Auf den ersten Blick - Danny Wallace - E-Book

Auf den ersten Blick E-Book

Danny Wallace

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Beschreibung

Und es hat klick gemacht

Gibt es Liebe Auf den ersten Blick? Jason glaubt nicht daran. Ganz im Gegenteil, seitdem ihn seine letzte Freundin verlassen hat, sieht er in Sachen Liebe schwarz. Bis er eines Tages einer jungen Frau beim Einsteigen in ein Taxi hilft. Sie schaut ihn an, und bei Jason macht es klick. Doch bevor er auch nur ein Wort herausbringt, ist das Taxi weg. Zurück bleibt eine Einwegkamera mit zwölf Fotos. Jason zögert, doch dann lässt er die Bilder entwickeln und macht sich mithilfe seines Kumpels Dev auf die Suche nach der Unbekannten. Eine witzige und hinreißend romantische Odyssee durch London beginnt.

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Seitenzahl: 565

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DANNY WALLACE

AUF DEN ERSTEN BLICK

Roman

Aus dem Englischen

von Jörn Ingwersen

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Die Originalausgabe erschien unter dem Titel CHARLOTTE STREETbei Ebury Press, an imprint of Ebury Publishing. A Random House Group Company.

Copyright ©2012 by Danny Wallace

Copyright ©2012 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Redaktion: Thomas Brill

Umschlaggestaltung: Johannes Wiebel | punchdesign, München unter Verwendung einer Illustration von Shutterstock.com/sabri deniz kizil; siloto

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-08804-0 V002

www.heyne.de

»There’s nothin’ like the humdrum

Of life and love in London

Chasin’ girls out of the sticks

Changing worlds with twelve quick clicks.«

Girl in a Photo, The Kicks

»As good things go … she went.«

Hovis Presley

Für Elliot

Vorher

Es passierte an einem Dienstag.

Im Film würde es wahrscheinlich krawumm machen, aber es machte nicht krawumm.

Nicht krawumm, nicht krawamm, weder peng noch ping oder pong.

Nur ein gläsernes Aufblitzen, ein flüchtiger Moment, eine Sternschnuppe, die eisig blinkend durch die Geschichtsstunde fliegt.

Die Dienstage sind für was anderes vorgesehen. Erst Geschichte, dann Kunst, nicht das.

Ein kalter Schauer durchfuhr mich, als ich ihn sah. Seltsamerweise nahm ich das Wetter wahr. Diesen dünnen, grauen Regenschleier jenseits des alten, abgewetzten Geländers, jenseits der knorrigen Bäume.

Es war wie im Traum, wenn man sieht, wie etwas passiert, etwas Schlimmes, das nie passieren dürfte, und die Knochen schwer werden und sich die Füße kaum noch heben lassen. Wenn alles, was man in den Nebel rufen will, verwischt und zu verwaschen wird, als dass es etwas nützen würde.

Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte geträumt.

Wie soll man ihn nennen? Amokschütze? Klingt dramatisch, vor allem so früh in der Geschichte, aber das war er nun mal: ein Amokschütze. Drüben, auf der anderen Straßenseite, im neunten Stock ungefähr, zufrieden mit seinem ersten Schuss, spannte er den Hahn, lud durch, legte neu an, suchte sein Ziel.

Amokschütze trifft es ganz gut.

»Okay. Los! Raus hier!«

Ruhig. Kurze, knappe Worte.

»Sofort, wenn ich bitten darf!«

Plötzlich stehe ich mitten im Raum. Es kommt mir vor, als könnte ich hier am meisten tun, aber was kann ich denn schon tun? Ich drehe mich und sehe mich noch mal um, da finde ich ihn.

Er lacht. Sein Kumpel auch.

»Wie? Wohin?«, sagte jemand, vielleicht Jaydeep oder der eine mit den Haaren, an dessen Namen ich mich nie erinnern kann. Jeder kennt ihn – die Lehrer nennen ihn Superfly. Instinktiv stellte ich mich vor ihn, sein pflichtschuldiger Hüter, als hätte er sich zur Zielscheibe gemacht, indem er eine Frage stellte.

»Flur«, presste ich hervor, mein Nacken in ängstlicher Erwartung eines Projektils, mit gespielter Gelassenheit im Kampf gegen den Fluchtinstinkt. »Los!«

»Hey …«, sagte jemand, »hey …«, und ich blickte auf und erkannte mein Entsetzen in ihren Gesichtern, während sie zu begreifen versuchten, was sie da sahen, was das alles zu bedeuten hatte …

»Okay, sofort bitte, Anna …«

»Sir …«

Das Beben in der Stimme, die Angst … sie würde sich ausbreiten, jeden Moment.

»Durch die TÜR!«

Sie kamen in Bewegung, schockiert, doch schnell jetzt, so schnell, wie sich die Nachricht in der ganzen Schule verbreitete. So schnell, wie die Polizei eintraf mit ihren Waffen, ihren Autos und Hunden, ihren Helmen und Schilden. Da kamen die Kinder wieder zu sich, drängten an die Fenster, spähten durch eiserne Jalousien, während acht bis zehn bewaffnete Polizisten die Treppe im Alma Rose House hinauftrampelten, während ihre Kollegen draußen mit finsteren Mienen das Gebäude bewachten und nur darauf warteten, dass unser Amokschütze eine Dummheit beging.

Die Kinder applaudierten, als man ihn herauszerrte. Applaus war das erste Anzeichen dafür, dass es vorbei war. Sie applaudierten den Polizeifahrzeugen, machten sich über die Bullen lustig und johlten, als der Hubschrauber kam … aber die Kinder hatten nicht gesehen, was ich gesehen hatte.

Ich hatte den Raum 3Gc als Letzter verlassen, würde ich Sarah später erzählen. Sie hatte am Laden gehalten, um einen Achterpack Stella und eine Flasche Rioja zu holen – das Einzige, was sie mir an Medizin verabreichen durfte –, und war dann sofort nach Hause geeilt, um bei mir zu sein, mit ihrem Arm auf meinem Arm und ihrem Kopf an meiner Schulter. Die Kinder seien zu keinem Zeitpunkt in Gefahr gewesen, erklärte ich ihr. Ich sei bei ihnen geblieben, während Anna Lincoln und Ben Powell zu Mrs Abercrombies Büro gelaufen seien, um Hilfe zu holen, obwohl Ranjit inzwischen schon 999 gewählt und wahrscheinlich auch bei Twitter eine Nachricht gepostet hatte.

Aber ich war nur ein, zwei Sekunden länger im Klassenraum geblieben, um sicherzugehen, dass das alles auch real war, dass es wirklich sein konnte, dass er tat, was er da tat, oder ob ich überreagierte, wenn ich Alarm schlug.

Doch da lachte er nur wieder. Und legte noch mal an.

Nie war ich einsamer. Nie war ich mir meiner selbst bewusster. Was ich war, was ich nicht war, was ich wollte.

Und wieder flog eine Sternschnuppe blitzend direkt an meinem Kopf vorbei, prallte gegen die Wand hinter mir und hüpfte und hopste und klapperte über den Boden.

Und da, Herr Doktor, da ist es dann passiert.

Eins

Oder: ››(She) Got Me Bad‹‹

Sollten wir uns einander vielleicht vorstellen?

Ich weiß, wer Sie sind. Sie sind der Mensch, der das hier liest. Warum und wo auch immer: Das sind Sie, und wir werden bestimmt bald Freunde sein. Da können Sie machen, was Sie wollen.

Und ich?

Ich bin Jason Priestley.

Ich weiß, was Sie denken. Sie denken: »Großer Gott! Sind Sie etwa der Jason Priestley, geboren 1969 in Kanada, berühmt für seine Darstellung des Brandon Walsh, des moralischen Dreh- und Angelpunkts der erfolgreichen amerikanischen Fernsehserie Beverly Hills 90210?«

Und die überraschende Antwort auf Ihre durchaus naheliegende Frage ist: nein. Nein, bin ich nicht. Ich bin der andere. Ich bin der zweiunddreißigjährige Jason Priestley, der an der Caledonian Road wohnt, über einem Videospielladen, zwischen einem polnischen Zeitungskiosk und dieser Bar, von der alle dachten, da wäre ein Bordell, wo aber gar keins war. Der Jason Priestley, der seinen Job als stellvertretender Fachbereichsleiter einer nicht besonders guten Schule im Norden Londons aufgegeben hat, um seinem Traum eines Journalistendaseins nachzujagen, nachdem seine Freundin ihn verlassen hatte, der heute immer noch Single ist und in billige Restaurants geht und schlechte Filme sieht, um sie für das kostenlose Werbeblatt zu besprechen, das man Ihnen in der U-Bahn in die Hand drückt, das Sie nehmen, aber nie lesen.

Genau. Der Jason Priestley.

Außerdem bin ich der Jason Priestley, der ein Problem hat.

Sehen Sie, direkt vor mir – genau da, auf diesem Tisch vor meiner Nase – steht eine kleine Plastikbox, die alles verändern oder es zumindest anders machen könnte.

Und momentan wäre mir anders sehr lieb.

Ich weiß nicht, was sich in dieser kleinen Plastikbox befindet, und ich weiß nicht, ob ich es je erfahren werde. Das ist das Problem. Ich könnte es wissen. Ich könnte mir im Lauf einer Stunde Einblick verschaffen und mich in den Inhalt vertiefen, und ich wüsste ein für alle Mal, ob darin so etwas liegt wie … Hoffnung.

Aber wenn ich es tue, und es stellt sich heraus, dass darin sehr wohl Hoffnung liegt, aber auch nicht mehr als das? Nur ein kleines bisschen Hoffnung? Und was ist, wenn sich diese Hoffnung in nichts auflöst?

Denn das Einzige, was ich an der Hoffnung nicht leiden kann, das Einzige, was ich daran rundweg ablehne, auch wenn es niemand zugeben will, ist der Umstand, dass plötzlich aufkeimende Hoffnung der direkte Weg zu abrupter Hoffnungslosigkeit ist.

Und doch trage ich die Hoffnung bereits in mir. Irgendwie – ohne dass ich sie eingeladen oder in irgendeiner Weise erwartet hätte – hat sie den Weg zu mir gefunden, doch basierend worauf? Nichts. Nichts – bis auf den Blick, den sie mir zugeworfen hatte, und meinen kurzen Blick auf … etwas.

Ich hatte in der Charlotte Street an einer Straßenecke gestanden, als es passierte.

Es war vielleicht sechs Uhr, und ein Mädchen – denn Sie und ich, wir wussten schließlich von vornherein, dass es da ein Mädchen geben würde, dass es da ein Mädchen geben musste, da gibt es immer ein Mädchen – kämpfte mit der Tür eines schwarzen Taxis und den Paketen auf seinen Armen. Sie trug einen blauen Mantel und hübsche Schuhe, weiße Tüten mit Namen, die ich noch nie gesehen hatte, Kartons – und ich glaube, sogar ein Kaktus lugte oben aus einer Habitat-Tüte hervor.

Ich wollte schon vorbeigehen, denn so macht man das in London. Und um ehrlich zu sein, hätte ich es auch beinahe getan … doch plötzlich drohte der Kaktus aus der Tüte zu fallen. Die anderen Pakete gerieten ins Rutschen, und sie musste sich bücken, damit sie ihr nicht entglitten, und einen Moment lang hatte sie so etwas Süßes und Kleines und Hilfloses an sich.

Allerdings äußerte sie ein paar wohl gewählte Worte, die ich Ihnen lieber nicht anvertrauen möchte, für den Fall, dass Ihre Großmutter reinschaut und diese Seite liest.

Ich verkniff mir ein Lächeln, dann sah ich den Taxifahrer an, doch der unternahm nichts, hörte nur seinen Sportsender und rauchte, also – ich weiß nicht, wieso, denn wie gesagt, wir sind hier in London – fragte ich, ob ich ihr helfen könne.

Und sie lächelte mich an. Dieses unglaubliche Lächeln. Auf einmal wurde mir ganz männlich und selbstbewusst zumute, wie einem Handwerker, der haargenau weiß, welchen Nagel er kaufen muss, und im nächsten Moment halte ich ihre Pakete und einige ihrer Taschen. Wie aus dem Nichts schaufelt sie immer mehr davon ins Taxi, und sie sagt: »Danke, das ist wirklich nett von Ihnen«, und dann … ist da dieser Moment. Der Blick, der flüchtige Einblick in … dieses eben erwähnte Etwas. Und es fühlte sich an wie ein Anfang. Aber der Taxifahrer war ungeduldig und der Abend kühl, und wahrscheinlich waren wir einfach zu britisch, um etwas anderes zu sagen … also noch einmal: »Danke.« Und wieder dieses Lächeln.

Sie zog die Tür hinter sich zu, und ich sah dem Taxi nach, dessen Rücklichter sich in der Stadt verloren, während es klappernd die Hoffnung hinter sich herzog.

Und dann – als der Moment eigentlich schon vorbei war – sah ich etwas vor mir.

Ich hielt etwas in Händen.

Eine kleine Plastikbox.

Ich las, was darauf geschrieben stand.

Einwegkamera – 35 mm.

Ich wollte dem Taxi hinterherrufen, mit dem Fotoapparat winken und ihr mitteilen, dass sie was vergessen hatte. Eine Sekunde lang platzte ich förmlich vor Ideen – wenn sie angelaufen käme, würde ich sie vielleicht auf einen Kaffee einladen und mich gern darauf einlassen, wenn sie dann meinte, eigentlich könne sie ein schönes, großes Glas Wein vertragen, und dann würden wir uns eine Flasche besorgen, weil es unter finanziellen Gesichtspunkten sinnvoller war, gleich eine ganze Flasche zu kaufen, und wir wären uns einig, dass wir nicht auf leeren Magen trinken sollten, und dann würden wir unsere Jobs schmeißen, ein Boot kaufen, aufs Land ziehen und eine Käserei aufmachen.

Doch es passierte nichts.

Kein Reifenquietschen, kein kurzes Innehalten, kein knirschendes Getriebe, keine Rückfahrleuchten, kein lächelndes Mädchen mit hübschen Schuhen und blauem Mantel.

Nur ein Taxi, das hielt, damit ein dicker Mann an einem Geldautomaten aussteigen konnte.

Verstehen Sie, wie ich das mit der Hoffnung meine?

»Also, bevor wir in irgendeine Richtung weiterdenken«, sagte Dev, wobei er das Modul hochhielt und mit dem Finger leicht dagegentippte. »Lasst uns über den Titel reden. Altered Beast.«

Ich sah Dev mit einem Blick an, den ich mir gern leer vorstelle. Aber es war eigentlich egal. In all den Jahren, die ich ihn kenne, hat er von mir sowieso nur leere Blicke geerntet. Wahrscheinlich glaubt er, ich sah schon damals auf der Uni so aus.

»Also, da schwingt natürlich nicht nur Mystik mit, sondern auch ein Hauch von Intrige, wobei es römische und griechische Mythologie miteinander verwebt …«

Ich sah Pawel an, der einen leicht traumatisierten Eindruck machte.

»Also, das Interessante daran sind die Soundeffekte …«, sagte Dev und drückte einen Knopf an seinem Schlüsselanhänger, der daraufhin ein blechernes Krächzen von sich gab, das sich anhörte, als sagte er möglicherweise: »Erheeebe dich aus deinem Graaab!«

Ich hob meine Hand.

»Ja, Jase, du hast eine Frage?«

»Wieso hast du dieses komische Geräusch in deinem Schlüsselanhänger?«

Dev seufzte und machte eine ziemlich große Sache daraus.

»Entschuldige, Jason, aber ich versuche hier gerade, Pawel über die frühen Entwicklungen der Sega-Mega-Drive-Spiele Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger aufzuklären. Entschuldige, dass wir keine Rücksicht auf deine persönliche Vorliebe für das Werk des amerikanischen Gesangsduos Hall & Oates nehmen können, aber dafür ist Pawel nicht extra hergekommen, oder?«

Pawel lächelte nur.

Pawel lächelt viel, wenn er in den Laden kommt, normalerweise, um Geld zu holen, das Dev ihm für sein Mittagessen schuldet. Manchmal beobachte ich seine Mimik, wenn er so auf und ab läuft, sich die verblassten Poster von Sonic 2 oder Out Run ansieht, zerkratzte Spielekassetten oder zerlesene Zeitschriften in die Hand nimmt, Besprechungen längst vergessener Plattform- oder Ballerspiele durchblättert, die mittlerweile aussehen, als wären sie im Kindergarten gezeichnet worden. Dev hat ihm neulich ein Sega Master System und eine Kopie von Shinobi geliehen. Wie sich herausstellte, gab es Mitte der Achtziger in Osteuropa nicht sonderlich viele Master-System-Konsolen und noch weniger Ninjas. Die Xbox leihen wir ihm lieber nicht, denn Dev meint, seine Augen könnten explodieren.

»Jedenfalls«, sagte Dev. »Dieser unser Laden – Power Up! – verdankt seinen Namen …«

Und da merke ich, was Dev vorhat. Er versucht, Pawel rauszulangweilen. Das Gespräch zu dominieren. Ihn mit Gewalt zu vertreiben, wie Männer mit nutzlosen Kenntnissen es oft tun. Wirft Phrasen ein wie: »Das wusstest du nicht?« oder »Sicher bist du dir der Tatsache bewusst …«, um gönnerhaft zu wirken, dem anderen den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Oberhand zu gewinnen.

Bestimmt hatte er nicht genug Geld fürs Mittagessen dabei.

»Wie viel schuldet er dir, Pawel?«, fragte ich und fischte in meiner Tasche nach einem Fünfer.

Dev warf mir ein Lächeln zu.

Ich liebe London.

Ich liebe alles daran. Ich liebe seine Paläste und seine Museen und seine Galerien, klar. Aber ich liebe auch seinen Dreck und den Regen und den Gestank. Okay, also, ich meine nicht direkt lieben. Aber ich habe nichts dagegen. Nicht mehr. Nicht mehr, seit ich mich daran gewöhnt habe. Man hat gegen nichts mehr irgendwas, wenn man sich erst mal daran gewöhnt hat. Nichts gegen die Graffiti, die man an seiner Haustür findet, nachdem man diese gerade erst frisch gestrichen hat, und auch nichts gegen die Hühnerknochen und Ciderdosen, die man wegräumen muss, bevor man sich zu einem schlammigen Picknick niederlassen kann. Nichts gegen die endlose Abfolge von Fast-Food-Läden – aus AbraKebabra wird Pizza the Action wird Really Fried Chicken – an einer Hauptstraße, die trotz der drei neuen Namen pro Woche immer gleich aussieht. Sein Glitzer kann tröstlich sein, sein Eigensinn beflügelnd. Es ist das London, das ich täglich sehe. Ich meine, Touristen sehen das Dorchester Hotel. Sie sehen Harrods, Männer mit Bärenfellmützen und die Carnaby Street. Nur selten sehen sie den Happy Shopper an der Mile End Road oder eine triste Disco in Peckham. Sie steuern schnurstracks auf den Buckingham Palace zu und sehen darüber das Rot, Weiß und Blau der britischen Fahne flattern, während wir anderen im Tandoori Palace eine Portion Dansak bestellen und dabei Simply Red, White Lightning und Duncan von Blue hören müssen.

Doch auch darauf sollten wir stolz sein.

Oder sollten uns zumindest daran gewöhnen.

Heutzutage findet man am einen Ende der Caledonian Road ein Stückchen Polen, in Stockwell findet man ein bisschen Portugal, und überall in Haringey ist die Türkei. Seit diese neuen Läden da sind, erkundet Dev in seiner Mittagspause eine gänzlich neue Kultur. So war er auch schon an der Uni, als er in Leicesters angesagtester Disco BoomBoom ein bolivianisches Mädchen kennenlernte. Ich studierte Englisch – und ungefähr einen Monat lang studierte Dev dann Bolivianisch. Jeden Abend wählte er sich ins Internet ein und wartete zehn Minuten, bis eine einzelne Seite hochgeladen war, dann druckte er sie aus und prägte sich spanische Redensarten ein in der Hoffnung, das Mädchen eines Tages wiederzusehen, was ihm jedoch nie vergönnt war.

»Schicksal!«, sagte er dann. »Ach, Schicksal.«

Jetzt drehte sich alles um Polen. Er labt sich an Szazinska-Käse, erklärt ihn für den besten Käse, den er je gegessen hat, ignoriert den Umstand, dass es sich dabei um Schmelzkäse handelt, der in kleinen Plastikpackungen daherkommt und haargenau wie Scheibenkäse schmeckt. Er kauft Krokiety und Krupnik und noch mehr Käse mit pinkfarbenen Plastikschinkenpunkten auf jeder trübseligen, gelbsüchtigen Scheibe. Einmal hat er Rote Bete gekauft, sie aber nicht gegessen. Außerdem passt er auf, dass der letzte Kunde ihn abends jeweils mit ein paar Paczki und einem Glas Jezynowka sieht. Und wenn er sich dann auffällig genug benommen hat und sie fragen, was um alles in der Welt er da in der Hand hält, sagt er: »Oh, die Dinger sind total lecker. Hast du etwa noch nie Paczki gegessen?«, wirkt unvermittelt weltgewandt und ein wenig selbstgefällig.

Aber er tut es nicht, um anzugeben. Nicht wirklich. Er hat ein gutes Herz, und ich glaube, er hält sich für leutselig und informativ. Trotzdem ist es die faulste Form von Tourismus, die es gibt. Ich kenne sonst niemanden, der einfach nur dasitzt, Videospiele spielt und wartet, dass die Länder zu ihm nach Hause kommen, immer neue Wellen von diesen Leuten, die er »Frischlinge« nennt. Er möchte die Welt sehen, zieht es jedoch vor, sie von seinem Schaufenster aus zu betrachten.

Von überall kommen Männer hierher, um etwas zu kaufen. Männer, die ihre Jugend wiederbeleben, eine Sammlung vervollständigen oder dieses eine Spiel finden wollen, das sie früher so gut draufhatten. Es gibt auch Neuware, klar – aber nur zum Überleben. Deshalb kommen die Leute nicht her. Und die, die kommen, kriegen manchmal den Power-Up!-Geheimtipp. Danach ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Dev von Makoto Uchida anfängt, und das genügt normalerweise, um seine Überlegenheit zu demonstrieren und sie zu vertreiben, nachdem sie möglicherweise für zwei Pfund eine Ausgabe von Decap Attack oder Mr Nutz gekauft haben, was aber eher unwahrscheinlich ist.

Dev verkauft so gut wie nichts, aber so gut wie nichts scheint gerade so zu genügen. Sein Vater hat ein paar Restaurants an der Brick Lane und kommt für das Nötigste auf, und das, was übrig bleibt, reicht zumindest für schinkenfleckigen Szazinska. Außerdem war er nett zu mir, also sollte ich ihn nicht verurteilen. Ich habe eine Freundin und eine Wohnung verloren, aber einen Mitbewohner und ein praktisch mietfreies Zimmer gewonnen, für ein paar Nachmittagsschichten und eine Wochenration Krokiety.

Apropos …

»Okay, wir haben Zubr oder Zywiec – such dir eins aus!«, sagte Dev und hielt die beiden Flaschen hoch. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Namen richtig aussprechen würde, also zeigte ich auf die Flasche mit weniger Buchstaben.

»Oder vielleicht habe ich irgendwo auch Lech«, sagte er, sprach es »Letsch« aus und kicherte dann. Dev weiß, dass es »Lech« ausgesprochen wird, weil er Pawel gefragt hat, sagt aber lieber »Letsch«, weil es bedeutet, dass er hinterher kichern kann.

»Zubr ist gut«, sagte ich, was ich noch nie gesagt hatte. Er drehte den Verschluss auf und reichte mir die Flasche.

Im Spiegel hinter ihm erblickte ich mein Gesicht.

Ich sah müde aus.

Manchmal betrachte ich mich und denke: »So sieht es jetzt aus?«, und dann denke ich: »Ja, so sieht’s aus. Besser wird es nicht werden. Morgen wird es nur noch schlimmer, und so geht es immer weiter, bis ans Ende aller Tage. Du solltest dir unbedingt ein paar Vitamintabletten kaufen.«

Ich habe den Haarschnitt eines Mittdreißigers. Bis vor Kurzem trug ich noch coole T-Shirts mit ironischen Sprüchen, doch dann ging mir auf, dass ich darin – ironischerweise – gar nicht mehr so cool aussehe.

Ich bin zu alt für Experimente mit meinen Haaren, aber auch zu jung, um schon den Stil gefunden zu haben, den ich mit ins Grab nehme. Sie wissen, welchen ich meine – den, auf den wir alle zusteuern, falls wir Glück haben und noch Haare übrig sind. Platt und stumpf oben auf dem Kopf, wie bei einem Mann im übergroßen Hemd am Frühstücksbuffet einer All-Inclusive-Ferienanlage, umzingelt von unausstehlichen Kindern und einer passiv-aggressiven Ehefrau, die ihm in trauter Eintracht dabei geholfen hat, seinen Ehrgeiz ebenso plattzumachen wie seine Frisur.

Ich sage das, als wäre ich besser oder mein Ehrgeiz heldenhaft und ruhmreich. Doch ich bin einfach nur ein Mann, der zwischen allen Stilen sitzt. Von mir gibt es Millionen. Ich bin in diesem schwierigen Stadium des Mannes zwischen seinen Zwanzigern und seinen Vierzigern. Ein Stadium, das ich »der Mann in seinen Dreißigern« nennen möchte.

Manchmal frage ich mich, was unter meiner Fotostrecke in Vanity Fair stehen wird, wenn ich erst die Titelgeschichte schreibe und sie beschließen, aus mir eine große Nummer zu machen.

Haarevon Angela bei Toni&Guy, nahe der U-Bahn-Station Angel, obwohl ihre Finger nach Nikotin stinken und sie »frägen« statt »fragen« sagt.

Duft:Lynx Africa (for Men). £ 2,76, Tesco Metro, Charing Cross.

Uhr:Swatch (»Ein Spontankauf am Genfer Flughafen«, gesteht er, lacht verschämt und pickt an seinem Salade Niçoise herum. »Unser Flieger hatte drei Stunden Verspätung, und eine Toblerone hatte ich schon gekauft!«)

Kleidung:privat (dank der TopMan-VIP-10 %-Discountkarte, die praktisch jedem Hans und Franz zur Verfügung steht)

»Was. Für. Ein. Tag«, sagte Dev und seufzte etwas zu schwer für einen Mann, der eigentlich keinen besonderen Tag gehabt haben konnte. »Und du? Deiner?«

»Na ja«, sagte ich. »Du weißt schon. Ganz okay«, womit ich das Gegenteil meinte.

An diesem Tag war gleich vom ersten Moment an alles schiefgegangen. Die Milch war sauer, auch wenn das nichts Neues war, und der Postbote hatte unüberhörbar unseren Briefkasten misshandelt. Aber der eigentliche Hammer kam, als ich mit flauem Gefühl im Magen mein Notebook aufklappte, um Facebook anzusteuern, und obwohl ich ganz genau gewusst hatte, dass so etwas eines Tages passieren würde, starrte ich die Worte an, von denen ich gewusst hatte, dass sie irgendwann kommen würden …

… schwebt im siebenten Himmel

Vier Worte.

Eine neue Statusmeldung.

Und daneben Sarahs Name, so leicht anklickbar.

Also klickte ich ihn an. Und da war sie. Schwebte im …siebenten Himmel.

Halt, hatte ich gedacht. Es reicht. Steh auf und geh duschen.

Also klickte ich ihre Fotos an.

Sie war in Andorra. Mit Gary. Schwebte im siebenten Himmel.

Ich klappte das Notebook zu.

War es ihr denn egal, ob ich das sah? War ihr denn nicht klar, dass es direkt auf meinem Bildschirm landen würde, direkt in meiner Magengrube? Diese Fotos … diese Schnappschüsse … aus einer Perspektive aufgenommen, die einmal meine gewesen war. Heute halte nicht mehr ich die Kamera. Fange nicht mehr ich die Augenblicke ein. Diese Erinnerungen sind nicht meine. Also will ich sie auch nicht. Ich will sie nicht braun gebrannt und glücklich und ärmellos sehen. Ich will sie nicht gegenüber am Tisch sehen, mit einem Cocktail und selig verliebtem Blick. Ich will nicht nach den sinnlosen, verletzenden Details suchen – sie hatten sich eine Pizza Margherita geteilt, ihre Locken leuchteten im Sonnenschein, sie trug die Kette nicht mehr, die ich ihr geschenkt hatte –, ich wollte von alledem nichts wissen. Und doch klappte ich das Notebook wieder auf und sah mir die Bilder an, studierte sie genau, sog alles in mich auf. Ich konnte nicht anders. Sarah schwebte im siebenten Himmel, und ich … nun. Was?

Ich sah nach, was meine letzte Statusmeldung gewesen war.

Jason Priestley … isst gerade Suppe.

Verdammt. Was für ein Auftritt. Hey, Sarah, ich weiß, du bist gerade unterwegs und schwebst im siebenten Himmel und so, aber denk dran, dass ich erst letzten Mittwoch Suppe gegessen habe.

Wieso löschte ich sie nicht einfach, strich sie aus meiner Gleichung, machte das Internet wieder sicher? Aus demselben Grund, aus dem immer noch ein Foto von ihr in meiner Brieftasche steckte. Dieses eine von ihrem ersten Arbeitstag – große, blaue Augen ganz in Louis Vuitton. Ich hatte nicht die Kraft gehabt, es zu zerreißen oder in den Müll zu werfen. Das hätte sich so … endgültig angefühlt. Wie aufgeben oder irgendwas. Die Sache war allerdings: Tief in meinem Innersten wusste ich, dass sie mich löschen würde. Und dann wäre es wirklich vorbei, aber es wäre nicht meine Entscheidung, und dann wäre ich der Dumme. Andererseits hoffte ich, sie würde es nicht tun – irgendwo in ihrer großen Tasche voller Schminkzeug und Grazia und Kleenex, irgendwo in dieser Tasche hatte sie auch ein Bild von mir …

Und, tja … da ist sie wieder, diese Hoffnung.

Doch eines Tages wird sie grausam beiläufig zunichtegemacht, und ich werde vergessen sein, wahrscheinlich kurz bevor sie beschließt, dass sie und Gary zusammenziehen sollten oder dass sie und Gary heiraten sollten oder dass sie und Gary einen kleinen Gary machen sollten, den sie Gary nennen würden und der ganz genau so wie der blöde Gary aussehen würde.

Wahrscheinlich werde ich ganz allein dasitzen, wenn sie mich letzten Endes löscht. Mit einer Paddington-Decke um die Schultern, in einem grauen Zimmer über einem Videospielladen gleich neben der Bar, von der alle dachten, dort wäre ein Bordell, wo aber gar keins war. Nur so ein kurzer Gedanke, wenn überhaupt. Auf einen Bildschirm starrend, der mich darüber in Kenntnis setzt, dass ich nicht mehr von ihrem Leben besessen sein darf. Dass ich nicht mehr für würdig befunden werde, mir ihre Fotos anzusehen, zu erfahren, wer ihre Freunde sind, ob sie verkatert ist oder müde oder zu spät bei der Arbeit. Dass sie sich nicht mehr dafür interessiert, ob ich meine Suppe esse.

Mein Leben.

Gelöscht.

Ein Jammertal.

Trotzdem. Könnte schlimmer sein.

Uns könnte das Zubr ausgehen.

Eine Stunde später war uns das Zubr ausgegangen.

Dev hatte The Den vorgeschlagen – einen kleinen Irish Pub neben einem Werkzeugverleih, auf halbem Weg runter nach King’s Cross –, und ich hatte »Ja, warum nicht« gesagt. Man kann nie wissen. Ich könnte im siebenten Himmel schweben.

»Ach, komm«, sagte Dev und winkte ab. »Wer will schon nach Andorra? Was ist an Andorra denn so toll?«

Im Hintergrund spielten die Pogues, und mittlerweile waren wir leicht betrunken.

»Die Landschaft. Steuerfreier Einkauf. Die Tatsache, dass sie zwei Staatsoberhäupter haben – den König von Frankreich und einen spanischen Bischof.«

Pause.

»Du warst wohl bei Wikipedia, was?«

Ich nickte.

»Hat Frankreich überhaupt einen König?«, fragte Dev.

»Dann eben Präsident. Ich weiß nicht mehr genau. Ich weiß nur noch, dass man da hinfährt, um im siebenten Himmel zu schweben. Mit einem Mann namens Gary, kurz bevor man ein Rudel kleiner Garys wirft, die alle aussehen wie bärbeißige Babys, und dann kauft man ein Boot und rührt Käse auf dem Land.«

»Was redest du da eigentlich?«, sagte Dev.

»Sarah.«

»Sie kriegt bärbeißige Kinder?«

»Höchstwahrscheinlich«, lallte ich. »Höchstwahrscheinlich hat sie gerade eben schon das nächste geworfen. Sie werden die Weltherrschaft an sich reißen, ihre bärbeißigen Babys, sie werden sich ausbreiten und vermehren, wie in Arachnophobia. Sie setzen sich den Leuten aufs Gesicht und prügeln mit ihren kleinen Fäusten auf sie ein.«

Dev bedachte meine weisen Worte.

»Früher warst du nicht so«, sagte er. »Wo bist du hin? Wer ist dieser grantige, alte Mann?«

»Ich bin’s«, sagte ich. »Ich bin der Grantler. Letzte Woche habe ich zu Hause angerufen, und Mom meinte: ›Du kommst nicht mehr nach Durham. Wieso kommst du nicht mehr nach Durham?‹«

»Und wieso fährst du nicht mehr nach Durham?«

»Weil es ein mahnendes Zeichen ist, oder? Das einen daran erinnert, dass man rückwärts geht. Erst muss ich London klären, bevor ich wieder zurückkann. Sarah hat dieses Problem jedenfalls nicht. Sie kriegt bärbeißige Babys.«

»Ich glaube nicht, dass sie bärbeißige Babys bekommt. Gary ist doch so was wie Investment-Banker.«

»Das heißt nicht, dass er keine bärbeißigen Babys machen kann«, sagte ich und hob meinen Zeigefinger, um zu verdeutlichen, dass ich in dieser Frage keinen Widerspruch duldete. »Er ist genau der Typ Mann, der ein bärbeißiges Baby macht. Einen kleinen Skinhead. Der dauernd schreit.«

»Aber es ist doch nur ein Baby«, sagte Dev.

»Egal«, sagte ich. »Füttere es nur nie nach Mitternacht.«

Kurze Stille. Dann ein Stück von AC/DC. Mein liebstes. »Back in Black« – der beste Rocksong seiner Zeit. Kurzfristig war ich besser drauf.

»Trinken wir noch ein Bier«, sagte ich. »Ein Zubr! Oder ein Zyborg!«

Doch Dev sah mich nur an, todernst.

»Du solltest sie löschen«, sagte er tonlos. »Lösch sie einfach. Gib es auf. Lass Mister Grantler hinter dir zurück, denn dieser Mister Grantler läuft Gefahr, sich in Mister Arschloch zu verwandeln. Ich bin zwar kein Experte, aber das würden die vom Frühstücksfernsehen bestimmt auch sagen, wenn du da anrufst und eine dieser alten Frauen um Rat fragst.«

Ich nickte.

»Ich weiß«, sagte ich traurig.

»Das sind zweitausend Kalorien!«, sagte Dev. »Zweitausend! Ich hab es in der Zeitung gelesen!«

»Du hast es in meiner Zeitung gelesen«, sagte ich. Nach diversen Halben im Den tranken wir das eine, für das wir eigentlich gekommen waren, und kehrten auf dem Heimweg auf einen Kebab ins Oz ein. »Ich habe es dir selbst gezeigt und gesagt: ›Lies das! Da steht, ein Kebab hat zweitausend Kalorien!‹«

»Egal, wo ich es gelesen habe, ich sag ja nur: Zweitausend Kalorien sind viel für einen Kebab. Allerdings ist es auch förderlich.«

»Inwiefern ist es förderlich?«

»Es kleidet einem den Magen mit Fett aus, und wenn die Apokalypse kommt, ist man besser vorbereitet. Wir werden länger überleben. Pummelige Menschen werden die Welt beherrschen!«

Dev gab ein kleines »Yahoo!« von sich, musste dann aber wegen seiner Chilisoße husten. Er ist wie besessen vom Weltuntergang, nachdem er jahrelang postapokalyptische Landschaften auf der Jagd nach Brauchbarem durchstreift und in Videospielen gigantische Käfer bekämpft hat, was er allen Ernstes als »entscheidendes Training« betrachtet.

Im Moment hatte er gerade Probleme, seinen Schlüssel in die Tür zu kriegen. Das gibt bei der Apokalypse Punktabzug. Als Brillenträger würden einem sowieso Punkte abgezogen, dabei ist die Brille ein wichtiger Teil von ihm. Dev hat einen IQ von 146, und zwar nicht nur nach Aussage des Psychiaters, als er vier war, sondern auch nach diesem interaktiven Fernseh-Quiz zu urteilen, an dem er teilgenommen hat, was mich stolz auf ihn macht, wenn ich betrunken bin, aber wenn man mit ihm redet, würde man nie annehmen, dass er auch nur in die Nähe von 146 kommt. Er hatte sich für vier der was-weiß-ich-wie-vielen Staffeln von Big Boss beworben, aber aus unerfindlichem Grund hat dieser Mitbesitzer eines bescheidenen Secondhand-Videospielladens an der Caledonian Road bisher noch keine zufriedenstellende Antwort erhalten, was ich komisch finden würde, wenn es mir nicht eigentlich das Herz bräche.

Man könnte sagen, dass Dev mit vierzehn geprägt wurde. Seine Interessen, seine Art, mit Mädchen umzugehen, sogar sein Äußeres. Als Dev vierzehn war, starb sein Großvater, und das nahm einen gewaltigen Einfluss auf sein Leben. Nicht weil es ihn emotional traumatisiert hätte, was natürlich der Fall war, sondern weil Devs Vater es nicht gern sieht, wenn Geld verschwendet wird. Und im Jahr zuvor hatte Dev zum ersten Mal gemerkt, dass er anders als die anderen Kinder war. Es ging nur um Kleinigkeiten – dass er ein Schild nicht lesen konnte, dass er die Uhr nicht erkennen konnte, dass er beharrlich und mit großer Geste aus dem Bett fiel. Er war kurzsichtig.

Sein Vater ist Geschäftsmann. Sein Vater dachte: Warum für ein Gestell bezahlen, wenn doch schon eins zur Verfügung stand und kostenlos zu haben war?

Und so bekam Dev die Brille seines Großvaters. Seines Großvaters. Genau drei Tage nach der Beerdigung. Mit neuen Gläsern natürlich, wenn auch vom Kumpel seines Vaters an der Whitechapel Road und aus billigem, empfindlichem Plastik. In den folgenden vier Jahren machten sich alle über Dev lustig, weil er das Gesicht eines kleinen Jungen und die Brille eines alten Mannes hatte, wie ein Steppke, der die Sonnenbrille seiner Mutter trägt. Um dem entgegenzusteuern, versuchte er, sich ein Oberlippenbärtchen wachsen zu lassen, aber damit sah er nur aus wie ein Miniaturdiktator.

Und er hatte sich nie eine neue gekauft. Warum sollte er auch? Er hatte seinen Look gefunden. Und dieser diente ihm zum Vorteil. An der Uni – zumindest anfangs – hielt man ihn für schräg, diese dicke, schwarze Brille an dem merkwürdigen Neuen, aber im ersten Jahr war sie seine Schmusedecke, im zweiten eine exzentrische Schrulle und im dritten Jahr – wie er hoffte – ein Weibermagnet.

(War sie nicht.)

Später, wenn man sie zusammen mit den Haaren sah, die er sich nicht schneiden ließ, und den T-Shirts, die er entweder umsonst bekam oder für ein Pfund und einen Penny bei eBay ersteigerte, stand diese Brille für Selbstvertrauen. Diese Brille stand für …

Na ja, sie stand für »Dev«.

Ausländische Mädchen, die ihn nicht verstanden, aber seine grellen Jacken mochten, fanden, dass er cool aussah.

»Na komm!«, sagte er, als wir endlich drinnen waren, und er schlug mit der Hand auf das Treppengeländer, als wir nach oben stolperten. »Ich weiß, was dich besser draufbringt …«

In der Wohnung warf Dev seinen Kebab auf den Tisch und ging in die Küche, wo er die Schränke durchwühlte und lautstark Sachen hin und her schob.

Ich schlenderte in mein Zimmer, nahm mein Notebook und machte ein entschlossenes Gesicht.

Vielleicht sollte ich es wirklich tun, dachte ich. Sie einfach löschen. Hinter mir lassen. Alles vergessen. Erwachsen werden. Es wäre einfach. Und dann könnte ich meinen Computer endlich wieder ohne diesen dumpfen Schmerz anstellen. Ohne diese Ahnung, dass ich etwas Schlimmes sehen würde. Ich könnte mein Leben weiterleben.

Als ich mich gerade ins Internet einwählte, hörte ich Dev »Aha!« rufen.

»Hab’s gefunden, Jase! Hübsches Fläschchen Jezynowka! Brombeerschnaps! Was hältst du davon, wenn wir das N64 anschließen, Jezynowka trinken und bis zum Morgengrauen GoldenEye spielen?«

Aber ich hörte gar nicht zu. Nicht wirklich. Ich kann nur vermuten, was er sagte. Im Grunde hätte er auch Vasen umkippen und rassistische Lieder komponieren können, denn ich war gebannt und schockiert und weiß Gott was noch alles von dem, was ich auf dem Bildschirm sah.

Diesmal nur ein Wort.

Ein Wort, das mir ins Gesicht schlug und meine Hoffnung zerstampfte und meine Familie verspottete.

»Jase?«, sagte Dev und stand plötzlich in meiner Tür. »Willst du James Bond oder Natalia sein?«

Doch ich reagierte nicht.

Tränen brannten in meinen Augen, ich spürte jedes Haar an meinem Körper, und ich sah nur die Worte »Sarah Bennett ist …«, und dann dieser Killer, dieses vernichtende, absolute Arschloch von einem Wort.

Zwei

Oder: ››Some things are better left unsaid‹‹

Verlobt.

Das war das Wort, wenn Sie es unbedingt wissen wollen. Verlobt.

Sarah war verlobt mit Gary. Gary war verlobt mit Sarah. Sarah und Gary waren verlobt miteinander.

Danach blieb ich nicht bis zum Morgengrauen wach und spielte GoldenEye mit Dev. Ich saß nur da, benebelt vom Schock und Jezynowka, in einem kalten Zimmer, das nach Brombeeren stank, und klickte auf Erneuern und Erneuern und Erneuern, während die Glückwünsche nach und nach eintrudelten.

»Hurra!«, schrieb Steve, was typisch Steve ist, und Jess schrieb »Juhu!«, was ihr echt ähnlich sieht, und Anna schrieb »Wurde auch Zeit!«.

Ach, wirklich, Anna? Wurde auch Zeit, ja? Die beiden sind erst sechs Monate zusammen, Anna. Ich war vier Jahre mit Sarah zusammen, aber du hast nie gedacht, dass wir heiraten sollten, oder? Was hat dir an mir nicht gepasst? Wie ich mich anziehe? Mein Job? Diese eine Geschichte, als ich deinen Tisch mit Rotwein eingesaut habe und du was davon auf deine Schuhe bekommen und mich einen Vollidioten genannt hast und mir dann übel wurde?

Ja, das war es wahrscheinlich.

»Könnte keinem netteren Pärchen passieren!«, schrieb Ben, und das tat echt weh, denn Ben war mein Freund, Sarah, nicht deiner. Du hast natürlich gleich die Vormundschaft für die ganze Bande übernommen – am Ende hattest du sie alle um dich versammelt –, aber nur, weil ich mich zu sehr geschämt habe und Angst hatte, ihnen in die Augen zu sehen.

Ich trank den Schnaps aus der Flasche und las weiter, jedes einzelne Quieken vor Begeisterung und jeden herzlichen Glückwunsch und jedes OH MEIN GOTT – und jedes unnötige Ausrufezeichen war ein Stich ins Herz und ein Finger im Auge.

Und was ist mit mir?, wollte ich rufen. Denkt denn keiner an mich? Wie kann es sein, dass ihr alle verrücktspielt, wenn Sarah schreibt, dass sie verlobt ist, aber wenn ich Suppe esse, hat keiner was dazu zu sagen?

Da wusste ich, dass ich sie löschen musste. Ich musste ein Statement abgeben. Sie wissen lassen, dass das nicht in Ordnung war, nicht okay.

Aber es jetzt zu tun, würde griesgrämig wirken, kindisch, unreif.

Und außerdem könnte ich mir dann ihre Fotos nicht mehr ansehen.

Ach du Schande. Da ist er. Der Ring.

Offenbar hat er genau an diesem Tisch um ihre Hand angehalten, nach ein paar Cocktails an einem ärmellosen, andorranischen Abend bei schlechter Pizza Margherita.

Margherita! Nicht mal eine Supreme Deluxe! Fangt ihr Leutchen jetzt auch noch an, euch gesund zu ernähren, oder was? Geht ihr zum Pilates-Training und trinkt vitaminreiche Smoothies? Ja, darauf möchte ich wetten.

So hätte ich bestimmt nicht um ihre Hand angehalten, Gary. Ich hätte etwas ganz Besonderes gemacht. Ich hätte den Ring in einer Champagnerflöte versteckt oder mich von einem Heißluftballon in ein Fußballstadion abgeseilt, mich an Ort und Stelle auf die Knie geworfen und auf den großen Bildschirm projizieren lassen, damit es alle sehen können. Denn ich habe Klasse, Gary. Und – ja, Gary – ich wollte tatsächlich um ihre Hand anhalten. Ich habe es nicht getan, aber ich hatte es vor. Eines Tages. Ich hatte alles durchgeplant. Oder, na ja, nicht wirklich durchgeplant, aber ich hatte den Plan, es durchzuplanen. Pläne waren Teil meines Plans. Und obwohl ich es nie getan habe und auch wenn ich es jetzt nie mehr tun kann, so lass mich dir, Gary, ohne Umschweife sagen: Langweilige Pizza und hellblaue Cocktails hätten in meinen Plänen sicher keinen Platz gefunden.

O Gott. Sie sieht so glücklich aus.

Ich nahm einen Schluck Brombeerlikör und zeigte dem Bildschirm das Peace-Zeichen.

Dann stand ich auf, klapperte in der Küche herum und fand noch eine Flasche.

Es war viel zu früh, und alles schmeckte nach Brombeeren.

Irgendetwas summte vor meinem Gesicht und wollte nicht aufhören.

Ich zwang meine Augen auf und sah das Handy, starrte es an.

Es dauerte einen Moment, bis der Name zu mir durchdrang. Oder besser, nicht der Name. Eher, warum der Name.

SARAH.

Wie spät war es? Sieben? Acht?

Ich konnte nicht. Nicht jetzt. Ich war nicht bereit. Ich brauchte Kaffee und vielleicht ein paar Notizen oder irgendwas, was ich sagen konnte, um reserviert und gleichmütig zu wirken. Ich drückte sie weg und starrte an die Decke. Das müsste ihr was sagen, dachte ich. Damit sie wusste, dass ich nicht jedes Mal ranging, wenn sie …

Es summte wieder. Ich nahm es in die Hand.

Vielleicht war irgendwas vorgefallen. Vielleicht hatte Gary sie abserviert. Vielleicht sollte ich ihr in schweren Zeiten zur Seite stehen. Ihr zeigen, wie sensibel und wunderbar ich sein konnte.

RUFANNAHME.

»Hallo?«

Wow, hatte ich eine tiefe Stimme!

»Jase?«

»Hey.«

Und krächzig. Tief und krächzig.

»Wie geht’s dir?«

»Super.«

Sie klang nicht sonderlich aufgebracht. Eher kühl. Ernst. Sie klang wie Sarah.

Bestimmt wusste sie nicht, dass ich es wusste.

Okay, dachte ich. Erzähl mir einfach, dass du verlobt bist.

»Harte Nacht gehabt?«, sagte sie.

Ja, rein zufällig, Sarah, eine ziemlich harte Nacht sogar. Wie wäre es, wenn du mir jetzt endlich erzählst, dass du verlobt bist, damit ich überrascht und erwachsen tun kann?

»Nur … Ich hatte nur ein paar Drinks mit Dev und …«

»Wieso bist du so ein Arschloch, Jase?«

Ich runzelte die Stirn. Das stand so nicht im Drehbuch.

Eine Sekunde verging.

»Ich bin … Was meinst du?«

»Du könntest dich ruhig für mich freuen, Jason. Du hast kein Recht, mir Vorwürfe zu machen. Wir haben beide unsere Entscheidungen getroffen, und …«

Nicht das jetzt. Nicht dieses Gespräch schon wieder.

»Freuen worüber?«, fragte ich unschuldig.

»Das weißt du genau.«

Woher wusste sie, dass ich es wusste?

»Sarah …«

»Ich bin verlobt, Jason. Bist du jetzt zufrieden, nachdem ich es dir persönlich gesagt habe?«

»Ich … also, das ist ja eine tolle Neuigkeit!«, sagte ich. »Schön für dich.«

»Das klang gestern Abend aber noch ganz anders.«

Ich blinzelte ein paarmal. Hatte ich sie angerufen? Hatte sie mich angerufen? Ich sah zum Tisch in der Ecke hinüber. Brombeerlikör war an einem Bein hinuntergelaufen und dort, gleich daneben, der Überbringer: mein Notebook, mein Verräter, lief noch, präsentierte nach wie vor ein grelles, farbenfrohes Foto einer überglücklichen Sarah.

»Gestern Abend«, sagte sie, »hieltst du es für eine falsche Entscheidung.«

»Nein, ich würde doch nie …«

»Du hast gesagt, es sei eine falsche Entscheidung, und alle meine Freunde seien falsche Freunde, weil sie mich nicht daran hindern, den größten Fehler zu begehen, den eine Frau je begangen hat, indem sie alle Chancen, wieder mit dir zusammenzukommen, für ein Leben voller Pizza Margherita und dummer Tage verspielt.«

»Dummer Tage?«

»Gary ist außer sich. Er ist sehr sensibel. Er fühlt sich von dir erniedrigt. Du hast gesagt, er sei die Margherita unter den Männern. Du wärst wie eine Supreme Deluxe und er wie eine Margherita.«

»Wahrscheinlich habe ich damit gemeint, er ist beliebt, und ich bin nicht jedermanns Geschmack, besonders wenn man gesundheitsbewusst lebt und …«

»Das war nicht das, was du gemeint hast, oder?«

Irgendetwas verbarg sich hinter ihrer Frostigkeit. Empörung? Nein. Es war Resignation. Es war, als wollte sie einfach nichts mehr davon wissen.

»Werd endlich erwachsen, Jason«, sagte sie. »Such dir eine andere. Irgendeine. Zieh aus dieser stinkenden Wohnung aus – nebenan ist ein Bordell, verdammt – und nimm dein Leben in die Hand.«

»Das ist kein …«

»Und ruf mich nie wieder an.«

Klick.

Einen Moment lang lauschte ich der Stille, dann setzte ich mich auf.

»Das ist kein Bordell«, sagte ich.

In meinem Kopf hämmerte es, und ich suchte die abgehenden Anrufe in meinem Handy. Ich hatte nicht telefoniert. Ich hatte sie gar nicht angerufen. Ich wusste es!

Hey, vielleicht war sie ja verrückt geworden. Vielleicht hatte Gary sie in den Wahnsinn getrieben. Wäre doch genial, wenn Gary sie in den Wahnsinn getrieben hätte. Wer hätte dann recht, hm? Ich oder ihre tollen Freunde, die so gedankenlos herumtönten, wie glücklich sie für die beiden seien, was für ein toller Hecht Gary doch sei, wie großartig die beiden zueinanderpassten, wie geschaffen füreinander, wie zwei …

Ich stutzte.

Ein Hauch einer Ahnung eines Schimmers einer Erinnerung.

Nein.

Bitte nicht.

Ich stieg aus dem Bett und taumelte zum Notebook. Da sah ich es schon.

Uupsi.

»Uupsi scheint es mir nicht ganz zu treffen«, sagte Dev weise.

Er trug sein Earthworm-Jim-T-Shirt und machte sich im Café unten an der Straße über sein englisches Frühstück und eine fremdländische Cola her.

Er hatte recht. Ich dachte darüber nach, was ich getan hatte.

Alles in allem hatte ich etwa vierzehn Verlobungsfotos spontan und eingehend kommentiert, in meinem betrunkenen Zustand vermutlich mit Oscar Wilde’scher Grandezza und Stephen Fry’schem Witz. Im kalten Licht des neuen Morgens wurde mir nun bewusst, dass ich eher wie ein Penner klang, der beim Inder an die Scheibe klopfte.

»Ach, na ja«, sagte Dev. »Wie viele Leute können es schon gelesen haben? Mal ehrlich?«

»Alle. Alle, die sich ihre Fotos angesehen haben. Ihre Freunde, meine Freunde, unsere Freunde.«

Dev nickte versonnen und zuckte mit den Schultern.

»Ihre Familie. Ihre zahllosen Kollegen.«

Inzwischen sah er schon etwas besorgter aus.

»Garys Freunde. Garys Familie. Garys zahllose Kollegen.«

»Stimmt …«

»Entfernte Verwandte. Leute, denen sie seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr begegnet sind, neben denen sie damals in Mathe gesessen haben. Zufallsbekanntschaften. Michael Fish.«

»Michael Fish … der Wettermann?«

»Michael Fish, der Wettermann, ja. Er spielt Golf mit Garys Dad.«

»Nun, wir sollten uns keine Gedanken um Michael Fish, den Wettermann, machen. Ich bin mir sicher, dass Michael Fish, der Wettermann, keinen Gedanken daran verschwendet.«

Plötzlich fiel mir etwas ein, und ich merkte, wie mein Ego auf Erdnussgröße schrumpfte.

Garys Gesicht. Garys strahlendes Gesicht, so voller Freude, so entzückt, dass die Frau seiner Träume Ja gesagt hatte, das glücklichste Bild, das je von ihm gemacht wurde, und darunter ein Bild von mir mit zwei erhobenen Daumen, gleich neben den Worten:

HI! ICH, GARY, BLOCKFLÖTENGESICHT, DER SCHEISSLANGWEILIGE PIZZA MAG … WILLST DU HEIRATEN, UND WIR KÖNNEN PIZZA ESSEN, ABER SCHLECHTE!!!???

Verdammt.

Blockflötengesicht?

Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, und ich nahm einen Schluck Tee. Devs Augen leuchteten auf. Nicht weil ich Tee trank – das hat er bei mir schon mal gesehen und nichts weiter dazu gesagt –, sondern weil die Kellnerin da war. Dieselbe Kellnerin, die er jedes Mal beeindrucken will, wenn wir hier sind. Denn, ja, wie wir bereits wissen, ist da immer ein Mädchen im Spiel.

»Dobranoc!«, rief er plötzlich. »Jak si masz?«

Die Kellnerin schenkte ihm ein halbes Lächeln und sagte etwas dazu, ganz leise. Sie wartete auf eine Antwort, aber Dev wusste keine, also starrte er sie nur an.

So unwahrscheinlich es auch klingen mag – sie ging weiter.

»Nicht übel«, sagte ich. »Irgendwann kriegst du bestimmt ein richtiges Gespräch zustande.«

»Dieses T-Shirt war ein Fehler«, sagte Dev zerknittert. »Ich hätte das mit dem Streetfighter anziehen sollen.«

Die Sache ist die.

Ich habe absolut nichts gegen Gary. Er ist ein echt netter, echt durchschnittlicher Mensch. Und das kann ich sagen, denn ich habe ihn kennengelernt. Eine betretene, unerwartete Begegnung auf der Geburtstagsparty eines gemeinsamen Freundes, während der ich mich tadellos benommen und sogar den einen oder anderen Scherz gemacht habe. Aber wir sahen beide in den Augen des anderen, dass wir nicht miteinander reden sollten. Das war wider die Natur.

Wäre ich noch Lehrer, würde ich ihn wohl folgendermaßen beurteilen:

Erscheinungsbild: durchschnittlich

Konversation:durchschnittlich

Gesamteindruck:Gary ist ein angenehmer Schüler, weder von Ehrgeiz noch von tiefsinnigen Gedanken belastet. Bei ihm weiß man immer, wo man gerade ist. Nämlich in Stevenage.

Sehen Sie? Netter Typ. Echt nett, echt in Ordnung.

Aber ich glaube, genau das hat mich genervt. Die Vorstellung, dieses »Er ist okay, er ist gut genug, das müsste reichen«. Da war kein Funke, kein Feuer. Nichts Auffälliges. Und als ich dort auf dieser Party stand und ihn ansah und dann Sarah über seine Schulter hinweg, die so tat, als hätte sie nicht gemerkt, dass wir uns unterhielten und dass eine solche Situation für Erwachsene im einundzwanzigsten Jahrhundert etwas ganz Normales war, dachte ich: Wo ist die Magie?

Als wir uns kennengelernt haben, Sarah, war da Magie.

Die Bar, in der wir beide vorher noch nie gewesen waren. Der Spaziergang im Licht des fast vollen Mondes an der South Bank entlang. Die alte Dame im Nachtbus, die uns fragte, wie lange wir schon verheiratet seien. Die Nummer, die du mir vor deiner Haustür gegeben hast, der Anruf fünf Minuten später aus der Telefonzelle am Ende deiner Straße, der Käsetoast und der Wein in deiner Küche, der Kuss, der nächste Kuss, das Versprechen, dass wir eines Tages diese verrückte, alte Frau auftreiben und sie zu unserer Hochzeit einladen würden.

Okay. Vielleicht keine echte Magie. Vielleicht hätte der Mond noch voller sein können, und wir hätten etwas anderes als Käsetoast finden können, und vielleicht hätten unsere Zähne nicht aneinanderstoßen sollen, als wir uns geküsst haben, aber für mich war es Magie genug, Sarah. Und ich dachte, auch Magie genug für dich. Das ist der richtige Anfang einer Beziehung. Eine Geschichte. Was habt ihr zwei, Gary und du?

Ihr habt euch auf einem Betriebsausflug kennengelernt. Ihr wart beim Teamtraining in derselben Gruppe. Ihr habt euch im Hilton irgendwo an einer Schnellstraße betrunken. Aufgrund einer Firmenumstrukturierungsmaßnahme wurde Gary aus Stevenage hierher versetzt. Ihr habt euch um sieben getroffen, ihr wart beide pünktlich, und ihr wart erst in einer All Bar One, dann in einem Pizza Express. Am nächsten Tag hat Gary dir geholfen, einen besseren Preis für einen gebrauchten Golf herauszuschlagen. Jetzt seid ihr verlobt.

Mal ehrlich, Sarah, ich hoffe, du hast die Filmrechte verkauft.

Aber nein. Ist schon in Ordnung. Und ja. Ich bin ein Idiot.

Dabei wollte ich nur, dass der Anfang stark genug ist, damit wir es bis zum Ende schaffen, Sarah, und du hättest das auch wollen sollen. Keiner von uns dürfte sich mit einer Margherita begnügen.

Wie dem auch sei, ich muss zur Arbeit.

London Now ist die kostenlose Zeitung, von der ich schon erzählt hatte – so was wie Metro oder London Paper, aber diese ist randvoll mit Hinweisen auf Sachen, die man JETZT! oder HEUTE ABEND! oder MORGEN! unternehmen kann. Sie ist für Leute gedacht, die einfach nichts mit sich anzufangen wissen oder gern andere Leute in der U-Bahn beeindrucken wollen, indem sie zum Live-in-London-Teil blättern und sich über Auftritte mexikanischer Avantgarde-Jazz-Bands informieren, zu denen sie niemals gehen und die sie sowieso falsch buchstabieren würden.

Darin findet sich der übliche Mix aus anderem Zeug – nicht sonderlich aktuelle Nachrichten, Horoskope, die wir von irgendeinem Geisteskranken auf dem Land kaufen, der ein Faxgerät hat, Paparazzifotos von Popstars und Comics, die aus The Groucho oder Century stammen, es gibt Rubriken wie Heute vor x Jahren …,Wussten Sie schon, dass …?,Wo bist du? und andere Satzanfänge, deren Ende allerdings niemand hören möchte.

Außerdem ist die Zeitung zum Scheitern verurteilt. Wir wissen es alle, aber auf diesem Markt kann ein solches Prestigeprojekt einfach nichts ausrichten. Sie hatten die Zeitung in Manchester erfolgreich gestartet und dachten, sie bräuchten nur ein paar Londoner Themen mit einstreuen, und schon könnten sie in der Hauptstadt eine brandneue Zeitung einführen. Es war etwas Großtuerei im Spiel, mitten in der Rezession, ein kühner Schachzug mit etwas russischem Geld im Hintergrund, aber jetzt mussten Zoe und das Team tagtäglich damit fertigwerden.

O Gott, ich höre mich gerade selbst reden. Ich klinge undankbar. Und vielleicht zeichne ich gerade ein Bild von mir, mit dem ich nicht gänzlich glücklich bin. Ich mag den Job, wenn es denn genug zu tun gibt, ich habe meine Ersparnisse, aber freischaffend zu sein bedeutet eben, dass man alles machen muss, was sich einem bietet … und das ist irgendwie auch das Problem. Ich habe kein Spezialgebiet. Ich bin nicht etwa der Chef fürs Lokale bei London Now. Ich bin nur ein gemeiner Schreiberling, der vor der Allgemeinheit allgemeine Gedanken über Allgemeines verallgemeinert.

Nun, ich sage »allgemeine Gedanken«. Das stimmt nicht ganz. Diese Gedanken sind nicht meine allgemeinen Gedanken. Es sind extreme Versionen davon. Denn man muss eine Meinung haben. Letzte Woche war ich bei einem Perser in Bayswater namens Sindbad. Wäre ich noch Lehrer, hätte ich ihn wahrscheinlich folgendermaßen beurteilt:

Vorspeise: Ganz gut, schon in Ordnung, nichts Besonderes, aber okay.

Hauptgericht: Nicht übel, hab alles aufgegessen, also ja.

Insgesamt:Der Laden ist okay. Wenn Sie in der Gegend sind, Hunger haben und persische Speisen mögen, probieren Sie ihn aus. Haut mich nicht von den Socken.

Aber jetzt komme ich damit nicht mehr durch. Jetzt muss ich Sachen sagen wie:

Vorspeise: Farblos, schwülstig, denkbar schlechter Einstieg.

Hauptgericht: Eine Beleidigung, die möglicherweise innere Verletzungen zur Folge hat.

Insgesamt:Ärgerlich vergessenswert. Das hat Sindbad nicht verdient.

Sehen Sie? Haha. Ich bin clever. Zynischer, bissiger, schärfer.

Zoe war begeistert. Sie mag diese Sprüche in jeder Form. Wahrscheinlich habe ich es auch getan, um sie ein bisschen zu beeindrucken. Zum Teil, weil es bedeutet, dass sie mir mehr Arbeit gibt, aber auch, weil es Spaß macht, ein Mädchen zu beeindrucken.

Wäre ich noch Lehrer, würde ich sie folgendermaßen beschreiben:

Erscheinungsbild:Zoe Alice Harper ist sauber und gepflegt und hat ein Auge für die neueste Mode, was die zahllosen Einkaufstüten belegen, die ihren Schreibtisch umzingeln. Ihr Haar, einstmals eine lange, kastanienbraune Mähne, ist nun zu einem Bob gestutzt, was schon mal passieren kann, wenn man eine »lange Mittagspause« hat und einem im Friseurstuhl ungewohnt gesellig zumute ist. Zoe täte gut daran, solches in Zukunft vorher zu bedenken.

Haltung: Zoe ist ein Mädchen mit Ehrgeiz und Elan, dessen Arbeit stets überdurchschnittlich ausfällt. Wenngleich ich glaube (um meine Charakterzeichnung zu konterkarieren), dass es ihr größter Traum wäre, eine dieser Hasskolumnen zu schreiben. Sie wissen, welche ich meine. Diese Kolumnen, die einem erklären, dass alles schrecklich ist. Jede neue Fernsehserie, jede Nachricht in der Zeitung birgt irgendeinen bedrückenden Aspekt, der den Verfasser/die Verfasserin dieser Kolumnen erzürnt, weil sie ihre Zeit damit verbringen könnten, etwas anderes, etwas Wichtigeres zu tun, wie etwa Nudeln in der Mikrowelle aufzuwärmen oder ins Leere zu starren. Weil sie einen besseren Job haben könnten, obwohl sie es nie über das erste Vorstellungsgespräch hinaus geschafft haben. Weil alles besser wäre, wenn sie das Sagen hätten. Das Problem ist nur, ich glaube, Zoe ist gar nicht wirklich so. Es ist nur eine Modeerscheinung. Eine Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. Eine Abkürzung zum Humor, wie bei diesen Leuten auf Dinnerpartys, die Zynismus mit Witz verwechseln oder Gift und Galle für einen interessanten Standpunkt halten.

Egal. Schließlich vergeuden sie ja ihre eigene Zeit.

Gesamteindruck:Ich bewundere ihr Selbstvertrauen und mag ihre neue Frisur. Ich sehe Großes für sie voraus.

Im Übrigen spiele ich den Zyniker genau wie alle anderen auch. Obwohl ich hoffen möchte, dass ich es aus einer Reihe verzeihlicher Gründe tue. Als Sarah und ich auseinandergingen, habe ich fast jede CD, die man mir zur Besprechung gab, als kitschig, künstlich oder abgelatscht beschrieben (ich verstehe nichts von Musik, es sei denn, man zählt Hall & Oates dazu). Ich fing an, »meinetwegen« statt »wegen mir« zu schreiben. Als sie mich dann schließlich verlassen hatte, ließ ich Dampf ab, indem ich finsteren Blickes Pressevorführungen besuchte und Regisseure kreuzigte (von Filmen verstehe ich genauso wenig, abgesehen von Die Verurteilten, den ich grandios finde, und Pedro Almodovar mag ich auch irgendwie, aber das verrate ich niemandem, weil es so wichtigtuerisch klingt). Die nackte Wahrheit ist, dass es mir egal war. Das Leben diktierte meine Rezensionen, nicht ich.

Und ich glaube, heute, an diesem verkaterten Tag nach einer grausamen Nacht, dürfte wohl der Erstbeste sein Fett wegkriegen.

Wegen mir …

»Abrizzi’s«, sagte Zoe.

Sie trug ein schwarzes Polohemd und diese Brille, die sie gar nicht wirklich braucht, mit der sie aber aussieht, als wäre sie so was wie die Chefredakteurin einer Großstadtzeitung. Was sie – wie sie mir gern in Erinnerung ruft – in gewisser Weise ja auch ist. Ich glaube, insgeheim ist es ihr gar nicht recht, dass wir uns von der Uni kennen, als sie noch makabere T-Shirts trug und sehen konnte wie ein Adler – eine rehäugige Winona Ryder in Converse-Tretern.

An der Uni waren wir eng befreundet. Sprachen ernsthaft über die Zukunft und den Platz, den wir darin haben würden. Dann war sie ihren Weg gegangen, der ihr einen festen Job und diese Brille eingebracht hatte, und ich meinen, bei dem ich mir ein paar Tränensäcke eingehandelt hatte.

»Kleiner Italiener für den Neu-in-der-Stadt-Teil. Könnte dir gefallen. Du siehst übrigens grauenvoll aus. Was riecht da so?«

»Könnte Brombeere sein«, sagte ich, während ich den Computerausdruck betrachtete, den sie mir gegeben hatte. »Dann also ein Restaurant. Mal wieder.«

Zoe lächelte nur. Sie war gut zu mir gewesen, hatte mir Arbeit zugeschanzt, und ich war ihr dankbar. Eines Abends, nachdem mit Sarah alles schiefgegangen war, hatte ich meiner alten Freundin das Herz ausgeschüttet, ihr die Fehler gebeichtet, die ich in meinem Leben gemacht hatte, und war viel zu ehrlich und betrunken und am Boden gewesen. Hatte ihr gesagt, wenn ich nur noch mal von vorn anfangen könnte, wenn ich nur etwas Eigenes hätte, das ich formen und gestalten könnte. Trotz allem, was seither geschehen war, trotz der Distanz, die nun zwischen uns herrschte, wollte ich sie genauso anständig behandeln, wie sie mich behandelte. Die letzte Restaurantkritik hatte ihr gefallen, das merkte ich, denn irgendetwas daran hatte die weltmüde Frau berührt, die dieses Mädchen gern sein wollte. Doch da hatte ich es wieder, dieses kristallklare Traumbild, das ich immer wieder habe. Der Chefkoch im Sindbad, der ungeduldig auf die Rückkehr seines Kellners wartet, weil er gehört hat, dass das Restaurant endlich besprochen wurde, und er kann es kaum erwarten zu erfahren, was man über ihn sagt. »Ein Restaurantkritiker!«, wird er denken. »Endlich! Ein vielgereister, gebildeter Connaisseur! Welch Freuden mögen mich erwarten? Wie sind meine Wunderwerke in die Welt der Worte zu übertragen?« Und dann, als der Kellner mit einer regennassen Ausgabe von London Now auf dem Kopf vom U-Bahnhof gerannt kommt, wird dem Koch ganz flau im Magen, und seine Augen brennen, während sich die Worte »Ärgerlich vergessenswert« auf ewig in sein Herz ätzen. Und derweil sein Herz rast und seine Augen glasig werden, kommt ihm gar nicht in den Sinn, dass diese Phrase eigentlich völlig sinnentleert ist, denn wie sollte man sich über etwas ärgern, an das man sich nicht einmal erinnert? Und doch wird alles wieder gut. Morgen Abend werden genauso viele Gäste im Sindbad sein wie heute. Niemanden sonst interessiert es. Selbst mich hat es nur etwa eine halbe Stunde lang interessiert. Aber Mr Sindbad? Mr Sindbad wird diese Worte mit ins Grab nehmen und sich auf dem Weg dorthin gar nicht mehr so richtig wie ein Küchenchef fühlen. Und alles nur dank eines Mannes, der sich nicht mal mehr daran erinnern kann, was er damals bestellt hatte.

Ich schüttelte das Bild ab.

»Wo ist es?«, fragte ich.

Bitte irgendwo zentral. Nicht Harrow oder Uxbridge oder Mudchute. Ich habe überhaupt keine Lust, eine Stunde nach Mudchute zu fahren, um allein bei einem schlechten Italiener zu essen.

»Charlotte Street«, sagte sie fröhlich.

Charlotte Street. Da war ich gerade. Gestern erst.

Blauer Mantel. Hübsche Schuhe. Dieses Lächeln.

Was wäre gewesen, wenn ich gestern Abend mit ihr gesprochen hätte? Richtig mit ihr gesprochen?

»Der Tisch ist für sechs Uhr reserviert.«

»Sechs Uhr? Du musst ja ziemlich wichtige Leute kennen.«

Sie grinste spöttisch. Ich dachte an unsere Zeiten an der Uni. Wann hatten wir uns verändert? Taten wir immer noch so, als wären wir erwachsener, erschöpfter und verbitterter, als wir wirklich waren? Ich bin mir nicht sicher, wen wir beeindrucken wollten – die Welt oder einander.

»Du kannst deinen Text abgeben, wann du willst«, sagte sie. »Frag, was sie empfehlen, bestell es, egal was es ist, denk an die Quittung, mach keinen Quatsch und bezahl deine Drinks selbst. Außerdem: Halt dir den Donnerstagabend frei.«

»Wieso?«

»Vernissage.«

»Aber ich verstehe nichts von Kunst.«

»Ich gebe dir Arbeit!«, sagte sie. »Ich dachte, das wolltest du!«

Auf der Fahrt nach Hause beschäftigte ich mich mit den CDs und DVDs, die sie mir mitgegeben hatte, und überlegte, wie ich mich über deren Titel lustig machen konnte.

Als ich wieder in die Wohnung kam, wusste ich, dass da E-Mails auf mich warten würden. Welche, die ich nicht wirklich lesen wollen würde. Welche, die mir sagten, dass ich mich zum Vollidioten gemacht hatte, dass ich endlich erwachsen werden sollte, und andere, die sich um meine geistige Gesundheit sorgten und Sachen sagten wie: »Hey Mann, wenn du jemanden zum Reden brauchst …«

Ich sah trotzdem nach.

»Jase …«, schrieb Ben. »Wollen wir uns auf einen Kaffee treffen? Vielleicht sollten wir mal reden.«

Löschen.

»Jason, hier ist Anna«, schrieb Sarahs beste Freundin, die nur darauf gewartet hatte, dass diese Verlobung öffentlich wurde, damit sie in der Stadt rumrennen, schreckliche Brautabende organisieren und für alle pinkfarbene Feenflügel kaufen konnte, die sie anziehen sollten, um dann kreischend und krakeelend in jedes einzelne Pitcher & Piano auf dem Weg nach Holloway und dahinter einzufallen. »Ich glaube, Du solltest dich mal eingehend selbst betrachten und vielleicht nicht so viel trinken, denn das viele Trinken ist nicht gesund, Jason. Bier klärt überhaupt nichts, und außerdem solltest Du Sarah und Gareth ihr Leben leben lassen, denn Du hattest Deine Chance und solltest wie ein Erwachsener damit umgehen.«

Es folgten noch neun weitere Absätze.

Löschen.

Und dann … oh-oh.

Gary.

»Jason. Hör mal, Kumpel …« Ich zuckte zusammen. Er schrieb »Kumpel«. Er wollte mir kameradschaftlich kommen. Schlimmer noch, er wollte Verständnis zeigen.