Bildkomposition - Anselm F. Wunderer - E-Book

Bildkomposition E-Book

Anselm F. Wunderer

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Beschreibung

Anselm F. Wunderer versteht es in seiner unterhaltsamen Art, auch kompliziertere Zusammenhänge der Fotografie selbst dem Einsteiger verständlich zu beschreiben. Mit den vielen Übungsvorschlägen zeigt Wunderer den effektiven Weg des "learning by doing". Die neue Reihe "clever fotografieren" zeichnet sich aus durch: übersichtliche Gestaltung, klar verständliche Texte, informative Bebilderung, einprägsame Merksätze sowie Aufgabenstellungen für die eigene Praxis. Dieser Workshop wendet sich an all jene, die Freude an der Fotografie haben und Lust auf tolle Bilder verspüren, für alle die mit ausdruckstarken Aufnahmen aus einer Mischung künstlerischer Freiheit und den Regeln der Bildgestaltung ihre eigene Bildersprache entwickeln wollen.

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Anselm F. Wunderer

clever fotografieren

Workshop 2

BILDKOMPOSITION

Anselm F. Wunderer

clever fotografieren

Workshop 2 BILDKOMPOSITION

Inhalt

WIR SEHEN, also wollen wir gestalten

Sehen und Wahrnehmen

Bildkomposition

Bilder werden subjektiv wahrgenommen

FORMATE und ihre Wirkung

Querformat

Hochformat

Andere Formate?

Das Quadrat

Vom Quadrat zum Kreis

Extreme Formate

Extrem quer: Panorama

Extrem hoch

TECHNISCHE MITTEL

Mit Schärfe gestalten

Bewegtes scharf oder Bewegungsunschärfe

Effekte

Tele, Weitwinkel: Brennweiten

LICHT in allen Varianten nutzen

Grundarten des Lichts

Bildstil

Hartes Licht

Weiches Licht

Diffuses Licht

Licht und Stimmung

Low Key

High Key

Morgen- und Abendlicht

PERSPEKTIVE

Augen-, Vogel-, Froschperspektive

Augenperspektive

Vogelperspektive

Froschperspektive

Zu Seite 5

Die Stahlseile der Golden Gate, San Francisco, beherrschen das Bild. Brennweite 560 mm, 100 ISO, Blende 9.

Zentralperspektive

Zentral- und Vogelperspektive

Zentral- und Froschperspektive

Die dezentrale Perspektive

BILDELEMENTE und ihre Wirkung

Rechts – links

Symmetrie

Teilen und Platzieren

Der Goldene Schnitt

Diagonale

Winkel und Dreiecke

Gestalten mit Bogen und Kreisen

KONTRASTE auch in der Bildaussage

Kontraste von Schwarz bis Weiß

Kontraste zwischen Hell und Dunkel

Kontraste der Formen

Themenkontrast

Schlussakkord

Sachwortverzeichnis

WIR SEHEN,also wollen wir gestalten

Er war Jäger und einige Tage draußen in der Savanne. Abgekämpft und mit wenig Beute kommt er zurück zur Sippe. In seinem Kopf stapeln sich die „Bilder“ seiner Erlebnisse. Am Abend, beim Feuer berichtet er von Tieren, der Jagd und der Landschaft. Als er ein Tier beschreiben will, das er zuvor noch nie gesehen hat, reicht seine primitive Sprache nicht aus. Er greift zu einem kleinen Holzstück und zeichnet Umrisse in den Sand. Er gestaltet ein Bild.

45.000 Jahre sind inzwischen vergangen und das Bild unseres Ahnen ist genauso verschwunden, wie in Tausenden von Jahren die Bilddaten, die in unseren Computern schlummern.

Der Mensch hat schon immer Erlebnisse in Bildern festgehalten. In Höhlen, von Sonne und Wetter geschützt, blieben Alltagsszenen über tausende von Jahren erhalten.

Wann der Mensch tatsächlich begann, Erlebnisse abzubilden, ist nicht genau bekannt. Die ältesten, in Höhlen erhaltenen, menschlichen Kunstwerke weisen ein Alter von rund 35.000 Jahren auf. War es Anfangs eine Ergänzung zum Wort, so wurde daraus Kunst. Der Mensch hat ein Bedürfnis Erlebtes darzustellen und für längere Zeit zu bewahren. So entstanden vor rund 5.000 Jahren aus Bildern die ersten Bildschriften. Unzählige Sprachen mit unterschiedlichsten Schriftzeichen erschweren im Zeitalter der Globalisierung die Information und so kommen wieder Bilder zum Einsatz. Die Piktogramme. Klar und unmissverständlich weisen sie uns den Weg oder zeigen mit einem roten Rand versehen, Gefahren oder Verbote im Straßenverkehr an. Bilder, vor allem gute Bilder „sprechen“ für sich, sie brauchen keinen Text.

Piktogramme, die Bilderschrift unserer Zeit. Ohne Worte informieren sie Menschen aller Nationalitäten.

Nur die Natur schafft Perfektes scheinbar zufällig. Gute Symphonien und Opern wurden nicht aus dem Handgelenk geschüttelt. Sie sind eine Mischung aus Intuition und handwerklichem Können, dem erlernte Gesetzmäßigkeiten zugrunde liegen. Ein spannender Roman gelingt nur nach umfangreichen Recherchen und gelungener Dramaturgie.

Auch die meisten Verkehrsschilder warnen mit Bildsymbolen.

So ist es auch in der Fotografie. Die einmaligen Schnappschüsse sind rar wie ein Lottogewinn. Das Gros der guten Bilder ist ein Resultat aus „Bauch“ und „Hirn“.

Zum einen möchte ich Sie zum Sehen animieren, Ihnen aber auch das Rüstzeug für das Handwerkliche vermitteln. Mit dem Wissen um die bildgestaltenden Elemente können Sie bereits beim „Sehen“ erkennen, wie Sie eine alltägliche Situation in ein spannendes Bild verwandeln können. Da alle Theorie – so heißt es zumindest – grau ist, werde ich Sie recht häufig mit Aufgaben konfrontieren. Die sorgen dafür, dass Theorie und Praxis ganz schnell verschmelzen. Nehmen Sie das Umsetzen der Aufgaben aber nicht zu ernst. Mit Freude macht es nicht nur Spaß, es lernt sich auch leichter. Was mich betrifft, ich liebe es zu fotografieren. Selbst nach stundenlangem Businesseinsatz verspüre ich ein „Glücksgefühl“. Ich konnte wieder eine Menge Ideen und Einstellungen umsetzen. Das erzähle ich meinen Kunden aber besser nicht, sonst könnten sie auf die Idee kommen, das Honorar zu sparen.

Sehen, abbilden und mitteilen, also zeigen. An der Reihenfolge hat sich von den Höhlenzeichnungen bis zur digitalen Fotografie nichts geändert.

Dem Sehen, das betrifft den Menschen hinter der Kamera und den Betrachter von Bildern, kommt eine zentrale Bedeutung zu. Grund genug, dass wir uns damit auseinandersetzen.

Sehen und Wahrnehmen

Eigentlich ist es einfach. Ständig senden unsere Augen Informationen an das Gehirn. Wir brauchen doch nur die Kamera zu nehmen und von Zeit zu Zeit auf den Auslöser zu drücken. So könnten wir unsere Eindrücke ganz einfach anderen zugänglich machen. Doch ich gehe noch einen weiteren Schritt zurück, zu all unseren Sinnen. Wir hören, schmecken, riechen, fühlen und sehen. 80 % unserer Informationen sehen wir. Platz zwei belegen die akustischen Eindrücke und erst dann kommen die anderen drei Sinne. Die Reihung gilt natürlich nur dann, wenn wir auch alle Sinnesorgane einsetzen können. Bei Blinden z.B. nimmt Fühlen und Tasten eine wesentliche Stellung ein. Wir, die wir gewohnt sind oft mit einem Blick alles zu erfassen, haben es daher viel schwerer Unbekanntes im Finstern zu erfassen.

Es wäre recht mühsam, diesen Industrieroboter einem Laien mit Worten zu erklären.

Ein Beispiel. Wir werden mit verbundenen Augen zu einem fremden Ort gebracht. Die Augenbinde dürfen wir zwar abnehmen, doch um uns ist es völlig dunkel. Wir wissen nicht wo wir uns befinden und sind so vor allem auf unseren Tastsinn angewiesen. Der Raum scheint nicht besonders groß zu sein und wir stoßen auf einen Gegenstand, der etwa die Ausmaße eines Menschen hat. Wir fühlen Metallrohre und Schläuche die von einer Art Sockel ausgehen. Gelenke und viele Details können wir fühlen. Wer etwas mit Autoproduktion zu tun hat, wird den Fertigungsroboter vielleicht recht bald erkennen. Doch wenn es gilt, hinterher alles was sich so fühlen ließ zu beschreiben… Ja so schwierig ist es, wenn wir aufs Sehen verzichten müssen und die Eindrücke auch noch erzählen sollen.

Mit beiden Augen erfassen wir einen Blickwinkel von ca. 180° horizontal und 110° vertikal. Scharf sehen wir nur in einem Winkel von 5°-6°. Wenn uns außer der Plakatsäule im Zentrum etwas wichtig erscheint, wechseln unsere Augen blitzschnell dorthin.

Motive wie dieses, ohne klare Aussage, werden von unserem Gehirn ganz einfach übersehen.

Im Zeitalter der digitatlen Fotografie haben wir es doch richtig leicht. Sehen, auslösen und schon kann das Bild, anstelle der berühmten tausend Worte die Information weitergeben.

Doch wie sehen wir? Unsere Augen liefern Informationen an das Gehirn und erst dort entstehen „Bilder“. Wie wir sehen und wie diese Eindrücke erfasst werden, ist eine spannende Geschichte. Da gibt es doch Objektive die den Namen Fish Eye – also Fischauge tragen. Aha, sagt der Laie, Fische sehen also weitwinkelig, mit rund 180°. Und wir? Nun auch wir sehen horizontal mit einem Winkel von rund 180°. Doch leider ist fast alles unscharf. Scharf sehen wir nur mit einem Winkel von etwa 5° bis 6° und das ist verdammt wenig. Wir, oder besser gesagt unsere Augen sind ständig getrieben, den umfangreichen (unscharfen) Informationen zu folgen. Gleich einem Scanner arbeiten wir uns mit dem 5° Teleblick durch das „unscharfe“ Panorama. Der Impuls der uns aufmerksam macht, etwas genauer zu betrachten, muss innerhalb 1/100 Sekunde erfolgen. Magnetisch wird unser Blick also von Herausragendem angezogen. Scheinbar Unwichtiges „übersehen“ wir ganz einfach. Unauffälliges nehmen wir also nicht bewusst wahr und somit werden wir es auch nicht fotografieren.

Ein Vergleich mit dem Bildsensor einer Kompaktkamera: Die Kamera schafft zum Beispiel 14 MP. Die Fläche 0,29 cm2 (also ein 1/2,3“ Sensor). Hochgerechnet rund 48 Millionen Pixel pro cm2. Unser Auge erfasst ein Bild mit rund 6 Millionen farbtüchtiger Zapfen und etwa 120 Millionen Stäbchen, die sich lediglich auf die Helligkeitsunterschiede beschränken. Das sind in Summe rund 126 Millionen Informationen auf 6 cm2. Also 21 Millionen pro cm2. Rein rechnerisch betrachtet haben uns Bildsensoren also überholt. Ganz davon abgesehen, dass dort jedes Pixel „scharf sieht“.

Es ist gar nicht so einfach das Chaos eines Müllplatzes ungeschminkt und hässlich darzustellen.

Doch zurück zu unserer Wahrnehmung. Da unser Gehirn neue Informationen stets mit Bekanntem vergleicht, sind wir weit von einer objektiven Wahrnehmung entfernt. Wir idealisieren, wir sehen was wir wollen und ein wenig, wie wir es wollen. Da wir also bereits beim Sehen selektieren, zeigen auch unsere Bilder höchst subjektive Eindrücke. Spontan entscheiden wir uns für einen spektakulären Überblick mit dem Weitwinkel oder einen spannenden Ausschnitt mit dem Tele. Mehr noch, Zeitgeist und die allzu gut bekannten Reaktionen auf Bilder steuern uns unbewusst, Bilder so zu gestalten, dass sie gefallen. Haben Sie schon einmal versucht Hässliches – zum Beispiel einen Müllhaufen – darzustellen? Ich erwische mich immer wieder dabei, dass die Hässlichkeit viel zu ästhetisch aussieht. Hier muss man die Harmonie verlassen. Wie in der Musik mit Disharmonien schockieren, wachrütteln. Es geht also um die Komposition.

Bildkomposition

Unwillkürlich verbinden wir den Begriff Komposition mit Musik. Komponieren bedeutet zusammenstellen, zusammenfügen. Ton- gleichermaßen wie Bildelemente. Nicht zufällig sondern mit Bedacht. Die Gegensätze zwischen einem harmonisch wirkenden Bild und der Musik sind im Grunde genommen recht gering. Dennoch gibt es einen gravierenden Unterschied. Eine musikalische Komposition, also eine Sonate oder eine Symphonie, zieht ähnlich einem Film an uns vorbei. Eine Wiederholung ist im Konzertsaal nicht, wohl aber via Tonträger möglich. Gute oder mittelmäßige Interpretationen kann nur ein Profi sofort erkennen und bewerten. Der Laie muss die CD dazu recht oft abspielen. Bei einem Bild ist es ganz anders. Es zieht nicht vorbei, es kann beliebig lang betrachtet und somit auch kritisiert werden. Maler mussten sich daher ihre Kompositionen sehr genau überlegen, denn ihre Bilder schufen sie (fast) für die Ewigkeit. Musik-Komponisten hatten es (vor der Geburtsstunde der Schallplatte) einfacher. Gefiel die Aufführung beim ersten Mal nicht so ganz, machten sie ein paar Änderungen. Musik setzt sich aus unzähligen Tönen zusammen und wir empfinden am Ende gewissermaßen einen Gesamteindruck. Ein Bild hingegen muss auf Anhieb anziehen, so wie die ersten Sätze eines Romans. Texte und Bilder müssen also in ihrer Komposition (Zusammenstellung) spannend gestaltet werden, um Aufmerksamkeit zu erzielen.

Mit einer allzeit bereiten Kompaktkamera kann man auch in der U-Bahn Bilder komponieren.

Genug der Seitenblicke auf andere Künste, hier geht es um Bilder um das möglichst optimale Zusammenstellen von Elementen zu einer stimmigen Komposition. Bilder entstehen im Kopf. Also entsteht auch ihre Komposition im Kopf. Das wiederum bedeutet, dass wir uns jederzeit – in Gedanken – mit dem Gestalten von Bildern beschäftigen können. Zum Beispiel im Restaurant, beim Warten auf das Essen. …wenn der kleine Salzstreuer eine Linie zum Weinglas bildet und sich dahinter …Ja, so geht es mir recht oft. Im Flugzeug, in der U-Bahn, immer versuchen meine Gedanken Bilder zu gestalten, selbst wenn ich gar keine Kamera dabeihabe. Und so wird es auch Ihnen gehen, wenn Sie sich mehr und mehr mit dem Komponieren perfekter Bilder beschäftigen. Das sind recht hilfreiche „Trockenübungen“.

Zurück zur Realität, zum Gestalten, also Komponieren. Die sechs Schritte dieses Buches lassen sich auch mit einem Kochbuch vergleichen. Erst wer Wirkung und Eigenschaften der Zutaten kennt, kann köstliche Speisen kreieren. Weder willkürlich, noch zufällig entstehen Kompositionen von Speisen, Romanen, Musik oder eben Bildern. „Zusammenfügen“ bedeutet Regie. Selbst das Genie Mozart lernte von frühester Kindheit an die Regeln und Gesetzmäßigkeiten der Musik kennen und konnte mit diesem Rüstzeug Neues und Einmaliges schaffen. Ich möchte aber nicht, dass Sie nun den Eindruck haben, Sie müssten Bilder bis ins letzte Detail nach Regeln gestalten. Nein, ein gesunder Mix aus Gesetzmäßigkeit und künstlerischer Freiheit sind die Voraussetzungen für erlesene Bilder. Wäre es nicht so, könnte man Aufnahmen ja mathematisch kreieren, ohne Idee und „Gefühl“. Die würden dann ähnlich „leblos“ wirken, wie einst Musik die von automatischen Walzenklavieren gespielt wurde.

Wenn sich ein markanter Vordergrund mit dem Hintergrund zu einem Ganzen fügen soll, ist „Regie“ von Nöten.

Für gute Fotos kann es doch nicht reichen ein paar Ideen zu haben, da spielt doch auch die Kamera eine entscheidende Rolle, werden Sie sagen. Schon, aber die Ausrüstung, vor allem deren Qualität, ist für die Bildkomposition weit weniger wichtig als gedacht. Nicht der Pinsel machte das Gemälde, sondern der Künstler. Und daran hat sich auch in der Fotografie nichts geändert. Im Vordergrund steht viel mehr das Sehen und Experimentieren.

Bevor ich Ihnen allerdings Tipps und die zum Teil unvermeidlichen Regeln zur Komposition vermittle, ist es gar nicht so unwichtig ein wenig an die Wahrnehmung unserer „Werke“ durch Dritte, zu denken.

Bilder werden subjektiv wahrgenommen

So subjektiv wie wir auswählen, welches Motiv mit welchem Ausschnitt ein Foto wert ist, reagieren auch Betrachter. Ein Actionbild vom Fußball muss schon sehr außergewöhnlich sein, dass es einen lyrisch veranlagten Menschen anspricht. Und einem Kriegsberichterstatter wird das Bild einer nebelverhangenen Morgenstimmung vermutlich kaum auffallen. Sind Sie also nicht enttäuscht, wenn ein Bild an dem Ihr Herzblut hängt, Ihre beste Freundin (Freund) nicht anspricht. In ihrem (seinem) Gehirn haben einfach andere Themen Vorrang. Wer gerade einige Monate auf die Lieferung eines neuen Autos Modell XY wartet, sieht dessen „Geschwister“ plötzlich vermehrt im Straßenverkehr. Genauso wie Schwangeren die vielen Frauen mit Kinderwagen auffallen.

Im Zusammenhang mit der Beurteilung von Bildern fällt immer wieder der Begriff real. Was ist real und was nicht? Bilder stellen immer nur einen Kompromiss zur Wirklichkeit dar und wir versuchen damit, unsere Sicht, dem Betrachter als scheinbare Realität „zu verkaufen. Erinnern Sie sich an Ihre Kindheit, da war vieles erheblich größer. Sie hatten eben eine andere Sichtweise. Scheinbar realistisch ist die „normale“ Wahrnehmung nur solange wir keine neue erproben. Abbilder zu schaffen bedeutet Reproduktion. Neues, selbst von sehr Vertrautem zu schaffen, sollte das Ziel sein. Neues fällt auf. Mit einem neuen Gewürz wird selbst der traditionelle Braten zum Erlebnis. Doch was ist schon neu? Worauf „springen“ Betrachter an?

Dazu noch mal ein paar Betrachtungen über die Wahrnehmung. Eine hundertstel Sekunde entscheidet darüber, ob ein Bild Beachtung findet. Unscharfes erschwert die Wahrnehmung. Wie in der Musik, klare Akkorde werden erkannt, ja sie prägen sich ein. Einst nannte man sie Gassenhauer, heute sind es die Hits. Monoton, plätschernde Melodien werden nicht nur kaum wahrgenommen, sie werden vor allem nicht „gespeichert“. Das trifft natürlich auch auf den Geschmacks- sowie den Geruchssinn, bevorzugt aber auf das Sehen, zu. Nur Besonderes fällt auf und hinterlässt einen starken Eindruck. Da sind wir somit beim oft zitierten ersten Eindruck gelandet. Er ist entscheidend. Die Konzentration auf das Wesentliche. Das sind die Eyecatcher. Details, so wichtig sie auch sein mögen, zählen nicht beim ersten Eindruck, sie finden erst hinterher Beachtung. Je klarer die Form, umso leichter die Erkennbarkeit. Das Gehirn des Betrachters findet leichter Vergleichbares im „Speicher“.

Die subjektive Wahrnehmung sorgt dafür, dass uns Dinge auffallen, die uns gerade beschäftigen. Wer also gerade daran denkt, seine Energiekosten durch eine Solaranlage zu senken, sieht plötzlich vermehrt Dächer mit Solarzellen.

Markantes in Form und Farbe erweckt die Aufmerksamkeit. Bilder mit klarer Aussage fallen dem Betrachter ganz einfach auf.

Superangebote locken Kunden, die dann auch anders kaufen.

Eyecatcher locken Betrachter an, sich auch die Bilddetails anzusehen.

Der Ausschnitt einer Fuchsienblüte (Abbildungs-Maßstab 3:1) ist so abstrakt, dass nur ein Botaniker das Bild deuten kann.

Wie also könnte das Rezept zu ansprechenden Bildern fürs Erste lauten? Man nehme Bekanntes und serviere es ein wenig anders. Aus einem unerwarteten Blickwinkel oder als Ausschnitt. Wählen Sie eine ausgewogene Mischung aus Spannung und Harmonie und sorgen Sie dafür, dass Ihre Kompositionen nicht so langweilig wie die typischen Touristenfotos ausfallen. Aber auch nicht zu abstrakt, so wie extreme Makroaufnahmen, deren Inhalt nur Botaniker erkennen können.

Die typischen Touristenfotos sind vor allem deshalb so langweilig, weil der Blickwinkel für den Betrachter nichts Neues und somit Interessantes bietet.

Dieser Schnappschuss musste mit einer Aufnahme gelingen, denn dann wurde der Maler auf mich aufmerksam. Leider lief genau zum richtigen Zeitpunkt eine Touristin vorbei und „wächst“ so aus der Schulter des Künstlers.

Mit ein wenig Zeitaufwand konnte ich die Dame im Zuge der Bildbearbeitung „wegzaubern“. Es wäre doch schade um die Aufnahme gewesen.

Natürlich treffen Sie bei Werbeaufnahmen auch auf Bilder die durch Provokation auffallen. (Auch Regisseure, wollen mit Premierenskandalen auf sich aufmerksam machen.) Alle guten Regeln für ein gefälliges Bild werden dabei über Bord geworfen. Neues, ungewohntes steht im Vordergrund. So gesehen erfüllen diese Bilder einfach einen anderen Zweck. Doch ich denke, Sie wollen eher nicht provozieren, sondern Aufnahmen machen, die gefallen. Bilder mit denen Sie sich Freunde schaffen.

Gleich geht’s zur Sache. Die digitale Fotografie bietet unendlich viele Möglichkeiten wirklich perfekte Bilder zu machen, doch manchmal fehlt dazu noch eine Kleinigkeit. Der Ausschnitt passt nicht, ein Mast oder eine Leitung stört. Nun dann können Sie die kleinen Schönheitsfehler ja in der Bildbearbeitung leicht beseitigen. Deshalb werde ich Ihnen das eine oder andere Mal auch Tipps für die „Optimierung“ in Adobe Photoshop geben.

Nun kann es losgehen. Ich habe die Bildkomposition in sechs „Schritte“ gegliedert, einer so interessant wie der andere. In welcher Reihenfolge Sie es angehen, bleibt Ihnen überlassen. Sie können ja würfeln. Aber ich bin sicher, Sie werden die Wahl für Ihren ersten Schritt auch ohne Hilfe schaffen.

FORMATE und ihre Wirkung

Sie waren eine richtige Künstlerfamilie. Der Vater, Carl Teibler verbrachte, als Porträtist viele Sommer in Bad Ischl um dort die kaiserlichen Gäste auf Leinwänden zu verewigen. Während der Sohn nach und nach in seine Fußstapfen stieg, begeisterte sich die Tochter Crescentia vor allem für Blumen und Architektur. Schon als Kind faszinierten sie die hohen Berge im Salzkammergut. Diesen, ihren Eindruck wollte Sie auch in einem Bild der alpinen Flora vermitteln. Hoch, sehr hoch sollte die Szene sein und so entschied sie sich für das Format 18 × 55 cm. Dem Seitenverhältnis 1:3.

In der Malerei hatte das Format schon immer eine zentrale Bedeutung. Als Leonardo da Vinci das Bild vom letzten Abendmahl anfertigen sollte, kam für ihn nur eine recht breite Wand in Frage. Dreizehn Personen an einem Tisch lassen sich nun mal nicht in ein Quadrat zwängen. 9,04 × 4,22 m misst das Bild im Refektorium der Mailänder Dominikanerkirche. Da Vinci hat sich dabei aber nicht am Format der Wand orientiert, die um einiges höher ist. Wer sich das Abendmahl heute ansieht, stellt schnell fest, dass die wesentliche Aussage im oberen Bereich des Tischtuches beginnt und der später eingesetzte Türrahmen das Fresko zwar stört, die Komposition im Ganzen aber nicht allzu sehr beeinträchtigt. Die Bildaussage konzentriert sich somit auf eine Höhe von rund 3,3 Metern und damit auf das spannende Seitenverhältnis von annähernd 3:1.

Crescentia Teibler, alpines Stillleben im Salzkammergut 1911

Wände, Holztafeln und Leinwand waren nicht genormt, und so wählten die Künstler ganz einfach ein Seitenverhältnis das dem Motiv und seiner Wirkung entsprechen sollte. Von den ersten Zeichnungen in Sand und an Höhlenwänden bis zur Malerei der Gegenwart, stand immer der Inhalt und nicht das Format im Vordergrund. Kameras – gleich ob einst für Glasplatten, dann für Film und nun mit Sensoren – verlangen nach einem Format. Das schränkt, zumindest auf den ersten Blick, die künstlerische Freiheit ein.

Leonardo da Vinci, Das letzte Abendmahl, 1495-1498, efektorium (Speisesaal) der Dominikanerkirche „Santa Maria delle Grazie“ in Mailand. 1652 wurde durch den Einbau einer Verbindungstüre zur dahinter liegenden Küche der untere Teil beschädigt.

Verwandt mit dem Format ist die Form, in Form bringen… und das klingt ein wenig offensiv. Aber sehen wir es positiv. Mit dem Format können Sie Ihren Bildern einen „Rahmen“ geben. Sie können sie formen und somit innerhalb der gewählten Fläche gestalten. Es liegt also an uns ob wir „förmlich“ gezwungene, „ein- oder gar gleichförmige“ Bilder machen. Es geht auch anders. In jedem Fall zwingt uns ein Format zu einer Entscheidung. Zur Entscheidung für den optimalen Ausschnitt.

Bildsensoren sind rechteckig. Und somit ist auch das Aufnahmeformat aller Digitalkameras rechteckig. Das Aufnahmeformat praktisch aller Kompakt- und Bridgekameras hat ein Seitenverhältnis von 4:3. Auch bei den Systemkameras – mit und ohne Spiegel – gibt es einige Hersteller (Olympus, Panasonic und Leica), die mit dem Four-Third-Standard, auf 4:3 setzen. Alle anderen Marken entschieden sich bei Systemkameras für das Seitenverhältnis 3:2.

Sehen wir uns doch an, was sich mit den Formaten im Verhältnis 4:3 und 3:2 gestalten lässt. Sie haben die Wahl zwischen quer und hoch und damit gibt es bereits zwei Varianten die Bildaussage zu beeinflussen.

Querformat

Da unsere Augen, wie schon erwähnt, horizontal einen größeren Bildwinkel erfassen, kommt das Querformat unserer Sichtweise sehr entgegen. Das Querformat vermittelt Ruhe und Ausgeglichenheit. Das kann sich aber rasch ändern, wenn wir diesen Rahmen mit einem spannenden Motiv füllen.