8,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €
England, 1819. Als der jungen Diebin Sienna klar wird, dass ihr brutaler Ziehvater sie an ein Bordell verkaufen will, flieht sie mit der nächsten Kutsche aus London. Doch dann hat diese einen Unfall, und Sienna überlebt als eine der Wenigen. Durch ein Missverständnis gerät Sienna an die Habseligkeiten einer verunglückten Mitreisenden. Sie wittert ihre Chance auf einen Neuanfang, auf ein Leben ohne Furcht vor ihrem Ziehvater. Sie nimmt die Identität des toten Mädchens an. Und so wird aus der Diebin Sienna, die Magd Tess.
Siennas Weg führt sie zum Herrenhaus Aubreys End, wo sie von nun an als Dienstbotin arbeitet. Doch wie lange kann Sienna ihr Geheimnis wahren, ohne sich selbst zu verraten? Durch ihre Hitzköpfigkeit droht ihre Tarnung ein ums andere Mal aufzufliegen. Besonders als sie auf den attraktiven Lord Kilcane trifft, Hausherr von Aubreys End.
Die 6teilige Reihe jetzt in einem eBook.
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 812
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Grußwort des Verlags
Über das Buch
Titel
Folge 1: Hoffnung auf ein neues Leben
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
Folge 2: Ein ungebetener Gast
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Folge 3: Ein schicksalhaftes Unterfangen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
Folge 4: Stürmische Herzen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
Folge 5: Schatten der Vergangenheit
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Folge 6: Zeiten des Glücks
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
Epilog
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
Liebe Leserin, lieber Leser,
herzlichen Dank, dass du dich für ein Buch von beHEARTBEAT entschieden hast. Die Bücher in unserem Programm haben wir mit viel Liebe ausgewählt und mit Leidenschaft lektoriert. Denn wir möchten, dass du bei jedem beHEARTBEAT-Buch dieses unbeschreibliche Herzklopfen verspürst.
Wir freuen uns, wenn du Teil der beHEARTBEAT-Community werden möchtest und deine Liebe fürs Lesen mit uns und anderen Leserinnen und Lesern teilst. Du findest uns unter be-heartbeat.de oder auf Instagram und Facebook.
Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich für unseren kostenlosen Newsletter an: be-heartbeat.de/newsletter
Viel Freude beim Lesen und Verlieben!
Dein beHEARTBEAT-Team
Melde dich hier für unseren Newsletter an:
England, 1819. Als der jungen Diebin Sienna klar wird, dass ihr brutaler Ziehvater sie an ein Bordell verkaufen will, flieht sie mit der nächsten Kutsche aus London. Doch dann hat diese einen Unfall, und Sienna überlebt als eine der Wenigen. Durch ein Missverständnis gerät Sienna an die Habseligkeiten einer verunglückten Mitreisenden. Sie wittert ihre Chance auf einen Neuanfang, auf ein Leben ohne Furcht vor ihrem Ziehvater. Sie nimmt die Identität des toten Mädchens an. Und so wird aus der Diebin Sienna, die Magd Tess.
Siennas Weg führt sie zum Herrenhaus Aubreys End, wo sie von nun an als Dienstbotin arbeitet. Doch wie lange kann Sienna ihr Geheimnis wahren, ohne sich selbst zu verraten? Durch ihre Hitzköpfigkeit droht ihre Tarnung ein ums andere Mal aufzufliegen. Besonders als sie auf den attraktiven Lord Kilcane trifft, Hausherr von Aubreys End.
REENA BROWNE
Das Herrenhaus in den Midlands
1819, St. Giles, London
Sienna schreckte aus dem Schlaf hoch. Verwirrt hob sie den Kopf und versuchte sich zu orientieren. Neben ihr regte sich schläfrig die junge Dirne, mit der sie das marode Bett teilte, das in einem Hinterzimmer der »Schatzkammer« stand, wie die Rote Moll stolz ihr Hurenhaus nannte.
Durch die dünnen Wände konnte Sienna das schrille Gelächter der Mädchen hören, die um die anwesenden Freier buhlten. Dazwischen mischte sich das Geklimper des altersschwachen Pianofortes, dessen schwergängige Tasten einem die Finger verkrampfen ließen, wenn man längere Zeit darauf spielte.
Sienna ließ ihre Blicke durch die Dunkelheit schweifen und fragte sich, was sie eigentlich geweckt hatte. Alles schien wie immer: dasselbe nach billigem Parfüm müffelnde Bett, in dem sie schlafen durfte, wenn sie das Pianoforte zur Unterhaltung der meist betrunkenen Gäste gespielt hatte, der strenge Geruch nach verdorbenem Fisch und abgestandenem Bier, der in der Luft hing. Von einer unbestimmten Ahnung geleitet, schälte Sienna sich aus dem Wust modrig riechender Decken und setzte sich auf die Bettkante. Müde rieb sie sich die Augen und versuchte dem Gefühl, das etwas Schlimmes geschehen war, Herr zu werden. Da sie fröstelte, zog sie den dicken Mantel, den sie auch im Schlaf trug, enger um ihre Schultern. Gerade als sie sich wieder hinlegen wollte, flog die Tür mit einem Knall auf, und Marlowe stand groß und breit im Türrahmen. Er war betrunken und musste sich an der Türklinke festhalten, um nicht zu stürzen. Hinter ihm war der Flur hell erleuchtet, und die Geräusche aus dem Schankraum waren nun deutlich zu hören. Sienna machte sich so klein wie nur möglich, denn betrunken und zornig war Marlowe eine Gefahr für jeden, der in seiner Nähe weilte.
»Wach auf!«, schrie der grobschlächtige Mann und schleuderte ihr mit einer wütenden Geste etwas entgegen. Erschrocken griff sie danach und stellte dann aber erstaunt fest, dass es ein Kleid war.
»Zieh es an, sofort!«, befahl er.
Warum war Marlowe nur so außer sich, fragte Sienna sich alarmiert.
»Du sollst es, verdammt noch mal anziehen, habe ich gesagt«, knurrte er und wankte einen Schritt nach vorne. Im schwachen Licht konnte sie das bösartige Funkeln in seinen Augen sehen. Sienna fuhr mit den Fingerspitzen über die aufwändige Stickerei auf der dunkelroten Seide.
»Was soll das?«, flüsterte sie schockiert, denn es war Taras Kleid.
»Zieh es verdammt noch mal an!«, brüllte Marlowe los.
Siennas Finger krampften sich um das Kleid, und eine böse Ahnung schnürte ihre Kehle zu. Sie sprang entschlossen auf und schlüpfte unter Marlowes Armen hindurch aus dem Zimmer. Sie stürmte die Treppe hinab, in das unterste Stockwerk, wo die Mädchen ihre Freier bedienten. Als sie die Dirnen sah, die sich vor Taras Zimmer drängten, um einen Blick ins Innere zu werfen, bestätigte sich ihre Vorahnung. Von Angst erfüllt, bahnte sich Sienna ihren Weg durch die neugierige Menge.
Tara lag halbnackt auf dem Bett, der Gürtel, mit dem sie sich erhängt hatte, war noch um ihren Hals geschlungen. Der Tod hatte ihr hübsches Gesicht auf grausame Weise entstellt und ließ ihre wunderschönen grünen Augen gebrochen ins Leere stieren.
Mit zwei Schritten war Sienna am Bett und griff nach der leblosen, kalten Hand ihrer Ziehschwester.
»Dieses Miststück«, keifte Moll, die sich über den fast nackten Freier gebeugt hatte, der besinnungslos auf dem Boden lag. »Erhängt sich einfach und jagt dem Fürstensöhnchen einen Mordsschrecken ein.« Sie richtete sich wieder auf und packte Sienna am Arm. Ihr Atem roch nach Selbstgebranntem und Pfeifenrauch, rote Haarsträhnen hingen ihr in die fettige Stirn. Sienna wand sich mühelos aus dem Griff der betrunkenen Frau. Ihr Schmerz verdrängte die Angst vor Moll. Hinter sich hörte sie Marlowe ihren Namen schreien, fluchend trampelte er die Treppe hinab.
»Verdammt noch mal, Gregory! Sei leise, du weckst mir noch den edlen Fürstenspross auf«, wies Moll ihn harsch zurecht. »Sieh lieber zu, dass du das tote Miststück loswirst. Wirf sie aus dem Fenster und dann ab mit ihr in die Themse. Ein anderes Mädchen wird ihren Platz einnehmen, dann wird der feine Herr alles nur für einen bösen Traum halten.«
Während Moll sprach, drängte sie die neugierigen Mädchen von der Tür zurück und schlug sie ihnen vor der Nase zu. Marlowe stand wankend im Zimmer und zeigte mit dem Finger auf Sienna, die ihn erschrocken ansah.
»Sie soll das machen.« Er kniff seine blutunterlaufenen Augen zusammen und versuchte das Mädchen mit seinem Blick zu fixieren.
»Bist du nicht mehr ganz bei Sinnen? Die Kleine ist noch Jungfrau, willst du sie wirklich einem Betrunkenen unterschieben, der für eine einfache Hure bezahlt hat? Hatten wir nicht abgemacht, ihre Unschuld an den Meistbietenden zu versteigern?«, echauffierte sich Moll und funkelte Marlowe wütend an.
»Was?«, keuchte Sienna und starrte die beiden mit weit aufgerissenen Augen an. Nein, in dieses Schicksal würde sie sich nicht kampflos ergeben. Der Gedanke ließ sie für einen Moment den Kummer über Taras Tod vergessen.
»Du dämliche Kuh«, fuhr der bullige Mann seine Komplizin an. »Jetzt weiß sie es!« Noch während er sprach, machte er einen Schritt auf sie zu.
Sienna wich zurück, bis sie mit dem Rücken zur Wand stand. Marlowes Hände griffen nach ihr und erwischten die Ärmel ihres Mantels. In höchster Not tastete sie nach dem Eisenring an ihrer Rechten und klappte die kleine bewegliche Klinge in ihrer Handfläche nach oben.
Marlowes riesige Hände umklammerten ihre Schultern, triumphierend leuchteten seine Augen auf, da er sich seiner Beute sicher wähnte. Doch er freute sich zu früh, denn Sienna hob ihre Hand und fuhr ihm über das Gesicht. Die versteckte Klinge schlitzte seine linke Wange auf, mit einem Aufschrei ließ Marlowe Sienna los und hielt die Hände vor die blutende Wunde. Blut strömte zwischen seinen Fingern hindurch, tropfte über sein Hemd auf die fleckigen Holzdielen des Zimmers.
Sienna sah zum Fenster, es war der einzige Fluchtweg, der ihr noch blieb. Sie sprang auf das Fensterbrett und zerbrach mit beherztem Tritt die Scheibe. Klirrend zerbarst das Glas, und sie sah mit wild klopfendem Herzen hinab in die Dunkelheit. Obwohl sie nichts erkennen konnte, wusste sie, dass es gut zehn Fuß vom Fenster bis zum Boden waren. Ein Abgrund. Hinter sich hörte sie Moll aufheulen und zum Fenster laufen. Doch ehe die Frau sie zu fassen bekam, sprang Sienna. Während sie fiel, hoffte sie inständig, dass der Lumpensammler wie immer seinen Karren unter dem Fenster abgestellt hatte.
Ihre Bitte wurde erhört, denn sie landete auf einem Haufen stinkender Lumpen. Dem alten Lou sei Dank.
Moll hing keifend aus dem Fenster, hinter ihr brüllte Marlowe seinen Schmerz hinaus. Hastig wühlte sich Sienna aus dem Berg alter Stofffetzen, rappelte sich auf und rannte in die Nacht hinein.
Als sie eine dunkle Seitengasse erreicht hatte, blieb sie mit klopfenden Herzen stehen und lehnte sich an eine Hauswand. Tränen rannen ihr über die Wangen, aber der Wille zu überleben war stärker als die Trauer über Taras Tod. Was sollte sie tun? Angst machte sich in ihr breit, denn etwas anderes als das Leben in Marlowes Bande hatte sie nie kennengelernt. Immer wieder hatte Tara sie beschworen zu fliehen, damit sie nicht das gleiche Schicksal wie sie selbst erleiden würde. Aber sie wäre niemals ohne Tara gegangen, die sie wie eine Mutter aufgezogen hatte. Sienna wischte ihre Tränen mit dem Ärmel ihres Mantels ab.
Stimmen wurden in der Nähe laut. Marlowe würde bald die Anderen ausschicken, um die Gassen von St. Giles nach ihr abzusuchen. Doch der Gedanke an eine Flucht ins Ungewisse erfüllte Sienna mit kaltem Zorn. Sollte Marlowe einfach so davonkommen? All die Jahre, die sie für ihn gestohlen und ihr Leben dabei riskiert hatte. Er hatte viel Mühe darauf verwendet, sie zur Diebin auszubilden. Wurde es nicht Zeit, dass er ihr Können am eigenen Leib zu spüren bekam?
Die Stimmen kamen näher und zwangen Sienna zu einer Entscheidung. Es gab einen Ort, an dem sie niemand suchen würde, nämlich in Marlowes eigener Kammer. Dort versteckte er stets einen Anteil seines Geldes, falls er oder Moll welches brauchten. Sie atmete tief durch, um ihr wild pochendes Herz zu beruhigen. Tara würde es sicher gefallen, wenn sie Marlowe seine geliebten Goldguineen unter dem Hintern wegstahl. Die Stimmen waren nun ganz nah.
Sienna lächelte bitter, dann lief sie zum Hurenhaus zurück, um Marlowe sein Liebstes zu stehlen, so wie er ihr Liebstes genommen hatte.
1819, Herrensitz der Kilcanes, Derbyshire
Der Sturm hatte an Stärke zugenommen und bog die Bäume der Allee bedenklich zur Seite, dennoch zogen die Pferde den Vierspänner tapfer die Straße entlang, die auf geradem Weg nach Aubreys End führte. Miles, der Kutscher, fluchte laut, als könne er so den einsetzenden Regen abhalten. Heftige Windböen rissen den Bäumen am Rand der gepflasterten Straße unbarmherzig das Laub von den Ästen und erschwerten die Sicht. In der Ferne zuckten Blitze über den Horizont, begleitet von Donnergrollen. Aber all dies war nichts im Vergleich zu dem Unwetter, das in der Kutsche tobte.
»Celia, benimm dich endlich!«, forderte Edmond Kilcane, der sechste Earl von Ridgebrook, seine Schwester leise auf. Doch das Mädchen, kaum achtzehn Jahre alt, schluchzte trotzig weiter. Mit einem kurzen Seitenblick streifte Edmond die Gesichter von Celias Kammerzofe und seines Leibdieners Grimwald. Beide hatten ihren Blick stoisch auf die stürmische Landschaft draußen gerichtet.
»Ich will sofort nach London zurück«, entgegnete Celia erregt.
Edmond holte tief Luft, ehe er zu einer Antwort ansetzte. »Ich habe erst vor wenigen Tagen meine Frau zu Grabe getragen. Hast du das vergessen, oder ist dir das gleichgültig?« Er war mit seiner Geduld am Ende. »Alles, was ich mir im Augenblick wünsche, ist etwas Ruhe und
Frieden.«
»Als ob dir Sarah je etwas bedeutet hätte«, gab Celia eingeschnappt zurück.
»Celia.« Edmonds Stimme war zu einem heiseren Flüstern geworden, das seinen Zorn jedoch nur noch eindringlicher machte. »Ich will kein Wort mehr aus deinem Mund hören, oder du siehst London nie wieder«, drohte er ihr dann. Celias dramatisches Schluchzen erstarb augenblicklich, und ihr tränennasser Blick wurde weit. »Aber das kannst du nicht tun!«
»Ich kann und ich werde, wenn du nicht Ruhe gibst.« Gereizt wandte sich Edmond von seiner Schwester ab. Sein Blick schweifte über die aufgewühlte Landschaft, die ihm wie ein Abbild seiner Seele vorkam, mit dem Unterschied, dass er seine wahren Gefühle nicht zeigen durfte. Erleichtert bemerkte er, wie sich die Umrisse von Aubreys End am Ende der Allee abzeichneten. Die Kutsche wurde spürbar langsamer, und wenige Augenblicke später bog sie auch schon in die Einfahrt, die zu dem imposanten Portal des Herrenhauses führte.
Grimwald stieg als Erster aus. Ein heftiger Windstoß riss ihm dabei fast die gepuderte Perücke vom Kopf. Edmond folgte und wartete darauf, dass Celia ihm ihre Hand reichte. Doch sie wandte sich stattdessen Grimwald zu, damit er ihr aus der Kutsche half. Diese kleine trotzige Geste reizte Edmond zu einer Ermahnung, doch er beherrschte sich, um der Dienerschaft keinen Grund zum Tuscheln zu geben.
Edmond sah sich nach den herbeigeeilten Lakaien um, die das Reisegepäck von der Kutsche abluden. Celias Zofe, Madame Noel quälte sich mit sauertöpfischer Miene als Letzte aus dem Gefährt. Ein Blitz erhellte den Himmel und sorgte dafür, dass Celia erschrocken zusammenfuhr.
Edmond stieg die breite Steintreppe empor, den hohen Hut festhaltend, damit dieser kein Raub des Windes wurde. Wie auf ein geheimes Zeichen hin schwangen die massiven Flügeltüren des Portals auf, um ihn, den Herrn von Aubreys End, in die weitläufige Eingangshalle einzulassen, wo die gesamte Schar seiner Dienstboten ihn bereits erwartete. Doch während Edmond stehen blieb, um das Personal zu begrüßen, stürmte Celia, gekränkt, die Stufen der breiten Marmortreppe nach oben. Dicht gefolgt von ihrer Zofe, die sich mit den beiden großen Reisetaschen in die erste Etage hochkämpfte. Entnervt blickte Edmond ihnen nach und nahm sich vor, Celia später dafür zu ermahnen. Seitdem er dauerhaft in London lebte, war nur ein kleiner Teil der Bediensteten auf dem Stammsitz seiner Familie verblieben. So zählte die Dienerschaft hier kaum sechzig Köpfe, wenn man die Leute in den Stallungen und die Gärtner mitrechnete. Zielgerichtet ging Edmond auf Mr Ford zu, der sich sofort so tief, wie er es vermochte, vor seinem Herrn verbeugte. Hinter ihm standen die livrierten Lakaien, Hausjungen und die Haushandwerker ihrem Rang entsprechend in Reih und Glied. Ford bekleidete den Rang eines Unterbutlers, in Stellvertretung Mr Hartgroves, der das Londoner Stadthaus besorgte.
»Mylord, willkommen zu Hause, trotz der bedauerlichen Umstände. Wir alle hier sind zutiefst über Lady Sarahs Tod betrübt«, verkündete Mr Ford mit getragener Stimme. Edmond drängte seine Ungeduld zurück.
»Danke für Ihre freundlichen Worte, Mr Ford«, erwiderte er knapp und wandte sich Mrs Perry zu, die das Amt der Haushälterin auf Aubreys End versah. Hinter ihr reihten sich die sechs Hausmädchen in ihren grauen Kleidern und akkurat sitzenden weißen Hauben auf, dann kamen die Näherinnen und zuletzt die Wäscherinnen. Anders als Mr Ford gegenüber, den Edmond mitunter als zu aufdringlich empfand, hegte er Sympathie für die große hagere Frau, die hier seinem Haushalt vorstand.
Mrs Perry beugte in vorbildlicher Weise das Knie vor ihm.
»Mylord, darf ich Euch mein Bedauern über diesen unerträglichen Verlust ausdrücken.« In ihrem Gesicht spiegelte sich aufrichtiges Mitgefühl wider. Sie trug ein dunkles Kleid, das ihr zusammen mit der weißen Haube einen strengen Ausdruck verlieh, der durch den gewaltigen Schlüsselbund an ihrer Hüfte noch verstärkt wurde.
»Ich danke Ihnen, Mrs Perry. Es ist eine wirklich schwere Zeit für mich«, erwiderte Edmond.
Die Nächste in der Reihe war die Köchin, Mrs Goodwin, eine untersetzte Frau von etwa fünfzig Jahren, deren Augen bei seinem Anblick aufleuchteten und die ihn überschwänglich begrüßte. Hinter ihr standen die vier Küchenmädchen, in grau-weiß karierten Röcken und die Küchenjungen zusammen mit den Spülmädchen. Auch der Köchin gewährte er ein paar freundliche Worte. Danach war Mr Harris, der Stallmeister an der Reihe.
»Mylord, darf ich ebenfalls mein Beileid für Euren Verlust zum Ausdruck bringen.«
»Ich danke Ihnen, Mr Harris«, gab Edmond zurück. Der Stallmeister war ihm mit seiner offenen Art und seinem Sachverstand von all seinen Dienstboten der Liebste.
Der Letztein der Reihe der führenden Dienstboten von Aubreys End war der Obergärtner Mr Tomlin. Ihm unterstanden die meisten Leute, da sein Garten auch das Stadthaus in London mit frischem Obst und Gemüse versorgte. Edmond dankte auch ihm für seine Anteilnahme und lobte ihn für die ausgezeichneten Äpfel des letzten Jahres.
Als Edmond glaubte, seiner Pflicht Genüge getan zu haben, wandte er sich der Treppe zu, um nach oben zu gehen.
Dabei überholte er Grimwald, der zusammen mit einem Lakaien eine Kleidertruhe nach oben trug. Als Edmond fast den Treppenabsatz erreicht hatte, blieb sein Blick an der blauen Seidentapete hängen. Die ganze Wand war dicht an dicht mit den Porträts seiner Ahnen und anderer wichtiger Persönlichkeiten behängt. Der Stammsitz der Kilcanes war ein altehrwürdiges Gebäude mit langer Tradition, seinem Vater wäre es niemals in den Sinn gekommen, es zu verlassen, um dauerhaft in London zu leben. Doch Sarah hatte Aubreys End leidenschaftlich gehasst.
Nachdenklich stieg Edmond die letzte, mit rotem Teppich verkleidete Stufe empor. Auf dem Treppenabsatz wurde er bereits erwartet. Fiona begrüßte ihn mit aufgesetztem Lächeln, das den Unmut über seine Ankunft kaum verbarg. Im Licht des Kronleuchters leuchtete ihr feuerrotes Haar wie eine brennende Fackel.
»Werte Cousine, wie geht es dir?«, begrüßte er sie mit der gebotenen Freundlichkeit.
»Mir geht es gut, ich kann nicht klagen.« Sie beugte kaum merklich ihr Knie. »Deine und Celias Zimmer sind bereit, auch wenn die Botschaft deine Ankunft betreffend etwas überraschend kam.« Ihr emotionsloses Lächeln war wie ein versteckter Vorwurf, der ihn unangenehm berührte. Dazu war es Edmond, als würde er leise Feindseligkeit in ihren Worten spüren, doch das war vielleicht nur den Erlebnissen der letzten Wochen geschuldet, die ihn in allem und jedem Gegner hatten sehen lassen.
»Ja, es war ein spontaner Entschluss.« Er ging, von Fiona begleitet, weiter. Als er den Weg in Richtung seiner Räume einschlug, fiel sein Blick über das Treppengeländer nach unten auf das Gesinde, leises Tuscheln drang an seine Ohren. Scheue Blicke wanderten nach oben, die ihm zeigten, dass die Gerüchte bereits ihren Weg nach Aubreys End gefunden hatten.
Der Moment dauerte nur kurz, da Mr Ford die Dienerschaft mit einer strengen Ermahnung zerstreute. Ein ungutes Gefühl überkam Edmond, er spürte in diesem Moment die Demütigung fast körperlich.
»Ich habe eine Kleinigkeit zu essen im Speisezimmer herrichten lassen, du hast bestimmt Hunger«, unterbrach Fiona seine Gedanken.
»Das war sehr umsichtig von dir, werte Cousine«, er nickte ihr zu.
»Celia hat wohl keinen Hunger, da sie gleich ihr Zimmer aufgesucht hat?« In Fionas Stimme schwang ein zynischer Unterton mit, gemischt mit Neugier.
»Ja, sie hat sich nicht wohlgefühlt und wollte gleich zu Bett gehen«, spielte er Celias Verhalten herunter. Fiona musste schließlich nicht alles wissen. Er nickte seiner Cousine zu. »Ich kleide mich nur schnell um, dann treffe ich dich im Speisezimmer.«
Fiona beugte das Knie und ging, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, in Richtung Speisezimmer davon.
Kurz vor der Tür zu seinem Gemach blieb Edmond stehen, um Grimwald und dem Lakaien die Möglichkeit zu geben, vor ihm die Zimmerflucht zu betreten. Froh, vorerst Fionas Gegenwart entkommen zu sein, lockerte Edmond seinen Kragen und musste an seinen Vater denken, dem er es verdankte, dass sie auf Aubreys End eine Heimat gefunden hatte.
Sein Vater wollte nicht, dass eine Kilcane, wenn auch selbst verschuldet, ohne Obdach sein sollte. Ihr eigener Vater hatte Fiona nur eine bescheidene Erbschaft hinterlassen, zudem hatte sie sich heillos mit der Frau ihres Bruders überworfen, einer reichen Erbin, die sie nicht mehr auf dem Familiensitz dulden wollte. Auf Aubreys End hatte sie dann nach dem Tod von Edmonds Mutter das Amt der Hausdame übernommen und für seinen Vater bis zu dessen Tod gesorgt. Edmond erkannte das zwar an, aber ihre schnippische Art war ihm unsympathisch und stieß ihn ab.
Er setzte sich auf die Kante seines gemachten Bettes und hielt Grimwald sein Bein entgegen, das in einem engen hohen Stiefel steckte. Beim Anblick des Leibdieners, dessen Gesicht vor Anstrengung rot anlief, fragte er sich plötzlich, wie alt Grimwald war. Er hatte schon in den Diensten seines Vaters gestanden, somit den Zenit seiner Jugend bereits weit hinter sich gelassen. Routiniert befreite sein Kammerdiener erst das eine, dann das andere Bein von den engen Stiefeln, damit sein Herr in bequemere Kleidung schlüpfen konnte.
Als Edmond sich für das Essen umgezogen hatte, zögerte er für einen Moment, bevor er den Flur zum Westflügel überquerte. Vor Celias Zimmerflucht blieb er stehen. In einem Anflug von Milde klopfte er an ihre Tür.
»Celia, möchtest du nicht doch etwas …«, weiter kam er nicht, denn etwas Hartes traf die Tür und zerbarst mit einem klirrenden Knall, der ihn zusammenzucken ließ. Am liebsten hätte er Celia sofort für diese Unverschämtheit gescholten, aber nach der langen Reise und der beschwerlichen Zeit der letzten Wochen hatte er dafür keine Geduld mehr. Ärgerlich wandte er sich ab und ging in sein Speisezimmer.
Dort stand eine Auswahl kalter Speisen bereit, deren Wohlgeruch ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ und ihm bewusst machte, wie hungrig er war. In London hatte er, der Mode entsprechend, einen französischen Koch eingestellt. Auch wenn dessen Essen für Edmond bestenfalls akzeptabel war, so war Chef Tousaint ein Meister in der Inszenierung seiner Speisen, was bei Edmonds Gesellschaften sehr gut ankam. Mrs Goodwin dagegen verstand sich vortrefflich auf Hausmannskost.
»Gibt es etwas Nennenswertes zu berichten, werte Cousine?«, fragte Edmond beiläufig, als Mr Ford ihm eine Scheibe von Mrs Goodwins köstlicher Taubenpastete vorlegte. Fiona ließ ein schmales Lächeln sehen und richtete den Blick ihrer braunen Augen, die immer ein wenig heimtückisch zu funkeln schienen, auf ihn. Als Mr Ford ihr auflegen wollte, schüttelte sie leicht den Kopf.
»Nein, werter Cousin …«, sie machte eine kleine Pause. »Wir sind doch auf dem Land, hier passiert nicht viel, außer vielleicht, dass halb Maltune nun in der Tuchfabrik oben am Levern arbeitet und es immer schwieriger wird, Dienstpersonal für das Haus zu finden.«
Sie nippte an ihrem mit Wasser gefüllten Kristallglas.
»Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen sollte?«, fragte er gelangweilt und nahm einen Schluck vom Wein, der im Licht des Kronleuchters rot funkelte.
»Eines der Dienstmädchen hat um seine Entlassung gebeten, da es zu heiraten beabsichtigt. Leider lässt sich aus besagten Gründen …«, sie machte eine vielsagende Pause, »… Ersatz kaum oder gar nicht finden. Daher würde ich es als sinnvoll erachten, wenn man den Lohn der Dienstboten etwas erhöhen würde, damit sie bleiben.«
Edmond gab Ford das Zeichen, dass er gehen konnte. Erst als dies geschehen war und der Unterbutler samt Lakaien die Tür hinter sich geschlossen hatte, gab Edmond ihr eine Antwort.
»Nun, an Dienstpersonal wird es jetzt nicht mehr mangeln, da ich nach den Dienstboten aus dem Londoner Stadthaus schicken lasse.«
Ein überraschter Ausdruck erschien auf Fionas Gesicht.
»Dann werden du und Celia also länger bleiben?«
»Ja, ein paar Monate sicher«, erwiderte er knapp und ignorierte den Zug deutlichen Unmuts, der sich um Fionas Mundwinkel gebildet hatte. Doch nur für einen Moment, dann hatte sie sich wieder im Griff.
»Ich hatte noch keine Gelegenheit, dir persönlich zu sagen, wie sehr es mich schmerzt, dass du Sarah auf diese tragische Weise verloren hast.« Sie sah ihn mit mitfühlender Miene an, doch Edmonds Gesicht versteinerte bei der Erwähnung des Namens.
»Ich danke dir für deine Anteilnahme. Das ist einer der Gründe, warum ich für eine Weile auf Aubreys End bleiben möchte. Etwas Ruhe wird mir guttun.«
»Aber Edmond, die Leute werden es erfahren, dass du wieder hier bist. Dann wirst du dich vor Einladungen nicht retten können. Vor allem, da du nun Witwer bist.« Ihre Mundwinkel zogen sich süffisant nach oben.
»Was hat das damit zu tun? Sarah ist gerade einmal seit zwei Wochen beerdigt. Das wäre völlig absurd.« Allein der Gedanke daran berührte ihn unangenehm.
»Das mag sein, Edmond, aber du kennst unsere Nachbarn, sie werden keine Gelegenheit auslassen, dich in dieser Hinsicht eines Besseren zu belehren.« Sie erhob sich von ihrem Stuhl. »Wenn du mich nun entschuldigen würdest, ich möchte mich zurückziehen.« Das dunkelbraune Seidenkleid raschelte leise, als sie das Knie beugte und sich zur Tür bewegte.
Als sie gegangen war, nahm er die Serviette zur Hand und wischte sich den Mund ab. Er warf sie auf seinen noch halb gefüllten Teller. Fionas Bemerkung hatte ihm den Appetit gründlich verdorben. Abrupt stand er vom Tisch auf und ging zur Anrichte hinüber, auf der sich eine kleine Karaffe mit Portwein befand. Mit Bedacht füllte er ein Glas. Auch wenn er es ungern zugab, wusste er, dass Fiona Recht behalten würde. Seine Ankunft würde sich nicht lange verbergen lassen. Nachdenklich blickte er auf die rötlich-braune Flüssigkeit und war froh, dass Fiona nicht die ganze Wahrheit kannte.
Seine Gedanken wanderten zu Sarah zurück. Die erste Zeit ihrer Ehe war durchaus glücklich gewesen. Auch wenn ihr oberflächlicher Charakter im Gegensatz zu seiner ernsthaften Natur stand und dies ihn gelegentlich ermüdet hatte. Aber im zweiten Jahr ihrer Ehe bekam Sarah plötzlich unerklärliche Launen und wurde von einer rastlosen Unruhe befallen, die sich immer wieder in heftigen Wutausbrüchen entlud. Ab da begannen sie sich immer häufiger zu streiten, und Sarahs unangemessenes Benehmen führte immer öfter zu peinlichen Situationen. Oft konnte Edmond nur mit viel Geld verhindern, dass ihre Verfehlungen in einen handfesten Skandal mündeten. Doch ihr nun ungehemmtes Wesen verschaffte Sarah einen rasanten Aufstieg in der Londoner Gesellschaft. Selbst der Prinzregent war von Sarah so angetan gewesen, dass er sie, ohne Begleitung ihres Gatten, zum Tee in seinen Privaträumen empfangen hatte. Als Edmond davon erfahren hatte, fühlte er sich zutiefst gedemütigt. Und dann war da dieser verhängnisvolle Abend auf dem Ball von Lord und Lady Bellamy gewesen, wo er Sarah und einen ihrer Liebhaber in flagranti ertappt hatte. Das Herz wurde ihm schwer, als Edmond an Sarahs Verrat dachte. Es war ihm gelungen, mit Hilfe einer Vertrauten, Sarah unauffällig in eine Kutsche zu schaffen und nach Hause zu bringen. So war ihm wenigstens die öffentliche Demütigung auf dem Ball erspart geblieben. Doch nach diesem Vorfall konnte er nicht zu Sarah nach Hause. Er war ziellos in der Nacht umhergewandert, um seine Gedanken zu ordnen und nach Antworten zu suchen. Als er in den frühen Morgenstunden mit immer noch schwerem Herzen zu Hause ankam, wurde er von Sarahs aufgelöster Kammerzofe mit der Nachricht konfrontiert, dass Sarah sich das Leben genommen hatte.
Noch immer konnte er nicht begreifen, wie es möglich war, dass eine Frau wie Sarah, jung und von ausnehmender Schönheit, sich selbst das Leben nahm. Das Fläschchen mit Gift hatte noch in ihrer kalten Hand gelegen, als man sie fand.
Die Nachricht von ihrem Tod hatte sich rasch verbreitet und sofort zu unschönen Behauptungen geführt, inwieweit er, ihr Ehemann, in diesen völlig sinnlosen Freitod verwickelt sein könnte. Selbst der Prinzregent war der Meinung, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen war, und hatte eine geheime Untersuchung veranlasst, die Edmonds Beteiligung am Tode seiner Frau genau prüfen sollte. Dank eines schwatzhaften Dieners blieb die Untersuchung nicht lange geheim. Und auch wenn Edmonds Unschuld einwandfrei bestätigt wurde, so konnte er nicht verhindern, dass die Zeugin seiner Unschuld ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurde. Lady Noir war eine der bekanntesten Kurtisanen der Stadt, und auch wenn ihre Bekanntschaft nicht von anrüchiger Natur war, weil sie ihm lediglich, betrunken wie er war, Obdach für die Nacht gewährt hatte, so konnte er es nicht riskieren, diese Tatsache zu enthüllen, ohne die schändliche Erpressung durch Lady Noir zu offenbaren.
Edmond stellte sein Glas ab. Es waren die verstohlenen Blicke, die Bösartigkeit und die unausgesprochenen Vermutungen, die ihn zur Flucht aufs Land gedrängt hatten. Sein Blick fiel auf das Porträt seines Vaters, der stolz auf ihn hinabsah. Voller Unbehagen wandte Edmond sich von dem Bild ab und verließ das Zimmer.
Grimwald ging mit schweren Schritten die breite Treppe hinunter, die ihn in die große Eingangshalle führte. Er ließ seinen Blick prüfend über die weitläufige Halle schweifen, aber er fand nichts zu beanstanden. Die beiden Hausjungen hatten sich jeweils an den Rand der beiden Kamine gelegt, in denen nur noch rote Glut zu sehen war. Schlaftrunken öffnete einer der Jungen die Augen und wollte, als er Grimwald sah, aufstehen, doch dieser winkte ab.
»Nein, es ist alles gut, Jacob. Schlaf weiter.«
Was der Junge auch prompt tat. Mit einer schwerfälligen Bewegung zog Grimwald sich die Perücke vom Kopf und bog nach rechts, in einen langen Gang, der sich nach ein paar Metern in drei weitere, schmucklose, weiß getünchte Gänge verzweigte. Einer davon führte direkt in die Küche, der zweite in gerader Linie in die Waschküche und der dritte ins Untergeschoss, wo sich die Kammern der weiblichen Bediensteten befanden. Kleine, in der Wand hängende Öllampen erleuchteten den Gang mit spärlichem Licht. Grimwald bog in den Gang zur Küche ab, wo er bereits erwartet wurde.
Mrs Perry saß am großen Küchentisch, an dem sonst die Köchin und ihre Küchenmädchen das Essen vorbereiteten. Auf dem weißgescheuerten Eichenholz der Tischplatte stand eine Kanne mit Tee und zwei Tassen. Zwei Stühle weiter hatte Muriel, eines der Hausmädchen, den Kopf auf die Arme gebettet und war am Tisch eingeschlafen.
»Seine Lordschaft benötigt nichts mehr, und ich habe auch kein Licht bei der jungen Lady gesehen, daher kann das Mädchen getrost zu Bett gehen.« Ein knarzendes Geräusch ertönte, als Grimwald einen der Holzstühle unter dem Tisch hervorzog. Mit einer müden Bewegung hängte er seine Perücke an die Lehne und setzte sich.
»Lieber Elias, auf diese Nachricht hatte ich gehofft.« Mrs Perry wandte sich an das Mädchen und stieß es mit dem Ellbogen an.
»Muriel, wach auf. Du kannst schlafen gehen.«
Das pummelige Mädchen schreckte hoch und erhob sich, um sich dann einer Schlafwandlerin gleich in Bewegung zu setzen. Das schlurfende Geräusch ihrer Schuhe war zu hören, bis sie die Treppe ins Kellergeschoß erreicht hatte. Erst dann schenkte Mrs Perry Grimwald den Tee ein, ruhig und besonnen, wie es ihre Art war.
»Darauf, liebe Catherine, habe ich mich schon den ganzen Tag gefreut. Hier eine Tasse Tee mit dir zu trinken.« Ein kleines Lächeln huschte über sein mit Aknenarben überzogenes Gesicht.
»Lieber Elias, ich habe mich so über die Nachricht gefreut, dass du nun wieder eine Weile auf Aubreys End verweilen darfst.« Sie legte ihre Hand behutsam auf die seine.
»Ja, darauf habe ich mich auch gefreut. Wahrlich ein Segen, diese Stadt endlich hinter sich zu lassen.« Er hob die Tasse an seine Lippen und nahm einen Schluck Tee.
»Wie lange wird er wohl bleiben? Länger, so wie die vielen Truhen vermuten lassen?« Sie schenkte sich selbst noch einmal nach.
»Ja, es war keine leichte Zeit für unseren Herrn. Der plötzliche Tod der Lady, die unglücksselige Untersuchung auf Geheiß des Prinzregenten.«
»Ich sage, lieber Elias, möge Lady Sarah in Frieden ruhen, aber ich weine ihr keine Träne nach. Das letzte Mal als sie hier war, hat sie brühheißen Tee über Hazel geschüttet, und nur, weil das arme Ding ihr nicht schnell genug beim Abräumen war.« Mrs Perry schüttelte leicht den Kopf. »Siehst du, es ist gut ein Jahr her, aber ich erinnere mich, als ob es erst gestern passiert wäre.
»Du magst recht haben, aber dennoch fühle ich mit dem jungen Herrn. Ich hätte ihm eine glückliche Ehe gewünscht, vor allem eine mit Kindern gesegnete.« Grimwald tippte versonnen mit den Fingerspitzen gegen das Porzellan seiner Teetasse. Mrs Perry beugte sich dichter zu ihm und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern.
»Ist es tatsächlich wahr, dass er den Beweis seiner Unschuld einer Kurtisane verdankt?«
Grimwald war über die Frage erstaunt, aber dann nickte er. »Ja, das ist wahr. Aber mehr kann ich nicht dazu sagen. Ich fühle mich verpflichtet, die Geheimnisse des jungen Lords zu wahren. Wie ich Miles kenne, wird er schon alles ausgeplaudert haben, was es dazu zu berichten gab.«
Die Haushälterin lächelte. Sie nickte. »Natürlich hat er das, kaum dass er seinen Fuß in die Küche gesetzt hat.«
Nun begannen beide leise zu lachen, dann wurde Grimwald wieder ernst. »Lass uns nicht vergessen, dass es ein trauriger Moment für die Familie ist, der wir dienen.«
»Das vergesse ich nicht, Elias, aber was ist mit der jungen Lady? Wie man hört, hat sie sich nicht zu ihrem Vorteil verändert.« Mrs Perry schob die beiden, nun leeren Teetassen zusammen.
»Ich fürchte, Lady Sarah war nicht dazu geeignet, dem Mädchen ein gutes Vorbild zu sein. Es ist wirklich ein Jammer, erst stirbt die Mutter so früh, dann der Vater. Lady Sarah hat dem armen Kind zahlreiche Flausen in den Kopf gesetzt und ihr Attitüden vorgelebt, die einer Lady nicht würdig sind. Ich hoffe inständig, dass Lady Celia hier wieder ein wenig mehr zu sich selbst findet«, erwiderte Grimwald nachdenklich.
Mrs Perry nickte bedächtig. »Ich hoffe sehr für uns alle, dass Lady Celia ihrer Schwägerin nicht nacheifern wird. Das Leben der Mädchen hier ist auch so schon hart genug.« Leise klirrte die Vielzahl der Schlüssel an ihrer Hüfte, als sich die Haushälterin erhob und die Teekanne beiseitestellte.
Zufrieden sah Grimwald ihr dabei zu und dachte, dass es schön war, wieder zu Hause zu sein.
Edmond war hellwach und starrte die Decke seines Schlafzimmers an, die in Dunkelheit verborgen lag. Er hatte wieder einen dieser Albträume gehabt und danach nicht mehr einschlafen können. Regen prasselte an die Fensterscheiben. Seine Gedanken kreisten um Sarah, ihr Tod hatte die Grundfeste seiner Seele erschüttert, auch wenn ihre Ehe zuletzt alles andere als glücklich gewesen war.
Ihr blondes Haar, die wunderschönen blauen Augen, ihre gesamte Erscheinung: Vom ersten Tag ihres Kennenlernens an hatte er nur noch Augen für sie gehabt.
Kurzentschlossen warf Edmond die Bettdecke zurück und stand auf. Dem Schlaf würde er so lange entfliehen, bis er nicht mehr ständig Sarahs leblosen Leib vor sich sah, sobald er die Augen schloss. Ihr Gesicht, mit wächserner Blässe überzogen, die zusammen mit den gebrochenen Augen ein Bild des Grauens ergab, weit entfernt von der strahlenden Schönheit, die Sarah zu ihren Lebzeiten gewesen war.
Im Schein des kleinen Nachtlichts, das neben seinem Bett stand, griff Edmond nach seinem seidenen Morgenrock, der sorgfältig zusammengelegt auf dem Bett lag. In seinem Kopf kreiste unablässig die Frage, warum es so gekommen war. Warum nur hatte er die Zeichen nicht erkannt?
Einem inneren Impuls folgend nahm Edmond das Nachtlicht und ging damit zu dem aufwändig verzierten Sekretär, der an der Fensterfront stand. Rasch zog er eine Schublade auf und nahm einen Schlüssel heraus. Damit verließ er das Zimmer und lief im Schein der Kerze über den Flur in den Westflügel, in dem sich Sarahs Zimmerflucht befand. Edmond sah auf die mit Intarsien verzierte Tür aus Eiche, deren Anblick sein Herz schneller schlagen ließ. Behutsam steckte er den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um.
Als er eintrat, offenbarte der trübe Lichtkreis seiner Kerze einen Raum voller Möbel, sorgsam mit weißen Laken verhüllt als Schutz vor dem Tageslicht. Edmonds Hand fuhr über das erste Möbel, das in seinem Weg stand und zog das Laken von dem zierlichen Sessel.
Die Möbel hatte Sarah als Teil ihrer Mitgift bekommen. Das Holz war mit Intarsien aus Gold geschmückt, schimmernde Seide spannte sich über die Polster der filigranen Möbelstücke und den Baldachin ihres Bettes. Gold und Blau waren ihre Lieblingsfarben gewesen, Sarah hatte gerne in Luxus geschwelgt.
Als Edmond ein weiteres Möbelstück von seinem Schutz befreite, stieg ihm ein vertrauter Geruch in die Nase. Auch wenn Sarah wenig Zeit in diesen Gemächern verbracht hatte, so hatte der zarte Duft von Maiglöckchen, ihrem Lieblingsparfüm, die Zeit überdauert. Edmond war, als würde sein Herz aufhören zu schlagen. Dieser Geruch brachte die erste Nacht zurück, die sie hier als frisch vermähltes Paar erlebt hatten. Voller Leidenschaft und Glück.
Ein gequälter Laut entwich seiner Kehle. Ergriffen trat er an das große, wuchtige Bett und sah hoch zu dem himmelblauen Baldachin. Vorsichtig zog er die Stoffbahnen beiseite. Das Nachtlicht in seiner Hand vermochte nur einen geringen Umkreis zu erhellen. Edmond blickte auf unbezogene Kissen und Bettdecken, sorgfältig zu ordentlichen Stapeln gehäuft, auf die Rückkehr ihrer Herrin wartend. Aber sie würde nicht zurückkehren, denn sie war tot.
Mit brennenden Augen stellte Edmond das Nachtlicht ab und ließ sich auf die aufgeschüttelten Kissen und Decken sinken. Ein nie gekanntes Gefühl von Verlust und Trauer überwältigte ihn.
Seinem Vater waren Gefühlsausbrüche suspekt gewesen, daher hatte er seinen Sohn gelehrt, niemals eine Regung zu zeigen. Zu einer eisernen Regel hatte er es gemacht, die Edmond all die Jahre gehorsam befolgt hatte. Doch nun lag er hier, voller Schmerz. Mochte ihn Sarah zutiefst verletzt haben, so hatte er diese Frau dennoch geliebt, aber diese Liebe war nun Vergangenheit. Unwiederbringlich. Edmonds Brust hob und senkte sich heftig. Eine Träne rann aus seinem Augenwinkel und rollte die Wange hinab. Edmond drückte sein Gesicht in eines der Kissen und überließ sich seinem Kummer.
Am nächsten Morgen war der Sturm gewichen, und der Himmel strahlte in kaltem, klarem Blau über Aubreys End. Grimwald schleppte sich mit steifen Gliedern die rot bespannten Treppenstufen hoch. In der Nacht war die Feuerstelle in seiner Kammer erloschen, als Folge davon war er in eisiger Kälte erwacht und nur mit Mühe aus seinem Bett gekommen. Glücklicherweise brannten schon überall die Kamine, so dass er sich hatte aufwärmen können.
Der Gedanke erfreute ihn nicht, aber langsam spürte er das Alter auf sich lasten. Der Dienst für den jungen Lord war fordernd, da Geduld nicht zu Lord Kilcanes Stärken gehörte. Schritt für Schritt erklomm Grimwald die Treppe, und als er im ersten Stock angelangt war, sah er eines der Hausmädchen, wie es einen großen Korb mit Holzscheiten über den kostbaren roten Teppich des Flurs zog.
»Hazel, Mädchen! Nimm den hinteren Aufgang, du weißt ganz genau, dass du hier nichts zu suchen hast«, schimpfte er mit gesenkter Stimme.
»Aber Mr Grimwald, der Korb ist so schwer, und ich komme damit nicht die engen Stiegen hoch«, rechtfertigte sich Hazel.
Doch der ältere Mann winkte sofort ab. »Dann pack nicht so viel in den Korb und geh zwei Mal.«
Die Magd bedachte Grimwald mit einem vorwurfsvollen Blick aus ihren großen blauen Augen.
»Ja, Mr Grimwald.« Sie beugte das Knie und schleifte den Korb mürrisch zurück.
Grimwald sah ihr mit Bedauern hinterher. Er hasste es, streng zu den Mädchen zu sein, aber es war nun mal seine Pflicht. Mit steifen Schritten ging er auf das Gemach seines Herrn zu. Als er die Tür öffnete, fand er Edmond nachdenklich auf seinem Bett sitzend vor.
»Mylord, darf ich mir die Frage erlauben, was Euch so früh geweckt hat?« Grimwald blickte ihn verwundert an.
Edmond schüttelte den Kopf. »Ich konnte nur nicht schlafen. Ich muss mich erst wieder an die Stille hier gewöhnen«, erwiderte er angespannt.
Grimwald nickte, zufrieden mit der Antwort, und machte sich daran, das Feuer im Kamin zu entzünden. Normalerweise war das die Arbeit der Dienstmädchen, aber er wusste, dass es nicht ratsam war, eine flatterhafte Magd in die Nähe des Bettes eines einsamen Mannes zu lassen. Als der Funke entzündet war und kleine Flammen sich gierig um die Späne schlängelten, wandte sich Grimwald an Edmond.
»Darf ich in Erfahrung bringen, welche Wünsche Mylord für den Tag haben?« Während er sprach, ging er zu einer der Kommoden, um neue Strümpfe zu holen.
»Eigentlich nichts Besonderes. Nach dem Frühstück werde ich ausreiten, der Diener soll Harris gleich fragen, wann ich den neuen Hengst reiten kann.«
»Sehr wohl Mylord, ich lasse es ihm ausrichten. Ich hatte gestern noch Gelegenheit, mit dem Stallmeister zu sprechen, und er meinte, dass dieses Pferd äußerst widerspenstig sei.« Grimwald beugte sich hinab und rollte Edmond die Strümpfe über die Füße, wobei er den Schmerz in seinem Knie tapfer ignorierte.
»Nun, dann werde ich wohl seinen Willen brechen müssen. Er ist ein Vollblut edelster Abstammung, der mich ein Vermögen gekostet hat.«
Es klang etwas harsch, daher nahm Grimwald dies als Zeichen, sich nur auf das Ankleiden seines Herrn zu konzentrieren. »Natürlich, Mylord, dieses Pferd ist Eurer Lordschaft nicht gewachsen.« Mit kundigen Fingern legte er Edmond frische Unterkleider an. Dann reichte er ihm den Morgenrock und bedeutete seinem Herrn sich zu setzen, damit er mit der Rasur beginnen konnte.
»Wünscht Mylord ein Bad nach dem Ausritt? Und danach Tee in der Orangerie? Mr Tomlin hat mir versichert, dass es dort warm genug sei und schon einiges in Blüte steht.« Sorgsam darauf bedacht, dass die Rasierseife nicht auf den seidenen Morgenmantel tropfte, schäumte der Diener die Wangen seines Herrn mit einem Dachshaarpinsel ein, dessen Griff aus goldverziertem Elfenbein bestand.
»Ein Bad, das wäre wunderbar, und Tee in der Orangerie würde Celia sicherlich gefallen. Richte Madame Noel aus, dass ich Celias Anwesenheit zum Tee wünsche und keine Ausreden hören möchte.«
»Sehr wohl, Mylord, ich werde es Madame Noel ausrichten, die junge Lady wird zum Tee erscheinen.« Grimwald stellte den seifenfeuchten Rasierpinsel fort und holte das ebenso kostbar verzierte Rasiermesser aus seinem Etui. Es hatte schon dem alten Lord gehört, war aber über viele Jahre gut gepflegt worden, so dass es nichts von seiner überragenden Qualität verloren hatte. Mit Vorsicht klappte Grimwald das Messer auf und näherte sich der ihm dargebotenen Wange. Gerade als er ansetzen wollte, erschütterte ein durchdringender Schrei die morgendliche Stille. Die Hand des Leibdieners zuckte sofort zurück, und er sah erschrocken zur Tür.
Edmond stand abrupt auf, griff nach einem Tuch, das in seiner Nähe lag, und wischte sich damit die Seife aus dem Gesicht. Als er die Tür schon fast erreicht hatte, ertönte ein zweiter Schrei. Energisch riss er die Tür auf und lief aus dem Flur über den Treppenabsatz hinaus, wo sich ihm ein skurriles Bild bot.
Seine Schwester beugte sich über eine Magd, die vor ihr auf dem Boden lag. Diese hielt ihre Hände schützend vor ihr Gesicht, denn Celia hielt eine Schere in ihrer Rechten. In der anderen eine lange abgeschnittene Haarsträhne. Als Celia erneut in das Haar des Mädchens greifen wollte, schrie es erneut jämmerlich auf.
Mit schnellen Schritten war Edmond bei seiner Schwester und zog sie von ihrem Opfer weg. Mühelos entwand er ihr die Schere, die mit einem Klirren zu Boden fiel.
»Was fällt dir ein, Celia.« Edmonds Stimme war wie Donnergrollen.
»Diese unverschämte Magd hat meinen seidenen Unterrock mit ihrem Blut beschmutzt«, zeterte Celia und versuchte, sich aus dem Griff ihres Bruders zu befreien.
»Was ist hier denn los?« Cousine Fiona stand plötzlich im Flur und blickte mit fassungslosem Gesicht auf die Szenerie. Auch sie war noch in Morgenrock und Nachthaube, ebenso wie eine aufgelöste Madame Noel, die zitternd an der Wand des Flurs lehnte und etwas auf Französisch murmelte. Die Magd griff nach der langen Haarsträhne, die nun am Boden lag. Weinend hob sie sie hoch. Erst jetzt konnte Edmond sehen, was Celia ihr angetan hatte: Oberhalb ihrer Stirn war eine kahle Stelle zu sehen. Weinend drückte sich die Magd die rotbraune Haarsträhne an die Brust.
»Um Himmels willen!« Mrs Perry eilte mit klirrendem Schlüsselbund die Treppe hoch, um die Ursache des Tumultes zu ergründen. Ihr Blick weitete sich entsetzt, als er auf die heftig schluchzende Magd fiel. Sie eilte zu ihr und half ihr vom Boden auf.
Langsam wurde Edmond bewusst, dass, wenn er nicht schnell handelte, die Sache außer Kontrolle geraten würde. Unten in der Halle hatten sich schon einige Diener versammelt und blickten neugierig nach oben.
»Edmond, bestraf dieses unnütze Stück oder lass mich los, damit ich es tun kann.« Noch immer wehrte sich Celia gegen seinen Griff. Aber Edmond blickte sie nur an, dann versetzte er ihr eine schallende Ohrfeige. Völlig überrascht stellte seine Schwester jede Gegenwehr ein und ließ sich von ihm den Flur entlang zerren. Ihre Hand fuhr über ihre gerötete Wange, als könne sie nicht glauben, was ihr Bruder gerade getan hatte. Entschlossen zog Edmond sie weiter, vorbei an einer sichtlich fassungslosen Madame Noel, die den beiden mit offenem Mund nachstarrte. Vor Celias Tür angelangt, stieß er sie mit einer für ihn untypischen Grobheit in das Zimmer und zog den Schlüssel von der Innenseite der Tür ab.
»Du hast Arrest, Celia. Du wirst dieses Zimmer nicht verlassen. Weder Madame Noel noch ein Dienstmädchen werden dir aufwarten. Du bekommst Essen und alles, was du brauchst, aber sonst nichts. Und du wirst so lange in diesem Zimmer bleiben, bis du begriffen hast, was es bedeutet, eine Kilcane zu sein.« Er zog die Tür mit Schwung zu und schloss sie ab. Den Schlüssel steckte er in die Tasche seines Morgenmantels. Dann wandte er sich an Madame Noel, die den beiden gefolgt war.
»Madame Noel, ich erwarte von Ihnen, dass meine Anordnungen eingehalten werden. Habe ich mich klar ausgedrückt?«, herrschte er die Zofe an, die ihn entgeistert ansah. Damit wandte er sich von der völlig verdatterten Frau ab und ging wutentbrannt in seine Gemächer zurück.
»Kind, beruhige dich. Hier, eine Tasse Tee, die wird dir guttun.« Mrs Perry hielt der verunstalteten Ethel, die wie ein Häufchen Elend auf einer der Küchenbänke saß und hysterisch vor sich hin weinte, eine dampfende Tasse vor die Nase.
»Nein, ich will keinen Tee, ich will mein Haar zurück. So wie es war.« Sie drückte sich die abgeschnittene Strähne an die Stirn, die dort aber keinen Halt mehr fand. Um das Mädchen hatte sich mittlerweile eine Traube gebildet. Lakaien und Mägde versuchten einen Blick auf Ethels kahle Stirn zu werfen.
»Oh Ethel, es tut mir so leid, aber wie du siehst, hat unser Herr der jungen Lady Arrest für ihre abscheuliche Tat gegeben. Und ich bin sicher, er lässt sich nicht lumpen, wenn es um deine Entschädigung geht«, versuchte die Haushälterin das Mädchen zu trösten.
»Was nützt mir eine Entschädigung? Ich wollte nächsten Monat heiraten! Und wie sehe ich jetzt aus? Wie soll ich denn so meinen Brautkranz tragen? Und was wird James sagen, wenn er mich so sieht. Die Hochzeit wird er absagen.« Ethel schluchzte so heftig vor sich hin, dass sie kaum Luft bekam.
Jane, ihre Zimmergenossin, griff nach der Haarsträhne in ihrer Schürze und hob sie hoch. »Es ist eine Schande, Mrs Perry, die junge Lady ist ja genauso schlimm wie diese blonde Hexe, die unser Herr geheiratet hat. Und was nützt es, wenn seine Lordschaft sie in ihr Zimmer sperrt? Sie wird da nicht ewig bleiben«, ereiferte sich Jane, die Lady Sarah ebenfalls in schlechter Erinnerung hatte.
»Jane hat völlig recht, Mrs Perry. Und«, Ethel erhob sich abrupt, »ich werde sie nicht mehr bedienen. Keinen Fuß werde ich mehr in dieses Zimmer setzen. Soll sie doch ihre Pisse selbst wegschütten oder den Kamin richten. Nein, ich bleibe keinen Tag länger hier!« Sie nahm die Reste der Haarsträhne in die Hand und wandte sich an die Haushälterin, die sich überrascht von Ethels Entschlossenheit sprachlos zeigte. »Und dafür wird mir seine Lordschaft eine ordentliche Entschädigung geben, eine, die ausreicht, dass der Perückenmacher mir ein Haarteil macht. Oder ich erzähle jedem in der Grafschaft, was Lady Celia mir angetan hat.« Damit nahm sie Jane die andere Haarsträhne aus der Hand und stampfte wütend davon.
»Ihr geht jetzt alle wieder an eure Arbeit zurück! Es gibt hier nichts zu sehen, habt ihr mich verstanden?« Mrs Perry sah die anderen Dienstboten streng und auffordernd an. Einer der älteren Lakaien blieb vor der Haushälterin stehen.
»Aber Mrs Perry, ich könnte doch Feuer bei der Lady machen. Mir wäre ihre Art gerade recht.« Er blickte feixend in die Richtung seiner Kumpane, die in sein Gelächter mit einfielen.
»Ach, halte dein Schandmaul, Junge, das wird dich eines Tages nochmal in Schwierigkeiten bringen. Und muss ich mich wiederholen? Wenn jemand nicht genug Arbeit hat, dann darf er gerne den Tanzboden im Ballsaal scheuern!« Mrs Perrys Blick wurde zu einer graublauen Lanze aus Eis. Im Nu zerstreute sich die Ansammlung, nur Jane blieb zurück.
»Warum ist der Lord nicht in London geblieben?« Sie nahm Mrs Perry die Teetasse aus der Hand und stellte sie auf den Tisch zurück.
»Jane, so darfst du nicht sprechen. Immerhin wurde die junge Lady bestraft. Und nun geh an deine Arbeit. Lady Fiona wünscht ihr Bad.«
Jane senkte sofort den Blick und beugte das Knie. »Ja, Mrs Perry, ich schleppe mit Freuden die zwölf Gallonen Wasser in den ersten Stock, damit Mylady ihren faulen Hintern in ihr tägliches Bad tunken kann«, gab sie zurück.
»Jane!«, ermahnte die Haushälterin das Mädchen.
Mit Stolz erhobenem Haupt ging Jane davon.
Edmond betrat, schlecht gelaunt, wenig später sein Arbeitszimmer, in dem Mrs Perry schon auf ihn wartete. Gerade aufgerichtet wie eine Trauerkerze stand sie im Raum, und als er eintrat, beugte sie trotz ihres Alters vorbildlich das Knie. Ihre ernste Miene verkündete jedoch Ärger.
»Hat sich das Mädchen inzwischen wieder beruhigt?«, Edmond blieb hinter einem kleinen Sofa stehen und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken.
Der Blick ihrer graublauen Augen traf ihn. »Wie man es nimmt, Mylord. Ethel hat Aubreys End verlassen, obgleich sie eigentlich noch ein paar Wochen bleiben wollte, wenigstens bis zu ihrer Hochzeit.« Der Vorwurf, der in ihrer dunklen Stimme mitschwang, war unüberhörbar.
Edmond seufzte. »Ich versichere, das Mädchen wird großzügig für den erlittenen Schmerz entschädigt. Und wenn es nun gehen will, dann soll es das tun. Wir stellen eben ein neues Mädchen ein.«
»Das ist sehr gütig, Mylord. Aber so einfach ist es nicht, Ersatz für Ethel zu finden. Seit sie mir von ihrer Hochzeit erzählt hat, bin ich bereits auf der Suche. Hier in der Gegend lässt sich im Moment einfach kein geeignetes Mädchen finden, das in Dienst treten möchte. Und es wird wohl noch schwieriger werden, wenn sich das Verhalten der jungen Lady herumspricht.«
Edmond spürte wieder den unverhohlenen Vorwurf in ihren Worten.
»Seitdem es diese Tuchfabrik oben am Levern gibt, arbeiten die jungen Burschen und auch die Mädchen lieber dort. Sie werden besser bezahlt, sind am Abend bei ihren Familien und haben jeden Sonntag frei.«
»Ersatz dürfte kein Problem sein, Mrs Perry!«, entgegnete Edmond. »Ich habe schon veranlasst, dass Mr Hartgrove weiteres Gesinde nach Aubreys End schickt. Dies wird sicher in den nächsten Tagen geschehen. Dann ist für Ersatz gesorgt.«
»Mit Verlaub, Mylord, Mr Hartgrove hat mir bereits eine Liste der Dienstboten zukommen lassen, die in den nächsten Tagen eintreffen werden.« Mrs Perry zog aus einer ihrer weiten Rocktaschen ein gefaltetes Stück Papier hervor. Dann setzte sie mit einer umständlichen Geste ihr Lorgnon, das an einer Kette baumelte, auf ihre Nase und hielt das Papier etwas von sich weg, um besser lesen zu können. »Er schickt vorerst nur sechs Mädchen hierher, die restlichen Mägde müssen in London bleiben, da Lady Deville und Mrs Cole in ein paar Wochen von ihrer Italienreise zurückerwartet werden. Und neun Mädchen reichen gerade so für die beiden Damen, die Besorgung ihrer Gesellschaften und die täglichen Arbeiten im Stadthaus aus. Und die sechs Mädchen aus London mit den Mädchen von hier ergeben nur elf Mädchen, für ein Anwesen dieser Größe ist das kaum ausreichend. Solange Eure Lordschaft hier weilt, wird es ja auch Gesellschaften geben und Einladungen. Wenn Damen darunter sind, muss ihnen aufgewartet werden. Und wenn seine Lordschaft wieder nach London abreist, dann nützen mir die Mädchen aus London ebenfalls nichts mehr …« Weiter kam Mrs Perry nicht. Denn Edmond unterbrach sie mit einer ungeduldigen Handbewegung.
»Genug, ich habe verstanden!« Es klang unwirscher, als er es beabsichtigt hatte. Denn ihm wurde bewusst, dass er Tante Helen und Cousine Sophie völlig vergessen hatte. Die beiden waren vor gut einem Jahr zu einer Reise ins südliche Europa aufgebrochen. Er hatte daher gar nicht mehr daran gedacht, sicherzustellen, dass die beiden Kenntnis von den tragischen Ereignissen erlangen würden.
Edmond räusperte sich. »Ich würde die Einstellung weiterer Mägde befürworten, aber wenn es solche Schwierigkeiten bereitet, Mrs Perry, wie soll die Lücke dann gefüllt werden?« Edmond, der seine innere Unruhe kaum unterdrücken konnte, ging zum Fenster hinüber.
»Mylord, es gäbe da eine Möglichkeit. Auch wenn ich es bevorzugen würde, ein Mädchen von hier, dessen Ruf ich kenne, in Diensten zu nehmen. Ich habe daher an meine gute Freundin Mrs Henley geschrieben, die in London ein Waisenhaus führt. Mit Hilfe von reichen Gönnern wird diesen bemitleidenswerten Kindern dort eine Ausbildung ermöglicht. Die Jungen erlernen ein Handwerk, und die Mädchen werden für den Dienst im Haushalt vorbereitet. Mrs Henley hat mir auch schon zurückgeschrieben, dass sie ein passendes Mädchen für mich hat, aber dafür hätte ich gerne Euer Einverständnis, Mylord. Das Mädchen ist bereits achtzehn und, nun ja, ich kenne es nicht. Aber Mrs Henley hat ihm einen tadellosen Leumund bescheinigt.« Mrs Perry sah ihren Herrn auffordernd an.
Edmond runzelte die Stirn. »Ein Waisenmädchen?«, wiederholte er zweifelnd.
»Ja, ein Waisenmädchen, Mylord. Eines, für das Mrs Henley bürgt. Und da ich ihrem Urteil vertraue, bitte ich um die Erlaubnis, das Mädchen hierherholen zu dürfen.« In Mrs Perrys Stimme lag nun das feine Vibrieren von aufkommender Ungeduld.
Schließlich zuckte Edmond mit den Schultern. »Nun gut, dann verfahren Sie entsprechend, Mrs Perry. Wenn dies den Missstand behebt, dann stelle ich mich nicht dagegen«, stimmte er dem Vorschlag zu.
»Ich danke Euch vielmals, Mylord, ich werde mich gleich in mein Kontor begeben und den entsprechenden Brief aufsetzen.« Die Haushälterin beugte das Knie und verließ den Raum.
Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, verspürte Edmond Unbehagen. Celia hatte ihn in eine äußerst unangenehme Lage gebracht. Er fragte sich, woher Celias Unbeherrschtheit herrühren mochte. Sie hatte viel Zeit mit Sarah verbracht. Hatte seine Schwester sich seine Frau zum Vorbild genommen? Dann fielen ihm Tante Helen und Cousine Sophie wieder ein, er musste dringend herausfinden, wo sie sich gerade befanden und ihnen alles erklären. Mit einem Mal überkam Edmond das Gefühl, nichts mehr in seinem Leben unter Kontrolle zu haben.
Immer wieder sah sich Sienna nervös um, die Hand auf ihre Körpermitte gelegt, als könnte sie so ihren hungrigen Magen beruhigen. Sie hatte auf das Frühstück verzichtet, um als Erste an der Abfahrtsstelle für die Mietkutsche nach Essex zu sein. Ein anderer Zielort wäre ihr lieber gewesen, da die Stadt für ihr Empfinden immer noch zu nah an London lag. Aber es war die erste Kutsche, die an diesem Morgen von Lawsons Inn abfuhr. Länger in London zu bleiben, konnte sie nicht riskieren. Marlowe suchte sicher überall nach ihr und hatte an jeder Ecke einen Spitzel, daher war es nur eine Frage der Zeit, bis einer davon sie entdecken würde.
Der Gedanke an die Nacht, in der Tara gestorben war, bescherte Sienna immer noch eine Gänsehaut: Denn ohne Taras Tod hätte Sienna nichts von den grausamen Absichten Marlowes und Molls erfahren und wäre ihnen nichtsahnend in die Falle gelaufen.
Donnergrollen riss Sienna aus ihren Gedanken. Seit der Nacht regnete es in einem fort, so sehr, dass sie fürchtete, die Kutsche würde nicht kommen. Unruhig schweifte ihr Blick über die anderen Passagiere, die sich zur Fahrt im Innenhof des Gasthauses versammelt hatten. Mit kundigem Auge begutachtete sie ihre Mitreisenden. Ein Mädchen mit einer großen Reisetasche an der Hand, eine Frau, die ein Kleinkind auf dem Arm trug. Zwei Männer in einfacher Kleidung, die sich hinter ihr aufstellten. Und ein paar Handwerker mit ihrem Handwerkszeug. Mit Sorge sah Sienna, dass sich immer mehr Menschen am Abfahrtspunkt einfanden. Rasch stellte sie sich dichter an das Mädchen in vorderster Reihe, um auf jeden Fall einen Platz in und nicht oben auf der Kutsche zu ergattern. Mit einer beiläufig wirkenden Bewegung zog Sienna ihren Reisehut tiefer ins Gesicht, damit sich niemand an sie erinnerte. Die dunkelgraue Kleidung trug ebenso dazu bei, nicht aufzufallen. Wenigstens zahlte sich hier aus, was Marlowe ihr all die Jahre immer wieder eingebläut hatte: Die Kunst, sich unbemerkt unter Menschen aufzuhalten. Farbe war dabei genauso verboten wie Schmuck, der, so klein er auch sein mochte, ausreichte, um im Gedächtnis eines anderen zu bleiben.
Hufgeklapper riss Sienna aus ihren Überlegungen. Erleichtert sah sie, wie die Kutsche in den Innenhof des Gasthauses einbog. Der Regen hatte inzwischen nachgelassen, und ein einsamer Sonnenstrahl durchbrach das Grau des Himmels. Der Vierspänner drehte im Innenhof noch eine Runde, um sich in Position für das Auswechseln der Pferde zu bringen, derweil der zweite Kutscher vom Bock sprang, um das Geld für die Passage zu kassieren. Selbst wenn man des Rechnens nicht mächtig war, war es offenkundig, dass mehr Menschen in die Kutsche wollten, als letztlich hineinpassen würden. Doch zu Siennas Erleichterung benahmen sich ihre Mitreisenden und drängten sich nicht in unverschämter Weise nach vorne. So konnte sie, zusammen mit dem anderen Mädchen und der Mutter mit ihrem Kind, die Kutsche als Erste besteigen.
Doch bereits nach wenigen Momenten wurde ihr klar, dass diese Reise kein Vergnügen werden würde, denn immer mehr Passagiere drängten in den Innenraum, kein Platz blieb ungenutzt, und Sienna dankte dem Herrn, dass sie neben dem anderen Mädchen sitzen konnte und nicht an der Seite eines ungewaschenen Arbeiters. Dennoch ahnte sie, dass die sechsstündige Fahrt zu einer Tortur werden würde. Doch sie hatte Schlimmeres in ihrem Leben überstanden. Um sich abzulenken, überlegte sie, was sie tun wollte, wenn sie Essex erreicht hatte.
Dort bleiben oder weiter in den Norden reisen?
Mit einer unbewussten Geste zupfte Sienna an ihrer Korsage, in der das Vermögen von fast dreihundert Pfund eingenäht war. Marlowes Hehlergeld, dessen Verlust, so hoffte sie, für ihn genauso schmerzlich war wie Taras Tod für sie. Mit dem Geld würde Sienna, wenn sie sparsam war, einige Jahre auskommen. Aber Marlowe würde nicht eher ruhen, bis er sie gefunden hatte, dessen war sie sich sicher. Und überall, wo es Verbrecher gab, hatte er einen Freund. Er hatte Verbindungen, die weit ins Land und sogar bis auf den Kontinent reichten. Nur Schottland war von seinem verbrecherischen Netzwerk ausgenommen. Weshalb, hatte Sienna nie in Erfahrung bringen können, aber letztendlich spielte es keine Rolle, wenn sie dort vor ihm sicher war, wäre es ratsam, Essex gleich in Richtung Norden zu verlassen.
All diese Gedanken trugen zu ihrer ohnehin schon nervösen Unruhe bei, die durch das zunehmende Gedränge in der Kutsche noch verstärkt wurde. Zuletzt, als vom Kutschbock das Signal zur Abfahrt ertönte, fand sich Sienna eingeklemmt zwischen der Kutschwand und dem Mädchen neben sich wieder. Sie selbst trug nur eine kleine Tasche mit wenigen Habseligkeiten bei sich. Zwei Kleider, ein Paar Schuhe und etwas Trockenfleisch als Reiseproviant hatte sie sich von dem Geld gekauft, dass sie Marlowe gestohlen hatte. Diebe reisten immer mit leichtem Gepäck, damit sie in der Menge nicht auffielen und schnell flüchten konnten, wenn es notwendig wurde.
Doch den anderen Reisenden war dieser Grundsatz aus Marlowes Schule sicher nicht bekannt. Die Reisetasche des Mädchens bohrte sich in Siennas Rippen und nahm ihr fast die Luft zum Atmen. Das Mädchen lächelte hilflos und versuchte, die Tasche näher an sich zu ziehen.
Als die Pferde schließlich lostrabten, ließ der Ruck die Menschen in der Kutsche aneinanderstoßen. Das kleine Mädchen auf dem Arm seiner Mutter begann zu weinen. Und als wäre das allein nicht genug gewesen, zog einer der Arbeiter eine rohe geschälte Zwiebel aus seinem Beutel und biss herzhaft hinein.
Als die Kutsche auf der Hälfte der Strecke eine Rast machte und einen Teil der Passagiere entließ, ergriff Sienna dankbar die Gelegenheit, sich die Füße zu vertreten, während das Pferdegespann erneut gewechselt wurde. Der kleine Gasthof lag direkt an der Strecke und bot kleine Pasteten und Krüge mit Wasser und dünnem Bier für die Reisenden an. Dankbar, dem Mief im Inneren der Kutsche für eine Weile entkommen zu sein, blieb Sienna hungrig in der Nähe stehen. Lieber nahm sie einen knurrenden Magen in Kauf, als sich in ein Gespräch verwickeln zu lassen.