Aubreys End - Folge 5: Schatten der Vergangenheit - Reena Browne - E-Book

Aubreys End - Folge 5: Schatten der Vergangenheit E-Book

Reena Browne

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Beschreibung

FOLGE 5: SCHATTEN DER VERGANGENHEIT

Nach dem Überfall auf dem Jahrmarkt fühlt sich Sienna auf Aubreys End nicht mehr sicher. Ihr Ziehvater ist ihr auf den Fersen und sinnt nach Vergeltung. Sie plant ihre Flucht. Auch wenn es ihr das Herz bricht, alles hinter sich zu lassen - vor allem Edmond.

DIE SERIE:

England, 1819. Als der jungen Diebin Sienna klar wird, dass ihr brutaler Ziehvater sie an ein Bordell verkaufen will, flieht sie mit der nächsten Kutsche aus London. Doch dann hat diese einen Unfall, und Sienna überlebt als eine der Wenigen. Durch ein Missverständnis gerät Sienna an die Habseligkeiten einer verunglückten Mitreisenden. Sie wittert ihre Chance auf einen Neuanfang, auf ein Leben ohne Furcht vor ihrem Ziehvater. Sie nimmt die Identität des toten Mädchens an. Und so wird aus der Diebin Sienna, die Magd Tess.

Siennas Weg führt sie zum Herrenhaus Aubreys End, wo sie von nun an als Dienstbotin arbeitet. Doch wie lange kann Sienna ihr Geheimnis wahren, ohne sich selbst zu verraten? Durch ihre Hitzköpfigkeit droht ihre Tarnung ein ums andere Mal aufzufliegen. Besonders als sie auf den attraktiven Lord Kilcane trifft, Hausherr von Aubreys End.



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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Aubreys End – Die Serie

Über diese Folge

Über die Autorin

Titel

Impressum

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

Vorschau

Aubreys End – Die Serie

England, 1819. Als der jungen Diebin Sienna klar wird, dass ihr brutaler Ziehvater sie an ein Bordell verkaufen will, flieht sie mit der nächsten Kutsche aus London. Doch dann hat diese einen Unfall, und Sienna überlebt als eine der Wenigen. Durch ein Missverständnis gerät Sienna an die Habseligkeiten einer verunglückten Mitreisenden. Sie wittert ihre Chance auf einen Neuanfang, auf ein Leben ohne Furcht vor ihrem Ziehvater. Sie nimmt die Identität des toten Mädchens an. Und so wird aus der Diebin Sienna, die Magd Tess.

Siennas Weg führt sie zum Herrenhaus Aubreys End, wo sie von nun an als Dienstbotin arbeitet. Doch wie lange kann Sienna ihr Geheimnis wahren, ohne sich selbst zu verraten? Durch ihre Hitzköpfigkeit droht ihre Tarnung ein ums andere Mal aufzufliegen. Besonders als sie auf den attraktiven Lord Kilcane trifft, Hausherr von Aubreys End.

Über diese Folge

Folge 5

Nach dem Überfall auf dem Jahrmarkt fühlt sich Sienna auf Aubreys End nicht mehr sicher. Ihr Ziehvater ist ihr auf den Fersen und sinnt nach Vergeltung. Sie plant ihre Flucht. Auch wenn es ihr das Herz bricht, alles hinter sich zu lassen – vor allem Edmond.

Über die Autorin

Reena Browne wuchs Anfang der Siebziger Jahre im ländlichen Süden Deutschlands auf und begann während ihrer beruflichen Laufbahn als kaufmännische Angestellte mit dem Schreiben von Liebesgeschichten. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie im Südwesten Deutschlands.

REENA BROWNE

FOLGE 5Schatten der Vergangenheit

beHEARTBEAT

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covergestaltung Kirstin Osenau unter Verwendung von Motiven © shutterstock: evannovostro | MagicPics | TSpider | Debu55y | Phoutthavong SOUVANNACHAK

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-0291-1

be-ebooks.de

lesejury.de

1.

1819, Maltune, Derbyshire.

Fassungslos starrte Sienna in das Gesicht des Mannes, den Marlowe immer als seinen talentiertesten Dieb bezeichnet hatte. Die scharfe Messerklinge, die der schöne Beau, wie er genannt wurde, ihr an die Kehle hielt, drückte sich schmerzhaft gegen ihre Haut. Immer weiter zwang er sie zwischen die beiden Zeltwände, die sie vor den Blicken anderer verbargen.

»Welch ein Zufall!«, keuchte Beau! »Das wird mir Marlowe niemals glauben, dass ich dich in dieser gottverlassenen Gegend gefunden habe.« Er lächelte triumphierend. Sein heißer Atem streifte Siennas Wange. »Weißt du, Sienna, er hat nämlich sehr große Sehnsucht nach dir. So große, dass er ein fürstliches Kopfgeld auf dich ausgesetzt hat. Und damit werde ich, wenn ich dich ihm wiederbringe, ein gemachter Mann sein«, flüsterte Beau in ihr Ohr und verstärkte seinen Griff.

Die Erwähnung von Marlowe löste Sienna aus ihrer Starre und ließ ihren Überlebenswillen erwachen. Trotz des Messers an ihrem Hals stieß sie einen erstickten Hilfeschrei aus. Gleichzeitig ließ Sienna sich gegen Beaus Brust fallen und brachte ihn so aus dem Gleichgewicht. Der Mann strauchelte, und sein Griff lockerte sich für einen kurzen Moment. Sienna fiel hart zu Boden und versuchte von Beau wegzukommen, doch dieser hatte sich sofort wieder unter Kontrolle und packte sie erneut. Diesmal drückte er ihr seine Hand auf Mund und Nase.

Panik überfiel Sienna, als Beau ihr die Luft zum Atmen abschnürte. Wie besessen begann sie, nach ihrem Peiniger zu treten, doch Beau war zu stark. Grenzenlose Angst stieg in Sienna auf, da sie spürte, wie sie langsam ohnmächtig wurde. Mit letzter Kraft krallte sie ihre Fingernägel in Beaus Hand, aber es schien ihm nichts auszumachen. Zu mehr Widerstand war sie nicht mehr in der Lage, da ihre Sinne so rasch schwanden.

Doch als Sienna schon dachte, endgültig in der Falle zu sitzen, war die Hand vor ihrem Mund plötzlich fort. Beau ließ sie los, und sie fiel zu Boden. Gierig schnappte sie nach Luft. Doch es dauerte einige Augenblicke, ehe sie wieder bei Sinnen war und realisierte, dass neben ihr gekämpft wurde. Beau wehrte sich gegen einen anderen Mann, dessen Schläge er kaum abwehren konnte.

Siennas Hand fuhr zu ihrem Hals, wo sie einen stechenden Schmerz verspürte. Unbeholfen versuchte sie auf die Füße zu kommen, doch es gelang ihr nicht, da ihre Beine den Dienst versagten. Die Geräusche des Kampfes drangen zu ihr, und dann erkannte Sienna ihren Retter: Es war John, Janes Bruder, der Beau, wie es schien, die Prügel seines Lebens verpasste. Noch immer vom Luftmangel benebelt, sah Sienna, wie Marlowes Handlanger einen Schlag nach dem andern einstecken musste und dabei fast in die Knie ging. Dennoch gelang ihm schließlich ein Treffer, der John zu Fall brachte. Und auch wenn Janes Bruder sofort wieder auf den Beinen war, konnte Beau diesen Moment zur Flucht nutzen. Entschlossen setzte John ihm nach, kam aber bereits wenige Augenblicke später wieder zu ihr zurück.

»Tess, bist du verletzt?« In seinem Gesicht stand die Sorge, als er sich über sie beugte.

Sienna fühlte, wie sich seine Hände um ihre Taille schoben, um ihr hochzuhelfen. Willenlos ließ sie es mit sich geschehen, auch als er vorsichtig mit den Fingern über ihre Wange strich. Sienna schüttelte den Kopf, vermied es aber, Johns Blick zu erwidern. »Ich denke nicht«, gab sie krächzend zur Antwort und fasste sich an ihren Hals.

»Du blutest ja!«, stellte John erschrocken fest und besah sich die Wunde an ihrer Kehle genauer. »Aber es ist nur oberflächlich. Du hast wirklich großes Glück gehabt. Kanntest du den Mann?«, fragte er sie.

Sienna schüttelte sofort den Kopf. »Nein, ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Es ging auch so schnell. Er hat mich einfach gepackt und …« Sie brach ab und hoffte inständig, dass John ihr die Lüge nicht ansah.

»Ich weiß, ich hatte dich für einen Moment aus den Augen verloren. Aber dann habe ich gesehen, wie du zwischen die Zelte gezogen wurdest. Und habe deinen Schrei gehört. Nicht auszudenken, was Jane mit mir gemacht hätte, wenn dir etwas zugestoßen wäre.« John drückte Sienna plötzlich an seine Brust.

Sienna fühlte den Stoff seiner Jacke an ihrem Gesicht und dankte dem Schicksal, das sie Beau entkommen war. »Kannst du gehen, Tess?«, fragte John sie leise.

Ihre Finger krampften sich um seinen Arm, den er ihr als Stütze darbot. »Ja, ich denke, schon.« Tapfer machte Sienna einen Schritt nach dem anderen, auch wenn sie sich immer noch schwach fühlte. In ihrem Kopf kreiste nur ein Gedanke. Wie war es möglich, dass Beau sie hier hatte finden können?

2.

Aubreys End, Derbyshire.

In grüblerische Gedanken versunken wanderte Grimwald durch die Flure des ersten Stocks, der heute wie ausgestorben vor ihm lag. Die meisten der Dienstboten hatten das Haus verlassen, um ihren freien Nachmittag auf dem Jahrmarkt zu verbringen. Jedoch hatte diese großzügige Geste des Earl of Ridgebrook nicht bei jedem Mitglied seiner Familie Freude hervorgerufen.

Lady Deville, des Lords Tante, machte keinen Hehl daraus, dass sie eine solche Generosität dem Gesinde gegenüber für unangebracht hielt. Ihre Tochter, Mrs Cole, hielt sich mit diesbezüglichen Kommentaren zurück. Vermutlich deswegen, weil sie selbst liebend gerne den Jahrmarkt besucht hätte, wie Madame Noel, Lady Celias Zofe, ihm augenzwinkernd zugeflüstert hatte. Es hatten auch nicht alle Dienstboten die freie Zeit für sich genutzt. Madame Noel, die genauso wenig wie er selbst, wusste, was sie mit der freien Zeit anfangen sollte, hatte sich bereit erklärt, falls es nötig wäre, den anwesenden Damen am Abend aufzuwarten.

Auch ein paar der Mägde, die sich dem Butler Mr Hartgrove verpflichtet fühlten, der am liebsten keinen Dienstboten auf den Jahrmarkt gelassen hätte, waren dem Vergnügen, wenn auch mit langen Gesichtern, ferngeblieben.

Lady Celia hingegen befürwortete die Entscheidung ihres Bruders, Lord Kilcane, und hatte Madame Noel gar dazu überreden wollen, die freie Zeit für einen Ausflug zu nutzen. Lady Bradford hingegen, die als Gesellschaft für Lady Celia auf Aubreys End weilte, hielt sich vornehm zurück. Sie verbrachte den Tag, wie auch die Hausdame Lady Fiona, Lord Kilcanes ledige Cousine, fast ausschließlich in ihren Räumen.

Und Lord Kilcane selbst? Dieser ging schon seit Tagen weder aus dem Haus noch unter Leute. Selbst das Essen ließ er sich meist in sein Arbeitszimmer oder die privaten Räume bringen. Was Lady Deville dazu veranlasste, vehement den Verfall der Sitten auf Aubreys End zu beklagen.

Was würde Lady Deville wohl sagen, wenn sie erführe, dass ihr Neffe wegen einer Magd an Liebeskummer litt? Sicher würde sie in Ohnmacht fallen, dachte Grimwald bei sich. Ein leiser Seufzer entfuhr ihm, da er sich für mitschuldig am Zustand seines Herrn hielt. Dass Tess seinen eindringlichen Rat befolgt und den jungen Lord zurückgewiesen hatte, war für ihn offensichtlich. Er empfand Mitleid mit seinem Herrn, auch wenn das Mädchen richtig gehandelt hatte. So war es für alle das Beste.

Für einen Mann von Lord Kilcanes Rang war es eben nicht möglich, seinen Gefühlen dergestalt freien Lauf zu lassen. Und eine Affäre hätte das Mädchen nur ins Unglück gestürzt. Verbindungen über den Stand hinweg waren selten von anhaltendem Glück gesegnet, denn sie wurden immer mit dem Verlust von Ansehen und gesellschaftlichem Abstieg für den Ranghöheren begleitet. Etwas, das vorher im Taumel der Gefühle nicht beachtet und später dann gerne anders betrachtet wurde.

Es wäre vielleicht das Klügste, wenn er sich für das Mädchen nach einer neuen Anstellung umsehen würde, überlegte Grimwald. Wenn das Mädchen ganz aus dem Haus war, wäre es für Lord Kilcane sicher einfacher, wieder zu sich selbst zu finden. Auch wenn sich Grimwald zu dieser Idee beglückwünschte, so fühlte er Bedauern. Ein anständiges Mädchen war Tess, dass sie unter diesen Umständen nicht auf Aubreys End bleiben konnte, war auch ein Verlust für das Haus selbst.

Grimwald nahm sich vor, in den nächsten Tagen vorsichtig bei Mrs Goodwin nachzufragen, ob ihre Schwester, die beim Herzog von Devonshire in Diensten stand, vielleicht von einer passenden Stelle in dessen Haushalt wusste. Ein solch nobles Haus hatte doch sicher ständig Bedarf an guten Mägden, und Tess würde es dort sicher gut gehen.

Grimwald stieg selbstzufrieden die Treppe zur Eingangshalle hinab. Da sein Herr seine Dienste heute nicht in Anspruch nehmen wollte und er nicht wusste, was er mit sich anfangen sollte, hatte er sich auf eine endlose Runde durch das Haus begeben. Auch in der Badestube hatte er nach dem Rechten gesehen, aber der unbekannte Heimlichtuer, der sich dort mehrmals im Verborgenen herumgetrieben hatte, war nicht mehr aufgetaucht.

Aus Neugier hatte Grimwald die verschlossene Tür dort öffnen lassen, aber dies hatte zu nichts Weiterem geführt, als dass der Gang über eine versteckte Seitentreppe in den ersten Stock führte. Somit hätte jeder diese Treppe benutzen können.

Der stechende Schmerz in seinem großen Zeh ließ Grimwald leise aufstöhnen. Heute war seine Gicht wieder besonders schlimm, daher stützte er sich auf dem polierten Treppengeländer ab. Das laute knarzende Geräusch der schweren eichenen Eingangstür ertönte und zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Jane trat ein und machte einem Mann Platz, der eine totenblasse Tess mit sich in die Halle führte.

»Jane, was um alles in der Welt …?«, entfuhr es Grimwald, als er näher kam und das Blut an Tess’ Hals sah.

»Mr Grimwald«, stieß Jane hervor. »Sie werden es nicht glauben, aber Tess wurde auf dem Jahrmarkt in Maltune überfallen. Ein Mann hat sie mit einem Messer bedroht und wollte sie entführen. Aber mein Bruder«, sie deutete auf den Mann an Tess’ Seite, »hat diesen ruchlosen Menschen vertrieben und sie gerettet.«

»Du meine Güte, Jane!«, rief Grimwald entsetzt aus. »Davon muss ich muss seine Lordschaft unverzüglich in Kenntnis setzen, damit der Dorfvorsteher alarmiert wird.«

»Das ist er schon. Wir haben alles gemeldet, seine Leute suchen die Gegend nach diesem Verbrecher ab«, berichtete Jane hastig. Dann wandte sie sich wieder mit besorgter Miene Tess zu.

»Bitte, mir geht es gut, ich habe nur einen Kratzer abbekommen«, erwiderte Tess und löste sich aus der stützenden Umarmung ihres Beschützers. Aber ihre Tapferkeit konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie einen Schock erlitten hatte.

Grimwald schüttelte den Kopf. »Nein, nein, es geht dir gar nicht gut, Mädchen. Bring sie in die Küche, Jane, und mache Tee. Den können wir, weiß Gott, jetzt alle gut gebrauchen«, entschied er bestimmt und bedeutete Jane, voraus in die Küche zu gehen. »Ich komme gleich nach, ich muss nur schnell seine Lordschaft über diese unselige Angelegenheit informieren.«

Er wollte sich schon wieder der Treppe zuwenden, als Tess’ flehende Stimme ihn aufhielt. »Nein, Mr Grimwald, es ist doch nichts passiert. Er muss es doch nicht erfahren.« In ihren Augen lag der Ausdruck von tiefem Leid.

»Nein, Mädchen, das kann ich nicht tun. Seine Lordschaft wäre zu Recht sehr zornig, wenn ich ihm das vorenthalten würde. Nun gehe mit Jane in die Küche«, lehnte er ihre Bitte ab. Der leidvolle Ausdruck in ihren Augen verstärkte sich noch, aber schließlich nickte sie und ließ sich von Jane in Richtung Küche mitziehen. Der Mann, den Jane als ihren Bruder vorgestellt hatte und dessen Ähnlichkeit zu ihr dies auch belegte, verbeugte sich wortlos vor Grimwald und folgte dann den beiden Mädchen dichtauf.

Als die drei um die Gangbiegung verschwunden waren, machte sich Grimwald wieder an den Aufstieg, um auf direktem Weg zu seinem Herrn zu eilen, den er in seinem Arbeitszimmer wusste.

Bei seinem Eintreten fand Grimwald Lord Kilcane an seinem Sekretär sitzend vor. Er wirkte übernächtigt, tiefe Ringe hatten sich unter seinen Augen eingegraben. Dazu war er blasser als sonst.

»Was gibt es denn, Grimwald?« Es klang ein wenig mürrisch.

»Mylord, eine Untat ist geschehen, eines der Mädchen ist auf dem Jahrmarkt überfallen und fast entführt worden«, begann Grimwald seinen Bericht.

Sein Herr stand jäh von seinem Platz auf. »Was?« Auf seinem Gesicht zeichnete sich Unverständnis und Abscheu in gleichem Maße ab. »In Maltune? Wie kann das möglich sein?«

»Ja, Mylord, man mag es gar nicht glauben, dass so etwas bei uns vorkommen würde, aber ein gewissenloser Bandit hat Tess mit einem Messer bedroht und sie sogar am Hals verletzt«, berichtete Grimwald weiter. Dann bemerkte er seinen Fehler. Denn als er Tess’ Namen erwähnt hatte, wich der letzte Rest Farbe aus dem Gesicht seines Herrn.

»Tess?«, flüsterte Lord Kilcane tonlos und machte einen Schritt auf ihn zu. »Wo ist sie jetzt?«

Seine Reaktion nötigte Grimwald dazu, ihn beruhigen zu wollen. »Es geht ihr gut, Mylord. Sie ist am Hals verletzt, aber die Verletzung ist nicht schlimm. Tess ist sehr mitgenommen, was man ihr nicht verdenken kann. Doch es wird sich, das versichere ich Euch, gut um sie gekümmert«, beeilte Grimwald sich noch zu sagen. Aber keines seiner Worte vermochte es, die gewünschte Wirkung zu erzielen, das Gegenteil war der Fall. Grimwald konnte den inneren Kampf in den Augen seines Herrn sehen.

»Ich will sie sehen!«, sagte der Lord plötzlich und wollte sich an seinem Leibdiener vorbeidrängen.

Doch Grimwald blieb im Türrahmen stehen. »Mylord, ich versichere, es wird sich gut um sie gekümmert! Ich lasse auch nach Doktor Morris schicken.« Dann senkte er seine Stimme eindringlich. »Bedenkt doch bitte, Mylord, was Ihr dem Mädchen antut, wenn Ihr jetzt nach unten geht. Welchen Aufruhr das verursachen würde! Dann würde jeder wissen, wie es um Euch steht.«

Sein Herr zuckte zurück und bedachte Grimwald mit einem Blick, der dem Älteren äußerst unangenehm war.

»Warum sagst du das?«, fragte Lord Kilcane atemlos.

»Weil ich Euch und das Mädchen zusammen gesehen habe, Mylord. Im Ballsaal«, gab Grimwald zögernd preis. »Ich war es auch, der ihr ins Gewissen geredet hat, nichts zu tun, was sie später zu bereuen hätte.« Einen Moment später wünschte sich Grimwald, er hätte nichts gesagt. Der gequälte Blick seines Herrn sprach Bände.

Aber dann wandte der Earl sich von ihm ab. »Dann sende bitte sofort einen Diener zum Dorfvorsteher, damit er unverzüglich nach diesem Unhold suchen lässt. Er soll mir dann so bald als möglich Bericht erstatten.«

»Gewiss doch, Mylord, das Erstere ist schon geschehen. Tess’ Begleiter hat den Dorfvorsteher bereits informiert. Man ist auf der Suche nach dem Mann«, erklärte Grimwald rasch, um den heiklen Moment zu überwinden.

»Ihr Begleiter?«, fragte Lord Kilcane ungläubig.

Grimwald scholt sich im Stillen, dass er seine Worte nicht bedachter gewählt hatte. »Ja, aber es ist nur der Bruder einer anderen Magd, mit dem die beiden Mädchen in Maltune waren. Zum Glück für Tess, denn wäre er nicht gewesen, ja, nicht auszudenken, was dem armen Mädchen hätte zustoßen können.«

In den Augen seines Herrn stand ein stummes Flehen. Laut sagte er: »Dann bitte ich dich, halte mich auf dem Laufenden, wie es ihr geht.«

»Natürlich, Mylord.« Grimwald blieb für den Bruchteil eines Moments an der Tür stehen und suchte nach Worten des Trostes, aber nichts was er hätte sagen können, wäre geeignet gewesen um den Schmerz seines Herrn zu lindern.

3.