BGH-Rechtsprechung Strafrecht - Jürgen Peter Graf - E-Book

BGH-Rechtsprechung Strafrecht E-Book

Jürgen-Peter Graf

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Beschreibung

Die jährlich neu erscheinende Sammlung gibt aus erster Hand einen Gesamtüberblick über die wichtigsten BGH-Entscheidungen zum Strafrecht. Sie enthält unter Einbeziehung von Strafprozessrecht und einigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts inhaltlich gezielt aufbereitete Informationen, um aktuelle Entwicklungen und Tendenzen der Rechtsprechung erkennen zu können. Leitentscheidungen in ausgewählten Passagen werden mit prägnanten Stichworten hervorgehoben. Die nach Praxisgesichtspunkten vorgenommene Auswahl erleichtert die unmittelbare Anwendung im Alltag der Strafverteidiger, Staatsanwälte und Richter. Aber auch Studenten und Referendare erkennen schnell wichtige Entscheidungen an Hand ihrer Prüfungsrelevanz.

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Seitenzahl: 534

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Prof. Dr. Jürgen-Peter Graf

Rechtsanwalt (VBB Rechtsanwälte)

Richter am Bundesgerichtshof a.D.,

Honorarprofessor Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien Offenburg

Lehrbeauftragter FOM-Hochschule Karlsruhe / Mannheim / Essen

Vorwort zur Ausgabe 2020

Neue Kleider ändern nichts am Inhalt, schon gar nichts am Charakter, der inneren Einstellung und der Verlässlichkeit.

Eigentlich hatte ich geplant, mit dem Ende meiner Richtertätigkeit diese jährliche Rechtsprechungsübersicht zu beenden. Jedoch haben mich so viele Anfragen erreicht, dass ich die Zusammenstellung zunächst gerne weiterführen werde.

Ich habe dafür meinen Kollegen bei VBB Rechtsanwälte, Rene Scheier, „mit ins Boot genommen,“ der mich ab dieser Ausgabe bei der Zusammenstellung unterstützt und ab dem kommenden Jahr auch als Mitautor verantwortlich sein wird.

Für das neue Jahrbuch 2020 haben wir unser Konzept überarbeitet und wollen künftig besonders wichtige Entscheidungen noch stärker in den Fokus rücken, um Entwicklungen und Tendenzen der aktuellen Rechtsprechung deutlich machen, aber auch - soweit erforderlich - zu kritisierende Ausführungen in einzelnen Entscheidungen ansprechen. Der Praktiker soll mit einem Blick ins Inhalts- oder Stichwortverzeichnis sofort die zu seiner Suche passenden Entscheidungen erkennen und davon sein Prozessverhalten abhängig machen können. Dementsprechend haben wir nunmehr nicht mehr alle Entscheidungen, welche die Vorauflagen immer dicker machten, abgedruckt, sondern ähnliche und gleichlautende Urteile und Beschlüsse in den Fussnoten aufgenommen und dadurch erheblichen Druckraum gespart. Dies führt zu mehr Übersichtlichkeit und gestaltet auch den Verkaufspreis wieder erheblich günstiger.

Dessen ungeachtet gelten die nachstehenden Ausführungen des Vorworts zur Erstausgabe der Rechtsprechungsübersicht des Bundesgerichtshofes für Straf- und Strafprozessrecht des Jahres 2010 unverändert fort:

Gerade aber die Fülle der auf diesem Weg nunmehr ständig und jederzeit abrufbaren Entscheidungen macht es für den Anwender schwierig, die für seine praktische Arbeit und die jeweiligen Interessen wichtigen Erkenntnisse herauszufinden und dann nachzuvollziehen. Selbst wenn man die erforderliche Zeit hierfür aufwenden kann, gestaltet es sich mehr als freudlos, zahlreiche nur durch das Ak-tenzeichen und das Datum gekennzeichnete Dateien aufzurufen, um dann möglicherweise erst nach mehreren Minuten des Lesens feststellen zu können, ob die Entscheidung für die eigene Arbeit tatsächlich wichtig ist oder eher nicht.

Auch die Aufarbeitung der Rechtsprechung mittels Fachzeitschriften stellt für sich allein keine geeignete Lösung dar. Zum einen werden viele Urteile und Beschlüsse erst mit einem zeitlichen Abstand von bis zu 18 Monaten publiziert, zum anderen sind zahlreiche Entscheidungen gerade nicht in allen Zeitschriften einer Fachrichtung veröffentlicht, so dass der interessierte Praktiker mindestens drei oder mehr Zeitschriften gleichzeitig lesen müsste. Nicht eingerechnet sind dabei Urteile und Beschlüsse, welche überhaupt nicht abgedruckt werden, sondern nur online verfügbar sind.

Aber auch Studenten und Referendare, welche sich zur Vorbereitung für das jeweilige Examen über die aktuellsten Entscheidungen der letzten Monate informieren wollen, stehen vor einem ähnlichen Problem, zumal in dieser Phase meist ohnehin viel zu wenig Zeit zur Verfügung steht, um auch nur annähernd gründlich wenigstens einige Fachzeitschriften durchzusehen. Mit der üblichen Ausbildungsliteratur kommt man nicht weiter; denn für Strafrecht und Strafprozessrecht wird regelmäßig nur eine kleine Besprechungsauswahl aktueller Entscheidungen angeboten, und das meistens mit einer durch die Bearbeitung bedingten erheblichen zeitlichen Verzögerung.

Somit lag es nahe, die wesentlichen Entscheidungen im Strafrecht, Nebenstrafrecht und im Strafprozessrecht von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht für den aktuell zurückliegenden Zeitraum zusammenzustellen und mit erklärenden Anmerkungen hinsichtlich einzelner Entscheidung zu versehen.

Ausgangspunkt für die hiermit vorgelegte neue Zusammenstellung 2019 sind die zurückliegenden Jahre 2018 und 2019, wobei einige Entscheidungen zwar noch ein Datum des Jahres 2017 tragen, vielfach dennoch aber erst zum Jahreswechsel 2017/18 oder später veröffentlicht wurden.

Insgesamt haben Herr Scheier und ich mehr als 1.200 Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und über 100 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gesichtet und darunter etwa 700 Urteile und Beschlüsse ausgewählt, welche uns für die tägliche Praxis und die Fortentwicklung der Rechtsprechung insgesamt als bedeutsam erschienen. Besonders wichtige Entscheidungen, welcher jeder am Straf- und Strafprozessrecht Interessierte unbedingt kennen sollte, wurden besonders hervorgehoben; ein „Muss“ auch für Rechtsreferendare und Examenskandidaten! Viele grundlegende und zugleich wegweisende Entscheidungen wurden zudem aufgenommen, um dem Nutzer konkrete Rechtsprechungstendenzen aufzuzeigen. Um dem Leser dabei ein mühsames Heraussuchen und Nachlesen der zitierten Erkenntnisse zu ersparen, sind wie bereits schon in den vorangegangenen Ausgaben die wesentlichen Ausführungen der Entscheidungen und überwiegend mit den autorisierten Randnummern des Gerichts auszugsweise mitabgedruckt, so dass der Benutzer alle wichtigen Informationen auf einen Blick erhält und die Entscheidungsauszüge zugleich auch zitierfähig sind. Besteht danach zusätzlicher Bedarf, eine Entscheidung in ihrer Gesamtheit zu lesen, sind Datum und Aktenzeichen verzeichnet, so dass eine Recherche über die Webseiten der einzelnen Gerichte (s.o.) ebenso möglich ist wie der Abruf über die verschiedenen Online-Datenbanken der Juristischen Fachverlage oder das Datenbanksystem Juris.

Die systematische Einordnung der Entscheidungen in Tatbestände und Tatbestandsgruppen soll zusätzlich die Möglichkeit geben, sich im Wege einer eigenen Fortbildung in aktuelle Problemfragen bestimmter Tatbestände einzuarbeiten und die daraus resultierenden Lösungen der Rechtsprechung in die tägliche Arbeit als Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt einfließen zu lassen. Die überragende Bedeutung solchen Wissens gerade für Strafverteidiger braucht nicht näher dargelegt zu werden, zumal die Unkenntnis höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO darstellt!

Um schließlich auch konkrete Einzelfragen nach aktuellen Rechtsprechungslösungen überprüfen zu können, sind die abgedruckten Entscheidungen auch über ein umfangreiches Stichwortverzeichnis auffindbar.

Ganz herzlich danke ich Herrn Rechtsanwalt Rene Scheier, ebenfalls bei VBB-Rechtsanwälte tätig, der mich bei der aktuellen Ausgabe mit großem Einsatz unterstützt und zudem die Erstellung des Stichwortverzeichnisses übernommen hat. Meiner Mitarbeiterin Frau Dogan danke ganz herzlich ich für die Endbearbeitung des Manuskripts in technischer Hinsicht.

Im Übrigen bitte ich die Nutzer und Leser um Anregungen und Hinweise für künftige Zusammenstellungen.

Karlsruhe, April 2020

Jürgen Graf

Inhaltsverzeichnis

StGB – Allgemeiner Teil

Grundsätzliches – Überblick

Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu Einzelfragen des StGB Allgemeiner Teil

Amtsträgereigenschaft– § 11 StGB

Begehen durch Unterlassen – § 13 StGB

Vorsatz – § 15 StGB

Verbotsirrtum - § 17 StGB

Schuldunfähigkeit, verminderte Schuldfähigkeit – §§ 20, 21 StGB

Versuch und Vollendung – §§ 22 ff. StGB

Vorbereitungshandlung und Versuch

Beendeter oder unbeendeter Versuch

Rücktritt – § 24 StGB

Täterschaft, Mittäterschaft – § 25 StGB

mittelbare Täterschaft, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB

Mittäterschaft

Beihilfe – § 27 StGB

Verabredung, § 30 StGB

Rechtfertigungsgründe

Verhängung der Geldstrafe in Tagessätzen – § 40 StGB

Strafzumessung – §§ 46 ff. StGB

Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung – § 46a StGB

Aufklärungshilfe – § 46b StGB

Besondere gesetzlicher Milderungsgründe – § 49 StGB

Tateinheit, Tatmehrheit, Gesamtstrafenbildung – §§ 52 ff. StGB

Tateinheit, Tatmehrheit – §§ 52, 53 StGB

Gesamtstrafenbildung - §§ 54, 55 StGB

Strafaussetzung zur Bewährung – §§ 56 ff. StGB

Maßregeln der Besserung und Sicherung

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – § 63 StGB

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – § 64 StGB

Anordnung der Sicherungsverwahrung – § 66 StGB

Reihenfolge der Vollstreckung – § 67 StGB

Berufsverbot – § 70 StGB

Einziehung – §§ 73 ff. StGB

Verjährung, §§ 78 ff. StGB

StGB – Besonderer Teil

Grundsätzliches – Überblick

Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu Einzelfragen des StGB Besonderer Teil

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – § 142 StGB

Bildung terroristischer Vereinigung – § 129a StGB

Falsche Verdächtigung – § 164 StGB

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – §§ 174 ff. StGB

Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen – § 174 StGB

Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses – § 174 c StGB

Sexueller Missbrauch von Kindern – §§ 176, 176a StGB

Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung – § 177 StGB

Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen – § 179 StGB

Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften – § 184b StGB

Sexuelle Belästigung – § 184i StGB

Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen – § 201a StGB

Straftaten gegen das Leben – §§ 211 ff. StGB

Tötungsvorsatz und Tötungsmotiv bei §§ 211, 212 StGB

Mordmerkmale

Minder schwerer Fall des Totschlags – § 213 StGB

Schwangerschaftsabbruch – § 218 StGB

Aussetzung – § 221 StGB

Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit – §§ 223 ff. StGB

Vorsätzliche Körperverletzung – § 223 StGB

Gefährliche Körperverletzung - § 224 Abs. 1 StGB

Misshandlung von Schutzbefohlenen – § 225 StGB

Schwere Körperverletzung – § 226 StGB

Körperverletzung mit Todesfolge – § 227 StGB

Straftaten gegen die persönliche Freiheit – §§ 232 ff. StGB

Freiheitsberaubung –§ 239 StGB

Erpresserischer Menschenraub – § 239a StGB

Geiselnahme – § 239b StGB

Nötigung/Bedrohung – §§ 240, 241 StGB

Diebstahl und Unterschlagung – §§ 242 ff. StGB

Raub und Erpressung – §§ 249 ff. StGB

Waffe, Gefährliches Werkzeug etc. – § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Körperliche Mißhandlung einer Person – § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB

Raub mit Todesfolge – § 251 StGB

Erpressung / Räuberische Erpressung – §§ 253, 255 StGB

Stafvereitelung – § 258 StGB

Hehlerei – § 259 StGB

Geldwäsche – § 261 StGB

Betrug – §263 StGB

Vermögensschaden

Gewerbsmäßiger Betrug und Mitglied einer Bande

Computerbetrug – § 263a StGB

Subventionsbetrug – § 264 StGB

Untreue – § 266 StGB

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt – § 266a StGB

Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten –§ 266b StGB

Urkundenfälschung – § 267 StGB

Mittelbare Falschbeurkundung – 271 StGB

Bankrott – § 283 StGB

Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels –§ 284 StGB

Computersabotage – § 303 b StGB

Brandstiftung / Schwere Brandstiftung / Besonders schwere Brandstiftung – §§ 306, 306 a, 306 b ff. StGB

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr – § 315b StGB

Gefährdung des Straßenverkehrs / Trunkenheit im Verkehr – § 315c, § 316 StGB

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer –§ 316a StGB

Vorteilsannahme, Bestechlichkeit – §§ 331 ff. StGB

Rechtsbeugung – § 339 StGB

Falschbeurkundung im Amt – § 348 StGB

Verletzung des Dienstgeheimnisses u. a. – § 353b StGB

Parteiverrat – § 356 StGB

Strafrechtliche Nebengesetze

Grundsätzliches - Überblick

Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu Einzelfragen

Betäubungsmittelgesetz (BtMG)

Handeltreiben

Einfuhr

Abgabe

Besitz

Bewertungseinheit oder selbstständige Taten

Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme

Handeltreiben als Bande und mit Waffen

Allgemeine Strafzumessungserwägungen, Therapie

Einziehung und Sonstiges

Jugendgerichtsgesetz (JGG)

Steuerstrafrecht und Abgabenordnung (AO)

Waffengesetz

StVG

Strafprozessordnung

Grundsätzliches

Überblick

Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu Einzelfragen des Verfahrensrechts

Verbindung rechtshängiger Sachen, Zuständigkeit – §§ 4 ff. StPO

Ausschließung vom Richteramt, Befangenheit – §§ 22 ff. StPO

Zustellung – § 36 StPO

Wiedereinsetzung – § 44 StPO

Zeugnisverweigerungsrecht – § 52 StPO

Beschlagnahme, Durchsuchung, Einsatz technischer Mittel (Gefahr im Verzug/Tatverdacht) - §§ 94 ff. StPO

Verhaftung und vorläufige Festnahme - §§ 112 ff. StPO

Erste richterliche Vernehmung, Verbotene Vernehmungsmethoden – §§ 136 f. StPO

Vernehmung des Beschuldigten – §§ 136 ff. StPO

Hinzuziehung eines Verteidigers – § 137 StPO

Verteidigung – §§ 140 ff. StPO

Verfahrenseinstellung – §§ 153 ff. StPO

Ermittlungen, Anwesenheitsrechte – §§ 160 ff. StPO

Fassung der Anklage; Eröffnungsbeschluss – §§ 200 ff. StPO

Abgabe und Übernahme - § 227a StPO

Höchstdauer einer Unterbrechung - § 229 StPO

Verlesung der Anklage – § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO

Mitteilungsverpflichtung über das Stattfinden von Erörterungen bzgl. einer Verständigung – § 243 Abs. 4, 5 StPO

Stellung von Beweisanträgen, Aufklärungsrüge – § 244 StPO

Ablehnung von Beweisanträgen

Wegen Bedeutungslosigkeit gemäß § 244 Abs. S. 2 Var. 2 StPO

Wegen Unzulässigkeit gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1

Entfernung des Angeklagten / Audiovisuelle Vernehmung von Zeugen – §§ 247, 247a StPO

Hinzuziehung von Sachverständigen - §§ 244 Abs. 4, 246a StPO

Urkundenbeweis, Vernehmung der richterlichen Vernehmungsperson – §§ 251, 252 ff. StPO

Bild-Ton Aufzeichnung – §§ 250, 255a StPO

Beweisverwertungsverbot

Verständigung im Strafverfahren – § 243 Abs. 4 S. 1, §§ 257c, 273 Abs. 1a S. 3, § 302 Abs. 1 S. 2 StPO

Schlussvorträge, Letztes Wort - § 258 StPO

Verlesung früherer Aussagen / Vernehmung des Ermittlungsrichters nach Zeugnisverweigerung /sonstiger Urkundenbeweis – §§ 251 ff. StPO

Urteilsformel –260 StPO

Urteilsabfassung – §§ 261 ff. StPO

Kognitionspflicht – § 264 StPO

Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts – § 265 StPO

Nachtragsanklage – § 266 StPO

Urteilsgründe - § 267 StPO

Urteilsverkündung - § 268 StPO

Verweisung nach Beginn der Hauptverhandlung – § 270 StPO

Verhandlungsprotokoll, Beweiskraft des Protokolls – §§ 271 ff. StPO

Schriftliches Urteil, Urteilsabsetzungsfrist und Verhinderung eines Richters – § 275 StPO

Rechtsmittel: Einlegung, Beschränkung, Rücknahme und Rechtsmittelverzicht – §§ 296 ff. StPO

Revisionsantrag – §§ 344 StPO

Revisionseinlegung

Revisionsrücknahme

Revisionsbegründung

Zulässigkeit von Revisionsrügen, Fristen

Verfahrensrügen Allgemein (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO)

Aufklärungsrügen

Begründung der Revision - § 345 Abs. 2 StPO

Revisionsgründe - § 337 StPO

Revisionsrügen nach § 338 StPO

§ 338 Nr. 1 StPO

§ 338 Nr. 3 StPO

§ 338 Nr. 6 StPO

§ 338 Nr. 8 StPO

Umfang der Aufhebung von Feststellungen durch Revisionsentscheidung (§ 353 Abs. 2 StPO)

Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung; Einstellung -§ 354 StPO

Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung – 358 StPO

Verletzung des rechtlichen Gehörs / Anhörungsrüge – § 356a StPO

Bestellung eines Beistands -§ 397 StPO

Verstoß gegen Grundsatz des fairen Verfahrens

Unangemessene Verfahrensdauer - §§ 199, 198 GVG

Adhäsionsverfahren

Nebenklage

Selbstständige Anordnung von Sicherungsmaßnahmen - § 413 StPO

Rechtsmittelverfahren bei Einziehung - § 431 StPO

Strafvollstreckung – §§ 449 ff. StPO

Nachteilsausgleich bei unangemessener Dauer von Ermittlungs- und Gerichtsverfahren

Prozesskostenhilfe

Weitere Regelungen

Sonstige Verfahrensgesetze

Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), Einführungsgesetz zum GVG (EGGVG)

Ausschluss der Öffentlichkeit

Berichtende Presseäußerungen der StA - EGGVG § 23

Besetzung des Gerichts / Gesetzlicher Richter

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG

Bundeszentralregistergesetz - BZRG

Internationale Rechtshilfe, Internationale Gerichtsbarkeit, Auslieferung, Beweiserhebung

A. StGB – Allgemeiner Teil

I. Grundsätzliches – Überblick

In den hier maßgeblichen Betrachtungsjahren 2018/2019 sind erneut viele Fragen aus dem Allgemeinen Teil des StGB Gegenstand von Urteilen oder Beschlüssen des BGH gewesen.

Meist handelte es sich dabei um keine ausgesprochenen Grundlagenprobleme, sondern die entscheidungserheblichen Fragen ergaben sich im Rahmen der üblichen Fallbearbeitung. Teilweise waren sie auch durch Gesetzesänderungen veranlasst, wie im Fall der Einziehung gem. §§ 73 ff. StGB.

Unter anderem haben die nachfolgend genannten Entscheidungskontexte in der ausgewerteten Rechtsprechung Bedeutung erlangt:

Vorsatz

fragen, einschließlich der Problematik des

Verbotsirrtums

Versuch

(beendet, unbeendet),

Rücktritt

Bereich der

Rechtfertigungsgründe

Schuldfähigkeit, eingeschränkte Schuldfähigkeit

, Alkoholabhängigkeit, Leistungsverhalten

Themen zur Strafzumessung,

§ 46 ff. StGB

Konkurrenz

rechtliche Bewertungen

Strafaussetzung zur

Bewährung

II. Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu Einzelfragen des StGB Allgemeiner Teil

1. Amtsträgereigenschaft– § 11 StGB

Ein nach § 3 V 2 AWaffV zur waffenrechtlichen Sachkundeprüfung gebildeter Prüfungsausschuss eines Spießsportvereins ist eine sonstige Stelle im Sinne des § 11 I Nr. 2 c) StGB.

(BGH, Beschluss vom 10.01.2019 - 3 StR 635/17) (LG Hannover)

2. Begehen durch Unterlassen – § 13 StGB

Sterbebegleiter

Der Angeklagte hat sich auch nicht wegen eines versuchten Tötungsdelikts durch Unterlassen strafbar gemacht, da ihn keine Garantenstellung für das Leben der beiden Frauen traf und dies auch seiner Vorstellung entsprach.

a) Eine versuchte Tötung durch Unterlassen kann nach § 13 Abs. 1 StGB nur begehen, wer nach seiner Vorstellung rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt; zudem muss das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen. Die Gleichstellung des Unterlassens mit dem aktiven Tun setzt voraus, dass der Täter als „Garant“ zur Abwendung des tatbestandlichen Erfolges verpflichtet ist. Der eine Garantenstellung schaffende besondere Rechtsgrund kann seinen Ursprung etwa in Rechtsnormen, besonderen Vertrauensverhältnissen oder vorangegangenem gefährlichen Tun finden (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Juli 2003 – 3 StR 153/03, BGHSt 48, 301, 306). Verbindendes Element sämtlicher Entstehungsgründe ist dabei stets die Überantwortung einer besonderen Schutzfunktion für das betroffene Rechtsgut an den Obhuts- oder Überwachungspflichtigen (vgl. BGH, Urteile vom 25. September 2014 – 4 StR 586/13, BGHSt 59, 318, 323 und vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 358/92, BGHSt 38, 388, 391; Beschluss vom 8. März 2017 – 1 StR 466/16, BGHSt 62, 72, 76).

b) Der Angeklagte war nicht kraft Übernahme der ärztlichen Behandlung für das Leben der beiden Frauen verantwortlich. Denn es bestand zwischen den Beteiligten kein Arzt-Patientinnen-Verhältnis (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 4. Juli 1984 – 3 StR 96/84, BGHSt 32, 367, 377 f.). Mit den Suizidentinnen vereinbart war lediglich, sie bei ihrem Sterben zu begleiten; eine Beschützergarantenstellung für ihr Leben oblag ihm daher nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Oktober 1982 – 1 StR 413/82, NJW 1983, 350, 351).

c) Der Angeklagte hat auch keine Garantenstellung aus vorangegangenem gefährlichen Tun (Ingerenz). Eine solche setzt ein pflichtwidriges – auch mittelbares – Schaffen einer Gefahr voraus (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 47; Beschlüsse vom 8. März 2017 – 1 StR 466/16, BGHSt 62, 72, 80 und vom 15. Mai 2018 – 3 StR 130/18; zur mittelbaren Gefahrverursachung vgl. Schönke/

Schröder/Bosch, 30. Aufl., § 13 Rn. 39; Roxin, NStZ 1985, 320, 321).

aa) Das Überlassen der Medikamente kommt als Anknüpfungspunkt insofern nicht in Betracht. Denn das Landgericht hat nicht festzustellen vermocht, dass der Angeklagte sie den Frauen zur Verfügung gestellt t, er auf diese Weise mithin eine Gefahrenquelle für beider Leben geschaffen hat (vgl. BGH, Urteile vom 13. November 2008 – 4 StR 252/08, BGHSt 53, 38, 41 f.; vom 21. Dezember 2011 – 2 StR 295/11, NStZ 2012, 319, 320 und vom 22. November 2016 – 1 StR 354/16, BGHSt 61, 318, 323; Beschluss vom 5. August 2015 – 1 StR 328/15, BGHSt 61, 21, 23 f.).

d) Die Erstellung der Gutachten über die aus psychiatrischer Sicht bestehende Einsichts- und Urteilsfähigkeit der beiden Frauen führt nicht zur Begründung einer Garantenstellung aus vorangegangenem gefährlichem Tun. Denn dieses Handeln war nicht pflichtwidrig.

(BGH, Urteil vom 03. Juli 2019 – 5 StR 132/18)

Hausarzt als späterer Sterbegleiter.

Allerdings hatte er Frau D. viele Jahre als Hausarzt betreut und befand sich aufgrund der Übernahme ihrer ärztlichen Behandlung und des damit einhergehenden Vertrauensverhältnisses zunächst in einer besonderen Schutzposition für deren Leib und Leben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1984 – 3 StR 96/84, BGHSt 32, 367, 377; Schönke/Schröder/Bosch, aaO, § 13 Rn. 28a). Diese Pflichtenstellung als Hausarzt endete spätestens, als Frau D. ihren Sterbewunsch (nochmals) äußerte und diesen mit der von dem Angeklagten akzeptierten Bitte verband, er solle „sie nach Einnahme der Tabletten zu Hause betreuen“. Entsprechend dieser Vereinbarung oblag es ihm nur noch, als Sterbebegleiter etwaige Leiden oder Schmerzen während des Sterbens zu lindern oder zu verhindern (vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Dezember 1982 – 2 StR 494/82, NStZ 1983, 117, 118; Beschluss vom 8. Juli 1987 – 2 StR 298/87, NJW 1988, 1532; LK-StGB/Rissing-van Saan, 12. Aufl., § 216 Rn. 29, 31 f.; MüKo-StGB/ Schneider, aaO, § 216 Rn. 66; SSW-StGB/Momsen, 4. Aufl., § 216 Rn. 11; Saliger, medstra 2015, 132, 136; Berghäuser, ZStW 2016, 741, 749).

(BGH, Urteil vom 03. Juli 2019 – 5 StR 393/18)

3. Vorsatz –§ 15 StGB

a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet. Bei äußerst gefährlichen Handlungen liegt nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH aaO).

Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, etwa wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements, vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 1 StR 416/17, NStZ 2018, 206 mwN). Das Vertrauen auf einen glimpflichen Ausgang lebensgefährdenden Tuns darf dabei aber nicht auf bloßen Hoffnungen beruhen, sondern muss tatsachenbasiert sein (vgl. MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl., § 212 Rn. 70). Den Motiven des Täters kommt - anders als bei direktem Vorsatz - bei der Abgrenzung bedingten Tötungsvorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit zudem nur unter bestimmten Umständen Gewicht zu (vgl. Schneider aaO Rn. 65 ff. mwN).

Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der gebotenen Gesamtschau auf eine „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ abgestellt worden ist (vgl. Nachweise bei BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, aaO, S. 189), erschöpft sich dies in einem Hinweis auf die Bedeutung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) bezüglich der Überzeugungsbildung vom Vorliegen eines (wenigstens) bedingten Tötungsvorsatzes (BGH, aaO). Durch den Aspekt der „Hemmschwelle“ soll hingegen die Wertung, dass offensichtlich lebensgefährdende Handlungen ein gewichtiges, auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen sind, nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden (vgl. BGH, aaO, S. 191; BGH, Urteil vom 5. Dezember 2017 - 1 StR 416/17 aaO).

Die Ausführungen der Jugendkammer werden den Maßstäben zur Ablehnung eines Tötungsvorsatzes nicht gerecht.

aa) Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit seines Tuns ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut habe. Der Angeklagte habe die Wolldecke um 20 Uhr und damit zu einer Zeit angezündet, zu der er noch nicht damit rechnen musste, dass die anwesenden beiden Zeugen schliefen. Zum anderen habe der Angeklagte lediglich ein Feuerzeug und keinen Brandbeschleuniger verwendet. Weil die konkrete Ausführung der Tat gegen eine hohe und offensichtliche Lebensgefährlichkeit spreche, müsse der Überwindung der Hemmschwelle bei der Tötung von Menschen ein höheres Gewicht zukommen. Gegen die Überwindung dieser Hemmschwelle sprächen insbesondere die Motive des Angeklagten, der sich zur Tatzeit in einer persönlichen Krise befunden habe (Missfallen der Wohnsituation, Belastung der Beziehung zur Mutter, Tod der Großmutter).

bb) Das begegnet durchgreifenden Bedenken.

Das Landgericht lässt bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes schon außer Betracht, dass nicht nur das erste Ober-, sondern auch das Dachgeschoss von mehreren Personen bewohnt wurde (von denen tatsächlich auch eine anwesend war). Warum der Angeklagte nur „damit rechnen musste, dass sich weitere Personen auch im ausgebauten Dachgeschoss aufhalten“ (UA S. 5), wird in den Urteilsgründen weder belegt noch ausgeführt. Hat er aber damit gerechnet, dass sich dort Menschen befinden, so hätte das Landgericht in die Vorsatzprüfung auch die vom Angeklagten erkannten und gebilligten Folgen für diese einbeziehen müssen. Hierzu bestand schon deshalb Anlass, weil nicht nur die Tür zur Wohnung des Angeklagten, sondern auch die Treppe zum Dachgeschoss - und damit ersichtlich der Fluchtweg der Dachgeschossbewohner - aus Holz bestand und - bei weitergehendem Brandstiftungsvorsatz - nicht nur Einrichtungsgegenstände, sondern auch Teile der Decke selbständig brannten.

(BGH, Urteil vom 12. Dezember 2018 – 5 StR 517/18)

Bei einer

äußerst gefährlichen Gewalthandlung

, die insbesondere anzunehmen ist, wenn der Täter auf das Tatopfer mit einer scharfen Schusswaffe schießt, liegt es zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und dass er, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg im Sinne eines bedingten Tötungsvorsatzes billigend in Kauf nimmt. Dies enthebt den Tatrichter aber nicht von der Verpflichtung, die subjektive Tatseite unter Berücksichtigung aller für und gegen sie sprechenden Umstände sorgfältig zu prüfen.

Das Tatgericht kann sich insbesondere aufgrund des festgestellten absteigenden Schusskanals und des Umstands, dass der Angeklagte ein geübter Schütze ist, ohne Rechtsfehler die Überzeugung verschaffen, dass er gezielt auf die Beine des Tatopfers geschossen und dabei darauf vertraut hat, dass er keine anderen Körperbereiche treffen werde.

Zwar kann eine Alkoholisierung geeignet sein, die Hemmschwelle für besonders gravierende Gewalthandlungen herabzusetzen, und damit zu einem Umstand werden, der für die billigende Inkaufnahme eines Todeserfolgs spricht. Eine alkoholische Beeinflussung des Täters zur Tatzeit kann aber durchaus auch dazu führen, dass dieser das in seinem Tun enthaltene Risiko einer Tötung falsch einschätzt.

(BGH, Urteil vom 25. April 2018 – 2 StR 428/17)

Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet.

Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne durch diese zu Tode kommen und auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit der Handlungen des Täters auf bedingten Tötungsvorsatz bedarf aber einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls (Leitsätze der Verfasserin).

(BGH, Beschluss vom 20.11.2018 - 1 StR 560/18)

Der Irrtum des Handelnden über die Person des Angegriffenen ist auch für den Mittäter unbeachtlich (error in persona). Nur die Unbeachtlichkeit des Irrtums auch für den anderen Mittäter wird dem Grundsatz gerecht, dass das Eintreten eines Mittäters ins Versuchsstadium für alle Mittäter den Versuchsbeginn darstellt (§ 22 StGB). Entscheidend ist die Vorstellung des Täters von der Tauglichkeit der Handlung, die als unmittelbares Ansetzen zur TatbestandsverEntscheidend ist die Vorstellung des Täters von der Tauglichkeit der Handlung, die als unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung im Sinne des § 22 StGB anzusehen ist. Die eher auf eine tatsächliche Betrachtung zugeschnittene „aberratio ictus“ passt bei dieser Wertung nicht. Die vorstehend genannten Grundsätze gelten nicht nur für die gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 StGB), sondern auch für die versuchte besonders schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB). Dieses Vermögensdelikt weist mit dem zusätzlichen subjektiven Merkmal der Absicht, sich oder einen Dritten rechtswidrig zu bereichern, zwar eine Besonderheit auf (sogenannte „überschießende Innentendenz“). Mittäter kann nur sein, wer mit Bereicherungsabsicht handelt. Wenn dieses Eingangskriterium indes erfüllt ist, ist eine Zurechnung wie bei „nicht kupierten“ Delikten möglich. Die Absicht als tatbezogenes Merkmal (BGH, Urteil vom 20. Mai 1969 - 5 StR 658/68, BGHSt 22, 375, 380) ändert nichts an der Struktur des Tatplans als des entscheidenden Zurechnungskriteriums. Diese Absicht musste der Angeklagte C. M. zum Zeitpunkt des Schlags nicht „aktualisieren“.

(BGH, Urteil vom 01.08.2018 – 3 StR 651/17)

4. Verbotsirrtum -§ 17 StGB

Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zum Irrtum des Angeklagten belegen lediglich einen vermeidbaren Verbotsirrtum, nicht aber einen Tatbestandsirrtum, der den Vorsatz entfallen ließe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts erfüllt das Verhalten des Angeklagten damit nicht nur den Tatbestand des fahrlässigen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften. Bei dieser Sachlage kann der Senat von sich aus den Schuldspruch - der Anklage gemäß - auf vorsätzliches unerlaubtes Betreiben von Bankgeschäften umstellen.

Der Angeklagte erfüllte den objektiven Tatbestand des § 54 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Var. 1 KWG aF. Er handelte ausweislich der Feststellungen auch vorsätzlich in Bezug auf die Darlehensvergabe und das Nicht-Innehaben einer Erlaubnis. Soweit der Angeklagte nicht davon ausging, einer Erlaubnis zu bedürfen, stellt sich dies entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht als Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB, sondern als bloßer Subsumtions- und damit als - vermeidbarer - Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB dar. Denn nach den Feststellungen der Strafkammer waren ihm sämtliche Umstände der Darlehensvergaben durch die A., die ihre Erlaubnispflichtigkeit begründeten, bekannt. Ein Täter, der die dem Gesetz entsprechende Wertung im Wege einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" nachvollzieht und auf der Grundlage dieses Wissens den sozialen Sinngehalt des Tatbestandsmerkmals richtig begreift, also den Bedeutungssinn des Bankgeschäfts als normatives Tatbestandsmerkmal zutreffend erfasst, seine Geschäfte aber gleichwohl für rechtlich zulässig und nicht erlaubnispflichtig hält, irrt lediglich über ihr Verbotensein (BGH, Beschluss vom 26. März 2018 - 4 StR 408/17, NJW 2018, 1486, 1489; Urteile vom 15. Mai 2012 - VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177; vom 16. Mai 2017 - VI ZR 266/16, NJW 2017, 2463; vom 27. Juni 2017 - VI ZR 424/16, NJW-RR 2017, 1004).

(BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – 2 StR 416/16)

5. Schuldunfähigkeit, verminderte Schuldfähigkeit – §§ 20, 21 StGB

Eine Anordnung gemäß § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn zumindest eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten positiv festgestellt werden kann und wenn der Täter in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begangen hat, die auf den die Annahme der §§ 20, 21 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt zurückzuführen ist. Die Voraussetzungen des § 20 oder zumindest die des § 21 StGB zum Zeitpunkt der Anlasstat müssen danach zweifelsfrei festgestellt sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1994 – 3 StR 475/94, BGHR StGB § 63 Tat 4; Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 596/09; Beschluss vom 23. September 2015 – 4 StR 371/15).

(BGH, Beschluss vom 19.11.2019 – 4 StR 437/19)

Die Entscheidung, dass die Schuldfähigkeit des Unterzubringenden zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder i. S. von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfordert zunächst die Feststellung, dass bei dem Täter eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Anschließend bedarf es näherer Feststellungen zum Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters, die belegen, dass aufgrund der festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei Begehung der Anlasstaten in relevanter Weise beeinträchtigt gewesen ist.

(BGH, Beschluss vom 04.04.2018 – 1 StR 116/18) S.a.: BGH, Beschluss vom 27.06.2018 – 2 StR 112/18; BGH, Beschluss vom 24.10.2018 – 1 StR 457/18; BGH, Beschluss vom 05.02.2019 – 2 StR 505/18; BGH, Beschluss vom 26.03.2019 – 1 StR 684/18)

Die Beurteilung der Erheblichkeit i. S. des § 21 StGB muss stets in Bezug auf eine bestimmte Tat und einen konkreten Tatbestand erfolgen, so dass bei tateinheitlicher Verwirklichung mehrerer Tatbestände durchaus verschiedene Wertungsergebnisse entstehen können. Mitunter kann eine Auseinandersetzung damit geboten sein, ob in der Person des Angekl. letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei voll schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist.

(BGH, Beschluss vom 05.02.2019 – 2 StR 505/18)

Keine ausreichende Darstellung zur Schuldfähigkeitsbeurteilung

Die Wertung der Schwurgerichtskammer, dass eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht vorgelegen habe, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Urteil enthält weder eine Darstellung der Ausführungen des Sachverständigen zur Schuldfähigkeitsbeurteilung noch eine Begründung des Landgerichts, dass die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB nicht vorliegen. Der Senat vermag aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen zwar auszuschließen, dass eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit (§ 20 StGB) vorliegen könnte; angesichts der Alkoholisierung und der dissozialen Persönlichkeitszüge des Angeklagten sowie mit Blick auf das Tatverhalten waren jedoch Ausführungen des Tatgerichts zur Beurteilung einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit geboten, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu ermöglichen.

(BGH, Beschluss vom 23.07.2019 – 1 StR 62/19)

Wegen fehlender Einsichtsfähigkeit ist schuldunfähig, wer infolge der bei ihm festgestellten Störung im konkreten Fall die äußeren Umstände seines Tuns oder ihren strafwürdigen Bedeutungsgehalt nicht erkennt (vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2016 – 1 StR 445/16, StV 2017, 585, 586; v. 15.7.2015 – 4 StR 277/15, StV 2016, 725; Urt. v. 6.3.1986 – 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 25).

Demgegenüber ist wegen fehlender Steuerungsfähigkeit schuldunfähig, wer infolge der Störung zwar das Unrecht seines Tuns erkennt, aber nicht in der Lage ist, nach der vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln. Zwischen Aufhebung der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit ist zu differenzieren.

Nur in Ausnahmefällen kann eine psychische Störung dazu führen, dass Einsichtsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit aufgehoben sind.

Gemessen hieran greift der Hinweis des LG, dass dem Angekl. in den Tatsituationen wahnbedingt Handlungsalternativen nicht zur Verfügung standen und ihm deshalb ie Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Tuns fehlte, zu kurz. Handlungsalternativen fehlen auch demjenigen Täter, der das Unrecht seines Tuns erkennt, aber nicht nach dieser Einsicht zu handeln vermag. Das vom LG zu Recht als ‚zielgerichtet‘ bewertete Verhalten des Angekl. in den jeweiligen Tatsituationen hätte im Übrigen Anlass zu kritischer Prüfung der Frage geben müssen, ob es – ungeachtet des festgestellten akuten Wahnerlebens – für einen noch erhaltenen Realitätsbezug und damit für eine noch erhaltene Einsichtsfähigkeit sprechen konnte.“

(BGH, Beschluss vom 30.01.2019 – 4 StR 365/18)

Zwischen Beeinträchtigungen der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit ist zu differenzieren; beides kann an sich nicht gleichzeitig vorliegen. Nur wenn geklärt ist, ob der Beschuldigte (noch) die Fähigkeit besitzt, das Unrecht seines Tuns zu erkennen und lediglich nicht in der Lage ist, danach zu handeln, oder ob ihm bereits die Fähigkeit fehlt, das Unerlaubte seiner Tat einzusehen, ist dem Revisionsgericht eine rechtliche Überprüfung der Gefährlichkeits-prognose nach § 63 StGB möglich.

(BGH, Beschluss vom 08.02.2018 – 3 StR 549/17)

Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Unrechtseinsicht zur Folge hat. Ein Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist – sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist – voll schuldfähig.

„Die Frage der Steuerungsfähigkeit ist grundsätzlich erst dann zu prüfen, wenn der Täter in der konkreten Tatsituation einsichtsfähig war. Bleibt nach den Urteilsgründen zweifelhaft, welche Alternative das Tatgericht annehmen wollte, so ist dem Revisionsgericht eine rechtliche Überprüfung, ob die Voraussetzungen der Vorschrift zu Recht bejaht worden sind und damit auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtsfehlerfrei ist, nicht möglich.“

(BGH, Beschluss vom 07.11.2018 – 5 StR 449/18; ebenso: Beschl. v. 17.7.2018 – 4 StR 145/18; Urt. v. 9.1.2019 – 5 StR 466/18; Beschl. v. 7.5.2019 – 5 StR 120/19)

Keine Schuldfähigkeitsminderung bei Alkoholiker mit einer BAK von 3,05 Promille

Äußeres Leistungsverhalten und innere Steuerungsfähigkeit können bei hoher Alkoholgewöhnung auseinanderfallen. Deshalb und weil Alkoholiker oft eine durch Übung erworbene Kompensationsfähigkeit bei grobmotorischen Auffälligkeiten entwickelt haben, belegen fehlende Ausfallerscheinungen (kein Torkeln, kein Lallen, keine Denkstörungen) nicht zwingend eine voll erhaltene Steuerungsfähigkeit.

Bei Beurteilung der Steuerungsfähigkeit und des Nachtatverhaltens hat das Tatgericht neben Ls. 1 - auch zu bedenken, dass nach der Tat eine Ernüchterung eingetreten sein kann.

Fehlende Deutschkenntnisse und eine Verweigerungshaltung in Bezug auf die Durchführung einer Alkoholentwöhnungsbehandlung können der nach § 64 StGB erforderlichen hinreichend konkreten Erfolgsaussicht auf einen Behandlungserfolg entgegenstehen.

(BGH, Beschluss vom 28.02.2018 - 4 StR 530/17)

Die Einordnung des psychischen Befundes beim Angeklagten zur Tatzeit als eine nicht ausschließbare schwere andere seelische Abartigkeit ist rechtsfehlerfrei.

a) Bei der „Persönlichkeitsstörung“ handelt es sich um einen Oberbegriff zu verschiedenen Varianten, die unterschiedliches Gewicht haben. Diese reichen von einer Vielzahl normalpsychologisch wirkender Ausprägungen des Empfindens und Verhaltens bis zu einer abnormen Persönlichkeit, deren Störungsgrad Krankheitswert zukommt. Gelangt der Sachverständige zur Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, ist dies noch nicht mit der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ in § 20 StGB gleichzusetzen. Vielmehr sind der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52).

Das Landgericht ist der Einschätzung der psychiatrischen Sachverständigen gefolgt, bei dem Angeklagten habe sich das Bild einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung mit dominant paranoiden, schizoiden und dissozialen Wesenszügen sowie narzisstischen Merkmalen ergeben. Die Sachverständige hat weiter erläutert, der Angeklagte neige zu Jähzorn, wenn er auf Ablehnung, Versagung, Beleidigung oder Provokation stoße. Es bestehe eine ausgeprägte Störung der Affektregulation mit der Folge von kognitiven Verzerrungen, aus denen sich Impulshandlungen ergäben. Aus psychiatrischer Sicht sei von einem Grenzfall auszugehen, bei dem das Vorliegen des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit jedenfalls nicht auszuschließen sei. Die Störung weise eine Beziehung zur Tat auf, weil diese vor dem Hintergrund eines neurotischen Konflikts infolge der Zurückweisung des Angeklagten durch die Personen begangen wurde, mit denen er Kontakt aufnehmen wollte, ferner, weil die Tat abrupt und ohne Sicherungstendenzen sowie in einer affektiven Erregung begangen worden sei. Die Alkoholisierung bei einem Blutalkoholgehalt von bis zu 2,45 Promille zur Tatzeit komme als konstellativer Faktor hinzu.

b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auf dieser Grundlage das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB jedenfalls nicht sicher ausschließen konnte.

Im Anschluss an die psychiatrische Literatur nennt die Rechtsprechung verschiedene Voraussetzungen für eine schwere andere seelische Abartigkeit, unter anderem das Hervorgehen der Tat aus neurotischen Konflikten, eine konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor der Tat, ein abrupter Tatablauf, das Vorliegen konstellativer Faktoren, wie Alkoholisierung, Ermüdung und affektive Erregung. Als gegenläufige Indizien können im Einzelfall eine Tatvorbereitung, planmäßiges Vorgehen, die Fähigkeit zu warten, ein komplexer Handlungsablauf, eine Vorsorge gegen Entdeckung, die Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen oder das Hervorgehen des Delikts aus dissozialen Charakterzügen in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53). Die Kriterien müssen im Einzelfall nicht sämtlich vorliegen, sie können auch über längere Zeitspannen hinweg variieren. Zudem können sie sehr unterschiedliches Gewicht haben. Maßgebend ist daher eine Gesamtschau aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls.

(BGH, Urteil vom 22.05.2019 – 2 StR 530/18)

Die Abhängigkeit von Drogen begründet für sich gesehen keine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Eine rechtlich erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schweren Persönlichkeitsveränderungen geführt hat, der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, oder unter Umständen, wenn er die Tat im Zustand eines akuten Rauschs verübt. In Ausnahmefällen kann auch die Angst vor unmittelbar bevorstehenden Entzugserscheinungen, die der Angeklagte schon einmal als äußerst unangenehm ("intensivst" oder "grausamst") erlitten hat, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit führen.

(BGH, Beschluss vom 18.01.2017 – 2 StR 436/16)

Das Ergebnis des ärztlichen Untersuchungsberichts anlässlich der Blutentnahme ist für die Beurteilung des Leistungsverhaltens des Angekl. zur Tatzeit allenfalls von geringer Bedeutung, wenn die Blutentnahme erst längere Zeit (hier: 41/2 Stunden) nach Tatbegehung erfolgte.

(BGH; Beschluss vom 18.07.2018 – 1 StR 321/18)

Von einer Berechnung“ (der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit) ist ein Tatgericht nicht schon dann entbunden, wenn die Angaben des Angekl. zum konsumierten Alkohol nicht exakt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 28.4.2010 – 5 StR 135/10, NStZ-RR 2010, 257, 258 und v. 20.11.1990 – 2 StR 424/90, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 23). Vielmehr ist eine Berechnung der Blutalkoholkonzentration aufgrund von Schätzungen unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes auch dann vorzunehmen, wenn die Einlassung des Angekl. sowie gegebenenfalls die Bekundungen von Zeugen zwar keine sichere Berechnungsgrundlage ergeben, jedoch eine ungefähre zeitliche und mengenmäßige Eingrenzung des Alkoholkonsums ermöglichen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.4.2010 – 5 StR 135/10, aaO und v. 17.3.1994 – 4 StR 54/94, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 29; Urt. v. 13.5.1993 – 4 StR 183/93, StV 1993, 519).“

(BGH, Beschluss vom 23.01.2019 – 1 StR 448/18)

Die Abhängigkeit von Rauschmitteln kann unter dem Gesichtspunkt einer krankhaften seelischen Störung ausnahmsweise eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit etwa dann begründen, wenn langjähriger Betäubungsmittelkonsum zu schwersten Persönlich-keitsveränderungen geführt hat.

(BGH, Beschluss vom 04.09.2018 – 3 StR 344/18)

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann bei Beschaffungstaten eines rauschgiftabhängigen Täters dessen Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert sein kann, wenn er aus Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen handelt, die er schon als äußerst unangenehm erlitten hat (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.2017).

6. Versuch und Vollendung – §§ 22 ff. StGB

a) Vorbereitungshandlung und Versuch

Ein unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB stets gegeben, wenn der Täter ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands. Bei einem mehraktigen Geschehen ist bei Betrug für das unmittelbare Ansetzen grundsätzlich diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögenschaden herbeiführen soll.

(BGH, Urteil vom 09.05.2017 – 1 StR 265/16)

Bezieht der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan ein, so liegt ein Ansetzen des Täters zur Begehung der Tat im Allgemeinen zwar schon dann vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, dass der Tatmittler seinerseits durch eigene Handlungen zur Tat ansetzt. Ein unmittelbares Ansetzen ist vielmehr im Regelfall schon gegeben, wenn der Tatmittler vom Täter in der Vorstellung entlassen wird, dieser werde die tatbestandsmäßige Handlung in engem Zusammenhang mit dem Abschluss seiner Einwirkung vornehmen. Jedoch fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen des Täters zur Begehung der Tat bereits durch den Abschluss seiner Einwirkung auf den Tatmittler, wenn dies erst nach längerer Zeit zur Tatbegehung führen soll oder wenn ungewiss bleibt, ob und wann es die gewünschte Folge hat, also wann eine konkrete Gefährdung des angegriffenen Rechtsguts eintritt. In diesen Fällen der Verzögerung oder Ungewissheit der Tatausführung durch den Tatmittler beginnt der Versuch erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Erfüllung des Tatbestands ansetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - 1 StR 577/13, NZWiSt 2014, 432, 436).

(BGH, Urteil vom 23.10.2019 - 2 StR 139/19)

b) Beendeter oder unbeendeter Versuch

Die Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch erfolgt auf Basis der letzten vom Täter vorgenommenen Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont).

(BGH, Beschluss vom 23.11.2016 – 4 StR 471/16, Rn. 7)

Vgl. auch: BGH, Beschluss vom 22.03.2017 – 5 StR 6/17; BGH, Beschluss vom 23.08.2017 – 5 StR 303/17.

Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt. Jedenfalls die Beweiswürdigung zur Frage eines strafbefreienden Rücktritts des Angeklagten vom Versuch der Tötung des Nebenklägers begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch darauf an, ob der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält. Wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung in zutreffender Einschätzung der durch die Tathandlung verursachten Gefährdung des Opfers den Erfolgseintritt für möglich hält, ist der Versuch beendet. Entsprechendes gilt, wenn der Täter den Erfolgseintritt in Verkennung der Ungeeignetheit der Handlung für möglich hält. Ein strafbefreiender Rücktritt setzt in solchen Fällen voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt verhindert oder sich jedenfalls ernsthaft darum bemüht, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt. Rechnet der Täter nach der letzten Ausführungshandlung noch nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges, und sei es auch nur in Verkennung der verursachten Gefährdung des Opfers, ist der Versuch unbeendet, sofern die Vollendung aus der Sicht des Täters noch möglich ist. In Fällen unbe- endeten Versuchs genügt ein bloßes Aufgeben weiterer Tatausführung und Nichtweiterhandeln, um die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Abzugrenzen von den Fällen des unbeendeten und beendeten Versuchs sind die Fälle des fehlgeschlagenen Versuchs, in denen entweder der Erfolgseintritt, wie der Täter erkennt, nicht mehr möglich ist, oder der Täter ihn nicht mehr für möglich hält. Dann ist ein Rücktritt ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221,227 f.).

b) Der Rücktrittshorizont kann in engen Grenzen auch noch nachträglich korrigiert werden. Erkennt der Täter, der nach der letzten Ausführungshandlung den Erfolgseintritt zunächst für möglich hält, unmittelbar darauf, dass er sich geirrt hat, kann er durch Abstandnahme von weiteren möglichen Ausführungshandlungen mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurücktreten. Rechnet der Täter zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, ist auch eine umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizontes möglich, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat. In diesem Fall liegt ein beendeter Versuch vor (BGH, Urteil vom 15. März 2018 - 4 StR 397/17)

(BGH, Beschluss vom 17.12.2019 – 2 StR 340/19)

Rücktritt bei Tatbeteiligung mehrerer

Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB werden bei der Tatbeteiligung mehrerer diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Dafür kann es genügen, wenn Mittäter im Fall eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies könnten. Bei einer versuchten Nötigung ist es insoweit ausreichend, dass die Täter freiwillig davon absehen, ihr Nötigungsziel weiter mit den tatbestandlichen Nötigungsmitteln zu verfolgen. Für die Frage, ob ein unbeendeter Versuch vorliegt, kommt es auf die Sicht der Täter nach Ende der letzten Ausführungshandlung an. Gehen sie zu diesem Zeitpunkt davon aus, noch nicht alles getan zu haben, was zur Herbeiführung des Erfolgs erforderlich ist, ist ein unbeendeter Versuch anzunehmen. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das für die revisionsrechtliche Prüfung erforderliche Vorstellungsbild der Täter nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

(BGH, Beschluss vom 29.08.2017 – 4 StR 116/17)

Ein unbeendeter Versuch ist anzunehmen, wenn die Vollendung aus der Sicht des Täters noch möglich ist. In Fällen unbeendeten Versuchs genügt bloßes Aufgeben weiterer Tatausführung und Nichtweiterhandeln, um die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Abzugrenzen sind die Fälle des fehlgeschlagenen Versuchs, in denen entweder der Erfolgseintritt objektiv nicht mehr möglich ist oder der Täter ihn nicht mehr für möglich hält. Beim fehlgeschlagenen Versuch ist der Rücktritt ausgeschlossen. Ein Fall des fehlgeschlagenen Versuchs liegt jedoch nicht vor, wenn der Täter nach anfänglichem Misslingen des vorgestellten Tatablaufs sogleich zu der Annahme gelangt, er könne ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln die Tat noch vollenden.

(BGH, Beschluss vom 08.12.2016 – 2 StR 440/16)

Ein unbeendeter Versuch kommt auch dann in Betracht, wenn der Täter nach seiner letzten Tathandlung den Eintritt des Taterfolgs zwar für möglich hält, unmittelbar darauf aber zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne diesen doch nicht herbeiführen, und er nunmehr von weiteren fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten zur Verwirklichung des Taterfolges absieht. Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf bei versuchten Tötungsdelikten insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch zu vom Täter wahrgenommenen körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt. Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben. Dabei ist die Feststellung der tatsächlichen Vorstellungen des Täters entscheidend; nicht ausreichend sind Feststellungen, die sich auf einen Fahrlässigkeitsvorwurf beschränken, etwa die Wertung, der Täter habe den Erfolg für möglich halten müssen.

(BGH, Beschluss vom 07.03.2017 – 3 StR 501/16)

Abgrenzung zum beendeten Versuch

Die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchten sexuellen Übergriffs gemäß § 177Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, §§ 22, 23 StGB zum Nachteil der Nebenklägerin N. kann nicht bestehen bleiben, weil die Begründung, mit der das Landgericht die Annahme eines Rücktritts abgelehnt hat, Rechtsfehler aufweist.

a) Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte am 28. Februar 2018 nach 1.00 Uhr der Nebenklägerin in Tötungsabsicht mit einem Hammer mehrere Schläge auf den Kopf. Anschließend fesselte er der wehr- und regungslosen Nebenklägerin die Hände auf den Rücken, knöpfte ihr Schlafanzugoberteil auf und entblößte ihre Brüste. Zudem zog er ihr die Schlafanzughose und die Unterhose aus. Dabei hielt er ein Versterben für möglich. Kurz nach 2.21 Uhr wurde er von der Polizei am Tatort festgenommen. Die Strafkammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte an der Nebenklägerin „sexuelle Handlungen“ vornehmen wollte. Bei der Tat handele es sich um einen beendeten Versuch, wobei der Angeklagte durch die eintreffende Polizei an der weiteren Tatausführung gehindert worden sei. Auch habe er nichts unternommen, um den Eintritt des Taterfolgs zu verhindern.

b) Diese Ausführungen belegen den angenommenen Ausschluss eines Rücktritts vom beendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB nicht. Schon die Annahme eines beendeten Versuchs findet in den Urteilsgründen keine Stütze.

aa) Ein Versuch ist beendet, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung die tatsächlichen Umstände, die einen Erfolgseintritt nahelegen, erkennt oder wenn er den Erfolgseintritt in Verkennung der tatsächlichen Ungeeignetheit der Handlung bereits für möglich hält. Hat er nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist, liegt nur ein unbeendeter Versuch vor (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2019 - 4 StR 464/18, Rn. 7 f.; Urteil vom 18. Februar 2015 - 2 StR 38/14, NStZ-RR 2015, 138, 139; Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 StR 154/14, NStZ 2014, 507 Rn. 13 mwN).

bb) Danach ist die Annahme eines beendeten Versuchs schon deshalb nicht belegt, weil die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, welches Vorstellungsbild der Angeklagte nach dem von der Strafkammer noch nicht als sexuelle Handlung gewerteten Entkleiden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 8. November 2016 - 5 StR 431/16, Rn. 5; Beschluss vom 13. Februar 1997 - 4 StR 648/96, NStZ-RR 1997, 292 mwN) der Nebenklägerin hatte. Im Übrigen ist die Annahme eines beendeten Versuchs in der vorliegenden Fallkonstellation ausgeschlossen.

(BGH, Beschluss vom 19. Juni 2019 – 4 StR 185/19)

Vorstellungsbild des Täters bei freiwilligem Rücktritt

Fehlgeschlagen ist ein Versuch nur dann, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält.

Maßgeblich ist das Vorstellungsbild des Täters unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung. Die vollständige Durchführung eines Tatplans steht einem freiwilligen Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht entgegen.

Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht Stand. (Leitsätze des Verfassers)

(BGH, Beschluss vom 26.02.2019 - 4 StR 464/18)

Rücktritt bei mehraktigen Delikten

Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung der Tat nicht mehr für möglich hält. Bei einem mehraktigen Geschehen ist der Rücktritt hinsichtlich eines Einzelakts ausgeschlossen, wenn dieser Einzelakt bereits als fehlgeschlagener Versuch zu werten ist. Sind die Einzelakte untereinander und mit der letzten Tathandlung durch die subjektive Zielsetzung des Angeklagten zu einem einheitlichen Geschehen verbunden, kommt es allein auf die subjektive Sicht des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an.

Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet. Zwar liegt es bei äußerst gefährlichen Handlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. (Leitsätze der Redaktion)

(BGH, Beschluss vom 15.01.2019 - 4 StR 470/18)

7. Rücktritt –§ 24 StGB

Von außen kommender Anstoß zum Umdenken muss der Freiwilligkeit des Rücktritts nicht entgegenstehen

Zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch ist das Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (Rücktrittshorizont) unerlässlich. Soweit sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten nicht hinreichend entnehmen lässt, kann das Urteil einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Der Annahme von Freiwilligkeit iSd § 24 I StGB steht es nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will und dementsprechend „Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist.

Die Verständigung der Polizei und die Kenntnis des Angeklagten davon rechtfertigen für sich genommen weder die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs, noch stehen sie grundsätzlich einer Freiwilligkeit iSd § 24 I 1 StGB entgegen, da ein Täter in der Zeit bis zum Eintreffen derselben grundsätzlich noch ungehindert weitere Ausführungshandlungen vornehmen kann, ohne dass damit für ihn eine beträchtliche Risikoerhöhung verbunden sein muss.

(BGH, Beschluss vom 07.03.2018 - 1 StR 83/18)

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Angeklagte jedoch deshalb nicht wegen der Taten des versuchten Mordes und der versuchten (besonders) schweren räuberischen Erpressung mit Todesfolge bestraft werden, weil er im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB die Vollendung dieser Tatbestände verhindert hat. Der Schuldspruch hat daher keinen Bestand.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB auch dann in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder „optimale“ gewählt hat, sofern sich das auf Erfolgsabwendung gerichtete Verhalten des Versuchstäters als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung als ursächlich erweist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2018 – 1 StR 201/18, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Verhinderung 2 Rn. 8). Es kommt nicht darauf an, ob dem Täter schnellere oder sicherere Möglichkeiten der Erfolgsabwendung zur Verfügung gestanden hätten; das Erfordernis eines „ernsthaften Bemühens“ gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB gilt für diesen Fall nicht (BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2002 – 2 StR 251/02, BGHSt 48, 147, 149 ff. und vom 5. Juli 2018 – 1 StR 201/18, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Verhinderung 2 Rn. 8). Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich geworden ist (vgl. BGH, Urteile vom 22. August 1985 – 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 301; vom 13. März 2008 – 4 StR 610/07, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 2 Bemühen 7 und vom 20. Mai 2010 – 3 StR 78/10 Rn. 8). Ohne Belang ist dabei, ob der Täter noch mehr hätte tun können, sofern er nur die ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel benutzt hat, die aus seiner Sicht den Erfolg verhindern konnten (vgl. BGH aaO, BGHSt 33, 295, 301 mwN; BGH, Beschluss vom 5. Juli 2018 – 1 StR 201/18, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Verhinderung 2 Rn. 8).

b) Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Angeklagte durch Verhinderung des Taterfolgs der Tötung von Menschen gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB wirksam vom – beendeten – Versuch des Mordes zurückgetreten.

Indem er in einer anonym verfassten E-Mail auf die kontaminierten Produkte aufmerksam machte, setzte der Angeklagte eine neue Kausalkette in Gang, die nicht nur aus seiner Sicht zur Sicherstellung der vergifteten Babynahrung führen sollte, sondern tatsächlich zu deren Auffinden führte und sich damit für die Verhinderung der Tatvollendung auch als ursächlich erwies. Den Feststellungen des Landgerichts ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Angeklagte mit seiner E-Mail auch auf die Vereitelung des von ihm freilich als möglich erkannten Tötungserfolges abzielte.

(BGH, Beschluss vom 05. Juni 2019 – 1 StR 34/19)

Die Erwägungen des Schwurgerichts, mit denen es einen strafbefreienden Rücktritt vom Tötungsversuch abgelehnt hat, halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB kann der Täter eines versuchten Delikts durch die Aufgabe der weiteren Tatausführung strafbefreiend vom Versuch zurücktreten, wenn er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Freiwilligkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Täter „Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und er die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich hält, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert, noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 3. April 2014 - 2 StR 643/13, NStZ-RR 2014, 241; BGH, Urteile vom 28. September 2017 - 4 StR 282/17, juris Rn. 10; vom 10. April 2019 - 1 StR 646/18, juris Rn. 8, jeweils mwN). Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das der Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. April 2019 - 1 StR 646/18, aaO).

Hieran gemessen tragen die Feststellungen des Landgerichts den Ausschluss eines strafbefreienden, freiwilligen Rücktritts des Angeklagten nicht. Weder war er durch objektive Umstände noch aufgrund seiner psychischen Verfassung daran gehindert, dem bereits schwer verletzten Geschädigten weiter nachzusetzen und seine Tötungshandlung fortzusetzen. Dass dem Angeklagten die Weiterverfolgung des Geschädigten nicht möglich war, ohne die Geschädigte Z. , der sein vorrangiges Interesse galt, aus den Augen zu lassen, steht der Freiwilligkeit nicht entgegen. Denn die Freiwilligkeit des Rücktritts wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Angeklagte nicht aus einem sittlich billi- genswerten Motiv von weiteren Angriffen auf sein Opfer absieht, sondern nur deshalb, weil er sein weiteres Opfer, nicht entkommen lassen will (vgl. Senat, Urteil vom 29. September 2004 - 2 StR 149/04, NStZ 2005, 150, 151). Die Abstandnahme von der weiteren Tatausführung erweist sich hier als das Ergebnis einer nüchternen Abwägung, bei der der Angeklagte Herr seiner Entschlüsse blieb.

Einem Rücktritt steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte nicht die Durchführung seines gesamten strafrechtlich relevanten Vorhabens aufgab, sondern nur darauf verzichtete, den Geschädigten P. weiter zu verfolgen, und stattdessen seine Tat zum Nachteil der Geschädigten Z. fortsetzte. Zwar kann grundsätzlich nur derjenige strafbefreiend zurücktreten, der die Durchführung des kriminellen Entschlusses im Ganzen und endgültig aufgibt. Diese Erwägung betrifft aber stets nur den Entschluss, von der Vollendung eines bestimmten Verbrechens oder Vergehens im Sinne eines gesetzlich umschriebenen Straftatbestandes abzusehen (BGH, Urteil vom 13. Februar 1985 - 3 StR 481/84, BGHSt 33, 142, 144 f.; Senat, Beschluss vom 13. Januar 1988 - 2 StR 665/87, BGHSt 35, 184, 186 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2017 - 4 StR 539/17, juris Rn. 6; Beschluss vom 5. Juni 2019 - 1 StR 34/19, juris Rn. 18 f. mit Anm. Kudlich in JA 2020, 64, 66 und Anm. Schiemann in NJW 2019, 3662). Dementsprechend steht einem Rücktritt nicht entgegen, wenn der Täter den zunächst Geschädigten nicht weiterverfolgt, um sich einem anderen Opfer zuzuwenden, dessen Tötung er für vordringlich erachtet (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Januar 1988 - 2 StR 665/87, aaO).

Auch dass der Angeklagte mit der Flucht des P. sein weitergehendes, mit Blick auf den Tötungsversuch außertatbestandliches Ziel der Beutesicherung erreicht hatte, rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder die Annahme eines Fehlschlags noch der Unfreiwilligkeit (vgl. zur außertatbestandlichen Zielerreichung BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 230 ff.; Senat, Beschluss vom 26. Juni 2019 - 2 StR 110/19, NStZ-RR 2019, 271).

ee) Einem freiwilligen Rücktritt des Angeklagten vom Tötungsdelikt steht schließlich auch nicht die Feststellung der Strafkammer entgegen, dass dem Angeklagten die Gefahr drohte, bei der Verfolgung des P. entdeckt zu werden.

(BGH, Beschluss vom 14.01.2020 – 2 StR 284/19)

Ein

Fehlschlag des Versuchs

ist nur dann anzunehmen, wenn die Tat nach der Vorstellung des Täters mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln nicht mehr ausgeführt werden und nur noch mit zeitlicher Verzögerung nach Ingangsetzen einer neuen Kausalkette vollendet werden kann.

Der

Versuch ist nicht fehlgeschlagen

, wenn der Täter, wie er weiß, ohne zeitliche Zäsur sofort ein neues bereitstehendes Mittel einsetzen könnte, auch wenn er daran bei der gedanklichen Vorbereitung der Tat nicht gedacht hat. Unschädlich ist auch der Übergang von bedingtem zu direktem Vorsatz, solange hierdurch die Einheitlichkeit des Gesamtgeschehens weder in zeitlicher noch in örtlicher Hinsicht beseitigt wird. (Leitsätze der Redaktion)

(BGH, Beschluss vom 18.12.2018 - 4 StR 493/18)

Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält, wobei es auf die Tätersicht nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung ankommt (Rücktrittshorizont). (Leitsatz der Redaktion)

(BGH, Urteil vom 06.12.2018 - 4 StR 260/18)

Der Täter kann für das gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB von ihm geforderte Ingangsetzen einer neuen Kausalkette, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich, oder jedenfalls mitursächlich wird, auch Dritte hinzuziehen (BGH, Urteil vom 22. August 1985 - 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295 (302); Beschluss vom 25. Februar 1997 - 4 StR 49/97, NStZ-RR 1997, 193; Urteil vom 13. März 2008 - 4 StR 610/07, NStZ 2008, 508, 509). Dass daneben andere, vom Willen des Täters unabhängige Umstände zur Verhinderung der Tatvollendung beitragen, steht einem strafbefreienden Rücktritt ebenso wenig entgegen wie die Möglichkeit, etwas anderes oder mehr zu tun, um die Vollendung der Tat mit größerer Sicherheit zu verhindern (vgl. Senat, Urteil vom 7. November 1984 - 2 StR 521/84, NJW 1985, 813, 814; BGH, Beschluss vom 9. Dezember 1998 - 5 StR 584/98, NStZ 1999, 128).

(BGH, Urteil vom 12.09.2018 – 2 StR 113/18)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch darauf an, ob der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält. Wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung in zutreffender Einschätzung der durch die Tathandlung verursachten Gefährdung des Opfers den Erfolgseintritt für möglich hält, ist der Versuch beendet. Entsprechendes gilt, wenn der Täter den Erfolgseintritt in Verkennung der Ungeeignetheit der Handlung für möglich hält. Ein strafbefreiender Rücktritt setzt in solchen Fällen voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt verhindert oder sich jedenfalls ernsthaft darum bemüht, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt. Rechnet der Täter nach der letzten Ausführungshandlung noch nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges, und sei es auch nur in Verkennung der verursachten Gefährdung des Opfers, ist der Versuch unbeendet, sofern die Vollendung aus der Sicht des Täters noch möglich ist. In Fällen unbe- endeten Versuchs genügt ein bloßes Aufgeben weiterer Tatausführung und Nichtweiterhandeln, um die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Abzugrenzen von den Fällen des unbeendeten und beendeten Versuchs sind die Fälle des fehlgeschlagenen Versuchs, in denen entweder der Erfolgseintritt, wie der Täter erkennt, nicht mehr möglich ist, oder der Täter ihn nicht mehr für möglich hält. Dann ist ein Rücktritt ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221,227 f.).

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