Blasenentzündung und Interstitielle Zystitis - Ines Ehmer - E-Book

Blasenentzündung und Interstitielle Zystitis E-Book

Ines Ehmer

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Beschreibung

Blasenentzündungen können hohen Leidensdruck erzeugen - vor allem, wenn sie häufig wiederkehren. Wer ständig Schmerzen hat, hat es im Alltag schwer. Viele Betroffene ergeben sich ihrem Schicksal, da oft keine Besserung in Sicht scheint. Dieses Buch bietet Entlastung: Neben Ursachen und Symptome erklärt es übersichtlich und gut verständlich Tests und Behandlungsmöglichkeiten akuter und chronischer Blasenerkrankungen. Als Ärztin und Schmerztherapeutin kennt die Autorin Ines Ehmer die Not ihrer Patientinnen genau. Deshalb erläutert sie sowohl schulmedizinische als auch komplementäre Therapien. Und sie gibt bewährte Ratschläge, wie man selbst für Linderung sorgen kann. Darüber hinaus vermittelte sie praktisches Wissen für den Alltag und geht auf Themen wie Hygiene, Sexualität und Verhütung ein. Ein Schwerpunkt liegt auf dem chronischen Blasenschmerzsyndrom (Interstitielle Zystitis). Zuverlässiger Rat hierzu ist schwer zu finden. Dabei hat sich in den letzten Jahren einiges getan: Neue Medikamente und ein wachsendes Netzwerk aus zertifizierten Anlaufstellen können helfen. Blasenentzündung und Interstitielle Zystitis informiert und berät zu Symptomen, Diagnose, Therapie und Ansprechpartnern bei akuten und chronischen Blasenentzündung - zuverlässig, umfassend und einfühlsam. Mit übersichtlichen Abildungen und ausfürlichem Adressteil.

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BLASENENTZÜNDUNG UNDINTERSTITIELLE ZYSTITIS

TEST – THERAPIE – SCHMERZBEKÄMPFUNG

Dr. med. Ines Ehmer

INHALT

Vorwort

Einleitung

TEIL 1

Häufig wiederkehrende Blasenentzündungen

KAPITEL 1

Allgemeines zur Blase und zu Blasenentzündungen

Selbsttest: Blasenentzündungen

KAPITEL 2

Die akute Blasenentzündung

KAPITEL 3

Diagnostik von Blaseninfektionen

KAPITEL 4

Rückenschmerz und urologische Probleme – wie passt das zusammen?

KAPITEL 5

Schwangerschaft und Wechseljahre

KAPITEL 6

Antibiotische Therapie der Blasenentzündungen

KAPITEL 7

Harnröhreninfektionen

KAPITEL 8

Alternative Behandlungsmethoden von Blasenentzündungen

KAPITEL 9

Tipps zur Selbsthilfe: Wie können Sie einer Blasenentzündung vorbeugen?

Überleitung zu Teil 2

Selbsttest: Chronische, nicht bakterielle Blasenentzündungen

TEIL 2

Die schmerzende Blase: Chronische, nicht bakterielle Blasenentzündungen

KAPITEL 1

Allgemeines zu chronischen, nicht bakteriellen Blasenentzündungen

KAPITEL 2

Diagnosestellung

KAPITEL 3

Mögliche Ursachen von Interstitieller Zystitis/Blasenschmerzsyndrom

KAPITEL 4

Alles eine Frage der Nerven? Der Einfluss des Nervensystems

KAPITEL 5–7

Therapiemöglichkeiten von IC/BPS

KAPITEL 5

Medizinische Behandlungsmöglichkeiten: die „erste Säule“ der Therapie

KAPITEL 6

Physiotherapeutische/manuelle Behandlungsmöglichkeiten: die „zweite Säule“ der Therapie

KAPITEL 7

Selbsthilfemöglichkeiten und -strategien: die „dritte Säule“ der Therapie

KAPITEL 8

IC/BPS und Sexualität

KAPITEL 9

IC und Hormone

KAPITEL 10

Leben mit Interstitieller Zystitis und chronischer Blasenentzündung

KAPITEL 11

Andere mögliche Begleiterkrankungen

Ausblick

TEIL 3

Anhang

Adressen und Kontakte

Tagebuch über die Blasenentleerung

Schmerztagebuch

Fragebogen zu Schmerz und Befindlichkeit

Stichwortverzeichnis

Impressum

Abbildungsverzeichnis

VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

Univ.-Prof. Dr. med. Arndt van Ophoven

Die meisten Erkrankungen der Harnblase sind glücklicherweise nicht lebensbedrohlich, aber oftmals schränken sie das Leben der Betroffenen ein und führen zu einem massiven Verlust an Lebensqualität.

Dies gilt vor allem für wiederkehrende bakterielle Blasenentzündungen und das immer noch nicht vollends verstandene Krankheitsbild des chronischen Blasenschmerzsyndroms, an welchem allen vor allem Frauen erkranken.

Viele Patientinnen fühlen sich in ihrer Suche nach Aufklärung und Therapie sowie mit der Bewältigung der Erkrankung allein gelassen: Infekte und Schmerz sieht man den Betroffenen nicht auf Anhieb an; die Erkrankten haben weder einen offensichtlichen körperlichen Defekt noch leiden sie an einer Krebserkrankung. Das Verständnis der Beschwerden und Mitgefühl für die resultierenden Belastungen und die allgemeine Lebenssituation sind im sowohl beruflichen als auch außerberuflichem Umfeld rasch erschöpft oder kommen erst gar nicht auf. Fehlende Therapieerfolge und die Chronizität der Erkrankung können die Betroffenen ebenso wie die behandelnden Ärzte frustrieren und zermürben.

Der nunmehr in 6. Auflage aktualisierte Ratgeber von Ines Ehmer klärt seit über 15 Jahren über chronische Blasenschmerzerkrankungen auf und vermittelt Patienten und interessierten Lesern Verständnis für die Komplexität der zugrunde liegenden Störungen im Becken.

Der Schwerpunkt des Buches liegt dabei auf der Interstitiellen Zystitis (IC), einer Erkrankung, die durch eine Symptomatik aus chronischem Unterleibsschmerz im Bereich der Harnblase, des Beckens oder der Dammregion charakterisiert ist und die von stärkstem Harndrang mit oftmals unzähligen Toilettengängen begleitet sein kann. Gelegentlich wird das Entleeren der Harnblase als schmerzlindernd empfunden; der Geschlechtsverkehr ist häufig schmerzhaft. Da die Ursache und die Auslöser der IC noch nicht identifiziert werden konnten, müssen vor Diagnosestellung verwechselbare, ähnlich verlaufende Erkrankungen ausgeschlossen werden (sog. Ausschlussdiagnose). Aus gleichem Grunde ist eine ursächliche Behandlung der IC zurzeit nach wie vor nicht möglich.

All diese Aspekte und Hintergründe werden vom Ratgeber angesprochen und erläutert. Sowohl klassisch schulmedizinische als auch alternative Therapieansätze werden hinsichtlich ihrer therapeutischen Möglichkeiten sowie Grenzen aufgeführt und erklärt, die Neuauflage schließt aktuelle internationale Leitlinien und Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften zur Diagnose und Therapie der Erkrankungen mit ein. Anreize und Motivation für Bewältigungsstrategien komplettieren diesen Ratgeber, welcher stets über die Harnblase hinaus auch auf die benachbarten Beckenorgane wie Darm und Genital schaut, da sie oftmals mitbetroffen sind oder eigenständig zu den beklagten Symptomen beitragen.

Die Lektüre dieses Ratgebers birgt einen hohen Erkenntnisgewinn zu chronischen schmerzhaften Fehlfunktionen der Harnblase. Ines Ehmer bezieht hierbei stets die Perspektive und das Erleben der Betroffen ein und macht ihnen Mut, sich umfassend zu informieren, um ihre Lebensqualität so weit wie möglich wieder zurückzugewinnen. Dies dürfte maßgeblich zur langanhaltenden und hohen Popularität dieses Ratgebers beigetragen haben.

Herne im Juni 2019

Univ.-Prof. Dr. med. Arndt van Ophoven

Marien Hospital Herne

Klinikum der Ruhr Universität Bochum

Zertifiziertes Zentrum für Interstitielle Zystitis und Beckenschmerz

EINLEITUNG

Sie müssen nicht mit ständigen Blasenentzündungen und Schmerzen leben!

Dr. med. Ines Ehmer

Wenn Sie die weit verbreitete Meinung teilen, dass Frauen schicksalhaft immer wieder an Blasenentzündungen leiden, ist dieses Buch nichts für Sie. Oder wenn Sie denken, dass Blasenentzündungen „keine großen Affären“ sind, sollten Sie jetzt aufhören zu lesen. Wenn Sie diesem Thema aber auf den Grund gehen wollen, werden Sie vieles erfahren, was Ihnen weiterhilft.

Ihre Großmutter war noch in einer weniger glücklichen Lage. Vor hundert Jahren waren Antibiotika beispielsweise noch unbekannt und chronische Blasenschmerzen wurden als nicht behandelbar angesehen. Dennoch litten Frauen schon damals aus denselben unterschiedlichen Gründen an Blasenentzündungen und Schmerzen wie heute. In diesem Buch werden Sie erfahren, was es Neues zu diesem Thema gibt und was altbekannt, aber vielleicht neu zu bewerten ist.

Welche Behandlungen sind sinnvoll, welche unwirksam? Es gibt viele Wege, wie und warum eine Blasenentzündung sich bei Ihnen entwickeln kann, Gründe, warum Sie (immer wieder) eine Blasenentzündung bekommen. Manchmal gibt es relativ einfache Maßnahmen zur Vorbeugung, bei einer chronischen Erkrankung ist der Weg schwieriger.

Wie hilft Ihnen dieses Buch dabei?

Sie werden viel über Ihren Körper erfahren. Je mehr Sie über ihre Harn- und Geschlechtsorgane wissen, umso besser können Sie Verantwortung für Ihre eigene Gesundheit übernehmen. Außerdem will dieses Buch Ihnen das neueste Wissen vermitteln. Wissen ist Macht und in diesem Fall die Macht, gesund zu werden und zu bleiben.

Warum sind gerade Sie betroffen?

In diesem Buch werden Sie Schritt für Schritt alle wichtigen Informationen erhalten. Das Buch möchte Ihnen helfen zu entdecken, warum gerade Sie Blaseninfektionen bekommen oder warum die Schmerzen und Beschwerden einer Blasenentzündung nicht wieder abklingen. Im ersten Teil des Buches werden Sie mit der Anatomie und Funktion der Blase vertraut gemacht und erfahren alles über die verschiedenen Ursachen einer Blasenentzündung. Sämtliche wichtigen Fragen zur Krankheitsvorgeschichte werden vorgestellt sowie die üblichen und weiterführende Untersuchungsmethoden. Schließlich folgen alle schulmedizinischen und alternativen Therapien, Selbsthilfemaßnahmen und Regeln zur Vorbeugung und Behandlung.

Was, wenn nichts auf Sie zutrifft?

Viele Frauen haben eine mehr oder weniger lange Leidensgeschichte hinter sich, die von immer wiederkehrenden Blasenentzündungen und Blasenschmerzen gekennzeichnet ist, ohne dass der Arzt Krankheitserreger im Urin nachweisen kann. Obwohl anscheinend keine Blasenentzündung nachweisbar ist, werden sie von allen Symptomen einer Blasenentzündung gequält, und zwar ständig, wie bei einer chronischen Entzündung.

Diagnose und Therapie sowie alles Wissenswerte über diese chronische Entzündung und Schmerzerkrankung im Blasenbereich finden Sie im zweiten Teil des Buches.

Selbsttest

Machen Sie den Selbsttest, um zu erfahren, ob eventuell mehr oder etwas anderes als eine „Blasenentzündung“ hinter Ihren Beschwerden steckt. Wenn ja, dann erfahren Sie im zweiten Teil des Buches alles zu einem Krankheitsbild, das sehr oft übersehen wird: die Interstitielle Zystitis, auch chronisches Blasenschmerzsyndrom genannt. Sie lernen, was sich hinter diesen mysteriösen Namen verbirgt, und erfahren die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse über Ursachen, Therapien sowie Mittel und Methoden der Schmerzbekämpfung. Alternative Wege, Selbsthilfemöglichkeiten und der Umgang mit Sexualität sind einige der Themen, die Ihnen dabei helfen, wieder ein normales Leben zurückzugewinnen.

Es gibt immer einen Weg, wie Sie aus der Spirale von ständig wiederkehrenden Blasenentzündungen und Schmerzen herausfinden können! Lesen Sie aufmerksam, machen Sie sich Notizen, bei welchen Schilderungen Sie sich wiedererkennen, und ziehen Sie – mit Unterstützung Ihres Arztes – die individuellen therapeutischen Konsequenzen, die alle beschrieben sind.

Und lernen Sie dabei eine ganze Menge –über Ihren Körper und über sich selbst!

TEIL 1

Häufig wiederkehrende Blasenentzündungen

KAPITEL 1: Allgemeines zur Blase und zu Blasenentzündungen

Erfahrungsberichte von Patientinnen: Kommt Ihnen das bekannt vor?

„Ich hätte nie gedacht, dass eine Blasenentzündung so schmerzhaft ist!“

Lara wird nie den Abend vergessen, als sie ihre erste – und bisher letzte – Blasenentzündung erlebte. Sie war mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn ein paar Tage im Süden gewesen, wo sie sich mit anderen jungen Familien ein Ferienhaus – und eine Toilette! – teilten. Leider war es fast immer kalt und regnerisch, man saß im Haus fest, die Kinder quengelten. Bei den Erwachsenen lagen die Nerven blank, was sich in teils tränenreichen Auseinandersetzungen entlud. Lara wollte schließlich nur noch dem Stress, der Kälte und der mangelnden Hygiene entkommen und war froh, als sie zurückfuhren.

Sie bat ihren Mann, an überfüllten Raststellen vorbeizufahren, obwohl die Blase schon länger drückte. Sie wollte nur noch nach Hause. Daheim angekommen hatte sie das Gefühl, ihre Blase würde den gesamten Unterleib ausfüllen, und suchte sofort die Toilette auf. Aber der Harnstrahl war schwach, brach immer wieder ab und es dauerte lange, bis die Blase etwas leerer wurde. Plötzlich wurde sie von derartigen Schmerzen im Unterleib überfallen, dass sie nur noch zusammengekrümmt am Boden liegen konnte. Voller Panik rief ihr Mann den Arzt, der sie untersuchte und den Verdacht auf eine akute Blasenentzündung äußerte. Er gab Lara ein entkrampfendes Medikament und den Rat, sich in die warme Badewanne zu legen. Als die Schmerzen etwas nachließen, konnte Lara wieder Wasser lassen, was stark brannte. Der Arzt nahm Urin zur Untersuchung mit und verordnete vorsorglich ein Antibiotikum für die Dauer von drei Tagen. Die Schmerzen klangen im Laufe der Nacht und des nächsten Tages ab, Lara musste allerdings noch einige Tage lang häufiger als sonst Wasser lassen. Im Urin waren massenhaft Bakterien gefunden worden. „Ich hätte nie gedacht, dass eine einfache Blasenentzündung so schmerzhaft und quälend sein kann! Ich habe mich inzwischen informiert, was man alles vorbeugend tun kann, damit ich so etwas nicht noch einmal erleben muss!“, sagt sie. Da sie offenbar zu Verkrampfungen der Beckenbodenmuskulatur neigt, hat sie Biofeedbacktraining zur gezielten Muskelentspannung erlernt.

„Ich bin froh, dass ich nicht ‚verrückt’ bin, wie ich manchmal schon dachte!“

Nicole ist dagegen ein „Profi“, was Blasenentzündungen betrifft. Sie bekam ihre erste Blasenentzündung, als sie ihre erste, mit viel Stress verbundene Stelle in einer PR-Agentur antrat. Beides, Job und Blasenentzündungen, begleiteten sie während der nächsten zehn Jahre. Alle paar Monate wurde sie wieder von einer akuten Blaseninfektion heimgesucht. Die Besuche bei etlichen Ärzten ergaben immer dasselbe, sie bekam für einige Tage ein Antibiotikum verordnet und den Rat, viel Preiselbeersaft zu trinken. Sie begann herauszufinden, dass Sex eine große Rolle bei der Auslösung der Infektionen spielte. „Allmählich dachte ich, ich sollte Sex besser ganz aufgeben, um nicht ständig in Angst vor einer neuen Infektion zu schweben oder mich irgendwie schuldig zu fühlen, wenn ich doch wieder eine Blasenentzündung hatte“, sagt Nicole. Schließlich trat bei einer dieser Infektionen hohes Fieber mit Schmerzen in der Lendenregion auf und sie wurde mit einer akuten Nierenbeckenentzündung ins Krankenhaus eingewiesen. Nachdem dort alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt worden waren, erhielt sie eine sogenannte unterdrückende Antibiotikatherapie verordnet. „Seitdem hat sich mein Leben verändert! Ich hatte im ganzen letzten Jahr keine Blasenentzündung! Ich bin froh, dass ich doch nicht ‚verrückt‘ bin, wie ich manchmal schon dachte“. Zusätzlich befolgt sie strikt die Hygienemaßnahmen, die ihr empfohlen wurden, und hat mit Yoga begonnen, um ihren Stress abzubauen.

„Im Internet fand ich einen Artikel, der meine Symptome genau beschrieb!“

Birgit, eine 41-jährige Steuerfachangestellte, muss etwa 25-mal täglich Wasser lassen und hat dunkle Ringe unter den Augen, weil sie auch nachts drei- bis viermal die Toilette aufsuchen muss. Ihre erste Blasenentzündung machte sie mit siebzehn Jahren durch, danach folgten immer wieder Rückfälle. Vor etwa sechs Jahren erlitt sie eine besonders schwere Attacke. „Diesmal war der Schmerz unglaublich intensiv. Es war anders als sonst – wie ein Rasiermesser in der Blase“, erinnert sie sich. Birgits Frauenarzt konnte keine Bakterien in ihrem Urin finden, verordnete ihr aber dennoch Antibiotika und riet ihr, Stress abzubauen und Urlaub zu machen. „Ich war zu allem bereit, daher buchte mein Mann einen Ferienflug in die Türkei. Sobald ich aus dem Flugzeug stieg, wurden meine Symptome so schlimm, dass ich das nächstgelegene Krankenhaus aufsuchen musste. Dort fanden die Ärzte nichts und gaben mir Beruhigungstabletten“, sagt sie. Sobald sie wieder zu Hause war, suchte Birgit einen Urologen auf. „Er sagte, ich hätte ein Harnröhren-Syndrom, und erweiterte meine Harnröhre. Von da an hörten die Schmerzen gar nicht mehr auf.“ Sie ließ sich von einem Neurologen untersuchen, der nichts Auffälliges feststellen konnte und sie an einen Psychotherapeuten überwies. Die Psychotherapie änderte nichts an ihren Schmerzen. „Schließlich, über zwei Jahre später, fand ich im Internet einen Artikel, der meine Symptome exakt beschrieb. Ich habe mich darin sofort wiedererkannt! Seitdem weiß ich, dass ich an Interstitieller Zystitis leide, und habe mit gezielter Therapie begonnen.“

„Ich hatte starke Schmerzen, vor allem nach dem Wasserlassen!“

Rita hatte keine Blasenprobleme, bis sie sexuell aktiv wurde. Von da an bekam sie immer wieder Harnwegsinfektionen, bei denen Bakterien nachgewiesen wurden. Ab einem gewissen Zeitpunkt waren keine Bakterien in ihrem Urin mehr nachweisbar. Ihr Arzt teilte ihr mit, dass sie eine Harnröhrenverengung habe, und dehnte ihre Harnröhre mehrmals. Anfangs schien eine solche Dehnung zu helfen, nach einiger Zeit aber nicht mehr. „Jetzt bekomme ich etwa sechs- bis achtmal im Jahr derartige ‚Anfälle’, wie ich es nenne. Ich habe dann starke Schmerzen in und um die Harnröhre, vor allem nach dem Wasserlassen, was bis zu einer halben Stunde oder länger andauern kann“, sagt sie. Rita hat einen großen Vorrat an Schmerzmitteln, die sie einnimmt, wenn die Schmerzen stark werden. „Alkoholkonsum macht das Brennen in der Harnröhre immer schlimmer, aber ich habe gelernt, viel Wasser zu meinem Glas Wein zusätzlich zu trinken. Auch Geschlechtsverkehr macht die Sache nicht selten schlimmer, dann spüle ich die Blase ebenfalls, indem ich viel Wasser trinke. Es scheint zu helfen.“ Was Rita leider nicht weiß, ist, dass sie an einer Form der Interstitiellen Zystitis leidet und dass es eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten für diese Erkrankung gibt. So wie diesen Frauen ergeht es Hunderttausenden anderer Frauen täglich, jahrein und jahraus: immer wieder Entzündungen und Schmerzen in Blase oder Harnröhre. Aber es gibt Unterschiede zwischen den ersten beiden und den letzten beiden Berichten.

Lara und Nicole

Bei Lara und Nicole handelt es sich eindeutig um bakterielle Blaseninfektionen. Die beiden haben inzwischen herausgefunden, was sie vorbeugend und therapeutisch tun können, um häufig wiederkehrende Blasenentzündungen zu vermeiden. Wenn es Ihnen ähnlich ergeht wie diesen beiden Frauen, können Sie das auch erlernen! Machen Sie den Selbsttest auf der nächsten Seite, lesen Sie die folgenden Kapitel und überlegen Sie, was auf Sie zutreffen könnte. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt und beginnen Sie mit Ihrem eigenen „Maßnahmen-Paket“.

Birgit und Rita

Nun zu den beiden anderen Frauen: Birgit und Rita leiden zwar auch unter häufigem Harndrang und teilweise unerträglichen Blasen- oder Harnröhrenschmerzen wie bei einer ständigen Entzündung, aber es konnten keine Infektionserreger nachgewiesen werden. Wenn Sie sich in diesen Schilderungen wiedererkennen, können Sie natürlich ebenfalls weiterlesen, Sie können aber auch sofort den Selbsttest auf chronische, nicht infektiöse Blasen- und Harnröhrenerkrankungen auf Seite 83 machen. Im zweiten Teil des Buches erhalten Sie Informationen zu dieser speziellen Gruppe von Schmerzerkrankungen.

Auflösung

Alle diese Fragen haben viel mit dem Thema Blasenentzündung zu tun. Wenn Sie eine oder mehrere Fragen bejahen konnten, werden Sie in den folgenden Kapiteln erfahren, was es mit jeder einzelnen Frage auf sich hat, welche Schlüsse man daraus ziehen kann und welche Konsequenzen sich jeweils daraus ergeben. Eventuell kann bereits die Antwort auf eine dieser Fragen der entscheidende Hinweis auf die Ursache(n) Ihrer häufigen Blaseninfektionen sein. Vielleicht fügen sich aber auch die Antworten auf mehrere Fragen zu einem Bild über die verschiedenen Ursachen zusammen, die Ihre Blasenentzündungen auslösen.

SELBSTTEST: BLASENENTZÜNDUNGEN

 

Ja

Nein

Hatten Sie in den vergangenen sechs Monaten mehr als zwei Blaseninfektionen oder mehr als drei im vergangenen Jahr?

Haben Sie wegen ständiger Blasenentzündungen etliche Ärzte aufgesucht?

Verschlechtern sich Ihre Symptome nach dem Geschlechtsverkehr?

Benutzen Sie ein Diaphragma zur Verhütung?

Wurden Ihnen Antibiotika verordnet, ohne dass eine Urinkultur angelegt wurde?

Fühlen Sie sich schuldig, so als ob Sie etwas falsch gemacht hätten, wenn schon wieder eine Blasenentzündung auftritt?

Hatten Sie bereits als Kind Blaseninfektionen?

Falls Sie Schwangerschaften hatten: Wurde während der Schwangerschaft nach „stillen“ Harnwegsinfektionen gefahndet?

Leiden Sie an Zuckerkrankheit, Übergewicht, neurologischen Erkrankungen oder nehmen Sie seit Langem Medikamente ein?

Wurde bei Ihnen die Diagnose„Harnröhrenentzündung“ gestellt?

Die Blase – ein wenig Theorie über ein erstaunliches Organ

Kaum ein Organ wird so „verkannt“ wie die Blase. Viele Menschen halten ihre Blase für ein simples Hohlorgan, das als Urinspeicher dient. Dabei steckt eine geniale Konstruktion und eine ausgeklügelte Nervenversorgung dahinter, damit die Blase so reibungslos funktioniert, dass Sie sie kaum zur Kenntnis nehmen.

Damit Sie verstehen, was bei Entzündungen vor sich geht, sollten Sie wissen, wie Ihre Harnwege arbeiten und welche Teile Ihres Körpers betroffen sein können.

Die Abbildung zeigt die Sicht von unten auf die Vulva. Vulva bezeichnet das Gebiet, das den behaarten Schamhügel, die großen und kleinen Schamlippen und den Bereich zwischen den kleinen Schamlippen umfasst. Sie sehen, dass die Harnröhre genau über dem Scheideneingang lokalisiert ist. Tatsächlich entstammen Scheide und Harnröhre demselben Gewebe.

[1] Die sichtbaren Teile der weiblichen Geschlechtsregion (Vulva)

Die Harnröhre verbindet die Blase mit dem Körperäußeren und transportiert Urin nach außen. An den Seiten der Harnröhrenöffnung münden die Ausführungsgänge der sogenannten Skene-Drüsen. Die kleinen Drüsen in der Harnröhre sorgen dafür, dass die Harnröhre feucht gehalten wird. Die weibliche Harnröhre ist etwa 3 bis 5 cm lang und damit erheblich kürzer als die männliche.

Die Abbildung auf dieser Seite zeigt einen Längsschnitt der weiblichen Beckenorgane. Die Blase ist im unteren, vorderen Teil Ihres Beckens lokalisiert, und zwar vor der Gebärmutter.

Die Blase verhält sich sehr ähnlich wie ein Ballon, der sich mit zunehmender Füllung ausdehnt und sich zusammenzieht, wenn er sich entleert. Die Blase dehnt sich langsam aus, um ein Reservoir für den Urin zu bilden, der ständig von den Nieren gebildet wird und über die beiden Harnleiter in die Blase gelangt. Die normale Blase fasst 360 bis 480 ml, wird sie in Narkose gedehnt, sind es sogar 800 bis 1200 ml. Normalerweise hält die Blase den Urin – je nach Füllungsmenge – problemlos für 2 bis 5 Stunden.

Die Blasenwand besteht aus drei Schichten: der äußeren Fettschicht, der mittleren Muskelschicht – auch Detrusormuskel genannt – und der inneren Schleimhaut. Schleimhaut und Muskelschicht sind durch eine dünne Membran getrennt. Die Schleimhaut besteht aus etlichen Zellschichten, die sich – je nach Blasenfüllung – ausdehnen und zusammenziehen. Auf der Schleimhaut befindet sich eine dünne Schutzschicht, die die Schleimhaut gegen den sauren Urin abschirmt.

[2] Längsschnitt der weiblichen Beckenorgane

[3] Harnleiter mit Nieren und Blase

Die sensorischen Nerven der Blase – also diejenigen, die Ihnen mitteilen, dass es Zeit ist, Wasser zu lassen – sind im sogenannten Trigonum konzentriert.

Dieser dreieckige Gewebebereich liegt am Blasenboden. Die Spitze des Dreiecks endet nahe der inneren Öffnung der Harnröhre, an den beiden oberen Enden münden die Harnleiter in die Blase. Das Gewebe des Trigonums unterscheidet sich entwicklungsgeschichtlich vom übrigen Blasengewebe und gehört „gewebetechnisch“ zu Harnröhre, Vulva und Scheide. Das Trigonum mündet in die Harnröhre. Dieser Teil der Blase wird auch Blasenhals genannt, er ist sozusagen die Öffnung des Ballons. Seine Muskulatur bildet den inneren Blasenverschluss, der nicht dem Willen unterliegt. Er öffnet und schließt die Blase vergleichbar mit dem Öffnen und Schließen der Pupillen, was Sie auch nicht beeinflussen können. Ist dieser Schließmuskel verletzt oder beschädigt, tritt Urin zum Beispiel beim Husten, Niesen, Pressen unwillkürlich aus, wenn nicht der äußere Schließmuskel stark genug ist, um dies auszugleichen.

[32] Weibliche Beckenorgane mit Beckenbodenmuskulatur

Die Blase liegt auf der Beckenbodenmuskulatur (siehe die Abbildung auf der nächsten Seite und Seite 141). Züge dieser Muskulatur, die Sie willentlich beeinflussen können, bilden um den Blasenhals herum den äußeren Blasenschließmuskel.

BECKENBODENTRAINING: GANZ EINFACH ZWISCHENDURCH!

Beckenbodentraining beruht auf der willkürlichen Anspannung und Entspannung des Beckenbodens. Wenn Sie während des Wasserlassens den Urinfluss stoppen, dann betätigen Sie einen Muskel des Beckenbodens, nämlich den äußeren Schließmuskel der Blase. Probieren Sie nun auch ohne Wasserlassen diesen Stopp aus, fühlen Sie, wie sich gleichzeitig die Muskulatur der Scheide „nach innen“ zieht, und halten Sie diese Spannung für 10 Sekunden. Danach entspannen Sie wieder. Wiederholen Sie das Ganze 10-mal, und zwar zweimal täglich. Steigern Sie allmählich, bis Sie auf zweimal täglich 10 Minuten kommen.

Dieses Training beugt einem Absinken aller Beckenorgane vor, die auf dem Beckenboden ruhen. Mit dieser einfachen Übung, die Sie immer und überall unbemerkt und ohne Hilfsmittel durchführen können, beugen Sie einer Gebärmuttersenkung, einer Enddarmsenkung und einer Blasensenkung vor. All diese Senkungen können zu erheblichen Beschwerden führen, die im fortgeschrittenen Stadium meist operiert werden müssen. Bei der Blase macht sich eine solche Senkung vor allem als sogenannte Stress-Inkontinenz bemerkbar, was nichts mit Stress zu tun hat, sondern unwillkürlichen Urinverlust beim Husten, Pressen oder Niesen bedeutet.

Zusammenfassung

Blasenentzündungen können akut oder chronisch auftreten. In jedem Fall ist das Aufsuchen des Arztes notwendig, um die exakte Diagnose zu stellen und die Ursache(n) und die daraus folgende geeignete Therapie zu finden. Als Betroffene sollten Sie sich mit der Anatomie und Funktion der Blase vertraut machen.

KAPITEL 2: Die akute Blasenentzündung

Die „übliche“ bakterielle Blasenentzündung ist nicht lebensbedrohlich, schränkt das Leben aber vollkommen ein. Mehr als die Hälfte aller Frauen erkrankt im Verlauf ihres Lebens wenigstens einmal an einer Harnwegsinfektion. Jede Frau, die eine Blasenentzündung durchgemacht hat, kennt die qualvollen Schmerzen, die eine solche Infektion verursacht. Während Stunden und manchmal Tagen übernimmt die Blase die Kontrolle über das gesamte Leben.

Wer bekommt eine Blasenentzündung?

Wenn Sie im vergangenen Jahr eine oder mehrere Blasenentzündungen durchgemacht haben, sind Sie nicht allein. Statistiken belegen, dass nach akuten Infekten der oberen Luftwege Blasenentzündungen auf dem zweiten Platz der Gründe für einen Arztbesuch rangieren. Mit der Aufnahme sexueller Aktivitäten schnellt die Chance, eine Blasenentzündung zu erleiden, bei Frauen in die Höhe. Der weibliche Harntrakt ist keine verkürzte Version des männlichen und Frauen haben daher ganz andere urologische Probleme als Männer. So erleben Frauen 30-mal häufiger eine Blasenentzündung als Männer. Bei etwa 75 % der Frauen, die eine einmalige Blasenentzündung erfahren, bleibt es bei dieser einmaligen Episode, oder sie haben weniger als 3 Blasenentzündungen pro Jahr. Die unglücklichen restlichen 25 % erleiden 3 oder mehr Blasenentzündungen pro Jahr, manche sogar deutlich mehr. Mehr als ein Drittel aller Frauen über 70 Jahre haben Blaseninfektionen, 20 % davon verlaufen „stumm“, das heißt, es bestehen keine Symptome, auch wenn Bakterien im Urin sind. Solche Infektionen können lange unentdeckt bleiben und möglicherweise zu Komplikationen wie Nierenbeckenentzündungen führen.

Wie bekommt man eine Blasenentzündung?

Die sogenannte akute Blasenentzündung und die häufig wiederkehrenden Blaseninfektionen, um die es im ersten Teil dieses Buches geht, werden von Bakterien verursacht, nur selten von anderen Erregern wie Pilzen, Viren oder Parasiten. Die mit weitem Abstand häufigsten Erreger sind Darmbakterien. In bis zu 80 % aller Blaseninfektionen ist Escherichia coli, oft als E. coli bezeichnet, der auslösende Keim. Nur selten wird eine Infektion von Organismen hervorgerufen, die Sie sich auf einer unsauberen Toilette „eingefangen“ haben, meist sind es Ihre eigenen Darmbakterien.

Der Weg, auf dem diese Bakterien in die Blase gelangen, ist recht einfach: Im Darm leben viele Bakterienarten ruhig und friedlich, indem sie die ihnen zukommenden Aufgaben bei der Verdauung ausüben. Aber außerhalb des Darms, speziell im Harntrakt, können sie zu Unruhestiftern werden.

Darmbakterien kommen aus dem Stuhl und egal wie exzellent Ihre Hygiene ist, es gelangen immer einige Bakterien – zum Beispiel nach dem Stuhlgang – auf die Haut in der Umgebung des Afters. Bei Frauen können diese Bakterien die kurze Hautbrücke zwischen Scheide und After, den Damm, mühelos überwinden und sich am Scheideneingang ansiedeln. Der Scheideneingang bietet den Bakterien eine ideale Umgebung, um zu wachsen und sich zu vermehren.

Normalerweise sind die körpereigenen Abwehrmechanismen in der Lage, diese Bakterien unschädlich zu machen.

TRICK DER BLASENKEIME TÄUSCHT DAS IMMUNSYSTEM

Wissenschaftler der Wisconsin School of Medicine haben unter dem Mikroskop Spiegeleier-ähnliche Gebilde in infizierten Blasenzellen von Mäusen gefunden.

Die Keime schützen sich in einem kapselartigen Netz aus Zuckermolekülen gegen die Verteidigungsmechanismen des Immunsystems. Die Abwehrmechanismen, aber auch die Antibiotika können die Keime nicht aufspüren und die Bakterien werden regelmäßig aus ihren Spiegeleier-Häusern in die Blase gespült und vermehren sich dort stärker, wenn der Körper z. B. durch Kälte geschwächt ist.

Eine mögliche Erklärung, warum die Infektion bei manchen Patientinnen immer wieder kommt, aber bisher ist das nur eine Vermutung.

Bei manchen Frauen scheinen diese Abwehrmechanismen aber ungenügend ausgebildet zu sein, sodass sich diese Bakterien ungehindert am Scheideneingang aufhalten. Von dort können sie in die Scheide, die Harnröhre und die Blase wandern.

Aus Studien weiß man, dass Bakterien schnell den Weg in die Blase finden, aber genauso schnell wieder herausbefördert werden. Das geschieht mittels des wichtigsten Abwehrmechanismus, des normalen Wasserlassens, bei dem sie einfach herausgespült werden. Wenn eine Frau Wasser lässt, ist die Harnröhre so platziert, dass der Urin über die Schamlippen, die Scheide und den Damm (die Hautbrücke zwischen Scheide und After) und schließlich über den After läuft; damit erfüllt der Urin eine gewisse Reinigungsfunktion: Urin ist nahezu steril, das heißt, er enthält keine Bakterien. Die Bakterien, die sich in diesem Bereich angeheftet haben, werden vom Urin weggespült.

Drei Faktoren scheinen eine wichtige Voraussetzung dafür zu sein, dass Bakterien sich in der Blasenwand einnisten und so eine Entzündung hervorrufen können:

die Anzahl der anfänglich in die Blase gelangten Bakterien,

die Fähigkeit der Bakterien, sich an die Blasenwand anzuheften,

die Abwehrkräfte der Blase selbst.

Der letzte Faktor dürfte der wichtigste sein. E. coli (Escherichia coli), das am häufigsten im Darm anzutreffende Bakterium, ist für etwa 75 bis 85 Prozent aller unkomplizierten Blasenentzündungen verantwortlich. Andere Bakterienarten, die eine Blasenentzündung hervorrufen können, sind Proteus, Klebsiella, Pseudomonas, Enterococcus, Enterobacter und selten Streptococcus oder Staphylococcus.

Was sind die Symptome einer Blasenentzündung?

Die erste Blasenentzündung ist für gewöhnlich ein Schock: Die Symptome beginnen plötzlich, wie „aus heiterem Himmel“, manchmal bahnen sie sich auch über Stunden oder 1 bis 2 Tage an. Die Schmerzen in der Blase können sehr heftig und anhaltend sein, bis in beide Leisten oder sogar in die Kreuzgegend ausstrahlen und infolge ihrer Intensität nicht selten Angst auslösen. Manchmal beginnt das Ganze mit einer Urinblutung, was die Panik noch verstärkt, zumal Sie wegen des unaufschiebbaren Harndrangs kaum mehr von der Toilette kommen.

Vielleicht stellen Sie auch keine anderen Symptome fest außer der Häufigkeit des Harndrangs und dass der Bauch sich aufgebläht anfühlt. Solche Infektionen scheinen die Neigung zu haben, in den unpassendsten Situationen aufzutreten: bei wichtigen Ereignissen wie Hochzeit oder Prüfung, Urlaubs- oder Geschäftsreisen, beruflichem Neustart oder zu Beginn einer neuen Beziehung. Für die Betroffene entsteht der Eindruck, dass die Symptome nicht von selbst besser werden, und sie muss jede Aktivität zurückstellen, bis die Blase wieder unter Kontrolle ist. Manchmal können Sie eine Infektion im Anfangsstadium mit Trinken von Preiselbeersaft und viel Wasser eindämmen; wenn sich die Bakterien aber erst einmal in der Blase eingenistet haben, ist eine Behandlung mit Antibiotika notwendig.

Breitet sich die Infektion in der Blase aus, können Sie eine Kombination der folgenden Symptome an sich beobachten, wobei insbesondere die ersten drei bei Ärzten als „klassische Trias“ der akuten Blasenentzündung gelten:

Brennen oder Stechen während des Wasserlassens,

heftiger Harndrang,

häufiges Wasserlassen,

geringe Urinportionen,

nächtliches Aufwachen wegen Harndrang.

Harndrang, Brennen, Druck – wie es dazu kommt

Wenn Bakterien sich in Ihrer Blase vermehren, verursachen sie Empfindungen wie Brennen, Druck, häufigen Harndrang. Jedes Symptom entsteht durch die spezielle Art, wie die Bakterien das Gewebe beeinflussen, das die Blase auskleidet.

Die Bakterien heften sich an die Blasenwand und scheiden ein bestimmtes Enzym aus, die Urease. Diese spaltet die Harnsäure im Urin auf, was zur Produktion von Ammoniumsalzen führt. Diese wiederum verursachen das Brennen und den speziellen Geruch. Da die Schutzschicht der Blase beeinträchtigt ist, läuft der Urin direkt über die Zellen und feinen Blutgefäße, aus denen die Blasenwand besteht. Der Kontakt des Urins mit diesen Zellen stimuliert chemische Rezeptoren (Empfangsstellen an den Zellwänden), die Ihnen das Gefühl des ständigen Harndrangs geben.

Kommt der Urin in Kontakt mit den Nerven, die zwischen den Zellen liegen, beginnen diese zu „feuern“. Die unwillkürliche Blasenmuskulatur zieht sich zusammen, was Sie als Druck empfinden.

Welche Abwehrmechanismen hat die Blase selbst?

Die normale Blase ist fast steril, also bakterienfrei, und es gibt einige elegante Abwehrmechanismen gegen Bakterien, die dafür sorgen, dass dies auch so bleibt. Der einfachste und sehr wirkungsvolle Mechanismus ist das normale Wasserlassen, das 4- bis 8-mal täglich erfolgen sollte. Acht volle Gläser Wasser sollten Sie über den Tag verteilt trinken, damit eingewanderte Bakterien aus der Blase geschwemmt werden. Eine große Flüssigkeitsaufnahme verdünnt darüber hinaus den Urin und vermindert die Konzentrati on der Bakterien, die sich Zugang zur Blase verschafft haben. Viele Frauen, die unter Harndrang und häufigem Wasserlassen leiden, schränken ihre Flüssigkeitsaufnahme ein, um den häufigen Gang zur Toilette hinauszuzögern. Das kann aber die Bakterienkonzentration im Urin erhöhen und die Blase reizen. Außerdem erhöht diese Praktik die Gefahr einer generellen-Austrocknung des Körpers, was gefährlich werden kann.

Ein anderer Abwehrmechanismus der Blase ist der natürliche Säuregehalt des Urins (pH-Wert 5,5 bis 7,0), der das Bakterienwachstum einzudämmen hilft (Seite 78).

Frauen sind empfänglicher für Blasenentzündungen als Männer, was auch mit daran liegen kann, dass ihr Urin weniger sauer ist. In einer Studie fand man heraus, dass Frauen mit häufigen Blasenentzündungen einen weniger sauren Urin hatten als eine Vergleichsgruppe ohne Blaseninfekte.

Außerdem enthält der Urin zahlreiche Substanzen, die eine hemmende Wirkung auf das Bakterienwachstum haben, wie Aminosäuren, Ammoniak und Lysozyme.

Die neueren Studien weisen alle darauf hin, dass es in der Blasenwand selbst Abwehrmechanismen gibt, die noch nicht ganz enträtselt sind. Eine normale Blasenwand scheint jedoch Bakterien abzuweisen. Die schleimige Schutzschicht, die die Blasenwand bedeckt, schützt die darunterliegenden Zellen davor, dass Bakterien eindringen.

Das könnte erklären, warum manche Frauen so häufig, andere wiederum nie oder nur äußerst selten eine Blasenentzündung erleiden: Es scheint sich um einen Defekt in der Blasenschutzschicht zu handeln, der es Bakterien erlaubt, sich anzuheften. Bestimmte Bakterien, vor allem Escherichia coli, abgekürzt E. coli, besitzen fingerartige Fortsätze, die es ihnen erlauben, sich nach Art eines Schlüssel-Schloss-Prinzips in die Zellen der Blasenschleimhaut einzuklinken. Ist das geschehen, ist es zu spät zum „Auswaschen“, dann müssen diese Bakterien abgetötet werden. Manche Menschen scheinen auch mehr solcher „Andockstellen“ für Bakterien zu besitzen.

Da die Bakterien oft auf dem Weg über die Scheide in Harnröhre und Blase gelangen, kommt einer intakten Schutzschicht der Scheide ebenfalls viel Bedeutung zu. Diese schleimige Schicht macht es Bakterien schwer, sich anzuheften. Eine wichtige Komponente, um dies aufrechtzuerhalten, ist das Hormon Östrogen. Bei Östrogenmangel, zum Beispiel in den Wechseljahren und danach oder nach einer operativen Entfernung der Eierstöcke, wird dieser Schutzeffekt erheblich beeinträchtigt (Seite 49).

Normalerweise ist die Scheide von sogenannten Laktobazillen bevölkert. Diese Bakterien helfen, das normale Scheidenmilieu zu erhalten. Sie produzieren Wasserstoffperoxid, welches andere Bakterien wie E. coli abtöten kann, und bauen den sauren Scheiden-pH-Wert auf. Auch Hefepilze werden damit in Schach gehalten. Jede Störung des Wachstums dieser Laktobazillen, zum Beispiel durch Antibiotikaeinnahme, macht es Krankheitserregern leichter, in Scheide und später in Harnröhre und Blase Fuß zu fassen.

Faktoren des Immunsystems, die hormonelle Situation und Erbanlagen spielen weitere Rollen bei Vorbeugung und Entstehung einer Blaseninfektion, sogar die Blutgruppe: Angeblich sollen Frauen mit den Blutgruppen A und AB häufiger betroffen sein. Viele weitere Studien sind notwendig, um mehr Klarheit zu gewinnen.

Komplizierte und unkomplizierte Harnwegsentzündungen

Wer schon einige Blasenentzündungen durchgemacht hat, erkennt das charakteristische leichte Brennen in der Blase, das dem etwas später einsetzenden Schmerz der Blasenentzündung vorausgeht. Ein auf die Blase begrenzter entzündlicher Infekt wird als „unkomplizierte“ Harnwegsentzündung bezeichnet, da bei richtiger Behandlung keine Folgen zurückbleiben. Wenn Sie an wiederholten Blasenentzündungen leiden, liegt die Wahrscheinlichkeit, irgendwann einmal eine Nieren(becken)entzündung zu entwickeln, bei 40 Prozent! Im Gegensatz zur sogenannten „unkomplizierten“ Blasenentzündung handelt es sich dann um einen „komplizierten“ Harnwegsinfekt. Der Infekt hat sich auf die oberen Harnwege ausgedehnt. Typischerweise sind Niereninfektionen begleitet von Frösteln, hohem Fieber, Übelkeit oder Erbrechen und Schmerzen in den Flanken (unterhalb des Rippenbogens am Rücken). Unbehandelte Nierenentzündungen können Narben im zarten Nierengewebe hinterlassen, die weiteren Entzündungen Vorschub leisten und im schlimmsten Fall zur Schrumpfniere führen können.

Zusammenfassung

Eine akute Blasenentzündung wird durch Bakterien ausgelöst. Sie ist einfach zu erkennen durch die typischen Symptome. Begünstigt wird die Entstehung einer Blasenentzündung durch verschiedene Faktoren, auf die in den folgenden Kapiteln ausführlich eingegangen wird.

BITTE BEACHTEN SIE!

Wenn Sie zusätzlich zu den üblichen Symptomen einer Blasenentzündung Frösteln, hohes Fieber, Übelkeit oder Erbrechen und Schmerzen in den Flanken haben, begeben Sie sich so schnell wie möglich in ärztliche Behandlung!

KAPITEL 3: Diagnostik von Blaseninfektionen

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnose einer Blasenentzündung ist keine komplizierte Angelegenheit. Aber sie muss korrekt durchgeführt werden. Es reicht nicht, in der Arztpraxis Urin abzugeben und fünf Minuten später das Ergebnis eines Schnelltests zu erhalten, zusammen mit dem Rezept für ein Antibiotikum. Die korrekte Diagnose einer Blasenentzündung, insbesondere bei wiederholten Entzündungen, konzentriert sich nicht allein auf das Vorhandensein von Bakterien im Urin, sondern ebenso auf die Identifizierung des Bakterientyps und die Feststellung, ob die Entzündungen einem bestimmten Schema folgen und eventuell mit Faktoren des täglichen Lebens zusammenhängen. Sie besteht also in jedem Fall aus:

Urinuntersuchung,

Erhebung der Krankheitsvorgeschichte und körperlicher Untersuchung.

Eventuell können weitere Untersuchungen hinzukommen.

Die Urinuntersuchung

Die Analyse des Urins inklusive einer Urinkultur, bei welcher die Art des Bakteriums und die für die Behandlung geeigneten Antibiotika ausgetestet werden, sind erste Voraussetzungen für eine Diagnose. Lassen Sie Ihren Urin unbedingt jedes Mal analysieren, wenn Sie Symptome einer Blasenentzündung haben, um sicherzustellen, dass Bakterien die Ursache sind. Wenn Sie Symptome haben, ohne dass Bakterien nachweisbar sind, kann eine andere Erkrankung dahinterstecken. Wenn es sich bei Ihnen so verhält, sollten Sie den Selbsttest auf Seite 83 machen! (Alles zum Thema Antibiotikabehandlung finden Sie ab Seite 52)

Urinanalyse und Urinkultur

Die Urinanalyse wird direkt in der Arztpraxis durchgeführt und gibt den generellen Hinweis, ob eine Infektion vorliegt oder nicht. Sie besteht aus zwei Teilen: Als Erstes wird ein Teststäbchen in den Urin getaucht und anhand der auftretenden Verfärbungen abgelesen, ob beispielsweise weiße oder rote Blutzellen im Urin sind, Nitrit, Glukose (Zucker) oder Eiweiß, und wie hoch der pH-Wert ist. Weiße Blutzellen, sogenannte Leukozyten, zeigen üblicherweise eine Infektion an, ebenso Nitrit, ein Stoffwechselprodukt von Bakterien. Auf der Grundlage dieser Information wird Ihr Arzt mit der Behandlung der Infektion beginnen und eine Urinkultur sowie einen Resistenztest (siehe unten) anordnen, um die Diagnose zu bestätigen. Der zweite Teil der Urinanalyse – der ausgeführt werden kann oder auch