Atlantis 2 / 7: Rebellenkind - Lucy Guth - E-Book

Atlantis 2 / 7: Rebellenkind E-Book

Lucy Guth

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Beschreibung

Gut 3000 Jahre in der Zukunft: Atlantis ist nie untergegangen, sondern eine Heimat für Millionen Menschen und Außerirdische, die friedlich miteinander leben. Die Erde gehört zu einem großen Sternenreich, in dem die Menschheit nur eine Nebenrolle spielt. Perry Rhodan, Sichu Dorksteiger und ihre Freunde haben sich in dieser parallelen Zukunft – der sogenannten Tangente – eine neue Existenz aufgebaut. Trotzdem möchten sie in ihr altes Universum zurückkehren. Ihr Gegenspieler ist Koomal Dom, ein Ritter der Tiefe, der in Rhodans Plänen eine Gefahr für die Tangente sieht. Ein Experiment führt zu katastrophalen Folgen: Das Raumschiff CASE MOUNTAIN, mit dem Rhodans Freunde aus der Milchstraße nach ihm suchten, strandet auf Atlantis. Währenddessen ringt ein junger Mann mit den Schatten seiner Vergangenheit. Diese bergen ein tödliches Geheimnis – er ist das REBELLENKIND ...

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Nr. 7

Rebellenkind

Allein auf einer fremden Welt – ein junger Mann wird zum Feind

Lucy Guth

Sascha Vennemann

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

XXIII. Dreizehn Jahre zuvor

1. Perry Rhodan

XXIV. Dreizehn Jahre zuvor

2. Tyler

XXV. Zwölf Jahre zuvor

3. Tyler

XXVI. Elf Jahre zuvor

4. Tyler

XXVII. Ein Jahr zuvor

5. Tyler

6. Dante

7. Perry Rhodan

8. Tyler

Impressum

Gut 3000 Jahre in der Zukunft: Atlantis ist nie untergegangen, sondern eine Heimat für Millionen Menschen und Außerirdische, die friedlich miteinander leben. Die Erde gehört zu einem großen Sternenreich, in dem die Menschheit nur eine Nebenrolle spielt.

Perry Rhodan, Sichu Dorksteiger und ihre Freunde haben sich in dieser parallelen Zukunft – der sogenannten Tangente – eine neue Existenz aufgebaut. Trotzdem möchten sie in ihr altes Universum zurückkehren.

Ihr Gegenspieler ist Koomal Dom, ein Ritter der Tiefe, der in Rhodans Plänen eine Gefahr für die Tangente sieht. Ein Experiment führt zu katastrophalen Folgen: Das Raumschiff CASE MOUNTAIN, mit dem Rhodans Freunde aus der Milchstraße nach ihm suchten, strandet auf Atlantis.

Währenddessen ringt ein junger Mann mit den Schatten seiner Vergangenheit. Diese bergen ein tödliches Geheimnis – er ist das REBELLENKIND ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner trifft alte Freunde.

Tyler – Der junge Atlanter hadert mit sich und seiner Gabe.

Rowena und Caysey – Tylers Mütter tun das, was sie am besten können.

Regnor Nonshkar

XXIII.

Dreizehn Jahre zuvor

Ausgerechnet in dieser Nacht träumte Regnor Nonshkar wieder, dass er von der Mitabrev-Klippe stürzte. Er schrie, während ihn die Schwerkraft gnadenlos hinab zu den schäumenden Wellen des Zaw-Meeres zog, die sich an spitzen, aus dem Wasser ragenden Felsnadeln brachen.

Warum?, fragte sich der Fünfjährige im Traum. Ich habe doch aufgepasst! Ich bin nicht zu nahe an den Rand gegangen. Vater hat mich bei unserem Ausflug dorthin doch noch gewarnt.

Die Zeit verlangsamte sich, als Regnor wieder einfiel, dass er diesen Traum nicht zum ersten Mal hatte. Und wie dieser jedes Mal endete.

Seine Mutter würde ihn auffangen. Er spürte schon ihre starken Arme, die sich unter ihn schoben und festhielten. Weder die scharfkantigen Felsnadeln noch die tiefen Fluten des Meeres würden ihm etwas anhaben können.

Regnor entspannte sich. Die rauschende Luft um ihn war zwar kühl, trocknete jedoch seine Tränen. Er fühlte den enger werdenden Griff seiner Mutter. Dazu erklangen die schrillen Rufe der in den Klippen nistenden Codur-Steinbeutler. Fast klang es so, als riefen sie seinen Namen.

»Regnor! Wach auf!«

Die Umklammerung wurde immer fester. Mit einem Ruck wurde Regnor nach oben gerissen. Das Traumbild verblasste jäh, als Regnor blinzelnd die Augen öffnete. Seine Lider waren von Tränen verklebt. Die dicke Bettdecke, die er gepackt hielt, entglitt ihm und fiel raschelnd zu Boden.

»Bist du wach? Regnor, du musst aufwachen!« Er spürte den warmen Atem seiner Mutter auf dem Gesicht. Ihre großen, tiefblauen Augen befanden sich direkt vor ihm. Sie hielt ihn auf ihren Armen, als wäre er ein Kleinkind. Seltsam, das hatte sie schon lange nicht mehr getan.

»Zieh dich an! Wir müssen hier weg!«

Seine Mutter löste ihre Umklammerung und stellte ihn auf dem Boden seines Zimmers ab.

Regnors Zehen gruben sich in den weichen Teppich vor seinem Bett. Gleichzeitig hörte er Geräusche aus dem Wohnzimmer. War sein Vater etwa auch wach? Was passierte gerade?

Regnor sah aus dem Fenster. Es war finstere Nacht. Auf den Dächern der Nachbarhäuser lag frischer Schnee. Über der fernen Silhouette Cholaslies standen die beiden Monde Scall und Hosg am Himmel, Regnor erkannte sie an ihrer unterschiedlichen Form. Die beiden Begleiter des Planeten Charnik waren nur in den späten Abend- oder frühen Morgenstunden zeitgleich zu sehen.

Mutter stieß ihn an den Schultern und warf ihm eine dicke Winterhose, ein grob gewebtes Oberteil und seinen Mantel zu. »Los, zieh das an!«

Langsam wich die Benommenheit von ihm. Da lag etwas in der Stimme seiner Mutter, das er zuvor nicht wahrgenommen hatte. War das ... Angst?

»Was ist mit den Jungen, Yemmet?« Regnors Vater stand in der Tür zu seinem Zimmer. Kolos sonst so blasses Gesicht hatte einen roten Schimmer angenommen. »Die Tornister sind gepackt – und er steht hier noch in seinen Schlafsachen?«

Regnors Mutter stieß ein genervtes Schnauben aus. »Zieh dich an, los!«, zischte sie ihrem Sohn zu.

Regnor gehorchte verunsichert. Was hatte das alles zu bedeuten? Yemmet, seine Mutter, riss die Schubladen seines Kleiderkabinetts auf, zog wahllos ein paar Klamotten heraus und stopfte sie in seine kleine Reisetasche.

»Fahren wir in den Urlaub?« Regnor schälte sich aus seinem Schlafanzug und warf ihn achtlos aufs Bett. Rasch kleidete er sich mit den Sachen an, die seine Mutter ihm gegeben hatte.

»So ähnlich.« Kolo, sein Vater, bedachte Yemmet mit einem eindringlichen Blick, den Regnor nicht zu deuten wusste.

Langsam dämmerte es dem Jungen, dass dies eine jener Situationen war, auf die sein Vater und seine Mutter ihn immer wieder vorbereitet hatten.

Es kann sein, dass etwas passiert und wir schnell den Ort verlassen müssen, an dem wir uns befinden. Du darfst nicht trödeln und keine Fragen stellen. Verstehst du, Regnor?

Natürlich hatte er genickt, auch wenn er nichts verstanden hatte. Auch nicht, warum er mit niemandem darüber sprechen durfte. Das ist das Wichtigste, hörst du?

Seine Mutter hatte die Reisetasche fertig gepackt und verließ das Zimmer. Die Tür ließ sie offen, sodass Regnor jedes Wort hörte, das zwischen ihr und seinem Vater gesprochen wurde.

»Dieses verdammte Knochengesicht!« Unterdrückte Wut lag in der Stimme von Regnors Vater. »Warum hat er nicht den öffentlichen Gleiter genommen wie jeden Abend!«

Hektische Schritte hinüber zur Kochzelle. Jemand füllte Wasser in eine Flasche ab. Das Geräusch kannte Regnor gut.

»Ob er Bescheid wusste?«

Die Frage seiner Mutter war kaum verklungen, da antwortete Kolo bereits. »Woher denn? Wir waren so vorsichtig, wie wir es immer sind. Er kann höchstens eine dringende private Nachricht oder eine Botschaft vom Planetenrat erhalten haben, die ihn dazu brachte, wieder aus dem Transportgleiter auszusteigen. Aber da lief der Zeitzünder schon.«

Regnor schlüpfte in den Mantel und knöpfte ihn zu. Neben der Tür zu seinem Zimmer standen seine Stiefel. Er zog sie an, hielt kurz unschlüssig inne und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Inmitten der auf den Boden gefallenen Bettdecke lag das Steinbeutler-Kuscheltier, das seine Eltern ihm beim Ausflug zu den Klippen als Erinnerungsstück gekauft hatten. Er nahm es hoch und stopfte es in eine seiner Manteltaschen.

Das fühlte sich gut an. Fast, als wäre ein Freund bei ihm. Nicht, dass er sonst viele hätte. Ein trauriges Gefühl, das er nicht näher benennen konnte, überkam Regnor. Irgendwie wusste er, dass er sein Zimmer zum letzten Mal sah. Dabei war er gerne hier gewesen. Es war zum ersten Mal ein Zuhause seit ... Er konnte sich nicht erinnern. Nur, dass er schon in vielen verschiedenen Zimmern geschlafen hatte.

Das Schweigen aus dem Wohnzimmer beunruhigte ihn. Als er um die Ecke sah, erblickte er seine Eltern inmitten gepackter Koffer und Tornister. Sie hielten sich handtellergroße, flache Geräte an die Schläfen – dorthin, wo viele andere Tefroder auf Charnik das Kol-Mani-Implant trugen.

Seine Eltern aktivierten ihre Geräte nur, wenn es gar nicht anders ging. Regnor wusste, wieso. Diesen Knochengesichtern war nicht zu trauen, sagten Yemmet und Kolo immer. Und wenn sie das sagten, stimmte das.

Die Apparate, die sie gerade benutzen, waren separate Hyperfunk-Empfänger, die keinen Lautsprecher hatten, sondern auf bestimmte Art vibrierten – sodass man verstand, was gesagt wurde, wenn man sie sich an den Schädelknochen drückte.

»Sie durchsuchen die ganze Stadt«, flüsterte sein Vater unvermittelt. »Die Sicherheitskräfte folgen den Spuren im Schnee, die von der Gleiterstation wegführen. Um diese Uhrzeit können das nicht viele sein. Verdammt!«

»Nichts wie weg.« Yemmet desaktivierte den Empfänger und steckte ihn in eine der zahlreichen verschließbaren Taschen ihrer Hose. Sie winkte Regnor zu sich und drückte ihm seinen MAF-Koffer in die Hand. »Den trägst du. Kannst du damit auch schnell rennen, wenn du musst?«

Regnor hob den Koffer an. Ohne das Massenaufhebungsfeld wäre er schwer gewesen, aber so lange es angeschaltet blieb, würde es gehen. Er nickte.

Kolo hatte bereits die Wohnungstür geöffnet und sah sich nach allen Seiten um. Schnellen Schrittes eilte er zur MAF-Röhre des Flurs, schaute nach oben und nach unten. Dann wandte er sich zu Regnor und seiner Mutter um, legte den Zeigefinger an die Lippen und deutete dann nach unten, bevor er die Röhre betrat und hinabschwebte.

»Leise jetzt. Wir wollen keine Aufmerksamkeit erregen. Niemand darf uns sehen, verstanden?« Seine Mutter schob ihn aus der Wohnung und schloss geräuschlos die Tür.

Regnor schluckte und nickte. Er ließ sich von Yemmet weiterschieben, und sie gelangten kurz darauf zur Haustür. Im Licht der beiden Monde glitzerte der frische, knöchelhoch gefallene Schnee auf den Wegen zwischen den Wohnblocks.

Sie eilten seinem Vater hinterher, der weiter möglichst unauffällig den Weg in Richtung des Industrieviertels von Cholaslie einschlug.

Wenn Regnor allein durch die Gegend streifte, war ihm das verboten. Dort wurde das Howalgonium, das aus den Minen in Äquatornähe stammte und für das Charnik weit über das Springsonsystem und Andromeda hinaus bekannt war, weiterverarbeitet und für den Transport zu anderen Welten fertig gemacht.

Sich nähernde Sirenen rissen Regnor aus seinen Gedanken. Die aufblitzenden Warnlichter und schrillen Klangfolgen kamen aus Richtung des Regierungsdistrikts. Dort wohnten auch die wenigen Kol Mani auf Charnik, die ihren Handelsposten für das Korrelat verwalteten.

Ein melodiöser Dreiklang schallte aus unsichtbaren Lautsprechern entlang der Straße. »Achtung! Es herrscht eine Ausgangssperre!« Die Ansage dröhnte auf Timit-Nimidi durch die Nacht. Jeder im Korrelat musste die Amtssprache beherrschen. Regnor hatte sie ebenfalls gelernt.

»Bleibt in euren Wohnungen und Häusern!«, fuhr die Stimme fort. »Gesucht werden Terroristen, die einen feigen Sprengstoffanschlag auf den ehrenwerten Distrikt-Vorsteher Mataj Mer geplant und ausgeführt haben. An die Täter: Ihr habt versagt, und wir wissen, wer und wo ihr seid! Ergebt euch, und ihr erhaltet einen fairen Prozess. Wenn ihr zu fliehen versucht, müsst ihr mit den daraus resultierenden Konsequenzen leben!«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, hörte Regnor seinen Vater flüstern – und erschrak. Mataj Mer war so etwas wie der Bürgermeister dieses Teils von Cholaslie. Zwar wohnten hier, wie auf dem Rest des Planeten, fast nur Tefroder, aber das hinderte diese hässlichen Kol Mani nicht daran, allen sagen zu wollen, wo es langgeht, wie es seine Mutter ausdrückte.

Ein Gedanke, der schon länger in Regnor geschlummert hatte, erwachte erneut und stärker als je zuvor in ihm. Diese Terroristen, waren das etwa ...?

»Im Namen von Seth-Apophis! Stehen bleiben!« Die lauten Rufe kamen vom anderen Ende der Straße.

»In die Seitengasse!« Yemmet fasste Regnor am Kragen und zog ihn mit sich. Keinen Augenblick zu früh: Strahlerschüsse zischten durch die Nacht.

Während das Mauerwerk an der Stelle explodierte, an der seine Familie gerade noch gestanden hatte, wurde Regnor in den Schnee geschleudert und nur Sekunden später wieder hochgerissen.

Als er einen Blick zurück zu der Häuserecke warf, regneten dort glimmende Trümmer aus geschmolzenem Betonstahl nieder.

Der Junge umklammerte mit einer Hand den Griff seines Koffers und mit der anderen das Kuscheltier in seinem Mantel. Mutter und Vater würden ihn beschützen. Wie in seinem Traum. Vielleicht war das hier ja ebenfalls einer?

Als die nächsten Schüsse fielen, wusste Regnor, dass es nicht so war.

*

Ihre Flucht durch das Wohnviertel dauerte nur kurze Zeit. Seine Eltern hielten sich nicht damit auf, Deckung vor dem Beschuss ihrer Verfolger zu suchen, sondern spurteten, so schnell sie nur konnten.

Regnor hatte Mühe, Schritt zu halten, aber er wusste, dass er es versuchen musste. Würden sie ihn tatsächlich zurücklassen, wenn er stürzte oder angeschossen wurde? Der Gedanke machte ihm mehr Angst als die inzwischen seltener werdenden Schüsse.

Er wäre fast in den Rücken seiner Mutter gelaufen, als diese schwer atmend anhielt. Regnor sah sich um und erkannte, dass sie das Industrieviertel beinahe erreicht hatten. Nur wenige Meter vor ihnen endete die Wohnbebauung, und ein schmaler Streifen freies Land erstreckte sich bis zum Grenzzaun des Distriktes.

Regnor rang nach Atem. »Da kommen wir ... doch niemals drüber«, keuchte er.

»Müssen wir nicht.« Kolo winkte Regnors Mutter und ihn zu einem Unterstand, der an ein frei stehendes Wohnhaus angrenzte. Er war breit genug für einen Familiengleiter, doch die Besitzer waren offenbar gerade damit unterwegs.

Seltsam. Es herrschte doch eine Ausgangssperre, hatte der Sicherheitsdienst über die Lautsprecher bekannt gegeben. Weil jemand Mataj Mer etwas antun wollte, erinnerte sich Regnor.

Kolo tastete an einem der Stützpfeiler des Unterstands herum. Ein schwach rot aufleuchtender Tastbereich wurde an dem Pfosten sichtbar, und Regnors Vater ließ seine Finger darüber fliegen.

Mit einem leisen Zischen schob sich eine Luke auf dem Boden des Unterstands zurück.

Mit offenem Mund erkannte Regnor, dass eine Treppe hinab zu einem spärlich beleuchteten, unterirdischen Gang führte.

»Los, rein da!« Wieder drängte ihn seine Mutter weiterzugehen.

Die Treppe war stabil und beinahe unnatürlich sauber, wie der gesamte Korridor. Regnor hielt einen Moment inne, bis Yemmet und Kolo ebenfalls die rund ein Dutzend Stufen hinabgestiegen waren.

Mit demselben Zischen, mit dem sich die Luke geöffnet hatte, fuhr sie nun an ihren Platz zurück.

Regnor nutzte den kurzen Augenblick der Ruhe, der daraufhin entstand. »Warum wollen die uns erschießen?«, fragte er leise, weil das die Frage war, mit der alle anderen zusammenhingen, die er stellen wollte.

Sein Vater sah seine Mutter an, die kaum merklich den Kopf schüttelte. Regnor hatte es trotzdem gesehen.

Kolo kniete sich vor ihm hin und legte ihm die Hände auf die Schultern. Sein Mantel war feucht von geschmolzenen Schneeflocken. »Wir erklären es dir, wenn wir außer Gefahr sind. Aber jetzt haben wir dafür keine Zeit. Verstehst du das?«

»Wir gehen nicht wieder nach Hause, oder?«

»Das können wir nicht.« Seine Mutter legte ihre Hände auf die ihres Vaters. »Es tut uns leid, Regnor.«

Regnor fühlte sich traurig und wütend, jetzt, nachdem er Gewissheit hatte. Er hatte sein Zuhause verloren, aber er wusste nicht, warum.

Doch stimmte das? Natürlich gab es immer jemanden, der schuld war, wenn etwas Schlimmes passierte. Das hatten seine Eltern oft genug gesagt.

»Die Kol Mani sind schuld, oder?«, entgegnete er trotzig. »Diese Knochengesichter!«

Der überraschte Gesichtsausdruck seines Vaters verunsicherte Regnor, aber als dieser aufsah und seine Mutter anlächelte, wusste er, dass er recht hatte.

»Das stimmt.« Kolo klopfte ihm auf die Schulter. »Wenn man alles in allem betrachtet, ist das absolut richtig!«

Ich habe jedes Recht, wütend auf diese hässlichen Kol Mani zu sein!

Regnor fühlte, wie seine Traurigkeit einem Gefühl des Stolzes wich. Während er seit dem Erwachen aus seinem Albtraum ein Gefühl des Abstands zwischen seinen Eltern und sich gespürt hatte, machte sich nun wieder das warme Gefühl der Verbundenheit breit.

»Wir sollten weitergehen«. Yemmet wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn und drängte sich in dem schmalen Gang nach vorn. »Wir haben es fast geschafft, aber noch nicht ganz.«

Es dauerte nicht lange, da erreichten sie das andere Ende des Korridors. Dort führte eine weitere, baugleiche Treppe nach oben. Auch hier gab es eine versteckte Tastfläche, die Regnors Vater problemlos fand und aktivierte.

Abgestandene, kalte Luft wehte Regnor entgegen, als er an der Hand seiner Mutter den unterirdischen Gang verließ. Das Scharren seiner Stiefel hallte von der hohen Decke wider, die im Dunklen lag. Sie waren offenbar in einer Lager- oder Industriehalle herausgekommen.

»Ihr kommt später, als wir erwartet hatten!«

Regnor stieß einen kurzen Schreckensschrei aus.

Ein Lichtkegel wie von einer Art Handleuchte zuckte durch die Dunkelheit und blendete ihn. Er zog die linke Hand aus der Manteltasche und hielt sie vor sich. »He!«

Der Lichtstrahl wurde gesenkt. Regnor blinzelte und machte die beiden Männer aus, die sich offenbar zwischen zwei großen Maschinenblöcken versteckt gehalten hatten.

Yemmet und Kolo wirkten nicht überrascht. Regnors Mutter reichte einen der Tornister an den Mann mit der Handleuchte weiter, der sie auf einer bereitstehenden Schwebeplattform deponierte.

Yemmet nickte Regnor zu. »Die beiden helfen uns. Ich habe ihnen Bescheid gesagt, als du geschlafen hast.« Widerwillig reichte Regnor seinen Koffer an einen der Unbekannten weiter.

Sein Vater verriegelte die Luke zum versteckten Gang und gesellte sich zu ihnen. »Wie geht es jetzt weiter?«

Der Mann mit der Leuchte reichte ihnen drei elastische Bänder. »Ihr verbindet euch damit die Augen.«

Yemmet stöhnte. »Ist das wirklich nötig?«

Der Mann grinste, aber nicht amüsiert, das erkannte selbst Regnor. »Dient nur eurer eigenen Sicherheit.«

»Was hast du erwartet?« Kolo nahm die Augenbinden entgegen und half Regnor dabei, sie anzulegen. »Das ist doch mal wieder typisch für sie.« Das letzte Wort sprach er irgendwie seltsam aus, fand Regnor.

Der Stoff der Binde war angenehm weich und schmiegte sich an Regnors Wangen. Er sah rein gar nichts mehr. Wenn er versuchte, seine Finger unter den Stoff zu schieben, zog dieser sich mit unangenehmem Druck zusammen. Regnor sparte sich weitere Versuche.

Die Hand seiner Mutter führte Regnor, blind wie er war, von der Bodenluke weg. Nach kurzer Zeit veränderten sich die Umgebungsgeräusche. Manchmal mussten sie über Schwellen steigen oder Treppenstufen nehmen.

Schließlich durften sie sich setzen. Ein Schott wurde geschlossen und verriegelte sich zischend. Ein Brummen und Vibrieren begann, das Regnor gut kannte: Sie saßen offenbar in einem Gleiter.

Er hielt weiter die Hand seiner Mutter und beugte sich in ihre Richtung. »Weißt du, wohin wir fliegen?«

»Nein«, antwortete Yemmet. »Aber zu wem ...«

1.

Perry Rhodan

Tag 107, Epoche 10.304

Es war ein Bild wie aus einem Albtraum: Die CASE MOUNTAIN steckte zur Hälfte in dem Gebirge, das sich Arkonspitze nannte – wie ein Kinderball, der am Strand in einer Sandburg gelandet war. Es war ein grotesk harmloser Vergleich, der Perry Rhodan nur bewies, wie unwirklich ihm die Bilder vorkamen, die sie von der Erde empfingen.

»Es bringt nichts, das Holo die ganze Zeit anzustarren!«. Sichu stieß ihn in die Seite. Ihr munterer Ton war aufgesetzt, denn der Anblick des terranischen Kugelraumers traf sie ebenso schmerzhaft wie ihn, das wusste er. »Sieh lieber zu, dass wir vorankommen! Dann kannst du die Katastrophe bald mit eigenen Augen bewundern.«

»Momentan habe ich nicht besonders viel zu tun, oder?« Rhodan hob spöttisch die Augenbrauen. »Die neue Kommandantin scheint mein Schiff fest im Griff zu haben, während ich auf mein Taxi warte.«

Er stand neben Sichu in der Zentrale der CARFESCH, in der jeder beschäftigt war, außer Rhodan. In der Mitte des Raums schwebte das Holo mit der CASE MOUNTAIN wie ein bedrohliches Orakel. Außer Rhodan hatte keiner die Muße, es länger zu betrachten.