Asternleuchten - Sigrid Hunold-Reime - E-Book

Asternleuchten E-Book

Sigrid Hunold-Reime

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Beschreibung

Vera ist Anfang fünfzig und eine überzeugte Junggesellin. Als der gleichaltrige Arne in ihre Straße zieht, gerät ihre Einstellung jedoch ins Wanken. Der höfliche, freundliche Mann erobert ihr Herz. Ihrem Glück steht nur seine krankhaft eifersüchtige Mutter im Weg. Sie ist ihrem Sohn nachgereist und hat sich in einer Villa am Meer eingemietet. Vera will um ihr Glück kämpfen. Als Arne jedoch vor der ersten Liebesnacht stirbt, sucht Vera die Konfrontation mit seiner Mutter. Nun erfährt sie die grausame Wahrheit.

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Seitenzahl: 80

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Sigrid Hunold-Reime

Asternleuchten

Kurzroman

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-digital.de

Gmeiner Digital

Ein Imprint der Gmeiner-Verlag GmbH

© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlagbild: © marteina – photocase.de; © Rike_ – istock.com

Umschlaggestaltung: Simone Hölsch

ISBN 978-3-7349-9211-7

Gedicht

Geh nicht wie mit fremden Füßen,

als hättest du dich verirrt.

Willst du nicht die Rosen grüßen?

Lass den Herbst nicht dafür büßen,

dass es Winter werden wird.

An den Wegen, in den Wiesen

leuchten, wie auf grünen Fliesen,

Bäume bunt und blumenschön.

Sind’s Buketts für sanfte Riesen?

Geh nur weiter. Bleib nicht stehn.

Nebel zaubern in der Lichtung

eine Welt des Ungefährs.

Raum wird Traum. Und Rauch wird Dichtung.

Geh nur weiter. Bleib nicht stehn.

Erich Kästner

Kapitel 1

Ich schrecke hoch. Es ist dunkel. Mein Herz schlägt hart und viel zu schnell. Und so laut, dass sein Pochen im Zimmer widerzuhallen scheint. Ich begreife. Ein Albtraum. Seine Bilder fallen innerhalb von Sekundenbruchteilen auseinander. Ohne eine Erinnerung zu hinterlassen. Nur Angst. Meine Hand tastet nach dem Lichtschalter. Ich scanne mit den Augen den Raum ab. Schlafzimmerschrank. An seinen Türen kleben die kindlichen Malereien meiner Nichten. Daneben ist an der Wand ein riesiger Fächer in prallen Sonnenfarben. Ich habe ihn von einem Spanienurlaub mitgebracht. Über dem Stuhl hängen meine Klamotten vom Vortag. Die Vertrautheit meines Schlafzimmers lässt mich ruhiger atmen. Mein Herz schlägt nicht mehr aus dem Hals. Ich lasse mich auf das Kopfkissen zurückfallen. Das Licht bleibt angeschaltet. Die Angst sitzt mir noch in allen Gliedern. Es wäre zu früh, mich auf den nächsten Traum einzulassen.

Wie spät ist es eigentlich? Ich richte mich wieder auf, um den Wecker zu sehen. 6.30 Uhr. Viel zu zeitig zum Aufstehen. Es ist Sonntag. Ich ziehe die Decke bis ans Kinn. Entspann dich, Vera. Das war nur ein Traum. Weiter nichts. Mir wird es unter der Decke zu warm. Ich strampel sie weg. Oder war es etwa kein Traum? Hat mich ein Geräusch aus der Wohnung geweckt? Der Gedanke nagt und lässt sich nicht beiseitewischen. Ich stehe auf. Schleiche zur Tür. Bevor ich sie öffne, greife ich zu meinem Gymnastikschwingstab. Lächerlich. Aber ich fühle mich damit sicherer. Auf dem Flur gilt mein erster Blick der Haustür. Sie ist verschlossen. Ich tapse weiter ins Wohnzimmer und schalte das Licht an. Die Fenster sind heil. Die Außenjalousie unten. Küche. Gästezimmer. Badezimmer auch nichts. Ich gehe zurück ins Schlafzimmer. Alles in Ordnung, Vera. Leg dich wieder hin. Aber in mir bleibt eine undefinierbare Unruhe. Vielleicht kam das Geräusch von draußen? Es war auch mehr ein Schrei. Hat jemand um Hilfe gerufen? Und ich habe nicht reagiert. Ich kurbele den Rollladen hoch und sehe in eine dichte Nebelwand. Direkt vor meinem Haus steht eine Straßenlaterne. Ihr diffuses Licht erscheint wie ein weit entfernter Mond. Ich öffne das Fenster. Die kühlen feuchten Nebelschwaden wabern in mein Zimmer. Ich greife nach meiner Strickjacke, ziehe sie an und bleibe am geöffneten Fenster stehen. Horche angespannt nach draußen. Stille. Ich räuspere mich.

»Hallo? Ist da jemand?«

Meine Stimme klingt erschreckend laut nach. Ich habe das Gefühl, die gesamte Nachbarschaft hat mein zaghaftes Rufen gehört. Aber keine Reaktion. Es bleibt still. Niemand antwortet aus dem milchigen Nichts. Nur das Geräusch vereinzelnd fallender Blätter ist zu hören. Auch das ist ungewöhnlich laut. Und unheimlich.

Ich schüttele den Kopf und schließe das Fenster. Schluss. Ich habe eindeutig geträumt. Was nun? Zurück ins Bett kriechen? Nein. Ich bin nicht mehr müde. Wenn ich mich hinlege und wirklich noch einmal in den Schlaf sacke, werde ich mich hinterher zerschlagen fühlen. Ich gehe in die Küche und brühe eine Kanne Tee auf. Mit einem Becher dampfenden Tee in der Hand gehe ich ins Wohnzimmer. Ich lasse die Jalousie hoch und zünde ein paar Kerzen auf der Fensterbank an. Sie brennen in orangefarbenen Schalen. Ihr warmer Lichtschein erinnert an den Sonnenaufgang. Aber draußen ist es noch dunkel und nebelig. Die kühle Tristesse passt zu der Jahreszeit. Wir haben Ende Oktober.

Ich kuschele mich in eine Wolldecke und trinke das wärmende Getränk. Der Tag kann kommen. Der Schein der Kerzen fällt auf ein paar liebevoll verpackte Liköre, Teesorten und aufgestellte Karten. Geburtstagskarten zu meinem Fünfzigsten. Der ist vier Monate her, aber ich konnte es nicht übers Herz bringen, meinen Geschenketisch abzuräumen. Daneben hängt ein großes, gerahmtes Foto von meiner Schwester Carola und ihrer Familie. Sie haben drei Mädchen. Meine Nichten. Die Fünf lächeln um die Wette. Blitzsauber und freundlich. Unschlagbar freundlich. Ich trinke einen Schluck Tee und muss lächeln.

»Was? Du willst deinen Geburtstag nicht feiern?« Meine Schwester stand vor mir wie die personifizierte Empörung. »Das geht nicht. Du wirst fünfzig. Ein runder Geburtstag. Der muss gefeiert werden. Weißt du was, ich werde die Feier für dich organisieren. Du brauchst dich um nichts kümmern.«

Carola ist fünf Jahre jünger als ich. Aber wenn sie etwas durchsetzen will, habe ich noch nie eine Chance gehabt. Gegenwehr völlig zwecklos. Sie liebt Geburtstagspartys und hatte sich in den Kopf gesetzt, für mich eine auf die Beine zu stellen. Sie wollte ihrer großen Schwester eine Freude bereiten. Der Junggesellin, die sich ihrer Meinung nach viel zu sehr einigelte. Und das kam dabei heraus. Fünfzig werden und nicht feiern wollen. Wahrscheinlich glaubte Carola, dass ich Probleme mit dem Älterwerden habe. Natürlich nur, weil ich allein lebe. Ohne Mann und Kinder. Allein und einsam. Das schlimmste Schreckensgespenst für Carola. Sie ist ein Gesellschaftsmensch. Sie lebt auf, wenn ihr Haus wie ein Bienenstock summt. Das wird ihr nie zu viel. Carola kann sich nicht vorstellen, dass ich mein Leben mag, so wie es ist. Wenn ich das sage, widerspricht sie mir nicht. Aber sie nimmt mich betont liebevoll in den Arm.

Fünfzig Jahre. Nein, die vollendeten fünf Jahrzehnte lösten in mir keine Krise aus. Ich hatte schlicht und einfach keine Beziehung zu dem gängigen Ritual, einen Nullergeburtstag mit großem Trara zu begehen. Ich finde die Zahl unwichtig. Und Geburtstagsfeiern stehen an sich nicht ganz oben auf meiner Wohlfühlliste. Schon gar nicht meine eigenen. Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt.

Ohne Mann und Kinder, das ist eine andere Geschichte. Kinder habe ich nie vermisst. Vielleicht, weil ich zu meinen drei Nichten immer viel Kontakt hatte. Besonders zu Sarah, der ältesten. Ein Mann. Natürlich hatte ich manchmal Sehnsucht nach einem Partner. Einem Menschen, der vorbehaltslos zu mir steht. Vor dem ich mich nicht verstellen muss. Dem ich vertrauen kann. Ich fände es wunderbar, nach Hause zu kommen, und es wartet jemand auf mich. Diese Sehnsucht habe ich jedes Jahr tiefer vergraben, bis ich sie selbst nicht mehr gespürt habe.

Und nun? Ich muss erneut lächeln, wenn ich mir Carolas Gesicht vorstelle. Sie wird staunen. Ich habe mich verliebt. Das wird Carola glücklich machen. Meine kleine Schwester fühlt sich paradoxerweise für mich verantwortlich. Sie hat mir sogar angeboten, bei ihr zu wohnen. Ein Zimmer in ihrem Haus wäre für mich reserviert. Für später. Das ist rührend fürsorglich von ihr. Aber steht für mich nicht zur Debatte. Unabhängig davon, ob ich allein bin oder nicht. Ich möchte mein eigenes Reich behalten. Nun kann ich Carola sagen: Ich habe den Mann gefunden, mit dem ich mir ein gemeinsames Leben vorstellen kann. Den ich ganz in meine Nähe lassen möchte. Den ich vielleicht sogar heiraten werde. Mein Lächeln verstärkt sich. Kein Wunder, dass ich so früh durch einen wirren Traum aufgeschreckt bin. Ich bin aufgeregt. Wie ein junges Mädchen. Heute besucht mich Arne.

Kapitel 2

Ich bin Arne auf meinem fünfzigsten Geburtstag zum ersten Mal begegnet. Das habe ich Carola zu verdanken. Das werde ich ihr auch erzählen. Es wird ihr gefallen, die Glücksfee gewesen zu sein. Aber es ist die Wahrheit. Wenn Carola nicht meine Feier organisiert hätte, wäre ich an dem Tag nicht am alten Hafen gelandet. Jedenfalls nicht in Stöckelschuhen und schickem Kleid.

Carola hatte auf einer Überraschungsparty bestanden. Also wusste ich weder, wer auf der Gästeliste stand, noch den Ort, an dem wir feiern würden. Das waren ausreichend Unbekannte, um mich zu foltern. Ich stelle mich gern auf Dinge ein, die auf mich zukommen. Aber Carola schwieg wie ein Grab. Ich hatte lediglich die Aufgabe bekommen, mich schön zu machen. Schon aus dem Grund war ich sicher, dass wir auswärts feierten.

Ich kaufte mir ein Sommerkleid. Dabei trage ich sehr selten Kleider, aber die Verkäuferin hatte mich mit ihrer Begeisterung angesteckt. An meinem Geburtstag betrachtete ich mich im Spiegel und musste eingestehen, das Kleid war wie für mich gemacht. Ein kornblumenblaues, ärmelloses Cocktailkleid. Ein seidiger Stoff und darüber eine transparente, leicht ausgestellte Lage. Wie ein Hauch. Dazu ein gleichfarbener Bolero. Das Blau harmonierte mit meinem dunkelblonden Haar. In dem war noch kein graues zu finden. Ein Erbe meiner Mutter. Und die Farbe des Kleides unterstrich das Blau meiner Augen. Und ich trug Schuhe mit Absatz. Keine High Heels, aber für mich fühlten sie sich so an. Fertig angezogen wartete ich, dass Carola mich abholte.

Gut, dass ich von den Plänen meiner Schwester nichts geahnt hatte. Sonst wäre ich im Voraus zusammengebrochen. Carola holte mich nicht ab. Sie fuhr mit einem Lieferwagen plus Anhänger vor. Sie blockierte damit die schmale Blumenstraße. Ich stand in der Haustür und wollte nicht glauben, was ich sah. Carola umarmte mich liebevoll. »Vera, du siehst wunderschön aus. Herzlichen Glückwunsch.«

Carola hatte ihre Freundinnen mitgebracht, und die begannen flott Geschirr, Bistrotische und Girlanden auszuladen und in mein Haus zu transportieren. Das durfte nicht wahr sein. Carola wollte die Feier bei mir durchziehen. Meine Räume waren viel zu klein.