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Aromapraxis für Profis – in Klinik, Praxis und häuslichem Umfeld
Für das gesamte Spektrum der Behandlung und Pflege: 180 Basisrezepturen aus 20 bewährten und kostengünstigen ätherischen Ölen bei über 150 relevanten Indikationen
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 463
Veröffentlichungsjahr: 2024
Eliane Zimmermann, Sabrina Herber
45 Abbildungen
Seit über 30 Jahren beschäftige ich mich als Apothekerin mit ätherischen Ölen. Lange Jahre wurden in meiner Apotheke regelmäßig Rezepturen hergestellt – nach Aromatogramm oder nach individuellen Bedürfnissen. Und immer wieder konnte ich feststellen, dass die ätherischen Öle wirken. Als Seminarleiterin habe ich mich regelmäßig mit Pflegekräften und Therapeuten ausgetauscht – und auch hier wurde mir immer wieder bestätigt, dass ätherische Öle sanft und sicher wirken.
Das Buch „Aromapraxis für Pflege- und Heilberufe“ schließt eine große, bisher bestehende Lücke bei den bereits vorhandenen Fachbüchern zur Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe und ergänzt fundiert auch einige Bücher, die sich an interessierte Laien wenden. Eliane Zimmermann und Sabrina Herber haben es verstanden, mit viel Sachverstand, aber auch didaktischem Geschick wissenschaftliche Studien zu den ätherischen Ölen so zu erklären, dass es nicht nur der angehende oder auch bereits erfahrene Heilpraktiker, der Therapeut oder die Pflegekraft gut verstehen und umsetzen können, auch interessierte Laien werden das Buch mit Gewinn lesen.
Viele Heilpraktiker, Pflegekräfte und Therapeuten möchten gerne Aromatherapie oder Aromapflege in ihre Arbeit integrieren, es fehlt aber entweder die Zeit, sich das notwendige Wissen umfassend anzueignen, oder sie möchten ein Nachschlagewerk, um alle wichtigen fachlichen Aspekte sofort bei der Hand zu haben und sich mit diesen zunächst vertraut zu machen.
Selbstverständlich sind eine gute Ausbildung und fachliches Wissen unbedingt notwendig, um verantwortungsvoll mit ätherischen Ölen in Pflege und Praxis umgehen zu können – ein gutes Buch unterstützt aber bei der „Einführung in die Praxis“.
Dieses Werk gibt dem erfahrenen Aromapraktiker, aber auch dem wissbegierigen Einsteiger in dieses Thema ein umfassendes Basiswissen und viele erprobte Rezepturen, um damit arbeiten zu können. Sehr bewusst haben die beiden Autorinnen versucht, mit wenigen ätherischen Ölen auszukommen: So werden lediglich 20 ätherische Öle und 10 fette Öle sowie einige Hydrolate als Grundausstattung empfohlen und verwendet. Diese 20 Öle werden praxisnah, mit allen notwendigen Details beschrieben, wobei auch wirkungsähnliche Öle kurz gestreift werden. Sehr schön sind auch die Fotos der entsprechenden Pflanzen.
Die vorgestellten Basisrezepturen lassen sich mit diesen beschriebenen Ölen alle herstellen. Eine Erweiterung ergibt sich durch die sogenannten Spezialrezepturen, bei denen auch noch einige andere wichtige Öle eingesetzt werden. So können auch Pflegekräfte in Einrichtungen, die nur auf ein kleines Budget zurückgreifen können, sofort starten.
Auch die rechtliche Seite, was ein Therapeut darf, was eine Pflegekraft darf, wird von den Autorinnen gut erläutert.
Aus meiner Sicht als Apothekerin finde ich es sehr wichtig, dass die chemischen Inhaltsstoffe der ätherischen Öle gut und verständlich erklärt werden. Auch die physiologische und pharmakologische Wirkung der Duftstoffe über die Strukturen des Geruchsinns, über Neurotransmitter und Rezeptoren sind gut zu verstehen.
Ich hoffe, dass dieses Buch für viele Aromaexpertinnen und -experten ein regelmäßiger Begleiter wird im duftenden Alltag. Das vorliegende Werk zeigt die Liebe der Autorinnen zur Aromatherapie, die mich mit ihnen seit vielen Jahren verbindet.
Ich freue mich, wenn das Buch erscheint und kenne auch schon einige, die auf das Erscheinen warten.
Dorothea Hamm
Apothekerin und Aromaexpertin
Karlsruhe, im März 2024
Der Umgang mit ätherischen Ölen macht seit den Zehnerjahren dieses Jahrtausends einen rapiden Wandel durch. Nicht nur eroberten bedenkliche Praktiken der Überdosierung und damit Verschwendung der kostbaren Pflanzenessenzen unsere Branche, auch müssen wir uns inzwischen regelmäßig mit neuen Vorschriften und sogar Restriktionen seitens der Gesetzgeber befassen.
Wir sind dankbar für das seltene Privileg, seit zusammen gut 50 Jahren den täglichen Umgang mit ätherischen Ölen praktizieren zu dürfen: Uns ist das seltene Glück bewusst, dass wir Leidenschaft, Lebensaufgabe und Beruf kombinieren dürfen.
Auch nach all den Jahren sind wir noch oft genug erstaunt über diese duftenden Signalstoffe, die Pflanzen und Tiere wie beispielweise Insekten einsetzen, um sich etwas mitzuteilen. Wir bewundern mit jedem Chemieunterricht, den wir abhalten, die Fähigkeit von Pflanzen, sich mit gezielt eingesetzten Molekülen gegen Krankheitskeime und Fressfeinde zu wehren oder ihresgleichen andere „Nachrichten“ zukommen lassen zu können. Regelmäßig erleben wir Menschen, die uns mit Dank und Lob überschütten, weil einzelne Öle oder bestimmte Rezepturen, die wir ihnen nach gründlicher Beratung und mit viel Fingerspitzengefühl empfohlen haben, für sie ganz besondere Verbesserungen ihres Wohlbefindens hervorgerufen haben.
Es ist gut zu beobachten, dass einerseits die jüngeren Naturduft-Enthusiast*innen sich bewährte und erprobte Rezepturen von Kolleg*innen wünschen. Andererseits dürfen insbesondere die engagierten Pflegenden immer seltener mit individuell ausgesuchten Ölen den Genesungsprozess ihrer Schützlinge begleiten. Es bedarf mutiger Vorgesetzter, dennoch wohltuende Aromapflege durchzusetzen. Evidenzbasiertes Wissen, kombiniert mit Erfahrungen aus der Praxis, ist aus unserer Sicht ein guter Weg, die Arbeit mit ätherischen Ölen sicher und effektiv zu gestalten.
Mit diesem Buch wagen wir den Spagat, alle diese Wünsche zu erfüllen. Dabei berücksichtigen wir eine preiswerte Grundausstattung, die fast jede Person, die sich bereits mit Aromapflege und Aromatherapie beschäftigt, zur Hand hat. Denn wir wissen aus unzähligen Beispielen, dass kaum jemand bei drei oder fünf Ölen bleibt: Wenn einen die Freude an besonderen Nasenerlebnissen gepackt hat, kommen nach und nach immer mehr Düfte ins Haus.
Dennoch gibt es für bestimmte Fälle oft nur ein ganz bestimmtes Öl, das sozusagen der „Gamechanger“ ist. Beispielsweise können bei Prellungen und anderen stumpfen Verletzungen allerlei Öle helfen – ohne das fast wundersam wirkende Immortellenhydrolat ist der Erfolg jedoch nur halb so gut, wie er sein könnte. Wessen Brustenge mit oder ohne Husten nicht so recht mit den üblichen „medizinischen Düften“ von Cajeput, Eucalyptus oder Ravintsara klarkommt, wird erstaunt sein, wie deutlich Khellaöl Erleichterung bringen kann. Um auch stärkere Blutungen, z.B. der Nase oder bei medikamentenbedingten Petechien, zu stillen, wirkt am überzeugendsten Cistrosenöl.
Somit finden Sie für beinahe jede Befindlichkeit und Beschwerde eine Anwendungsempfehlung mit einer sinnvollen Auswahl aus den 20 Naturdüften der Grundausstattung und zusätzlich eine möglicherweise noch deutlich wirksamere Rezeptur mit – auf den ersten Blick – selteneren Ölen.
Wie bei allen Anwendungen ist eine zuverlässige Compliance vonseiten der Patient*innen nötig: Die wunderbaren ätherischen Öle haben zwar den großen Vorteil, dass sie den Körper relativ schnell wieder verlassen, also kaum unerwünschte Nebenwirkungen verursachen können. Doch genau dieser ist auch der Grund, weswegen sie regelmäßig wieder inhaliert oder eingerieben werden sollten, idealweise dreimal täglich bei körperlichen Beschwerden, bei seelischen Schieflagen eher öfter.
Dafür sind die handlichen, selbst befüllbaren Riechstifte eine grandiose Erfindung, die nun bei vielen Anbietern zu erwerben sind. Wie die Wissenschaftlerin und Autorin Prof. Dr. Bettina Pause mit ihren Experimenten bestätigt: „Jedes Riechmolekül verursacht ein Gefühl“. Gute Gefühle sind unerlässlich für die ganzheitliche Heilung. Wir sind davon überzeugt, dass Sie, liebe Leserin und lieber Leser, unsere Vorschläge lieben werden und von Ihren Patient*innen und Familienangehörigen ähnlich viele positive Rückmeldungen erhalten werden wie wir.
Eliane Zimmermann und Sabrina Herber
Glengarriff/Irland und Schwollen, im März 2024
Unser Dank geht an die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer unseres Podcasts, die uns mit Mut machenden und wirklich bereichernden Schilderungen ihrer eigenen Erfahrungen versorgen. Ein Dank geht auch an unsere vielen Kursteilnehmerinnen, von denen wir immer noch viel lernen dürfen, insbesondere, wenn sie uns „Löcher in den Bauch“ fragen.
Ferner sind wir besonders dankbar für die wohlwollende, geduldige und wunderbar gründliche Betreuung dieses umfangreicher als zunächst angedacht gewordenen Projekts: Stefanie Teichert, Eva Wallstein und Christian Böser.
Titelei
Geleitwort
Vorwort
Danksagung
Teil I Grundlagen der Aromatherapie und -pflege
1 Notwendige Begriffsdifferenzierungen
2 Was ist ein ätherisches Öl?
3 Wie wirken ätherische Öle?
3.1 Ursprache von Lebewesen: die chemische Kommunikation
3.2 Riechmoleküle: Highway in die Emotionswelt
3.3 Gerüche müssen gar nicht gerochen werden
3.4 Pharmakologische Wirkungen
4 Aus welchen Inhaltsstoffen bestehen ätherische Öle?
4.1 Vielstoffgemische und ihre Besonderheiten
4.2 Vorkommen und Gewinnung ätherischer Öle
4.3 Ein Blick in den duftenden Chemiebaukasten
4.3.1 Terpenverbindungen
4.3.2 Phenolische Verbindungen
5 Welche rechtlichen Aspekte sind zu beachten?
5.1 Rechtliche Aspekte für Heilpraktiker
5.1.1 Heilpraktikergesetz (HeilprG)
5.1.2 Arzneimittelgesetz (AMG)
5.1.3 Aufklärungspflicht
5.2 Rechtliche Aspekte für Pflegende
5.2.1 Fort- und Weiterbildung
5.2.2 Implementierung
5.2.3 „Komplementäre Pflegemethoden“ und geltendes Recht
5.2.4 Verkauf von ätherischen Ölen
5.2.5 Herstellung aromapflegerischer Rezepturen
5.2.6 Regelungen in Österreich und der Schweiz
5.3 Deklaration ätherischer Öle
6 Wie lassen sich ätherische Öle anwenden?
6.1 Auswahl von ätherischen Ölen und Anwendungsformen
6.2 Grundrezepturen – auf was generell zu achten ist
6.2.1 Grundsätzliche Dosierung
6.2.2 Unerwünschte Nebenwirkungen
6.2.3 Vorsichtsmaßnahmen und potenzielle Kontraindikationen
6.2.4 Wechselwirkungen
6.3 Anwendungsformen
6.3.1 Körper- und Massageöle für Einreibung und Massagen
6.3.2 Balsam
6.3.3 Waschung
6.3.4 Bad/Sitzbad/Teilbad
6.3.5 Inhalation
6.3.6 Trockeninhalation
6.3.7 Dekolleté- oder Körperspray
6.3.8 Roll-on
6.3.9 Nasenöl
6.3.10 Mundpflegeöle/Pflegeöle für den Intimbereich
6.3.11 Ölkompressen
6.3.12 Raumbeduftung
Teil II Grundausstattung von A bis Z
7 Die 10 wichtigsten fetten Pflanzenöle für die Praxis
8 Die 20 ätherischen Öle der Grundausstattung
8.1 Atlaszeder, Cedrus atlantica (Endl.) G.Manetti ex Carrière
8.2 Benzoe, Styrax tonkinensis Craib ex Hartwich
8.3 Cajeput, Melaleuca leucadendra (L.) L.
8.4 Copaibabalsam, Copaifera officinalis (Jacq.) L.
8.5 Fenchel, Foeniculum vulgare Mill.
8.6 Fichtennadel, Abies sibirica Ledeb. und Picea abies (L.) H.Karst.
8.7 Kamille (Römische), Chamaemelum nobile (L.) All.
8.8 Lavendel, Lavandula angustifolia Mill.
8.9 Lorbeer, Laurus nobilis L.
8.10 Majoran, Origanum majorana L.
8.11 Melisse, Melissa officinalis L.
8.12 Orange, Citrus sinensis (L.) Osbeck
8.13 Pfeffer, Piper nigrum L.
8.14 Pfefferminze, Mentha × piperita L.
8.15 Rosengeranie, Pelargonium graveolens L’Hér.
8.16 Rosmarin Ct. Cineol, Salvia rosmarinus Spenn.
8.17 Teebaum, Melaleuca alternifolia (Maiden & Betche) Cheel
8.18 Thymian Ct. Linalool, Thymus vulgaris L.
8.19 Zitrone, Citrus × limon (L.) Osbeck
8.20 Zypresse, Cupressus sempervirens L.
9 Die 4 Hydrolate der Grundausstattung
9.1 Immortellenhydrolat, Helichrysum italicum (Roth) G.Don
9.2 Melissenhydrolat, Melissa officinalis L.
9.3 Orangenblütenhydrolat (Nerolihydrolat), Citrus × aurantium L. (flos/Blüte)
9.4 Rosenhydrolat, Rosa × damascena Mill.
Teil III Rezepturen für unterschiedliche Indikationen
10 Einleitung
11 Psyche und Emotionen
11.1 Psychische Beschwerden (mit und ohne Krankheitswert)
11.1.1 Angst/Ängstlichkeit
11.1.2 Depression/depressive Verstimmung
11.1.3 Disstress
11.1.4 Erschöpfung/Burn-out
11.1.5 Nervosität
11.1.6 Hyperaktivität
11.1.7 Schlafstörung
11.1.8 Schockzustand
11.1.9 Essstörungen
11.1.10 Sexualität, fehlendes Verlangen
11.1.11 Sexualität, übermäßiges Verlangen
11.2 Emotionale Belastungen
11.2.1 Antriebsschwäche
11.2.2 Belastungen, zu große/zu viele
11.2.3 Blockade, emotionale
11.2.4 Empfindsamkeit/seelische Verletzlichkeit
11.2.5 Erdung, Wunsch nach
11.2.6 Rastlosigkeit, Unausgeglichenheit
11.2.7 Konzentrationsmangel/Zerstreutheit
11.2.8 Instabilität, seelische
11.2.9 Laune, schlechte
11.2.10 Aggression/Ärger
11.2.11 Zorn/Wut
11.2.12 Mutlosigkeit
11.2.13 Selbstvertrauen, zu wenig
11.2.14 Trauer
11.2.15 Tod, Angst vor
11.2.16 Männlichkeit, Angst vor Verlust an
11.2.17 Weiblichkeit, Angst vor Verlust an
12 Schmerzen
12.1 Schmerzen im Kopfbereich
12.1.1 Kopfschmerzen durch Sinusitis, Erkältung etc.
12.1.2 Migräne
12.1.3 Neuralgische Schmerzen/Trigeminusneuralgie
12.1.4 Spannungskopfschmerz
12.1.5 Nackenschmerzen
12.1.6 Ohrenschmerzen, Otitis
12.1.7 Zahnschmerzen
12.2 Schmerzen des Bewegungsapparats
12.2.1 Arthrose/Arthritis
12.2.2 Fibromyalgie
12.2.3 Rückenschmerzen/Ischialgie
12.2.4 Gelenk- und Muskelschmerzen, chronische
12.2.5 Knie- oder Fußgelenkschmerzen
12.2.6 Muskelkrämpfe
12.2.7 Muskelkater
12.2.8 Wachstumsschmerzen
13 Erkrankungen des Nervensystems
13.1 Neurodegenerative Erkrankungen
13.1.1 Demenz
13.2 Neurologische Erkrankungen
13.2.1 Tinnitus und Schwindel
13.2.2 Geruchsstörungen bei und nach COVID-19-Infektion
14 Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und des Gefäßsystems
14.1 Erkrankungen des Herzens
14.1.1 Funktionelle Herzbeschwerden/Arrhythmien
14.1.2 Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
14.1.3 Hypotonie
14.1.4 Tachykardie
14.2 Erkrankungen des Gefäßsystems
14.2.1 Kalte Füße
14.2.2 Chronisch-venöse Insuffizienz (CVI)
14.2.3 Lymphstauungen/Lymphödeme
14.2.4 Venenentzündung
14.2.5 Varizen
15 Erkrankungen des Verdauungstrakts
15.1 Erkrankungen der Speiseröhre und des Magens
15.1.1 Sodbrennen/Refluxösophagitis
15.1.2 Übelkeit/Erbrechen
15.1.3 Dyspepsie, chronische Magenbeschwerden
15.1.4 Gastritis
15.1.5 Reizmagen
15.2 Erkrankungen des Darms und der Analregion
15.2.1 Blähungen
15.2.2 Diarrhö (Durchfall)
15.2.3 Obstipation (Verstopfung), schlaffe
15.2.4 Obstipation (Verstopfung), spastische
15.2.5 Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
15.2.6 Reizdarmsyndrom (Colon irritabile)
15.2.7 Koliken
15.2.8 Hämorrhoiden/Analfissur
15.3 Erkrankungen der Leber
15.3.1 Leberinsuffizienz
15.3.2 Leberpflege: die Fettverdauung erleichtern (choleretisch/cholagog)
16 Erkrankungen der Atemwege
16.1 Erkrankungen der oberen Atemwege
16.1.1 Rhinitis, akute
16.1.2 Rhinitis, allergische
16.1.3 Sinusitis, akute
16.1.4 Sinusitis, chronische
16.1.5 Influenza
16.1.6 Tonsillitis
16.2 Erkrankungen der Lunge
16.2.1 Bronchitis, akute
16.2.2 Asthma bronchiale
16.2.3 Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
16.2.4 Reizhusten
16.2.5 Husten, katarrhalischer
16.2.6 Husten, spastischer
17 Erkrankungen der Harnwege und der Prostata
17.1 Erkrankungen der Harnwege
17.1.1 Harnwegsinfekt, akuter
17.1.2 Harnwegsinfekt, chronischer
17.2 Erkrankungen der Prostata
17.2.1 Benignes Prostatasyndrom
18 Zyklus- und hormonelle Störungen
18.1 Zyklusstörungen
18.1.1 Dysmenorrhö
18.1.2 Hypermenorrhö
18.1.3 Unregelmäßiger Zyklus
18.2 Hormonelle Störungen
18.2.1 Prämenstruelles Syndrom (PMS)
18.2.2 Hitzewallungen
18.2.3 Unerfüllter Kinderwunsch
19 Erkrankungen der Haut/Schleimhaut und der Haare
19.1 Nichtinfektiöse Erkrankungen von Haut/Schleimhaut und Haaren
19.1.1 Aphthen/Zahnfleischentzündung
19.1.2 Konjunktivitis
19.1.3 Haut, empfindliche
19.1.4 Haut, entzündete
19.1.5 Haut, trockene
19.1.6 Haut, rissige/Rhagaden
19.1.7 Haut, fettige
19.1.8 Acne vulgaris
19.1.9 Ekzem, seborrhoisches
19.1.10 Neurodermitis/Ekzem, atopisches
19.1.11 Kontaktekzem, allergisches
19.1.12 Kontaktekzem, toxisches
19.1.13 Urtikaria (Nesselsucht)
19.1.14 Pruritus (Juckreiz)
19.1.15 Psoriasis (Schuppenflechte)
19.1.16 Erysipel
19.1.17 Windeldermatitis
19.1.18 Couperose (erweiterte Äderchen)
19.1.19 Cellulite
19.1.20 Striae/Schwangerschaftsstreifen, vorbeugend
19.1.21 Ödem
19.1.22 Hämatom
19.1.23 Schwitzen, exzessives (ohne Hitzewallungen)
19.1.24 Panaritium
19.1.25 Haarausfall, Alopecia areata
19.2 Infektiöse Hauterkrankungen und parasitärer Befall
19.2.1 Herpes labialis
19.2.2 Zoster (Gürtelrose)
19.2.3 Post-Zoster-Neuralgie
19.2.4 Infektion mit humanen Papillomviren (HPV-Infektion)
19.2.5 Warzen
19.2.6 Mundsoor
19.2.7 Vaginalmykosen
19.2.8 Fußpilz
19.2.9 Nagelpilz
19.2.10 Lausbefall
19.2.11 Krätze
20 Schnelle Hilfe, Vorsorge und Begleitung
20.1 Erste Hilfe für den Alltag
20.1.1 Insektenabwehr
20.1.2 Insektenstich
20.1.3 Verbrennungen/Sonnenbrand
20.1.4 Schnittverletzung/Wunde, blutende
20.2 Prophylaxe und spezielle Pflege
20.2.1 Atmung, Förderung der/tiefes Durchatmen
20.2.2 Angst vor Eingriffen/Behandlungen
20.2.3 Durchblutung, Förderung der
20.2.4 Hautpflege/intakte Haut
20.2.5 Dekubitusprophylaxe
20.2.6 Intertrigoprophylaxe
20.2.7 Abszess
20.2.8 Furunkel und Karbunkel
20.2.9 Ulcus cruris
20.2.10 Narbenpflege
20.2.11 Klinikeinweisung, MRSA-Prophylaxe
20.2.12 Haut-/Schleimhautpflege bei resistenten Keimen wie MRSA
20.2.13 Mundpflege
20.2.14 Stomapflege
20.2.15 Venenportkatheter, Schmerzen am
20.2.16 Blutabnahme, erschwerte/Legen von Zugängen
20.3 Onkologische und palliative Begleitbehandlung
20.3.1 Übelkeit/Erbrechen
20.3.2 Prophylaxe einer Strahlendermatitis
20.3.3 Hautschäden durch Strahlentherapie
20.3.4 Mukositis
20.3.5 Haarausfall
Teil IV Anhang
21 Übersicht über spezielle ätherische Öle und Hydrolate
22 Bezugsquellen für ätherische Öle, Hydrolate, Pflanzenöle und Zubehör
23 Verzeichnis ätherischer Öle und Hydrolate – mit ihren Indikationen und Anwendungsformen
24 Weiterführende Informationen
24.1 Lernmaterial
24.2 Zum Weiterlernen: fundierte Hintergrundinformationen
24.3 Ausbildungen in Aromatherapie/Aromapflege
24.4 Onlinekurse/Webseminare
25 Literatur
26 Glossar
Autorenvorstellung
Anschriften
Sachverzeichnis
Impressum
1 Notwendige Begriffsdifferenzierungen
2 Was ist ein ätherisches Öl?
3 Wie wirken ätherische Öle?
4 Aus welchen Inhaltsstoffen bestehen ätherische Öle?
5 Welche rechtlichen Aspekte sind zu beachten?
6 Wie lassen sich ätherische Öle anwenden?
Wir unterscheiden unterschiedliche Arbeitsfelder im Bereich der gesundheitsunterstützenden Arbeit mit ätherischen Ölen: die Aromatherapie, die Aromapflege und die Aromapraxis.
Aromatherapie praktizieren diejenigen, die nicht nur über die qualifizierte Fortbildung in Aromakunde verfügen, sondern die entweder Ärzte (in Deutschland, Österreich und der Schweiz) oder Heilpraktiker (in Deutschland) sowie Naturärzte und (Natur-)Heilpraktiker (in der Schweiz) sind. Sie dürfen ätherische Öle therapeutisch, also zu Behandlungszwecken, einsetzen und diese auch verschreiben (z.B. in Form von Privatrezepten für Fertigpräparate wie Gelomyrtol oder auch als selbst komponierte Rezepturen zur Herstellung in der Apotheke). In Österreich gibt es keine anerkannte Heilpraktikerausbildung.
Weitere Angehörige von Heilberufen wie Krankenpflegende, die unter ärztlicher Aufsicht und Genehmigung pflegend und unterstützend arbeiten, üben Aromapflege aus. Diese erfahrenen Fachleute setzen ätherische Öle, fette Pflanzenöle und Hydrolate zur Gesundheitsvorsorge und -pflege vor allem im klinischen Umfeld und in der Altenpflege ein. In Deutschland gibt es bislang keine einheitliche Regelung, zumeist erwartet die Pflegedienstleitung, dass wenigstens ein Teammitglied eine mehr oder minder umfangreiche Fortbildung mit ätherischen Ölen absolviert; diese Person erarbeitet dann erste Standards und schult weitere Kollegen. In Österreich benötigen Pflegekräfte eine Fortbildung nach § 64 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG). Inzwischen hat sich der Begriff der Aromapflege vor allem in diesem Bereich gut etabliert. In der Schweiz gibt es neben staatlich anerkannten Naturheilpraktikern, die neben Therapieeinrichtungen auch in eigenen Praxen arbeiten dürfen, auch sogenannte Komplementärtherapeuten, die auf ärztliche Verordnung Behandlungen in der Therapierichtung ausführen, in der sie ausgebildet sind.
Der Begriff der Aromapraxis ist ursprünglich eine Erfindung aus den frühen 1990er-Jahren durch die Autorin Eliane Zimmermann, um eine nachvollziehbare Berufsbezeichnung für medizinische Laien, die ausreichend in Aromakunde ausgebildet sind, nutzen zu können. Hierzu gehören beispielsweise stressabbauende Massagen mit entsprechender Beratung. Auf intakter Haut dürfen Aromapraktiker unterschiedliche pflegende Anwendungen und Massagen sowie im Sinne einer Ersten Hilfe Beratungen bei banalen Störungen des Wohlbefindens durchführen. In Österreich dürfen sogenannte Energetiker nicht massieren, sondern allenfalls „energetische Streichungen“ mit dazu passenden Beratungen vornehmen. In der Schweiz gelten je nach Kanton unterschiedliche Regelungen; an vielen Orten kann die Aromapraxis recht frei ausgeübt werden, an anderen nur nach Erwerb bestimmter Zertifikate. In Deutschland wird der Begriff Aromapraxis mittlerweile auch für die professionelle Anwendung durch Pflegende und Behandelnde am Patienten verwendet, also die praktische Anwendung ätherischer Öle im konkreten Fall. Einer unserer wichtigsten Grundsätze bei der Anwendung von Aromapflege oder Aromatherapie lautet dabei: Wir arbeiten immer im Einklang mit dem Menschen ( ▶ Abb. 1.1) und seinen individuellen Bedürfnissen.
Abb. 1.1 In der Aromatherapie und -pflege werden die Selbstheilungsfunktionen der Klientinnen und Klienten gezielt unterstützt, anstatt lediglich Symptome zu bekämpfen. (Quelle: Zimmermann. Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe. 7. Aufl. Karl F. Haug Verlag 2022.)
(Quelle: Zimmermann. Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe. 7. Aufl. Karl F. Haug Verlag 2022)
Hintergrundwissen
Aromapflege als komplementäre Pflegemethode
Fälschlicherweise wird die Aromapflege oft als alternative Pflegemethode bezeichnet. Der Begriff „alternativ“ würde jedoch bedeuten, dass sich die Pflegekraft zwischen der konventionellen Pflege und der Aromapflege entscheiden müsste. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr kommt der Aromapflege als Ergänzung zur herkömmlichen Pflege eine viel größere Bedeutung zu. Der Begriff „komplementär“ hat seinen Ursprung in der französischen Sprache: Er bedeutet „ergänzend“. Da diese Begriffe zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen haben, sollten sie mit Bedacht verwendet werden! In Bezug auf die Medizin handelt es sich bei naturheilkundlichen Anwendungen, zu denen die Aromapflege gehört, um komplementäre Methoden – wir sprechen also von komplementärer Pflege (Zangenfeind 2010, S. 3 f.).
Ätherische Öle sind leicht verdunstende lipophile Extrakte aus Pflanzen oder Pflanzenteilen, die deutliche, für die jeweilige Herkunftspflanze charakteristische Gerüche aufweisen.
Vermutlich leitet sich der Begriff „ätherisch“ von der alten Bezeichnung für Himmel (Äther) ab, denn die kostbaren Öle steigen in Richtung Himmel auf wie einst die duftenden Räucherwerke der Ägypter. Deren Idee war es, den Gottheiten „dort oben“ duftende Opfer und Geschenke zu überbringen. Als „ätherisch“ wurde zudem vieles bezeichnet, das kaum sichtbar war, wie „ätherische Elfenwesen“ und auch Substanzen wie Quecksilber und Ether, die alte Form der Narkose. Daher werden sie auch als etherische Öle bezeichnet (wobei nur wenige ätherische Öle hauptsächlich aus Ethermolekülen bestehen).
Ätherische Öle werden durch Wasserdestillation oder durch Wasserdampfdestillation gewonnen. Auch durch Raspeln und Zentrifugieren gewonnene Zitrusöle (Agrumenöle, auch Essenzen genannt) zählen zu den ätherischen Ölen.
Für Menschen, die erstmals mit ätherischen Ölen in Kontakt kommen, ist es kaum vorstellbar, wie viel Pflanzenmaterial in einem einzigen Tropfen steckt. Bei den käuflich zu erwerbenden Naturdüften handelt es sich um extreme Konzentrate, die in großen Destillationsanlagen gewonnen werden. Wenn wir selbst zu Hause destillieren, gewinnen wir nur wenige Tropfen oder wenige Milliliter ätherisches Öl, selbst wenn wir erhebliche Mengen im Garten ernten konnten, beispielsweise eine Schubkarre voller Kräuter oder Rosenblütenblätter.
Im Gegensatz zu fetten Ölen ( ▶ Tab. 2.1 ) verdunsten ätherische Öle vollständig und hinterlassen auf Papier keine „Fettflecken“. Viele davon sind jedoch gelblich, rötlich, blau und/oder braun und können somit farbige Flecken auf Papier verursachen.
Tab. 2.1
Unterschiede zwischen ätherischen und fetten Pflanzenölen.
Ätherisches Öl
Fettes Öl
Kohlenwasserstoffmoleküle: vor allem C10, C15 und Benzenverbindungen C6
Kohlenwasserstoffmoleküle: vor allem C16 und C18
wirken antioxidativ („entgiftend“) und antitumoral (viele Bestandteile)
wirken modulierend auf den Hormonhaushalt der Pflanze
wirken antioxidativ („entgiftend“) und unterstützen Reparaturvorgänge
Grundbausteine für menschliche Zellen
„Hausapotheke der Pflanze“: wirken gegen Bakterien, Viren, Pilze
Nahrungsreserve für die nachfolgende Pflanzengeneration (finden sich meist in den Samen)
zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen
müssen mit der Nahrung (in Spuren) aufgenommen werden
einige Fettbegleitstoffe zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen
bestehen aus Fettsäuren, teilweise essenziell (müssen vom Menschen aufgenommen werden)
enthalten keine Kalorien
1 g enthält ca. 9 kcal
landen weniger „auf der Hüfte“ als tierische Fette, da stoffwechselaktiver
flüchtig
hinterlassen keinen bleibenden Fleck auf Papier (es sei denn, sie sind farbig wie Schafgarbenöl)
ölig-fettig
hinterlassen einen bleibenden, leicht transparenten Fettfleck auf Papier
Ätherische Öle sind aus vielen verschiedenen Einzelmolekülen zusammengesetzt, 200 und mehr sind keine Seltenheit. Je nach Analysemethode und bei Bestimmung auch minimaler Mengenanteile (mit mehreren Nullen nach dem Komma) kann ein gutes Lavendelöl beispielsweise aus ca. 1200 unterschiedlichen Molekülen bestehen (Schnaubelt 2011). Sie sind kaum in Wasser löslich; hineingetropft, schwimmen sie tropfenförmig auf der Wasseroberfläche.
Diese chemischen Verbindungen können Einfluss auf unsere Physiologie nehmen und daher für die Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden. Ebenfalls können sie Keime unschädlich machen oder ihr Wachstum hemmen und auf diese Weise zu unserem Wohlergehen oder unserer Gesundung beitragen. Sie wirken darüber hinaus nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf psychischer Ebene. Im Folgenden befassen wir uns noch vertiefend mit der Wirkweise dieser ▶ Inhaltsstoffe.
Beachte
Ätherische Öle sind lipophil (fettlöslich), enthalten jedoch keine Fette. Sie können sich noch in der Pflanze mit ähnlich lipophilen Agrargiften wie Pestiziden verbinden, sodass die Haut und die Schleimhäute nur mit von unabhängigen Instituten zertifizierten Bio-Ölen in Kontakt kommen sollten.
Manchmal werden auch Pflanzenauszüge (Extrakte), die mithilfe anderer Lösungsmittel als Wasser hergestellt werden, als ätherisches Öl bezeichnet. Korrekterweise verwenden wir in Abhängigkeit vom Grundstoff (z.B. Blüte, Harz) und/oder vom verwendeten Lösungsmittel (Beispiele in Klammern) die folgenden Begriffe:
Blüten-Absolues (z.B. Hexan oder Petrolether): Rose, Jasmin, Frangipani, Mimose, Osmanthus, Champaca
Harzextrakte bzw. Resinoide (z.B. Ethanol): Benzoe, Copaibabalsam, Myrrhe
alkoholische Extrakte von Gewürzen (z.B. Ethanol): Tonka, Vanille, Benzoe
Ätherische Öle sind sozusagen die Hausapotheke der Pflanze: Sie wirken gegen Keime, als Fänger reaktiver Sauerstoffverbindungen (antioxidativ), die bei vielen Stoffwechselprozessen entstehen, und damit entgiftend; außerdem haben sie keinen Nährwert (0 kcal/g). Fette Öle dagegen sind die Nahrungsreserve für die nächste Pflanzengeneration und demzufolge zumeist in Samen enthalten; ihr Energiegehalt liegt bei 9 kcal/g.
Manche Duftpflanzen enthalten 1–2 % ätherisches Öl, viele Pflanzen wesentlich weniger; nur einige wenige enthalten sehr viel mehr, beispielsweise die Gewürznelke mit einem Anteil von bis zu 12 %. Mit dieser von der Natur vorgegebenen „Verdünnung“ haben wir bereits einen deutlichen Hinweis auf die verträgliche Konzentration von Naturdüften in den Trägersubstanzen der Produkte, die mit Haut und Schleimhäuten in Berührung kommen. Ein Fläschchen mit ätherischem Öl enthält also, um es in Bildern zu verdeutlichen, etliche Säcke, wenn nicht sogar Schubkarren prall gefüllt mit Pflanzenmaterial. Aus zwei Handvoll Kiefernnadeln beispielsweise lassen sich ca. 15 Tropfen Nadelöl destillieren, ein einziger Tropfen Rosenöl wird aus ca. 30 Rosenblüten gewonnen!
Noch kurz vor der Jahrtausendwende wurde davon ausgegangen, dass ätherische Öle Abfallprodukte des pflanzlichen Stoffwechsels sind. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass sie – je nach Pflanze und Umweltbedingungen – zum Sekundärstoffwechsel gehören und ▶ vielfältige Funktionen erfüllen, die für ihr Überleben unabdinglich sind. Unzählige Studien konnten belegen, dass diese Riechmoleküle auch in Lebensmitteln wichtige „Gesundstoffe“ sind. Monoterpene und Phenole – beides sind wirksame chemische Verbindungen in ätherischen Ölen – zählen in der Ernährungsmedizin inzwischen zu den wichtigen sekundären Pflanzenstoffen.
Ätherische Öle werden auf mehreren unterschiedlichen Stoffwechselwegen in Pflanzen gebildet, die zum Teil räumlich getrennt in den Pflanzen ablaufen: ▶ Terpenverbindungen, also Monoterpene und ihre zahlreichen Abkömmlinge, sind Nebenprodukte des Mevalonat- und Methylerythritolphosphatwegs (MEP-Wegs), die beide wichtige Bestandteile des Sekundärstoffwechsels der Pflanzen und u.a. auch für die Bildung bestimmter Vitaminvorstufen zuständig sind. Die ▶ phenolischen Verbindungen, die vor allem den stark duftenden Gewürzen aus heißen Ländern ihr Aroma geben, sind Nebenprodukte des Stoffwechsels der Shikimisäure, aus dem die Proteine entstehen.
Die allermeisten ätherischen Öle bestehen vorwiegend aus Terpenverbindungen (z.B. Bergamotte, Mandarine, Rosengeranie, Pfeffer, Zypresse) mit einem kleinen Anteil an phenolischen Verbindungen – fast alle sind damit selbst bei leichten Überdosierungen noch gut verträglich. Bei sehr wenigen Ölen finden wir das umgekehrte Verhältnis (z.B. Bohnenkraut, Gewürznelke, Oregano, Thymian, Zimt): Dadurch haben sie häufig ein höheres Potenzial, Hautreizungen hervorzurufen, und müssen unbedingt korrekt verdünnt werden. Sie eignen sich dennoch für eine gezielte therapeutische Anwendung, da sie über eine sehr ausgeprägte „medizinische“ Wirkung verfügen.
Auf einen Blick
Was zeichnet ätherische Öle aus?
Ätherische Öle sind leicht flüchtige, lipophile Extrakte aus Pflanzen, die charakteristische Gerüche aufweisen.
Zur Gewinnung von ätherischen Ölen für therapeutische Zwecke werden überwiegend Pflanzenmaterialien in Wasser oder Wasserdampf destilliert.
Die Bestandteile ätherischer Öle entstehen u.a. im Sekundärstoffwechsel von Pflanzen.
Hauptbestandteil ätherischer Öle sind Terpen- und phenolische Verbindungen.
Es gibt inzwischen eine kaum noch überschaubare Menge an Forschungserkenntnissen zu den vielfältigen Funktionen und Wirkungen von Riechstoffen. Das Wissen um diese faszinierenden Substanzen dringt allerdings nur langsam in das allgemeine Bewusstsein, auch weil wissenschaftliche Studien oft sehr spezifisch gefasst sind und recht viel chemisches Vorwissen voraussetzen. Es beginnt schon mit der vermeintlich einfachen Bezeichnung „Riechstoff“.
Riech- oder Geruchsstoff ist eine streng genommen irreführende Bezeichnung für eine Substanz, da ein Geruch bzw. dessen Wahrnehmung davon abhängt, ob ein Organismus über bestimmte Sinneszellen (Rezeptoren) verfügt, die mit diesen Geruchsstoffen interagieren können. Der Geruch bezeichnet damit keine chemische Eigenschaft eines Stoffs, sondern er muss erst vom Riechenden als solcher wahrgenommen werden. Zur Wahrnehmung von Gerüchen gibt es spezifische Geruchsrezeptoren, die sich beim Menschen vor allem in der Nasenschleimhaut, genauer dem Riechepithel in der Riechschleimhaut, befinden. Eine Schädigung des Riechepithels durch Toxine oder Verletzungen kann zu einer Beeinträchtigung (Hyposmie) oder dem Verlust der Riechfähigkeit (Anosmie) führen, wenngleich das Riechepithel eine sehr hohe Regenerationsfähigkeit aufweist.
Ätherische Öle zeichnen sich durch ihren oft intensiven Geruch aus, da sie als leicht flüchtige Substanzen gut über die Luft an die Riechzellen im Riechepithel gelangen und so von uns Menschen wahrgenommen werden können. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Körperzellen, die ebenfalls auf Riechstoffe reagieren, auch wenn wir dies nicht als Geruch wahrnehmen; diesem Thema widmet sich ein eigener ▶ Abschnitt.
Gerüche werden sehr subjektiv wahrgenommen und bewertet – als wohlriechender Duft oder als Gestank. Je nachdem, wie gut der jeweilige Geruchssinn ausgeprägt und geschult ist, reagiert jeder Mensch sehr unmittelbar und individuell auf einen Geruch. Dies erfolgt oft eher im unterbewussten Bereich. Hintergrund hierfür ist, dass der Geruchssinn, evolutionsgeschichtlich einer der ältesten Sinne, mit evolutionär ebenfalls sehr alten Gehirnstrukturen wie dem limbischen System eng verbunden ist, das autonom arbeitet und sich unserer unmittelbaren bewussten Kontrolle entzieht.
Im limbischen System erfolgt u.a. die Verarbeitung von Emotionen und die Triebsteuerung. Gerüche sind daher eng mit Emotionen verbunden. Außerdem ist der Geruchssinn besonders komplex, da er nicht nur durch Riechreize selbst, sondern auch durch taktile und chemische Reize in der Nase sowie Geschmacksreize im Mund beeinflusst wird. Über den Nervus trigeminus, das nasal-trigeminale Riechen, reagiert außerdem der Gesichtsnerv auf scharfe und beißende Gerüche wie Chlor, Salmiak oder Rauch und schützt uns so vor Verletzungen und Schäden. Daneben entfalten Duftmoleküle und ätherische Öle als Vielstoffgemische auf körperlicher Ebene objektiv messbare Wirkungen.
Bevor wir uns eingehender mit den Wirkungen von Geruchsmolekülen als Bestandteil ätherischer Öle auf Menschen befassen, soll es zunächst darum gehen, welche Funktionen und Wirkungen diese bei Pflanzen (und Tieren) erfüllen bzw. entfalten.
Eine Vielzahl von Studien zeigt, wie ausgeprägt und vielfältig sich Kommunikation bei Pflanzen auch über Artgrenzen hinweg gestaltet. Pflanzen tauschen sich untereinander und mit anderen Pflanzen- und Tierarten mithilfe von sehr spezifischen Molekülen aus, die in vielen Fällen von uns Menschen als Gerüche wahrgenommen werden können. Daneben findet auch eine elektrische Signalweiterleitung statt und/oder eine Kombination aus beidem.
Besonders gut untersucht ist die Kommunikation der Pflanzen – auch mit Tieren – mithilfe von Duftstoffen. Mit speziellen Duftstoffen locken Pflanzen einerseits bestäubende Insekten an, andererseits wehren sie mit diesen auch Schädlinge ab. Insekten setzen ihrerseits Signalstoffe ein, die als Lockstoffe potenzieller Partner und zur Verteidigung dienen. In einer umfangreichen Studie zeigte Florian P. Schiestl, ein Schweizer Evolutionsbiologe, dass es bei Pflanzen zwei chemische Substanzgruppen gibt, die auch Insekten nutzen: Pflanzenfressende Insekten setzen hauptsächlich ▶ Monoterpene frei, bestäubende Insekten hingegen ▶ aromatische Verbindungen. Er kommt zu dem Schluss, dass Pflanzen analog mithilfe aromatischer Verbindungen, zu denen viele phenolische Verbindungen gehören, Bestäuber anlocken und mithilfe von Monoterpenen Fressinsekten abwehren (Schiestl 2010). Allerdings gestalten sich diese Zusammenhänge in der Natur oft noch sehr viel komplexer, wie die folgende Darstellung zeigt.
Wenn beispielsweise Raupen wie Eulenfalterraupen Blätter von Tomatengewächsen fressen, bilden diese toxisches Methyljasmonat, um die Schädlinge abzuwehren, warnen mit diesem Duftstoff aber auch gleichzeitig ihre Nachbarpflanzen. Dieser Duftstoff ist in der Parfümindustrie nicht nur bekannt, sondern auch äußerst beliebt. Tomatenpflanzen reagieren zudem auf von anderen Pflanzenarten freigesetztes Methyljasmonat, getestet wurde dies z.B. mit Wüsten-Beifuß (Farmer u. Ryan 1990).
Kiefern erkennen den Kleber der gefährlichen Kiefernbuschhornblattwespe, deren Larven ganze Wälder kahlfressen können, und setzen kurz nach deren Eiablage trans-β-Farnesen – ein Sesquiterpen – frei, durch das eine andere Wespenart, die als Eiparasitoid die Eier der Kiefernbuschhornblattwespe schädigt, angelockt wird (Mumm u. Hilker 2005). Diese Buschtrommel funktioniert sogar über eine Entfernung von bis zu zwei Kilometern.
Wird Mais von Eulenfalterraupen angefressen, sendet auch er Riechstoffe wie das Pflanzenhormon Jasmonsäure (diese verleiht ansonsten den Jasminblüten ihren charakteristischen Duft) und Ethylen aus, die Schlupfwespen anlocken. Diese legen Eier in die Raupen, die sich daraus entwickelnden Larven ernähren sich von den Raupen (Huffaker et al. 2013). Nordamerikanischer Mais lockt mithilfe von β-Caryophyllen, ebenfalls Bestandteil vieler ätherischer Öle, Fadenwürmer und Schlupfwespen an, die den für die Maispflanze schädlichen Maiswurzelbohrer in Schach halten (Köllner et al. 2008).
Eine Forschungsgruppe um Axel Mithöfer konnte aufdecken, dass Limabohnen aus Südamerika auf die raspelnden Kaubewegungen ihrer Feinde, den Baumwolleulenraupen, reagieren können (Li et al. 2019). Die Forschenden bauten einen Roboter-Wurm namens SpitWorm, der am Bohnenlaub „kaute“ und „Speichel“ absonderte. Das beeindruckte das Leguminosengewächs allerdings zunächst nicht. Erst das Nachahmen eines ganz bestimmten Kaurhythmus der gefräßigen Raupe in Kombination mit der Speichelsekretion ließ die Pflanze reagieren, indem sie Jasmonsäure absonderte (Li et al. 2019). Durch die Jasmonsäure wird bei Limabohnen auch außerhalb der Blütezeit die Nektarproduktion aus Blattorganen angeregt, wodurch u.a. Raubmilben und Ameisen angelockt werden, die natürliche Fressfeinde der Raupen sind (Radhika et al. 2010).
Neben der chemischen Kommunikation gibt es noch andere Signalwege bei Pflanzen. Beispielsweise konnte Eric Brenner, Forscher im Botanischen Garten in New York, nachweisen, dass sich elektrische Signale (Aktionspotenziale) über 30 cm weit innerhalb einer Sonnenblume ausbreiten können (Anhäuser 2010). Untersuchungen an Kulturpflanzen wie Tabak, Mais, Gerste und Ackerbohne erbrachten ebenfalls Nachweise für die elektrische Reizweiterleitung nach Verletzung der Pflanzen. Die Weiterleitung der Reize beruht auf einem Austausch von negativ und positiv geladenen Ionen und findet entlang von Leitbündeln statt. Sie erfolgt graduell und unterscheidet sich grundlegend von der Erregung tierischer Nervenzellen. Ausgelöst wird sie auch durch Raupenfraß, sodass innerhalb von wenigen Minuten die gesamte Pflanze alarmiert wird und entsprechende Abwehrmechanismen, also die Ausschüttung von Duftstoffen, in Gang setzen kann (Zimmermann et al. 2009).
Diese Abwehrmechanismen kosten die Pflanze allerdings viel Energie: Sie wachsen in diesen Abwehrsituationen weniger gut und stehen unter Stress. Durch die hohe Stoffwechselaktivität entstehen mehr reaktive Sauerstoffverbindungen, die direkt zellschädigend wirken können. Stress wird nicht nur durch Insektenbefall ausgelöst, sondern auch durch veränderte Umweltbedingungen wie Hitze/Kälte und Luftverschmutzung (Hasanuzzaman u. Fujita 2022). Als Reaktion auf Hitzestress bilden Pflanzen u.a. Isopren (ein halbes Monoterpenmolekül und Bestandteil fast aller ätherischer Öle), das stärker als die eigentlichen Duftwarnstoffe riecht. Nützlinge sowie andere Pflanzen nehmen dann den Hilferuf der Pflanze nicht mehr wahr (Loivamäki et al. 2008).
Hintergrundwissen
Analogien zwischen Pflanzen- und Tierreich
Einige Forschende sehen deutliche Analogien zwischen dem Pflanzen- und dem Tierreich. Laut Baluška unterscheiden sich die im Wurzelbereich von Pflanzen stattfindenden physiologischen Abläufe wenig von denen in einem Gehirn in der Tierwelt. Im Pflanzenreich gibt es ihm zufolge also eine mit dem Nervensystem vergleichbare Struktur, die die gleichen Aufgaben habe, jedoch völlig anders aufgebaut sei (Lange 2009; vgl. auch Baluška et al. 2006). Daneben wurde die Annahme geäußert, dass Bäume befähigt seien, über ein riesiges unterirdisches Netzwerk Signale auszutauschen, das in der Presse zuweilen auch als „Wood Wide Web“ bezeichnet wird (Lamm 2022). Dabei soll die Netzwerkkommunikation über Artgrenzen hinweg erfolgen, also von Bäumen zu Pilzen, den Mykorrhiza, und umgekehrt.
Diese Positionen sind allerdings aus wissenschaftlicher Sicht umstritten (Anhäuser 2010). Vor allem die teilweise in diesem Kontext verwendeten Begriffe, die eng an die Tierphysiologie angelehnt sind (z.B. pflanzliche Nervenzelle, Synapsen, Gehirn), stoßen auf Ablehnung. In einem Brief drückten über 30 Forschende ihre Bedenken aus und distanzierten sich nachdrücklich von dem Konzept der sogenannten Pflanzenneurobiologie (Alpi et al. 2007).
Befürworter hingegen wünschen sich weniger Dogmatismus. Ihnen zufolge sei der Begriff „Pflanzenneurobiologie“ als Metapher aufzufassen, die vor dem Hintergrund genutzt werde, dass sie den menschlichen Geist für erweiterte Denkansätze öffne. Sie wünschen sich, dass wir Menschen lernen, Pflanzen auf eine neue Art und Weise zu betrachten (Anhäuser 2010).
Kann sich das menschliche Gehirn Düfte vorstellen? Kann es also auf eine Art und Weise denken, dass Impulse der Nervenzellen ausgelöst werden, die auch beim Riechen von echten Duftmolekülen entstehen? Die Vorstellung, dass es Menschen mit einer sogenannten mentalen Nase gibt, die Gerüche direkt aus ihrem Gedächtnis abrufen können, ist noch nicht lange Forschungsthema. Wir Autorinnen gehören vermutlich ebenfalls zu diesem Personenkreis, denn wir können uns Duftmischungen sozusagen im Kopf vorstellen, sie mit unserer „inneren Nase“ riechen: ob sie frisch oder dumpf duften, ob die Einzeldüfte zusammenpassen, ob sie zur betreffenden Person oder zur Beschwerde passen. Vertiefend hat sich Heike Astrid Weitz (2010) in ihrer Dissertation mit dem Titel „Mentale Geruchsvorstellungen im Schlaf“ mit dem Thema befasst. Ihre Studienergebnisse zeigen, dass einige Menschen Geruchsträume haben, die mit denen anderer Sinnesmodalitäten vergleichbar sind. Beispielsweise rufen sie in ähnlicher Weise Gefühle hervor. Das Auftreten derartiger Träume hing auch davon ab, wie viel Bedeutung Gerüche für die Träumenden im Alltag hatten.
An der Universität Düsseldorf und an der Ruhr-Universität Bochum erforscht das Team um Prof. Dr. Bettina Pause die Geruchswahrnehmung. Die Forschenden entwickelten verschiedene Methoden, mit denen objektiv gemessen werden konnte, in welcher Geschwindigkeit Riechmoleküle auf uns einwirken. Wir nehmen diese tatsächlich in einem Bruchteil von Sekunden wahr. Das sprichwörtliche „Bauchgefühl“ hat nach den Erkenntnissen von Prof. Pause sehr viel mit der unterschwelligen Wahrnehmung von Gerüchen zu tun. So erklärt sich auch, warum Studien mit Filmen zum Fallschirmspringen oder zu anderen beängstigenden Situationen nicht auf reale Bedingungen übertragbar sind – es fehlt das passende Geruchsumfeld (Pause u. Seul 2020).
Mithilfe verschiedener psychophysiologischer Methoden konnten Adolph et al. (2013) zeigen, dass Menschen auf bestimmte Riechmoleküle im Schweiß anderer Menschen reagierten, die sich zuvor in Angstsituationen befunden hatten. In der Studie handelte es sich u.a. um Schweißproben Studierender, die auf ihre Prüfungen warteten. Das Wahrnehmen dieser sogenannten chemosensorischen Angstsignale löste aber nicht nur Angst, sondern auch Empathie aus. Bei Personen mit stärker ausgeprägter sozialer Angst, die u.a. in größeren Menschengruppen auftreten kann, waren die Reaktionen (z.B. der mimische Angstausdruck, Schreckreflex) auf diese chemosensorischen Angstsignale insgesamt stärker ausgeprägt (Adolph et al. 2013). Ebenso wurde eine Hyperreaktivität gemessen, wenn chemische Aggressionssignale im Schweiß der anderen wahrzunehmen waren. In dieser Versuchsreihe wurde Aggression durch Frustration mithilfe eines Computerprogramms und nachfolgender Bestrafung eines virtuellen Computergegners (mit scharfer Soße) induziert, Sportschweiß wurde bei Tätigkeiten wie Fahrradfahren gesammelt. Nach Präsentation von Aggressionsschweiß veränderte sich die Risikobereitschaft der Versuchspersonen messbar, bei der Präsentation von Sportschweiß oder Luft als neutralem Geruch nicht (Schlösser 2014). Die beschriebenen Mechanismen ergaben bereits für die frühen Menschen, die noch Höhlen bewohnten, Sinn – sie konnten eine anrückende Gefahr buchstäblich „von Weitem riechen“, und der Körper wurde entsprechend frühzeitig in Alarmbereitschaft versetzt.
Es besteht also ein enger Zusammenhang von Gerüchen und Emotionen. Dieser ist darauf zurückzuführen, dass Gerüche und Emotionen in denselben Gehirnbereichen verarbeitet werden, und zwar zunächst unbewusst im limbischen System, genauer im orbitofrontalen Kortex, der Teil des Assoziationskortex ist, und erst danach bewusst in der Großhirnrinde. Damit ist „der Bereich, in dem das Gehirn geruchliche Informationen verarbeitet, […] derselbe, der auch für soziale Wahrnehmung und flexible emotionale Verarbeitung zuständig ist“ (Pause u. Seul 2020, S. 194).
Außerdem sind vorgeschaltete Bereiche wie der primäre olfaktorische Kortex (piriforme Kortex) – er empfängt die Signale aus dem sogenannten Riechkolben (Bulbus olfactorius) – dafür verantwortlich, dass wir Geruchswahrnehmungen auch von visuellen emotionalen Eindrücken anderer abhängig machen. Um dies zu untersuchen, haben Schulze et al. (2017) Versuchspersonen vor einer Geruchsprobe Gesichter mit angeekeltem, freundlichem oder neutralem Gesichtsausdruck gezeigt. Gerüche, zu denen vorab ein freundliches Gesicht gezeigt wurde, wurden als angenehmer wahrgenommen, nach Präsentation des angeekelten Gesichtsausdrucks fiel die Bewertung entsprechend negativer aus. Das Besondere an diesem Versuch war, dass die Reize nacheinander und nicht wie oft gemeinsam präsentiert wurden, und sich bereits bei der Präsentation des Gesichtsausdrucks ohne Geruch eine Aktivität im primären olfaktorischen Kortex mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) messen ließ (Schulze et al. 2017).
Pause und Seul (2020, S. 194) verweisen in diesem Zusammenhang auf Folgendes: „Unser Gehirn ist in erster Linie nicht für unsere Intelligenz zuständig, sondern um Bindung einzugehen.“ Da Gerüche unbewusst Einfluss auf unsere Gefühle nehmen, wir umgekehrt aufgrund von Emotionen ohne bewusste Einflussnahme einen unterschiedlichen Körpergeruch aufweisen, den wiederum andere Personen wahrnehmen können, gehören olfaktorische Signale zu einem der zuverlässigsten sozialen Hinweisreize. „Ein Lächeln kann aufgesetzt und falsch sein. Ein Tonfall kann gespielt sein. Der Geruch jedoch ist unbestechlich […] unsere olfaktorischen Signale können wir nicht willentlich steuern“ (Pause u. Seul 2020, S. 210).
Diesen unmittelbaren Zugang zur psychischen Ebene machen wir uns bei aromatherapeutischen Beratungen und Behandlungen zunutze, bei denen nicht nur auf das Eindringen der ätherischen Öle durch die Haut, sondern auch und vor allem auf das Einatmen der natürlichen Riechmoleküle wert gelegt wird. So entfalten sich einerseits die mehr körperlichen und klar nachweisbaren Wirkungen der pharmazeutisch aktiven Inhaltsstoffe. Diese lassen sich messen durch den Nachweis des Ölgehalts im Blut oder durch Veränderungen von Blutdruck, Puls, Herzfrequenz oder Hirntätigkeit (gemessen mittels Elektroenzephalogramm, EEG). Andererseits ergänzt die olfaktorische Geruchswahrnehmung diese Wirkung um die psychische bzw. seelische Ebene, sodass bereits eine einzige Behandlung zu einer erheblichen Steigerung des Wohlbefindens beitragen kann. Dieser Effekt ist aus der Psychoneuroimmunologie bekannt, er unterstützt die Aktivität des Immunsystems und die Selbstheilungskräfte des Körpers.
In einer kleinen Studienreihe an der Universität Wien wurden Parameter zur Selbsteinschätzung der Stimmung sowie einige physiologische Parameter verglichen, wenn Versuchspersonen eine Einreibung des Unterbauchs mit diversen ätherischen Ölen erhielten (Hongratanaworakit u. Buchbauer 2007). Die Personen atmeten während des Experimentes Luft aus Atemmasken ein, sodass die Ätherisch-Öl-Moleküle nicht zum Riechepithel mit den Riechzellen gelangen konnten. Als physiologische Parameter wurden Blutdruck, Atemfrequenz, Hauttemperatur und Herzfrequenz gemessen. Die Selbsteinschätzung wurde in Bezug auf Wachsamkeit, Aufmerksamkeit, Gelassenheit, Stimmung, Entspannung und Vitalität bewertet. Bei der Anwendung von verdünntem Orangenöl (20%ig in neutralem fettem Öl) ergab sich beispielsweise ein Herzfrequenzanstieg und eine Erhöhung der subjektiven Wachsamkeit, was auf die anregende Wirkung des Orangenöles zurückgeführt wurde (Hongratanaworakit u. Buchbauer 2007). Die Autorin und der Autor formulierten in diesem Zusammenhang außerdem die Annahme, dass der Einsatz von Orangenöl bei leichten Formen von Depression und Stress beim Menschen hilfreich sein kann.
Wie aber erklärt sich dieser Effekt? Mittlerweile ist bekannt, dass nicht nur die Sinneszellen in der Nase die Aufgabe haben, Riechstoffe wahrzunehmen. Sie werden unterstützt von Abermillionen Zellen in den unterschiedlichsten Geweben auf und im Körper. Diese verfügen über verschiedene Strukturen, die auf Riechstoffe reagieren. In den vergangenen 15 Jahren wurden dazu an der Ruhr-Universität Bochum unter der Leitung von Prof. Dr. Hanns Hatt zahlreiche Experimente durchgeführt. Diese belegen, wie sich Riechstoffe auf verschiedenste Zellen direkt auswirken – ohne den Weg über die Nase zu nehmen.
Allseits bekannt dürfte die Tatsache sein, dass Spermien einem chemischen Signal der reifen Eizelle folgen und diese durch positive Chemotaxis (Anlockung durch chemische Stoffe) finden. Üblicherweise erfolgt dies aufgrund der Ausschüttung von bestimmten Lockstoffen, in diesem Fall dem weiblichen Sexualhormon Progesteron durch die Eizelle. Über bestimmte Progesteronrezeptoren in Ionenkanälen, die sich in der Zellmembran der Spermiengeißeln befinden, kommt es bei Anwesenheit von Progesteron über Spannungsänderungen zu einem Öffnen der Kanäle, wodurch die Geißelbewegung angeregt wird. Der zunehmenden Konzentration des Lockstoffs folgend finden die Spermien somit ihren Weg zur Eizelle. Allerdings wirkte u.a. Bourgeonal, ein Riechstoff des Maiglöckchens, oder Menthol in ausreichend hoher Dosierung im Laborexperiment ebenfalls wie Progesteron auf die Spermien und löste eine chemotaktische Annäherung aus; der Rezeptor scheint also nicht sehr selektiv zu sein (Brenker et al. 2012).
Ätherische Öle bestehen weitgehend aus unterschiedlichsten Terpenen. Diese können das Wachstum verschiedener Krebszellen hemmen. Es ist u.a. bekannt, dass Prostatakrebszellen auf Veilchenduft reagieren, genauer gesagt auf Ionon, ein Molekül, das den Duft von Veilchenblüten und Iriswurzeln bestimmt. Prostatakrebszellen stellen große Mengen eines Proteins her, das als Proteinrezeptor für Ionon identifiziert wurde. Zwar ist die Prostata selbst nicht mit dem entsprechenden Duftstoff ausgestattet, jedoch findet sich in Prostatagewebe ein sehr ähnlich aufgebautes Molekül, ein Stoffwechselprodukt des männlichen Sexualhormons Testosteron. Weitere Untersuchungen zeigten, dass Testosteron den Rezeptor für Ionon ebenfalls aktivieren kann. Besonders interessant war für die Forschenden die Wirkung des Veilchenduftes bzw. des Steroidhormons auf die Krebszellen: Das Zellwachstum nahm signifikant ab und sank gegen null. Weitere Untersuchungen zeigten, dass der Signalweg ein völlig anderer ist als bei Riechzellen. Das Rezeptorsignal wird direkt an den Zellkern übermittelt, der dann dafür sorgt, dass die Zellteilungsrate reduziert wird. Die Forschenden hoffen, dass auf Basis dieser Erkenntnisse neue Behandlungsansätze für Prostatakrebs entwickelt werden können (Neuhaus et al. 2009).
Wir können die Muskelzellen in unseren Bronchien nicht willkürlich steuern, doch sie reagieren ebenfalls auf Riechstoffe, z.B. auf Amylbutyrat. Dabei handelt es sich um einen fruchtigen Bananen- und Aprikosenduft, der in ganz ähnlicher Form in einigen ätherischen Ölen vorkommt (diverse Butyrate in Römischer Kamille und Khella/Bischofskraut). Dieses Duftmolekül aktiviert in den Muskelzellen der Bronchien den Duftrezeptor OR2AG1. Der Effekt: Die Bronchien entspannen und weiten sich. Dieser Effekt war im Experiment so stark ausgeprägt, dass er die bronchokonstriktive Wirkung von Histamin aufheben konnte (Kalbe et al. 2016). Daraus leiten Kalbe et al. einen möglichen therapeutischen Nutzen von Amylbutyrat für Erkrankungen wie Asthma und Allergien, die mit einer Histaminausschüttung einhergehen, ab. Auch für die Behandlung anderer Krankheiten, etwa der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung, könne dieser Duftrezeptor interessant sein. Andere Riechstoffe wiederum bewirken genau das Gegenteil: Sie führen zu einer Bronchokonstriktion. Sie könnten z.B. dafür verantwortlich sein, dass manche Menschen auf synthetische Düfte aus Weichspülern, Waschmitteln, Kosmetika, Parfüms oder auch Fertiggerichten mit Atemnot reagieren. Daran beteiligt ist der Duftrezeptor OR1D2 (Kalbe et al. 2016).
Geruchsrezeptoren sind auch in der Haut vorhanden. Die Erforschung der physiologischen Aufgaben dieser sogenannten ektopischen Geruchsrezeptoren deutet bereits auf wertvolle therapeutische und diagnostische Anwendungen bei Wunden, Haarausfall, Asthma, Fettleibigkeit und Krebs hin (Lee et al. 2019). Drei dieser Rezeptoren (OR10A6, OR2AG2 und OR11H4) wurden in der Haut identifiziert. In einer randomisierten, doppelblinden Studie von Duroux et al. (2020) wurde an einer Gruppe gestresster Frauen gezeigt, dass ein fraktioniertes Rosenöl mit seinem Hauptbestandteil Phenylethylalkohol diese Geruchsrezeptoren aktivierte. Beobachtet wurde, dass sich das Auftreten von Augenringen verringerte, die u.a. infolge einer hohen Adrenalinausschüttung durch Stress entstehen. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Geruchsrezeptoren einen neuen, vielversprechenden Weg zur Behandlung stressbedingter Hauterkrankungen darstellen könnten (Duroux et al. 2020).
Zurückzuführen sind die therapeutischen Wirkungen ätherischer Öle auf ihre chemischen Eigenschaften. Sie können aufgrund ihrer Fettlöslichkeit die lipidartigen Zellmembranen der äußeren Hautschichten gut durchdringen und so in den Blutstrom gelangen. Außerdem bestehen sie aus sehr kleinen/leichten Molekülen, wodurch die Passage und der Transport durch Haut und Schleimhäute erleichtert werden. Daneben sind sie leicht flüchtig und können über die Atemwege bis ins Lungengewebe gelangen. Sie erreichen also auf mehr oder minder direktem Weg (und nicht über menschliche Stoffwechselprozesse) die Zellen, an denen sie ihre Wirkung entfalten können.
Hintergrundwissen
Krebserkennung anhand von Gerüchen
Krebsgeschwüre sondern ebenfalls spezifische Gerüche ab. Inzwischen können entsprechend trainierte Hunde eine Vielzahl von Tumorarten anzeigen. Sogenannte elektronische Nasen („e-noses“) können laut ersten Forschungsergebnissen Tumoren ebenfalls an ihren jeweiligen Geruchsmolekülen erkennen. Diese könnten somit als Biomarker zur Krebsfrüherkennung eingesetzt werden (Schmidt u. Podmore 2015). Elektronische Nasen zeichnen sich dadurch aus, dass sie minimalinvasive, patientenfreundliche Diagnosemethoden darstellen. Ihre Weiterentwicklung eröffnet interessante Forschungsgebiete (Fitzgerald u. Fenniri 2017).
Ätherische Öle sind Vielstoffgemische mit sehr unterschiedlichen pharmakologischen Wirkungen. Diese können reproduzierbar nachgewiesen werden – genau wie deren Dosis-Wirkungs-Beziehung. Einige ätherische Öle bestehen aus wenigen Inhaltsstoffen, beispielsweise Ackerminze, Litsea und Ho-Blätter, andere – wie manche Rosenöle – enthalten Hunderte unterschiedlicher Moleküle. Weil bei naturidentischen (synthetischen) Düften nur einige vermeintlich relevante Duftmoleküle gemischt werden – sonst wäre der Duft aus der Retorte teurer als sein Original –, fehlt diesen meistens die olfaktorische Tiefe, sie riechen flach oder seifig.
Feine Nuancen, also ein minimaler Anteil von Inhaltsstoffen, entscheiden jedoch oft über die schillernden Facetten eines Duftes und auch über die Verträglichkeit sowie über manche therapeutische Einsatzgebiete. Beispielsweise bestehen Orangen-, Grapefruit- und Mandarinenöl zu ca. 90 % aus d-Limonen. Dennoch sind sie selbst für Laien olfaktorisch unterscheidbar. Die jeweiligen restlichen 10 % bestehen aus einer Mixtur von besonderen und unverwechselbaren Molekülen, die den typischen Duft prägen, bisweilen scheint auch die emotionale Wirkung von diesem kleinen Anteil stark beeinflusst zu werden. Im Mandarinenöl ist beispielsweise das zu weniger als 1 % enthaltene Methylanthranilat (eine Stickstoffverbindung) für die ungewöhnlich entkrampfende und beruhigende Wirkung des beliebten Duftes verantwortlich.
Grundsätzlich wirken fast alle ätherischen Öle keimwidrig, denn diese Eigenschaft hilft beim Überlebenskampf der damit ausgestatteten ▶ Pflanzen.
Zudem ist seit der Jahrtausendwende bekannt, dass viele jener Moleküle, die wir Menschen als Duft empfinden, von vielen Mikroorganismen als „störender Gestank“ registriert werden. Durch den Einsatz ätherischer Öle wird die chemische Kommunikation (Quorum sensing) zwischen krankmachenden Keimen erschwert, sodass ihre Virulenz reduziert wird, denn sie können sich weniger gut abstimmen (Cáceres et al. 2020). Der Körper gewinnt somit Zeit für die Abwehr der Krankheitserreger und zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Daneben wird die Bildung von Biofilmen reduziert, was in Bezug auf Implantate, Dauerkanülen und auch in dem Hohlorgan Harnblase wichtig ist (Sharifi u. Nayeri Fasaei 2022).
Manche ätherische Öle verhindern die Resistenzbildung, indem sie die Effluxpumpen von Bakterien behindern, die dazu dienen, eine Vielzahl von Substraten aus der Bakterienzelle hinauszubefördern; der Keim kann sich sozusagen nicht mehr entgiften (Beier et al. 2022). Bei genuinen natürlichen ätherischen Ölen sind kaum Resistenzen bekannt.
Auf der physiologischen Ebene lassen sich Reaktionen auf ätherische Öle beim Menschen – also allgemein als angenehm empfundene Düfte – gut messen, denn diese Vielstoffgemische können unzählige physiologische Prozesse im menschlichen Körper auslösen. Dies konnte in verschiedenen (wiederholbaren) Experimenten sowie in randomisierten Doppelblindstudien belegt werden. Mithilfe von Speicheltests können Veränderungen von Neurotransmittern wie Acetylcholin, Kortisol, γ-Aminobuttersäure (GABA) und Oxytozin unter dem Einfluss von eingeatmeten Naturdüften beobachtet werden (Tadokoro et al. 2017). Auf diese Weise konnten beispielsweise angstlösende (anxiolytische) Wirkungen bestätigt werden.
In In-vitro-Studien, also Laborstudien, konnten zudem sehr vielfältige Wirkungen auf diverse Gewebe und physiologische Abläufe im Körper nachgewiesen werden. Ätherische Öle bzw. deren Bestandteile können sich beispielsweise durch folgende Wirkungen auszeichnen (Zimmermann 2022):
antiinflammatorisch (gegen Entzündungen wirkend)
analgetisch (schmerzlindernd)
antibakteriell (gegen Bakterien wirkend)
antimykotisch (gegen Pilze wirkend)
antioxidativ (gegen reaktive Sauerstoffverbindungen wirkend)
antitumoral (gegen Tumoren wirkend)
antiviral (gegen Viren wirkend)
karminativ (blähungswidrig)
penetrationsverstärkend (die Hautdurchlässigkeit erhöhend, wichtig bei der Verabreichung äußerlich applizierter Medikamente)
sekretolytisch (schleimlösend)
Beim Einsatz von ätherischen Ölen erkennt das geschulte Auge an der Mimik sowie an der gesamten Körpersprache einer Person, ob die ganz spontane Empfindung dabei eher positiv oder negativ ausfällt – was von ihr oft überhaupt nicht wahrgenommen wird. Jeder Mensch bringt seine Biografie mit ins Spiel, also seine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse, die ihrerseits mit Gerüchen verbunden sind, d. h. jedes Riechmolekül löst in Bruchteilen von Sekunden bestimmte Emotionen aus. So kann für den einen der Duft gebackener Zimtkekse mit Wohlbehagen, für den anderen aber mit Stress, Hektik und Streit in der Familie zur Weihnachtszeit verbunden sein. Mit ihrer Nase, den Geruchsrezeptoren im gesamten Körper und ihrer Körpersprache bringen unsere Patienten also eine perfekte „Ausstattung“ mit, um uns bei der Auswahl der richtigen ätherischen Öle den Weg zu weisen. Allgemeine Reaktionen des Wohlfühlens wie Lächeln, eine entspannte Körperhaltung, ein gelöstes Seufzen oder Sätze wie „Da könnte ich mich reinsetzen“ weisen uns den Weg.
Auf einen Blick
Wie wirken ätherische Öle in der Natur?
Ätherische Öle bzw. viele ihrer Einzelmoleküle sind Botenstoffe von Pflanzen und Tieren.
Spezielle Duftstoffe helfen Pflanzen beim Überlebenskampf; viele dieser Duftstoffe werden auch von den Tieren gebildet.
Ätherische Öle dienen u.a. der inner- und zwischenartlichen Kommunikation, die sich sehr komplex gestalten kann.
Wie wirken ätherische Öle auf den Menschen?
Menschen haben Rezeptoren für viele pflanzliche Duftstoffe, die messbare physiologische Reaktionen auslösen.
Gerüche und Emotionen werden in identischen Strukturen des menschlichen Gehirns verarbeitet.
Olfaktorische Signale (z.B. im Schweiß) können nicht willentlich vom Menschen gesteuert werden.
Geruchswahrnehmungen werden auch von Erwartungen beeinflusst.
Das Erkennen von und Reagieren auf Riechmoleküle erfolgt nicht nur im Riechepithel der Nase, sondern in vielen anderen Körpergeweben (z.B. in Geschlechtsorganen, Lunge und Haut).
Wirkung auf der körperlichen Ebene: Je nach Anwendungsart und Öl werden unterschiedliche Prozesse im Körper beeinflusst. Dies erfolgt auf zellulärer Ebene über Rezeptoren für Riechmoleküle im gesamten Körper.
Wirkung auf der psychischen/seelischen Ebene: Impulse an der Riechschleimhaut erreichen das limbische System über den Riechnerv. Dadurch werden verschiedene Gehirnareale stimuliert, in denen auch Emotionen verarbeitet werden, und die Ausschüttung von Neurotransmittern beeinflusst.
Wie wirken ätherische Öle auf Haut und Schleimhäute?
Weil ätherische Öle fettlöslich sind, können sie die lipidartigen Zellmembranen der äußeren Hautschichten gut durchdringen und gelangen in den Blutstrom.
Weil ätherische Öle aus sehr kleinen/leichten Molekülen bestehen, sind die Passage und der Transport durch Haut und Schleimhäute erleichtert.
Weil sie flüchtig sind, gelangen ätherische Öle auch leicht in die Atemwege und können dort z.B. Entzündungen hemmen.
Wie wirken ätherische Öle auf Krankheitskeime?
Sie können die Zellwand von Bakterien und Pilzen stören oder zerstören, sodass der Keim sich nicht vermehren kann oder sogar abstirbt.
Sie können die Fähigkeit von Viren hemmen, an menschliche oder tierische Zellen anzudocken, sodass das Immunsystem bei der Abwehr von Erregern unterstützt wird.
Einige ätherische Öle stören Quorum-Sensing-Signale (Schwarmkommunikation) von Bakterien und Pilzen (z.B. die ätherischen Öle von Rose, Rosengeranie, Lavendel und Rosmarin), sodass ihre Virulenz reduziert wird.
Einige ätherische Öle können die Effluxpumpen von Bakterien behindern, sodass der Keim sich nicht mehr gegen bestimmte Antibiotika wehren kann.
Bakterien weisen kaum Resistenzen gegen natürliche ätherische Öle auf.
Die Vielfalt der sehr unterschiedlichen Inhaltsstoffe jedes einzelnen ätherischen Öles macht die oft erstaunliche Wirkung der Aromatherapie und -pflege aus. Keine Heilpflanze besteht aus nur einem einzigen Wirkstoff. Selbst wenn er 95 % eines daraus hergestellten Pflanzenheilmittels ausmachen sollte, bestehen die restlichen 5 % aus einem oft bunt gemischten Cocktail zahlreicher anderer Moleküle. Monosubstanzen, also Einzelmoleküle, haben meist nicht die gleiche Wirksamkeit wie natürliche Vielstoffgemische, zu denen ätherischen Öle zählen. Auf diesen als Synergismus – dem Zusammenwirken von sich fördernden Substanzen – bekannten Zusammenhang wird schon sehr lange verwiesen, allerdings gibt es mittlerweile sehr viel detailliertere Erkenntnisse zu den zugrunde liegenden Mechanismen.
Marco Valussi (2014) geht noch einen Schritt weiter und verweist in diesem Zusammenhang auf die sogenannte Netzwerkpharmakologie („network pharmacology“), also das vernetzte oder gemeinsame Wirken unterschiedlicher Substanzen, durch das sich deren Wirkkraft erhöht. Auch pflanzliche Substanzen, die isoliert verabreicht eher schwach wirken, können auf diese Weise stärker wirksame Moleküle aktivieren; diese Wirkung entfalten sie auch bei Menschen (Wink 2005). Somit können Vielstoffgemische oft effektiver als Monosubstanzen wirken, denn sie steuern unterschiedliche „targets“, also Wirkstoffziele, in der Zelle an.
Anhand der verschiedenen Inhaltsstoffe von Thymianöl lässt sich dieser Mechanismus gut darlegen: p-Cymen – ein ▶ Monoterpen, es ist oft nur in geringen Spuren in ätherischen Ölen enthalten – kann die Zellmembranen von bestimmten Bakterien kompromittieren. Diese werden weniger stabil und durchlässiger. Dann erst kommt die Rolle des sehr viel stärker antibiotisch wirkenden Moleküls Carvacrol zum Tragen: Dieses ▶ Monoterpenphenol kann nun leicht in die destabilisierte Bakterienzellmembran eindringen und seine antibiotische Wirkung entfalten. Geraniol – ein ▶ Monoterpenol, das in vielen ätherischen Ölen vorkommt, auch in kleinen Mengen in Thymianöl – stört Pumpmechanismen in Zellmembranen und kann ebenfalls zur Störung oder Zerstörung der Bakterien beitragen. Dieses sanft antiseptisch wirkende Molekül kann stärker wirkende Moleküle weiter in ihrer Wirkung verstärken (Valussi 2014).
Die besonders stark antibiotisch wirkenden Inhaltsstoffe in ätherischen Ölen können also aufgrund ihres Molekülaufbaus die Bakterienwand nicht gut durchdringen. Auch so manches Antibiotikum stößt inzwischen diesbezüglich an seine Grenzen. Die nicht so stark antibiotisch wirkenden Inhaltsstoffe in ätherischen Ölen können jedoch aufgrund ihrer ganz anderen Molekülstruktur die Bakterienzellmembran sehr viel leichter durchdringen und den „starken Kollegen“ sozusagen die Türen öffnen. Wink (2005) geht ebenfalls davon aus, dass ein gleichzeitiger Angriff auf Proteine und Biomembranen, also nicht nur auf ein einzelnes Wirkstoffziel, zu einem größeren antimikrobiellen Effekt führt.
Auf den Synergismus von unterschiedlichen Bestandteilen verweisen auch Duarte et al. (2012) in ihrer Arbeit zur antibakteriellen Wirkung von Korianderöl. Dass Heilpflanzen und ätherische Öle eine größere Wirkung als die separate Gabe ihrer Einzelbestandteile haben, konnten Hamoud et al. (2012) an einem komplexen ätherischen Öldestillat, das als Fertigarzneimittel erhältlich ist, nachweisen.
Diese neueren Erkenntnisse sind übrigens ein schöner Beleg für die inzwischen über 20 Jahre alte Arbeit der (damals) Jugend-forscht-Schülerin Ute Runkel zu genau dieser Zusammenarbeit von Antibiotika und ätherischen Ölen (Runkel 2003). Über das wichtige Zusammenspiel mit Antibiotika – es kann lebensrettend in Zeiten vermehrt auftretender resistenter Keime sein – gibt es zahlreiche weitere Laboruntersuchungen (Beier et al. 2022).
Die Theorie der Netzwerkpharmakologie wirft laut Marco Valussi (2014) zwar nach wie vor viele Fragen auf, kann aber als umfassende Erklärung für die ausgesprochen gute Wirksamkeit vieler ätherischer Öle herangezogen werden. Die Wirkungen einer Pflanze sind ihm zufolge nie auf einen einzelnen Wirkstoff zurückzuführen; sie darauf zu reduzieren, sei schlechte Wissenschaft („bad science“). Es stimmt – überspitzt ausgedrückt – eben nicht, dass beispielsweise Pfefferminzöl (nur) aufgrund des kühlenden und schmerzlindernden Menthols gegen Kopfschmerzen hilft; die Wirkung von Eukalyptusöl bei Erkältungen (nur) auf das schleimlösende und entzündungshemmende Eucalyptol (1,8-Cineol) zurückzuführen ist, und sich Kamillenöl zur Behandlung von Entzündungen (nur) aufgrund des enthaltenen Azulens eignet.
Pflanzen bilden und speichern ihre ätherischen Öle in ganz unterschiedlichen Geweben und Pflanzenteilen. Dabei haben die verschiedenen Pflanzenteile unterschiedliche Aufgaben. Beispielsweise schützen Blütenblätter die Blütenbestandteile und sollen Bestäuber anlocken. Die Rindenschicht von Bäumen dient dem Schutz vor Wettereinflüssen, besonders vor Hitze und Kälte. In den Blättern finden die Fotosynthese und der Gasaustausch statt, sie erzeugen über die Verdunstung einen Sog, der der Wasserversorgung dient. Fruchtschalen schützen die Frucht. Sie alle sind dabei mehr oder weniger Luft, Wasser oder UV-Licht ausgesetzt, sodass sich unter verschiedenen klimatischen und ökologischen Bedingungen auch eine unterschiedliche Notwendigkeit ergibt, sich beispielsweise mithilfe ätherischer Öle vor einer zu großen Verdunstung oder vor dem Druck von Fressfeinden sowie von schädlichen Mikroorganismen zu schützen. Diese unterschiedlichen Aufgaben beeinflussen die Zusammensetzung der jeweiligen ätherischen Öle.