange es dauert“, und zum anderen: „Ich werde sofort das Beiboot bereit machen lassen.“

In welches der ganze Verein nur fünf Minuten später einstieg. Allerdings, weil der Raum in dem Ding dann doch etwas arg knapp bemessen war, erst nachdem sich Ghlissun und Sims zu jeweils einem kleinen flauschigen Tierchen verwandelt hatten. Deren Bezeichnung sie der Runde zwar verrieten, die aber viel zu viele Buchstaben hatte, als dass Anthony sie in seinem Kopf hätte länger behalten wollen als drei Sekunden. Das Leben war schon so kompliziert genug. Es reichte ihm völlig, feststellen zu dürfen, dass die beiden Körperwandler ihn jetzt an Kaninchen erinnerten. Natürlich an die, die auf Robotanien ihr Zuhause haben. Was fast geradezu gleichbedeutend damit ist, dass diese sechs Pfoten hatten, beschenkt die Natur doch dort gerne ihre Kinder mit einem Paar mehr. Und nur bei den Spinnen wird es geraubt. Allerdings an Kaninchen, die zu viele Tomaten gegessen haben. Wenn sie auch nicht völlig rot waren, sondern gelegentlich kleine blaue Flecken zeigten. Vor allem um ebendiese sechs Pfoten herum. Sodass er, dieses Detail noch einmal genauer betrachtend, seinen Begriff noch einmal erweiterte, und zwar auf ziemlich seltsame Kaninchen. Denn immer, wenn es möglich war, einen Vergleich mit der Erde zu finden, machte er das ja auch. Das machte ihm das Denken einfach, das schon so kompliziert genug war. Und natürlich saßen die beiden dann auf Ramshins rechtem Oberschenkel und sie kraulte sie mit ihrer grauen Hand. Denn jedes Bisschen Wärme, das für sie zu finden war, musste sofort genutzt werden. Wenngleich der folgende Flug insgesamt nur eineinhalb Stunden dauern sollte. Der sich in mehrere Etappen gliederte. In vier, um genau zu sein.

Die erste war natürlich die, nachdem sie die Stratosphäre des Planeten mit ihrem Beiboot durchbrochen hatten, abzuklären, ob sie sich denn überhaupt im Luftraum über Tlobures aufhalten durften. Vielleicht sogar überall da, wohin die Laune sie trug. Was, da sie ja nicht in kriegerischer Absicht kamen und ihr Gleiter zudem der Kennung nach noch immer der imperialen Flotte angehörte, war der Raub ja noch nicht als solcher erkannt worden, rasch genehmigt wurde. Nach einer kurzen Rücksprache eines parallel zu ihnen sich im Flug befindlichen kleinen Zollschiffes mit dem Zentraltower, der sich auf der nördlichen Polkappe befand. Die, wie auch die zwei auf der Erde, aus Eis bestand. Gebildet aus Wasser. Wenngleich sie das Licht der zwei Sonnen, um die der Planet in seiner Gesamtheit seine Bahnen zog, mit einem satten Stich ins Rosa in den Weltraum reflektierte. Was an gewissen Bakterien läge, die in dem Eis eingeschlossen seien, wie Ramshin der Runde erklärte. Die ihr dabei mehr oder weniger aufmerksam zuhörte. In Anthonys Fall eindeutig weniger. Er fand nur, dass es recht hübsch anzuschauen war.

Nach dieser Nachricht und der beruhigenden, dass auch keine Raketen und auch Abfangjäger zu ihren Ehren aufstiegen, um sie zu zerstören oder auch nur zur Landung zu zwingen, und nach einem Blick ihres Bordcomputers in das schier unerschöpfliche Archiv des hiesigen Zentralcomputers, der sich jetzt allerdings auf dem südlichen Pol befand, wo denn ein gewisser Grogopunillon Bopollinos zu finden sei, seines Zeichens Weiser, machten sie sich auf zu einem riesigen Kontinent nahe dem Äquator.

Was allerdings etwas dauert und somit die zweite Etappe genannt werden kann. Denn auch wenn es Anthony geradezu unmöglich erscheinen wollte, dass es noch jemanden mit diesem Namen geben kann, allein der vielen Buchstaben wegen, geschweige denn, was deren Anordnung anbetrifft, zumindest war ganz bestimmt keiner zweiter auf seiner guten alten Erde zu finden, so war dieser Name auf Tlobures ziemlich geläufig. Sogar Weise, die ihn trugen, gab es mehrere, sodass es sich schon hier lohnte, Ramshin doch mitgenommen und nicht in einen Ofen auf dem Mutterschiff gesteckt zu haben, wo sie dann untätig die weitere Entwicklung hätte abwarten müssen.

Worüber beinahe sogar abgestimmt worden wäre, wenn Anthony sich nicht ab und zu nicht nur als ein recht guter Psychologe, sondern auch als ein recht guter Diplomat erweisen würde. Der vor allem Broms schnell diesen Unsinn aus dem Kopf vertrieb. Wenngleich es der Kämpfer ja nur gut meinte. Wollte er Ramshin doch vor eventuellen Gefahren schützen. Kein Wunder, sie sah in der Tat wirklich nicht gut aus.

Natürlich war sie es auch, die ihnen dann noch die nützliche Zusatzinformation gab, gelesen in einem anderen Buch als dem, in dem sie die Sache mit dem Zaubertrank fand, der alles zerstören kann, die ihren Grogopunillon Bopollinos von all den anderen tausend noch hier wohnenden definitiv unterschied. Nannte man den ihren ja auch den Weisen mit dem zweiten Blick.

Wieso? Das wusste allerdings auch sie nicht. Sollte sich aber schon bald in dramatischer Weise klären.

Dass der Gesuchte am Äquator wohnte, wenngleich nicht auf dem riesigen Kontinent, der fast über dreiviertel von diesem umschlang, wie ein breiter, etwas zu kurz geratener Gürtel, sondern auf einer kleinen Insel, die diesem direkt vorgelagert war, keine zehn Kilometer in nordöstlicher Richtung, registrierten alle somit mit großer Erleichterung. Denn je mehr Wärme, desto besser ging es Ramshin. Auf einem der beiden Pole wäre wahrscheinlich in kürzester Zeit ihr rechtes Knie eingefroren. So wie es auf dem Berg Richtung Kanozplian ja schon einmal geschah. Wovon natürlich alle inzwischen unterrichtet worden waren. Was dann vielleicht dazu geführt hätte, dass sich sogar Anthony gewünscht hätte, ab und zu etwas weniger diplomatisches Geschick zu besitzen.

Allerdings ist mit dem Begriff der kleinen Insel jetzt keine gemeint, auf der ihr Grogopunillon Bopollinos vielleicht einsam und allein all die Mysterien des Universums zu klären versuchte. Eine, auf der man mit dem Wurf einer Kokosnuss, oder was auch immer auf ihr wachsen will, an dem einen Ende stehend das andere erreichen kann. Denn klein war sie ja nur im Vergleich zu dem riesigen Kontinent, dem sie vorgelagert lag, und wenn man beide aus dem Weltraum aus weiter Entfernung betrachtete. In Wirklichkeit handelte es sich bei ihr um eine ziemlich große Landmasse, einem Kreis mehr ähnelnd als jeder anderen Form, auf der sich sogar verschiedene Städte fanden. Von der Größe, dass man sie ohne Übertreibung Megacitys nennen darf. Drei Stück, um genau zu sein. Keine unter zehn Millionen Einwohner. Die alle, wie so oft bei Inseln, an der Küste lagen. Fast symmetrisch um das Zentrum herum verteilt. Auf zwei, sechs und zehn Uhr, wenn man die runde Landmasse als riesige Uhr betrachtete. Sodass man es getrost die dritte Etappe nennen kann, in der eifrig versucht wurde herauszufinden, welche von diesen drei Megacitys denn die ihre war. Denn nur in den Romanen lebt der Weise völlig abgeschieden auf dem Land. In seiner kleinen, windschiefen Hütte am Rand des Moors. Nur das Bellen des Fuchses im Ohr oder gelegentlich den Schrei des Uhus. In der Realität sucht er den Puls der Zeit. Denn die Zeit, sie bedeutet Veränderung. Und nur die Veränderung bringt ihm neues Wissen. Nach geduldiger Suche in den Archiven der jeweiligen städtischen Einwohnermeldeämter, die natürlich Ramshin übernahm, wenn auch der Bordcomputer erst einmal wieder die Verbindung zum Zentralarchiv des Planeten herstellen musste, stellte es sich heraus, dass es der Moloch auf zwei Uhr war.

Sofort gingen sie in ihrem Beiboot in den Sinkflug über, was man die vierte Etappe nennen darf. Kreisten über der Stadt und suchten im Netz der Straßen einen geeigneten Parkplatz. Einen, der nicht allzu weit von ihrem wirklichen Ziel entfernt lag. Nachdem dieser gefunden war, landeten sie dort.

Was natürlich sofort einige Zuschauer anlockte, denn so etwas bekamen auch die nicht jeden Tag zu sehen. Die dann aber, weil sich nicht wirklich etwas Dramatisches daraus entwickelte, schon bald wieder ihren üblichen Geschäften nachgingen.

Wozu ergänzend zu sagen ist, dass es sich bei diesen Zuschauern zu fast neunzig Prozent um Menschen handelte, die sich kein bisschen von denen unterschieden, die das Team von Robotanien her kannte oder Anthony von der Erde. Natürlich gab es unter ihnen welche mit blauer Haut, auch solche die Köpfe aufhatten, die doch sehr an die von Krokodilen erinnerten, von dem ein oder anderem höchst ungewöhnlichen Gesicht mehr gar nicht erst zu sprechen, und kurz sprang auch jemand auf nur einem Bein vorbei, als wäre er ein kriegsversehrtes Känguru, aber irgendwie hielt es sich im Rahmen. Schon deswegen, weil es hier ja nur Gewohnheit war. Niemand lief schreiend davon oder wollte vielleicht sogar die Polizei informieren, weil ihn vielleicht ein solch seltsames Gesicht nach dem Weg fragte oder der mit dem nur einem Bein darum bat, ob man ihm beim Binden der Schnürsenkel behilflich sein könne. Sodass viel eher der Umstand erstaunlich war, dass nur sehr wenige Fahrzeuge unterwegs waren. Wie übrigens auf allen anderen Straßen auch, wie sie es bereits, noch in der Luft leise über die Stadt gleitend, gut hatten beobachten können.

Ein Anblick, der jeden aus dem Team mehr als nur ein wenig befremdete, waren sie doch alle das hektische Treiben auf den Straßen von Ibalon gewohnt. Wo man an manch einer, nicht nur manchmal, über eine geschlagene Stunde stand, und nur darauf wartete, bis sich endlich eine Lücke ergab, in der man geschwind auf die andere Seite wechseln konnte. Zudem schnell wie ein Wiesel, nicht dass man vielleicht doch noch auf der Motorhaube eines Lkws klebend ganz woanders hinreiste. An einen Ort, wohin es nie geplant.

Wobei jetzt aber nicht einmal die Rede von den achtspurigen Autobahnen ist, sondern von den ganz gewöhnlichen Straßen am Rande des ersten Bezirks, bevor diese in diesem Areal fast ausnahmslos zu transparenten Röhren werden, die wie Pfeile durch die Gebäude stechen. Ausgenommen vielleicht nur die kleinen unbedeutenden, die dem Lieferverkehr dienen oder auch den städtischen Buslinien ihren Weg vorgeben. Wie zum Beispiel der, die sie einst immer zu ihrer Schule brachte.

Allerdings jetzt den Vorteil habend, der so klein nicht war, dass sich die Parkplatzsuche, die sich die Truppe so schwierig vorgestellt hatten, zumindest als sie noch durch die Glaskuppel des Gleiters blickten, als recht einfach erwies. Mussten sie ja nicht extra ausweichen auf den Platz vor einem Supermarkt oder vielleicht sogar auf einen Flughafen weit außerhalb der Stadt, sondern konnten einfach auf dem Seitenstreifen einer Straße landen. Denn auch wenn ihr Beiboot viel größer als ein gewöhnliches Auto war, so war es das eben doch nicht.

Was aber nur auf den ersten Zuruf paradox klingt. Denn kaum gelandet, wofür Broms allerdings kurz doch die ganze Breite der Straße brauchte, der natürlich die Bedienung des Beibootes übernommen hatte. Wer sonst? Konnte man ja das, was man bei einem Auto vielleicht eine verlängerte Motorhaube nennen würde, und auch das, was man dort gewöhnlich als das Heck bezeichnet, einfach hochklappen. Auch die beiden Seiten, links wie rechts.

Das sah sehr seltsam aus. Zumal, wenn man denn Anthony für das Beiboot im Zustand des Fliegens einen Namen hätte finden lassen sollen, er wohl gesagt hätte, dass es kein bisschen anders aussehe, wie man sich auf der Erde eine fliegende Untertasse vorstellt. So oft in Filmen gesehen. Allerdings an eine mit einem ovalen Radius. Breite etwa sechs Meter, Länge hingegen zehn. Mit einer Glaskuppel in der Mitte, deren Umfang überall bis fast einen halben Meter an den Rand heranreicht, und deren Wölbung so ausgelegt ist, dass ein Mensch, so einer wie er zum Beispiel, auch am Rande stehend, alles, was sich draußen tut, prima beobachten kann. Aber auch das, was unter ihm geschieht. Was nicht nur er, sondern alle anderen auch, während des Fluges ausreichend taten. Jetzt aber, nachdem alle ausgestiegen waren, sah das Ding mehr aus wie eine riesige blecherne Vase mit vier Schlitzen. Sehr hoch, gut vier Meter, in deren Mitte eine verknitterte transparente Blüte hing. Sehr traurig dabei wirkend. Denn diese Glaskuppel bestand ja nur scheinbar aus Glas. In Wirklichkeit war sie aus irgendeinem Superplastik hergestellt, das man einfach so verknittern konnte, ohne dass es Schaden dabei nimmt. Sodass man das Vorher, wie sie durch damit die Luft geglitten waren, und das Nachher, wie das Beiboot nun hier stand, kaum noch in Zusammenhang bringen konnte. Wenn man denn nicht wusste, dass es eben doch dasselbe ist. Was es aber zumindest erleichtern sollte, dass, wenn sie sich auf den Rückweg machten, das Ding garantiert auch wiederfinden würden. Wenn denn nicht die beiden Kämpfer mit ihrem unbestechlichen Orientierungssinn genug Garantie dafür wären. Auf dem Seitenstreifen stand nämlich nichts, was auch nur annähernd vergleichbar war. Vor allem nichts, was so hoch war.

„Er wohnt nur ein paar Straßen weiter“, erklärte Ramshin, während sie auf eine Scheibe sah, die sie in der Hand hielt. Die übrigens nicht unähnlich der war, die sie in ihrer Schulzeit benutzt hatte. Die sie, so wie Anthony die seine, ja leider in ihrem kleinen Häuschen in Ibalon hatte zurücklassen müssen. Wohingegen auf dieser, dank des Bordcomputers, inzwischen der komplette Plan dieser Stadt, aber auch all die Pläne der anderen Städte dieses Planeten abgespeichert war. So detailgetreu, dass man nicht nur jede Ampel oder jede Kreuzung damit hätte finden können, sondern auch jeden Gullydeckel und jeden Postkasten. Ramshin war in diesen Dingen immer sehr penibel. Was sich schon oft zum Vorteil des Teams herausgestellt hatte.

Sie war es auch, die vorausging. Keine Frage. Sie war nun einmal Ramshin und allein Kraft dieses Namens gebührte ihr dieser Posten. Broms und Agada folgten. Sodass Anthony die Nachhut bildete. Wenn auch nicht allein, da er plötzlich zwei kleine Vögel auf seinen Schultern sitzen hatte. Die er auf der Erde wohl Papageien genannt hätte. Bunt, wie sie sich nun einmal gaben. Die aber natürlich niemand anderes als Ghlissun und Sims waren. Die hatten nämlich noch im Beiboot diese Gestalt angenommen. Hatte ja Agada kurz vor der Landung noch recht treffend bemerkt, dass sie als rote Kaninchen im Notfall wohl keine große Hilfe wären.