Auf den Schwingen weiblicher Sexualität - Doris Christinger - E-Book

Auf den Schwingen weiblicher Sexualität E-Book

Doris Christinger

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Beschreibung

Wenn wir unsere Lebensenergie, die Sexualenergie, aktivieren, können wir nicht nur unser Liebesleben bereichern, sondern unser ganzes Leben bewusster und glücklicher gestalten. Das Buch von Doris Christinger zeigt den Weg, wie jede Frau die Kraft und Schönheit des eigenen Körpers entdecken, die Sinnlichkeit wecken und die Sexualität neu erleben kann, um zu mehr Bewusstsein und Spiritualität zu gelangen.

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Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe

2. Auflage 2011

ISBN 978-3-492-95640-6

Deutschsprachige Ausgabe: © Piper Verlag GmbH, München 2001 erschienen im Verlagsprogramm Pendo Umschlag: semper smile, München

VORWORT

Die heutige Zeit stellt hohe Ansprüche an uns Frauen: Wir wünschen uns Erfüllung in unserem Frausein, in unseren Beziehungen, in unserer Sexualität, im Beruf und in der Familie. Alles unter einen Hut zu bringen, ist eine Gratwanderung zwischen Heraus- und Überforderung. Es ist unser Wunsch, unser Potential auszuschöpfen und unsere Energie für das einzusetzen, was uns wichtig ist.

Wir alle sind sehr schnell wechselnden Veränderungen ausgesetzt – vor allem was das Rollenverständnis von Frau und Mann betrifft und somit auch unsere Sexualität. In Europa hat das Patriarchat seinen Höhepunkt überschritten, und das Matriarchat ist Vergangenheit. Die heutige Zeit bietet uns viele Möglichkeiten und stellt neue Herausforderungen.

Wir haben in den vergangenen Jahren gelernt, unsere männliche Seite zu leben: Unsere Wünsche und Bedürfnisse auszusprechen und sie bis zu einem gewissen Grade auch einzufordern. Unseren Weg zu gehen und dem näher zu kommen, was wir wollen. Der Alltag verlangt von den meisten Frauen, diese männlichen Eigenschaften zu akzeptieren und zu leben, während in unseren Beziehungen und vor allem in der Sexualität die weibliche Seite gefragt ist: Hingabe, das Zulassen von Nähe und das Verschmelzen mit einem Partner oder einer Partnerin.

Die Balance zu halten ist kein leichtes Unterfangen. Tagsüber sollen wir unsere Frau stehen und abends aufnehmend, hingebungsvoll und offen sein. Frauen (wie Männer) sind dazu aufgefordert, einen neuen Umgang mit diesen Qualitäten und Anforderungen zu finden – die eigene Individualität zum Blühen zu bringen und neue Wege des Miteinanders zu entdecken.

Wissen allein genügt nicht

Die Sexualenergie kann uns auf diesem Weg zu Eigenständigkeit, Beziehungs- und Liebesfähigkeit unterstützen. Denn sie verbindet uns nicht nur mit unserer Lebensenergie, sondern auch mit unserem Körper und unseren Gefühlen. Der Körper, die Gefühle und die Sexualenergie machen zu einem großen Teil unser Frausein aus. Das heißt nicht, daß der Intellekt nicht wichtig wäre, im Gegenteil. Nur ist der Verstand durch unser Schulsystem und durch unsere Lebensart bereits sehr gut ausgebildet. Wir können ihn für unseren Weg und unsere Absichten einsetzen. Doch das Wissen allein genügt in der Regel nicht.

Wirkliche Veränderungen geschehen erst, wenn der Körper und die Gefühle mit einbezogen sind. Und deshalb spielt der Körper eine zentrale Rolle auf dem Weg zum Frausein und zu unserer Sexualität. Wir wohnen ein Leben lang in unserem Körper. Er paßt sich an, verändert sich und ist im wahrsten Sinne des Wortes der Tempel unserer Seele.

Ebenso wichtig sind unsere Sinne. Sie sind die direkte Verbindung zu unserem Körper und Erdendasein und spielen somit auch bei der Freisetzung der Sexualenergie eine zentrale Rolle. Ein anderes entscheidendes Element sind die Gefühle. Wenn wir wirklich mit unseren Gefühlen in Kontakt sind, auch ihren oft schnellen Wechsel wahrnehmen und sie in Fluß bringen, entsteht eine immer intensivere Berührung mit uns selbst.

Unsere Sexualenergie, unser Wissen, unser Körper, unsere Sinne und unsere Gefühle unterstützen uns dabei, aus unserer Mitte heraus die anstehenden Schritte zu machen – sie bilden das Potential, aus dem wir unsere Kraft schöpfen können.

Das Paradoxe ist jedoch, daß wir uns gerade in Bezug auf die Sexualität auf sehr unsicherem Boden befinden. Auch mir erging es früher ähnlich: Während meiner Schulzeit wurde mir viel Wissenswertes beigebracht. Ich lernte Sprachen, Geschichte, Mathematik und vieles mehr – es gab jedoch keine einzige Unterrichtsstunde, in der ich etwas über Liebe, Sexualität und Beziehungen erfuhr. Dabei sind doch gerade diese Themen von eminenter Bedeutung im Leben jedes Menschen.

Da ich diese Themen in der Schule vermißte, sehnte ich mich nach einer Lehrerin, die mir in dieser Hinsicht mehr Wissen vermitteln konnte. Erst viel später habe ich erfahren, daß es früher diese Art Unterricht tatsächlich gab. Ich begegnete einer solchen Lehrerin in der Gestalt der Sappho von Lesbos, die zwischen 617 und 560 v. Chr. in Griechenland lebte. Die Priesterin vermittelte jungen Frauen den Kult der Aphrodite und der Musen und lehrte, daß sexuelle Liebe zu Schönheit und Schönheit zu Ekstase führt. In ihrem Hause bereitete sie junge Frauen auf die Liebe und Heirat vor (siehe auch Glossar).

Auf meiner persönlichen Suche

Meine Sehnsucht und Ahnung, daß Sexualität und Spiritualität von zentraler Bedeutung sind und zusammengehören, bewog mich, bereits als junge Frau auf die Suche zu gehen. Um meine Neugier zu stillen, machte ich verschiedene Ausbildungen, in denen überall der Mensch im Mittelpunkt stand. Mein Weg führte mich über die Sozialarbeit zu verschiedenen Formen der Körper- und Gesprächstherapie.

Noch offene Fragen zum Thema Sexualität motivierten mich weiterzugehen. So fand ich schließlich zum Tantra, weil dieser Ansatz im Gegensatz zu den meisten anderen spirituellen Lehren die Sexualität als den »Königsweg« zu Ekstase und Glückseligkeit ehrt.

Tantra hat mich wohl deshalb so berührt, weil es mich in meinem ganzen Wesen mit all meinen Aspekten erfaßt – mit meinen von mir geliebten und den von mir gehaßten Eigenschaften, mit meiner männlichen und meiner weiblichen Seite. Meine männlichen Fähigkeiten hatte ich bis dahin schon gut entwickelt. Ich hatte keine Probleme, meine Ziele zu verfolgen und mich durchzusetzen. Die weiblichen Fähigkeiten – Hingabe und Geschehenlassen – empfand ich jedoch als Fremdworte.

Den tantrischen Weg zu gehen war für mich auch deshalb faszinierend, weil die Tantriker Frauen verehren und die Werte, die sie vermitteln, achten. Der Frau wird im Tantra ein ganz besonderer Stellenwert zugestanden. Es ging mir vor allem um die Wiederentdeckung von weiblichen Gottesbildern, um das Entdecken von Frauen mit spirituellen Erfahrungen als Lehrerinnen, Wegweiserinnen und Meisterinnen. Ich suchte Frauen, die Sexualität und Spiritualität miteinander verbinden und die im Bewußtsein der Gleichwertigkeit mit einem Mann in Beziehung treten können. Aus dem Wissen, daß es solche Frauen gab und gibt, habe ich sehr viel Kraft geschöpft. Sie motivierten mich, meiner Ahnung und meiner inneren Stimme zu folgen.

Genau so wichtig war es für mich, einen Weg zu finden, den ich allein oder auch mit einem Partner gehen kann. Und es sollte ein Weg sein, der dort beginnt, wo ich gerade stehe, und der mir mein Potential und nicht meinen Mangel aufzeigt. Diese Qualitäten und Möglichkeiten habe ich im Tantra gefunden.

Mein beruflicher Weg

Meine ganz persönlichen Fragen zu meinem Frausein und meiner Sexualität brachten mich dazu, mich auch professionell mit dieser Thematik zu beschäftigen. Meine Arbeit über die weibliche Sexualität basiert auf zwei wichtigen Pfeilern: Zum einen vertraue ich auf meine persönlichen Erfahrungen, meine intensive und tiefe Auseinandersetzung mit meiner eigenen Sexualität, meiner Beziehungs- und Liebesfähigkeit und meinem ganz individuellen Frausein. Zum anderen kann ich aus meiner langjährigen Erfahrung als Seminarleiterin schöpfen – die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind für mich nach wie vor eine große Quelle der Inspiration.

Seit 1988 arbeite ich als Körper- und Sexualtherapeutin in Zürich. Zusammen mit meinem Partner Aman Peter Schröter biete ich Tantra-Seminare und Trainingskurse für Frauen und Männer an. In unserer gemeinsamen Arbeit und durch unsere Beziehung ist mir bewußt geworden, daß Frauen andere Fragen und einen anderen Zugang zur Sexualität haben als Männer. Dies hat mich bewogen, 1990 die Liebesschule für Frauen zu gründen. Mein Anliegen ist, Frauen auf eine weibliche Art zu unterstützen, damit sie zu sich selbst und zu ihrer Kraft und Würde finden.

Mein Ziel ist es, zu einem fruchtbaren Dialog zwischen Frau und Mann anzuregen. Ich möchte mein eigenes Potential umsetzen, mein Frausein stolz und kraftvoll leben und meinen Weg mit offenem Herzen gehen. Gestärkt durch diese Quelle in mir bin ich bereit, mich mit der Vergangenheit zu versöhnen und Hand in Hand mit meinem Partner einen gemeinsamen Weg zu gehen.

Immer wieder fragen mich Frauen, was es heißt, in der heutigen Gesellschaft Frau zu sein. Es wäre vermessen, diese Frage mit Rezepten zu beantworten, denn für jede Frau sieht der Weg anders aus – abhängig davon, woher sie kommt, wo sie im Moment gerade ist und wohin sie gehen will. Für mich ist es eine Reise zu mir und mit mir – und etwas Spannenderes gibt es wohl kaum.

Häufige Aussagen von Frauen

In meinen Seminaren sprechen viele Frauen über ihre Unsicherheit in der Sexualität. So ist die häufigste, meist indirekt gestellte Frage: Bin ich normal, so wie ich empfinde und fühle? Gibt es so etwas wie eine freie Sexualität? Was muß ich machen, um mich hinzugeben? Gibt es eine natürliche Begabung für Sexualität? Wie bringe ich Sexualität und Beziehung zusammen? Wie kann ich das Feuer des Anfangs in einer langjährigen Beziehung aufrecht erhalten? Was hat Sexualität mit Spiritualität zu tun?

Es berührt mich jedesmal von neuem, von all den Unsicherheiten und Verletzungen in Bezug auf unsere Sexualität zu hören. Es ist damit zu erklären, daß die Sexualität alle Lebensbereiche berührt: Sie spielt in unseren Beziehungen eine wichtige Rolle und konfrontiert uns mit unserer Identität als Frau, sie verbindet uns mit unserem Körper und unseren Sinnen, und sie beeinflußt unsere Gesundheit, auf allen Ebenen – physisch, psychisch und geistig.

Die meisten Frauen sind erleichtert, wenn sie erfahren, daß sie mit ihren Unsicherheiten und Fragen nicht allein sind. Deshalb ist so wichtig, sich auszutauschen und dieses immer noch große Tabuthema anzusprechen. Einige Frauen suchen Inspiration über Seminare, andere reden mit ihren Freundinnen und wiederum andere suchen Antworten in der Literatur.

Zu diesem Buch

Mit meinem Buch spreche ich alle Frauen an, die an einem persönlichen Wachstum interessiert sind und den Mut haben, ihre Lebenskraft für sich zu nutzen. Denn Sexualität geht uns alle an – unabhängig davon, ob wir in einer Beziehung leben oder nicht, ob wir hetero-, bi- oder homosexuell sind, ob wir jung oder alt sind, was wir beruflich machen und welchen gesellschaftlichen Status wir haben.

Mein Buch habe ich in fünf Kapitel unterteilt. Auf die Einführung folgen drei Kapitel, in denen ich konkret auf die Sexualität und das Wecken der Sexualenergie eingehe. Diese körperliche Ebene der Sexualität verlasse ich im vierten und fünften Kapitel, wo es um die energetischen und spirituellen Aspekte geht. Einigen Begriffen – wie Orgasmus und Hingabe – begegnen Sie deshalb zunächst unter dem einen und dann noch mal unter dem anderen Gesichtspunkt.

Zwischendurch lasse ich verschiedene Frauen zu Wort kommen. Sie erzählen von ihren Fragen und Schwierigkeiten und von der Schönheit der Sexualität. Es sind Frauen wie Sie und ich. An Ihren Worten habe ich nichts oder nur wenig geändert, da sie für sich selbst sprechen.

Spielaufgaben sollen anregen

Mit meinem Buch möchte ich Sie zu neuen Erfahrungen ermuntern. Deshalb schlage ich Ihnen in den ersten drei Kapiteln Spielaufgaben vor. Wenn Sie sich tatsächlich eine Veränderung ihres Sexuallebens wünschen, müssen Sie eigene neue Erfahrungen über Ihren Körper und Ihre Gefühle sammeln. Sie brauchen etwa drei Monate Zeit, damit Ihr Körper diese neuen Ideen und Impulse aufnehmen kann. Entscheiden Sie sich für die Spielaufgabe, die Sie neugierig macht, und praktizieren Sie sie dreimal pro Woche. Geben Sie dieser kleinen Stimme im Hinterkopf nicht nach, die da flüstert, daß das viel zu lange sei. Setzen Sie sich aber auch nicht unter Druck – es gibt Übungen, die nur wenige Minuten dauern.

Die Erfahrung zeigt, daß es besser ist, jeden Tag fünf Minuten Zeit einzusetzen, als einmal pro Woche zwei Stunden. Verlieren Sie keine Energie damit, sich jeden Tag zu fragen, ob Sie jetzt gerade Lust haben oder nicht. Während Sie solche mühsamen Entscheidungen fällen müssen, haben Sie die Übung bereits umgesetzt.

Ich freue mich, wenn Sie sich von dem, was ich in meinem Buch schreibe, inspiriert fühlen. Mögen die Schwingen der weiblichen Sexualität Sie zu Ihrem einzigartigen Wesenskern und zu Ihren ureigenen Ausdrucksformen des Frauseins tragen!

Doris Christinger, im September 1999

Sexualenergie ist Lebensenergie

Physikalisch gesehen ist Energie die Fähigkeit, etwas zu bewirken und die Umgebung zu beeinflussen. Ausdrucksformen dieser Energie sind Licht, Elektrizität, Hitze und chemische Vorgänge. Energie und Materie sind dasselbe, denn Materie ist eine sehr dichte Form von Energie. Bäume, Steine, Tiere und auch wir Menschen sind Ansammlungen oder Verdichtungen von Energie, ebenso wie Meereswellen und Berge.

Im Tantra wird davon ausgegangen, daß die Sexualenergie eine unaufhörlich fließende Energie ist, die unser ganzes Leben bestimmt. Sie ist die Grundlage für jedes Leben – reine Schöpfungsenergie – und somit die stärkste Energie, die wir zur Verfügung haben. Sie kann auch als neutrale, unkultivierte Turbokraft im menschlichen Organismus, als Lebensantrieb, verstanden werden.

Die Schöpfungsenergie ist unser Potential

Energie ist die Kraft des Lebendigseins. Es ist Schöpfungskraft, ein großes Mysterium, das alles durchdringt – die Gedanken, die Gefühle, den Körper, den Geist. Energie fließt in alle Lebensbereiche ein – in unsere Sinnlichkeit, in unser Bewußtsein, in unsere Beziehungen und in unsere Spiritualität. Wenn unser Körper stirbt, wirkt er wie eine leere Hülle, da die Energie, der Lebensfunke, nicht mehr da ist. Energie pulsiert auch in allem, was sich zwischen Menschen abspielt.

Obwohl wir unsere Haut als die äußerste Schicht unseres Körpers definieren, hört die Energie nicht an dieser Grenze auf. Denn wir haben eine Aura um unseren physischen Körper herum, die im ständigen Austausch mit den Energiefeldern unserer Mitmenschen steht.

Sexualenergie hat sehr viele Ausdrucksformen. Wir können sie in einer sinnlich sexuellen Begegnung mit uns selbst leben oder sie auch mit unserem Geliebten oder unserer Geliebten austauschen. Mit dieser Energie können wir ein Kind zeugen oder wir können die Schöpfungskraft an sich genießen und sie für unsere individuelle Entwicklung, Selbstheilung und Transformation verwenden.

Die Sexualenergie ist unser im Körper gespeichertes Potential, auf das wir jederzeit zurückgreifen können. Um sie zu mobilisieren, brauchen wir nicht weit zu suchen, denn wir bringen reine Energie und Lebendigkeit mit, wenn wir geboren werden. Bei der Geburt sind wir vollkommene, vibrierende und pulsierende Wesen. Wir werden mit der vollen Lebenskraft geboren.

Im Laufe der Zeit nehmen jedoch die meisten von uns ihre Energie aufgrund von Erfahrungen zurück. Zusätzlich wird die Sexualenergie durch den Alltagsstreß geschwächt. Wir lernen, unsere Lebendigkeit und Erotik zu fürchten, zu unterdrücken und abzulehnen.

Zum Ursprung zurückkehren

Wir können unsere Schöpfungsenergie wieder wachrufen und uns der Sexualenergie zuwenden. Dann kehren wir zu unserem Ursprung zurück und laden wieder Freude, Lebendigkeit und Ekstase in unser Leben, in unsere Beziehungen und in unseren Alltag ein.

Nur wenn wir mit uns selbst und somit mit unserer Lebenskraft in Verbindung sind, können wir auch in Beziehung mit anderen Menschen treten. Wenn wir uns die Lebendigkeit, Zärtlichkeit und Liebe, die wir uns von anderen erhoffen, selbst nicht schenken, werden wir sie auch nirgends finden. Denn wie soll ich einen anderen Menschen nähren, wenn ich mich selbst nicht nähren kann?

Wie leben wir unsere Sexualenergie?

Da die Sexualenergie in sämtliche Lebensbereiche mit einfließt, ist es sehr spannend, sich mit ihr auseinanderzusetzen und sich die Frage zu stellen: Wie lebe ich meine Sexualität? Für diese Bestandsaufnahme ist es unwesentlich, ob wir gerade in einer sexuellen Beziehung leben oder nicht.

Wenn wir uns mit Tantra beschäftigen, lernen wir in einem ersten Schritt, uns mit der Sexualenergie (wieder) zu verbinden und unser Potential auszuschöpfen. Der Weg führt uns über das Öffnen der Sinne zum Zulassen von Erotik und Sexualität.

Wenn wir diese Energie geweckt haben und mit ihr verbunden sind, müssen wir entscheiden, in welche Bereiche wir den Energiezuwachs fließen lassen wollen. Uns stehen unzählige Möglichkeiten offen. Vielleicht wollen wir uns voll und ganz unserer beruflichen Karriere widmen. Wir können aber auch neue Freundschaften oder eine neue Liebesbeziehung eingehen, uns auf einen spirituellen Weg einlassen oder unsere Wünsche und Träume in die Tat umsetzen. Jede Frau wird – aufgrund ihrer Wesensart und abhängig von der aktuellen Lebensphase – andere Prioritäten setzen.

Je mehr wir die Sexualenergie befreien, desto kraftvoller werden wir und desto stärker sind wir mit unserem Liebespotential verbunden. So wird sie zu einer Quelle von Vitalität, Unabhängigkeit und Liebe – Liebe zu uns selbst und zu anderen Menschen. Unsere Kommunikation wird klarer, und wir können zu unserer individuellen Wahrheit stehen. Denn Sexualität ist nichts anderes als Kommunikation, unsere individuelle Sprache und Ausdrucksform – auf allen Ebenen unseres Seins.

Claudia: In der Sexualität aufblühen

»Erotik und Sexualität sind mir sehr wichtig. Das war der Grund, weshalb ich meine letzte Beziehung beendete. Ich habe es sehr bedauert, daß die Sexualität so stark in den Hintergrund gerückt war. Es war eine interessante, gute Beziehung. Ich fühlte mich sehr zerrissen und hatte das Gefühl, daß sie doch nicht nur wegen der mangelnden Körperlichkeit auseinandergehen darf. Dann habe ich mich in einen anderen Mann verliebt. Ich merkte, daß Sexualität einen viel höheren Stellenwert in meinem Leben hat, als ich es mir bis dahin zugestanden hatte. Sie ist für mich der Ort, wo ich auftanke, wo ich aufblühe. Heute denke ich, ich habe schon so viel erlebt. Ich weiß, was es heißt, sich in einer Liebesbeziehung intensiv auszutauschen. Was es heißt, ehrlich zu sein und Vertrauen zu fassen. Ich weiß, daß es spannende Sexualität geben kann, und wünsche mir einfach alles in einem.«

Die Sexualenergie stärkt unsere Gesundheit

Die Sexualenergie ist auch für unsere Gesundheit elementar. Wir können die Kraft der Sexualenergie, aus der neues Leben entstehen kann, jederzeit für uns selbst nutzen: für unsere körperliche, psychische und geistige Gesundheit.

Die Sexualenergie können wir auf allen diesen Ebenen wahrnehmen. Doch die meisten Menschen haben nur Zugang zu einer dieser drei. So kann es sein, daß wir genau wissen, was wir fühlen, aber keine Ahnung haben, was unser Körper dabei empfindet oder umgekehrt. Es gehört zum größten Glück, mit der Aufmerksamkeit und Wahrnehmung gleichzeitig auf allen Ebenen sein zu können.

Die Sexualenergie auf der Körperebene

Der Körper ist organisch und somit in ständiger Veränderung. Jedes Organ kommuniziert, jede Zelle spricht zu uns. Viele Menschen haben es jedoch verlernt, den Rhythmus des Körpers wahrzunehmen und zu verstehen. Um diese Freude wieder empfinden und die feinen Zwischentöne hören zu können, müssen wir einen Weg der kleinen Schritte gehen.

Wenn wir dann ein starkes und sensitives Bewußtsein für unseren Körper entwickelt haben, können wir in einen Dialog mit ihm treten. Der ganze Körper wird sich leicht, pulsierend und vibrierend anfühlen.

Die Sexualenergie auf der Gefühlsebene

Die meisten Menschen werden nicht darin bestärkt, ihre Gefühle wahrzunehmen und sich von ihnen leiten zu lassen. Daher entsprechen unsere Gefühle selten dem Stand unserer intellektuellen Entwicklung, und schon gar nicht unserem tatsächlichen Alter.

Es hört sich recht einfach an, ab sofort wieder alle Gefühle zuzulassen. Denn mit den positiv bewerteten Gefühlen haben wir nur selten Probleme – unsere Freude, Zuneigung und Liebe drücken wir gern aus. Aber wie steht es mit den negativ bewerteten Gefühlen? Damit mögen sich viele nur zögernd auseinandersetzen. Frauen verleugnen z. B. gern ihre Aggression und ihre Wut, bei Männern ist offene Trauer verpönt. In unserer Kultur ist es erstrebenswert, vor allem die negativen Gefühle zu kontrollieren und zu beherrschen.

Im Laufe des Erwachsenwerdens neigen wir dazu, Gefühle nur zu denken. Es ist aber wichtig, zwischen Denken und Fühlen unterscheiden zu können.

Wenn wir all unsere Gefühle wahrnehmen und leben, nutzen wir unsere gesamte Energie. Dann haben wir den Zugang zu der Stimme unseres Körpers (wieder)gefunden und können unsere innere Stimme wahrnehmen.

Die Sexualenergie auf der mentalen Ebene

Unsere Gedanken sind mächtig und kreativ. Denn durch sie erschaffen wir uns die Wirklichkeit, an die wir glauben – die Energie folgt den Gedanken. Die Kraft der Gedanken können Sie für sich nutzen. Dafür müssen Sie sich zunächst bewußt werden, was Sie denken, und welche Prägungen und Muster dahinterstehen. In einem zweiten Schritt geht es darum, welche Gedanken Sie unterstützen wollen und welche nicht.

Halten Sie kurz beim Lesen inne, und denken Sie an das schönste Bild, das Sie innerlich von sich selbst haben. Wenn Sie Ihre positiven Gedanken verstärken wollen, sollten Sie sie jetzt laut aussprechen – dann werden sie noch kraftvoller und können sich eher auf der Handlungsebene manifestieren.

Agieren statt reagieren

So wie wir voller Lebendigkeit und Ekstase geboren werden, sind wir auch mit der Fähigkeit ausgestattet, genau zu wissen, was wir wollen. Schauen wir uns einmal kleine Kinder an: Wie unmißverständlich sind sie doch in ihrem Ausdruck, in ihren Gefühlen – unabhängig davon, wie dies von ihrer Umgebung aufgenommen wird! Doch dann lernen sie, mit welchen Gefühlen sie willkommen sind und mit welchen nicht. Und sie beginnen sich zurückzunehmen, nicht mehr so wild und spontan zu sein.

Mit der Zeit haben wir gelernt, daß wir das, was wir wollen, nicht bekommen können. Demzufolge gehen wir, um Enttäuschungen zu vermeiden, unseren Leidenschaften und Wünschen nicht mehr nach. Wir weichen dem Risiko aus und entscheiden uns für ein kalkulierbares Leben. Dieses Leben ist jedoch oft nicht viel mehr als ein Funktionieren. Es ist auf weiten Strecken ein Leben in der Mittelmäßigkeit.

All die Gefühle, die wir gelernt haben zu unterdrücken und nicht zu zeigen, blockieren unsere Lebensenergie und damit unseren spontanen Ausdruck. Genau dasselbe geschieht mit unserer Sexualenergie, mit dem Ausleben von Erotik und Sexualität.

Verantwortung für die eigene Erotik übernehmen

Leider werden viele junge Frauen nicht ermutigt, ihre Kraft und Schönheit, ihre Sinnlichkeit, Körperlichkeit und Sexualität zu leben und zu genießen. Einfache Schuldzuweisungen an Eltern oder die Gesellschaft greifen aber zu kurz – jeder Mensch kann nur das weitergeben, was er selbst integriert hat.

Es zieht sich ein roter Faden durch die Lebensläufe der verschiedenen Frauengenerationen: Den meisten Frauen fällt es sehr schwer, das umzusetzen, was sie sich erträumen und dafür Verantwortung zu übernehmen. Das zeigt sich gerade am Beispiel der Sexualität besonders deutlich. So trauen sich viele Frauen nicht, Erotik auszustrahlen. Andere leiden darunter, ihren eigenen Körper nicht mehr zu spüren.

Trotz der offensichtlichen äußeren Veränderungen, die dank der Frauenbewegung und Emanzipation stattgefunden haben, verhalten wir uns in vielen Bereichen (noch nicht) wie Meisterinnen unseres eigenen Lebens. Es sieht so aus, als hätten wir das Gefühl vom »Opfersein« sozusagen mit der Muttermilch eingenommen. Wenn äußere Einschränkungen wegfallen, übernehmen meistens unsere inneren Kontrollinstanzen diese Funktion (siehe auch: Die innere Stimme).

Verinnerlichte Instanzen arbeiten in der Regel sehr subtil. So ist es eine Herausforderung, sich selbst immer wieder einer Realitätsüberprüfung zu unterziehen: Lebe ich mein Potential? Lebe ich meine Wahrheit, meine Körperlichkeit, meine Sexualität?

Akzeptieren und verzeihen

Wir brauchen Kraft und Mut, aus der Opferrolle auszusteigen und das eigene Leben in die Hand zu nehmen. Wir müssen ein gesundes Selbstbewußtsein haben, wenn wir uns für die eigene Größe und Schönheit entscheiden. Und wir sollten akzeptieren, daß es im Leben jeder Frau Ereignisse gibt, die weder erklärt noch verändert werden können. Es geht darum zu verzeihen – uns selbst, den Menschen, die uns verletzt haben, und dem Leben, das uns Schmerz zugefügt hat.

Wir können die Opferrolle durchbrechen, indem wir Beziehungen, Gedanken und Aktivitäten suchen, die uns in der Würde und Kraft des Frauseins unterstützen und nähren.

Wir wissen, daß wir andauernd unsere Realität selbst erschaffen: Die Energie folgt unseren Gedanken. Überlassen wir unser Leben dem Zufall, wird eine unbewußte Reaktion von der nächsten abgelöst. Denn wie das Wort schon sagt, ist Re-aktion nichts anderes als die Wiederholung einer Aktion.

Wenn wir reagieren, handeln wir nach einem Programm aus der Vergangenheit. Wir beurteilen und bewerten die Erfahrungen, die wir gerade machen und suchen in unserem Erinnerungsspeicher nach einer gleichen oder ähnlichen Erfahrung, um dann genau so zu handeln wie das letzte Mal.

Wollen wir agieren, müssen wir diesen Kreis der Wiederholungen durchbrechen und zunächst eine bewußte Entscheidung fällen und diese dann auch in die Tat umsetzen. Wir brauchen Disziplin, uns immer wieder an die Entscheidung zu erinnern und am Ball zu bleiben. Aber nur so schaffen wir uns die Gegenwart, die auf unserer jetzigen Wahrheit basiert.

Es ist also wichtig, ein Bild vom eigenen Ich zu haben: Wer wollen wir sein? Was wollen wir erreichen? Welche Prioritäten setzen wir in unserem Leben? Wenn uns die Antworten klar sind, sind wir dazu aufgefordert, dieses innere Wissen umzusetzen und durch entsprechendes Handeln in eine Form zu bringen, uns zu gebären und somit zum Leben zu erwecken.

Würde und Kraft des Frauseins

Frauen, die sich ihrer Kraft und Schönheit bewußt sind, zeichnen sich durch Anmut, Würde, Stolz und Erotik aus. Sie lassen die Urkraft und die Urenergie zu – sie sind sich ihrer Sexualenergie bewußt und setzen sie auch gezielt ein.

Sexualenergie an sich ist wertfrei, ein Potential, das wir mitbringen und für uns nutzen können. Verbinden wir diese Energie mit unserem Herzen, unserer Intuition und Weisheit, wecken wir die Liebe in uns. Es ist eine lebendige, energiegeladene, kraftvolle, wilde und charismatische Liebe. Eine Liebe, die verändert, und unser Wesen hervorbringt. Eine Liebe, die Kraft gibt, die eigenen Werte umzusetzen. Eine Liebesenergie, die Mut macht, der Wahrheit und Weisheit des eigenen Herzens zu folgen.

Für diese Schritte brauchen wir ein starkes Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl. Doch gerade damit sind wir oft nicht reich gesegnet. Wie häufig betteln wir um Anerkennung und sehnen uns danach, unterstützt und geliebt zu werden? Wie oft versinken wir in tödlicher Resignation oder in Selbsthaß?

Von anderen Frauen und Männern lernen

Die für unser Wesen gültigen Werte müssen wir selbst finden. So können wir z. B. nicht werden wie eine Person, die uns besonders beeindruckt. Denn dadurch werden wir zu einer Kopie. Wir können jedoch von anderen Frauen und Männern lernen, sie als Rollenmodell nehmen. Wir können uns solche Menschen näher anschauen: Welche Eigenschaften schätzen wir ganz besonders an ihnen und inwieweit haben wir diese Fähigkeiten bereits selbst entwickelt?

Wir können aus Büchern lernen und überprüfen, welche Inhalte uns berühren. Wir werden die Erfahrung machen, daß immer wieder neue Lehrerinnen und Lehrer in unser Leben treten, die uns die Räume öffnen, die im Moment wichtig sind. Über all das lernen wir unsere ganz eigenen, individuellen Werte kennen.

Wenn ich mein persönliches Leben im Rückblick anschaue, stelle ich in großer Dankbarkeit fest, daß jeweils im richtigen Moment die richtigen Personen oder Ereignisse in mein Leben traten.

Weibliche Werte

Frausein heißt, alle Formen und das ganze Farbenspiel des eigenen Wesens zu akzeptieren und auszudrücken. Frausein heißt, im Prozeß zu sein und die eigene Sexualität zu leben. Es heißt auch, eine Wahl und einen freien Willen haben.

Zu den Fähigkeiten, die zu einem ganzheitlichen Frausein gehören, zähle ich u. a. Mitgefühl, Liebe, Respekt und Achtung vor der Natur und den Zyklen, Hingabe, auch die Hingabe an das Wilde und Unzähmbare in uns sowie die Fähigkeit, Beziehungen einzugehen und zu kommunizieren. Frausein heißt, eins zu sein mit der Intuition, der inneren Stimme. Es bedeutet, den Körper, die Sinnlichkeit, Erotik und Sexualität zu zelebrieren – und die Kraft und Macht der Sexualität zu nutzen, für uns und unseren Prozeß.

All diese Fähigkeiten tragen wir in uns – sie gehören zu unserem Frausein. Allerdings bekommen sie erst Kraft und Wirkung, wenn wir sie anerkennen. Niemand außer uns selbst kann ihnen den Wert zugestehen, den sie haben. Wenn wir uns jedoch mit diesen spezifisch weiblichen Eigenschaften verbinden, verbinden wir uns mit der ihnen innewohnenden Kraft.

Was wollen wir aus tiefstem Herzen?

Das Leben lädt immer wieder zum Rückzug und zur Überprüfung dessen ein, was gerade ansteht. Was ist aus meiner Seele geworden? Was droht abzusterben, wenn ich so weitermache wie bisher? Welche Wünsche habe ich begraben? Wie steht es um meine Liebesfähigkeit, um meine Wildheit? Welche Verbindung habe ich zu meinem Wesenskern?

Zu den wichtigsten Lebensaufgaben überhaupt gehört es, unterscheiden zu lernen. Oft bedeutet das, immer wieder zu verzichten und abzuwarten, bis sich das anbietet, was wir aus tiefstem Herzen wollen. Denn die Schlüsselfragen lauten: Worauf habe ich Hunger? Was will ich wirklich?

Traum von einer Bäckerei

»Meine eigene Entwicklung möchte ich Ihnen anhand eines Traumes verdeutlichen, den ich über einige Monate hinweg hatte und der sich im Laufe der Zeit veränderte.

Erster Traum: Ich gehe in eine Bäckerei und schaue mir die Auslagen mit all den Köstlichkeiten an. Ich fühle mich überfordert, eine Wahl zu treffen. Meine Augen fallen ganz unten rechts auf einen versteckten Schokoriegel. Ich traue mir nicht, den ganzen Riegel zu verlangen und frage scheu nach der Hälfte.

Zweiter Traum: Ich gehe in die gleiche Bäckerei und freue mich bereits im Vorfeld auf die ganzen Süßigkeiten. Beim Betrachten der Auslage läuft mir das Wasser im Munde zusammen. Ich fühle eine gewisse Scheu und bin überfordert mit einer Auswahl. So verlange ich einen Schokoriegel, denn ich weiß, wo sie liegen. Ich begnüge mich aber nicht nur mit der Hälfte, sondern habe schon den Eindruck, daß mir eigentlich ein ganzer Schokoriegel zusteht.

Dritter Traum: Voller Vorfreude gehe ich in die Bäckerei. Ich schaue mich um und freue mich an der großen Auswahl. Eigentlich finde ich alles, was es zu kaufen gibt, wunderbar. Ich bin spielerisch und strahlend aufgelegt und entscheide mich, daß ich das Recht auf die ganze Bäckerei habe. Und so kaufe ich die ganze Bäckerei.«

Stationen auf dem Weg zum Frausein

Traditionell wurde der weibliche Lebenszyklus immer in Hinblick auf die drei Blutmysterien betrachtet, auch heute noch bedeuten sie wichtige Stationen im Leben jeder Frau. Der Übergang vom Mädchen zur jungen Frau wird durch die erste Monatsblutung – die Menarche – markiert. Dann folgen die vielen Jahre, in der das Blut monatlich aus unserem Schoß fließt. Unterbrochen wird diese Blutung nur dann, wenn wir schwanger sind. Schließlich folgt die Zeit, in der die Blutung ganz aufhört – die Menopause verdeutlicht den Übergang der Vollblutfrau zur weisen, reifen Frau (siehe auch: Menstruation – Von der Menarche zur Menopause).

Ende des 19. Jahrhunderts wurden Frauen nur rund 47 Jahre alt. Jede Schwangerschaft und Entbindung beinhaltete die Möglichkeit des Todes – für die Frau und auch für das Kind. Jede Schwangerschaft oder jede Krankheit war bedrohlich, Leben und Tod waren eng aneinander gekoppelt.

Heute werden viele Menschen dank der besseren Lebensumstände und der Medizin viel älter. Die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen liegt derzeit bei 75 Jahren. Wir haben also rund 30 Jahre mehr zur Verfügung. Und das sind Jahre, die wir neu entdecken und füllen können.

Mehr Möglichkeiten als früher

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Bedingungen für uns Frauen in der westlichen Welt stark verändert. Wir werden mit anderen Themen in unserem Frausein konfrontiert als unsere Ahninnen. Es geht weniger um einen Überlebenskampf, denn die meisten von uns sind nicht mehr übermüdet und erschöpft durch eine anstrengende körperliche Arbeit.

Wir haben viele Möglichkeiten, unserem Leben den Ausdruck zu geben, den wir als wichtig erachten. Wir können uns entscheiden, welche Lebensbereiche wir besonders unterstützen wollen. Doch setzen wir bewußt Prioritäten für unseren Lebensweg und unsere Beziehungen? Machen wir unseren Beruf zu unserer Berufung? Wollen wir eine Familie gründen? Wollen wir Beruf und Familie unter einen Hut bringen?

Im Laufe der Generationen hat sich auch unsere Körperlichkeit geändert. Die Menarche setzt bei den heutigen Pubertierenden früher ein. Ihre Mädchenjahre werden verkürzt, der Ernst des Erwachsenenlebens mit all den dazugehörigen Verantwortungen beginnt früher. Heute können sich Frauen – mehr oder weniger – frei entscheiden, ob und wann sie Mutter werden wollen.

Sexualität und Fortpflanzung sind nicht mehr zwangsläufig aneinander gebunden. Dank der Geburtenkontrolle können wir uns für eine sinnliche, erotische und lustvolle Sexualität entscheiden, die wir in vollen Zügen genießen können.

Neue weitere Räume schaffen

Sicherlich sind die drei Blutmysterien auch heute noch wichtige Ereignisse im Leben einer Frau, die wir nicht einfach hinnehmen, sondern zelebrieren sollten. Mittlerweile bewegen wir uns aber auf einem neuen Weg: Wir wachsen über die Mysterien hinaus und brauchen die körperlichen Übergänge von Menarche, Blutung und Menopause nicht mehr als Beschränkungen zu erleben, sondern können uns neue weitere Räume schaffen, um unser Leben zu gestalten.

Schauen Sie sich Frauen der mittleren Lebensjahre an. Wie vital, jung und im vollen Besitz ihrer Kräfte sie sind. Oder die heutigen Seniorinnen, die einen Neustart wagen und ihrem Leben eine andere Einfärbung geben. Es sind hellwache Frauen, die offen sind für die Veränderungen, die das Leben mit sich bringt.

Die Zeit ist reif, daß wir unser Frausein so gestalten, wie es für uns stimmt. Wir haben die Möglichkeit, eine erfüllte, lustvolle und ekstatische Sexualität zu leben. Wir können unseren Töchtern vorleben, was es heißt, als Frau wertvoll und respektiert zu sein. Wir müssen ihnen nicht beibringen, sich möglichst früh in ihren Verführungskünsten zu üben. Wir können sie darin bestätigen, ihr Selbstwertgefühl durch ihre Eigenart zu erhalten und unabhängig von äußeren Bestätigungen zu werden. Wir können ihnen deutlich machen, daß ihre körperlichen Veränderungen und Empfindungen wunderbar sind. Daß die treibende Kraft in ihnen die Lebenskraft ist und daß sie damit selbstverantwortlich umgehen können.

Im Dialog mit Frauen und Männern

Es ist eine wunderbare Zeit, die Vielschichtigkeit des Frauseins auf unsere individuelle Art zu entdecken. Und es ist eine Zeit, die uns tiefe und bereichernde Begegnungen mit Frauen und Männern ermöglicht. Wenn wir ein gutes Selbstbewußtsein entwickeln und uns die Unterschiedlichkeit zwischen den Geschlechtern bewußt ist, können wir in einen lebendigen und wachstumsfördernden Dialog mit den Männern eintreten. Dann gibt es nichts mehr zu bekämpfen.

Viele Frauen und Männer sind heute stark verunsichert, was ihre weibliche bzw. männliche Identität betrifft. Diese Irritation macht verletzlich, öffnet aber auch gleichzeitig neue Möglichkeiten für einen anderen Umgang miteinander. Nutzen wir die Qualität der Zeit, und leben wir unser Frausein in Würde und mit Stolz!

I

UNSER KÖRPER

Unsere Sinne – das Tor zur Erotik

Wir sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen das Leben in und um uns. Unsere fünf Sinne sind das Tor zu unserer Wahrnehmung und Glückseligkeit. Über sie kommunizieren wir mit unserer Umwelt, mit Mensch und Natur.

Ein sinn-volles Leben, ein Leben mit allen Sinnen zu leben, heißt, sich von der Magie des Moments bezaubern zu lassen, ihn vollkommen auszukosten. Doch wie selten nehmen wir uns die Zeit, im Moment zu leben, im Hier und Jetzt wirklich und wahrhaftig zu sein. Wir erledigen tausend Dinge gleichzeitig: Beim Autofahren verschlingen wir schnell ein Sandwich, um anschließend mit unserer Mitarbeiterin zu telefonieren. Zuhause angelangt hören wir Musik, arbeiten am Computer und unterhalten uns mit dem Lebenspartner. Beim Lieben führen wir innerlich Zwiegespräche mit einer Freundin und gehen auch gleich noch die Termine für den nächsten Arbeitstag durch. Anstatt einen Augenblick zu genießen, sind wir innerlich bereits beim nächsten, und in Gedanken planen wir bereits die übernächsten Aktivitäten.

Die Reize überfluten uns

Tagtäglich sind wir Millionen von Reizen ausgesetzt, welche uns im wahrsten Sinne des Wortes überfluten. Darum nehmen wir sie nicht mehr bewußt wahr. Es entsteht ein Manko, das uns antreibt, nach noch mehr Sinnesreizen zu dürsten.

Schneller, intensiver, aktionsreicher gestalten wir darum zusehends unser Leben. Die ersehnte Intensität holen wir uns mittels Adrenalinschub in künstlich erzeugten Extremsituationen: Bungee Jumping, Canyoning und Freeclimbing heißen einige der vermeintlichen Zauberworte.

Doch der Effekt dieser Extremsportarten ist kurz, das schale Gefühl in unserem Innern nimmt schon bald wieder überhand. Um es loszuwerden, leiten wir neue, noch aufregendere Aktivitäten in die Wege. Dasselbe gilt für die Gefühlsdramen, die wir inszenieren, um unser eigenes Ich endlich wieder einmal zu spüren und den Kontakt mit uns selbst, unserem innersten Selbst, zu intensivieren. Die Selbstüberlistung ist perfekt.

Die ganze Vielfalt eines Sinnes auskosten

Wer sich nach Sinn und Sinnlichkeit im Leben sehnt, muß sich selbst eine Chance einräumen, auf seine Sinne hören zu können. Das gelingt nur, wenn wir unser Lebenstempo bremsen und uns aus der Spirale der hektischen Reizüberflutung lösen. Dazu müssen wir umlernen, ganz bewußt aussteigen und uns der Langsamkeit des Seins zuwenden.

Erst wenn wir uns die erforderliche Zeit zugestehen und uns immer wieder nur auf einen Sinn ausrichten, können wir alles um uns herum intensiv wahrnehmen. Dank dieser Verlangsamung erkennen wir dann, daß jede Minute unseres Alltags voller Überraschungen ist. Zusätzlich zu der Wahrnehmung der ganz intensiven und leuchtenden Farben entwickeln wir mit der Zeit und einiger Übung ein Empfinden für die unendlich vielen feinabgestimmten Zwischentöne und -farben, die genauso berührend sind. Sie werden um so lebendiger und erfüllender, je mehr wir uns für diese Wunder des Alltags öffnen können.

Ein intensives Leben zu führen heißt, unter Einbezug all unserer Sinne zu leben. Dafür müssen wir uns Zeit nehmen. Zeit für uns selbst. Die Zeit, im Moment zu sein. Zeit, das Leben mit all seinen Facetten und Schattierungen wahrzunehmen.

Mit den feinsten Wahrnehmungen unserer fünf Sinne bereichern und verwöhnen wir uns. Sie werfen uns, vor allem im positiven Sinn, auf uns selbst zurück. Denn unsere Sinne sind das Tor zu uns selbst. Sie helfen uns, im Einklang mit unserer eigenen inneren Kraft zu leben. Und zwar nicht für ein paar Sekunden oder Minuten, wie es z. B. beim Extremsport häufig der Fall ist, sondern für immer. Lebenslang.

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