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Robert war Reiseleiter aus Leidenschaft in seiner eigenen Safari-Firma in Südafrika. Er war frei, ungebunden und alles lief beinahe perfekt, bis auf seine Kenntnisse in Fremdsprachen. Deshalb suchte er Nachhilfe und die Lösung lautete: "Sprachferien in Kapstadt". Kurzentschlossen meldete er sich an. Das Sprachstudium bereitete ihm Freude, doch wie sehr er sich auch konzentrierte, der Unterricht wurde durch eine attraktive und überaus lebenslustige, junge Frau folgenschwer beeinträchtigt. Er traf mit Kristin die Liebe seines Lebens - und das wirbelte sie mit einer gehörigen Portion Sexappeal ordentlich durcheinander.
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Seitenzahl: 177
Veröffentlichungsjahr: 2018
Erhard Kaupp
Unter der SonneSüdafrikas
Trilogie einer Liebe
© 2018 Erhard Kaupp
Text, Umschlag & Illustration
Korrektur: I. Weidele
ISBN
978-3-7469-2567-7 (Paperback)
978-3-7469-2568-4 (Hardcover)
978-3-7469-2569-1 (e-Book)
Verlag & Druck: tredition GmbH, Hamburg
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
Cape Town – Southern Cape
Der erste Schultag
Sie liebt mich, sie liebt mich nicht…
Zwischen Schule und Dolce Vita
Das Einzel-Date
Upington – Northern Cape
Spröder Alltag
Du hast mir so gefehlt
Heiße Nächte unterm Sternenhimmel
Zweiter Abschied
Lübeck – Schleswig-Holstein
Besuch in Lübeck
Der Nebenbuhler
Showdown
Kapstadt, Republik Südafrika
Der erste Schultag
Mit klopfendem Herzen betrat Robert die Schule und schaute sich fragend um.
„Wo ist denn nur Zimmer 6.2?“, fragte er sich, er war viel zu spät dran, und seine erste Unterrichtsstunde hatte bereits begonnen.
Dass er in einer Megacity wie Kapstadt mit einem höheren Verkehrsaufkommen zu rechnen hatte, war ihm schon bewusst. Ganz im Gegenteil zu den Ortschaften, die er auf dem Weg von zu Hause in der Northern Province bis hierher nach Kapstadt zu durchfahren hatte. Diese „Städte“ konnte er sogar an einer Hand abzählen, obwohl er über 1000 km zurückgelegt hatte. Nun hatte er für seine Anreise doch viel länger gebraucht als er gedacht hatte und war, ganz entgegen seiner sonstigen Gewohnheit immer pünktlich zu sein, einfach zu spät. Sichtlich nervös stand er jetzt in dieser Schule. Mit flinkem Auge überflog er die Informationstafel, die gleich hinter der Eingangstür an der Wand hing. Robert hatte sich an dieser Schule angemeldet um seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Sein Ziel war, sich intensiv nur auf das Lernen zu konzentrieren und möglichst viel auf seiner geistigen Festplatte im Oberstübchen abzuspeichern. Zwar hatte er zuvor schon ein paar Jahre englisch gesprochen und konnte sich auch ganz gut unterhalten, aber er wusste nur zu gut, dass er noch manche Defizite hatte. Vor allem das Schreiben machte ihm sehr große Mühe. Robert war nämlich vor einigen Jahren mit Sack und Pack von Deutschland nach Südafrika ausgewandert und kam nicht drum herum, die ihm auferlegte, neue „Muttersprache“ bei all den unerlässlich gewordenen Behördengängen zu sprechen. Wozu denn auch, wenn so viele Bekannte in seinem näheren Umfeld deutsch redeten. Abends dann, im einzigen und ziemlich verrauchten Pub, war es ihm völlig egal, wie gut seine englischen Sprachkenntnisse ankamen. Hauptsache, die immer gut gelaunte junge Dame hinter der Bar konnte ihn nur halbwegs verstehen und seine Bestellung über ein kaltes Bier kam bei ihr an.
Robert war mit Leib und Seele Reiseleiter und die meisten seiner Kunden, die überwiegend aus dem kalten Deutschland kamen, waren froh, sich in ihrer Muttersprache unterhalten zu können. Er liebte die Wärme Südafrikas und es fiel ihm sichtlich leicht, die Touristen für dieses herrliche Land zu begeistern. Es war sein Land der Träume und wenn er anfing zu erzählen, dann ging ihm sichtlich das Herz auf, was sich stets positiv auf seine Gäste übertrug. Doch in letzter Zeit hatte er immer öfters Gäste aus dem weit entfernten Japan und Amerika, ja sogar aus China und Russland. Da konnte es sicherlich nicht verkehrt sein, seine eingestaubten Sprachkenntnisse aufzufrischen, denn irgendwer sprach immer Englisch. Oder konnte sich zumindest mit ein paar Brocken verständigen. Davon abgesehen war es eine der sage und schreibe elf offiziellen Landessprachen in der Republik Südafrika.
Aha - hier die Treppe hoch und rauf in das 6. Stockwerk. Oben angekommen schaute er sich erst einmal in Ruhe um und holte tief Luft. Es roch wie - ja nach was eigentlich? Es erinnerte ihn an eine alte Kirche, in der viel Sandstein verarbeitet wurde. Robert war doch tatsächlich etwas aus der Puste gekommen. Ein sportlicher Typ war er noch nie gewesen und außerdem, Sport ist Mord und in der Ruhe liegt die Kraft. Davon war er überzeugt. Nun hatte er eben tatsächlich 56 Stufen in diesem alten ehrwürdigen Gebäude auf einer breiten und ausgetretenen Marmortreppe zurückgelegt. Dazu noch in einem affenartigen Tempo. Automatisch hatte er von der ersten Stufe an mitgezählt. Dort vorne links musste sein Klassenzimmer sein. Mit klopfendem Herzen betrat Robert den einzigen Raum, dessen Türe offenstand. Eigentlich war der Besuch einer Schule nichts Außergewöhnliches. Für Robert aber war es schon etwas Besonderes, denn immerhin war er mit seinen 44 Jahren zwar noch kein alter Sack, der sich täglich überlegen musste, wie oft er am Teich die Enten füttern sollte, aber er war auch nicht mehr der Taufrischeste. Schnell wurde ihm das bewusst, denn wie er sich umschaute, sah er sofort, die meisten Schüler waren um einiges jünger als er. Wie er seine Augen in die Runde schweifen ließ, erkannte er erfreut Menschen aus aller Herren Länder. Das konnte ja spannend werden!
Er sah eine Frau mit dunklen Augen, die von pechschwarzen Haaren umrahmt waren. Daneben saß ein blonder Jüngling, dessen Haupt im Gegensatz zu ihr von blonden Schnittlauchlocken gekrönt war und der offensichtlich irgendwo aus dem hohen Norden kommen musste. Vielleicht aus Schweden, oder Dänemark? Dann war da noch ein junger Mann, ganz hinten in die Ecke abgedrängt. Eine ungewohnte Erscheinung mit einem kreisrunden Gesicht, in dessen Mitte eine gewaltige Nase zwei Schlitzaugen voneinander trennte. Also wenn der nicht einen mongolischen Einschlag hatte! All dies schoss Robert blitzschnell durch den Kopf, als er den Klassenraum betrat.
"Hi guys", so begrüßte er völlig informell die illustre Klasse, wie selbstverständlich in seinem besten Kneipenenglisch.
Beim Besuch dieser Schule gab es nämlich einige Bedingungen einzuhalten. So durfte unter anderem nur Englisch gesprochen werden. Völlig egal, welcher Nationalität der Student angehörte. Dies stellte für Robert jedoch überhaupt kein Problem dar und er kannte keinerlei Hemmungen sich zu verständigen. Sogar ohne alkoholische Nachhilfe in Form ein paar Gläser roten Weines. Wozu hatte er schließlich zwei lange gesunde Arme mit äußerst geschickten Händen, die er ebenso einzusetzen wusste. Davon abgesehen war es für ihn selbstverständlich, dass er sich so weit wie nur irgendwie möglich in der jeweiligen Sprache des Gastlandes auszudrücken versuchte. Letztendlich wollte er etwas von den Anderen und nicht umgekehrt.
"Hi", so begrüßte ihn der Lehrer“, you must be Robert the German!"
Das war nun wirklich nicht schwer zu erraten, denn so wie es aussah war er schließlich der Letzte, der den Raum betrat. Dazu kam, dass nur noch ein Platz frei war und dieser musste dann wohl seiner sein!
Zehn Stühle standen insgesamt im Halbkreis um den kleinen Tisch herum an dem der Dozent sich breitmachte. Rudolph war sein Name, wie Robert an dem kleinen Namensschildchen sehen konnte, welches er dekorativ vor sich auf dem Tisch aufgebaut hatte. Ein deutscher Name? Robert dachte sein Lehrer wäre Engländer und als ob dieser seine Gedanken lesen konnte, löste er das Rätsel umgehend auf.
"Ja, ich weiß, Rudolph ist für euch sicherlich ein außergewöhnlicher Name, aber mein Vater, der mir diesen Namen gegeben hatte, war ein gebürtiger Hamburger“ erklärte er in ziemlich akzentfreiem Deutsch und fuhr fort:
„Er wanderte damals in den Nachkriegsjahren auf der Suche nach dem Glück nach England aus. Dort lernte er nach ein paar Monaten in London beim Arbeiten meine Mutter kennen. Aus dieser Verbindung entstand ich, ging zur Schule, studierte und blieb nach einer halben Weltreise hier in Südafrika hängen. Ja, jetzt stehe ich hier vor euch und unterrichte in Kapstadt schon seit über 12 Jahren an dieser internationalen Schule, und ich muss sagen, mit jedem Jahr gefällt mir diese Wahnsinnsstadt besser. Ihr werdet sehen, es wird euch ebenso ergehen, wenn ihr den Kap-Virus eingefangen habt!"
So stellte sich Roberts Klassenlehrer vor und fügte, anscheinend ohne Luft zu holen, ergänzend hinzu:
"Was ich noch sagen wollte, hier in der Schule sagen wir alle DU zueinander, ihr dürft also gerne Rudi zu mir sagen. Das macht alles etwas bequemer. Aber jetzt höre ich endlich auf zu quatschen, jetzt seid nämlich ihr dran. So, bitte – stellt euch der Reihe nach vor!"
„Der quasselt wie eine Frau, ohne Punkt und Komma!“, schoss es Robert durch den Kopf, obwohl er selbst auch nicht gerade auf den Mund gefallen war.
Immerhin schien dieser Rudi mit einer gesunden Portion Humor gesegnet zu sein und es war lustig anzusehen, wie bei dieser Ansprache seine lockigen Haare durch die Luft flogen, während seine Augen die Klasse musterten. Von links nach rechts, immer wieder, hin und her. Standesgemäß durch eine Nickelbrille. Die außergewöhnlich dicken Gläser, die einem Aquarium alle Ehre gemacht hätten, ließen seine grau-grünen Augen noch größer erscheinen, als sie eh schon waren.
"Ich hätte ihn eher für einen Iren gehalten, als für einen Engländer!“, kam Robert in den Sinn, als er schadenfreudig die kupferrote Haarfarbe seines Lehrers betrachtete.
Robert war ein Typ von Mensch, der immer versuchte, andere in eine Schublade einzusortieren. Wie es sich zeigte, hatte er sehr oft recht mit seiner ersten Einschätzung. Der Reihe nach stellten sich nun die Mitschüler vor. Da waren Willi und Ursula aus der Schweiz, beide sicherlich auch schon an die Mitte 30 und miteinander verheiratet.
„Kann man eigentlich auch gegeneinander verheiratet sein?“
Diese Frage ließ ihn vorerst nicht los.
Obwohl er ursprünglich nur einen Steinwurf von der Schweiz entfernt zu Hause war, es war für ihn immer noch unverständlich, wie jemand so eine Sprache erfinden konnte und er dachte sofort an das berühmte Chuchechäschtli1. An ihren beiden Händen konnte man sehen, das waren Arbeiterhände. Willi hatte ein paar Pratzen, die so groß wie Klodeckel waren.
„In diese wollte ich auch nicht versehentlich hineinlaufen!“, ging es Robert weiter durch den Kopf.
Das Ehepaar hatte sich in der Republik Südafrika eine Farm am Breede River gekauft und es sollte sich bald herausstellen, dass sie ein überaus sympathisches Ehepaar waren und weitaus weniger kompliziert als ihre Muttersprache. Immerhin waren sie beinahe Roberts Nachbarn, zumindest was die Provinz anbetraf. Ja ok, bis auf die 1ooo Kilometer die zwischen ihnen lagen. Ihr Schulenglisch schien auch noch aus der Steinzeit zu sein, denn immerhin schienen sie nach ihm die Ältesten in dieser Runde zu sein. Ein junges, dunkelhaariges, hübsches Mädchen, welches recht schüchtern in die Runde blickte und vermutlich nur knapp über minderjährig war, stellte sich vor als Florence und kam aus Buis-les-Baronnies.
„Das ist eine kleine Ville in die Provence bei die nackte Montagne!“, erklärte sie mit ihrem unüberhörbaren und doch so charmant klingenden französischen Akzent.
Robert kannte diesen Berg aus einem früheren Urlaub in Südfrankreich und konnte sich noch gut daran erinnern. Das konnte nur der berühmte Mont Ventoux sein, auf dessen kahlen Gipfel schon manch einem Teilnehmer der Tour de France die Puste ausging. Florence, sogar ihr Name duftete schon nach Lavendel. Ihr Akzent prägte sie ebenso unverkennbar, wie der von den beiden Eidgenossen aus der Schweiz, allerdings 300 % melodischer. Dann war da noch Hans, er kam aus Österreich, wie Robert auf Grund des ausgeprägten Dialektes, welcher sich unüberhörbar mit seinem Survival-Englisch mischte, vermutete.
„Na, i bi koan Öschterriecher, i bin an echta Tiroler“, so verteidigte sich dieser sofort.
Dabei ließ er das R in seiner Aussprache rollen, was unverkennbar die Nachbarschaft zu Italien zeigte. Jawohl, so stellt man sich einen jungen Bergbauernburschen vor. Kräftig, schlagfertig und ein sonnengegerbtes Gesicht. Lediglich die Lederhose fehlte ihm, so Roberts klischeehafte Vorstellung, um auch diese Schublade in seinem Geiste zu schließen.
Die Musterung seiner Mitschüler war für Robert aber noch nicht abgeschlossen, wenn er in seiner Fantasie schwelgte, dann schien er wie geistesabwesend zu sein. Obwohl er, ganz im Gegenteil, hellwach war. Noch ein junges Mädchen bereicherte die Runde der Lernbegierigen. Lingh kam mit Sicherheit aus China, wie es ihre fröhlichen Mandelaugen und ihr zierliches, handliches Format vermuten ließ.
Ihre Vorstellung sollte dies sofort bestätigen.
„Schade, dass wir hier nicht italienisch lernen“, dachte Robert und erwischte sich gerade dabei, wie er über seinen eben selbsterfundenen Witz verschmitzt lächeln musste.
„Das wäle bestimmt lustig gewolden, wenn Lingh aus Shanghai mit den ganzen lollenden L‘s italienisch splicht!“
Unter ferner liefen waren da noch ein junger Mann aus Polen, dessen Name so hart klang wie seine ausgeprägten Gesichtszüge zeigten. Iglof, oder so ähnlich. Seinen Namen hatte Robert ebenso schnell wieder vergessen wie den einer jungen, aufgebrezelten Dame im Minirock und abgrundtief ausgeschnittener Bluse, unter der sich mit Sicherheit an die drei Kilogramm Silikon, dem Bersten nahe, wölbten.
„Mein lieber Mann, mit so einer aufgetakelten Fregatte muss die Nacht schon sehr dunkel sein! Ich wage es zu behaupten, dass sie vorher mit Sicherheit viel besser aussah. Keine Ahnung, wer oder was die zu sowas geritten hat!“, mehr fiel Robert zu ihr nicht ein.
Er hielt nichts von gemachter Schönheit, zumal seiner Meinung nach ersichtlich war, dass die anderen OPs, vor allem im Gesicht der an sich noch jungen Frau sicherlich nicht gratis, aber dafür umsonst waren.
An einer kleinen blonden Frau blieb Roberts Blick jedoch förmlich kleben und er konnte sich nicht erklären wieso. Tief in ihren Gedanken versunken kaute sie auf einem altmodischen Füller. Waren es die leuchtend blauen Augen, die ihn unter einem frech und etwas zerzausten Pony heraus anstrahlten? Oder irritierte ihn ihr viel zu dick aufgetragener, knallroter Lippenstift, weil dieser eigentlich überhaupt nicht in ihr Gesicht passte. War sie so sportlich, oder war sie nur dünn, denn von ihrer kindlichen Statur her war sie ansonsten eher unauffällig. Da half es auch nicht, dass sie ein außergewöhnlich buntes Kleid mit kräftigem Blumenmuster trug, welches recht kurz war. Es war sogar verdammt kurz. Als ob das nicht ausreichen würde, schlug sie jetzt zu allem hin noch ihre Beine übereinander und offerierte Robert einen ungewöhnlich tiefen Einblick. Trotzdem sie hinter einem Tisch saß, sah Robert mehr als im lieb war und er im Moment gebrauchen konnte. Und sie saß ihm auch noch sowas von genau gegenüber!
„Mann oh Mann, wie bekomme ich Englischunterricht, Erotik und Dessous in Einklang?“
Dieser schneeweiße Hauch von so gut wie Nichts hatte mit dem, was er bisher unter dem Begriff Unterhose verstand, nicht mehr viel zu tun. Sein Pulsschlag schaltete gleich zwei Gänge zurück, schlagartig setzte der Turbo ein und unvermeidbar begann sein Kopfkino mit Vollgas zu rattern!
"Nein, nein und nochmals nein! Ich darf da nicht hinsehen. Wie soll ich mich denn jetzt noch auf den Unterricht konzentrieren", ging es nur kurz durch seinen Kopf und schon klebte sein Blick wieder an der, ihm bisher unbekannten, jungen attraktiven Frau.
Robert konnte nicht nur andere Menschen gut beobachten, er nahm auch sich selbst nicht davon aus. Er wurde förmlich aus seinen Gedanken gerissen, denn endlich - endlich sagte die hübsche Unbekannte von gegenüber etwas.
"My name is Kristin, I turned to 44 and I am from Lübeck in Germany“, so stellte sich die zierliche Frau vor.
Ihre Stimme klang so jugendlich frisch und unverbraucht, während sie dabei herzlich in die Runde lachte. Nur für einen kurzen Moment blieb ihr Blick sogar an Robert hängen.
Als ob sie spüren konnte, dass er sie schon die ganze Zeit beobachtete. Wobei beobachten nicht das richtige Wort war, nein - er hatte sie förmlich mit seinen Blicken verschlungen. Angestarrt, wie ein achtes Weltwunder!
Noch bevor sich alle Mitschüler vorstellen konnten, ging die erste Unterrichtsstunde abrupt zu Ende. In der Pause musste sich Robert sogar ernsthaft überlegen, über was die letzten 60 Minuten eigentlich geredet wurde! Seine ausgeprägte Fantasie war stärker als die Macht des englischsprechenden, rothaarigen Lehrers von der königlich grünen Insel hinter dem Ärmelkanal. Endlich waren die zehn Raucherminuten um, und wie auf Kommando fanden sich alle wieder auf ihren Plätzen ein.
"Hey Robert, it’s your turn now", so riss ihn die Stimme des Herrn aus seinen Träumen, kaum hatte die zweite Stunde richtig begonnen.
Ihm war völlig entgangen, dass er inzwischen damit an der Reihe war, sich vorzustellen. Wie peinlich! Hoffentlich merkte das niemand von den anderen, die er im Geiste schon sah, wie sie über ihn tuschelten. Obwohl es dazu ja gar keinen Anlass gab. Zumindest noch nicht!
"I´m so sorry!", entschuldigte sich Robert für seine geistige Abwesenheit und begann ziemlich holprig damit, sich vorzustellen.
Schnell hatte er realisiert, dass Rudi, der Inselgelehrte, gleich von Beginn an Vollgas gab. Schließlich wollte der beim Unterrichten nicht stehenbleiben, sondern vorankommen! Lernstoff gab es genügend, daran sollte es also nicht liegen.
"Also, mein Name ist Robert Rahrichter und ich komme aus Badenweiler, einem kleinen verträumten Dorf am Fuße des Hochblauen2 im Schwarzwald. Das liegt im Markgräflerland, ziemlich nahe an der Grenze zu Frankreich und der Schweiz. Es ist ein beliebtes Weinanbaugebiet, dessen Tropfen schon einige Auszeichnungen einheimsen konnten!“
Dabei klang ein bisschen Stolz in seiner Stimme.
„Allerdings ist seit ein paar Jahren Südafrika meine neue Heimat. Hier habe ich mir meinen Lebenstraum erfüllt und verwalte oben im Norden ein kleines Reiseunternehmen. Ziemlich am Rande der südlichen Kalahari."
Robert war ein bescheidener Mensch und verschwieg deshalb, dass er stolzer Alleininhaber dieses kleinen, aber feinen Safariunternehmens war. Wieso sollte er auch gleich am ersten Tag schon alle seine Karten auf den Tisch legen! So erzählte er weiter, dass er dort Safaris für ein ortsansässiges Reiseunternehmen ausführte. Das war ja eigentlich keine Lüge, auch dass er Touristen durch die Gegend kutschierte entsprach der Wahrheit. Oftmals war er mit diesen tagelang unterwegs. Bis weit hinein in die unbesiedelten Gebiete der Kalahari Wüste, ja sogar bis hoch in den Norden, dort wo die Buschmänner noch traditionell als Halbnomaden im Busch leben. Auch in Namibia war er schon des Öfteren. Inzwischen kannte er das südliche Afrika beinahe so gut wie seine Westentasche.
Während Robert sich so vorstellte war ihm nicht nur anzusehen, dass er mit Leib und Seele Reiseleiter war und dass die Wüste überhaupt nicht so wüst sein kann, wie es der Name vermuten ließe, nein – man konnte es sogar spüren! Vielleicht sogar riechen, denn wie er so beim Reden in Fahrt kam, geriet er doch tatsächlich ins Schwitzen, wie kleine Schweißperlen auf seiner Stirn verrieten. Vor lauter Aufregung hatte er am Morgen doch glatt sein Deo vergessen, und die dunklen Flecken auf seinem grünen Safarihemd waren inzwischen wirklich nicht mehr zu übersehen.
„Egal, wir sind ja schließlich in Afrika!“, dachte sich Robert und genoss die Bewunderung der anderen Mitschüler.
Seine Blicke jedoch blieben immer wieder an der gleichen Person hängen. An der kleinen kühlen Blonden aus dem hohen Norden Deutschlands. Irgendwo hatte er diese klischeehafte Bezeichnung einmal aufgeschnappt. Woher kam sie nochmal, aus Lübeck? Hatte sie das nicht extra betont, als sie ihn gerade in diesem Moment mit ihren strahlend blauen Augen anschaute? Oder hatte er sich das etwa nur eingebildet?
Der Unterricht gestaltete sich als äußerst abwechslungsreich und wie schon bemerkt, der Engländer nahm ordentlich Tempo auf. So, dass Roberts Kopf nur noch rauchte. Dabei erschien es ihm zu Beginn so, als ob alles völlig easy going werden würde. Bei seiner Ankunft bekam er lediglich einen Fragebogen, den es auszufüllen galt. Die Fragen waren nicht sonderlich schwer und die im Anschluss stattfindende mündliche Kurzprüfung hatte er sich ebenfalls viel schwerer vorgestellt. Und jetzt hatte Robert schon in der ersten Runde ordentlich zu kämpfen um schulisch mitzukommen. Aber in einem Punkt zeigte sich ein kleiner Unterschied zu dem, was er bisher in seinem Leben an Schule kannte. In dieser lernbegierigen Runde waren alles erwachsene Menschen, die im Leben schon etwas geleistet hatten und dem Schulalter schon längst entfleucht waren. Dementsprechend wurde der Unterricht eher spielerisch denn mit erzieherischem Drill gestaltet. Was bei den Mitschülern, die sich mit Robert zum gemeinsamen Pauken versammelt hatten, überaus gut ankam!
Wie im Fluge ging der erste Schultag vorüber. Sprachtechnisch gesehen war für Robert alles im grünen Bereich, aber irgendwie vermisste er eine Möglichkeit, mit der auffälligen jungen Frau von Gegenüber ins Gespräch zu kommen. Aber der Sprachkurs fing ja auch eben erst an und noch lagen fünf ganze Wochen vor ihm. Was nicht ist, das kann noch werden. Für heute jedoch war der Unterricht erst einmal zu Ende. Hausaufgaben gab es am ersten Tag keine und so konnte er es kaum erwarten, die Wahnsinnsstadt, wie Rudi sie bezeichnete, endlich zu erkunden.
Sie liebt mich, sie liebt mich nicht…
Kapstadt, oder wie es noch schöner klang, Cape Town! Dieser Name war wie Musik in Roberts Ohren. Die Stadt, von der Millionen Menschen behaupten, eine der schönsten der Welt zu sein. Allzu viel hatte er bisher noch nicht von ihr gesehen, kam er am Abend zuvor doch recht spät in seiner Unterkunft an. Genauer gesagt in seinem B&B, denn er bevorzugte eine private, persönliche Unterbringung.
„Das ist doch hundertmal besser, als irgend so ein anonymes Hotel!“, so seine Meinung.
Robert versprach sich damit, intensiveren Kontakt zu der hiesigen Bevölkerung zu bekommen. Im Hotel wäre er doch nur eine Nummer unter vielen gewesen. Alles, was er dort über Kapstadt erfahren hätte, wäre nur von großen Unternehmen gewesen, die es sich leisten konnten ihre Werbung im großen Stil zu verbreiten. Ganz wichtig war nämlich für Robert, möglichst viele persönliche Kontakte zu bekommen, um das neu Erlernte aus der Schule in die alltägliche Praxis umzusetzen. Wenn schon die Schulbank drücken, dann auch richtig, so sagte er sich. Abgesehen davon war es auch gar nicht so verkehrt, seine eigene Firma zu bewerben, denn das Klappern gehörte schließlich zum Handwerk.
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