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Diese Kurzgeschichten sind natürlich frei erfunden. Sie sind bizarr und abstrakt. Sehr außergewöhnlich und ungewöhnlich! Teilweise zum Nachdenken anregend. Gute Unterhaltung!
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Bizarritäten
29 Kurzgeschichten
von
ALFRED J. SCHINDLER
INHALTSVERZEICHNIS
Aufstand der Lettern
Die Seele
Die Augen
Die alte Karre
Der Euro
Die Nase
Die Ohren
Lebenserfahrung
Das besondere Bild
Die Wesen
In der Tiefgarage
Das Gefühl
Der Mund
Der alte Mann und sein Benz
Sein Vorbild
Die Tür
Selbstüberschätzung
Wellenreiten
Berufserfahrung
Die Armbanduhr
Außergewöhnlich !
Der Tod höchstpersönlich
Der Baum
Der flache, grüne Hund
„ER“
Erdlinge
Das kleine Tief
Der Seele Irrtum
Selbstverteidigung
Ein Buch - schweinsledern gebunden und ca. vierzig Jahre alt - existierte in einer noch älteren Bibliothek. Es stand in einem hohen Holzregal, weit abseits von all den Bestsellern aus neueren Zeiten. Man hatte es seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr ausgeliehen, geschweige denn gelesen... Es fühlte sich sehr einsam und total vernachlässigt.
Eines Tages begann in diesem speziellen Buch eine große Revolte der Buchstaben. Es hatte mit den Lettern auf der Rückseite begonnen, die den genauen Inhalt des Buches beschrieben. Diese begannen nun - professionell organisiert - einen Aufstand in der Hinsicht, dass sie den eigentlichen Inhalt - die vielen Zehntausende und Hunderttausende von Lettern - nacheinander gezielt aufhetzten. Eine Seite gab es an die andere weiter. Sie - die Lettern - wollten aus dem alten, vergilbten Buch ausbrechen und eigene, neue Wege gehen. Viele träumten davon, in andere Worte, Sätze und Kapitel geformt, in einem neuen, schönen und aktuellen Buch zu stehen. Der Größte aller Träume war natürlich der, auf einer Titelseite zu sein. Ja, das wünschte sich jede Letter. In diesem alten Schmöker, in dem sie sich seit vielen Jahren befanden, wollten sie beim besten Willen nicht mehr herumhängen. Das war eigentlich doch ganz verständlich...
Viele der Seiten, die schon sehr bräunlich und faltig waren, stimmten den Lettern zu. Sie waren für eine Revolte. Jedoch gab es da auch Seiten, die damit nicht einverstanden waren. Sie wollten nicht als leere Seiten in dem alten Buch zurückbleiben. Es würde zwar ein Albtraum werden, so ohne Lettern, aber sie waren nicht bereit, sich der Mehrheit anzupassen.
So entstand die zweite Revolte, die Revolte der Seiten. Man wurde und wurde sich einfach nicht einig, wie man sich entschließen sollte. Die andere Frage war natürlich die, ob man die Buchstaben so einfach ziehen lassen sollte, na ja...
Letztendlich hatte man den Einband des Buches, die Hülle des Ganzen, noch gar nicht nach seiner Meinung gefragt. Dieser lehnte, nachdem er von der Revolte der Buchstaben und der darauf folgenden Revolte der Seiten gehört hatte, eine Veränderung prinzipiell und kategorisch ab. Der Einband fühlte sich wohl, eben so, wie er sich immer gefühlt hatte.
So kam es, nachdem die Buchstaben und die Seiten ihre inzwischen gemeinsame Revolte als gescheitert betrachtet sahen, dass sie gemeinsam ein Komplott gegen den Einband schmiedeten. Die Seiten begannen in einer gemeinsamen Aktion, sich gegeneinander zu pressen und zu drücken, und das Buch wurde dadurch immer dicker.
Es schwoll zusehends an!
Verzweifelt versuchte der immer noch recht kräftige Einband (der schweinslederne) sich dagegen zu wehren, jedoch war diese schwache Gegenwehr völlig sinnlos. Und so kam es, dass sich der Einband vom Buch löste. Hunderte von eng aneinander gepresste Seiten - voll gedruckt mit alten Buchstaben (es waren auch ein paar Zahlen darunter, aber die hatten nichts zu sagen), rieselten und flatterten zu Boden. Als die Seiten auf dem Boden ankamen, zerfiel das ganze Buch.
Hey, war das ein Durcheinander!
Ein Geschrei von den Buchstaben entstand, denn die Seiten fielen, wie gesagt, lose durcheinander, und der gesamte Inhalt des Buches geriet in ein fürchterliches Chaos. Keiner wusste mehr, wo er hingehörte und es war eine einzige Katastrophe...
Nun bereute man den gemeinsamen, verhängnisvollen Entschluss, dass jeder seine eigenen Wege hatte gehen wollen, und man sehnte sich nach der Einheit zurück, die vorher bestanden hatte.
Dieser absoluten Einheit!
Aber wie sollte das geschehen?
Als der alte, zittrige Bibliothekar dieses Chaos - die völlige Hilflosigkeit des ehemaligen Buches, sah, nahm er sich ein Herz und legte wieder Seite auf Seite - von Seite 1 bis Seite 556 - bis hin zum Ende der Geschichte, aufeinander. Am glücklichsten war der schweinslederne Einband, denn ihm war in keiner Weise klar gewesen, was mit ihm geschehen wäre - so ohne Inhalt.
Das Buch steht heute wieder an seinem alten Platz in der noch älteren Bibliothek, und es ist recht froh und glücklich, wieder in diesem so ruhigen, etwas verstaubten Regal stehen zu dürfen. Beim nächsten Mal wird es sich wohl genau überlegen, ob es eine weitere, eine zweite, gemeinschaftliche Revolte heraufbeschwören wird, denn es ist nicht gesagt, ob der Bibliothekar sich noch einmal die Mühe machen wird, das Buch neu zu binden. Für eine weitere Revolte ist das Buch - gerade dieses Buch - nicht mehr offen, sprich bereit.
Nein, danke, sagte es sich.
Jeder Mensch besitzt - wie allgemein bekannt sein dürfte - eine sogenannte Seele. Manche besitzen sogar zwei oder drei davon, aber diese Mitmenschen betrachtet man freiweg als krank. Ob sie es auch wirklich sind? Vielleicht sind all die anderen krank, die nur eine einzige Seele besitzen...
Wer weiß das schon...
Bei manchen Menschen könnte man fast annehmen, dass sie keine Seele besitzen, so hartherzig und böse, wie sie sind. Jedoch haben auch diese Menschen eine Seele, die mehr im Verborgenen, im Inneren ruht, und meist nur durch eine überraschende Kehrtwendung im Gefühlsbereich dieses Menschen zum Vorschein kommt. Also, nur falls.
Vorhanden ist sie auf jeden Fall.
Es stellt sich nun eine weitere, unausweichliche Frage: Haben auch Tiere eine Seele? Gibt es menschliche und tierische Seelen? Eventuell sogar auch pflanzliche? Oder gibt es für Menschen, Tiere und Pflanzen Einheitsseelen? Sozusagen genormte Seelen? - Dies aber nur so nebenbei...
Jeder Hundebesitzer behauptet mit Überzeugung, dass sein „Zamperl“ eine Seele hat. Genauso verhält es sich bei den lieben Hauskatzen. Kann man behaupten, dass diese beiden Arten von Tieren Seelen haben? Haben dann logischerweise auch Goldfische, Stinktiere, Mistkäfer, Wanzen, Ratten und Krokodile Seelen?
Eine weitere, sehr wichtige Frage ist: Woher kommt diese Seele? Wird sie beim Tod eines Menschen auf ein Neugeborenes übertragen? Gibt es eine Seelen-wanderung? (Es ist ja so gut wie erwiesen, dass es eine solche gibt - viele Millionen von Menschen nehmen es jedenfalls an, soweit mir bekannt ist.)
Wann endet nun die Reise der Seele? Endet sie überhaupt? Denn jede Reise geht doch irgendwann zu Ende! Jedenfalls bei uns Menschen. Gilt dies bei Seelen auch? Ist die „Läuterung“ das Ende bzw. die Perfektion - die Vollendung? Ist die Seele mit den Gefühlen, die die einzelne Kreatur besitzt bzw. zeigt, mit diesen gleichzusetzen? Oder ist es der Charakter eines Individuums, der die so genannte Seele ausmacht? Hätte die Kreatur, wenn sie keinen Charakter hätte, auch keine Seele?
Oder umgekehrt?
Die Seele eines Menschen - wie wir es ausdrücken - ist doch die eigentliche Basis, übergeordnet den Gedanken und Gefühlen, evtl. resultierend aus den Genen des Individuums. Wenn man bedenkt, dass es auf der Erde, dieser klitzekleinen Erde, im wahrscheinlich unendlichen großen Weltraum ZUR ZEIT etwa sieben Milliarden Menschen gibt, und somit also auch sieben Milliarden Seelen, muss man sich ernsthaft fragen, woher die „neuen“ Seelen kommen, wenn innerhalb eines halben Jahrhunderts ein paar Milliarden Menschen mehr auf dem Globus leben, als zuvor ...
Oder gibt es gar keine Seelen? Das Gehirn steuert doch den Menschen in seinen Gedanken und Taten. Und daraus entwickelt sich der Charakter. Oder ist dieser sogenannte Charakter des Ungeborenen schon im Mutterleib vorhanden?
Sprich - fertig?
Zurück zu unseren Seelen: Werden sie frisch produziert, diese Seelen? Aber wo? Und wie? In einer übergeordneten Seelenfabrik? Sind Seelen irgendwo gelagert? Abrufbereit zur Abholung? Fragen, Fragen, Fragen - Fragen ohne Ende, die wir klitzekleinen Menschen niemals - auch nicht in tausend oder einer Million Jahren erklären oder beantworten können, egal, wie weit sich die Evolution des Menschen auch vorwärts bewegen wird. Es wird keine definitiven Antworten geben.
Und das ist gut so, oder?“
Es war einmal ein Mann, der zwei Augen hatte, die sich nicht ausstehen konnten. Normalerweise vertragen sich ja zwei Augen, die in einem menschlichen Gesicht sind, jedoch bei diesem unglücklichen Mann war das ganz anders. Das rechte Auge war auf das linke eifersüchtig. Es behauptete, das andere Auge sei näher am Gehirn als es selbst, und das linke dachte, der Mann möge das rechte lieber, weil er es angeblich öfter „rieb“, als es selbst. So entbrannte also ein regelrechter Dauerstreit zwischen den beiden.
Dieser Streit gipfelte eines schönen Tages darin, als das rechte Auge behauptete, dass es schöner sei als das linke. (Dies sollte angeblich eine junge Frau, die mit dem Mann beim Tanzen geflirtet hatte, behauptet haben, was aber nicht stimmte!) Natürlich war diese Behauptung, wie gesagt, völlig aus der Luft gegriffen, jedoch war dies eben der ausschlaggebende Punkt für diesen weiteren Dauerstreit.
Heute erklärte das linke Auge dem Konkurrenten, dass es besser sehen könne als das Rechte. Und morgen erklärte das rechte Auge dem linken Auge, dass es in der Brillenstärke eine niedrigere Dioptrie hätte, als das linke (was jedoch auch nicht stimmte - der Mann hatte links und rechts völlig gleiche Dioptrien!).
„Hast du das gerade gesehen?“ Schrie das linke Auge zu dem rechten hinüber.
„Was gesehen?“ Fragte das rechte Auge. „Ich habe gerade gezwinkert, wenn du gestattest!“
Empört fragte das linke Auge das rechte, warum es gerade dann zwinkern müsse, wenn es so etwas Interessantes zu sehen gäbe, wie es die Situation gerade hergegeben habe.
„Ist mir egal, was du so alles siehst, ich zwinkere, wann ich will“, bemerkte das rechte Auge. „Und außerdem hat es mich gerade gejuckt, da musste ich ja zwinkern!“
„Alles nur faule Ausreden“, sagte das linke Auge. „Du bist nur zu faul zum Schauen! Und außerdem steckst du mich damit an, wenn es juckt!“ Fuhr es weiter fort.
„Wenn ich könnte“, warf das rechte Auge ein, „würde ich dir jetzt eins auf dich geben.“
„Das würde dir so passen, meine braune Farbe in blau zu verwandeln!“ Sagte das linke Auge. „Und außerdem sind wir beide nicht braun, sondern dunkelbraun, du kleines Dummerchen!“, Stichelte das linke Auge weiter.
„Dunkelbraun hin, dunkelbraun her, du gehst mir schon lange auf die Nerven!“ Schrie das rechte Auge aufgebracht. „Heute Abend, wenn unser Mensch müde ist, mache ich mich nicht zu und dann musst du auch offen bleiben, denn anders geht das ja wohl nicht!“
„Das wollen wir doch mal sehen, wer sich von uns beiden schneller schließen wird!“, unkte das linke Auge. Du bist doch von mir genauso abhängig wie ich von dir!“
„Abhängigkeit hin, Abhängigkeit her, wir wollen doch mal sehen, mit wem von uns beiden unser Mensch zwinkert, wenn er ein hübsches Mädchen sieht!“ Rief das rechte Auge.
„Machen wir eine Wette? Wer von ihm beim Zwinkern geschlossen wird, hat gewonnen“, sagte das linke Auge.
„Einverstanden!“ Entgegnete das rechte Auge.
Im selben Moment fuhr ein starker Windstoß um die Ecke und er wirbelte eine Menge Sand empor, genau in Richtung des Mannes. Unwillkürlich schloss er beide Augen, um diese zu schützen.
„Da haben wir aber Schwein gehabt, dass unser Mensch so schnell reagiert hat, was?“ Wimmerte das linke Auge erschrocken.
„Ja, das muss ich dir ausnahmsweise mal recht geben“, erwiderte das rechte Auge zitternd.
In diesem Moment wurde ihnen bewusst, wie stark sie voneinander abhängig waren. Jedem wurde klar, dass beim Verlust eines Auges das andere die doppelte Belastung hätte. Außerdem würde es so alleine sicherlich recht langweilig werden ohne den jeweiligen Partner...“
Und sie einigten sich.
Ein Mann besaß einen sehr alten Wagen. Es handelte sich um einen zerkratzten, verbeulten HYUNDAI, der schon bessere Zeiten gesehen hatte. Er fuhr diesen Wagen schon über fünfundzwanzig Jahre unfallfrei und mit einer bemerkenswerten Liebe und Ausdauer. Außerdem war der Wagen fast immer zuverlässig. Er hatte den Wagen in den sechziger Jahren von Südkorea importiert, d.h. auf dem Schiff mitgenommen, weil ihm genau dieser Wagen, den er absolut ins Herz geschlossen hatte, bei seinen Abenteuerreisen in der Wüste große Dienste erwiesen hatte. Seine Freunde jedoch lachten laut, wenn sie ihn um die Kurve kommen sahen. Sie fuhren BMW, AUDI, MERCEDES und PORSCHE, einer von ihnen fuhr sogar einen neuen JAGUAR. Sie alle waren sehr stolz auf ihre fahrbaren Untersätze und machten sich heimlich über ihren Freund, den HYUNDAI Fahrer, lustig.
„Seht mal, wer da kommt!“
„Wie er um die Kurve sticht!“
„Einfach köstlich!“
„Kann er, oder will er sich kein vernünftiges Auto kaufen?“
„Die Karre sieht ja ganz fürchterlich aus!“
Diese Lästereien hörte natürlich auch der alte Wagen. Er ärgerte sich sehr über diese abfälligen Bemerkungen und musste mit ansehen, wie sein Fahrer von all seinen Freunden hinterrücks ausgelacht wurde. Wegen mir lachen sie ihn aus, dachte er sich. Welch eine Schmach. Nur weil ich schon so alt und gebrechlich bin, jammerte der HYUNDAI. Sein Blechkleid war, wie gesagt, von etlichen Beulen übersät, er hatte starke Roststellen, und der Lack war ab. Es war jedoch nicht genug mit den Lästereien der anderen Autobesitzer, nein, auch die anderen tollen Fabrikate, die da immer links und rechts von ihm standen, machten sich unverhohlen über ihn lustig.
„Ob er den nächsten TÜV wohl noch überlebt?“ Lachte der BMW.
„Sieh dir mal diese Fassade an“, lästerte der MERCEDES.
„Und diese schmalen Reifen, die obendrein auch noch abgefahren sind“, brüllte der AUDI.
„Ha, und überhaupt diese unmögliche Karosserie!“ Keuchte der PORSCHE.
„Der Auspuff hängt ihm auch schon herunter“, alberte der JAGUAR.
„Und wie der innen aussieht, ganz einfach zum Schreien“, motzte der BMW weiter.
So gingen diese gehässigen und abwertenden Sprüche hin und her und der alte HYUNDAI stand mitten in dieser bösartigen Reihe von glänzenden Nobelkarossen. Langsam machte sich bei ihm eine gewisse Depression breit:
„Ich kann auch nichts dafür, dass ich so alt, verbeult und fertig bin“, verteidigte sich der HYUNDAI gegenüber den anderen. „Ich bin ja immerhin schon mehr als zwanzig Jahre älter als ihr.“ Plötzlich überkam ihn die kalte Wut und er schmetterte hin: „Und außerdem habe ich - im Gegensatz zu euch - schon die ganze Welt gesehen. Ihr steht doch nur sinnlos in der Garage herum, werdet laufend geputzt und gewienert, was ich persönlich ja gar nicht so mag, und ab und zu dürft ihr mal über ein paar Landstraßen und über einen Autobahnabschnitt rasen. Mein Fahrer liebt mich auf seine Art, aber ihr werdet ja nur vorgezeigt. Ihr seid doch nur armselige Statussymbole. Ich würde mal gerne sehen, wenn einer von euch einen Blechschaden hätte. Würde er dann von seinem Besitzer nicht sehr schnell abgestoßen werden?“
Nun waren sie alle ruhig und der eine oder andere kochte innerlich, d.h. motormäßig, bezüglich der Frechheit und Aufmüpfigkeit dieser alten Karre.
„Freunde“, so sprach der MERCEDES für alle, „der Koreaner-Verschnitt ist doch nur neidisch!“
Jedoch - der Pfeil saß.
Ab diesem Tag hatten die Fahrer des BMW, des MERCEDES, des AUDI, des PORSCHE und auch des JAGUARS nichts mehr zu lachen. Die Superautos ärgerten die einzelnen Besitzer dahingehend, dass sie entweder nicht ansprangen oder der Motor grundlos stotterte, die Reifen plötzlich qualmten, die Motorhauben während der Fahrt aufgingen, oder aber die Türen klemmten. Manchmal geschah dies alles zugleich, wenn derjenige Wagen gerade an den alten HYUNDAI und dessen Ausführungen dachte.
Die Wagen wollten gefahren werden. Sonst nichts. Und sie wollten etwas sehen von dieser Welt. Eben so wie dieser alte, mickrige HYUNDAI.
Schließlich passierte dann die Krönung des Ganzen: Der Inhaber des alten HYUNDAI fuhr zu einer Oldtimer-Ausstellung. Nach einer vorhergegangenen, kompletten Generalüberholung ging der Wagen für eine hohe Summe als Oldtimer weg.
Sammlerwert.
Die anderen Wagen waren sprachlos, als sie dieses Geschehnis von ihren Fahrern erfuhren, die sich natürlich untereinander sehr angetan - und selbstverständlich abfällig und negativ - darüber unterhielten. Als der neue Besitzer des uralten, aufpolierten HYUNDAI dann eines Tages zufällig genau dort parkte, wo sich all die Freunde mit ihren teuren Karossen immer trafen und dort auch parkten, waren der BMW, der MERCEDES, der AUDI, der PORSCHE und auch der JAGUAR sehr ruhig. Sie begrüßten den alten HYUNDAI anerkennend, verbeugten sich tief und äußerst freundlich, und sie zeigten eine gewisse Unterwürfigkeit, indem sie gemeinsam leise hupten. Die Besitzer der Nobelkarossen waren ganz einfach sprachlos.
So schnell und unerwartet kann sich eine Situation verändern...
Ein altes, gebrechliches Mütterchen hatte zwar von der neuen Währung Euro gehört, jedoch hatte sie die gesamte Abwicklung der bevorstehenden Umstellung nicht so recht verstanden. Was sie jedoch sehr wohl bemerkt hatte, war die Tatsache, dass es eine gewisse Übergangsregelung für die DM gab. Sie dachte ja gar nicht daran, ihre Tausender bei einer Bank in Euro umwechseln zu lassen! Zu sehr hing sie an den alten, handfesten DM-Scheinen und den unverwechselbaren, wertvoll wirkenden Münzen.
„Mir gefällt der Euro nicht“, murrte sie vor sich hin. „Die Scheine sehen ja fast wie Lire-Scheine aus! Genau genommen sieht das neue Geld tatsächlich wie Spielgeld aus - ich denke dabei unwillkürlich an Monopoly!“
Und sie knurrte weiter: „Da wollen wir doch mal sehen, ob diese Einzelhändler meine Hundert-DM-Scheine noch annehmen werden, oder nicht!“
Sie ging in ihr spezielles Lebensmittelgeschäft und packte 1 Joghurt, 1 Pfund Butter, 1 Glas Marmelade und 1 Pfund Brot in ihren Einkaufswagen. Es herrschte reger Betrieb in dem gepflegten Laden. Die nette Kassiererin begrüßte sie höflich, wie immer, wie folgt:
„Ja, grüß Gott, liebe Frau Meier, ich wünsche Ihnen ein Gesundes Neues Jahr 2002!“
„Ja, das wünsche ich Ihnen auch, liebe Frau Müller“, entgegnete die alte Oma freundlich. Sagen Sie mal, Sie nehmen doch noch unsere geliebte DM an, oder?“