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Neue Gedichte von der Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2009 Mit ihrem Roman Du stirbst nicht hat Kathrin Schmidt berührend, eindringlich und bestechend komisch die Geschichte einer Rückeroberung des Lebens über die Sprache erzählt. Dieser Gedichtband zeigt, wie verblüffend gelenkig Kathrin Schmidt als Lyrikerin mit Worten balanciert. Ein Lesevergnügen!Motivreichtum, Sprachspiele, Klangvielfalt und frappante Brüche – hier wird alles geboten, was das Gedicht an Möglichkeiten gewährt. Unangestrengt genau, beiläufig bedeutsam, direkt auf den Leser, sein Herz und seinen Verstand gezielt. ein, ausgebe ich einen laut ins luft?zupfe ich aus dem luft einen laut?das luft steht ausgegossen wie spülicht (höricht, fühlicht) zwischen den hauszeilen, deren knotige schriftenins verlassene driften zum ortsrand hin, nebelgelenkeverbinden die domizile der wachsamkeit, das luft hat den fußin der tür, die hand an der klinke, schwelt, sickert insfadenkreuz der gebogenen brauen, von wo es einkatzsprung ist ins kalkül, durch den kopfschießt das luft mit gedoppelter flinte, die tintevergessens löscht aus, was da war, war da was?, das luft wird naß vom gebrauch, schmauchtaus den lungen ins spülicht zurück, fühl ich,hör ich, mein laut hat den ausgang gefunden,ins luft, aus luft
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Seitenzahl: 50
Kathrin Schmidt
Blinde Bienen
Gedichte
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wasn zuletzt?: vogelkloppe
ums tote insekt. ich lachend,
rauchend aufm hochsitz, als mir
smesser aufspringt im täschchen,
die arteria choroidea schlitzt. von nun an
alles. sehr schnell schemen. bruchstück. haft.
ausgestreckt. raffts mich. mimt budenzauber,
bis ich nach wochen zu mir zurückkomm. ein rechtes
leichlein liegt in der lakengruft, links
überlebt. oberhalb kopfes flirren die monitore,
ferngesteuert schlägts herz darauf ein: wasn das.
wasn das. wasn das. wasn ditte? wasn das. wasn
fürn graben im kopf? wasn für blutbrücken drüber?
schemen. bruchstück. haft. ich häftlingin du, epileptisch
verkrümmt. die kopffarbe ausgekoffert, haare fortan
hinfort, grau in die jahre gedehnt. da brauchts
aber keinen. aber einen: feindstaub, der mitzischelt
im untergedöns. ngedengelten
zwitscherling, sensenfräulein. oder
wer immer.
für Volker Braun
muss nicht kuckuck schrein,
kann aber klang im namen tragen und ohne unterleib sein.
ich zum beispiel habe die welt erreicht an einem eher eng zu nennenden ort
in einer eher eng zu nennenden landschaft, die, von bergen umstellt,
am thüringer becken hing. mein nest war mir sicher,
nie hatte ich furcht, der vorrat wollte nicht reichen, und dass mir
die kleider schnell platzten aus den volkseigenen nähten,
war meine wie meiner mutter und großmutter absicht.
die wände schienen noch ganz zum schutz ums familiäre gestirn
gezogen, ums tägliche zuckerei und die freitagswäsche.
die enge machte zum beispiel, dass ich sie kennenzulernen vermochte,
dass ich all ihre winkel und kleinlichen öffnungen kannte, ihren geruch,
ihre hitze, die in wechselnden streifen von kälte durchzogen schien.
ich hockte einfach im nest und wartete ab, während man mir
die füße, die finger, den kopf auf die keimende brust band, was ich genoss
um der klaren grenzen willen, die man um mich gezogen hatte.
noch wusste ich den einen, den anderen begehbaren schrank, aus dem das eine,
das andere stück zum zweck der verkleidung leicht zu entnehmen
und nachher leicht zu verstauen schien, denn gebunden ans nest
hab ich sehr gern geklaut, bin plündernd durch die provokationen gezogen,
mit eingewinkeltem herzen, eingewinkeltem blick.
(nach aufrechtem gang kein verlangen, die hände vorm schoß.)
so einem kind wie mir haben die sachen nicht passen wollen,
die ich mit vorliebe trug, manchmal erbte und färbte in kirsch oder braun,
die ich endlerte und auftrug bis zum abmickeln,
ohne dass irgendjemand im nest davon sprach.
ich hatte immer einen aufsatz im blut reifen, der sich nicht leichtfertig
aufsagen ließ oder aufschreiben, ohne dass eine leise
ahnung seiner struktur in mir zu ankern versuchte.
so ging ich langsam ans platzen. nicht mit effekt, nicht
mit hörbarem knall, einer merklichen druckwelle gar – ich ließ nur
die beine ein bisschen baumeln über den rand, ein buch in der hand,
inzwischen von kindern umstellt, deren zungen bös zu reden verstanden.
zuerst lösten sich auf sehr einfache weise zwei knoten
in tief gelegenen gefäßen, ließen so manches organ
in blüte geraten, beispielsweise die augen, die anders zu sehen vorgaben,
oder die milz, die mich fortan zu schützen meinte vor legionellen und
wundbrand. später leckten die adern luft. arme, beine und kopf lösten sich
von der brust, dass druckstellen sichtbar wurden, ich aber im großen und
ganzen, was dechiffriert natürlich im kleinen und halben nur hieß,
wirklich ein dickes ei blieb, fremdgelegt in ein (wenn auch)
enger werdendes nest und von unterleibslosen vögeln
mit falschem (wenn auch) futter gestopft.
in landes namen bist du kaum geboren,
da gehn schon aus dem leimwort hütdudich,
kommrum und seidabei. im röckchen
letztere, das wackelt, passt und luft hat für die welt,
darin der wind stehtgeht und fällt.
mit hütchen hütdudich. kommrum im heldenfrack.
du liegst noch nackt in leimworts schatten, da macht
schon landes name, dass dir kleider wachsen quer
übern leib, vokabel für vokabel fest verstrickt.
der beilauffaden schillert in den landesfarben.
so bunt gemustert bist du lustig bis befeuert
und stellst die jahre auf den kopf. bist farben-
froh. unmerklich aber kann es plötzlich sein,
dass weiß dein geist austritt, sich aufpflanzt
vor dem ungefähren schatten, den leimwort wirft,
und tönet: hütdudich! kommrum und seidabei!
(du siehst sie lachen, flattern, hörst sie nicht.)
du zuckst zusammen, leimworts zunge schnellt hervor.
dran hängen die drei geistesgrößen über kurz,