Belmont Park - Ashley Carrington - E-Book
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Ashley Carrington

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Beschreibung

Die Liebe von Lavinia Iriving und Denis DeLong steht von Anfang an unter keinem guten Stern. Dennoch heiraten die Tochter eines angesehenen Rechtsanwalts aus Nordamerika und der Erbe der Baumwollplantage Belmont Park in den Südstaaten Hals über Kopf – und ohne die Zustimmung ihrer Eltern. Doch Lavinia hat sich das Leben an der Seite ihres Mannes auf der Plantage anders vorgestellt: Ihre herrschsüchtige Schwiegermutter führt ein strenges Regiment und ihre Schwägerin intrigiert, wo sie nur kann. Als der seit Langem drohende Bürgerkrieg ausbricht, scheint nicht nur Lavinias Traum von einer eigenen Familie zum Scheitern verurteilt; er droht auch ihre Ehe und Belmont Park zu zerstören.

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Ashley Carrington

Belmont Park

Roman

Für Dagmar Wiemer, möge auch inschweren Zeiten die Liebe der goldeneFaden deines Lebens sein

Erstes Buch

Wie ein ganzes Leben4. Oktober 1839

1

Im noch weichen Licht des jungen Tages und unter einem sonnig blauen Oktoberhimmel, der von vereinzelten Wolken gesprenkelt wurde wie ein seidiger Teppich, über den ein spielendes Kind wahllos eine Handvoll Baumwollflocken verstreut hat, schnitt die Rosebud auf südwestlichem Kurs durch die ruhige See. Wie einen zweifachen, reichlich verschmutzten Schleier zog der Dampfer den Rauch, der mittschiffs aus seinen beiden hohen Schornsteinen quoll, hinter sich her, bevor er von der schwachen Seebrise verweht wurde. Am westlichen Horizont zeichnete sich zwischen dem tiefen Blau des Meeres und dem lichten Blau des Himmels eine dunkle, unregelmäßig gezackte Linie ab, deren Konturen rasch an Klarheit gewannen. Es war die Küste von South Carolina bei Charleston mit ihren vorgelagerten Inseln.

»Ich habe Angst, Mabel. Diese Tage auf See waren eine einzige Tortur, doch jetzt wünsche ich fast, die Reise wäre noch lange nicht zu Ende, sehr lange nicht!«

»Aber was reden Sie denn da, Miss Lavinia! … Oh, verzeihen Sie, ich meine natürlich Missis Lavinia«, korrigierte sich Mabel Tattler schnell und warf ihrer Herrin im dreiteiligen Spiegel der Frisierkommode, die umsichtigerweise zwischen den beiden Bullaugen der komfortablen Kabine platziert war, ein entschuldigendes Lächeln zu, das von persönlicher Zuneigung und langjähriger Vertrautheit sprach. Sie schüttelte den Kopf und rügte sich selbst: »Dass mir doch auch immer wieder das Miss über die Lippen kommen muss, obwohl Sie doch schon seit vier Tagen den Ehering am Finger tragen! Wo habe ich nur meine fünf Sinne! Da sieht man mal wieder, wie schwierig es doch ist, mit altvertrauten Gewohnheiten zu brechen. Ich hoffe, Sie sehen es mir nach.«

»Ach, Mabel, das ist doch nicht schlimm«, wehrte Lavinia ab und erwiderte das Lächeln ihrer Zofe, die mit ihren dreiundzwanzig Jahren nur fünf Jahre älter war als sie, mit einer Mischung aus Glück und Beklemmung. »Auch ich muss mich erst noch daran gewöhnen, nun nicht mehr Miss Lavinia Irving, sondern Missis DeLong zu sein.«

»Sie haben ein Leben lang Zeit, sich daran zu gewöhnen«, sagte Mabel aufmunternd und griff zu einem jadegrünen Taftband, mit dem sie einen Teil der rotblonden Haarflut ihrer Herrin im Nacken zusammenfasste. Unter ihren geschickten Händen wurde das Band zu einer hübschen Schleife. Das zarte Grün der Bänder, mit dem sie Lavinia die Haare schmückte, passte ausgezeichnet zu dem etwas dunkleren Meeresgrün des Taftkleides, das hinter ihnen auf dem Bett lag und darauf wartete, mit seinen üppigen Volants die Petticoats zu bedecken, in denen Lavinia noch vor der Frisierkommode saß. »Und bei einem so außergewöhnlichen Mann wie Mister DeLong muss es Sie jeden Tag neu mit Stolz und Glück erfüllen, seine Frau zu sein.«

»O ja, Denis ist wunderbar und so verständnisvoll«, versicherte Lavinia ein wenig zu eifrig, so dass man hätte meinen können, sie wollte sich selbst beruhigen und dunkle Zweifel, die unter der Oberfläche ihres jungen Eheglücks lauerten, im Keim ersticken.

Mabel nickte nachdrücklich, und ihr schmales Gesicht, dem die leider etwas zu prägnanten Wangenknochen eine leicht herbe Note verliehen, woran auch die warmen nussbraunen Augen und der lebhafte Mund nichts zu ändern vermochten, nahm einen ernsten Ausdruck an. »Ein wahrer Gentleman, in der Tat, wie ihn sich eine Frau nur zum Gatten wünschen kann«, stimmte sie ihr zu, und beide wussten auch ohne weitere Worte, was genau damit gemeint war.

Lavinia hob ihre Hand und betrachtete ihren Ehering, den Denis ihr vor vier Tagen vor dem Altar in Boston an den Finger gesteckt hatte. Sie erinnerte sich noch genau, wie heftig ihr Herz geschlagen hatte, und dass sie von der feierlichen Zeremonie so berührt gewesen war, dass sich ihr Tränen in die Augen gedrängt hatten. Ihre Mutter, die im Rollstuhl an der Trauung teilgenommen hatte, hatte ihre Tränen nicht zurückgehalten, sondern ihnen freien Lauf gelassen. Und wenn ihre schwere Krankheit sie auch der Macht über ihre Stimme beraubt hatte, so hatte sie es doch verstanden, ihrer Tochter mit dem Ausdruck ihrer Augen zu zeigen, wie sehr sie an dem Glück ihres einzigen Kindes Anteil nahm und mit welch tiefen Segenswünschen sie ihre Tochter in die Ehe mit Denis DeLong und in die Fremde schickte. Noch so vieles andere hatte in diesen klaren Augen gestanden, in denen umso mehr Leben zu leuchten schien, je mehr sich ihr Körper der Kontrolle ihres wachen Geistes entzog und zu einer nutzlosen Hülle wurde. Lavinia drehte den Ring, das Herz schwer von Erinnerungen, die ihr wohl für lange Zeit die Nähe ihrer geliebten Eltern ersetzen mussten. Das schmale goldene Band war ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst, bestand es doch aus zwei ineinander verflochtenen Blumengebinden. Die vielen winzigen Knospen, Blüten und Blätter waren so fein herausgearbeitet, dass es ihr unbegreiflich war, wie Menschenhände so etwas zustande bringen konnten. Welche Kunstfertigkeit, gepaart mit unendlicher Ruhe und Ausdauer, für ein solches Schmuckstück vonnöten sein musste!

»So wunderbar vertraut und doch auch so fremd«, murmelte sie beklommen, während sie ganz sanft mit der Fingerkuppe über die zerbrechlich wirkenden Blumenkränze strich. Und ihr Gefühl sagte ihr, dass diese Knospen, Blüten und Blätter so vieles versinnbildlichten, von dem sie jetzt noch nicht einmal etwas ahnte. Die Ehe erschien ihr plötzlich wie ein weiter, unerforschter Ozean voll unbekannter Gefahren, auf den sie sich hinausgewagt hatte, ohne zu wissen, was sie dort draußen eigentlich erwartete, voll des liebestrunkenen Vertrauens, dass alles schon ins rechte Lot gebracht werde. Doch anders als ein Seemann, den auf einmal der Mut verlässt, konnte sie den Kurs nicht wieder ändern und in den Schutz der vertrauten Küste zurückkehren. Ihr Ehegelübde stand dem entgegen. In guten wie in schlechten Zeiten, so stand es geschrieben, und so hatte sie es ihrem Mann geschworen, vor Gott und der Welt.

Lavinia erinnerte sich daran, wann sie ihrem Mann Denis DeLong das erste Mal begegnet war. Den Tag würde sie nie vergessen. Es war an einem windigen Nachmittag im Juni gewesen. Nach einem vergnüglichen Einkaufsbummel, bei dem Mabel sie begleitet und beraten hatte, beschloss sie mit der ihr eigenen Spontaneität, ihrem Vater in seiner Anwaltskanzlei einen Überraschungsbesuch abzustatten. Mit geröteten Wangen, verwehtem Haar und ihrem neuen Bonnet in der Hand, in dessen Hutband ein kleiner Strauß Veilchen steckte, platzte sie wie ein fröhlicher Wirbelwind in das Büro ihres Vaters, der gerade ein ernstes Gespräch mit einem Klienten führte. Es war jener Gentleman aus dem Süden, den ihr Vater beim Abendessen schon einmal erwähnt hatte. Doch sie hatte nicht gewusst, dass er ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren und von so blendender Erscheinung war!

Sie hörte die liebevolle Rüge kaum, mit der ihr Vater ihr allzu stürmisches Eindringen tadelte und sie gemahnte, ihrer Lebhaftigkeit doch künftig stärker Zügel anzulegen und sich auf ihre gute Erziehung zu besinnen. Sie sah nur den stattlichen, schlanken Mann, der sich bei ihrem Eintreten mit einer raschen und dennoch eleganten Bewegung aus dem Sessel erhob und sie mit leicht belustigter Überraschung musterte. Sie war auf der Stelle von seinem Aussehen hingerissen. Dieses volle schwarze Haar, die ausgeprägten männlichen Züge von beinahe schon klassischer Schönheit – und dazu diese hellblauen Augen! Konnte man es ihr denn verdenken, dass es für sie Liebe auf den ersten Blick war, wie sie sie bisher nur aus den aufregend romantischen Romanen kannte, mit denen Carol Fleming, ihre beste Freundin, sie immer heimlich versorgte? Nicht, dass sie sich über einen Mangel an Verehrern hätte beklagen müssen und deshalb besonders anfällig für einen Mann wie Denis gewesen wäre. Weit gefehlt. Seit ihres glanzvollen Debütantinnenballs vor knapp zwei Jahren hatte es genügend attraktive junge Männer aus guten Familien gegeben, die sich nach allen Regeln der Kunst um sie bemüht hatten. Zwei, drei hatte sie regelrecht amüsant gefunden, und einem war es sogar gelungen, schwärmerische Gefühle in ihr zu wecken, bis sie seiner blumigen Komplimente und verliebten Kalbsaugen schlichtweg überdrüssig geworden war. Doch dass sie bei einem von ihnen auch nur halbwegs so vom Blitz getroffen worden wäre, wie das bei diesem Mann aus dem Süden der Fall war, wäre schon einer maßlosen Übertreibung gleichgekommen. Als er ihrem Vater nun mit sanftem Nachdruck ins Wort fiel und etwas in der Art sagte, dass man einer Tochter von so außergewöhnlicher Schönheit und bezauberndem Wesen schon einiges nachsehen müsse und dass eine solch reizende Unterbrechung ihrer ernsten Unterredung sich auf die Fortsetzung derselben gewiss nur segensreich auswirken könne, als er so charmant und ohne zu zögern für sie eintrat, tat seine dunkle, melodische Stimme das ihre, um sie für diesen Mann zu begeistern, der in einen modischen Stadtanzug aus feinstem mandelfarbenem Tuch gekleidet war. Dass ihn seine ein wenig gedehnte Aussprache mit den verlängerten Vokalen unverkennbar als einen Mann aus dem tiefen Süden auswies, verstärkte den Zauber nur noch, den er vom ersten Augenblick ihrer Begegnung an auf sie ausübte.

So verwirrt war sie von der ungeahnten Aufwallung ihrer Gefühle für diesen Fremden, dass sie später in der Kutsche Mabel nicht mehr sagen konnte, wie sein Name war. Dabei hatte Pa sie einander vorgestellt und ihr auch erzählt, woher er kam. Seine Worte waren jedoch so wenig in ihrem Gedächtnis haftengeblieben wie Wassertropfen an einer Ölhaut.

Am Tag darauf brachte ihr Vater Denis DeLong mit zu ihnen nach Hause. Er hatte ihn zum Abendessen eingeladen. Sie hatte nur Augen für ihn und bekam von der Speisenfolge und der angeregten Unterhaltung so gut wie nichts mit. Sie trug auch selbst kaum etwas dazu bei, was aber eher als ein Beweis guter Erziehung und damenhaften Verhaltens denn als Mangel empfunden wurde. Sie wurde sich jedoch weder des einen noch des anderen bewusst. Sie war einfach glücklich, ihn wiederzusehen, mit ihm in ihrem Elternhaus am Tisch zu sitzen und mit jeder Pore ihres Seins seine Gegenwart in sich aufzunehmen. Und eine ungekannte, wunderbare innere Glut brannte hell in ihr und jagte ihr das Blut in die Wangen, wenn der Blick dieses stattlichen Baumwollaristokraten aus South Carolina auf ihr ruhte und er etwas zu ihr sagte, worauf irgendeine andere Lavinia irgendetwas antwortete, was den Reaktionen der beiden Männer nach Hand und Fuß gehabt haben und manchmal sogar geistreich gewesen sein musste. Aber das war nicht die Lavinia, an die sie sich hinterher erinnern konnte, nachdem er sich mit einem galanten Handkuss und einem brennenden Blick in ihre Augen von ihr verabschiedet hatte. Denn ihr wahres Ich war in Wirklichkeit einzig und allein damit beschäftigt, ihn anzusehen und zu bewundern und dem reizvollen Klang seiner Stimme zu lauschen und sich daran zu berauschen, welche Geschmeidigkeit all seinen Bewegungen zu eigen war, wenn er Messer und Gabel in den schönen, feingliedrigen Händen hielt oder das Weinglas aus schwerem, funkelndem Kristall zum Mund führte, und wie sich seine Lippen zu jenem Lächeln verzogen, das jede Frau, wie sie meinte, auf ewig entwaffnen und verzücken musste.

Ein Abend wie ein himmlischer Rausch. Nur dass diesem köstlichen Rausch am nächsten Morgen kein ernüchternder Kater folgte, sondern ein weiterer Tanz auf dem Regenbogen des Verliebtseins. Denn Denis verschwand nicht aus ihrem Leben, sondern begann es vielmehr zu bestimmen. Seine Besuche wurden bald der einzige Rhythmus und das alleinige Zeitmaß, nach dem sie sich richtete und ihren Tag einteilte. Was halfen die sanften, sorgenvollen Ermahnungen ihres Vaters, den Dingen ihre Zeit zu lassen und nichts zu überstürzen, gegen den Sturm der Gefühle, der sie genauso mit sich riss wie Denis. Gegen die Himmelsmacht der Liebe ist jede andere irdische Macht zum Scheitern verurteilt. Und nach einem verzauberten Sommer langer Spaziergänge, romantischer Ausflüge und Picknicks, fröhlicher Bälle und Feste und aufregender Theaterbesuche, bei denen sich ihre Hände im Dunkel der Loge mehr sagten als die beredten Schauspieler auf der Bühne, beugte sich schließlich ihr Vater, der ihr noch nie einen Herzenswunsch hatte abschlagen können, und gab ihnen seinen Segen. Am 24. September feierte sie ihren achtzehnten Geburtstag. Sieben Tage später führte ihr Vater sie zum Altar und steckte Denis ihr diesen unvergleichlichen Ring an den Finger, ihr, seiner nun angetrauten Ehefrau Missis Lavinia DeLong. Noch am selben Abend schifften sie sich auf der Rosebud ein, die mit der nächtlichen Flut auslief – geradewegs in raue See.

Vier Tage waren seitdem erst vergangen. Doch die feierliche Trauung und das fröhliche Fest anschließend schienen ihr nicht nur von der Entfernung her, die nun zwischen der Rosebud und ihrer Heimat Boston lag, weit weg zu sein. In Boston zurückgeblieben schien ihr auch die Lavinia zu sein, die völlig frei von Zweifeln und Sorgen in die Zukunft geblickt hatte. Denn die Zukunft, das war immer der nächste Tag gewesen, der nächste Ausflug mit Denis oder der nächste Ball, den man ihr zum Abschied gab. Doch seit sie an Bord des Dampfers gegangen waren und Kurs auf die ferne Küste im Süden genommen hatten, hatten das Morgen und die Zukunft eine andere, völlig neue Bedeutung erhalten. Ihre Zukunft war nun ein Leben in einer Welt, die sie nicht kannte und von der sie kaum mehr wusste als einige wenige geographische Daten, die sie nach dem ersten Abend mit Denis in der Enzyklopädie ihres Vaters nachgeschlagen hatte. Was für ein Leben mochte sie in South Carolina erwarten? Und hatte ihr Vater vielleicht doch nicht zu sehr übertrieben, als er sie mehr als einmal mit besorgter Eindringlichkeit gewarnt hatte, dass es ihrerseits einer sehr großen Liebe und einer nicht minder starken Bereitschaft bedürfe, sich einer fremden Lebensart anzupassen und in eine ihr noch unbekannte Gesellschaftsordnung einzufügen, wenn sie nicht unglücklich werden und neue Wurzeln in einer Welt schlagen wolle, die die Heimat ihres Mannes sei und die den Namen Belmont Park trage?

Nie hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, welcher Art das Leben auf dieser Baumwollplantage sein mochte, die einige Kutschenstunden nordwestlich von Charleston am Ashley River lag. Seit die Rosebud die Anker gelichtet und die Leinen am Pier losgeworfen hatte, bestürmten sie diese Gedanken jedoch mit verwirrender, ja geradezu erschreckender Intensität. Und mochte sie sich auch ihrer plötzlichen Zweifel und ihres Wankelmuts schämen, die so gar nicht zu ihrer Liebe und ihrem Vertrauen zu Denis zu passen schienen, so konnte sie diese quälenden Fragen jedoch auch nicht unterdrücken.

»Missis Lavinia!«, rief Mabel ein zweites Mal mit mehr Nachdruck, als ihre Herrin auf den ersten Zuruf von ihr nicht reagierte und weiter gedankenversunken auf ihren Ehering blickte. »Das Kleid!«

Lavinia fuhr aus ihren beunruhigenden Gedanken auf. Sie wandte sich auf dem gepolsterten Hocker um. Mabel hatte das Kleid vom Bett genommen, hielt es mit beiden Händen und wartete ganz offensichtlich darauf, ihr in diesen Traum aus meergrünem Taft und spitzenbesetzten Volants zu helfen. »Oh! … Ich … ich war wohl mit meinen Gedanken woanders.«

Mabel lächelte verständnisvoll. »Ja, und sie waren mit Ihnen sehr weit. Mindestens auf der Höhe von Cape Cod, würde ich mal vermuten«, scherzte sie und um einen fröhlichen Ton bemüht, der ihrer jungvermählten Herrin die trüben Gedanken verjagte.

Lavinia blickte zu Mabel Tattler auf, die nicht lange gezögert hatte, als sie fast zaghaft die Bitte an sie gerichtet hatte, ob sie ihr denn nicht nach South Carolina folgen und weiterhin ihre Zofe bleiben wolle. Rührung über die Zuneigung und Treue dieser Frau, die von Mutter Natur nur sehr mäßig mit äußerlich ansprechenden Attributen bedacht worden war, ergriff sie. Ihr Vater hatte sie als Zofe eingestellt, als der entsetzliche Schlaganfall dem blühenden Leben ihrer Mutter ein jähes Ende bereitet und sie fast völlig gelähmt ans Krankenbett gefesselt hatte. Vier Jahre lag das nun schon zurück, und Mabel hatte längst bewiesen, dass sie das Vertrauen verdiente, das sie ihr vom ersten Tag an entgegengebracht hatte. Und wenn sie nicht einmal mehr Mabel ihr Herz öffnen durfte, dann musste sie vor der ganzen Welt stumm bleiben. Doch es drängte sie danach, ihre Ängste loszuwerden, die sie seit Tagen mit sich trug, und ihre Sorgen mit jemandem zu teilen, von dem sie wusste, dass er sie verstand und für sich behielt.

»Ach, Mabel«, seufzte Lavinia bedrückt und ließ die schlanken Schultern sinken. »Ich habe wirklich Angst, verstehst du? Richtige Angst sitzt mir hier in der Brust.«

»Aber, aber! Was ist denn das für ein Gerede!«, rief die Zofe besorgt und ließ das Kleid wieder auf das Bett sinken. Der Tag versprach schwierig zu werden, und dabei hatte sich die See endlich beruhigt und Land lag voraus, wie der fesche Steward ihr im Tonfall einer vertraulichen Botschaft mitgeteilt hatte. An diesem Morgen würden sie endlich in Charleston einlaufen, dem Ziel ihrer etwas beschwerlichen Reise. Aber sie verstand instinktiv, was diese junge Frau bedrückte, der sie sich genauso zugeneigt wie verpflichtet fühlte. »Sie haben doch fürwahr keinen Anlass, vor irgendetwas Angst zu haben!«

»Das sagst du so«, murmelte Lavinia und fühlte sich plötzlich so hilflos wie ein kleines Mädchen und gar nicht wie eine Ehefrau, von der man ganz selbstverständlich annahm, dass sie sich mit ihrem neuen Status einzurichten wusste und den in sie gesetzten Erwartungen gerecht wurde. »Ich fühle mich richtiggehend elend.«

»Na, wenn Sie sich heute elend fühlen, dann waren Sie die letzten drei Tage wohl dem Tode näher als dem Leben«, entgegnete Mabel in dem Bemühen, ihr vor Augen zu halten, wie froh sie doch eigentlich sein müsse.

»So habe ich mich auch gefühlt. Ich hätte sterben mögen, so schlecht war mir«, bekräftigte Lavinia und dachte daran, wie großherzig sich Denis angesichts ihrer Seekrankheit gezeigt hatte.

Nach der ersten Nacht an Bord der Rosebud, die eigentlich ihre Hochzeitsnacht hätte sein sollen, aber nur eine nicht enden wollende Kette von Übelkeitsanfällen gewesen war, hatte er Mabel gebeten, doch für die Dauer der Reise die Kabine mit ihr zu teilen, da sie, die langjährige Zofe und Vertraute, vermutlich besser als er geeignet sei, sich um seine leidende Frau zu kümmern. Bei aller Liebe, allem Mitgefühl und dem sehnlichen Wunsch, sie von der Qual der Seekrankheit zu befreien oder doch wenigstens ihr Leiden zu lindern, aber das Elend seiner geliebten Frau mache ihn, den frischgebackenen Ehemann, in dieser Situation, die eine gewisse Intimität nun mal nicht vermeiden lasse, ein wenig hilflos. Und er wolle ihre Gefühle schonen und ihr natürliches Schamempfinden nicht verletzen, indem er nicht zugegen sei, wenn das Erbrechen sich ihrer wieder bemächtige und sie in kalten Schweiß gebadet und ihr so sterbenselend zumute sei. Und nur in Anbetracht der gesicherten Erkenntnis, dass Seekrankheit allen subjektiven Eindrücken zum Trotz keine bleibenden Schäden hinterlasse und das Elend sofort vergessen sei, sowie die See wieder ruhig sei oder man festen Boden unter den Füßen habe, nur deshalb sei er gewillt, den Platz an der Seite seiner Frau zu räumen und ihr, Mabel Tattler, zu überlassen, zumal dies auch Lavinias Wunsch sei.

Und so hatte Denis seine Sachen zusammengepackt und sich mit der weitaus weniger komfortablen Kabine ihrer Zofe beschieden. Dafür war Lavinia ihm tatsächlich sehr dankbar gewesen, denn sie hatte fast so sehr darunter gelitten, dass ihr geliebter Denis sie mit bleicher Haut, eingefallenen Augen und schweißnassen Haaren hatte sehen müssen, wie unter der Tortur der Seekrankheit. Nur ein halbes dutzendmal hatte sie während der Überfahrt die Kraft und den Mut gefunden, sich ihrem Mann zu zeigen und an seinem stützenden Arm einen kurzen Gang über das Deck zu machen, wenn die aufgewühlte See sich zwischendurch einmal beruhigt hatte, was jedoch nie von langer Dauer gewesen war. Erst in der vierten, der vergangenen Nacht, war das schreckliche Stampfen und Rollen des Dampfers einem stetigen, kaum noch merklichen Wiegen gewichen – und mit ihm die Todessehnsucht, die Lavinia in manch schlimmer Stunde heimgesucht hatte. Jetzt, am frühen Morgen, hatte sich die würgende Übelkeit fast vollkommen verflüchtigt. Dennoch war sie weit davon entfernt, den neuen Tag und das Ende ihrer Schiffsreise mit freudigem Herzen zu begrüßen. Es schien, als hätte sich ihr körperliches Elend nur deshalb verflüchtigt, um Platz für ein seelisches zu machen.

»Das liegt nun endgültig hinter Ihnen. In wenigen Stunden erreichen wir Charleston, und dann ist alles vergessen, was Sie seit Boston haben erdulden müssen, Sie Ärmste«, versicherte Mabel munter.

»Ja, was hinter mir liegt, weiß ich nur zu gut«, sagte Lavinia mit gequälter Miene. »Aber weiß ich auch, was vor mir liegt?«

Die Zofe lachte. »O ja! Ein Leben in Glück und Wohlstand an der Seite Ihres Mannes und eine stolze Zahl prächtiger Kinder, die ganz das Abbild ihrer schönen Mutter und ihres stattlichen Vaters sein werden«, prophezeite sie und zwinkerte ihr zu.

Lavinias Gesicht wollte sich jedoch nicht aufheitern. »Ich fürchte, ich habe mir zu wenig Gedanken über das gemacht, was mich hier erwartet, Mabel. South Carolina! Charleston! Belmont Park! Nichts als Namen …«

»Mit einem guten Klang«, gab Mabel zu bedenken, die stets das Positive sah.

»Ich weiß nicht einmal, wie es auf so einer Plantage zugeht und was man dort von mir erwartet.«

»Ich denke, das werden Sie schon schnell genug in Erfahrung bringen«, kam die gelassene Antwort. »Und nun sollten wir uns der Vervollständigung Ihrer Garderobe widmen. Wie ich Ihren Mann einschätze, wird er nicht mehr lange auf sich warten lassen und angesichts der ruhigen See wohl auch zu Recht darauf hoffen, dass Sie ihn mit einem betörenden Anblick für das entschädigen, was er auf dieser Reise klaglos und ganz der vollendete Gentleman erduldet hat.«

Lavinia wusste sofort, worauf ihre Zofe anspielte, nämlich auf die Hochzeitsnacht und das, was sie recht vage unter der Bezeichnung »eheliche Pflichten« kannte. Die Männer kamen ihnen jedoch mit Vergnügen nach, teilweise sogar beängstigend häufig, wie sie einigen verschämten und nie sehr genauen Bemerkungen von mehreren jungen Frauen hatte entnehmen können, die sie und Carol kannten und die in den letzten Jahren geheiratet hatten.

Die Röte der Verlegenheit schoss ihr in die Wangen. »Ja, auch das macht mir Angst«, gab sie leise zu und senkte den Blick. Er fiel auf ihre Hand mit dem Ehering, die in ihrem Schoß ruhte.

Mabel kam zu ihr, kniete sich vor sie und nahm ihre rechte in beide Hände. »Jede Münze hat zwei Seiten, hat meine Mutter immer zu mir gesagt. Wer frische Butter will, darf die Arbeit am Butterfass nicht scheuen, und wer sich an einer knusprigen Gans laben will, muss auch das Rupfen, Ausnehmen und Füllen auf sich nehmen. Na ja, diese Vergleiche mögen reichlich hinken und aufs Land passen, wo ich nun mal aufgewachsen bin. Aber was sie eigentlich damit sagen wollte, ist, dass Freuden und Pflichten sich zumeist die Waage halten, wenn man es gut trifft im Leben. Und wenn man mit der rechten Einstellung an seine Pflichten herangeht, dann fallen sie einem längst nicht so schwer, wie man anfangs geglaubt hat.«

»Meinst du?« Zweifelnd sah Lavinia ihre Zofe an. Nur zu gern hätte sie ihren Trost angenommen, doch welche Erfahrung besaß Mabel schon auf diesem Gebiet, als dass sie Vertrauen in ihre Worte – in dieser speziellen Angelegenheit! – hätte setzen können? Doch dieselben wie sie, nämlich keine.

Mabel nickte nachdrücklich. »Ich weiß es! Ihr Mann ist kein grober Klotz. Er ist ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle«, machte sie ihr Mut. »Er liebt Sie, ja betet Sie an, und er weiß, was er Ihnen schuldig ist. Ich bin gewiss, dass er sich auch in … in diesen delikaten Dingen des Ehelebens von großer Liebe und Einfühlsamkeit zeigen wird.«

Lavinia nickte unwillkürlich. »Ja, er liebt mich ohne Zweifel«, pflichtete sie ihr bei.

Mabel drückte ihr herzlich die Hände. »Na, sehen Sie. Es wird alles halb so schlimm sein, wie man es immer macht. Sie kennen das Sprichwort doch: ›Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.‹ Und manchmal wird zweifellos eine Menge Unsinn geredet und maßlos übertrieben, um sich wichtig zu machen, wenn Frauen unter sich sind und Erfahrungen austauschen. Es wird schon alles seine Richtigkeit haben. Nur Gottvertrauen!«

Der schwere, dunkle Schatten, der auf Lavinias Seele gelegen hatte, begann sich allmählich aufzulösen. »Ich habe ihm geschworen, ihm in allem eine gute Ehefrau zu sein, und das will ich auch sein.«

»Nun, dann ist ja alles in bester Ordnung!«, rief Mabel zufrieden und kam wieder auf die Beine.

»Jaja, doch wenn ich bloß wüsste, wie sich seine Familie zu mir stellt«, fiel Lavinia dann noch eine Sache ein, die sie in den letzten Tagen immer wieder beschäftigt hatte. »Nicht einen kenne ich. Was ist, wenn sie mich nicht mögen?«

Mabel sah sie wie entgeistert an. »Was sagten Sie da? Sie und nicht mögen? Schauen Sie sich im Spiegel an! Kommen Sie, schauen Sie sich an!« Sie zog Lavinia vom Hocker und veranlasste sie, einen Schritt vom Spiegel zurückzutreten. »Nun sagen Sie selbst: Dieses anmutige, zauberhafte Wesen mit dem Charme und Liebreiz von einem halben Dutzend Märchenprinzessinnen soll auch nur einer nicht mögen?« Sie lachte so herzlich darüber, dass es ansteckend war.

Lavinia konnte sich eines Lächelns nicht erwehren, während sie ihr Abbild im Spiegel auf sich wirken ließ. Nun ja, ein hässliches Entlein war sie gewiss nicht. Aber eine Märchenprinzessin wohl auch nicht. Den Tatsachen kam es näher, wenn man ihr Äußeres als hübsch bezeichnete – mit einer »äußerst aparten Note des Ungewöhnlichen«, wie ihre Freundin Carol es einmal ausgedrückt hatte.

Sie hatte die schlanke Figur ihrer Mutter geerbt und auch die glatte, reine Haut. Von ihrem Vater hatte sie die ungewöhnliche Farbe ihrer Augen, die von einem veränderlichen Grau waren und je nach Gefühlslage und Lichteinfall ein helles Perlgrau annehmen oder sich zu einem Bleischwarz verdunkeln konnten. Ihr üppiges blondes Haar mit dem aparten Stich ins Rötliche war ein Geschenk der Natur, jedoch ohne die Plage von Sommersprossen, die normalerweise mit rötlichem Haar einhergeht. Und was ihren Busen betraf, so besaß dieser genau die richtigen Proportionen, um den bewundernden Blick der Männer auf sich zu ziehen, wie sie auf vielen Bällen zur Genüge hatte feststellen können.

»Nun ja, zu verstecken brauche ich mich nicht«, räumte Lavinia zögerlich ein, denn sie fand noch genug an sich auszusetzen. »Aber findest du nicht, dass meine Nase ein bisschen zu stupsig ist, mein Mund dagegen viel zu breit?«

»Ihre Nase ist ganz reizend, so wie sie ist, und Sie haben wunderschöne volle Lippen, die das schönste Lächeln herbeizaubern können«, antwortete Mabel geschickt, denn ein klein wenig schmaler hätte der Mund ihrer Herrin schon sein können. Doch was hatte diese Kleinigkeit schon zu bedeuten – bei all ihren anderen Vorzügen. »Und Sie haben wirklich allen Grund zu lächeln, ja übers ganze Gesicht zu strahlen, jawohl! Ihr Mann liebt Sie, und nur allein das ist wichtig. Und ich sage Ihnen, Sie werden auch die Herzen seiner Familie und Freunde auf Belmont Park im Flug erobern!«

Lavinia seufzte, doch sie lächelte dabei. Die aufmunternden Worte ihrer Zofe taten ihr gut, stärkten sie doch ihr angeschlagenes Selbstvertrauen. »Ich hoffe, du behältst recht, Mabel. Auch schon wegen Denis. Ich möchte so sehr, dass er auf mich stolz sein kann.«

»Der Ehemann, der nicht stolz auf Sie wäre, müsste schon ein rechter Narr sein!«, erklärte Mabel bestimmt. »Und wenn Mister DeLong in einer Beziehung närrisch ist, dann – wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben – nur närrisch in Sie verliebt.«

Lavinia lachte nun. »Ach, Mabel, was täte ich nur ohne dich!«

»Noch in Petticoats auf dem Hocker sitzen, wenn Ihr Mann schon ungeduldig darauf harrt, Sie in seine Arme zu schließen und Ihnen zu versichern, dass nichts Ihr Glück wird trüben können«, sagte Mabel trocken. »Und nun steigen Sie endlich ins Kleid! Mir werden die Arme lahm.«

2

Keine zehn Minuten später stand Denis DeLong vor der Kabinentür und klopfte. »Lavinia? … Miss Tattler?«, rief er verhalten und mit zugleich doch erwartungsvoller Stimme.

Mabel öffnete ihm und deutete einen Knicks an. »Einen guten Morgen, Mister DeLong«, begrüßte sie ihn mit einem herzlichen Lächeln.

»Ja, einen guten Morgen, den haben wir in der Tat, Miss Tattler!«, sagte er aufgeräumt und trat in die Kabine. Als er Lavinia makellos frisiert und in diesem wunderschönen Taftkleid erblickte, ein freudiges Lächeln auf dem Gesicht, von dem über Nacht alle hässlichen Spuren der Seekrankheit gewischt waren, leuchteten seine blauen Augen auf. Die Freude und Erleichterung über ihre Genesung waren ihm vom Gesicht abzulesen. »O Lavinia, Liebste!«, rief er glücklich, kam auf sie zu und ergriff ihre Hände. »Dir geht es wieder besser?«

Sie nickte und strahlte ihn an. »Wie neu geboren, mein Geliebter. Jetzt kann ich es kaum glauben, dass ich wirklich drei Tage und Nächte so elend daniedergelegen habe.« Und ebenso wenig verstand sie, dass sie gerade noch voller Zweifel und Sorgen gewesen war. Ihre Kümmernisse hatten sich in dem Moment, in dem er die Kabine betreten und sie angelächelt hatte, verflüchtigt wie kühler Morgentau unter heißer Sonne. Seine aufregend physische Präsenz, sein zärtlicher Blick, der liebevolle Druck seiner Hände ließen es ihr als geradezu lächerlich erscheinen, dass sie sich mit solch unsinnigen Bedenken gequält hatte. Welche Probleme ihrer auch immer harren mochten, sie würden damit fertig werden, denn ihre Liebe war so stark, dass sie es mit allen Schwierigkeiten dieser Welt aufnehmen konnten!

»Ich habe zu meiner großen Freude und Erleichterung schon vom Steward erfahren, dass du heute morgen um Tee und ein leichtes Frühstück gebeten hast«, sagte Denis und nahm seinen verliebten Blick nicht von ihrem Gesicht. »Du weißt ja gar nicht, wie glücklich ich bin, dass es dir wieder so gut geht, mein Liebling.«

»Ich bin es auch, Denis«, versicherte sie und erwiderte den Druck seiner Hand. Ihn zu spüren, ging ihr durch und durch. Wie gut er in diesem pastellbeigen Anzug mit den dunkler abgesetzten Revers der Jacke aussah! Und der wunderbare Kontrast, den sein volles schwarzes Haar zum leuchtendhellen Blau seiner Augen bot! In dieses markante, ebenmäßig geformte Gesicht brauchte sie nur einen Blick zu werfen, um innerlich zu zergehen.

Es war, als spürte er den Schauer, den seine Berührung in ihr auslöste. »Wenn du nur wüsstest, wie schrecklich lang mir die Tage geworden sind! Dich hier leiden zu wissen und doch nichts für dich tun zu können«, sagte er mit verzehrendem Ausdruck in Augen und Stimme. »Es hat mich halb wahnsinnig gemacht, denn in Gedanken war ich immer nur bei dir.«

»Ich weiß, dass es auch für dich eine sehr schwere Zeit gewesen ist«, erwiderte sie voller Dankbarkeit und Zärtlichkeit für seine liebevolle Zurückhaltung.

Mabel räusperte sich. »Ich werde dann mal das Tablett aus dem Weg schaffen«, machte sie sich bemerkbar und klapperte mit dem Geschirr, »damit ich gleich Platz habe, wenn ich die Sachen zusammenpacke.«

»Ja, tu das, Mabel«, sagte Lavinia und tauschte mit Denis einen stummen, fast verschmitzten Blick, hatten sie die Anwesenheit der Zofe doch völlig vergessen gehabt.

Mabel eilte aus der Kabine und schloss die Tür hinter sich. Das junge Paar hielt sich noch immer bei den Händen.

»Lavinia«, flüsterte Denis mit veränderter Stimme. »Meine geliebte Frau.«

»Denis, mein geliebter Mann«, hauchte sie, und ihr Herz pochte wie wild, als er sich nun zu ihr hinunterbeugte und sie küsste. Sie schloss dabei die Augen, wie es die Schicklichkeit gebot, und gab sich voller Seligkeit dem warmen, sanften Druck seiner Lippen hin. Das Blut rauschte in ihren Ohren, und die Kraft schien ihr aus den Gliedern zu weichen. Gleichzeitig empfand sie ein erregendes Ziehen im Schoß und einen nicht weniger erregenden Druck in den Spitzen ihrer Brüste. Sie war von ihren Gefühlen verwirrt und aufgewühlt, doch es war eine wunderbare Gefühlsaufwallung, die von ihr Besitz ergriff. Bereitwillig schmiegte sie sich an ihn, während er seine Arme um sie legte. Oh, die Liebe war so himmlisch, so zauberhaft und herrlich schwindelerregend wie ein atemloser Tanz oder eine schnelle Fahrt auf einem Karussell. Und wenn diese Küsse ein Vorgeschmack auf ihre »ehelichen Pflichten«, waren, wie es ja gar nicht anders sein konnte, dann wusste sie schon jetzt, dass sie sich diesen Pflichten mit größter Freude hingeben würde. Es war ein Gedanke, der ihr selbst jedoch so schamlos erschien, dass sie dabei errötete. Eine ehrbare Frau, die auf Anstand und Schicklichkeit achtete, hatte diesen Bereich der Ehe nicht mit eigenen Sinnesfreuden in Zusammenhang zu bringen. Reverend Colbert hatte in seinen Predigten oft genug das sündige Fleisch und die Sinneslust gegeißelt, dass ihr seine Warnungen noch deutlich in Erinnerung waren. Wer sich der Fleischeslust hingab, folgte dem verhängnisvollen Pfad der Sünde, der vom rechten Glauben und vom rechten Lebenswandel ins Verderben führte. Nicht, dass sie jedes Wort geglaubt hätte, das der Reverend von der Kanzel auf seine Gemeinde hinabschleuderte wie Zeus seine Blitze, dafür hatte schon ihr Vater gesorgt, der ihr nicht nur einmal den Rat gegeben hatte, Gottesfurcht und Trost mehr in der Heiligen Schrift zu suchen und zu finden als in den oftmals sehr zweifelhaften Predigten der Geistlichen, die ihre Kanzel zu häufig mit dem Kommandodeck eines Kriegsschiffes verwechselten und die Güte Gottes durch die Peitsche des Wortes vertauschten. Aber auch die Heilige Schrift sprach von der Sünde des Fleisches, wenn auch nicht halb so unbarmherzig verdammend wie Reverend Colbert, der Vater von neun Kindern war …

Doch es ist eine so süße Sünde, fuhr es Lavinia durch den Sinn, als sein Kuss leidenschaftlicher wurde und er sie mit heftigem Verlangen an sich presste, dass sie seinen Körper so nah spürte wie noch nie zuvor.

Wie zur Strafe ihrer unschicklichen Gedanken erklang die durchdringende Dampfsirene der Rosebud. Das dreimalige Tuten ließ sie erschrocken auseinanderfahren. Doch als Lavinia sah, dass auch seine Wangen und Ohren gerötet waren und er so atemlos war wie sie, verwandelten sich ihre Gewissensbisse ob ihrer sündigen Gedanken in ein warmes Gefühl des Glücks.

Ein aus der Ferne gedämpft herüberdringendes Tuten sagte ihnen, dass der Captain der Rosebud einen anderen Dampfer gegrüßt hatte, der irgendwo an Backbord an ihnen vorbeizog. »Ich glaube, wir waren wohl doch nicht gemeint«, sagte Lavinia scherzhaft, um ihre Verlegenheit zu überspielen, und senkte den Blick.

Denis lachte etwas unsicher. »Verzeih, wenn ich in meinen Liebesbezeugungen ein wenig zu stürmisch gewesen bin. Nach den Tagen der erzwungenen Trennung hat es mich einfach übermannt, Liebste«, entschuldigte er sich und zupfte an seiner Halsbinde aus ahornfarbener Seide, die perfekt um seinen gestärkten Hemdkragen gebunden war. »Ich verspreche dir, mir Zurückhaltung aufzuerlegen, wie schwer es mir bei deinem verführerischen Mund auch fallen mag.«

Lavinia sah ihn lächelnd an und schüttelte den Kopf. »O nein, mein Geliebter! Du hast mich nicht erschreckt!«, erwiderte sie.

»Wirklich nicht?«, fragte er stirnrunzelnd.

»Nein, ganz bestimmt nicht«, beteuerte sie, und ihr war, als spürte sie noch immer seinen Mund auf ihren Lippen. »Ich war nur verwirrt, so überrascht …«

»Überrascht?«

»O Gott, ich habe nicht gewusst, dass Liebe so … so berauschend sein kann«, verriet sie ihm nun ihre Gefühle, und die Röte schoss ihr in die Wangen. »Es war so …«

»Scht!«, machte er und brachte sie zum Schweigen, indem er ihr zwei Fingerspitzen auf die Lippen legte. »Bitte sag jetzt nichts weiter, Liebste. Sonst kann ich mich nicht mehr dafür verbürgen, dass dieser Rausch mich nicht wieder in Versuchung führt. Und was soll deine Zofe von uns denken, wenn sie jeden Augenblick wiederkommt und uns in einem solch aufgelösten Zustand vorfindet, zumal zu dieser Tageszeit?«

Am liebsten hätte Lavinia ihm geantwortet, dass sie dieses Risiko nur allzu gern in Kauf nehmen wolle und dass Mabel sich höchstens über ihr junges Glück freuen würde. Und dass die Tageszeit ihr völlig gleich sei, wenn er so wie sie den Wunsch verspüre, ihr seine Liebe so wie gerade zu beweisen. Aber sie spürte den Ernst hinter seinen Worten. Und sie dachte daran, was ihr ihr Vater über das Selbstverständnis des Südstaatlers sowie seinen Ehrenkodex gegenüber einer Frau, auch der eigenen, gesagt hatte. Sie begriff, dass es ihn tatsächlich höchst peinlich berühren und sein Ehrempfinden verletzen würde, wenn Mabel sie in einem »solch aufgelösten Zustand«, wie er es genannt hatte, überraschen würde.

Ihr dämmerte, dass es für Denis offenbar eine Sache war, seinen Gefühlen mit galanten, ja geradezu feurigen Worten Ausdruck zu verleihen, aber eine völlig andere, sie auch in natura auszudrücken. Sie war noch zu jung, um zu begreifen, warum sie das tief in ihrem Innersten mit Bedauern erfüllte. Doch instinktiv spürte sie, dass sie ihm in diesem kurzen Augenblick, als er sie in seine Arme genommen und sie leidenschaftlich geküsst hatte, auch seelisch so nah wie nie zuvor gewesen war – und dass er sie nun wieder ein Stück von sich schob, zurück auf den sicheren Boden der Etikette und des Anstands, ohne sich dessen wohl selbst bewusst zu sein. Und damit folgte er nur den ehernen moralischen Gesetzen, mit denen er von Kindesbeinen an aufgewachsen war und die seine Klasse heilig hielt. Deshalb hauchte Lavinia ihm einen Kuss auf die Fingerspitzen, lächelte ihn an und sagte folgsam: »Natürlich, Denis. Sicher hast du recht. Wir wollen vernünftig sein.«

Er zeigte sich sichtlich erleichtert. »Ich wusste, du würdest es verstehen«, sagte er und gab ihr einen fast geschwisterlichen Kuss auf die Stirn. »Und nun gib mir deine Hand.« Er lachte, als sie seine Hand ergriff, weil sie annahm, er wollte sie an Deck führen. »Nein, nicht so. Streck sie aus, mit der Handfläche nach oben.«

Mit Verwunderung im Blick folgte sie seiner Aufforderung. »Warum …«, setzte sie zu der Frage an, was er denn damit bezwecke.

»Darum!«, sagte er mit einem fröhlichen Lächeln und zog eine flache schwarze Schatulle aus seiner rechten Rocktasche, die er ihr nun auf die ausgestreckte Hand legte.

Überrascht blickte sie auf die Schatulle in ihrer Hand, die in goldenen schwungvollen Lettern den Schriftzug eines Bostoner Juweliers trug, und zwar nicht irgendeines x-beliebigen, sondern des exklusivsten!

»Denis! … Um Gottes willen, was ist das?«, stieß sie völlig widersinnig hervor, denn natürlich wusste sie sofort, was diese Schatulle enthalten musste – nämlich ein Schmuckstück.

Er lächelte und zeigte dabei zwei Reihen perlweißer Zähne. »Nun, ich nehme nicht an, dass dieses Kästchen eine Wassermelone enthält oder eine Handvoll Nähnadeln. Aber wenn du genau wissen möchtest, was es in seinem Innern für dich bereithält, dann gibt es einen ganz simplen Weg, um es rasch in Erfahrung zu bringen: Öffne es!«

Denis musste sie nicht zweimal dazu auffordern. Mit klopfendem Herz öffnete sie den kleinen goldenen Verschluss und klappte den Deckel hoch. Die Schatulle war innen ganz mit schwarzem Samt ausgeschlagen. Und auf diesem samtenen nachtschwarzen Bett ruhte ein blutroter Rubin von der Größe ihrer vorderen Daumenhälfte. Er war in Herzform geschliffen und von einem Kranz funkelnder Diamanten eingefasst. Lavinias Augen wurden weit, und sie hielt unwillkürlich den Atem an, als sie sah, welch ein kostbares Juwel diese Schatulle barg. »O mein Gott!«, kam es ihr dann über die Lippen, und ihre Stimme war ein ungläubiges, andächtiges Flüstern.

»Gefällt er dir nicht?«, stellte sich Denis besorgt, doch das stolze Lächeln, das um seine Mundwinkel spielte, ließ keinen Zweifel daran, dass er überzeugt war, das Richtige für sie ausgewählt zu haben.

»Ob er mir gefällt? … Denis, ich bin überwältigt! Er ist atemberaubend! Ein Traum!«, rief sie mit überschwänglicher Begeisterung. »Ich habe noch nie etwas so Schönes, so … ach, ich weiß überhaupt nicht, was ich dazu sagen soll!«

»Du brauchst nichts dazu zu sagen, nur freuen sollst du dich«, erklärte er vergnügt und ihre Begeisterung genießend.

Lavinia konnte es noch immer nicht glauben, dass dieses kostbare Schmuckstück nun ihr gehören und ihren Hals zieren sollte. Es musste ein Vermögen gekostet haben. »Das ist ein Geschenk, das mich beschämt.«

Bestürzt sah er sie an. »Aber, um Gottes willen, warum sollte es dich denn beschämen?«

Sie zuckte verwirrt mit den Schultern. Wie konnte sie ihm sagen, dass noch nicht einmal ihr Vater ihrer Mutter jemals ein auch nur halb so teures Schmuckstück geschenkt hatte, und dabei war er ein vermögender Mann. Natürlich besaß ihre Mutter eine Auswahl edler Juwelen, doch darunter war nicht ein Stück, das auch nur annähernd so … extravagant, ja fast schon protzig gewesen wäre wie dieser diamantenumfasste Rubin. Und mit diesen Wertmaßstäben, nämlich Reichtum nicht unverhohlen zur Schau zu stellen, sondern ihn nur auf sehr zurückhaltend dezente Weise zu dokumentieren, war sie aufgewachsen. Aber ihm davon erzählen, hieße ihn verletzen, und nichts lag ihr ferner, denn aller Extravaganz und Erziehung zum Trotz war sie von diesem Schmuckstück auf eine Weise entzückt, die sie für einen Moment selbst betroffen machte. Ja, sie wollte diesen Rubin besitzen und aller Welt zeigen, dass Denis ihr ihn geschenkt hatte!

Doch Denis wartete noch immer auf eine Erklärung. Und ein wenig ratlos, weil sie sich selbst nicht ganz verstand, sagte sie schließlich: »Ich … ich habe ein solch fürstliches Geschenk einfach nicht verdient, Denis. Es ist … ja, einfach zu überwältigend.«

Sein Gesicht hellte sich wieder auf, und er lachte belustigt. »Und ob du ihn verdient hast, mein Liebling! Es ist mein Herz, das ich damit in deine treuen, liebevollen Hände lege. Überdies kannst du dich gar nicht früh genug daran gewöhnen, außergewöhnlichen Schmuck zu tragen. Immerhin bist du nicht irgendwer, sondern Missis Denis DeLong!«

Mit bedingungsloser Liebe im Herzen und im Blick schaute sie ihn an. »Ja, ich will ihn so schätzen und hüten wie meine Liebe zu dir«, versprach sie leise.

»So soll es sein, Lavinia«, erwiderte er fast feierlich, doch dann riss ihn die eigene Begeisterung erneut mit sich, und er sagte lebhaft: »Ich hatte eigentlich vor, ihn dir gleich am Morgen nach unserer …« Hochzeitsnacht wollte er sagen, korrigierte sich aber noch schnell genug, um den Satz mit kaum merklichem Stocken fortführen zu können: »… Abreise zu schenken. Doch die bedauerlichen Umstände, die dich fast die ganze Reise über ans Bett gefesselt hielten, haben mein Vorhaben leider unmöglich gemacht. Wie sehr habe ich diesem Augenblick entgegengefiebert, denn es ist mir ein großer Herzenswunsch, dass du mein Hochzeitsgeschenk, diesen Rubin, um deinen Hals trägst, wenn wir zusammen von Bord der Rosebud gehen und du als meine Frau zum ersten Mal den Boden meiner geliebten Heimat South Carolina betrittst, die nun auch zu deiner Heimat wird.«

»Ich werde ihn gerne tragen!«, versicherte sie bewegt.

Denis nahm den Rubin, der an einer goldenen Kette wunderbar gearbeiteter Glieder hing, aus dem schwarzen Samtbett und legte ihr das Schmuckstück um den Hals. Als hätte er ihre Halsweite und ihr Dekolleté ausgemessen, so passgenau ruhte der Rubin mit seinem glitzernden Diamantenkranz im oberen Teil des reizvollen Tales, das ihre Brüste bildeten und unter der Spitze ihres Ausschnitts zu einer tiefen Schlucht werden ließen.

Er trat zurück und schaute sie mit verzücktem Gesichtsausdruck an. »Ja, er passt zu dir, Liebste. Er besitzt das Feuer, das deiner Ausstrahlung gerecht wird!«, schwärmte er und fügte dann etwas prosaisch hinzu: »So hat eine Missis Denis DeLong auszusehen!«

Lavinia wandte sich dem Spiegel zu und konnte nicht umhin, sich selbst zu bewundern. Sie berührte den Rubin, als müsste sie sich davon überzeugen, dass er tatsächlich echt war und um ihren Hals hing. »Damit werde ich Aufmerksamkeit erregen«, gab sie zu bedenken.

»Das will ich doch wohl hoffen, teuer genug war er! Ich weiß, was ich meinem Namen schuldig bin«, sagte er lachend und mit einem Anflug von Prahlerei. »Und nun lass uns hinausgehen. Wir nähern uns Charleston, und den Anblick darfst du auf keinen Fall verpassen.«

»O ja!« Lavinia hätte in diesem Moment an allem Gefallen gefunden, was immer er auch vorgeschlagen hätte. Sie stand noch immer unter dem freudigen Schock, den dieses ausgefallene Schmuckstück ihr versetzt hatte.

Sie verließen die Kabine und trafen im Gang auf Mabel. Lavinias Zofe bekam Augen groß wie Suppenteller, als sie den von Diamanten umschlossenen Rubin auf der Brust ihrer Herrin leuchten sah. »Nein!«, rief sie unwillkürlich und schlug ob dieses ungehörigen Kommentars die Hand vor den Mund. Denis war viel zu guter Laune, um ihr das übelzunehmen. Im Gegenteil. Auch wenn eine Frau wie Mabel Tattler nicht zu jener Klasse gehörte, deren Urteil ihm etwas bedeutete, so schmeichelte ihm ihre Reaktion natürlich. Und er bedachte sie mit einem milden Lächeln statt eines rügenden Stirnrunzelns oder eines ausgesprochenen Tadels, wie er es in einer solchen Situation wohl sonst getan hätte, wenn Bedienstete die ihnen gesetzten Grenzen überschritten.

»Packen Sie schon mal alles zusammen, und halten Sie Missis DeLongs Parasol bereit, Miss Tattler«, trug er ihr auf. »Noch ist es ziemlich angenehm, doch die Sonne kann in South Carolina auch im Oktober von recht intensiver Wirkung sein.« Mabel nickte nur, noch ganz sprachlos.

Denis reichte Lavinia seinen Arm, stieg den Niedergang hinauf und trat mit ihr an Deck. Vor ihnen lag Charleston.

3

Denis DeLong führte seine junge Frau zur Steuerbordreling hinüber, wo sich schon zahlreiche Passagiere eingefunden hatten. Und wenn er es sich auch nicht anmerken ließ, so nahm er sehr wohl die bewundernden Blicke zur Kenntnis, die Lavinia auf sich zog. Es war ihr rotblondes Haar, das in der angenehm warmen Morgensonne wie Gold schimmerte und das Auge des Betrachters zuerst auf sich lenkte. Aber der Blick, der ihr folgte, nahm sehr schnell ihre ganze Erscheinung, die von Jugend und aparter Schönheit kündete, mit einem bewundernden Lächeln oder einem stummen, neidvollen Seufzen zur Kenntnis. Und keinem entging der Rubin in seiner diamantenen Herzfassung, der die Sonne einfing, das Licht in seinen Facetten brach und mit feuerrotem Schein auf ihrem Busen zu brennen schien. Es erfüllte ihn mit Stolz.

Galant und zugleich mit besitzergreifender Geste legte er seinen Arm um ihre Schulter, als wollte er sie vor möglichen Gefahren in Schutz nehmen.

Lavinia wusste nicht, wohin sie zuerst schauen sollte. Sie sah vor sich unter einem azurblauen Himmel eine weite sonnengebadete Küstenlandschaft, die in vorderster Linie von hohen Dünen beherrscht war, deren Kämme langes Gras und Sträucher bedeckten. Und hinter den erstarrten Wellen der Sandhügel erhoben sich schlanke Palmen in dichter Reihe, deren buschige Wedel sich in der leichten Brise bewegten. Das Hinterland war vom Deck des Schiffes nur als ein tiefes Grün auszumachen, das sich weit nach Westen hin erstreckte.

»Das ist Sullivan’s Island«, erklärte ihr Denis mit dem freudigen Überschwang eines Mannes, der seine geliebte Heimat endlich der Frau seines Herzens zeigen kann. »Diese Insel begrenzt die Einfahrt von Charleston im Norden. Gleich wirst du auch Fort Moultrie erkennen können, das sich auf dem südlichsten Zipfel von Sullivan’s Island erhebt. Und was du dort drüben auf der anderen Seite siehst, das ist Morris Island. Diese beiden Düneninseln, die jeweils mehrere Meilen lang sind, begrenzen und schützen die Einfahrt von Charleston, der schönsten Stadt im ganzen Süden.«

Lavinia lachte belustigt auf. »Ich werde mich ja bald mit eigenen Augen davon überzeugen können. Und wehe, du hast auch nur ein bisschen übertrieben!«, drohte sie ihm im Scherz und warf dabei den Kopf in den Nacken.

»Charleston ist die Perle des Südens«, versicherte er im Brustton der Überzeugung.

»Was ist das für ein trutziges Gebäude, das da mitten in der Einfahrt aus dem Wasser ragt?«, wollte sie wenige Augenblicke später wissen.

»Oh, das ist unsere wichtigste Festung, Fort Sumter, benannt nach General Thomas Sumter, einem der berühmtesten Soldaten, die im letzten Jahrhundert unsere Unabhängigkeit von England erkämpften – natürlich stammte er aus South Carolina«, fügte er stolz hinzu.

»Natürlich!« Lavinia lächelte ihn an. Sein schwärmerischer Stolz ließ ihn in diesem Moment regelrecht jungenhaft erscheinen.

Er nickte bekräftigend, doch auch um seine Lippen lag ein Lächeln. Erst jetzt kam ihm so richtig zu Bewusstsein, dass er viel zu lange von zu Hause fort gewesen war. Mehr als vier Monate. Den ganzen Sommer. Als Junggeselle war er nach Boston gereist, um so viel Geld wie möglich aus dem Konkurs der Firma zu retten, die ihm die Lieferung von einem halben Dutzend Baumwollentkörnungsmaschinen schuldete, und als verheirateter Mann kehrte er nach Belmont Park zurück. Geheiratet im fernen Boston! Das würde gewiss Gerede geben, und er konnte sich die Sticheleien seiner Freunde und Bekannten schon ausmalen. Aber wer würde es ihm verübeln können, wenn er ihnen Lavinia präsentierte? Niemand!

Schnell verdrängte Denis diese Überlegungen, die nur dazu angetan waren, die Freude seiner Rückkehr zu trüben, und sagte mit allem Enthusiasmus, zu dem er fähig war: »Wer zum ersten Mal in seinem Leben nach Charleston kommt, muss sich dieser Stadt einfach vom Meer aus nähern! Nur dann kann man ihre Schönheit und ihren unvergleichlichen Zauber richtig ermessen!«

»Ich kann es schon gar nicht mehr erwarten«, sagte Lavinia und beschattete die Augen mit der flachen Hand.

Die Rosebud glitt kurz darauf mit verminderter Geschwindigkeit an dem fünfeckigen Fort vorbei, das mit seinen mächtigen Mauern und der Feuerkraft seiner zahlreichen Kanonen, die auf zwei übereinanderliegenden Ebenen aus den Festungsöffnungen auf einen noch unsichtbaren Gegner gerichtet waren, die Einfahrt beherrschte.

Denis wies sie noch auf eine dritte Befestigungsanlage hin, die zu ihrer Linken lag, rasch hinter ihnen zurückblieb und Fort Johnson hieß, wie sie erfuhr. Dann spazierte er, wie auch alle anderen Passagiere an Deck, mit ihr zur Backbordreling hinüber, da der Captain ihres Schiffes nun Kurs auf die Docks nahm, die sich auf der Ostseite der Stadt den Cooper River hinauf erstreckten, wo sich schon ein Gewimmel von Masten vor dem klaren Himmel abzeichnete.

Lavinia schenkte den Forts ihre wenigste Beachtung. Es war die näher rückende Stadt, die ihr ganzes Interesse in Anspruch nahm.

»Charleston ragt wie ein großer langer Keil mit seiner Spitze hier in diese weite Bucht«, führte Denis eifrig seine Erläuterungen fort, »die vom Cooper und vom Ashley River gebildet wird. Der Cooper River umfließt die Stadt im Osten, der Ashley River im Westen.«

»Und an seinem Ufer liegt Belmont Park«, erinnerte sich Lavinia.

»Ja, aber von Charleston ist es bis zu unserer Plantage noch ein gutes Stück flussaufwärts.«

Lavinia fiel auf, dass er von »unserer« Plantage sprach und nicht von »meiner«, obwohl er doch nach dem Tod seines Vaters vor gut vier Jahren als einziger männlicher Nachkomme Belmont Park geerbt hatte und nun dort der Herr war. Sie nahm an, dass sich sein »unser« auf den Familiennamen DeLong bezog und er sich in einer Kette von DeLongs vor und nach ihm sah, und sie dachte nicht weiter darüber nach.

»Gleich!«, rief Denis aufgeregt wie ein Kind, als ein stolzer, auslaufender Dreimaster ihnen mit seinen windgeblähten Segeln für einen Moment den Blick auf die Stadt verwehrte. »Wenn das Schiff vorbei ist, kannst du Charleston sehen!«

Der erste Eindruck sollte ihr bis ans Ende ihrer Tage unvergesslich bleiben. Doch es war kein optisches Bild, das einen so tiefen Eindruck in ihr hinterließ, sondern ein Geruch. Noch bevor sie die Konturen einzelner Gebäude und Plätze ausmachen konnte, wehte ein blütenschwerer Duft über das Wasser zu ihnen an Deck des Schiffes herüber. Was sie an diesem Tag noch nicht benennen konnte, weil ihr die meisten Blumen fremd waren, die in diesem Teil des Südens heimisch waren und deren Duft ihr in die Nase stieg, war eine betörende Mischung aus Magnolien und Jasmin, Oleander und Azaleen, Pfeifensträuchern und Jacaranda, Rosen und Eukalyptus, Palmetto und Kamelien, Minze und Bougainvillea sowie mindestens noch einem Dutzend anderer subtropischer Gewächse, die verschwenderisch ihren Duft verströmten, den schweren Duft des Südens.

Wie ein exotisches Parfum drang er ihr in die Nase, und sie atmete ihn tief ein. Er gefiel ihr, ausnehmend gut sogar, und sie lächelte unwillkürlich, als wäre sie nun bereit, diese fremde Stadt, ja dieses ganze fremde Land mit offenen Armen und offenem Herzen in sich aufzunehmen.

Der Dreimaster zog vorbei, und Charleston lag vor ihren Augen. Sie sah ein Meer von roten Dächern und flachen Dachterrassen, das jedoch immer wieder vom dichten Grün langer Alleen und kleiner Parks aufgelockert wurde. Und die Mehrzahl der Häuserfassaden leuchtete in einem strahlendblendenden Weiß mit grünen Schlagläden, obwohl viele Gebäude auch einen zarten pastellfarbenen Anstrich in Gelb, Hellblau, ja sogar Zartrot trugen und damit für eine fast schon beschwingt farbige Note sorgten.

»Siehst du den herrlichen Park dort drüben, der sich hinter der Uferpromenade direkt am Wasser erstreckt, dort wo sich Cooper und Ashley River treffen und vermischen? Das ist White Point Gardens, einer der beliebtesten Plätze der Stadt, wenn man unter schattigen Bäumen und Palmen flanieren und gesehen werden möchte«, erläuterte er mit lebhaften, weitgreifenden Gesten.

Lavinia nickte und sog alles begierig in sich auf. Der Park sah wunderbar aus mit seinen Bäumen und gepflegten Rasenflächen. Stattliche Häuser, viele drei Stockwerke hoch und von Veranden umgeben, die von Säulen getragen wurden, säumten auf der anderen Seite die langgestreckte Parkanlage. Es waren beeindruckende Häuser, die alle einen respektablen Abstand voneinander hielten und von Wohlstand sprachen.

Als die Rosebud die Ecke von White Point Garden passierte und parallel zur East Battery auf die weiter oberhalb gelegenen Docks zuhielt, konnte Lavinia auch hier zahlreiche schöne Gebäude bewundern.

Der Hafen war von weniger großem Reiz, was die architektonische Seite betraf. Doch die Zahl und Größe der vielen Lagerhallen, Kontore und anderen Gebäude war beeindruckend – wie auch das bunte, geschäftige Gewimmel auf den Kaianlagen.

Die Rosebud fuhr die North Commercial Wharf an und ging längsseits. Die Leinen flogen, begleitet von rauen Kommandorufen.

»Angekommen!« Denis strahlte glücklich.

»Ja, angekommen«, sagte auch Lavinia leise und drückte seinen Arm. Noch war ihr alles fremd, und sie wusste, dass das Heimweh nicht lange auf sich warten lassen würde. Doch wenn er hier glücklich war, dann wollte auch sie alles tun, um dieses Land so zu lieben, wie er es tat, denn sie spürte, dass sie nur so dauerhaftes Glück an seiner Seite finden konnte.

4

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis die Formalitäten erledigt waren und sie von Bord gehen konnten. Lavinia hatte ihren Parasol aufgespannt, wie Denis es ihr ans Herz gelegt hatte, und auch Mabel schützte sich mit einem hübschen, zierlichen Sonnenschirm. Denn die Sonne begann spürbar an Kraft zu gewinnen, und -es galt im Süden mehr noch als anderswo als ausgesprochen unfein, etwas anderes als einen blassen Teint zu haben.

»Mein Gott, sehen Sie doch nur!«, stieß Mabel aufgeregt leise hervor. »All die Mohren!«

»Das sind Schwarze. Du weißt doch, dass es im Süden viele Sklaven gibt«, verbesserte Lavinia ihre Zofe, war aber selbst auch vom Anblick der vielen Schwarzen überrascht, deren Hautfarbe alle Schattierungen von Hellbraun bis fast Rabenschwarz aufwies. Zwar hatte sie in Boston gelegentlich schon mal einen schwarzen Kutscher oder Diener gesehen, aber das war doch etwas völlig anderes gewesen als dieses lärmende Gewimmel von dunkelhäutigen Gestalten, deren Zurufe ihr zumeist unverständlich waren, als sprächen sie eine fremde Sprache. Es war ihr ein wenig unheimlich, doch sie wollte es vor Mabel nicht zeigen. Deshalb fügte sie fast schulmeisterlich hinzu: »Mein Vater hat mir erzählt, dass es dreimal mehr Sklaven als Weiße gibt.«

»Aber wer passt denn hier auf all die Sklaven auf, dass sie nicht weglaufen?«, fragte sich Mabel verwundert.

Denis war einen Schritt vorgegangen, um einen schwarzen Mietkutscher heranzuwinken. Doch der Wortwechsel der Frauen entging ihm nicht. Er blieb stehen und wandte sich zu ihnen um.

»Wir hier im Süden ziehen es vor, nicht von Sklaven zu sprechen, Miss Tattler«, sagte er in einem freundlichen Ton, der nichtsdestotrotz zurechtweisend war. »Und ich möchte Sie darum bitten, sich unserem Brauch anzuschließen, für den es gute Gründe gibt. Die Schwarzen gehören durch Tradition in gewissem Maße zur Familie. Es sind unsere Leute, für die wir uns verantwortlich fühlen so wie sie sich für uns. So verhält es sich bei uns auf Belmont Park und auch anderswo. Ich bitte Sie daher, die von Ihnen gerade aus Unwissenheit verwandte Bezeichnung in Zukunft möglichst zu vermeiden, ja besser noch ganz aus Ihrem Wortschatz zu tilgen – ganz besonders in Anwesenheit von Schwarzen, denn sie sehen sich nicht als solche, als die Sie sie bezeichnet haben.«

Mabel lief bei seiner im Ton umgänglichen, im Inhalt jedoch unnachgiebigen Zurechtweisung puterrot an. »Ja, Sir! … Natürlich, Mister DeLong! … Entschuldigen Sie, aber … ich wusste ja nicht … ich meine … wo ich doch bisher nie …«, stammelte sie.

»Natürlich wussten Sie nicht«, fiel Denis ihr mit einem versöhnlichen Lächeln ins Wort. »Deshalb habe ich es Ihnen ja auch gesagt, damit Sie bei anderer Gelegenheit mit einer ähnlichen unbedachten Äußerung nicht ahnungslos Unwillen erregen und sich, ganz ohne Grund und Vorsatz, Feinde machen. Denn ich muss gestehen, dass uns Südstaatlern eine Schwäche nachgesagt wird, ob zu Recht oder nicht, das sei einmal dahingestellt, nämlich dass unser Ehrempfinden von jemandem, der mit unseren Sitten und Gebräuchen nicht vertraut ist, nur allzu leicht verletzt werden kann.«

Mabel nickte mit hochrotem Kopf. »Ich … ich werde Ihren Rat beherzigen, Mister DeLong«, versicherte sie.

»Das freut mich zu hören, Miss Tattler, und Sie erweisen sich damit nur selbst einen großen Dienst«, sagte er und schaute erst jetzt seine Frau an.

Lavinia war das Blut gleichfalls heiß in die Wangen geschossen, denn obwohl er allein ihre Zofe getadelt hatte, war ihr doch sogleich klar gewesen, dass seine Worte genauso an sie gerichtet waren. Ja, wahrscheinlich meinte er sie noch stärker als Mabel, die nun stellvertretend für sie diese peinliche Zurechtweisung über sich hatte ergehen lassen müssen.

»Hier ist einiges anders als in Boston, Liebste«, sagte er zu ihr, fast entschuldigend. Doch in seinen Augen stand ein warnender Ausdruck.

Ihr Gesicht schien zu brennen, als sie mit belegter Stimme antwortete: »Mit deiner Hilfe werde ich mich schon zurechtfinden.«

»Ja, so wollen wir es handhaben«, sagte er, zufrieden mit ihrer Fügsamkeit, und winkte dann eine der Mietdroschken heran, die im Schatten einer hohen Lagerhalle aufgereiht standen. »Zum Kontor von Mister Ashgate an der Adgers South Wharf, Darky!«, rief Denis dem schwarzen Kutscher zu, der einen verschlissenen Frack und einen löchrigen Zylinder auf dem Kopf trug, während er den beiden Frauen beim Einsteigen half. »Yassum, Massa«, nuschelte der Schwarze und schloss den Schlag, nachdem auch Denis eingestiegen war.

»Wo fahren wir hin?«, erkundigte sich Lavinia.

»Zu Mister Godfrey Ashgate, das ist unser Agent, der hier in Charleston die Baumwolle von Belmont Park vermarktet und sich auch sonst um unsere geschäftlichen Belange kümmert«, erläuterte Denis. »Sein Kontor ist nicht weit von hier.«

Das war es in der Tat nicht, denn kaum hatte er das gesagt, da hielt die Kutsche auch schon wieder, und sie waren am Ziel. »Diese kurze Strecke hätten wir aber auch zu Fuß gehen können«, meinte Lavinia.

»Eine Dame, die auf ihren guten Ruf achtet, geht östlich der East Bay Street keinen Schritt zu Fuß, geschweige denn im Hafen zwischen den einzelnen Docks, mein Liebes«, erwiderte er ein wenig pathetisch und führte sie in ein großes Backsteingebäude, nachdem er dem Kutscher gesagt hatte, er solle warten, doch es könne einige Zeit dauern.

Ihr Kommen war sofort von einem schwarzen Diener bemerkt und seinem Herrn gemeldet worden, so dass Godfrey Ashgate ihnen schon mit ausgestrecktem Arm und freudiger Miene entgegenkam, kaum dass sie sein Kontor betreten hatten.

»Mein lieber Denis! Sie sind zurück. Welch freudige Überraschung. Sie müssen eine halbe Ewigkeit weggewesen sein!«, rief er überschwänglich.

»Volle vier Monate und neun Tage, um genau zu sein, Godfrey«, antwortete Denis schmunzelnd und erwiderte den kräftigen Händedruck seines Geschäftspartners.

»Vier Monate im kühlen Norden! Man möchte Sie fast darum beneiden, mein Bester. Sie haben es geschickter gemacht als wir alle, dass Sie dem Sommer entflohen sind, der sogar auf den Inseln unerträglich heiß war.«

Denis wandte sich nun seiner Frau zu. »Lavinia, darf ich dir einen alten Freund und Geschäftspartner unserer Familie vorstellen … Mister Godfrey Ashgate«, sagte er in förmlichem Tonfall. »Godfrey … das ist Missis Lavinia DeLong.«

Der Agent, der von fülliger Figur, rotgesichtig und gut doppelt so alt war wie Denis, ergriff Lavinias Hand zu einem formvollendeten Handkuss. »Ich bin entzückt, dass ich die Ehre habe, Ihre Bekanntschaft zu machen, Missis DeLong«, sagte er mit unverhohlener Bewunderung.

»Die Ehre ist ganz meinerseits, Mister Ashgate«, antwortete Lavinia, die es höchst aufregend fand, mit »Missis DeLong« angesprochen zu werden.

Sein Blick blieb unverkennbar für einen Moment auf ihrem Rubin haften. »Erlauben Sie mir, meiner Bewunderung Ausdruck zu verleihen, indem ich Ihnen und Ihrem geschätzten Gatten prophezeie, dass Ihr Name noch heute in aller Munde und dass Ihre berückende Schönheit das Thema aller Salongespräche sein wird.«

Denis lachte vergnügt. »Ich habe nichts dagegen einzuwenden, Godfrey. Und es würde zudem auch nur von einem guten Geschmack zeugen«, erklärte er voll jugendlichem Ehestolz. »Sie werden eine umschwärmte Bereicherung unserer Gesellschaft sein, und die kann sich wahrlich als eine der verwöhntesten im Lande nennen!«

Lavinia errötete. »Sie schmeicheln mir, Mister Ashgate.«

»Nicht im Mindesten, Missis DeLong«, versicherte der Agent mit dem koketten Lächeln des Lebemannes in den Augen. »Unsere Stadt ist schöne Frauen gewöhnt, wie sie von einer Vielzahl herrlicher Blumen in ihren zahllosen Gärten und Parks maßlos verwöhnt ist. Dies ist sozusagen eine der Reichtümer unseres Landes. Doch Sie bringen in diesen Garten schöner Blumen eine neue Blüte von betörender Frische und Farbe, wenn Sie mir die Freiheit dieses Vergleichs verzeihen.«

Lavinia lächelte. Sie mochte Godfrey Ashgate, auch wenn er ein bisschen dick auftrug. Aber sie spürte, dass er sich wirklich freute. »Sie sind zu freundlichst.«

Denis deutete nun auf Mabel. »Und das ist Miss Tattler, die Zofe meiner Frau, Godfrey … Mister Ashgate.«