BGH – Jahrbuch Strafrecht 2017 - Jürgen-Peter Graf - E-Book

BGH – Jahrbuch Strafrecht 2017 E-Book

Jürgen-Peter Graf

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Beschreibung

Der Jahresband 2017 Die jährlich neu erscheinende Sammlung gibt aus erster Hand einen Gesamtüberblick über die wichtigsten BGH-Entscheidungen des vergangenen Jahres. Sie enthält unter Einbeziehung von Strafprozessrecht und einigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ca. 600 Entscheidungen mit inhaltlich gezielt aufbereiteten Informationen. So können aktuelle Entwicklungen und Tendenzen der Rechtsprechung rasch erkannt werden. Leitentscheidungen klar erläutert Die Autoren bringen Leitentscheidungen mit ausgewählten Passagen anhand komprimierter Erläuterungen auf den Punkt. Die wesentlichen Ausführungen der Entscheidungen sind – überwiegend mit den autorisierten Randnummern des Gerichts – auszugsweise mit abgedruckt. Der Benutzer erhält so alle wichtigen Informationen auf einen Blick, zugleich sind die Entscheidungsauszüge dadurch zitierfähig. Aufbau nach Tatbeständen und Tatbestandsgruppen Die abgedruckten Entscheidungen sind auch über das umfangreiche Stichwortverzeichnis sowie die chronologisch und nach Aktenzeichen geordneten Entscheidungsregister auffindbar. Konkrete Einzelfragen nach aktuellen Rechtsprechungslösungen lassen sich so rasch überprüfen. Die systematische Einordnung der Entscheidungen in Tatbestände und Tatbestandsgruppen ermöglicht es dem Leser, sich in aktuelle Problemfragen bestimmter Tatbestände einzuarbeiten. Hinweise für die Praxis Zahlreiche optisch hervorgehobene Praxishinweise erleichtern die unmittelbare Anwendung in der Praxis, insbesondere für Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte. Gleichzeitig ist die Sammlung ein wichtiges und wertvolles Arbeitsmittel in der Prüfungsvorbereitung auf die juristischen Staatsexamina.

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BGH – Jahrbuch Strafrecht 2017

Die wichtigsten Entscheidungen mit Kurzkommentierungen und Praxishinweisen

Prof. Dr. Jürgen-Peter Graf

Richter am Bundesgerichtshof, Lehrbeauftragter an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Honorarprofessor an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien Offenburg

Dr. Matthias Goers

Staatsanwalt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Print ISBN 978-3-415-05976-4 E-ISBN 978-3-415-05982-5

© 2017 Richard Boorberg Verlag

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresdenwww.boorberg.de

Vorwort zur Ausgabe 2017

Neue Kleider ändern nichts am Inhalt, schon gar nichts am Charakter, der inneren Einstellung und der Verlässlichkeit.

Dies gilt es vorauszuschicken, nachdem sich die Wege von uns Autoren und dem Verlag de Gruyter in gleichsam gegenläufiger Umorientierung getrennt haben und von dieser Auflage an der Boorberg Verlag in Stuttgart, mit dem seit mehr als 15 Jahren in anderen Bereichen eine hervorragende Zusammenarbeit besteht, die Betreuung, Druck und Verkauf dieser jährlichen Rechtsprechungsübersicht übernommen hat.

In diesem Zusammenhang haben wir unser Konzept überarbeitet, gestrafft und wollen künftig besonders wichtige Entscheidungen noch stärker in den Fokus rücken, Entwicklungen und Tendenzen der aktuellen Rechtsprechung deutlich machen, aber auch – soweit erforderlich – zu kritisierende Ausführungen in Entscheidungen ansprechen. Der Praktiker soll mit einem Blick ins Inhalts- oder Stichwortverzeichnis sofort die zu seiner Suche passenden Entscheidungen erkennen und davon sein Prozessverhalten abhängig machen können. Dementsprechend haben wir in diesem Jahr die Fülle der Entscheidungen, welche die Vorauflagen immer dicker werden ließ, nicht mehr alle abgedruckt, sondern ähnliche und gleichlautende Urteile in den Fussnoten aufgenommen und dadurch erheblichen Druckraum gespart, was dem Nutzer mehr Übersichtlichkeit bringen wird.

Dessen ungeachtet gelten die nachstehenden Ausführungen des Vorworts zur Erstausgabe der Rechtsprechungsübersicht des Bundesgerichtshofs für Straf- und Strafprozessrecht des Jahres 2010 unverändert fort:

Gerade aber die Fülle der auf diesem Weg nunmehr ständig und jederzeit abrufbaren Entscheidungen macht es für den Anwender schwierig, die für seine praktische Arbeit und die jeweiligen Interessen wichtigen Erkenntnisse herauszufinden und dann nachzuvollziehen. Selbst wenn man die erforderliche Zeit hierfür aufwenden kann, gestaltet es sich mehr als freudlos, zahlreiche nur durch das Aktenzeichen und das Datum gekennzeichnete Dateien aufzurufen, um dann möglicherweise erst nach mehreren Minuten des Lesens feststellen zu können, ob die Entscheidung für die eigene Arbeit tatsächlich wichtig ist oder eher nicht.

Auch die Aufarbeitung der Rechtsprechung mittels Fachzeitschriften stellt für sich allein keine geeignete Lösung dar. Zum einen werden viele Urteile und Beschlüsse erst mit einem zeitlichen Abstand von bis zu 18 Monaten publiziert, zum anderen sind zahlreiche Entscheidungen gerade nicht in allen Zeitschriften einer Fachrichtung veröffentlicht, so dass der interessierte Praktiker mindestens drei oder mehr Zeitschriften gleichzeitig lesen müsste. Nicht eingerechnet sind dabei Urteile und Beschlüsse, welche überhaupt nicht abgedruckt werden, sondern nur online verfügbar sind.

Aber auch Studenten und Referendare, welche sich zur Vorbereitung für das jeweilige Examen über die aktuellsten Entscheidungen der letzten Monate informieren wollen, stehen vor einem ähnlichen Problem, zumal in dieser Phase meist ohnehin viel zu wenig Zeit zur Verfügung steht, um auch nur annähernd gründlich wenigstens einige Fachzeitschriften durchzusehen. Mit der üblichen Ausbildungsliteratur kommt man nicht weiter; denn für Strafrecht und Strafprozessrecht wird regelmäßig nur eine kleine Besprechungsauswahl aktueller Entscheidungen angeboten, und das meistens mit einer durch die Bearbeitung bedingten erheblichen zeitlichen Verzögerung.

Somit lag es nahe, die wesentlichen Entscheidungen im Strafrecht, Nebenstrafrecht und im Strafprozessrecht von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht für den aktuell zurückliegenden Zeitraum zusammenzustellen und mit erklärenden Anmerkungen hinsichtlich einzelner Entscheidung zu versehen.

Ausgangspunkt für die hiermit vorgelegte neue Zusammenstellung 2017 ist das zurückliegende Jahr 2016, wobei einige Entscheidungen zwar noch ein Datum des Jahres 2015 tragen, vielfach dennoch aber erst zum Jahreswechsel oder später veröffentlicht wurden.

Insgesamt haben Dr. Goers und ich erneut mehr als 1.200 Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und etwa 120 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gesichtet und darunter etwa 600 Urteile und Beschlüsse ausgewählt, welche uns für die tägliche Praxis und die Fortentwicklung der Rechtsprechung insgesamt als bedeutsam erschienen. Besonders wichtige Entscheidungen, welcher jeder am Straf- und Strafprozessrecht Interessierte unbedingt kennen sollte, wurden zusätzlich als „Topentscheidung“ gekennzeichnet; ein „Muss“ auch für Rechtsreferendare und Examenskandidaten! Grundlegende und wegweisende Entscheidungen wurden außerdem in ihrer konkreten Bedeutung für die Praxis erläutert und teilweise auch mit „Praxistipps“ oder Hinweisen zur „Praxisbedeutung“ versehen.

Um dem Leser ein mühsames Heraussuchen und Nachlesen der zitierten Erkenntnisse zu ersparen, sind wie bereits schon in den vorangegangenen Ausgaben die wesentlichen Ausführungen der Entscheidungen und überwiegend mit den autorisierten Randnummern des Gerichts auszugsweise mitabgedruckt, so dass der Benutzer alle wichtigen Informationen auf einen Blick erhält und die Entscheidungsauszüge zugleich auch zitierfähig sind. Besteht danach zusätzlicher Bedarf, eine Entscheidung in ihrer Gesamtheit zu lesen, sind Datum und Aktenzeichen verzeichnet, so dass eine Recherche über die Webseiten der einzelnen Gerichte (s. o.) ebenso möglich ist wie der Abruf über die verschiedenen Online-Datenbanken der juristischen Fachverlage oder das Datenbanksystem Juris.

Die systematische Einordnung der Entscheidungen in Tatbestände und Tatbestandsgruppen soll zusätzlich die Möglichkeit geben, sich im Wege einer eigenen Fortbildung in aktuelle Problemfragen bestimmter Tatbestände einzuarbeiten und die daraus resultierenden Lösungen der Rechtsprechung in die tägliche Arbeit als Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt einfließen zu lassen. Die überragende Bedeutung solchen Wissens gerade für Strafverteidiger braucht nicht näher dargelegt zu werden, zumal die Unkenntnis höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO darstellt!1

Um schließlich auch konkrete Einzelfragen nach aktuellen Rechtsprechungslösungen überprüfen zu können, sind die abgedruckten Entscheidungen auch über ein umfangreiches Stichwortverzeichnis auffindbar. Ergänzt wird dies durch eine chronologisch und nach Aktenzeichen geordnete Aufstellung der enthaltenen Entscheidungen.

Ganz herzlich danke ich erneut Herrn Staatsanwalt Dr. Matthias Goers, der mich auch bei der aktuellen Ausgabe mit großem Einsatz unterstützt und die Bereiche „StGB Allgemeiner Teil“ und „Strafrechtliche Nebengesetze“ und ab dieser Ausgabe zusätzlich auch noch den Bereich „StGB Besonderer Teil“ übernommen hat.

Im Übrigen bitte ich die Nutzer und Leser um Anregungen und Hinweise für künftige Zusammenstellungen.

Karlsruhe, Februar 2017

Jürgen Graf

Hinweise für die Benutzung des Jahrbuches

Besonders wichtige Entscheidungen wurden als „TOPENTSCHEIDUNG“ gekennzeichnet.

Diese sind ein „Muss“, auch für Rechtsreferendare und Examenskandidaten!

Grundlegende und wegweisende Entscheidungen wurden in ihrer konkreten Bedeutung für die Praxis, teils mit „ANMERKUNGEN“, erläutert und zusätzlich mit „PRAXISHINWEISEN“ oder Hinweisen zur „PRAXISBEDEUTUNG“ versehen, die optisch durch eine andere Schrift, einen grauen Balken am Rand oder mit Grauraster hervorgehoben sind.

Die wesentlichen Originalzitate aus den Entscheidungen sind in kursiver Schrift und überwiegend mit den autorisierten Randnummern des Gerichts auszugsweise nach den jeweiligen einführenden Bemerkungen mitabgedruckt.

Die Entscheidungsauszüge sind somit zugleich auch zitierfähig.

Sämtliche Entscheidungen sind mit Datum und Aktenzeichen verzeichnet. Dies ermöglicht eine Recherche über die Webseiten der einzelnen Gerichte ebenso wie den Abruf über verschiedene Online-Datenbanken.

Die Entscheidungen sind zudem systematisch in Tatbestände und Tatbestandsgruppen eingeordnet.

Ferner können die Entscheidungen auch über das umfangreiche Stichwortverzeichnis aufgefunden werden.

Am Ende des Buches befinden sich die chronologisch und nach Aktenzeichen geordneten Entscheidungsregister.

Inhalt

Vorwort zur Ausgabe 2017

Hinweise für die Benutzung des Jahrbuches

Abkürzungsverzeichnis

A. StGB – Allgemeiner Teil

I. Grundsätzliches

1. Überblick

2. Ausblick

II. Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu Einzelfragen des StGB Allgemeiner Teil

1. Geltungsbereich – §§ 1 ff. StGB

2. Begehen durch Unterlassen – § 13 StGB

3. Handeln für einen anderen – § 14 StGB

4. Vorsatz – § 15 StGB

5. Tatbestandsirrtum – § 16 StGB

6. Verbotsirrtum – § 17 StGB

7. Kausalität

8. Schuldunfähigkeit, verminderte Schuldfähigkeit – §§ 20, 21 StGB

9. Versuch und Vollendung – §§ 22 ff. StGB

a) Vorbereitungshandlung und Versuch

b) Beendeter oder unbeendeter Versuch

c) Rücktritt

d) Versuch der Beteiligung, § 30 StGB

10. Mittäterschaft – § 25 StGB

11. Beihilfe – § 27 StGB

12. Rechtfertigungsgründe

13. Strafzumessung – §§ 46 ff. StGB

a) Strafzumessung im engeren Sinn – § 46 StGB

b) Verbot der Doppelverwertung

14. Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung – § 46a StGB

15. Aufklärungshilfe – § 46b StGB

16. Besondere gesetzlicher Milderungsgründe – § 49 StGB

17. Tateinheit, Tatmehrheit, Gesamtstrafenbildung – §§ 52 ff. StGB

a) Tateinheit, Tatmehrheit – §§ 52, 53 StGB

b) Gesamtstrafenbildung – §§ 54, 55 StGB

18. Strafaussetzung zur Bewährung – §§ 56 ff. StGB

19. Maßregeln der Besserung und Sicherung

a) Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – § 63 StGB

b) Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – § 64 StGB

c) Anordnung der Sicherungsverwahrung – § 66 StGB

d) Reihenfolge der Vollstreckung – § 67 StGB

20. Entziehung der Fahrerlaubnis – § 69 StGB

21. Verfall und Einziehung – §§ 73 ff. StGB

22. Strafantrag – § 78 StGB

23. Verjährung, §§ 78 ff. StGB

B. StGB – Besonderer Teil

I. Grundsätzliches

1. Überblick

2. Ausblick

II. Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu Einzelfragen des StGB Besonderer Teil

1. Geheimdienstliche Agententätigkeit – § 99 StGB

2. Landfriedensbruch – §§ 125, 125a StGB

3. Bildung terroristischer Vereinigungen – §§ 129 ff. StGB

4. Volksverhetzung – § 130 StGB

5. Amtsanmaßung – § 132 StGB

6. Verwahrungsbruch – § 133 StGB

7. Verstoß gegen Weisungen der Führungsaufsicht – § 145a StGB

8. Geld- und Wertzeichenfälschung – §§ 146 ff. StGB

9. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – §§ 174 ff. StGB

a) Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen – § 174 StGB

b) Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses – § 174 c StGB

c) Sexueller Missbrauch von Kindern – §§ 176, 176a StGB

d) Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung – § 177 StGB

10. Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen – § 201a StGB

11. Straftaten gegen das Leben – §§ 211 ff. StGB

a) Tötungsvorsatz und Tötungsmotiv bei §§ 211, 212 StGB

b) Mordmerkmale

aa) Heimtücke

bb) Ermöglichung einer anderen Straftat

c) Minder schwerer Fall des Totschlags – § 213 StGB

12. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit – §§ 223 ff. StGB

a) Vorsätzliche Körperverletzung – § 223 StGB

b) Gefährliche Körperverletzung – § 224 Abs. 1 StGB

c) Misshandlung von Schutzbefohlenen – § 225 StGB

d) Schwere Körperverletzung – § 226 StGB

13. Straftaten gegen die persönliche Freiheit – §§ 232 ff. StGB

a) Nachstellung – § 238 StGB

b) Erpresserischer Menschenraub – § 239a StGB

c) Geiselnahme – § 239b StGB

14. Nötigung/Bedrohung – §§ 240, 241 StGB

15. Diebstahl und Unterschlagung – §§ 242 ff. StGB

16. Raub und Erpressung – §§ 249 ff. StGB

a) Waffe, Gefährliches Werkzeug – § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB

b) Körperlich schwere Misshandlung – § 250 Abs. 2 Nr. 3 a) StGB

c) Raub mit Todesfolge – § 251 StGB

d) Erpressung / Räuberische Erpressung – §§ 253, 255 StGB

17. Strafvereitelung – § 258 StGB

18. (Gewerbsmäßige) Hehlerei – §§ 259, 260 StGB

19. Geldwäsche – § 261 StGB

20. Betrug

a) Vermögensschaden

b) Gewerbsmäßiger Betrug und Mitglied einer Bande

21. Computerbetrug – § 263a StGB

22. Untreue – § 266 StGB

23. Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt – § 266a StGB

24. Urkundenfälschung – § 267 StGB

25. Mittelbare Falschbeurkundung – § 271 StGB

26. Urkundenunterdrückung – § 274 StGB

27. Bankrott – § 283 StGB

28. Brandstiftung / Schwere Brandstiftung / Besonders schwere Brandstiftung – §§ 306, 306 a, 306 b ff. StGB

29. Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion – § 308 StGB

30. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr – § 315b StGB

31. Gefährdung des Straßenverkehrs / Trunkenheit im Verkehr – § 315c, § 316 StGB

32. Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer – § 316a StGB

33. Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr, § 316c StGB

34. Vorteilsannahme, Bestechlichkeit – §§ 331 f. StGB

35. Rechtsbeugung – § 339 StGB

36. Falschbeurkundung im Amt – § 348 StGB

C. Strafrechtliche Nebengesetze

I. Grundsätzliches

1. Überblick

2. Ausblick

II. Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu Einzelfragen

1. Betäubungsmittelgesetz (BtMG)

a) Handeltreiben

b) Einfuhr

c) Abgabe

d) Besitz

e) Bewertungseinheit oder selbständige Taten

f) Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme

g) Handeltreiben als Bande und mit Waffen

h) Allgemeine Strafzumessungserwägungen

2. Jugendgerichtsgesetz (JGG)

3. Steuerstrafrecht und Abgabenordnung (AO)

4. Arzneimittelgesetz

5. (Vorläufiges) Tabakgesetz

6. Gewaltschutzgesetz

7. Verstoß gegen das WpHG

8. Falsche Angaben – § 399 AktG

9. GmbHG

10. UWG

11. VStGB

D. Strafprozessordnung

I. Grundsätzliches

1. Überblick

2. Ausblick

II. Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu Einzelfragen des Verfahrensrechts

1. Verbindung rechtshängiger Sachen, Sachliche Zuständigkeit – §§ 4 ff. StPO

2. Ausschließung vom Richteramt, Befangenheit – §§ 22 ff. StPO

3. Rechtliches Gehör – §§ 33, 33a StPO

4. Zustellung – § 36 StPO

5. Wiedereinsetzung – § 44 StPO

6. Zeugnisverweigerungsrecht – § 52 StPO

7. Zeugenbeistand – § 68b StPO

8. Beschlagnahme, Durchsuchung, Einsatz technischer Mittel (Gefahr im Verzug / Tatverdacht) – §§ 94 ff. StPO

10. Verhaftung und vorläufige Festnahme – §§ 112 ff. StPO

11. Erste richterliche Vernehmung, Verbotene Vernehmungsmethoden – §§ 136 f. StPO

12. Vernehmung des Beschuldigten – §§ 136 ff. StPO

13. Verteidigung – §§ 140 ff. StPO

14. Verfahrenseinstellung – §§ 153 ff. StPO

15. Ermittlungen, Anwesenheitsrechte – §§ 160 ff. StPO

16. Fassung der Anklage; Eröffnungsbeschluss – §§ 200 ff. StPO

a) Anklageerhebung

b) Zwischenverfahren / Eröffnungsbeschluss / Nachtragsanklage

17. Abgabe und Übernahme – § 227a StPO

18. Höchstdauer einer Unterbrechung – § 229 StPO

19. Mitteilungsverpflichtung über das Stattfinden von Erörterungen bzgl. einer Verständigung – § 243 Abs. 4 StPO

20. Stellung von Beweisanträgen – § 244 StPO

21. Audiovisuelle Vernehmung von Zeugen – § 247a StPO

22. Hinzuziehung von Sachverständigen – §§ 244 Abs. 4, 246a StPO

23. Urkundenbeweis, Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson – §§ 251, 252 ff. StPO

24. Beweisverwertungsverbot

25. Verständigung im Strafverfahren – § 243 Abs. 4 Satz 1, §§ 257c, 273 Abs. 1a Satz 3, § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO

26. Schlussvorträge, Letztes Wort – § 258 StPO

27. Verlesung früherer Aussagen / Vernehmung des Ermittlungsrichters nach Zeugnisverweigerung /sonstiger Urkundenbeweis – §§ 251 ff. StPO

28. Urteilsabfassung – §§ 261 ff. StPO

29. Kognitionspflicht – § 264 StPO

30. Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts – § 265 StPO

31. Urteilsgründe – § 267 StPO

32. Verweisung nach Beginn der Hauptverhandlung – § 270 StPO

33. Verhandlungsprotokoll, Beweiskraft des Protokolls – §§ 271 ff. StPO

34. Schriftliches Urteil, Urteilsabsetzungsfrist und Verhinderung eines Richters – § 275 StPO

35. Rechtsmittel: Einlegung, Beschränkung, Rücknahme und Rechtsmittelverzicht – §§ 296 ff. StPO

a) Revisionseinlegung

b) Revisionsrücknahme

36. Zulässigkeit von Revisionsrügen, Fristen

a) Verfahrensrügen Allgemein (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO)

b) Aufklärungsrügen

37. Beschlussverwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO

38. Revisionsrügen nach § 338 StPO

a) § 338 Nr. 1 StPO

b) § 338 Nr. 3 StPO

c) § 338 Nr. 6 StPO

d) § 338 Nr. 8 StPO

39. Umfang der Aufhebung von Feststellungen durch Revisionsentscheidung (§ 353 Abs. 2 StPO)

39. Wirkung einer Revisionsentscheidung, Verschlechterungsverbot

40. Verletzung des rechtlichen Gehörs / Anhörungsrüge – § 356a StPO

41. Verstoß gegen Grundsatz des fairen Verfahrens

42. Adhäsionsverfahren

43. Nebenklage

44. Strafvollstreckung – §§ 449 ff. StPO

44. Nachteilsausgleich bei unangemessener Dauer von Ermittlungs- und Gerichtsverfahren

E. Sonstige Verfahrensgesetze

1. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), Einführungsgesetz zum GVG (EGGVG)

2. Besetzung des Gerichts / Gesetzlicher Richter

3. Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG

4. Internationale Rechtshilfe, Internationale Gerichtsbarkeit, Auslieferung, Beweiserhebung

Register der BVerfG-Entscheidungen (chronologisch)

Register der BVerfG-Entscheidungen (nach Aktenzeichen)

Register der BGH-Entscheidungen (chronologisch)

Register der BGH-Entscheidungen (nach Aktenzeichen)

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a. A.

anderer Auffassung

a. F.

alte(r) Fassung

a. M.

anderer Meinung

aaO

am angegebenen Ort

abgedr.

abgedruckt

abl.

ablehnend

Alt.

Alternative

Anh.

Anhang

Anm.

Anmerkung

AnwK

AnwaltKommentar

AO

Abgabenordnung

Aufl.

Auflage

b. u. v.

beschlossen und verkündet

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BeckOK

Beck’scher Online-Kommentar

Begr.

Begründung

Beschl.

Beschluss

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHR

Entscheidungen des BGH (systematische Sammlung)

BGHSt

Entscheidungen des BGH in Strafsachen

Bl.

Blatt

BR

Bundesrat

BT

Bundestag

BtM

Betäubungsmittel

BtMG

Betäubungsmittelgesetz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGK

Kammerentscheidungen des BVerfG

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BZRG

Bundeszentralregistergesetz

DBAG

Deutsche Bahn Aktiengesellschaft

ders.

derselbe

DNeuG

Dienstrechtsneuordnungsgesetz

Drucks., Drs.

Drucksache

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EGStGB

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch

Einl.

Einleitung

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

entspr.

entsprechend

ESchG

Embryonenschutzgesetz

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

f., ff.

folgende

Fn.

Fußnote

GenDG

Gendiagnostikgesetz

GG

Grundgesetz

ggf(s).

gegebenenfalls

GwG

Geldwäschegesetz

h. L.

herrschende Lehre

h. M.

herrschende Meinung

Halbs.

Halbsatz

i. d. F.

in der Fassung

i. S. d.

im Sinne des/der

i. S. v.

im Sinne von

i. V. m.

in Verbindung mit

jew.

jeweils

JGG

Jugendgerichtsgesetz

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

JuristenZeitung

KMR

Kommentar zur StPO, begründet von Kleinknecht/Müller/Reitberger

KritJ

Kritische Justiz (Zeitschrift)

Lfg.

Lieferung

LG

Landgericht

lit.

litera (Buchstabe)

LK

Leipziger Kommentar zum StGB

m. N.

mit Nachweisen

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MedR

Medizinrecht (Zeitschrift)

MMR

Multimedia und Recht

MRK

Menschenrechtskonvention

MschrKrim

Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform

MünchKomm, MüKo

Münchener Kommentar

n. F.

neue(r) Fassung

N/Sch/W

Niemöller/Schlothauer/Wieder (Kommentar zum VerstG)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr.

Nummer

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NStZ-RR

Neue Zeitschrift für Strafrecht - Rechtsprechungsreport

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

OLG

Oberlandesgericht

PID

Präimplantationsdiagnostik

RAbgO

Reichsabgabenordnung

RE

Regierungsentwurf

RG

Reichsgericht

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

Rn., Rdn., Rdnr.

Randnummer

S.

Seite

s. o.

siehe oben

SK-StGB

Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch

SSW-StGB

Satzger/Schmitt/Widmaier, Strafgesetzbuch, Kommentar

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

StA

Staatsanwaltschaft

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

StraBEG

Gesetz über die strafbefreiende Erklärung

StraFo

Strafverteidiger Forum (Zeitschrift)

StrÄndG

Strafrechtsänderungsgesetz

StRG

Strafrechtsreformgesetz

StV

Strafverteidiger (Zeitschrift)

ThUG

Therapieunterbringungsgesetz

TKG

Telekommunikationsgesetz

Tz.

Textziffer

u. ä.

und ähnliche

UA

Untersuchungsakte

Urt.

Urteil

v.

vom

Var.

Variante

VerstG

Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren

vgl.

vergleiche

VO

Verordnung

Vorbem.

Vorbemerkung

VStGB

Völkerstrafgesetzbuch

wistra

Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

WPflG

Wehrpflichtgesetz

z. B.

zum Beispiel

ZDG

Zivildienstgesetz

ZevKR

Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht

ZfL

Zeitschrift für Lebensrecht

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

A. StGB – Allgemeiner Teil

I. Grundsätzliches

1. Überblick

1

Im Betrachtungsjahr 2016 hat der Bundesgerichtshof einige wesentliche Entscheidungen abgefasst, die Straftaten von Amtsträgern betreffen. Aus dem Bereich des StGB AT wurde im Zusammenhang mit einem im öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis stehenden Schulsekretär klargestellt, dass Amtsträger (auch) derjenige ist, der faktisch die Entscheidung trifft.2

2

Fortwährend waren revisionsgegenständlich Entscheidungen zum Versuch mit Abgrenzungsfragen zum unbeendeten oder bereits beendeten Versuch.3

3

Zum (arbeitsteiligen) Zusammenwirken von Personen im Bereich der Mittäterschaft ebenso wie im Bereich der Beihilfe waren einzelne Entscheidungen zu manifestieren, die bekannte, in der Rechtsprechung gefestigte Grundsätze nochmals herausstellten.4

4

Rechtfertigungsgründe waren eher vereinzelt entscheidungsgegenständlich.5 In einem Beschluss verhielt sich der BGH zu einer aktuellen und immer wieder (auch politisch) diskutierten Konstellation: Der unerlaubte Umgang entgegen den Bestimmungen des BtMG ist auch für Zwecke der Eigenbehandlung eines Schmerzpatienten nicht auf Grundlage von § 34 StGB gerechtfertigt.6

5

Strafzumessungsentscheidungen bildeten auch 2016 naturgemäß einen Schwerpunkt. Ohne eine erkennbare besondere Gewichtung waren hierbei Einzelfallentscheidung im Fokus der Rechtsprechung.7

6

Die Quantität der Entscheidungen für den Bereich der freiheitsentziehenden Maßregeln hat sich schwerpunktmäßig im Kontext der Entscheidungen zur Unterbringung nach § 63 f. StGB „stabilisiert“. Daneben waren auch Unterbringungsanordnungen auf der Grundlage von § 64 StGB von einigem Gewicht. Der Bereich der Sicherungsverwahrung ist nahezu vollständig zurückgedrängt worden.8

7

Im Strafrecht AT haben schließlich auch die nachfolgend genannten Entscheidungskontexte in der ausgewerteten Rechtsprechung Bedeutung erlangt:

Fragen zum

Geltungsbereich

des StGB,

9

Begehung durch

Unterlassen

10

bzw.

des

Handelns für

einen

anderen

,

11

Vorsatz

-

12

, einschließlich

Kausalität

sfragen,

13

der Bereich der

Schuldfähigkeit

,

14

Konkurrenzfragen

15

sowie die Thematik der

Gesamtstrafenbildung

,

16

Strafaussetzungsfragen zur

Bewährung

,

17

Nebenentscheidungen

,

18

die Feststellung des eindeutigen Strafverlangens im Zusammenhang mit

Strafanträgen

19

und

Verjährungsthemen

20

wurden insoweit innerhalb dieses Werks eingearbeitet.

2. Ausblick

8

Ein grundlegender Wandel im Bereich des Strafrechts AT deutete sich im Rahmen der Auswertung der Rechtsprechung mit Schwerpunkt auf das Jahr 2016 nicht an.

9

Seit nunmehr jedenfalls zwei Betrachtungszeiträumen konnten seitens der vom Bundesminister der Justiz eingesetzten Expertengruppe zur Reform der Mord- und Tötungsdelikte zwar Vorschläge unterbreitet, insgesamt aber kein nennenswerter Fortschritt verzeichnet werden. Hinsichtlich eines möglichen erweiterten Sanktionsinstrumentariums gegenüber Unternehmen in Form des Ordnungswidrigkeitenrechts respektive der Einführung eines eigenen Unternehmensstrafrecht wurde 2016 zwar ein Referentenentwurf vorgelegt. Inwieweit sich dieser als konsensfähig im politischen Bereich erweist, bleibt abzuwarten.

II. Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu Einzelfragen des StGB Allgemeiner Teil

1. Geltungsbereich – §§ 1 ff. StGB

10

Der Anwendungsbereich des nationalen Strafrechts bestimmt sich nach den §§ 3 ff. StGB, denen zunächst das Territorialitätsprinzip zugrunde liegt und mithin der Begehungsortder Tat entscheidungserheblich ist.21

[8] 2. Der Angeklagte war nach deutschem Betäubungsmittelstrafrecht zu bestrafen.

[9] a) Der Anwendungsbereich des nationalen Strafrechts bestimmt sich nach den §§ 3 ff. StGB, denen zunächst das Territorialitätsprinzip zu Grunde liegt, wonach das deutsche Strafrecht nur für solche Taten gilt, die im Inland sowie auf bestimmten Schiffen oder Luftfahrzeugen begangen werden (§§ 3, 4 StGB). Anknüpfungspunkt ist insoweit der Begehungsort der Tat, so dass die nationale Strafgewalt ihre Legitimation in dem Bezug des geahndeten Verhaltens zum Staatsgebiet findet. Die Feststellung des Tatorts entscheidet von daher, ob über § 3 StGB ohne weiteres deutsches Strafrecht anwendbar ist. Wo wiederum der Begehungsort einer Tat liegt, richtet sich für den Täter nach § 9 Abs. 1 StGB. Begangen ist danach eine Handlung an jedem Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen (Handlungsort) oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte (Erfolgsort). § 9 Abs. 1 StGB bestimmt demgemäß, dass der Ort des Handelns (§ 9 Abs. 1 Var. 1 und 2 StGB) und der Ort des Erfolgseintritts (§ 9 Abs. 1 Var. 3 und 4 StGB) gleichermaßen Tatorte und damit Anknüpfungspunkte für die Anwendung des Territorialgrundsatzes darstellen.

[10] Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist ein Tätigkeitsdelikt. Für die Frage, ob die Tat gemäß § 3 i. V. m. § 9 Abs. 1 StGB im Inland begangen ist, ist deshalb allein auf den Handlungsort abzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. März 2011 – 3 StR 400/10; vom 17. Juli 2002 – 2 ARs 164/02, NStZ 2003, 269; vgl. auch Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 83). Gemäß §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ist der Täter dem deutschem Strafrecht unterworfen, wenn er im Inland eine zur Tatbestandsverwirklichung führende Tätigkeit vornimmt und sich dadurch in Widerspruch zur Rechtsordnung seines Aufenthaltsortes setzt. Demgemäß ist eine Tat als an jedem Ort begangen anzusehen, an dem der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet oder versucht hat (vgl. Schönke/Schröder/Eser, StGB, 29. Aufl., § 9 Rn. 3; LK-Werle/Jeßberger, 12. Aufl., § 9 Rn. 10). Beim Handeltreiben ist daher ein Handlungsort überall dort gegeben, wo ein Teilakt verwirklicht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2006 – 3 StR 149/06, NStZ 2007, 287; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vor §§ 29 Rn. 294), mithin auch dort, wo Betäubungsmittel zum Zweck des Umsatzgeschäftes transportiert werden (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., Vorb. §§ 29 ff. Rn. 105).

[11] Da der Angeklagte mit dem Transport des Cannabisöls durch die Bundesrepublik eine auf die Tatbestandsverwirklichung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG gerichtete Tätigkeit im Inland entfaltet hat, ist das durch diesen Teilakt verwirklichte einheitliche Handeltreiben als Inlandstat anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1986 – 5 StR 143/86, NStZ 1986, 415; NK/Böse, StGB, 4. Aufl., § 9 Rn. 6). Dass der Weiterverkauf des Cannabisöls erst im Ausland eintreten sollte, ist für die Bestimmung des Begehungsortes ebenso unerheblich wie der Umstand, dass es zu seiner Herbeiführung noch weiterer Tätigkeiten des Angeklagten bedurfte.

11

Die Auslieferungnach Deutschland stellt für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten ausländischer Täter einen für die Begründung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach § 6 Nr. 5 StGB ausreichenden Bezugspunkt dar.22

[6] Der Senat hält daran fest, dass jedenfalls die Auslieferung nach Deutschland für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten ausländischer Täter einen für die Begründung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach § 6 Nr. 5 StGB ausreichenden Bezugspunkt darstellt. Er ist sogar der Auffassung, dass es eines über die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen hinausgehenden legitimierenden Anknüpfungspunktes im Sinne einer Begrenzung der strafrechtlichen Regelungsgewalt nicht bedarf. Für die Durchführung eines Strafverfahrens gegen ausländische Täter wegen Auslandstaten wird es jedoch regelmäßig aus rein praktischen Erwägungen Voraussetzung sein, dass der Täter sich entweder in Deutschland aufhält und hier ergriffen werden kann (vgl. zum Inlandsbezug Senat, Urteil vom 12. November 1991 – 1 StR 328/91, BGHR StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2) oder hierher ausgeliefert wird. Daran knüpft auch Art. 4 Abs. 2 lit. b des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 an.

[7] 1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass nach der in § 6 Nr. 5 StGB zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Entscheidung der unbefugte Vertrieb von Betäubungsmitteln dem Weltrechtsprinzip unterworfen ist. Hieran möchte auch der anfragende Senat festhalten, weswegen dies nicht nur keiner näheren Vertiefung bedarf (vgl. Nachweise im Anfragebeschluss Rn. 8 f.), sondern auch nicht Gegenstand des Anfrageverfahrens ist.

[8] Das Weltrechtsprinzip lässt eine Ausdehnung der Strafgewalt auf Taten gegen Rechtsgüter zu, deren Schutz im gemeinsamen Interesse der Staatengemeinschaft liegt, um Verfolgungsdefizite im Tatortstaat zu überwinden und im Interesse der internationalen Staatengemeinschaft einen effektiven strafrechtlichen Schutz dieser Rechtsgüter zu gewährleisten (vgl. BVerfG NJW 2001, 1848, 1852; Böse in NK-StGB, 4. Aufl. Vor § 3 Rn. 21, 26 mwN).

[9] 2. Daraus folgt im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 6 Nr. 5 StGB unmittelbar die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten ausländischer Täter. Es bedarf keines darüber hinausgehenden Inlandsbezugs.

[10] a) Das Erfordernis eines solchen einschränkenden Kriteriums ergibt sich weder aus Wortlaut oder Systematik der Norm noch kann dies dem Willen des historischen Gesetzgebers entnommen werden.

[11] Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 6 Nr. 5 StGB gilt das deutsche Strafrecht für den unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln. Weitere Voraussetzungen sind nach dem Gesetz nicht vorgesehen.

[12] Soll demgegenüber im Bereich des Strafanwendungsrechts die deutsche Strafgewalt nicht schon bei Vorliegen bestimmter Katalogtaten, sondern erst bei Hinzutreten eines Inlandsbezugs begründet sein, hat dies der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet. So bedarf es eines solchen Inlandsbezugs z. B. für die in § 5 StGB aufgeführten Auslandstaten mit Ausnahme der in Nr. 1, 2 und 4 der Vorschrift erfassten Katalogtaten. Auch für § 129b StGB hat der Gesetzgeber das Erfordernis eines spezifischen Inlandsbezugs gesetzlich festgeschrieben. Daraus, dass er eine solche Einschränkung für § 6 Nr. 5 StGB nicht vorgesehen hat, kann daher auf den gesetzgeberischen Willen der uneingeschränkten Geltung des Weltrechtsprinzips für den Vertrieb von Betäubungsmitteln geschlossen werden. Dementsprechend lässt sich auch den Materialien nichts für eine vom historischen Gesetzgeber gewünschte Begrenzung des Weltrechtsprinzips entnehmen (vgl. nur BR-Drucks. 200/62, S. 109; BT-Drucks. V/4095, S. 4 und 7).

[13] b) Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten keine über den Wortlaut hinausgehende Einschränkung. Denn vom Schutzzweck her sachgerecht und vom Gesetzgeber erkennbar gewollt ist es, dem Betäubungsmittelhandel, der wegen seiner grenzüberschreitenden Gefährlichkeit auch Inlandsinteressen berührt, durch Anwendung des deutschen Strafrechts auf den Händler entgegenzuwirken, gleich welcher Staatsangehörigkeit er ist und wo er die Tat begangen hat (BGH, Beschluss vom 3. November 2011 – 2 StR 201/11, NStZ 2012, 335; Urteil vom 22. Januar 1986 – 3 StR 472/85, BGHSt 34, 1, 3). Die Beschränkung auf Taten mit einem qualifizierten Inlandsbezug wäre bei der Umsetzung dieses Schutzzwecks eher hinderlich.

[14] 3. Soweit der anfragende Senat die Notwendigkeit einer materiell-rechtlichen Einschränkung des Tatbestandes des § 6 Nr. 5 StGB letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes herleiten möchte, da anderenfalls keine gleichförmige, der revisionsrechtlichen Kontrolle zugängliche Rechtsausübung gewährleistet sei, kann der Senat dem angesichts der eindeutigen gesetzlichen Ausgestaltung nicht folgen.

[15] a) Richterliche Tätigkeit besteht zwar nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers. Vielmehr ist dem Richter eine „schöpferische Rechtsfindung“, der auch willenhafte Elemente eigen sind, nicht grundsätzlich verwehrt (BGH, Beschluss vom 3. März 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40; vgl. auch BVerfGE 49, 304, 318; 96, 375, 394; 122, 248, 267). Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht insbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird (BVerfGE 126, 286, 306). Der Aufgabe und Befugnis zur „schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung“ sind allerdings mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung Grenzen gesetzt (vgl. BVerfGE 34, 269, 288; 57, 220, 248; 74, 129, 152). Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt (vgl. BVerfGE 82, 6, 12; BVerfGK 8, 10, 14; BVerfG, Beschluss vom 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06, NJW 2012, 669).

[16] Danach sieht der Senat weder Raum noch Erfordernis für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 6 Nr. 5 StGB. Es liegen weder Lücken noch Wertungswidersprüche vor und es ist auch nicht ersichtlich, dass bei einer am Wortlaut haftenden Auslegung die Norm ihre Funktion nicht mehr erfüllt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 3. März 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40).

[17] b) Zwar führt § 6 Nr. 5 StGB trotz der Beschränkung auf den Vertrieb der Betäubungsmittel (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. September 2009 – 3 StR 383/09, NStZ 2010, 521) zu einer großen Reichweite der deutschen Strafgewalt. Jedoch sind die deutschen Strafverfolgungsbehörden nicht dazu gezwungen, ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls gegen den unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln im Ausland einzuschreiten. Die Staatsanwaltschaft hat nach § 153c StPO ein Verfolgungsermessen, das auch Raum für Rücksichtnahme auf nationale Interessen des Auslands lässt (BGH, Urteil vom 8. April 1987 – 3 StR 11/87, BGHSt 34, 334, 337). Vor diesem Hintergrund ist nicht abzusehen, dass der Verzicht auf einen besonderen, über die Auslieferung hinausgehenden Inlandsbezug dazu führen könnte, dass eine dem Gleichheitsgedanken verpflichtete funktionsfähige Strafrechtspflege nicht mehr gewährleistet wäre. Dies war auch in der Vergangenheit nicht der Fall.

[18] c) Auch der Umstand, dass die Ermessensausübung der Staatsanwaltschaft im Rahmen des § 153c StPO der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen ist (vgl. nur BGH aaO), führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Ausübung des Ermessens z. B. nach §§ 153, 153a, 154, 154a StPO ist ebenfalls revisionsrechtlicher Kontrolle entzogen, der Gesetzgeber hat sich insoweit bewusst für ein durch Opportunitätsvorschriften begrenztes Legalitätsprinzip (vgl. hierzu Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Einl. I Rn. 19 ff.) entschieden, ohne dass dies verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Es ist nicht ersichtlich, warum die fehlende revisionsrechtliche Kontrolle von Ermessensentscheidungen allein im Bereich des § 153c StPO eine Gefahr für die Rechtssicherheit darstellen sollte.

[19] Ob eine andere Handhabung der Rechtssicherheit besser gerecht werden würde, hat der Senat angesichts der Gesetzesbindung der Rechtsprechung nicht zu entscheiden.

[20] 4. Eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 6 Nr. 5 StGB ist auch nicht völkerrechtlich geboten. Insbesondere der Nichteinmischungsgrundsatz macht keinen über die Auslieferung nach Deutschland hinausgehenden Inlandsbezug erforderlich.

[21] Auch der anfragende Senat geht im hier vorliegenden Fall nicht von einem Verstoß gegen den Nichteinmischungsgrundsatz aus, da dem Einverständnis des ausliefernden Staates mit der Auslieferung des Beschuldigten zu entnehmen sei, dass dieser Staat keinen Verstoß gegen den Nichteinmischungsgrundsatz erblicke (Anfragebeschluss Rn. 21). Dem ist zuzustimmen.

[22] Der Senat sieht aber auch aus anderen Gründen den Nichteinmischungsgrundsatz nicht als verletzt an. Angesichts des Umstandes, dass das geltende Weltrechtsprinzip für den Vertrieb von Betäubungsmitteln seine Grundlage auch in dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (BGBl. 1993 II, S. 1136 ff.) findet und dieses von nahezu sämtlichen Staaten ratifiziert worden ist (Darstellung des Ratifikationsstandes bei Böse in NK-StGB, 4. Aufl. Vor § 3 Rn. 26 Fn. 233), kann von einem grundsätzlichen Konsens über die Strafbarkeit des organisierten Drogenhandels (Böse aaO) und die kollektive Verantwortung aller Staaten für die Ausmerzung desselben ausgegangen werden. Hinzu tritt, dass Deutschland damit mit nahezu sämtlichen Staaten eine völkervertragliche Vereinbarung geschlossen hat, wonach die nach jeweiligem innerstaatlichen Recht begründete Strafbarkeit für diese Taten zugelassen ist. Darin, dass Deutschland als Vertragsstaat von dieser Möglichkeit durch die Anordnung des Weltrechtsprinzips Gebrauch gemacht hat, kann mithin kein Verstoß gegen den Nichteinmischungsgrundsatz liegen (vgl. zur aufgrund zwischenstaatlichem Abkommen begründeten Verfolgungspflicht gemäß § 6 Nr. 9 StGB BGH, Urteil vom 21. Februar 2001 – 3 StR 372/00; NStZ 2001, 658). Vor diesem Hintergrund bietet § 153c StPO ausreichende Möglichkeiten auf nationale Interessen von anderen Staaten Rücksicht zu nehmen.

TOPENTSCHEIDUNG

12

Ein in einem öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis stehender Schulsekretär, der nach der internen Aufgabenverteilung allein für das Bestell- und Zahlwesen einer Schule zuständig ist, ist auch dann Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, wenn er nicht nach außen als Entscheidungsträger auftritt, sondern nur faktisch die Entscheidung darüber trifft, welche Bestellungen realisiert, welche Zulieferer beauftragt und dass Zahlungen angewiesen werden.23

[10] 1. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in drei Fällen (II.1.c. Nr. 76, 88 und 103 der Urteilsgründe) hat Bestand. Entgegen der Ansicht der Revision handelte der beim Stadtschulamt angestellte Angeklagte als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.

[11] Amtsträger im Sinne dieser Vorschrift ist, wer (ohne Beamter oder Richter zu sein oder in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zu stehen, vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b StGB) dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Diese Voraussetzungen trafen auf den Angeklagten zu.

[12] a) Der Angeklagte war als Angestellter des Stadtschulamts F. zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bei einer Behörde bestellt.

[13] Die Amtsträgereigenschaft im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB setzt zunächst eine Bestellung durch eine zuständige Stelle voraus, d. h. die bloß faktische Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ist nicht ausreichend. Dahinter steht der Gedanke, dass dem Bestellungsakt eine Warnfunktion für den Betroffenen zukommt, die ihm die gesteigerte Verantwortung in seiner Position vor Augen führt. Eines förmlichen, öffentlich-rechtlichen Bestellungsaktes bedarf es jedoch nicht; ausreichend ist insoweit entweder die Eingliederung in die Organisationsstruktur einer Behörde bzw. einer sonstigen Stelle oder aber eine über den Einzelauftrag hinausgehende längerfristige Tätigkeit bei oder für eine Behörde bzw. sonstige Stelle (BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 105).

[14] aa) Beim Stadtschulamt der Stadt F. handelt es sich um eine „Behörde“, die im Bereich der Daseinsvorsorge Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (vgl. insoweit Senat, Urteil vom 16. Juli 2004 – 2 StR 486/03, NJW 2004, 3129, 3130 f.; BGH, Urteil vom 29. Januar 1992 – 5 StR 338/91, BGHSt 38, 199, 201; vgl. auch MüKo/Radtke, StGB, 2. Aufl., § 11 Rn. 51, 52). Liegt im Bereich der Daseinsvorsorge die Erfüllung von „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ vor, so sind auch die sie ermöglichenden Tätigkeiten selbst öffentliche Verwaltung; d. h. auch das staatliche Auftreten auf der Nachfrageseite zum Zwecke der Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge stellt eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung dar (vgl. Ransiek, NStZ 1997, 519, 522; Müko/Radtke, aaO § 11 Rn. 52). Entsprechend ist nicht nur der Betrieb der in Trägerschaft der Stadt F. stehenden Schule eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung, sondern auch die den Betrieb der Schule ermöglichenden Tätigkeiten.

[15] bb) Der Angeklagte war auch zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellt. Dazu genügt es, dass er beim Stadtschulamt als Angestellter in einem öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis beschäftigt war. Eines weitergehenden Bestellungsaktes bedurfte es nicht, denn schon durch seine Anstellung war der Angeklagte längerfristig und organisatorisch in die Behördenstruktur eingegliedert. Zugleich war ihm bewusst, bei einer Behörde tätig zu sein, die ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung gemäß Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllt (vgl. auch Senat, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 380; BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299). Damit war für den Angeklagten hinreichend deutlich erkennbar, dass mit seiner Anstellung strafbewehrte Verhaltenspflichten verbunden waren, wie sie den in einem öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis bei einer Behörde beschäftigten Personen obliegen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – 3 StR 312/10, BGHSt 56, 97, 108).

[16] b) Der Angeklagte nahm im Rahmen seiner Bestellung auch selbst materiell Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Dazu genügte es, dass er in Wahrnehmung seiner ihm als Schulsekretär zugewiesenen Aufgaben erheblichen Einfluss auf das Verbrauchsmittelbestellwesen der Schule hatte.

[17] aa) Die Amtsträgereigenschaft setzt weiter voraus, dass der zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung Bestellte solche Aufgaben auch selbst wahrnehmen muss (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1979 – 3 StR 405/79, NJW 1980, 846, 847; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 28. Aufl., § 11 Rn. 9a). Mit diesem Merkmal sind Begrenzungen der Reichweite des Amtsträgerbegriffs in zwei Richtungen verbunden: Zum einen kommt es auf die tatsächliche Ausübung der Verwaltungstätigkeit an, zu deren Ausführung die Person bestellt worden ist. Diese Begrenzung ergibt sich aus der für Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c relevanten funktionalen, auf die konkrete Tätigkeit abstellenden Betrachtungsweise statt der institutionellen Anknüpfung in den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. b. Zum anderen führt – in Abgrenzung zu dem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB – nicht jede Tätigkeit bei einer Behörde, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllt, eine Amtsträgereigenschaft der agierenden Person herbei (vgl. Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht, S. 515; MüKo/Radtke, aaO § 11 Rn. 77). Erforderlich ist jedenfalls eine gewisse selbständige und eigenverantwortliche, wenngleich nicht unbedingt eine gehobene oder schwierige Tätigkeit (vgl. LK/Hilgendorf, StGB, 12. Aufl., 2007, § 11 Rn. 52; vgl. auch Ransiek, NStZ 1997, 519, 523).

[18] Rein mechanische oder nur untergeordnete Hilfstätigkeiten, wie zum Beispiel Reinigungs- oder Schreibarbeiten (vgl. zum strafrechtlichen Beamtenbegriff des § 359 StGB aF: Senat, Urteil vom 25. April 1953 – 2 StR 780/51, NJW 1953, 1153; RG, Urteil vom 29. Oktober 1898 – 3409/98, RGSt 31, 293) innerhalb der öffentlichen Verwaltung begründen daher keine Amtsträgereigenschaft (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 11 Rn. 23c). Auch Dienste als Kraftfahrer genügen für die Amtsträgereigenschaft nicht (vgl. NK/Saliger, StGB, 4. Aufl., § 11 Rn. 38). Solche Beschäftigte können nur dann, wenn sie für den öffentlichen Dienst gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB besonders verpflichtet wurden, Täter der §§ 331 ff. StGB sein.

[19] Erforderlich ist vielmehr, dass der Betroffene mit der selbständigen Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung betraut ist (vgl. LK/Hilgendorf, StGB, aaO § 11 Rn. 36; Lackner/Kühl/Heger, aaO § 11 Rn. 9a; vgl. auch KG, Beschluss vom 24. Januar 2008 – 3 Ws 66/07, NStZ-RR 08, 198) und er diese Aufgaben – wenn auch auf niedriger Ranghöhe – unmittelbar wahrnimmt (vgl. MüKo/Radtke aaO § 11 Rn. 77). Anhalt für eine solche eigene unmittelbare Aufgabenwahrnehmung sind das Vorhandensein eines „gewissen Entscheidungsspielraums“ und die Vornahme von Verwaltungshandeln mit unmittelbarer Außenwirkung (vgl. Heinrich, aaO, S. 518; vgl. auch Ransiek, NStZ 1997, 519, 524). Die Anforderungen an den „Entscheidungsspielraum“ dürfen indes nicht hoch angesetzt werden, wenn und soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmenden Behörde liegen (MüKo/Radtke, aaO § 11 Rn. 77). Danach nimmt zwar der tatsächliche Entscheidungsträger stets Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auch „selbst“ wahr. Doch auch derjenige, der in sonstiger Weise unmittelbar an Verwaltungsentscheidungen mitwirkt, weil er gewisse Machtbefugnisse und Einflussmöglichkeiten besitzt und im Rahmen dessen zumindest vorbereitend oder unterstützend an der Entscheidung eines anderen mitwirkt, kann diese Voraussetzung erfüllen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn seine Tätigkeit ein „unentbehrliches Glied“ in der Kette von Verrichtungen darstellt, die letztlich zu einer bestimmten Verwaltungsentscheidung führt (Heinrich, aaO, S. 518 f.). Dabei reicht es aus, dass der Betroffene im Rahmen des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs über eine jedenfalls praktische Einflussnahmemöglichkeit verfügt; er also durch eine inhaltliche Befassung mit der jeweiligen Aufgabe allein oder zusammen mit anderen das Ergebnis der Aufgabenerfüllung mitbestimmen oder zumindest beeinflussen kann (vgl. SK-StGB/Rudolphi/Stein, StGB, 7. Aufl., § 11 Rn. 29 ff. mwN; BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, StGB, Stand 01.12.2015 § 11 Rn. 29; aA Ransiek, NStZ 1997, 519, 525). Ob die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung nach außen als Verwaltungshandeln in Erscheinung tritt oder in der Öffentlichkeit als solche bemerkbar ist, ist dagegen unerheblich (NK/Saliger, aaO § 11 Rn. 38); auch eine bloß beratende Tätigkeit bei der Beschaffung und Verwaltung der für eine Universitätsklinik benötigten Lebensmittel kann genügen (vgl. zu § 359 StGB aF: RG, Urteil vom 31. August 1940 – 3 D 202/40, RGSt 74, 251, 253; zustimmend LK/Hilgendorf, StGB, aaO § 11 Rn. 52).

[20] bb) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs nahm der Angeklagte selbst Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Auch wenn er formal nach außen nicht als Entscheidungsträger auftrat, stand er im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben in Kontakt mit potentiellen Zulieferern von Verbrauchmaterialien, traf faktisch die Entscheidung darüber, dass Bestellungen realisiert und welche Zulieferer beauftragt wurden, wie auch darüber, dass Zahlungen angewiesen wurden. Dabei prüfte der Angeklagte fortlaufend den Bedarf der Schule wie auch die späteren Rechnungen und bereitete die Bestellungen sowie die von ihm als rechnerisch richtig gezeichneten Zahlungsanordnungen vor.

[21] Da der Angeklagte demnach als Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzusehen ist, kommt es hier auf die von der Revision erörterte Frage nicht an, ob er gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB für den öffentlichen Dienst besonders verpflichtet war. Die Frage, ob jemand besonders Verpflichteter ist, stellt sich erst, wenn feststeht, dass er nicht Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 1994 – 1 StR 792/93, NStZ 1994, 277).

ANMERKUNG

Die Entscheidung steht im Kontext einer Entscheidung zur Auslegung des Amtsträgerbegriffs mit europarechtlichen Bezügen aus Mitte des Jahres 2015.24 Der vorstehend abgedruckten Entscheidung sind grundlegende Ausführungen zur Auslegung des Begriffs Amtsträger in Bezug auf die konkret überantwortete Tätigkeit zu entnehmen. Unabhängig von der Ausgestaltung der Tätigkeitsbeschreibung bei Angestellten bzw. etwaiger Positionsbeschreibungen bei Beamten stellt der BGH klar, dass allein der rein faktischen Ausgestaltung des Entscheidungsprozesses unter Einbindung der entsprechenden Person die entscheidungserhebliche Bedeutung beizumessen ist.

2. Begehen durch Unterlassen – § 13 StGB

TOPENTSCHEIDUNG

13

Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit kann in einem Unterlassen im Sinne des § 13 StGB liegen, wenn ein Rechtsanwalt den Tatbestand der Untreue allein dadurch verwirklicht, dass er pflichtwidrig seinem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern diese Gelder auf seinem Geschäftskonto belässt und der Vorwurf sich in einem bloßen Vorenthalten der Gelder erschöpft. Tritt zur bloßen Entgegennahme des Geldes ein aktives Tun des Rechtsanwalts hinzu, indem er die Gelder beispielsweise anfordert, sie für eigene Zwecke verwendet oder ihren Eingang auf seinen Geschäftskonten leugnet, liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in aktivem Tun.25

PRAXISHINWEIS

Entscheidungen zu anwaltlichen Untreuehandlungen im Zusammenhang mit dem Umgang mit Mandantengeldern waren in der Rechtsprechung der letzten Jahre eher vereinzelt, da die Grundsätze seit langem bereits geklärt sind. Der im Hinblick auf die entscheidende Randnummer abgedruckte Beschluss nimmt rechtsdogmatisch für den Bereich der Untreue eines Rechtsanwalts im Hinblick auf Mandantengelder eine Abgrenzung zwischen aktivem Tun und Unterlassen vor. Damit werden die gängigen Grundsätze in diesem Kontext um jenen Teilbereich ergänzt.

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Aus der bloßen Ursächlichkeit eines Verhaltens für einen späteren Erfolgseintritt kann sich eine Garantenstellungaus vorangegangenem gefährdenden Tun nicht ergeben. Erforderlich ist vielmehr, dass das Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat.26

3. Handeln für einen anderen – § 14 StGB

TOPENTSCHEIDUNG

15

Jedenfalls agiert der Handelnde in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ, wenn er im Geschäftskreis des Vertretenen tätig wird.27

[6] b) Auch die jeweilige tateinheitliche Verurteilung des Mitangeklagten wegen Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist nicht zu beanstanden. Er hat bei der Veranlassung des Angeklagten, Überweisungen auszuführen und Barabhebungen vorzunehmen, jeweils als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person (der T. GmbH) gehandelt (zu den Anforderungen an den Vertretungsbezug bei § 14 StGB: BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 – 3 StR 118/11, BGHSt 57, 229, 237 f. Rn. 22 bis 25; siehe auch BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13, wistra 2014, 354, 357 Rn. 68). Nachdem der Bundesgerichtshof bei der Auslegung von § 14 StGB die sog. „Interessentheorie“ aufgegeben hat, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht in allen Einzelheiten geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Handeln als Vertreter oder Organ bzw. Beauftragter vorliegt (BGH jeweils aaO). Jedenfalls agiert der Handelnde aber in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ, wenn er im Geschäftskreis des Vertretenen tätig wird (vgl. BGH jeweils aaO). Das ist hier der Fall. Der Mitangeklagte hat durch die auf seine Veranlassung erfolgten Transaktionen des Angeklagten vom Konto der T. GmbH bewirkt, dass die Ansprüche der GmbH gegen die kontoführende Bank erloschen sind. Schon wegen dieser rechtlichen Bindung des Gesellschaftsvermögens liegt ein Handeln im Geschäftskreis der vertretenen GmbH vor.

PRAXISHINWEIS

Die vorstehende Entscheidung betrifft mit einer Frage aus dem StGB AT das Wirtschaftsstrafrecht und innerhalb von diesem einen klassischen Bereich der Schnittstelle des Straf- und Zivilrechts. Die Frage der Vertretung im zivilrechtlichen Sinne findet im § 14 StGB strafrechtlichen Ausfluss. Hierbei weist die Beschlussbegründung zu Recht darauf hin, dass nach „Aufgabe“ der Interessentheorie seitens des BGH weitreichende Bereiche jedenfalls höchstrichterlich nicht geklärt sind. Entschieden ist mit der vorstehenden Entscheidung jedoch, dass der Täter in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ handelt, wenn er im Geschäftskreis des Vertretenen tätig wird.

16

An die Beauftragung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB sind strenge Anforderungen zu stellen, da hierdurch eine persönliche Normadressatenstellung des Beauftragten begründet wird, die ihm (strafbewehrt) die Erfüllung betriebsbezogener Pflichten überbürdet. Die Beauftragung muss daher zweifelsfrei erfolgen und ausreichend konkret sein, damit für den Beauftragten das Ausmaß der von ihm zu erfüllenden Pflichten eindeutig erkennbar ist.28

TOPENTSCHEIDUNG

17

Schon allein die Stellung als formeller Geschäftsführer begründet – unabhängig von einem etwaigen faktischen Geschäftsführer – nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB dessen Verantwortlichkeit als Organ der Gesellschaft nach außen, was insbesondere auch die Einstandspflicht für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten wie das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen einschließt.29

Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die Angeklagte als alleinige mit Gesellschafterbeschluss bestellte und eingetragene Geschäftsführerin gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafrechtlich verantwortliches Organ der luxemburgischen haftungsbeschränkten Gesellschaft T., auch wenn das Unternehmen tatsächlich vom nichtrevidierenden Mitangeklagten M. geführt wurde. Ebenso wenig kann der Senat der Strafkammer darin folgen, dass der Angeklagten die gebotene Abführung der Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich unmöglich gewesen sei.

Schon allein die Stellung als formeller Geschäftsführer begründet nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB dessen Verantwortlichkeit als Organ der Gesellschaft nach außen, was insbesondere auch die Einstandspflicht für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten wie das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen einschließt. Dies gilt auch dann, wenn für die Gesellschaft eine Person mit so weitreichenden Handlungskompetenzen auftritt, dass sie ihrerseits als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 324 ff.; ferner Urteil vom 22. September 1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122 f. [zu § 84 GmbHG]).

Die Verantwortlichkeit des formellen Geschäftsführers entfällt nicht dadurch, dass ihm – als sog. „Strohmann“ – rechtsgeschäftlich im Innenverhältnis keine bedeutsamen Kompetenzen übertragen wurden, um auf die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen (so aber OLG Hamm, Beschluss vom 10. Februar 2000 – 1 Ss 1337/99, NStZ-RR 2001, 173; KG, Beschluss vom 13. März 2002 – [5] 1 Ss 243/01 [6/02], wistra 2002, 313, 314 f.; Krumm, NZWiSt 2015, 102, 103; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 266a Rn. 5; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 14 Rn. 75; NK-StGB-Tag, 4. Aufl., § 266a Rn. 30). Es trifft nicht zu, dass er in diesem Fall nur mit dem sich aus der Bestellung ergebenden Rechtsschein ausgestattet wäre. Denn der Geschäftsführer, der formal wirksam bestellt ist, hat von Gesetzes wegen stets alle rechtlichen und damit auch tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten. Dementsprechend knüpft § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verantwortlichkeit an die Organstellung, nicht – auch – an das regelmäßig zugleich bestehende dienstvertragliche Anstellungsverhältnis (vgl. Maurer, wistra 2003, 174, 175; ferner S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 14 Rn. 16/17).

Ebenso wenig ist dem „Strohmann“-Geschäftsführer die gebotene Abführung der Sozialversicherungsbeiträge mangels Kompetenzen tatsächlich unmöglich (so aber OLG Hamm aaO; KG aaO, S. 315 [zu § 283 StGB]; MüKoStGB/Radtke, 2. Aufl., § 266a Rn. 36; S/S-Perron aaO). Stehen die tatsächlichen Verhältnisse hinter seinen rechtlichen Befugnissen zurück, so kann und muss der Geschäftsführer gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um seinen Einfluss geltend zu machen, anderenfalls er gehalten ist, sein Amt niederzulegen (ebenso Maurer aaO, S. 175 f.; Rönnau, NStZ 2003, 525, 527; MüKoGmbHG/Wißmann, 2. Aufl., § 84 Rn. 57; Scholz/Tiedemann/Rönnau, GmbHG, 11. Aufl., § 84 Rn. 27; vgl. auch Siegmann/Vogel, ZIP 1994, 1821, 1822; Michalski/Dannecker, GmbHG, 2. Aufl., § 84 Rn. 27; MüKoStGB/Hohmann, 2. Aufl., § 84 GmbHG Rn. 19; Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 84 Rn. 4).

ANMERKUNG

Die Entscheidung unterstreicht die Verantwortlichkeit sowohl des faktischen als auch des eingetragenen Geschäftsführers. Damit sind in derartigen Konstellationen interne Aufgabenverteilungen mit „Freizeichnungen“ des jeweils anderen Geschäftsführers – wie dies etwa bei zwei ordnungsgemäß bestellten und im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführern für bestimmte abgrenzbare Bereiche möglich ist – nicht denkbar. Die Entscheidung scheint vor allem generalpräventive Zweckrichtungen erfüllen und somit fraglichen Konstellationen im Geschäftsführungsbereich von vornherein unterbinden zu wollen.

4. Vorsatz – § 15 StGB

18

Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor der Annahme bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Wollenselement geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles erfolgen, in welchem insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen ist.30

19

Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolgs in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet.31

[12] Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolgs in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 – 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451 mwN). Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht (BGH, Urteile vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f.; vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216 jeweils mwN). Diese Gesamtschau ist insbesondere dann notwendig, wenn der Tatrichter allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NJW 2006, 386 f.). Sie ist lückenhaft, wenn der Tatrichter sich mit wesentlichen, den Angeklagten belastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (BGH, Urteil vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11, NZWiSt 2012, 71 f.).

20

Bedingt vorsätzlich handelt, wer die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt. Dass der Angeklagte mit einer Verletzung habe rechnen müssen, reicht für die Annahme des Wissenselements des Vorsatzes nicht aus. Erforderlich ist die positive Feststellung, dass er mit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung gerechnet hat.32

21

Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne durch diese zu Tode kommen, rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt, auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt.33

22

Eine hohe und zudem anschauliche konkrete Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen stellt auf beiden Vorsatzebenen das wesentliche auf bedingten Tötungsvorsatzhinweisende Beweisanzeichen dar. Allerdings können im Einzelfall das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes fehlen, wenn etwa dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung etwa bei Affekt oder alkoholischer Beeinflussung nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Beide Elemente müssen tatsachenfundiert getrennt voneinander geprüft werden.34

23

Der Angeklagte muss den Eintritt des Todes des Tatopfers als mögliche Folge seines Handelns erkannt (Wissenselement) und den Eintritt des Todes billigend in Kauf genommen haben (Willenselement). Eine Gesamtwürdigung des Willenselements ist insoweit geboten, als neben der konkreten, dem Täter bekannten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen sind.35

24

Die Prüfung, ob bedingter Vorsatz vorliegt, erfordert bei Tötungsdelikten insbesondere dann, wenn das Tatgericht allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei schon eine Gleichgültigkeit gegenüber dem zwar nicht erstrebten, wohl aber hingenommenen Tod des Opfers die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes rechtfertigt.36

25

Der Vorsatz des Täters muss sich auf den zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken. Da dieser indes kaum je in allen Einzelheiten zu erfassen ist, wird der Vorsatz durch unwesentliche Abweichungen des vorgestellten vom tatsächlichen Geschehensablauf nicht in Frage gestellt. Eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist in Fällen, in denen bei Angriffen gegen das Leben der Tod des Opfers nicht unmittelbar durch die Angriffshandlung sondern durch vorsätzliches Handeln eines Dritten oder eine nicht mehr vom Tötungsvorsatz getragene Verdeckungshandlung des Täters herbeigeführt wurde, von der Rechtsprechung eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf verneint worden.37

5. Tatbestandsirrtum – § 16 StGB

TOPENTSCHEIDUNG

26

Sofern der Täter im Zusammenhang mit dem „Eintreiben“ offener Lohnforderungen irrtümlich angenommen hat, sich das weggenommene Geld zueignen zu dürfen, kann ein den Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum in Betracht kommen.38

[5] Nach den Feststellungen hatten beide Angeklagte gegen den Geschädigten Si., einen Bauunternehmer, noch offene Lohnforderungen aus einem vorangegangenen Beschäftigungsverhältnis. Da sie wiederholt vertröstet und hingehalten worden waren, lauerten sie dem Geschädigten auf, forderten unter Drohung mit einem „erhobenen Holzschlagwerkzeug“ Bargeld und entnahmen seiner Geldbörse einen Betrag von 200 Euro. Anschließend erhielt der Geschädigte noch einen Schlag mit dem „Stock“ gegen die Stirn.

[4] 2. Die Verurteilung wegen besonders schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[5] Die Feststellungen belegen nicht ausreichend, dass die Angeklagten in der Absicht rechtswidriger Zueignung handelten, als sie dem verängstigten Geschädigten das Geld aus dessen Börse wegnahmen. Das Landgericht hätte die nicht fernliegende Möglichkeit erörtern müssen, ob die Angeklagten, denen es darum ging, ihnen zustehenden Lohn zu erhalten, irrig von einem Recht auf eigenmächtige Befriedigung ihrer Geldforderungen ausgingen und glaubten, die Übereignung der sich im Besitz des Geschädigten befindlichen Geldscheine beanspruchen zu dürfen. Sollten sie irrtümlich angenommen haben, sich das weggenommene Geld zueignen zu dürfen, hätten sie sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum befunden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1962 – 4 StR 346/61, BGHSt 17, 87, 90 f.; Beschluss vom 11. September 1990 – 5 StR 345/90, StV 1991, 515).

PRAXISHINWEIS

Unter Bezugnahme auf zwei ältere Entscheidungen des BGH wird in dem Beschluss aufgezeigt, dass die Rechtsprechung bisweilen nicht ohne Weiteres davon ausgehen kann, dass Laien das Verbot der eigenmächtigen Befriedigung von ihnen zustehenden Geldforderungen kennen müssen. Vielmehr bedarf es hierzu einer eingehenden Beweisaufnahme, die sich auch in den Kernpunkten in der Urteilsbegründung maßgeblich widerzuspiegeln hat.

27

Bei normativen Tatbestandsmerkmalen genügt die Kenntnis der die objektive Pflichtwidrigkeit des Handelns begründenden Umstände für die Begründung des Vorsatzes nicht. Der Täter muss zusätzlich die unter das normative Tatbestandsmerkmal zu subsumierenden Sachverhaltselemente in ihrem für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt erfasst haben, so dass ein Tatbestandsirrtum ausgeschlossen werden kann.39

[63] bb) Bei dem festgestellten Vorstellungsbild der Angeklagten handelt es sich um einen Irrtum über Tatumstände im Sinne von § 16 StGB.

[64] Die vom Landgericht festgestellte Fehlbewertung der Angeklagten bezog sich darauf, ob eine Pflicht zur Verzinsung und Auskehr aufgelaufener Zinsen an die Berechtigten bestand, mithin auf das Tatbestandsmerkmal der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht (Untreue) und – vorgelagert – namentlich auf das Merkmal der Täuschung (Betrug). Bei normativen Tatbestandsmerkmalen genügt die Kenntnis der die objektive Pflichtwidrigkeit des Handelns begründenden Umstände für die Begründung des Vorsatzes nicht. Der Täter muss zusätzlich die unter das normative Tatbestandsmerkmal zu subsumierenden Sachverhaltselemente in ihrem für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt erfasst haben (vgl. MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl., § 16 Rn. 69 ff.; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 25 f.; KK-OWiG/Rengier, 4. Aufl., § 11 Rn. 15, 19).

[65] Gemessen hieran handelte es sich bei der Fehlbewertung der Angeklagten nicht lediglich um einen den Vorsatz unberührt lassenden Subsumtions-, sondern um einen Tatbestandsirrtum: Sie irrten nicht über den Begriffsinhalt eines Tatbestandsmerkmals der §§ 263, 266 StGB, sondern über den rechtlichen Umstand, dass gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB, § 16 Abs. 4 Var. 2 VwVfG, § 1915 Abs. 1 Satz 1 und § 1806 BGB eine Pflicht zur Auskehr der aufgelaufenen Zinserträge bestand. Zwar kannten die Angeklagten die weiteren tatsächlichen Gegebenheiten, namentlich die Verwahrung der Kaufpreiserlöse für die Berechtigten und das Auflaufen von Zinserträgen und die Nichtauszahlung der Zinsen. Jedoch erfassten sie nicht, dass sie mit der Nichtauszahlung gegen ihre Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB verstießen. Hinsichtlich des Betruges erkannten sie wegen ihrer Fehlvorstellung die Unwahrheit ihrer Angaben gegenüber den Berechtigten nicht. Die Einschätzung des Landgerichts, dass die rechtliche Fehlbewertung der Angeklagten (jedenfalls) den Tatvorsatz entfallen lässt, ist daher von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

6. Verbotsirrtum – § 17 StGB

28

Zur Begründung der Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums reicht es nicht aus, dass die Angeklagten sich nicht um kompetente Beratung bemüht und mithin ihrer Erkundigungspflicht nicht genügt haben. Erforderlich ist vielmehr darüber hinaus, dass die Erkundigung zu einer richtigen Auskunft geführt hätte.40

29

Eine bedingte Unrechtseinsichtschließt einen Verbotsirrtum aus. Eine solche würde allerdings erfordern, dass der Angeklagte nicht nur mit der Möglichkeit rechnete, sein Verhalten könnte verboten sein, sondern diese Möglichkeit in derselben Weise wie beim bedingten Vorsatz in seinen Willen aufnahm.41

7. Kausalität

30

Ursächlich für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben. Ein Kausalzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat. Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, dass ein weiteres Verhalten an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat. Ob es sich bei dem mitwirkenden Verhalten um ein solches des Opfers oder um deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten oder des Täters selbst handelt, ist dabei ohne Bedeutung.42

8. Schuldunfähigkeit, verminderte Schuldfähigkeit – §§ 20, 21 StGB

31

Die §§ 20, 21 StGB setzen voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit „bei Begehung der Tat“ aufgehoben bzw. erheblich vermindert ist. Die Schuldfähigkeit ist deshalb in Bezug auf jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Hierauf kann allein unter Hinweis auf die allgemeine Diagnosenicht verzichtet werden.43

32

Ob eine Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens bei Vorliegen eines Eingangsmerkmals erheblich ist, ist eine nicht empirisch, sondern normativ zu beantwortende Frage, über die das Gericht und nicht der Sachverständige zu befinden hat.44 Bei der Feststellung einer schweren seelischen Abartigkeitliegt regelmäßig zumindest die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nahe.45

[3] 2. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Annahme, der Angeklagte habe im Zustand nicht erheblich verminderter Schuldfähigkeit gehandelt, hat das Landgericht nicht tragfähig begründet.

[4] Die Strafkammer ist, sachverständig beraten, davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit psychopathischen Charaktereigenschaften gegeben sei, die wegen des extremen Ausmaßes als schwere andere seelische Abartigkeit einzustufen sei. Trotz des Vorliegens des Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB sei die Einsichts- und auch die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht beeinträchtigt gewesen.

[5] Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

[6] a) Ob eine Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens bei Vorliegen eines Eingangsmerkmals erheblich ist, ist eine nicht empirisch, sondern normativ zu beantwortende Frage, über die nach ständiger Rechtsprechung das Gericht und nicht der Sachverständige zu befinden hat (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53; m. w. N. Fischer, StGB, 63. Aufl. § 21, Rn. 7). Vorliegend referiert die Strafkammer die Einschätzung des Sachverständigen, die „Steuerungsfähigkeit sei unter Zugrundelegung der von der Expertenkommission beim BGH entwickelten Richtlinien zur Tatzeit sowohl am 29. Juni 2015 wie auch am 30. Juni 2015 erhalten gewesen“. Eigene Erwägungen, die erkennen ließen, dass sich die Strafkammer mit der ihr obliegenden Prüfung einer erheblichen Steuerungsfähigkeit eigenverantwortlich befasst hat, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Dies lässt besorgen, dass eine eigenständige Prüfung durch das Landgericht nicht stattgefunden hat.

[7] b) Ist das Vorliegen eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB, wie hier der schweren seelischen Abartigkeit, festgestellt, liegt regelmäßig zumindest die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nahe (vgl. zuletzt Senat, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 588). Die Feststellung einer nicht erheblichen Minderung der Steuerungsfähigkeit bedarf danach einer besonderen Begründung (vgl.