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Der Fachkräftemangel stellt die deutsche Wirtschaft schon heute vor große Probleme. Diese werden sich noch verschärfen, wenn demnächst Millionen Babyboomer in Rente gehen. Meike Terstiege beschreibt, warum die geburtenstarken Jahrgänge für Arbeitgeber sowohl eine Herausforderung als auch ein Teil der Lösung sein können. Denn nicht alle Babyboomer freuen sich auf den Ruhestand - sie würden gerne weiterarbeiten. Sie empfiehlt daher, diese erfahrenen Arbeitnehmer:innen zu halten, zu motivieren und von ihrem Wissen zu profitieren. Ihr Buch beleuchtet, welche Anreize dafür geschaffen werden müssen und stellt innovative Methoden der Zusammenarbeit vor. Dabei geht es auch um die Frage, wie die Generation "Grey Gold" nach der Pensionierung ggf. "reaktiviert" werden kann, ohne die jüngere Generation zu demotivieren. Inhalte: - Analyse zum Arbeits- und Arbeitnehmermarkt in Deutschland - Babyboomer Insights: Charakteristika, Steckbrief und Unterschiede zu den Generationen X, Y und Z - Wie ältere Mitarbeitende motiviert, rekrutiert und integriert werden - Dos & Don'ts: Ansprache und Bindung von Babyboomern - Best Practices: REWE, Bosch, Deutsche Bahn, Mercedes Benz, ZF, Mastercard, Ineos, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Greta Silver - Expert:innen-Interviews zu Erfahrungen von Arbeitnehmer:innen und ArbeitgebernDie digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - E-Book direkt online lesen im BrowserJetzt nutzen auf mybookplus.de.
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Seitenzahl: 315
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Meike Terstiege
Babyboomer in Unternehmen
1. Auflage, November 2024
© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG
Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg
www.haufe.de | [email protected]
Bildnachweis (Cover): KI-generiert mit Midjourney
Produktmanagement: Dr. Bernhard Landkammer
Lektorat: Juliane Sowah
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Die Boomer kommen. Und zwar gewaltig: Millionen von ihnen befinden sich demnächst im Rentenalter. Sie liebäugeln mit dem Ruhestand oder Vorruhestand, freuen sich auf den nächsten Lebensabschnitt – oder fremdeln mit ihm. Manche von ihnen haben Pläne, manche sind planlos. Einige können es kaum erwarten, diese neue Lebensphase als »Rentner:in« zu beginnen, einige sind mit diesem Lebensabschnitt schlichtweg überfordert. Eines ist ihnen jedoch gemein: Das nahende (und teils drohende) »Abstellgleis« ist für alle eine Herausforderung.
Und die Boomer gehen. Sie verlassen in Massen und Millionen den Arbeitsmarkt, nehmen ihre Kompetenz und Expertise mit – und lassen viele Arbeitgeber mit einem Weniger an Wissen, Kunden- und Netzwerkkontakten teils hilflos, teils ratlos zurück. Der nahende (und drohende) Weggang der Boomer stellt (fast) alle Arbeitgeber vor Probleme.
Ohnehin stellt der FachkräftemangelFachkräftemangel die deutsche Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Aktuell (06/2024) entgehen ihr allein durch mehr als 500.000 nicht adäquat besetzte Stellen ca. 49 Milliarden Euro. Denn fehlende Fachkräfte führen dazu, dass nichts mehr oder zumindest (zu) wenig geht. Der Mangel an Fachkräften und qualifizierten Arbeitskräften aufgrund des demografischen Wandels ist tatsächlich eine der größten Wachstumsbremsen der deutschen Wirtschaft.
Doch dem demografischen Wandel stehen Arbeitgeber und Wirtschaft nicht ohne Antwort oder Lösungen gegenüber. Denn: Nicht jeder Babyboomer freut sich zwangsläufig auf die Rente und auf das Ende des Arbeitslebens. Tatsächlich würden nicht wenige Senior:innen gern weiterhin ihre jahrzehntelange Erfahrung und ihr tiefgehendes Wissen ins Arbeitsleben einbringen. Nicht wenige Babyboomer stünden daher weiterhin als (erfahrene) Arbeitnehmer:innen zur Verfügung.
Die Babyboomer stellen vor diesem Hintergrund zugleich eine Problematik und eine Chance für Arbeitgeber dar. Sie sind eine Herausforderung, wenn Arbeitgeber nicht auf ihre älteren Mitarbeiter:innen zugehen, die Motivierten unter ihnen identifizieren und rechtzeitig ansprechen – denn dann sind die Boomer in absehbarer Zeit einfach weg vom Arbeitsmarkt. Und sie sind eine Chance, wenn Arbeitgeber rechtzeitig das Potenzial ihrer älteren Mitarbeiter:innen erkennen und diese HR-Zielgruppe strategisch angehen – denn dann sind die Boomer eine echte Antwort auf den Fachkräftemangel.
Dabei muss die Zielgruppe der Babyboomer wohlwollend-kritisch und zugleich sensibel-empathisch betrachtet und angegangen werden. Denn nicht jede:r »Rentner:in in spe« fremdelt mit dem Ausstieg aus dem Arbeitsleben und nicht jede:r »seniorige« Mitarbeiter:in hat Angst vor potenziellen »Pappa-ante-portas«-Szenarien. Ein Teil dieser Senior:innen kann es kaum abwarten, diese neue Lebensphase einzuläuten, freut sich (zu Recht) auf das Rentnerdasein und plant bereits frühzeitig bis ungeduldig den sogenannten UnruhestandUnruhestand.
Der andere, nicht zu unterschätzende Teil an älteren Arbeitnehmer:innen jedoch möchte nicht ans Aufhören denken, will oder kann nicht ohne Arbeit. Zum einen, weil ihre Arbeit ihnen Spaß macht und Erfüllung bringt, sie jung hält und ihren Horizont erweitert, sie die Kolleg:innen und das Umfeld schätzen. Zum anderen, weil sie sich in großen Teilen über die berufliche Tätigkeit definieren – und ohne Arbeit wenig bis teils gar nichts mit sich anzufangen wissen.
In dieser Arbeitswelt wird es für Arbeitgeber immer wichtiger, die Chancen zu erkennen, die ältere Mitarbeiter:innen jetzt und in Zukunft bieten – und diese Chancen zu ergreifen. Denn erfahrene Arbeitnehmer:innen trugen und tragen insbesondere mit ihrer Erfahrung, ihrem Fachwissen, ihren Kontakten und ihrer hohen Arbeitsmoral maßgeblich zum Erfolg von Unternehmen bei. Senior TalentSenior Talents haben sich längst zu einem strategischen Erfolgsfaktor von Unternehmen und der HR-Planung entwickelt.
Ziel dieses Buches ist es daher, Strategien und Instrumente aufzuzeigen, wie Personalverantwortliche das Potenzial älterer Mitarbeiter:innen identifizieren, fördern und für sich nutzen können: durch das arbeitgeberseitige Motivieren erfahrener Mitarbeiter:innen, im Unternehmen zu bleiben und sich mit ihren Fähigkeiten weiter einzubringen RETENTION(RETENTION), sowie durch das Reaktivieren ehemaliger älterer Mitarbeiter:innen und das Zurückholen in das Erwerbsleben am Anfang ihres Rentnerlebens REACTIVATION(REACTIVATION).
Das Motivieren und Reaktivieren sogenannter Senior ExpertsSenior Expert und Senior ProfessionalsSenior Professional bietet Unternehmen eine unique Möglichkeit, nicht nur dem Fachkräftemangel zu begegnen, sondern eine Kultur des altersunabhängigen Wertschätzens, des generationenübergreifenden Arbeitens und Austausches sowie des gegenseitigen Lernens zu fördern.
Nutzen wir die Vorteile einer altersunabhängigen Zusammenarbeit und entdecken wir das – noch längst nicht ausgeschöpfte – Potenzial, das ältere Mitarbeiter:innen für Wirtschaft und Gesellschaft darstellen. Denn: Viele Erfahrene verstehen sich als Generation VORWÄRTS, als Generation JETZT ERST RECHT – und noch lange nicht als Generation ABSTELLGLEIS.
FachkräftemangelDer aktuelle und zukünftige Mangel an Fachkräften ist eine Realität, die die Wirtschaft Deutschlands maßgeblich beeinflusst – und vor allem in Zukunft nachhaltig beeinflussen wird. Arbeitgebern bleibt daher nur übrig, sich auf sinnvolle und praktikable Lösungen dieses Problems zu konzentrieren, das ihren Unternehmenserfolg beeinträchtigen kann und auch wird. Durch die Aktivierung und Qualifizierung von Frauen, Migrant:innen und insbesondere der Babyboomer-Generation als »Grey Gold« auf dem Arbeitsmarkt kann diese Hürde des wirtschaftlichen Unternehmenserfolgs allerdings in großen Teilen überwunden werden.
HINTERGRUND. Golden Human Resources.
Die Generation der Babyboomer, die nicht nur langsam, sondern vor allem absehbar und sicher das Rentenalter erreicht, birgt beim Meistern des Fachkräftemangels ein enormes Potenzial für den Arbeitsmarkt und für Arbeitgeber. Bei den Babyboomern handelt es sich größtenteils um erfahrene und kompetente Arbeitnehmer:innen, deren Wissen, Netzwerke und Motivation für Unternehmen von großem Wert sind. Um ihr Potenzial zu nutzen und die Babyboomer als Antwort auf den Fachkräftemangel zu aktivieren, gilt es daher seitens HR und Management, Know-how über und Verständnis für ältere Mitarbeiter:innen aufzubauen, um »Weiterarbeitsanreize« zu schaffen und innovative Methoden der generationenübergreifenden und altersunabhängigen Zusammenarbeit zu entwickeln. Vor allem aber sollten Arbeitgeber die Bereitschaft älterer Mitarbeiter:innen zu einem längeren Arbeitsleben im Rahmen eines strategischen HR-Ansatzes frühzeitig evaluieren und entsprechend würdigen.
HÜRDEN. Golden Human Resources.
Eine der größten Aufgaben für HR und Management besteht erfahrungsgemäß darin, das Wissen und die Erfahrung der Senior-Level-Mitarbeiter:innen auch nach deren Eintritt ins offizielle Rentenalter im Unternehmen zu halten, zu nutzen und an jüngere Mitarbeiter:innen weitergeben zu lassen. Denn dies erfordert in erster Linie eine komplett neue Ausrichtung der Personalpolitik und Unternehmenskultur sowie eine Flexibilisierung der Arbeitsprozesse, -strukturen und -hierarchien. Die Tatsache, dass viele Babyboomer gern freiwillig länger arbeiten möchten, ist zwar ein vielversprechendes Signal. Aber nicht alle Junior- und Mid-Level-Mitarbeiter:innen wollen die Karriereleiter erklimmen und stören sich gelegentlich an den älteren Kolleg:innen oder Vorgesetzten, die den Weg nach oben zu versperren scheinen, »den Weg nicht freimachen« oder auf alten Prozessen beharren und damit Innovationen im Weg stehen. So sind nicht wenige Jüngere irritiert bis verärgert, wenn erfahrene Kolleg:innen nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch aus dem Wunsch heraus, weiterhin einen Beitrag zu leisten und ihre Expertise zu teilen, »länger als nötig« im Unternehmen verbleiben.
HERAUSFORDERUNGEN. Golden Human Resources.
HR-Verantwortliche stehen daher nicht nur vor der Aufgabe, die Älteren trotz Rentenalters zum »Weiterarbeiten« zu motivieren, sondern auch die Jüngeren vom »Mitarbeiten« mit den Älteren zu überzeugen. HR und Management muss es gelingen, die Balance zwischen der Motivation und Bindung erfahrener Mitarbeiter:innen und der Förderung jüngerer Talente zu finden. Dabei dürfen zum einen jüngere Mitarbeiter:innen nicht durch eine Dominanz älterer Kolleg:innen abgeschreckt oder behindert werden, sondern müssen aktiv in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Zum anderen dürfen ältere Mitarbeiter:innen durch aufstrebende jüngere Kolleg:innen nicht zur Seite gedrängt oder ins Abseits gestellt werden, was häufig insbesondere bei der Anwendung neuer beziehungsweise digitaler Technologien oder bei Innovationsprojekten zu beobachten ist.
ZIELE. Golden Human Resources.
Das vielversprechende Ziel von Personalverantwortlichen und Personalentscheider:innen ist daher einerseits, die Erfahrung und Kompetenz der Babyboomer zu nutzen – mittels RETENTIONRETENTION, dem Binden und Halten älterer Mitarbeiter:innen in Unternehmen, und REACTIVATIONREACTIVATION, dem (Zurück-)Gewinnen älterer Mitarbeiter:innen für Unternehmen – und andererseits die älteren und jüngeren Generationen an Mitarbeiter:innen, insbesondere die Generation Y als Millenials, gemeinsam in generationenübergreifende Arbeitsstrukturen und Teams zu integrieren. Denn die Kombination der Vorteile des Erfahrungsschatzes der älteren und des frischen Blicks der jüngeren Arbeitnehmergenerationen kann die Innovationskraft von Unternehmen nachhaltig stärken – und stellt somit einen unverzichtbaren Wettbewerbsvorteil dar, dessen Hürden in Abbildung 1 dargestellt sind.
Abb. 1:
Babyboomer – HR & Recruiting
Wirtschaftsstandort DeutschlandDie Hürden des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Zuge des Fachkräftemangels zeigen sich längst auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Dieser entwickelt sich immer deutlicher von einem Arbeitgeber- zu einem ArbeitnehmermarktArbeitnehmermarkt. Vorbei sind die Zeiten, in welchen Arbeitgeber unter den für sie geeignetsten und besten Bewerber:innen wählen konnten, nur die Qualifiziertesten einstellten und sich im Recruiting-Prozess unbegrenzt Zeit lassen konnten. Heute müssen Unternehmen umdenken. Sie müssen neue Wege gehen, damit es ihnen gelingt, einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren – qualifizierte Mitarbeiter:innen – für sich zu gewinnen und an sich binden zu können. Der Mangel an qualifizierten Mitarbeiter:innen ist als wirtschaftliche Wachstumsbremse im Zuge dessen auch in den Medien, in der Politik und in der Gesellschaft zu einem allgegenwärtigen und viel diskutierten Thema geworden. Denn: Von den Folgen des demografischen Wandels sind nicht nur die Unternehmen aller Größen und Branchen betroffen, sondern wir alle (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023).
ARBEITSKRÄFTE. Deutschlands Arbeitnehmer:innen verändern sich.
Die Arbeitnehmerschaft in Deutschland wird demzufolge nicht nur älter, sondern auch kleiner. Der demografische Wandel zeigt deutlich, dass die deutsche Gesellschaft und der deutsche Arbeitsmarkt nicht allein durch immer mehr Ältere gekennzeichnet sind, sondern bereits seit Langem zu wenig Vielfalt hinsichtlich einer heterogenen Arbeitnehmerschaft zeigen und an zu geringen Geburtenraten kranken.
Deutschlands Arbeitskräfte werden weniger.
Deutschland hatte 2022 mit mehr als 84 Millionen Einwohner:innen zwar einen neuen Bevölkerungsrekord erreicht. Doch das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland einen demografischen Wandel durchläuft: Die Zahl der Menschen schrumpft deutlich, die Bevölkerungsstruktur verändert sich drastisch in Richtung einer stark überalternden Gesellschaft. Dies wiederum wird langfristig spürbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und damit auf die deutsche Wirtschaft haben. (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023).
Deutschlands Arbeitskräfte werden älter.
Deutschland wird seit Jahren immer älter, die Lebenserwartung der Deutschen steigt weiter und weiter. Laut Statistischem Bundesamt wird bis Mitte der 2030er-Jahre fast jede:r Dritte, der oder die sich derzeit im erwerbsfähigen Alter befindet, das Renteneintrittsalter erreichen. Die Babyboomer setzen sich zur Ruhe, es fehlt an beruflichem Nachwuchs. Damit verschiebt sich das statistische Verhältnis der Generationen untereinander – mit drastischen Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023).
Deutschlands Arbeitskräfte sind (zu) wenig weiblich und vielfältig.
Zwar ist die Erwerbstätigenquote von Frauen in den letzten Jahren deutlich gestiegen, doch die Aktivierung der »weiblichen Reserve« kompensiert die Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt nur wenig. Weitere Entlastung könnten die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte oder die Qualifizierung von Migrant:innen bringen, jedoch werden die ca. 400.000 Zuwanderer, die Deutschland jährlich bräuchte, um den demografischen Wandel auszugleichen, dauerhaft nur schwer zu erreichen sein (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023).
ARBEITSMARKT. Arbeitgeber verändern sich.
Im Zuge des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels zeigen sich deutliche Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt. Gewohnte Machtverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer:innen verschieben sich nicht nur deutlich, sondern teils drastisch. Veraltete Strukturen werden aufgerissen, Prozesse neu gedacht.
Deutschlands neuer Arbeitnehmermarkt.
Der (demografische) Wandel und der Fachkräftemangel haben nicht nur Auswirkungen auf einzelne Unternehmen, sie haben auch gesamtwirtschaftliche Konsequenzen. Wenn (gut ausgebildete) Arbeitskräfte rar sind, führt dies zu höheren Löhnen und zu steigenden Arbeitskosten. Tatsächlich zeigt sich daher im Verhältnis von Beschäftigten und Arbeitgebern eine Machtverschiebung. Heute geht es immer mehr darum, Mitarbeiter:innen zu gewinnen und zu binden, als sie in strikten Auswahlprozessen »auszusieben«. Die harten Assessment-Center der 1990er-Jahre, bei denen Kandidat:innen unter anderem mittels Stressinterviews und konkurrenzzentrierter Gruppenübungen selektiert wurden, haben längst ausgedient. Der »War for Talents«, früher ein Phänomen bei der Gewinnung sogenannter High Potentials, ist längst zum »Kampf um Köpfe« und zum Alltag von HR-Abteilungen geworden. Dieser Kampf um Köpfe, bei dem es allein um das Besetzen unbesetzter Stellen geht – und nicht mehr um das Finden und Binden der besten Talente –, bestimmt immer mehr das Recruiting vieler Unternehmen. Die HR-Aufgaben werden somit größer, zumal beispielsweise die neu in den Arbeitsmarkt eintretende Generation Z und die in den Startlöchern stehende Generation ALPHA teils völlig andere Werte und Vorstellungen haben als die Babyboomer oder Best AgerBest Ager der Generation X, für die harte Arbeit und Leistungsethos häufig im Lebensmittelpunkt standen – massive Überstunden eingeschlossen (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023).
Deutschlands Unternehmen forcieren HR-Themen.
Deutschland befindet sich als Wirtschaftsstandort somit in einem Wandel, der von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Einer der wichtigsten Einflussfaktoren ist dabei das neue Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt, das den Arbeitnehmer:innen deutlich mehr Möglichkeiten gibt, ihre beruflichen Vorstellungen durchzusetzen. Denn neben dem Gehalt spielen für viele Arbeitnehmer:innen heute unter anderem auch die Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort (die sogenannte ArbeitszeitsouveränitätArbeitszeit- und ArbeitsortsouveränitätArbeitsortsouveränität) eine entscheidende Rolle bei der Wahl ihres Arbeitgebers. Studien verdeutlichen, dass (altersunabhängig) vielen Fach- und Führungskräften nicht nur ein adäquates Einkommen wichtig ist, sondern auch weitere Aufstiegschancen, Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Weiterbildung, eine positive Unternehmenskultur und sinnvolle berufliche Aufgaben (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023).
Deutschlands Arbeitsprozesse werden automatisiert.
Als eine der Antworten auf den Fachkräftemangel und auf der Suche nach mehr Effizienz rückt die Automatisierung zahlreicher Unternehmensbereiche und -aufgaben zunehmend in den Fokus des Managements von Unternehmen. Automatisierte Prozesse helfen, die Effizienz zu steigern, vor allem jedoch den Mangel an Fachkräften und das Ausscheiden erfahrener Mitarbeiter:innen auszugleichen. Durch die Auslagerung von Routinetätigkeiten an beispielsweise Maschinen und KI-unterstützte Software oder durch die Automatisierung standardisierter Prozesse können sich die vorhandenen beziehungsweise verbleibenden Fachkräfte auf anspruchsvollere, wertschöpfendere und komplexere Aufgaben konzentrieren. Das Gros an Routine- und Standardaufgaben muss in vielen Branchen dank Automatisierung und KI nicht mehr durch »echte« Mitarbeiter:innen erledigt werden (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023).
Deutschlands Talente werden aus- und weitergebildeter.
Der Einsatz neuer Technologien erfordert jedoch eine weitere Qualifikation aller Arbeitskräfte, insbesondere wenn es an (qualifizierten) Fachkräften mangelt. Durch das Re- und Upskilling (d. h. das Aneignen neuer Fähigkeiten beziehungsweise den Ausbau vorhandener Fähigkeiten) von Mitarbeiter:innen können Unternehmen sicherstellen, dass die Beschäftigten den Anforderungen der digitalen und KI-geprägten Arbeitswelt gewachsen sind. Neben der Qualifikation von Arbeitskräften ist auch das Erhalten des vorhandenen Wissens älterer Mitarbeiter:innen entscheidend für die Sicherung der unternehmensinternen Produktivität und des Unternehmenserfolgs. Unternehmen sollten daher Strategien für ein langfristiges WissensmanagementWissensmanagement implementieren und dabei ältere Mitarbeiter:innen unter anderem als Mentor:innen oder Coaches für jüngere Generationen einsetzen. (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023)
Deutschlands Sozialsystem wird herausgefordert.
Der demografische Wandel stellt auch die Sozialversicherungen vor Probleme, da die Anzahl der Erwerbstätigen sinkt und die Zahl der Ruheständler steigt. Dies kann zu einem (deutlichen) Anstieg der Beiträge und einem Rückgang des Sicherungsniveaus führen. Eine Erhöhung der Beschäftigung und das Binden älterer Mitarbeiter:innen an Unternehmen könnte daher nicht nur den Mangel an Arbeitskräften ausgleichen, sondern auch die Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland stärken. (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023)
Deutschlands Unternehmen werden effizienter.
Angesichts des Fachkräftemangels ist es für die Arbeitgeber in Deutschland ebenfalls von zunehmender Bedeutung, die Wertschöpfung pro Arbeitsstunde zu maximieren. Die Weltwirtschaft hat bereits seit der Industrialisierung wiederholt vergleichbare Phasen einer Beschleunigung der Produktivitätssteigerung erlebt, die vorrangig auf technologischen Innovationen basiert. Die aktuellen Leittechnologien wie Robotik, Künstliche Intelligenz (KI)künstliche Intelligenz (KI) oder Cloud-Computing haben dabei das Potenzial, Unternehmen erhebliche Produktivitätssprünge zu ermöglichen. Im Dienstleistungsbereich unterstützen digitale Tools beispielsweise bei der Datenerfassung, der Bearbeitung von Kundenanfragen und der Planung standardisierter Prozesse, unter anderem durch eine Bandbreite von einfach aufgebauten Algorithmen bis zu fortschrittlich generativen KI-Systemen. In der industriellen Fertigung übernehmen Roboter unterschiedliche Transport- und Montageaufgaben, wodurch gleichzeitig neue Qualitätsstandards und schnellere Fertigungsprozesse in Unternehmen etabliert werden. In sogenannten Smart Factories überwachen und steuern menschliche Fachkräfte einen weitgehend automatisierten Produktionsprozess – während durch »Predictive Maintenance« (d. h. vorbeugende beziehungsweise vorausschauende Instandhaltung) die Ausfallwahrscheinlichkeit von Produktionssystemen reduziert und die Anzahl manueller Eingriffe verringert werden können, was wiederum die Wertschöpfung steigert. Die potenziellen Produktivitätszuwächse bewegen sich in der Regel im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Unternehmen sollten diese neuen Technologien daher nicht nur als eine Art Lückenfüller für nicht vorhandenes Personal betrachten, sondern vielmehr als Chance im Sinne eines erheblichen Produktivitäts-, Wachstums- und Innovationspotenzials. Idealerweise gehen dabei demografischer und technologischer Wandel Hand in Hand, sodass jüngere und ältere Arbeitskräfte, die durch Automatisierungsprozesse und -instrumente entlastet werden, stattdessen anspruchsvollere Aufgaben übernehmen können (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023).
Deutschlands Arbeitnehmer:innen werden (noch) fitter.
Die Sicherung der Produktivität von Unternehmen in Deutschland erfordert das Erlernen neuer Fähigkeiten durch ältere Mitarbeiter:innen. Gleichwohl wird Weiterbildung seitens vieler Arbeitgeber bislang überwiegend allein bei jüngeren Arbeitnehmer:innen gefördert und genehmigt. Ebenso wichtig ist das Bewahren des wertvollen, oft eher impliziten Fachwissens, das ältere Mitarbeiter:innen über ihre langjährige Berufserfahrung erworben haben. Hierbei sind die Konzeption und das Implementieren einer Wissensmanagementstrategie und unter anderem der Einsatz älterer Mitarbeiter:innen als Coaches für jüngere Kolleg:innen von Bedeutung. Dies führt laut Studien sowohl für die am Coaching-Programm teilnehmenden Mitarbeiter:innen als auch für deren Arbeitgeber zu einer Win-win-Situation, da fortlaufende Erfolgserlebnisse und ein schrittweiser Übergang in den Ruhestand die (mentale und/oder physische) Gesundheit älterer Mitarbeiter:innen schützen und sogar das Sterberisiko potenziell senken können. Besonders bewährt haben sich sogenannte Tandem-ProgrammTandem-Programme, die junge und ältere Mitarbeiter:innen zusammenbringen. Diese fördern die Zusammenarbeit über Generationen hinweg und generieren einen Mehrwert für beide Seiten. Derartige Programme sollten jedoch unbedingt individuell auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer:innen sowie auf die Bedürfnisse und Strukturen des Arbeitgebers zugeschnitten sein, um einen maximalen Nutzen zu erzielen. Zudem ist es wichtig, im Rahmen dieser Programme die verschiedenen Generationen sowie ihre jeweiligen Kulturen aufeinander abzustimmen und diese zu integrieren – schließlich haben die unterschiedlichen Gruppen der Generation Z, Generation X oder die Babyboomer zum Teil sehr unterschiedliche Vorstellungen und Bedürfnisse. Ein institutionalisierter unternehmensinterner Kulturdialog mit Vertreter:innen aller Altersgruppen kann dabei helfen, gemeinsam Herausforderungen zu identifizieren und zu bewältigen sowie eine identitätsstiftende UnternehmenskulturUnternehmenskultur zu entwickeln. Um die Auswirkungen des demografischen Wandels abzumildern, ist es außerdem ratsam, den vorhandenen Pool an älteren Fachkräften sinnvoller einzusetzen und das bestehende Personal zu halten, insbesondere in Branchen mit einem hohen Bedarf an Fachkräften. Dafür bieten sich Unternehmen die folgenden Strategien (Handelsblatt Research Institute & Roland Berger 2023).
Deutschlands Ältere werden wertgeschätzt.
RetentionRetention. MitarbeiterbindungDas Binden vorhandener Mitarbeiter:innen an ein Unternehmen ist eine der vielversprechendsten Strategien, um als Arbeitgeber seine Arbeitskräfte und deren Kompetenzen langfristig zu halten. Der Faktor WertschätzungWertschätzung gegenüber älteren Mitarbeiter:innen spielt hierbei erfahrungsgemäß eine entscheidende Rolle. Die Aufmerksamkeit von Personalabteilungen sollte daher nicht allein darauf gerichtet sein, wie man talentierte neue Mitarbeiter:innen gewinnen kann, sondern ebenfalls auf eine klare Strategie, wie man erfahrene Mitarbeiter:innen als Expert:innen und Talente halten kann, wie man diese motiviert und sich als Arbeitgeber engagieren kann. Denn der Weggang erfahrener Mitarbeiter:innen darf weder zu einem Verlust von Wissen noch zum Verringern (im-)materieller Vermögenswerte führen.
Deutschlands Unternehmen werden zu Marken.
Employer BrandingEmployer Branding. Das Personalmarketing-Thema »Employer Branding« ist branchenübergreifend für alle Unternehmen, unabhängig von Unternehmensgröße und Mitarbeiteranzahl, von Bedeutung. Durch dieses Instrument gelingt es Unternehmen, sich als attraktiver Arbeitgeber in den Wettbewerb um hoch qualifizierte Talente einzubringen sowie um zukünftige Fach- und Führungskräfte, die aktuell verfügbar sind, zukünftig auf den Arbeitsmarkt drängen oder nach Deutschland einwandern. Unternehmen sollten daher eine klar vom Wettbewerb abgegrenzte ArbeitgebermarkeArbeitgebermarke entwickeln und ihre sogenannte Employer Value PropositionEmployer Value Proposition (EVP) (EVP) – als Nutzenversprechen eines Arbeitgebers an seine Mitarbeiter:innen – deutlich herausstellen. Sie sollten erklären können, inwiefern das Unternehmen als Arbeitgeber dazu beiträgt, eine attraktive Zukunft zu gestalten. Mittels einer gezielten Personalmarketingstrategie und einer überzeugenden EVP können selbst weniger bekannte Unternehmen qualifizierte Talente für sich gewinnen.
Deutschlands Arbeitswelt wird agil(er).
New WorkNew Work. Das Gehalt ist zweifellos ein wichtiges Kriterium für erfahrene Mitarbeiter:innen – doch bei Weitem nicht der einzige oder entscheidende Faktor für oder gegen einen Arbeitgeber beziehungsweise ein längeres Engagement im Job. Unternehmen, die auch ihren älteren Mitarbeiter:innen flexible Arbeitsmöglichkeiten bieten sowie auf deren verschiedene Lebensmodelle und -phasen Rücksicht nehmen, erzielen in der Regel langfristig positive HR-Ergebnisse. Vor diesem Hintergrund ist das New-Work-Konzept (das die Elemente Freiheit, Eigenständigkeit, Sinnhaftigkeit und Inklusion in der Arbeitswelt in den Fokus setzt) mittlerweile unverzichtbar und erfordert dementsprechend die unternehmensinterne Entwicklung von Programmen, die auf die Bedürfnisse sogenannter Senior High PerformerSenior High Performer zugeschnitten sind – jenen erfahrenen Mitarbeiter:innen, die sich engagieren und trotz des Erreichens eines beruflichen Senior Levels in ihrer Karriere vorankommen möchten. Unternehmen können angesichts der vielfältigen und unterschiedlichen Arbeitnehmerbedürfnisse längst nicht mehr davon ausgehen, dass ein einheitliches Arbeits- und Karrieremodell für alle Mitarbeiter:innen geeignet ist. Arbeitgeber sollten daher die grundsätzliche Leistungsbereitschaft ihrer älteren Mitarbeiter:innen anerkennen und auf deren individuelle Lebensumstände eingehen, anstatt sich allein auf traditionelle Anreize (wie größerer Dienstwagen oder mehr Urlaubstage) zu verlassen (siehe Kapitel 1.3).
Deutschlands Arbeitnehmer:innen Sinn geben.
PurposePurpose. Ein entscheidender Faktor im Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte ist die Fähigkeit von Unternehmen, eine klare Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Arbeit und der beruflichen Tätigkeit ihrer Mitarbeiter:innen zu geben – ein Thema, das auch immer mehr ältere Arbeitnehmer:innen antreibt. Denn unabhängig vom Alter streben viele Arbeitnehmer:innen danach, mit ihrer Arbeit eine Art von höherem Zweck zu erfüllen. Dieses Bedürfnis, der sogenannte Purpose, also die Frage nach dem Sinn der Arbeit, muss seitens Arbeitgebern konkret beantwortet und durch eine verbindliche Unternehmenskultur täglich mit Leben gefüllt werden. Vom CEO bis hin zu allen Mitarbeiter:innen verschiedener Hierarchiestufen muss entsprechend der Purpose-Bestimmung gegebenenfalls ein grundlegender Kulturwandel eingeleitet und aktiv umgesetzt werden. Spezielle HR-Change-Programme können dabei helfen, diesen Kulturwandel voranzutreiben und wichtige strategische Initiativen zu priorisieren und umzusetzen. Denn Mitarbeiter:innen erkennen schnell, ob ihr Arbeitgeber es mit dem Purpose und dem Kulturwandel ernst meint – oder eben nicht.
Deutschlands Arbeitgeber werden flexibler.
Quereinsteiger/inQuereinsteiger:innen. Um Fachkräfte zu rekrutieren, können Unternehmen auch ältere Mitarbeiter:innen einstellen, die auf den ersten Blick nicht direkt oder nur bedingt in das Anforderungs- und Tätigkeitsprofil passen – wie Quereinsteiger:innen aus anderen Branchen (bspw. Versicherungsexpert:innen, die später in der Finanzbranche arbeiten) und Tätigkeitsfeldern (bspw. Marketingprofis, die in den Vertrieb wechseln und vice versa) oder Personen, die über einen bestimmten Zeitraum weniger oder nicht gearbeitet haben (bspw. aufgrund von Mutter-/Vaterschaft oder der Pflege Angehöriger). Dies mag im ersten Schritt zwar zusätzliche HR-Kosten und einen zeitlichen Mehraufwand für Einarbeitung, Aus- und Fortbildung mit sich bringen, jedoch überwiegen mittel- bis langfristig die Vorteile dieser Maßnahmen.
Deutschlands HR werden vielfältig(er).
InternationalisierungInternationalisierung. Das gezielte Rekrutieren (älterer) qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland stellt eine weitere effektive HR-StrategieHR-Strategie dar, um Arbeitskräfte für sich zu gewinnen und kann beispielsweise durch die Teilnahme an Jobmessen im In- und Ausland erreicht werden. Die Möglichkeiten international ausgerichteter Stellenausschreibungen werden von Unternehmen bislang allerdings häufig vernachlässigt, obwohl sie mittlerweile eine bedeutende Rolle bei der Gewinnung qualifizierten Fachpersonals spielen können. Aufgrund des zunehmenden Übergangs zu Remote- und Homeoffice-Arbeitsmodellen, bei denen der Arbeitsort ohnehin keine entscheidende Rolle mehr spielt, gestaltet sich der Aufbau einer internationalen Belegschaft heutzutage (zumindest theoretisch) meistens deutlich einfacher als noch vor wenigen Jahren.
Deutschlands Arbeit wechselt ins (Home-)Office.
Arbeiten, hybridesHybrides Arbeiten. Trotz der zahlreichen Vorteile der neuen Arbeitswelt im Rahmen des New-Work-Ansatzes bleibt der sogenannte Online Empathy GapOnline Empathy Gap im Homeoffice bestehen, der zu Erschöpfung, Vereinsamung und Selbstausbeutung von Arbeitnehmer:innen führen kann – was gerade ältere Arbeitnehmer:innen im Remote-Modus überdurchschnittlich stark betreffen kann. Daher sollten Remote-Arbeitsmodelle um Live-Elemente wie gemeinsame Bürotage oder Veranstaltungen ergänzt und so zu hybriden Modellen weiterentwickelt werden, damit die Qualität der Zusammenarbeit und die Innovationskraft des Arbeitgebers nicht darunter leiden. Hierbei könnte in Zukunft beispielsweise das Metaversum zusätzliche Unterstützung bieten, denn bei dessen Implementierung zeigen viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen eine positive Resonanz auf diese neue Form flexibler Arbeitsmöglichkeiten im digitalen Raum. Gleichzeitig eröffnen Hybridangebote Arbeitgebern die Möglichkeit zur bereits genannten HR-Internationalisierung, das heißt dem Erweitern des geografischen Radius bei der Mitarbeitersuche (Handelsblatt Research Institute 2023).
TRANSFORMATION. Arbeit und Arbeiten verändern sich.
TransformationIn den kommenden Jahren stehen Politik und Wirtschaft vor großen Herausforderungen: Ängste vor Verlusten hinsichtlich unter anderem Wohlstand und Sicherheit prägen den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs und behindern so in Teilen den (positiven) Blick in die Zukunft. Um die Transformation in dieser Zeitenwende erfolgreich zu bewältigen, sind die folgenden Transformationsschwerpunkte von Bedeutung (Handelsblatt Research Institute), die auch in Abbildung 2 zusammengefasst sind.
Transformationsschwerpunkt. Stärken.
Deutschland bleibt innerhalb Europas (vorerst) weiterhin ein Land der Stabilität sowie des Wohlstands und verfügt weiterhin über viele Ressourcen. Mit einer Bevölkerung von 84 Millionen Menschen, deren arbeitsfähiger Teil im Durchschnitt gut beziehungsweise überdurchschnittlich ausgebildet ist, sowie einer Vielzahl von Weltmarktführern im mittelständischen Bereich (sog. Hidden Champions) verfügt Deutschland über eine mehr als solide Basis, die es ermöglicht, sich immer wieder schnell und kompetent an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Darüber hinaus verfügt der Staat größtenteils über die finanziellen Mittel, die beispielsweise für dringend benötigte Innovations- und Infrastrukturprojekte genutzt werden können.
Transformationsschwerpunkt. Aufbruchstimmung.
Deutschland wurde 1999 und 2023 erneut vom Wirtschaftsmagazin The Economist als der »kranke Mann Europas« bezeichnet (Otte 2023). Die Agenda 2010 brachte daraufhin Strukturreformen mit sich, die zu einem Jahrzehnt kontinuierlichen Wachstums führten. Obwohl die aktuellen Rahmenbedingungen anders sind und beispielsweise eine vielfältigere und kleinteiligere Parteienlandschaft große Veränderungen erschwert, bleibt die Notwendigkeit eines klaren Kurses für Deutschland bestehen. Deutschland benötigt daher dringend ein attraktives Zielbild, beispielsweise das eines Technologieführers, das möglichst viele Menschen ansprechen und auch als Vorbild beziehungsweise als Modell für andere Länder dienen kann.
Transformationsschwerpunkt. Bildung.
In einer zunehmend vernetzten und teils auf Export ausgerichteten Weltwirtschaft zählt Deutschland zu den Ländern, die von der Globalisierung bislang profitierten. Allerdings schöpfen nicht alle Gesellschaftsschichten gleichermaßen aus den erzielten Wohlstandszuwächsen. Bildung bildet weiterhin das Fundament für beruflichen Erfolg in einem globalen Kontext, besonders angesichts der Tatsache, dass andere Nationen, vor allem China und Indien, mittels starker Bildungsoffensiven rasante Fortschritte machen und Deutschlands Position herausfordern. Um Deutschlands ökonomische Zukunft zu sichern, ist es daher von kritischer Bedeutung, die Bildungslücken, insbesondere in den naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen (den sogenannten MINT-Fächern), zu schließen, Bildungsmöglichkeiten fairer und unabhängig vom gesellschaftlichen Hintergrund zu verteilen (mit dem Schwerpunkt Chancengleichheit) und den Standort Deutschland als Zentrum für Forschung und Wissenschaft weiter zu stärken.
Transformationsschwerpunkt. Innovation.
InnovationDeutschlands wirtschaftliche Kompetenz wurzelt traditionell in eher etablierten Industriezweigen mit jahrzehntelanger Erfahrung und Expertise. Im Gegensatz dazu werden moderne Märkte wie digitale Plattformen, KI-Technologien, Halbleiterentwicklung und -produktion sowie Elektromobilität bisher vorrangig von Konzernen aktuell aus den USA und China dominiert. Auch das für deutsche Neugründungen notwendige Risikokapital stammt überwiegend nicht aus deutschen, sondern aus US-amerikanischen Quellen. Daher sollten die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger durch entsprechende Regulierungen und Förderungen optimale(re) Bedingungen für Entrepreneur:innen und Innovationen schaffen. Gleichzeitig müssen sich deutsche Unternehmen der Aufgabe stellen, nicht nur die Digitalisierung, sondern ab sofort auch die KI strategisch zu nutzen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können.
Transformationsschwerpunkt. Risikoaffinität.
RisikoaffinitätDie deutsche (Unternehmens-)Kultur ist vorrangig geprägt durch Risikominimierung beziehungsweise Risikoaaversion. Bei deutschen Unternehmen wird Sorgfalt über Geschwindigkeit und Sicherheit über Innovation gestellt. Diese risikoscheue Kultur, Einstellung und Arbeitsweise stellen in einem globalen Markt, der zunehmend durch Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit sowie Innovationsfreude und -führerschaft geprägt ist, ein äußerst kritisches Kriterium für die deutsche Wirtschaft dar (Handelsblatt Research Institute 2023).
Abb. 2:
Transformationsschwerpunkte als Chance für den Wirtschaftsstandort Deutschland
Mehr und mehr Ältere bleiben im Job. Und noch mehr würden weiterarbeiten – wenn ihr Potenzial von Arbeitgebern erkannt und geschätzt würde. Bereits jetzt entscheidet sich ein wachsender Anteil älterer Arbeitnehmer:innen dafür, über das offizielle Rentenalter hinaus beruflich aktiv zu bleiben und sich mit ihrer Erfahrung einzubringen. Die demografische Verschiebung hin zu einer demografisch bedingten älteren Belegschaft stellt Unternehmen und HR-Expert:innen vor neue Anforderungen im Umgang mit dem Fachkräftemangel und nicht allein mit der langfristigen Personalplanung, bietet aber zugleich auch Chancen, dem Fachkräftemangel mit konkreten Lösungsansätzen zu begegnen.
HINTERGRUND. Fachkräftemangel.
FachkräftemangelDer Mangel an Fachkräften ist überall spürbar und betrifft nicht nur spezialisierte Fachleute, sondern alle Arten und Niveaus von Arbeitskräften. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Obwohl viele Unternehmen vorrangig fehlende (geeignete) Bewerber:innen als Grund nennen, wird ebenso auf betriebliche Faktoren hingewiesen, die den unternehmensspezifischen Mangel an Fachkräften bedingen, beispielsweise unattraktive Gehälter beziehungsweise Löhne oder starre Arbeitszeiten. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ergreifen bislang noch zu wenige Unternehmen zielgruppenorientierte Maßnahmen, um die Gehälter und Arbeitszeiten und -bedingungen verlockender sowie unter anderem auch die Arbeit und das Arbeitsleben familienfreundlicher zu gestalten. Denn dadurch könnten im Rekrutierungsprozess bisher eher vernachlässigte HR-Zielgruppen, beispielsweise gut ausgebildete Frauen, die aufgrund mangelnder Kinderbetreuungsmöglichkeiten nicht (in Vollzeit) arbeiten können, oder erfahrene Arbeitnehmer:innen, die eventuell dem hohen Arbeitsdruck beziehungsweise -tempo oder den technologischen Neuerungen weniger gewachsen sind, durch angepasste Arbeitsbedingungen leichter in den Arbeitsmarkt integriert werden (Ahlers & Quispe Villalobos 2022).
ENTWICKLUNG. Fachkräftemangel.
Ein entscheidender Stellhebel beim Thema Fachkräftemangel ist die Diskussion um das RenteneintrittsalterRenteneintrittsalter. Politiker:innen wie Wirtschaftsexpert:innen plädieren dafür, dieses weiter anzuheben. Bislang liegt die gesetzliche Altersgrenze über 66 Jahre und soll bis 2031 auf 67 Jahre erhöht werden. Zusätzlich wird über die Abschaffung der »Rente mit 63« diskutiert, die es Versicherten nach 45 Beitragsjahren ermöglicht, ohne Abschläge in Rente zu gehen. Denn eine beträchtliche Anzahl derer, die sich für einen früheren Ruhestand entscheiden, sind gesund, verdien(t)en gut und könnten sich weiterhin produktiv in den Arbeitsmarkt einbringen. Die Anzahl der Menschen, die entweder am Ende ihrer Erwerbskarriere oder zu Beginn des Renteneintrittsalters trotzdem weiterarbeiten, ist in den letzten Jahren bereits deutlich angestiegen. Ältere Arbeitnehmer:innen in Deutschland sind heute weitaus häufiger berufstätig als noch vor einigen Jahren (Preuß 2024).
Die Gründe für das längerfristige berufliche Engagement älterer Arbeitnehmer:innen sind vielfältig. Rentner:innen haben verbesserte Möglichkeiten, neben ihrer Rente zu arbeiten, ohne dass dies ihre Rentenzahlungen beeinträchtigt. Zudem spielen gesundheitliche Aspekte eine Rolle, da viele Ältere heute länger gesund, fit sowie arbeitsfähig und daher bereit sind, länger im Berufsleben zu bleiben. Einige Rentner:innen arbeiten aber auch länger, weil sie müssen, da sie eine relativ kleine Rente erhalten und daher ein zusätzliches Einkommen benötigen, um ihren gewohnten Lebensstandard zu halten oder um ihre finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen (Preuß 2024).
STATUS QUO. Fachkräftemangel.
Die Auswirkungen des Fachkräftemangels lassen sich größtenteils bereits im Alltag beobachten, sei es angesichts verkürzter Öffnungszeiten in Shops, in denen Verkäufer:innen eine lange Schlange von Kund:innen allein bedienen müssen, bei der langen Wartezeit auf Handwerker:innen, beim Warten auf Baustoffmaterialien für den Hausbau oder in Arztpraxen, wenn das Fachpersonal an seine Grenzen kommt. In Zahlen lässt sich der Fachkräftemangel beispielsweise anhand der jährlichen Analyse der Bundesagentur für Arbeit konkret darstellen: Im Jahr 2022 herrschte bereits in jedem sechsten Beruf ein Fachkräftemangel. Das Problem zeigt sich längst in allen Branchen, wobei es einige besonders betrifft (Abbildung 3). Besonders ausgeprägt ist der Fachkräftemangel laut Auswertungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft im sozialen Bereich, in der Bauelektrik, der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie in allen Bereichen der Informatik. Eine Prognose des Instituts deutet darauf hin, dass bis 2035 sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen. Gegensteuern könnten Unternehmen unter anderem durch das Halten älterer Arbeitnehmer:innen im Job, die Förderung der beruflichen Entwicklung von Frauen und das Engagement von Zuwanderern (Brunner 2023).
Abb. 3:
Fachkräftemangel in Deutschland (in Anlehnung an Risius & Orange 2024)
DETAILS. Fachkräftemangel.
Laut dem Fachkräftereport der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) bleiben in Deutschland aktuell etwa zwei Millionen Arbeitsplätze unbesetzt, was einem verlorenen Wertschöpfungspotenzial von fast 100 Milliarden Euro entspricht. Dieser Mangel an qualifiziertem Personal stellt nicht nur eine wachsende Problematik dar, sondern wird auch als akutes Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes betrachtet – insbesondere in der Industrie und im Baugewerbe sind die Engpässe bei der Stellenbesetzung gravierend. Laut dem Report sind 58 % der Unternehmen in diesen Branchen von Personalengpässen betroffen. Bei den Investitionsgüterproduzenten, Herstellern elektrischer Ausrüstungen, Fahrzeug- und Maschinenbauern sind es sogar 65 % und mehr. Die Probleme bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen sind bei fast der Hälfte der Unternehmen zu sehen (Olk & Specht 2023).
Aber auch bei Akademiker:innen gestaltet sich die Stellenvergabe schwierig. Jedes dritte Unternehmen mit Personalengpässen kann offene Positionen für Akademiker:innen nicht besetzen. Der Fachkräftemangel hat sich längst zu einem allgemeinen ArbeitskräftemangelArbeitskräftemangel entwickelt, der von Akademiker:innen bis zu Lkw-Fahrer:innen reicht, was unter anderem die pünktliche Belieferung von Handel und Industrie gefährdet. Größere Unternehmen leiden dabei noch stärker unter dem Fachkräftemangel als kleinere: In drei von vier Unternehmen mit mindestens 200 Beschäftigten bleiben Stellen unbesetzt, weil keine geeigneten Bewerber:innen gefunden werden. Der Fachkräftemangel kann sich aber auch negativ auf Herausforderungen wie die Energiewende, die Digitalisierung und den Ausbau der Infrastruktur auswirken. Er beeinträchtigt nicht nur die Wertschöpfung, sondern belastet auch die öffentlichen Haushalte und könnte zu einer verstärkten Produktionsverlagerung ins Ausland führen (Olk & Specht 2023).
Im Hinblick auf Lösungsansätze für den Fachkräftemangel haben Unternehmen unterschiedliche Ansätze, beispielsweise den Abbau bürokratischer Hürden, was dazu beitragen würde, das ohnehin knappe Fachpersonal und unterbesetzte Teams wieder verstärkt für ihre eigentlichen Aufgaben einsetzen zu können. Auch eine verbesserte Kinderbetreuung und flexiblere Optionen beim Renteneintritt könnten dazu beitragen, die aktuellen HR-Aufgaben zu bewältigen. Zudem erkennen viele Unternehmen bislang ungenutztes Fach- und Arbeitskräftepotenzial, sodass für eine verstärkte Qualifizierung und Vermittlung von Arbeitslosen plädiert wird. Der Ausbau der Kinderbetreuung sowie der digitalen Infrastruktur, die berufliche Integration von Migrant:innen, die Qualifizierung ungenutzten Fachpotenzials und eine höhere Flexibilität beim Renteneintritt stellen somit aus Unternehmenssicht mögliche Lösungswege für den Fachkräftemangel dar (Olk & Specht 2023).
Ausgiebig diskutiert im Zusammenhang mit dem Lösungsansatz »Kinderbetreuung« wird auch das noch ungenutzte Erwerbspotenzial von Frauen, die überdurchschnittlich und oft gegen deren Willen beziehungsweise Ambitionen häufig in Teilzeit arbeiten. Durch eine moderate Erhöhung der Arbeitszeit von in Teilzeit arbeitenden Frauen um beispielsweise durchschnittlich zwei Stunden pro Woche könnten laut DIHK etwa 500.000 zusätzliche Vollzeitstellen geschaffen beziehungsweise besetzt werden. Ebenso wichtig für das Rekrutieren neuer Arbeitnehmer:innen ist eine hohe Lebensqualität am Arbeitsort, das heißt eine funktionierende Infrastruktur für Alltag, Beruf und Freizeit – unter anderem das Vorhandensein öffentlicher Verkehrsmittel, nahe gelegener Schulen und Kitas, Krankenhäuser und Arztpraxen sowie Einkaufsmöglichkeiten oder Postämter (Olk & Specht 2023).
FOLGEN. Fachkräftemangel.
Die Konsequenzen des Fachkräftemangels machen sich bereits auf verschiedenen Ebenen bemerkbar, aber ihre volle Tragweite ist noch längst nicht absehbar. Wie stark sie letztendlich ausfallen werden, hängt davon ab, inwiefern es gelingt, dieses Problem in naher Zukunft anzugehen. In Branchen wie dem Handwerk führt der Personalmangel bereits jetzt zu Wartezeiten und Verzögerungen zwischen Auftragserteilung und Fertigstellung von Projekten. Dies betrifft vor allem die öffentliche Infrastruktur, wie etwa die Sanierungs- und Modernisierungsstaus bei Verkehrswegen und öffentlichen Gebäuden oder die verzögerte Wohnungsbauoffensive des Bundes (Regniet 2023).
Die steigende Arbeitsbelastung von Fachkräften in sogenannten MangelberufenMangelberufe führt zudem in den meisten Branchen zu einem enormen Arbeitsdruck und Stress, was sich beispielsweise in Überstunden und einer überdurchschnittlichen Unzufriedenheit am Arbeitsplatz äußert. Wenn diese Unzufriedenheit zu groß wird, verlassen Mitarbeiter:innen möglicherweise nicht nur den jeweiligen Arbeitgeber, sondern sogar die Branche, was das Besetzen der ohnehin schon unterbesetzten Berufe vor noch größere Probleme stellt. Auch das Thema »Auswandern« setzen immer mehr Arbeitnehmer:innen auf ihre berufliche Agenda (Regniet 2023).
Ein weiteres Problem sind mögliche Versorgungsengpässe, die auftreten können, wenn der Personalmangel sich verschärfen sollte, denn in einigen Branchen sind Produktion und Dienstleistungen entscheidend für die Grundversorgung und das gesellschaftliche Zusammenleben. Dies betrifft nicht nur den Gesundheitssektor, sondern unter anderem auch Lieferketten in den Bereichen Lebensmittel und Nahrungsmittel, Industrie und Dienstleistungen, die ohne ausreichende Anzahl von Berufskraftfahrer:innen gefährdet sind (Regniet 2023).
All dem zufolge ist die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährdet – aufgrund von Verzögerungen bei Produktion und Dienstleistungen, fehlender Ressourcen und steigender Arbeitskosten, die nötig sind, um neues Personal zu gewinnen oder vorhandenes Personal zu halten. Im internationalen Wettbewerb, insbesondere mit Ländern wie China oder Indien, könnten deutsche Produkte aufgrund des Fachkräftemangels nicht nur langsamer hergestellt werden, sondern auch teurer in der Produktion sein. Dies kann langfristig zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, zu Insolvenzen von Unternehmen oder dem Abwandern einiger Branchen ins Ausland führen (Regniet 2023).
STRATEGIEN. Fachkräftemangel.
Ausländische Arbeitnehmer:innen.
Das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland ist derzeit ein zentraler und teils hitzig diskutierter Ansatz zur Schließung der Fachkräftelücke in der EU – auch in Deutschland wird auf diese Maßnahme gesetzt (siehe Kapitel 1.5