Auf nach Namibia - Erhard Kaupp - E-Book

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Erhard Kaupp

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Beschreibung

Auszuwandern in das Land seiner Träume bleibt für viele Menschen unerreichbar. Autobiografisch lasse ich den Leser eintauchen in die aufregende Welt meiner Auswanderung, die mich für beinahe 10 Jahre ins südliche Afrika nach Namibia entführte. Der Leser darf mit auf die spannende Reise durch einen Alltag, der zu keiner Zeit langweilig war. Vom Abflug in Frankfurt angefangen über die Hürden des Alltags bis hin zu den abenteuerlichsten Safaris in die älteste Wüste der Welt, die Namib. Vom Traum der beruflichen Selbstständigkeit und die damit verbundene Freiheit und Unabhängigkeit, bis hin zu dem Tag, an dem das Abenteuer Afrika ein unvorhersehbares Ende nahm.

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Seitenzahl: 410

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Erhard Kaupp

Auf nach Namibia

Abenteuerliche Geschichten einer Auswanderung

© 2017 Erhard Kaupp

Umschlag & Illustration: Erhard Kaupp

Lektorat: Tiziana Gentili-Nenning

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback

978-3-7439-1194-9

(Paperback)

Hardcover

978-3-7439-1195-6

(Hardcover)

e-Book

978-3-7439-1196-3

(e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Vorwort

Auswandern bleibt für viele Menschen ein unerreichter Traum. „Wenn man etwas will und konsequent darauf hinarbeitet, dann kann man es auch erreichen.“ Mit dieser Einstellung hängte ich mit 35 Jahren meinen Beamtenjob an den Nagel und wanderte nach gründlicher Vorbereitung, wie man so schön sagt, mit Sack und Pack nach Namibia ins südliche Afrika aus. In kurzen und zum Teil in sich abgeschlossenen Geschichten möchte ich den Leser in dieser autobiografischen Erzählung daran teilhabenlassen, wie mein Traum von Selbstständigkeit, Freiheit und der damit verbundenen Unabhängigkeit zum Alltag wurde um am Ende doch noch wie eine Seifenblase zu zerplatzen. Übrig geblieben sind die Erinnerungen an außergewöhnliche Erlebnisse und zum Teil abenteuerliche Geschichten, als ich mich mit Touristen auf Safaris in die Wüste wagte.

„Ich durfte diese Jahre so viel erleben, das muss ich einfach weitererzählen.“

So entstand die Idee zu diesem Buch. Die Namen der Protagonisten wurden geändert und Ähnlichkeiten mit noch lebenden Personen sind rein zufällig. Bewusst habe ich die Fotos in schwarz/weiß gehalten, um zu verdeutlichen, dass die Geschichte schon ein paar Jahre her ist. Insider wissen aber, dass sich gravierendes in diesem „Traumland“ bis heute nicht verändert hat, und dass noch immer jede Reise nach Namibia zu einem echten Abenteuer werden kann.

Inhaltsverzeichnis

Los geht´s

Guten Flug

Angekommen

Langfinger am Werk

Unsere erste Safari

Hurra, wir können unser Baby abholen

Endlich kommt unser Container

Der Umbau beginnt

Auf den Hund gekommen

Eine Heimat am Rande der Kalahari

Der unheimliche Hausdiener

Eine Ziege als Wachhund

Kehren neue Besen gut?

Das erste Jahr ist überstanden

Der schwarze Skorpion

In geregelten Bahnen

Besuch auf der Farm

Ein ganz gewöhnlicher Tag

Lange Weile? Nicht bei uns!

Auf den Spuren der Buschleute

Das zweite Jahr

Mengenrabatt - Made in Afrika

Hintendran anstellen bitte!

Einbrecher im Haus

Musik verbindet

Der alte Sturkopf

Pack schlägt sich, Pack verträgt sich

Höllentrip ohne Wiederkehr

Einmal Wüste und nie wieder

Auf ein Neues

Familienzuwachs

Im Oldtimer nach Südafrika

Eine wahrlich abenteuerliche Safari

Volltreffer

Todesfahrt am Slang Rivier

Autos machen Leute

Would you like to accompany me?

Ein heißer Wochenendtrip

Jetzt ist dann mal Schluss damit

Der tiefe Fall

Licht am Horizont

Die letzte Reise

Fazit

Weitere Veröffentlichungen ab S. 443

Los geht´s

"Bist du ganz, ganz sicher, dass wir auch nichts vergessen haben?"

So fragte mich meine Frau sichtlich nervös in ihrer eigenen kurzen Art noch ein allerletztes Mal, bevor wir am Frankfurter Flughafen durch die Sicherheitsschleuse mussten.

"Klar doch, aber bitte mach mich jetzt nicht auch noch völlig verrückt."

Was ihr vermutlich sehr schwer gefallen wäre, denn bisher brachte mich eigentlich nichts aus meiner angeborenen Ruhe, an der sich manch einer so herrlich aufregen konnte. Doch heute war es bei mir auch etwas anders. Ein Gefühl was ich bis dahin noch nicht kannte. Beinahe könnte man sagen, einer Blockade gleich, welche sich mir spürbar in den Weg stellte. Auch meine Frau hatte sichtlich damit zu kämpfen, wagte dann aber den kleinen Schritt der unsere Zukunft total auf den Kopf stellen sollte. Ein Schritt, der viel mehr war als nur noch dieser einzige Meter bis hinein in die Sicherheitsschleuse. Früh hatte der Tag heut angefangen, unsanft hatte uns der Wecker aus den warmen Federn geworfen. Es war fast wie an einem ganz normalen Arbeitstag. Und doch war dieser Tag völlig anders. In meiner Bauchzone herrschten seltsame Gefühle. Ich war aufgeregt, angespannt, hypernervös, alles gleichzeitig bei einem Adrenalinspiegel in einer bis dahin nicht gekannten Dimension. Ich war traurig, obwohl ich vor Freude alle Menschen hätte umarmen können, die mir entgegenkamen. Ich hatte Angst vor dem Unbekannten, was vor mir lag und weil ich alles Vertraute hinter mir lassend in ein anders Land auswandere. Und doch war ich glücklich darüber, spannungsvoll in eine neue und unbekannte Zukunft zu blicken. Mit Sack und Pack auszuwandern macht man schließlich nicht alle Tage. Und genau heute war der Tag gekommen, auf den wir so darauf hin fieberten. Der Tag der großen Abreise, der akribisch bis ins letzte Detail vorbereitet wurde. Man macht schließlich nicht jeden Tag eine Auswanderung. Dazu noch in ein völlig fremdes und ebenso unbekanntes Land. Irgendwo in Afrika. Fremd? Nein, nicht ganz! Immerhin verbrachte zuvor nicht nur ich schon drei ganze Wochen dort meinen Urlaub. Auch meine Frau und meine Mama waren ebenfalls ganze drei Wochen dort. Eigentlich ganz schön bescheuert nachdem wir das Land nur drei Wochen kannten. Werden jetzt viele denken, aber hinter diesem Vorhaben steckten immerhin schon drei intensive Jahre der Planung. Eigentlich noch viel mehr, wenn ich bis dahin zurückdenke, als wir uns zum ersten Mal über eine Auswanderung Gedanken gemacht hatten.

Das lag allerdings schon mehr als nur ein paar Jahre zurück. Schon im Alter von 25 Jahren beschäftigte mich dieser Gedanke. In mitten meiner Sturm- und Drangzeit. Ich hatte einen guten Beruf, wenn nicht sogar einer der Besten! Ich war schließlich Beamter - zwar nur bei der Post, aber immerhin. Ein kleiner Briefträger nur und mein Beruf war für mich mehr Sport als Arbeit. Morgens um sechs ging es mit der Arbeit los und spätestens so um zwei Uhr nachmittags war ich wieder zu Hause. Freizeit ohne Ende, welch ein Spaß! Im Sommer lockte das Freibad. Und im Winter gab es damals noch so viel Schnee, dass die Skier Ende November ausgepackt werden konnten. Noch gut kann ich mich daran erinnern, wie es mit dem Schlitten bergab zur Schule ganz schön flott ging. Aber der Nachhauseweg war meist fürchterlich und zog sich ganz schön in die Länge. Das hielt damals auch eine Weile an. Noch bis Ende Februar gab es ausreichend Schnee in meiner alten Heimat. Das nur so am Rande erwähnt. Ein Job in unkündbarer Anstellung, etwas Besseres hätte es zu dieser Zeit eigentlich gar nicht geben können. Und trotzdem spürte ich in mir diesen Drang, etwas Neues zu erleben. Den Drang nach Freiheit und ungebunden zu sein. Etwas Unbekanntes zu erforschen. Schon in meiner Schulzeit gab es nichts Schöneres für mich, den Wald, die Felder und die Umgebung zu durchstreifen. Selbstverständlich erst nach der Schule und den damit verbundenen Hausaufgaben. Und jetzt stehen wir hier am Flughafen und wagen den Schritt ins Ungewisse. Den Schritt in eine neue unbekannte Welt, ja sogar auf einen anderen Kontinent.

Das unüberhörbare laute Piepen vom Scanner in der Sicherheitsschleuse riss mich aus meinen Gedanken. Von vorne rein war mir schon klar, dass nicht alles gut gehen konnte. Das wäre ja viel zu einfach gewesen. In allen meinen verfügbaren und vollgestopften Taschen in Jacke und Hose befand sich irgendein Gegenstand, der unbedingt mit auf die Reise musste. Wegen eines Gepäcklimits von 30 kg pro Person musste diese eben noch irgendwie anderweitig verstaut werden.

„Ziehen Sie doch bitte mal Ihre Schuhe aus“, wurde ich aufgefordert.

Wegen einer Blase am linken Fuß stand ich wohl etwas komisch da, deshalb bat mich der Kontrolleur auch noch um meine Socken, um dort einen kurzen Blick hinein zu wagen. Von mir aus, wenn es ihm Spaß macht! Natürlich hatte er nichts gefunden. Trotzdem beäugte der Sicherheitsbeamte äußerst argwöhnisch meine robusten Treter, die auffallend neu waren. Und sehr stabil, eben genau so wie richtige Wanderschuhe sein müssen. Schnell stellte sich aber heraus, dass es nur die Messingösen waren, die mit reißfesten Schnürsenkeln zusammengehalten wurden. Diese kleinen runden Dinger lösten sie den Alarm aus. Erleichtert atmete ich auf.

„Eine gute Reise wünsche ich Ihnen und viel Erfolg in der neuen Heimat", sagte der Zollbeamte dann bemerkenswert freundlich, als er mit uns fertig war.

Dabei gab er uns die von ihm gesichteten Pässe wieder in die Hand. Durch unsere mitgeführte Dokumentation ist ihm nicht entgangen, dass wir nur ein Einwegticket besaßen. Eine Reise ohne Rückkehr. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Die zwei Stunden Wartezeit am Flughafen bis zum Check-In zogen sich endlos in die Länge. Wir nutzten diese Zeit und beschäftigten uns auf geistiger Ebene. Wir sortierten unsere Gedanken. Alles wurde noch einmal im Schnelldurchgang durchgedacht. Doch für ein Zurück war es nun zu spät. Die Koffer waren gepackt und unsere Möbel samt restlichem Hab und Gut waren in einem 20 Fuß Container schon seit ein paar Tagen unterwegs. Die Uhr am Flughafen tickte unabänderlich dem Countdown zum Abflug entgegen.

Schon Wochen vorher hatten wir uns nach einem Überseecontainer umgesehen. Auf einer Börse für gebrauchte Container hatten wir ihn bei einer Spedition für einen guten Preis erstanden. Kaufen war für uns viel kostengünstiger als einen Container zu mieten. Der Vorteil lag klar auf der Hand. Wir hatten ohne einen Termin einhalten zu müssen unbegrenzt Zeit, um ihn zu beladen. Und letztendlich gehörte er uns. Denn wer weiß, für was man ihn später noch gebrauchen könnte. Davon abgesehen, kann man in Afrika alles irgendwann und irgendwie noch einmal gebrauchen. Natürlich hatte ich mich vorher ausreichend erkundigt, und ich wusste auch schon etwas damit anzufangen. Dieser Container sollte einmal eine kleine Werkstatt für mich werden. Hatten wir nicht doch noch etwas vergessen? Dieser Gedanke lag permanent in meinem Hinterkopf. Obwohl es jetzt eigentlich schon zu spät war.

„Hey, was machst denn du hier?"

So riss mich eine tiefe Männerstimme aus meinen Gedanken. Ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich nicht bemerkte, wie Gerhard uns anscheinend schon die ganze Zeit beobachtet hatte. Auf meinem vorangegangenen Besuch in Namibia hatte ich ihn kennengelernt. Völlig überrascht ihn hier am Flughafen zu treffen, stellte ich ihm meine Frau vor. Wir sollten noch öfter feststellen, wie klein die Welt zwischen zwei Kontinenten sein kann, und dass man dabei immer wieder auf bekannte Gesichter stößt.

"Ja, stell dir vor, es ist so weit. Als ich das letzte Mal bei euch unten war, habe ich noch auf den letzten Drücker alle Papiere unter Dach und Fach bekommen." sagte ich zu ihm.

„Das heißt du bist jetzt einer von den unseren?"

Dabei grinste er in seiner sympathischen, offenen Art über alle Backen. Dabei ließ er die komplette Galerie an weißen Zähnen aus seinem sonnengegerbten Gesicht strahlen.

„Dann mal herzlich willkommen, wir können jede Verstärkung in unsererDeutschen Parteigebrauchen. Das ist ja der Hammer, ich glaube es nicht! Was ist es nur, was euch Jerries1bei uns an diesem heißen Land so gefällt? Bei uns gibt ja nicht mal ausreichend Regen. Geschweige denn Schnee oder gar einen grünen Wald!"

Er lachte noch breiter und schüttelte den Kopf, um das eben gesagte noch zu unterstreichen. Natürlich hatte er recht damit. Aber vielleicht war es ja genau das, was uns dorthin lockte. Ein trockenes Wüstenklima. Genau das war es, was uns vom Arzt empfohlen wurde. Meine Frau hatte nach einem schweren Bandscheibenvorfall immer wieder Probleme mit ihrer Hüfte. Auch ich kämpfte schon seit ein paar Jahren mit meiner Arthrose, die sich bei mir durch einseitige Belastung im Beruf immer stärker bemerkbar machte. Briefträger bei der Post zu sein bedeutete: Immer zack, zack und schnell, schnell von Haus zu Haus und von Briefkasten zu Briefkasten. Völlig bequem mit dem Auto, so könnte man meinen.

„Du fährst doch eh nur den halben Tag spazieren“, hörte ich damals fast täglich. Niemand hatte aber gesehen, dassich jeden Tag zwischen zwei- und dreihundert Mal in einen alten Volkswagen Käfer ein- und aussteigen musste. Das wurde etwas später im neuen VW Golf auch nicht besser, im Gegenteil! In dieser Kiste saß man sogar noch etwas tiefer. Dawar der Verschleißan meinem linken Hüftgelenk programmiert! Aus unseren vorangegangenen Urlauben, meist in den wärmeren Ländern am Mittelmeer, durften wir glücklicherweise erfahren welche Auswirkung ein trockenes Klima für uns hatte. Also diesbezüglich war es für uns ein Schritt in genau die richtige Richtung.

„Ach weißt du, wir haben das von unserem Hausarzt verschrieben bekommen. Und die Krankenkasse bezahlt das alles". So sagte ich scherzend zu Gerhard.

Inzwischen war auch meine Frau wieder von der Toilette zurück, sie konnte sich vor Aufregung nicht zwischen Klo und Wartehalle entscheiden. Während wir uns so unterhielten, verging die Wartezeit wie im Flug. Der große Moment nahte als ein blecherner Aufruf ertönte:

„Die Passagiere nach Windhuk bitte zum Boarding an Schalter C“. Kurze Pause, dann kam noch ein Nachtrag aus der Blechdose an der Decke. „Zuerst bitte die Passagiere der Sitzreihen 1 bis 16.“ Den Zusatz mit den Sitzreihen hätte es nicht mehr bedurft, denn schon drängten sich alle Mit-Passagiere gleichzeitig nach vorne zum Ausgang. Wir natürlich mitten drin. Endlich kam der große Augenblick. Meine Frau und ich schauten uns noch einmal an. Den Rucksack geschultert, noch einmal tief Luft geholt und dann ging es hinein in die Maschine. Wieso mussten wir ausgerechnet einen Platz in den hinteren Reihen bekommen? Noch dazu genau die Reihe vor den ersten Raucherbänken. Ja, damals durfte noch im hinteren Teil des Flugzeuges geraucht werden. Unsere Rucksäcke waren nicht ganz so den Bordmaßen entsprechend, zumindest nicht mehr, nachdem wir sie nach der Kontrolle neu gepackt hatten. Dementsprechend hatten wir uns nun zwischen den Sitzreihen hin durchzukämpfen. Auf einer einfachen Urlaubsreise wäre die Fluggesellschaft wohl nicht so tolerant gewesen, aber bei unserem Flug ohne Rückflugticket schien sie recht großzügig gewesen zu sein. Oder wir hatten einfach nur Glück, und die freundliche Dame am Check-In Schalter hatte an diesem Tage schon ein schönes Erlebnis und war deshalb noch so gut drauf. Obwohl sie uns von oben bis unten gemustert hatte, musste sie genau gesehen haben, wie schwer wir bis auf die letzte Hosentasche bepackt waren. „Ein freundliches Kind, ich werde sie dafür in mein Nachtgebet mit einschließen“.

So dachte ich mir noch und verabschiedete mich freundlich von der jungen Beamtin.

Guten Flug

Unser großes Gepäck war also verstaut und die Leute saßen alle, mehr und auch weniger aufgeregt tief in ihren Sitzen. Die den Bedürfnissen nach in dieser Boeing 747 doch recht komfortabel waren. Jeder machte es sich so bequem wie es eben ging, in dieser fliegenden, zugegebenermaßen recht großen und imposanten Sardinenbüchse. Gerhard, unser Mitflieger aus Windhuk, musste seiner Sitzplatznummer nach irgendwo in den Reihen vor uns sitzen. Für uns unsichtbar, denn der Flieger schien recht voll zu sein. Vor Aufregung hatten wir ihn aus den Augen verloren. Aber wir hatten ja fast zehn Stunden Zeit vor uns, um ihn wiederzufinden. Somit auch sicherlich Zeit genug für Gespräche. Wir saßen also im Flieger und warteten auf die Startfreigabe. Eine viertel Stunde, noch eine viertel Stunde und noch eine. Endlich nach fast 40 Minuten unruhigem Herumrutschen auf dem Sitz kam eine Mitteilung über den Bordlautsprecher, die uns überhaupt nicht gefiel.

„Sehr geehrte Fluggäste, aufgrund einer technischen Störung muss der Abflug leider auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Bitte bleiben sie vorerst auf ihren Plätzen und bla - bla – bla."

Das konnte ja heiter werden, mit so einem Start hatten wir nicht gerechnet. Um es kurz zu machen, wir durften erst nach zwei Stunden den Flieger wieder verlassen und wurden zu einem Hotel verfrachtet. Es hätte auch einfach alles ganz glatt laufen können, aber anscheinend nicht für uns. Dafür aber war das Hotel erste Sahne, alle Achtung! Da hatte sich die Fluggesellschaft nicht lumpen lassen und ganz schön tief in die Tasche gegriffen, wie wir beim Betreten des Hotels an der Preisliste für eine Übernachtung erkennen konnten.

Unser Zimmer entpuppte sich als wahres Luxuszimmer. Schwülstiger roter Teppich, Stofftapeten, schwere Vorhänge und Klimaanlage. Ein mächtiges Doppelbett mit Zierkissen. Und wie gesagt - kein Schnäppchen! Über dem Bett lag eine Tagesdecke und nochmal ein Deckchen und noch mehr so ‘nen Deko-Tüddelkram. Das Bad war komplett in weißem MarmorGehalten und die Dusche glänzte mit Klarsichtverglasung. Oh-lala, das könnte unter normalen Umständen die Fantasie anregen. Sogar eine gutbestückte Minibar war vorhanden! Aber hallo! So ein Zimmer hätte nie unserer Preiskategorie entsprochen. Auf alle Fälle saßen wir nach einer schlecht durchschlafenen Nacht bei einem opulenten Frühstück zwischen all den anderen Gästen. Darunter auch die Mitflieger. Keiner von denen wusste etwas Genaues über unseren Abflug. So blieb uns nichts anders übrig, als wie alle anderen zu warten. Und zu warten. Einen ganzen Tag lang saßen wir wie auf heißen Kohlen, bis dann endlich am frühen Abend die Abflugzeit mit 21:40 Uhr bekannt gegeben wurde. Genau 24 Stunden später. Noch eine Nacht hatten wir vor uns, in der an richtigen Schlaf sicher nicht zu denken war. Aufgeregt und zum Teil sehr aufgebracht, machten sich rund 300 Menschen im Hotel auf die Abfahrt zum Flughafen bereit. Der lag nur ein paar Busminuten entfernt. Es ging alles recht flott von statten. Die Flugfreigabe kam pünktlich. Komischerweise waren wir bis jetzt überhaupt nicht mehr aufgeregt, aber plötzlich war es wieder da. Schlagartig wurde uns bewusst, wir lassenendgültigdie alte Heimat hinter uns.

„Unsere Freunde und Bekannten werden wir wohl so schnell nicht mehr Wiedersehen.“ So ging es mir durch den Kopf.

„Wie wird wohl unser neues Zuhause aussehen? Das leere Haus, das seit unserem letzten Besuch inzwischen nicht mehr bewohnt wurde. Wie überstehen unsere Möbel und das restliche Umzugsgut den Transport im Container?“

Dieser befand sich gepackt auf irgendeinem unbekannten Containerfrachter, bereits unterwegs im atlantischen Ozean auf dem Weg nach Walvis Bay, dem einzigen Tiefseehafen in Namibia.Und unser schwergewichtiges „Baby“, ein Wohnmobil mit knapp acht Tonnen Gesamtgewicht, welches ich zusammen mit einer ehemaligen Arbeitskollegin, schon vor Wochen nach Hamburg gefahren hatte, schwamm auch noch irgendwo unterwegs im Weltmeer. Sein Ziel war Kapstadt. Wenn ich mir genau überlegte, wir zogen um mit Hilfe eines Flugzeuges und zwei Ozeandampfer. Nicht schlecht, das machte was her! Von Kapstadt aus wollten wir erst einmal ein paar Tage Urlaub machen. Wenigsten so lange, bis der Möbelcontainer vom Zoll freigegeben wurde. All diese Gedanken beschäftigten nicht nur mich, sondern auch offensichtlich meine Frau, die sich auf ihrem Platz so bequem wie nur möglich eingerichtet hatte. Wir saßen schweigend nebeneinander. Wir mussten uns anschauen und konnten nicht verhindern, dass Tränen unsere Augen überströmten. Dabei hätten wir eigentlich lachen sollen und fröhlich sein. Wir hatten uns doch so lange darauf gefreut. Und wir beide konnten es beinahe nicht abwarten in den großen Vogel, der uns in eine neue Zukunft ins südliche Afrika bringt, zu steigen. Ich hatte irgendwie ein mulmiges Gefühl im Bauch.

„Haben wir alles richtiggemacht?"

„Ihr seid mir zwei so Oukie's", hörten wir eine abgrundtiefe Bassstimme aus dem Hintergrund, die uns wieder aus unseren Gedanken zurückholte.

„Ich dachte ihr freut euch darauf, zu uns in den wilden Westen zu kommen. Das sieht mir aber noch gar nicht danach aus."

Es war Gerhards Stimme, die uns aus den Gedanken riss. Er saß wohl inzwischen ganz hinten im Flugzeug. Von uns völlig unbemerkt, wechselte er seinen Platz. Denn hinten durfte geraucht werden. Wie gesagt, damals noch! Und Gerhard rauchte wie ein Schlot. Oukie ist übrigens Afrikaans und bedeutet wörtlich übersetzt eigentlich so viel wie Schmarotzer. Allerdings bedeutet es im Südwester-Deutschen Sprachgebrauch eher so was wie „Kumpel“ oder „Kamerad“. Es sollte also durchaus nicht so negativ angesehen werden. Denn kurz vor unserer Einreise noch war Namibia nicht nur umgangssprachlich Deutsch-Südwest Afrika. Und von jetzt an mussten die Südwester-Deutschen sich an den neuen Namen gewöhnen. Das Land war mitten im Umbruch. Und wir nun mittendrin. Irgendwie seltsam, dass die Unabhängigkeitserklärung Namibias auf das gleiche Datum wie der Fall unserer Mauer fiel. War das politisch etwa so abgesprochen? Ich enthalte mich besser jeden weiteren Kommentares, was die Politik anbetrifft. Im Laufe der Jahre hatte sich ein herrlicher, sprachlicher Mischmasch aus Afrikaans, Englisch und Deutsch entwickelt. Es finden sich auch einige Brocken von anderen ethnischen Völkergruppen darin. Also spricht man in Namibia nämlisch, oder auch denglisch genannt. Das war eine sprachliche Mischung mit der man ernsthafte Gegebenheiten beinahe gleich einer Karikatur beschreiben konnte. Und es auch heute noch immer kann. Wie ein Blick in die wöchentliche Glosse der einzig deutschen Tageszeitung in Namibia uns zeigt, der Allgemeine Zeitung. Mit Gerhard ins Gespräch vertieft, verlief unser Flug recht kurzweilig. Nachdem wir bereits sieben Stunden Flugzeit hinter uns hatten, wurde es draußen schon etwas heller. Vor allem auf der linken Seite der Kabine wurden vereinzelt die Schiebvorhänge geöffnet. Ich musste schmunzeln über ein paar Japaner. Vorhang auf, schnell ein Foto gemacht, Vorhang wieder zu und weitergeschlafen, denn dort draußen vor den Fenstern, weit hinten am Horizont, fand das alltägliche Farbspektakel des Sonnenaufgangs über den Wolken statt.

Öfters habe ich bei solch einem Flug schon erlebt, dass der Pilot die Maschine in eine leichte Schräglage versetzte, um auch die Passagiere in den mittleren und rechten Sitzreihen an diesem Schauspiel teilhaben zu lassen. Sofern es zwischen all den Köpfen der Passagiere, die auf der linken Seite in dieser fliegenden Zigarre saßen, hindurch möglich war. Kurze Zeit später konnte ich bei meinem Blick durch das Fenster die ersten zum Teil kreisrunden, ausgetrockneten Seen in der Kalahari deutlich erkennen. Die Erde färbte sich langsam ins Rötliche. Kerzengerade verlief die Grenze zwischen Angola und Namibia unter uns. Riesengroß und reich an Einzelheiten war rechter Hand der Etosha Nationalpark auszumachen, mit 22 270 km², eines der wirklich großen Wildschutzgebiete der Welt. Der größtenteils ausgetrocknete See war selbst aus dem Flugzeug nicht zu übersehen. Eine riesige ebene Salzfläche mit an die 6 000 km². Kurz danach ließ der Flugkapitän bereits die Maschine in einen langsamen Sinkflug übergehen.

Im Gespräch mit Gerhard konnten wir einige sehr interessante Dinge in Erfahrung bringen, die sich für uns als sehr nützlich herausstellen sollten. Gerhard war in dritter Generation in Namibia geboren, seine Eltern besaßen eine große Farm mit Rinderzucht, und er selbst war als Reiseleiter tätig. Welch hilfreicher Zufall, ihn am Flughafen getroffen zu haben. Zumal wir im Laufe der Jahre ebenfalls Touren für Gäste anbieten wollten, während wir unser Gästehaus betreiben.

„Ich gebe euch noch ein paar Adressen von wichtigen Leuten, die euch unter Umständen helfen könnten," sagte Gerhard noch, während die Maschine dem Erdboden immer näherkam.

„Und ihr dürft euch natürlich auch gerne auf mich berufen.“

Sogleich kritzelte ich ein paar Namen in mein kleines Notizheft, was ich beständig mit mir führte. Was ich übrigens noch heute so handhabe. Obwohl es in der heutigen Zeit von den elektronischen Helfern wie Smartphone und Tablet fast schon überall ersetzt wird. Nur mit dem kleinen Unterschied - bei meinem Papierblock war die Batterie nochnieleer.

Über die Bordlautsprecher tönte die Ansage über die bevorstehende Einleitung des Landeanfluges. Brav begaben sich auch die letzten Passagiere auf ihre Plätze, darunter auch ich. Die meiste Zeit war ich im schmalen Gang unterwegs, oder hatte bei Gerhard hinten gestanden. Nachdem ich mir zwei Jahre zuvor eine tiefe Thrombose im Unterschenkel zugezogen hatte, wurde ich vorsichtig. Ich versuchte mich, so viel wie es nur möglich war, zu bewegen. Vor allem eben bei langen Flügen wie diesem. Auch trotz vorangegangener Heparin Spritze beim Abflug und den ärztlich verordneten Gummistrümpfen, die ganz schön lästig sein konnten. Vor allem, wenn sie an den schnell nachwachsenden Haaren an meinem Oberschenkel herumrissen!

Vergessen waren die noch vor Stunden vergossenen Tränen. Unsere Traurigkeit hatte sich seit dem Abflug inzwischen in helle Freude verwandelt. Wir konnten kaum das Aufsetzen der Maschine erwarten. In meinen Gedanken war ich schon im Haus. Wohlwissend, dass noch eine dreiviertel Stunde Fahrzeit vor uns lag. Ohne die Zeit eingerechnet, die unser Gepäck durch den Zoll noch brauchen sollte. Die Maschine rollte noch übers Flugfeld als schon die ersten Sicherheitsgurte klickten. Eine butterweiche Traumlandung lag hinter uns. Wie üblich applaudierten die Fluggäste. Was so unnötig wie ein Kropf war. Ich glaube nicht, dass der Flugkapitän es hörte. Davon abgesehen, hatte dieser zusammen mit dem Co-Piloten in diesen Minuten, weiß Gott, was anderes zu tun. Es dauerte noch eine gefühlte Ewigkeit bis die Maschine endlich stand und die Anzeige für den Sicherheitsgurt erlosch. Ganz eilige Menschen standen natürlich schon fertig bepackt im Gang als ob sie nicht wüssten, dass ihr Gepäck ja auch noch ausgeladen werden muss. Ich gebe zu, wir mussten uns ja auch beherrschen nicht einfach zwischen die anderen Menschen in den schmalen Gang rein zu drücken. Denn es kostete uns enorm viel an Selbstdisziplin ganz ruhig sitzen zu bleiben. Nochmals eine Zeitschrift aufzuschlagen und sich mit einem erwartungsvollen und sehnsüchtigen Blick nach draußen durchs Fenster abzulenken. Wie fühlte sich wohl die Temperatur an? Der Kleidung des Bodenpersonals nach zu urteilen, schön warm. Zuhause vor dem Abflug froren wir uns noch den Hintern ab. Die Menschenmenge vor uns kämpfte sich durch den langen Gang, dem einzig offenen Ausgang der Boing 747 entgegen. Erst später erst erfuhren wir dann warum. Eine der fahrbaren Treppen, die zum Andocken an das Flugzeug diente, schien öfters kaputt zu sein. Deshalb war nur ein Ausgang offen. Oder das Bodenpersonal hatte an diesem Tag einfach keine Lust, sich mit mehr Arbeit zu belasten als notwendig. Wie wir aus zuverlässigen Quellen später erfuhren, kam das öfters vor. Viele Menschen in Afrika schienen eine andere Einstellung zur Arbeitsmoral zu haben, wie wir Europäer. Es war ein seltsames Gefühl, die Flughafenhalle zu betreten. Ohne ein Rückflugticket und zwischen all den schwarzen, farbigen und weißen Fluggästen, wovon überwiegend deutschen Touristen zu sein schienen. Unter denen sich offensichtlich auch Rückreisende befanden, wie wir unschwer erkennen konnten.

Wir ignorierten stolz die lange Schlange der Otto-Normal-Touristen, die sich eben noch so ungeduldig durchs Flugzeug dem Ausgang entgegen schoben.Residents Onlystand in großen Buchstaben über dem Schalter, vor dem nur eine Handvoll Menschen anstanden. Zum ersten Mal durften wir ihn nutzen. Die notwendige Dokumentation in Form der Permanent Residence hielt ich auf nur einem DIN-A4-Blatt schon in der Hand. Diese überreichte ich nun mit leicht zitternden Händen der jungen Dame am Schalter. Ob sie das bemerkte? Mein letzter Besuch nur acht Wochen vorher diente allein dazu, die schriftlichen Hürden zu nehmen. Für nur eine Unterschrift einen Flug von zwei Mal knapp 10 Stunden zu tätigen macht man nicht alle Tage. Aber für eine gute Vorbereitung war es eben unumgänglich und wie heißt es so schön:

„Ja wenn’s denn hilft!“

Die restlichen benötigten Einheitsformulare, die zur Einreise zuvor schon im Flugzeug ausgehändigt wurden, hatten wir wohl wissentlich gleich nach deren Verteilung ausgefüllt. Noch während sich die eiligen Fluggäste ihre Beine im Gang plattstanden.

Die dunkelhäutige hübsche Beamtin vom Schalter musterte uns ausgiebig. Ihr Blick wechselte von den Pässen über die Dokumente zu unseren Gesichtern und wieder zurück. Das ging ein paar Mal so hin und her. Wir hatten extra zuvor noch unsere Pässe aktualisieren lassen, natürlich mit einem brandneuen Foto. Jetzt schien sie sich wohl nicht ganz sicher, ob diese Dokumente auch echt waren. So druckfrisch wie diese noch aussahen! Aber nach ein paar freundlichen Worten hin und her, über wie, was und wohin, donnerte sie mit Karacho die begehrten Stempel in unsere Reisepässe. Zusammen mit dem Permanent Residence Dokument schob sie diese über den Tresen und verabschiedete uns mit einem äußerst höflichen:

„Welcome in Namibia".

Ihre strahlend weißen Zähne, in Verbindung mit ihren riesigen, ebenso strahlenden Augen, hätten in der Dunkelheit als Notbeleuchtung gute Dienste geleistet. Mensch, wie waren wir erleichtert. Jetzt hieß es nur noch auf unser Gepäck zu warten. Zwei Mal je 30 kg voll ausgereizt, dazu noch unser Handgepäck. Ein paar Minuten später entdeckten wir es schon auf dem Förderband. Alle beiden Koffer direkt hintereinander, wir brauchten nur zuzugreifen. Der Flughafen Trolley war anschließend ganz schön schwer beladen. Jedoch wie aus dem Nichts tauchten ein paar junge Burschen auf, die beim Transport unseres Gepäcks zum Fahrzeug behilflich sein wollten. Etwas Trinkgeld zu kassieren, um damit ihre Familie zu unterstützen, war ihre ganze Tätigkeit. Man könnte fast sagen ihr Beruf. Das bisschen Trinkgeld war zwar nicht viel, aber es half ihnen so über die Runden zu kommen. Damals betrug die Arbeitslosenquote noch an die 70% (dem entsprechend hoch lag auch die Kleinkriminalität – das nur so am Rande erwähnt und auf das ich später noch kommen werde). Für uns Europäer eine erschreckende Situation. Sich mit dieser Gegebenheit auseinander zu setzen, das stand uns ebenfalls noch bevor. Schon bald sollten wir unsere ersten direkten Erfahrungen damit machen.

Pünktlich stand Hennes in der Ankunftshalle beim Ausgang. Er war es, der uns bei den ganzen behördlichen Aktionen in Namibia bisher zur Seite stand. Denn vorangegangen war ein ganz schönes Hickhack, bis wir alle benötigten Dokumente zusammen hatten. Ohne ihn wären wir ganz schön aufgeschmissen gewesen. Die Einwanderungsbestimmungen waren allesamt nicht leicht zu erfüllen, und ohne das bekannte Vitamin B hätten auch wir es nicht geschafft. Nicht, dass jetzt der Eindruck entsteht, wir hätten etwas Illegales getan. Nein. Aber ohne den Bekannten von Hennes, dessen Kollegen seine Schwägerin bei der Einwanderungsbehörde angestellt war, hätte es eben vielleicht nicht so einfach und beinahe schon unkompliziert geklappt. Eventuell auch gar nicht. Zumindest nicht auf dem „hochoffiziellen“ Wege. Für uns aber war nur wichtig, wir hatten es mit einer sauberen Weste geschafft. Wir verliessen das Flughafengebäude in Richtung Parkplatz und welch eine Freude. Unsere Freunde aus der alten Heimat, über die wir überhaupt erst darauf gekommen sind in dieses Land auszuwandern, sie standen draußen am Auto, welches uns in die Stadt fahren sollte.

Angekommen

"Herzlich willkommen zu Hause in eurer neuen Heimat."

In den Händen eine Flasche Sekt und Gläser. Ja, darauf mussten wir natürlich anstoßen. Wir kannten uns noch aus unserer alten Heimat in Süddeutschland. Er war ein Musikkollege, der mit seiner Familie ein paar Jahre zuvor schon zum zweiten Mal hier her mit der ganzen Familie im Gepäck ausgewandert war. Eigentlich planten wir ursprünglich geschäftlich eng zusammen zu arbeiten, in Swakopmund an der Küste. Allerdings hatten wir uns dann doch für einen Alleingang entschieden. Das trockene Klima in den Bergen um Windhuk kam uns eher entgegen, als das oftmals neblige Wetter an der Küste. Was nicht bedeutet, dass das Klima an der Küste schlechter gewesen wäre, aber eben nichts für unsere Knochen. Unsere Freundschaft hat bis heute gehalten, auch wenn wir uns nur noch sporadisch sehen konnten. Leider war es ihm vergönnt, seinen Traum in diesem Land noch lange zu genießen. Viel zu früh ist er verstorben und sein Rentner-Dasein war leider nur von kurzer Dauer. Dabei fühlte er sich doch so sehr wohl in seiner Wahlheimat Swakopmund, dem kleinen Städtchen an der Namibischen Küste, welches noch heute eher einem Norddeutschen Seebad ähnelt. Ganz im Gegenteil zu unserer Vorstellung eines Afrikanischen Ortes wie: Bambushütten, die auf ausgetrockneter Erde zwischen Dornbüschen stehen oder aus Knüppelholz errichteten Hütten im tiefsten Urwald.

Wolkenloser blauer Himmel breitete sich über uns am Flughafen aus. Bei noch wunderbaren und angenehmen 20 Grad am frühen Morgen, um kurz nach sieben Uhr, einen Sekt auf unsere Zukunft zu picheln, das hatte schon was. Die ganze Müdigkeit war ausgeblendet, und eine halbe Stunde später machten wir uns auf Pad, wie die Straßen hier genannt werden. Etwa 46 km durch die mit Dornbusch bewachsene Landschaft ging die Fahrt nach Windhuk. Nach Hause. Die Straße schien menschenleer zu sein. Zumindest für europäische Verhältnisse und für denjenigen, der das erste Mal hier entlangfährt. Ab und zu sah man von der Straße aus die Häuser einer Farm. Sie lagen weit im Busch verstreut. Erst ging es eine Weile bergauf, dann wieder hinunter nach Windhuk. In die Stadt, die in einem Tal immer noch aufsage und schreibe beachtlichen 1 600 m Höhe über dem Meer liegt. Mit den ersten Häusern kamen die Hummeln in meinem Hintern. Gleich nach der ersten großen Kreuzung ging es rechts in ein langgezogenes Tal. Klein-Windhuk - so hieß dieser Teil der Stadt, in den wir einbogen. Es war einer der ältesten Stadtteile und viele der Häuser, die noch im alten deutschen Stil erbaut wurden, säumten die Straßen. Wir hatten absolut nicht das Gefühl in mitten Afrikas zu sein. Das war unter anderem auch ein Punkt, was unserer Auswanderung so entgegenkam. Über 9 000 km von zu Hause entfernt in einem fremden Land zu sein, was einem von Anfang an so vertraut war, als wären wir nie wo anders gewesen. Wir bogen noch zwei Mal ab und schon sahen wir in der Kurve unser Haus, versteckt zwischen hohen Bäumen.

„Um Himmels Willen, wie sieht es denn hier aus“, entfuhr es meiner Frau.

„Ich glaube da kommt die nächsten Tage was auf uns zu!“, lachte ich laut.

Auch ich hatte zwar mit allem gerechnet, aber nicht mit einem grünen Dschungel in mitten der Stadt! So kurz nach den Tagen der Regenzeit stand satt grünes Gras kniehoch, wo sonst nur Kies die Erde bedeckte. Und das Unkraut erst! Es stand so hoch, dass es den Rahmen unserer bisherigen Vorstellungskraft sprengte. Wir waren doch bisher immer nur in der trockenen Jahreszeit hier. Zu einer Jahreszeit, in der kein grün existierte. Ausgenommen natürlich, dort wo künstlich bewässert wurde. Und jetzt sah es hier aus wie im Urwald. Stellenweise wuchs das Unkraut bis hoch in die ersten Äste der Bäume. Mir wurde sofort klar, dass wir das Wort Langeweile erst einmal aus unserem Vokabular streichen konnten.

"Viel Spaß beim Unkraut jäten und ihr wisst ja, wenn ihr was braucht", so verabschiedete sich unser Begrüßungskomitee.

Sie mussten natürlich wieder zur Arbeit an diesem Tag. Und die Arbeit hatte, so wie es aussah, auch auf uns nur gewartet! Wie lange schon hatten wir nur davon geträumt, selbstständig zu arbeiten. Von daheim aus in einem eigenen Gästehaus. Und jetzt auf einmal war es soweit! Obwohl dieser Betrieb in diesem Urwald ähnlichen Park vorerst nur in unserer Fantasie bestand.

Schon viele Jahre zuvor Anfang der ´80 Jahre hatten wir uns mit dem Gedanken einer Auswanderung beschäftigt. Gerne wären wir damals nach Spanien, ebenfalls des Klimas wegen. Dort hatten wir auch schon Kontakte, Spanien war im Trend. Vor allem die Costa Brava. Aber damals gab es nur eine Aufenthaltsbewilligung für maximal fünf Jahre. Das hätte bedeutet, wir bauen uns ein eigenes Geschäft auf und dann, wenn es anfängt zu laufen, dürfen wir wieder gehen! Das war uns doch zu unsicher und so hatten wir den Gedanken auch nicht mehr weiterverfolgt. Bis unsere Freunde nach Namibia auswanderten und uns so begeistert davon erzählten, dass unsere Neugier geweckt wurde. Mein Musikkollege war für seine Firma früher schon öfters in Südafrika. Zuletzt war er sogar mit seiner Familie in Deutsch-Südwestafrika, wie es vor der Unabhängigkeit noch hieß. Für ein paar Jahre kamen sie nach Deutschland zurück, um konsequent nur ein Ziel zu verfolgen. Geld zu verdienen, alles aufzulösen und wieder nach dorthin zurückzukehren.

Das mussten wir uns also auch einmal ansehen. So beschlossen wir, meine Frau sollte sich zuerst einmal dort umsehen. Die Einladung zu einem Besuch bei unseren Freunden stand schon eine Weile fest. Da wir aus beruflichen Gründen selten miteinander Urlaub hatten, stand also fest, dass sie alleine fliegt. Was sie dann doch nicht musste, denn wir konnten meine Mutter dazu überreden, mitzufliegen. Das war allerdings nicht ganz einfach, denn sie hatte fürchterliche Angst vor dem Fliegen. So bekam sie kurzerhand zum Geburtstag ein Ticket von uns geschenkt. Nun hatte sie also keine Ausrede mehr. Dass sie letztendlich jetzt doch noch mitfliegen musste, hatte wieder einen Baustein mehr dazu beigetragen, unsere Auswanderung voranzutreiben. Das kam so. Chronische Migräne begleitete sie ein Leben lang. Doch kurioserweise hatte sie während ihres Aufenthaltes nur ab und zu mal Anzeichen von Kopfschmerzen. Alles schien wie weggeblasen! Ihr ging es sogar so gut in diesen Tagen, in diesem trockenen Klima, dass sie am liebsten gleich dortgeblieben wäre. Vielleicht war es auch nur die Ablenkung, oder all das Neue, was es zu entdecken gab, denn für sie war es mit zehn Tagen der erste längere Aufenthalt überhaupt von zu Hause fort. Im fremden Ausland. Und dann noch gleich auf einem anderen Kontinent, nämlich in Afrika!

Noch heute lese ich gerne in ihrem Tagebuch, was sie vor ihrem Abflug extra begonnen hatte zu schreiben. Nachdem nun meine Frau wieder zu Hause ankam und gleichermaßen wie meine Mutter von Afrika schwärmte, konnte ich nicht anders. Das musste ich mir auch ansehen. Allein schon von der Erzählung her, war die Sache allerdings schon klar für mich. Die Würfel waren gefallen, wir wandern aus. Ich buchte also ebenfalls einen Flug und nahm mir vor in diesen drei Wochen alles in Erfahrung zu bringen, was für so ein Unterfangen wichtig sein könnte. Am Flughafen holte mich ein Bekannter ab, den ich zufällig ein paar Wochen zuvor kennengelernt hatte und der ebenfalls nach Namibia auswanderte. Mit ihm ging ich auf Erkundungstour. Die gewaltige Landschaft registrierte ich eigentlich nur am Rande. Was ich bewusst wahrnahm, war die Ruhe in der Innenstadt mit dem überschaubaren Verkehr auf den Straßen. Die Menschen rannten nicht und alles schien so easy going.

„Mann, hier ist alles so ruhig wie bei uns zu Hause auf dem Dorf“, entrann es mir, als ich mit meinem Bekannten zum ersten Mal mit in die Stadt fuhr.

„Ja, siehste - was denkst du denn, warum wir hierhergekommen sind? Dabei sind wir hier gerade genau im Zentrum einer Stadt mit knapp 200 000 Einwohnern!“, entgegnete er mit einem verschmitzten Lachen.

Ich begleitete ihn überall hin mit. Wie eine Klette hing ich an ihm, denn mir ging es auch darum, wie ein ganz gewöhnlicher Alltag hier in Windhoek aussah. Nebenbei notierte ich mir alles, was mir wichtig erschien. Was es wo in welchen Geschäften zu kaufen gab. Wie waren die Preise. War etwas günstiger, dann brauchen wir es nicht von Deutschland aus hierherschleppen. Dann kaufen wir es neu und haben wieder Garantie drauf. Was es allerdings teuer, dann stand die Überlegung im Raum, ob es sich auch mit dem Transport noch lohnt. Der Container kostete ja auch Geld und vor allem, der Platz war begrenzt. So wurde mein kleines schlaues Büchlein ganz schnell voll. Naja, zugegeben – schön schreiben war noch nie meine Stärke und oft stand nur ein Begriff, in riesengroßen Buchstaben, über eine Seite geschmiert.

Ein Auto musste her. Es war durchaus möglich, dass jemand von uns noch ein paar Mal herkommen muss, um Diverses zu klären. Um dann mobil zu sein, wäre ein Auto ganz geschickt. Schließlich können wir nicht immer jemanden fragen, ob er Lust hätte, uns durch die Gegend zu kutschieren. Meine Wahl fiel auf einen Opel Kadett. Sein Zustand schien in Ordnung zu sein und er war billig. Er braucht uns ja auch nur von Zeit zu Zeit von A nach B zu bringen. Wie schnell man Ausländer, wie wir es waren, über den Tisch ziehen kann, merkte ich schon ein paar Tage danach. Dass das Auto mehr Öl verbrauchte als Benzin, das hatte der Verkäufer wohl vergessen mir vorher zu flüstern! Trotzdem, der Opel tat seine Dienste und beim nächsten Auto werde ich mit Sicherheit einen Einheimischen zu Rate ziehen. So erlebte ich einen Urlaub völlig neuer Art. Wie es sich später herausstellte, war das genau richtig. Zu Hause wieder angekommen konnten wir nun zielgerichtet alles vorbereiten.

Was die alles von uns wollten. Die Behördenmühle in Afrika schien genauso zu mahlen wie bei uns. Auflagen über Auflagen mussten erfüllt werden, nur um überhaupt erst einmal einen Antrag auf Einwanderung zu stellen. Dazu gehörte unter anderem auch der Nachweis von Grundbesitz. Wieder war ein Urlaub angesagt. Meine Frau war dieses Mal dran. Wir einigten uns auf den Kauf eines Hauses mit einem passenden Grundstück für unser Vorhaben. Über eine Maklerin schaute sie sich mehrere Objekte, die in Frage gekommen wären. Darunter auch eine gut laufende Pension in perfekter zentraler Lage. Allerdings war uns das eine Hausnummer zu groß. So blieb sie letztendlich an diesem alten Wohnhaus hängen, zu welchem noch ein riesiges Grundstück gehörte.

„Du kannst alles kaufen, nur die Grundsubstanz wie Dach und Wände, die sollten in Ordnung sein. Alles andere ist kein Problem, weil wir das sowieso unseren Bedürfnissen anpassen wollen“, so verabschiedete ich meine Frau bevor sie losflog. Sie machte Urlaub und kaufte dieses Haus, vor dem wir jetzt gerade standen. Wo fangen wir nun bloß an? Nun standen wir hier in Windhuk, in unserem eigenen Haus mit über 180 m² unter einem Dach ohne brauchbare Einrichtung. Lediglich ein paar alte, für uns aber unbrauchbare Möbelstücke standen einsam in den riesigen Zimmern verteilt. Um das Haus herum wartete ein verwilderter Garten. Beinahe 3 000 m² waren kein Pappenstiel. Hinter dem Haus gab es noch ein altes viereckiges Wasserauffangbecken mit langen Rissen im Zement. Konnte man das als Pool wirklich noch gebrauchen? Also, wo fangen wir an, wie gehen wir strategisch alles richtig an?

Als erstes überprüften wir unser Auto, welches bei Freunden abgestellt war. Sie sollten damit auch ab und zu einmal herumfahren, damit zumindest die Batterie in Form bleibt. Unsere Bedingung war lediglich, dass wenn jemand von uns kommt, wir ein fahrbereites Fahrzeug haben. Das hatte ganz gut geklappt und sie hatten es ein paar Tage zuvor auf unserem Grundstück abgestellt und wie verabredet, den Schlüssel hinterlegt. Natürlich war also erst mal der Weg zu Tankstelle angesagt. Was ja auch zu erwarten war. Etwas Bargeld hatten wir vor unserem Abflug noch beschafft, und so fuhren wir erst mal zur Tankstelle. Dort lernten wir eine der ersten Annehmlichkeit kennen. Etwas, was es bei uns in Deutschland schon lange nicht mehr gab.

Das war der Tankwart! Nicht nur einen, es warteten genauso viele Jungs auf Kundschaft wie Zapfsäulen vorhanden waren. Man fuhr also an der Tankstelle vor und reichte seinen Schlüssel einem der Tankstellenfacharbeiter. Während der eine mit dem Betanken des Fahrzeugs beschäftigt war, machte sich ein anderer daran die Scheiben zu putzen. Als er fertig war, streckte er mir seine hohle Hand durch mein geöffnetes Autofenster. Ach, wie war das bequem. Man blieb im Auto sitzen, zum Bezahlen gab man dem Tankwart das Geld, er lief damit zur Kasse und kam mit Autoschlüssel und dem Wechselgeld wieder zurück. In der Regel waren viele Münzen dabei, wegen dem Trinkgeld. Ein paar Jahre später kamen die Jungs auf die geniale Idee, etwas zusätzlich Geld zu verdienen.

In einem unbemerkten Moment machten sie vom Schlüssel einen Abdruck um ihn, zusammen mit dem Autokennzeichen, an einen Schlüsseldienst zu vertickern. Die mussten sich dann nur noch in der Stadt umsehen, wo das Auto stand. Das war nicht allzu schwer, so viele Fahrzeuge waren damals noch nicht registriert. Aber zu der Zeit, als wir ankamen, war es Gott sei Dank noch nicht ganz so weit. Denn die Fernbedienungen zum Öffnen der Wagentür gab es erst nur vereinzelt. Wie mehr sie aber in den Umlauf kamen, wie leichter hatten es die Autodiebe. In einem Baumarkt gab es programmierbare Fernbedienungen zu kaufen. Das war ein tolles Teil und kostete nicht viel. Die musste eine geschickte Person bei Gelegenheit nur neben einer anderen Fernbedienung ablegen und bei diesen kurz die Knöpfe drücken. Schon war der Code programmiert. Geschickte Damen machten das abends gerne im Biergarten und gaben das Teufelsgerät dann in einem unbemerkten Moment an einen „Freund“ weiter. Dieser musste draußen auf dem Parkplatz nur noch den kleinen Knopf drücken und schon gab ihm das richtige Fahrzeug an allen 4 Seiten blinkend eine Antwort. Das Kurzschließen machte dann fachmännisch ein Kollege.

Zurück zur Tankstelle. Nach erbrachter Leistung bekam jeder der Tankstellenfacharbeiter seinen namibischen Dollar, was für unsere Verhältnisse zum damaligen Wechselkurs etwa 15 Pfennig2war. Also mit unseren Augen gesehen sehr wenig. Aber die Jungs hatten wenigstens einen Arbeitsplatz mit einem Einkommen und konnten so nicht so schnell auf dumme Ideen kommen. Schon sehr bald mussten auch wir die Erfahrung machen, dass wir in D-Mark umzurechnen, sofort wieder vergessen konnten. Durch den günstigen Wechselkurs waren wir jetzt zwar auf einmal sehr reich und mit einer siebenstelligen Zahl auf dem Konto ließ es sich gut angehen. Vor dem Komma wohlgemerkt! Aber beim Bezahlen der Tankfüllung kamen wir blitzschnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Gleich mehrere 100 Dollarnoten ließen meine zuvor noch prallgefüllte Geldbörse sichtbar schrumpfen. Auch wenn man im Allgemeinen nicht über Geld reden sollte, es ist in diesem Fall schon angebracht. Wer auszuwandern gedenkt sollte sich damit gründlichst auseinandersetzen. Der noch sehr junge Staat Namibia machte damals für Einwanderer ein ganz besonderes und deshalb erwähnenswertes Willkommensgeschenk.

Zu den Bedingungen um einwandern zu dürfen, gehörte unter anderem auch die finanzielle Investition in Form eines Bankguthabens. Die vom Staat dadurch noch attraktiver gemacht wurde, indem Einwanderer zu der damaligen Zeit einen etwa 20%igen Bonus zum eingeführten Geld bekamen. Vorausgesetzt, es wurde vorab per Swift in einer ausreichenden Menge von Bank zu Bank transferiert. Nicht in jedem Land war das so. Obwohl zu dem Zeitpunkt die Inflationsrate relativ hoch lag, für das Ersparte auf dem Konto gab es 12,5% Zinsen. Das brachte uns unterm Strich mehr Zinsen im Monat, als wir in Deutschland im Jahr zuvor noch beide zusammen verdient hatten. Ohne diesen Finanzrand, wie dieser Bonus hieß, hätten wir es nicht so leicht gehabt. Das hatte uns natürlich einiges in finanzieller Hinsicht gebracht. Auch alle anderen, die zu dem Zeitpunkt in das noch junge Namibia einwanderten, profitieren davon. Eine durchdachte Strategie des Staates, uns neue Mitbürger und künftige Steuerzahler eine Einwanderung schmackhaft zu machen. Auf einen ordentlichen Köder an der Angel beißen auch dicke Fische. Oder: Mit Speck fängt man Mäuse. Und dieser Speck hat uns geschmeckt, aber wie! Aber das nur am Rande für all diejenigen, die ein ähnliches Vorhaben planen. Das war einmal. Bitte sich nicht vom günstigen Touristenkurs blenden lassen. In einem, ich sag jetzt mal „Billigland“ zu leben und sein Geld dort zu verdienen, das kann ganz schön teuer sein. Weshalb ich persönlich auch nie auf eine Insel wollte, auf die erst umständlich alles mit Schiffen oder Flugzeugen antransportiert werden muss und so Kosten in die Höhe treibt. Gut recherchieren sollte bei der Planung einer Auswanderung also oberste Priorität haben.

Mit einem vollgetankten Auto und noch etwas Bargeld sollte es also nun weiter in die Innenstadt gehen. Mit einer Windschutzscheibe, die vom Tankstellenfacharbeiter frisch geputzt wurde. Sie war eigentlich nicht sauber, im Gegenteil, aber das lag nur in meinem Auge als Betrachter. Denn zwischen deutsch + sauber sowie afrikaans + suiwer liegen nicht nur Welten, sondern besser gesagt, ganze Kontinente.

"Hast du alle Scheiben am Auto geputzt?“, fragte ich den jungen Mann, der mir zuvor mit einem ziemlich rustikal aussehenden Lappen über die Scheibe wedelte.

"Ja Mister, alles geputzt", erklärte er mir in Denglisch, also diesem sprachlichen Cocktail aus Afrikaans, Englisch und seinem mir unbekannten Heimatdialekt. Er zeigte mir dabei seine makellose, komplette Kauleiste. Die von einem Ohr bis zum anderen reichte. Zwischen diesen wuchs eine Art Putzwolle, in der dekorativ ein Schreibstift steckte.

"Aber auf der Windschutzscheibe hat es doch noch Schlieren und Reste von Mücken. Siehst du, dort diese Flecken?“. Ich zeigte sie ihm mit meinem Finger von innen. Wieso sollte ich auch aussteigen, wenn es denn diesen Service schon gab.

"Ja Mister, aber ich habe die Scheibe geputzt."

Eine fremdartige Logik, die zu begreifen sich mir im Moment verschloss. Er hatte die Scheibe geputzt. Soweit richtig. Nur sie war eben nicht sauber. Zumindest nicht so, wie wir Europäer es uns als sauber vorstellen. Trotzdem, er hatte seine Dienstleistung erbracht und forderte nun seinen Obolus. Jedoch anstelle mich zu ärgern, entlockte es mir in diesem Moment ein innerliches Grinsen. Was sollte ich gegen seine Logik wohl machen, er hatte die Scheibe geputzt und seine Dienstleistung somit erfüllt. In Afrika ist eben alles ein wenig anders. Einem Menschen mit Schulbildung hätte ich jetzt wohl ein Trinkgeld verweigert. Aber nicht diesem armen jungen Mann, der weder Schule noch Ausbildung kannte. Und somit keinerlei sonstige Perspektiven gehabt hätte. Mit einer verschmierten Windschutzscheibe fuhren wir weiter in die Stadt.

Ein Banküberfall war nun angesagt. Nachdem wir unseren alten Opel zentral in der Stadt geparkt hatten, ging es der Reihe nach, wie gesagt, erst auf die Bank und dann in den Supermarkt. Wir mussten uns erst einmal mit Lebensmittel versorgen. Dabei war zu beachten, wir hatten noch keinen Kühlschrank. Also wurde zu allererst eine Kühlbox angeschafft. Beim ersten Mal einkaufen war mir schon aufgefallen, dass es an der Kasse Eiswürfel in Massen zu kaufen gab. Kiloweise in Plastiksäckchen verpackt. Eine ganze Truhe stand nur dafür parat. Kein Speiseeis wohlgemerkt. Gleich schnallten wir auch wozu! Learning by doing! Nachdem die eingekauften Lebensmittel in der Kühlbox landeten, wurde der verbleibende Platz komplett mit Eis aufgefüllt. Mit dem Eis aus den Truhen an der Kasse. Welches überraschenderweise recht lange hielt. Beim ausgiebigen Schlendern durch die Reihen der Regale fiel uns zum ersten Mal auf, dass Verschiedenes wesentlich teurer war, als wir es von den vorangegangenen Urlauben noch in Erinnerung hatten. Die Grundnahrungsmittel wie Mehl, Salz, Zucker und Fleisch (jawohl Fleisch) gab es beinahe zu einem Spottpreis, auch wenn wir nicht den günstigen Wechselkurs für Touristen zu Grunde legten. Davon ausgenommen, waren aber gewöhnliche Bedarfsartikel, wie z. B. simples Toilettenpapier. Dieses war nämlich mit Luxussteuer belegt. Vielleicht hat das mit einer anderen Verdauung auf Grund einer anderen Esskultur zu tun. Aber, wer braucht schon mehrlagiges Klopapier als Grundnahrungsmittel! Im Rückblick auf die ‘60er Jahre muss ich gerade erwähnen: „Ein Hoch auf die Tageszeitung.“ Damals gab es ja noch nichts anderes und die mehrfach gefaltete Tageszeitung, in kleine viereckige Blättchen geteilt, verrichtete damals auch ihren Dienst.

Das Einkaufen in Afrika machte uns Spaß. Oder besser gesagt in Namibia. Wenn wir sagen Afrika ist es meist so gemeint, als ob es gleich um die Ecke von Europa wäre. Die wenigsten Menschen waren sich damals dessen bewusst, wie groß dieser Kontinent überhaupt ist, denn die Globalisierung war zu der Zeit noch längst nicht in dem Maß fortgeschritten wie heute, wo dank Internet alles und auch immer sofort zu bekommen ist. Als wäre es nur um die nur Ecke.