waschplatz der kühlen dinge - Kathrin Schmidt - E-Book

waschplatz der kühlen dinge E-Book

Kathrin Schmidt

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Beschreibung

»wir sind so still wie feuersalamander …«. Ihre Romane wurden vielfach ausgezeichnet, für »Du stirbst nicht« erhielt sie 2009 den Deutschen Buchpreis. Nun kehrt Kathrin Schmidt zu ihrer zweiten Herzensgattung zurück: der Lyrik. Ein Glück für die Leser, denn diese Gedichte sind so klug, spracherfinderisch und sinnlich, dass man jedes einzelne laut vorlesen möchte. Es sind poetische Reisen, zu denen Kathrin Schmidt einlädt: an abgelegene, oft zungenbrecherische Orte wie Los Guachimontones oder Paleski Radyaytsina-Ekalagichny – aber es sind auch Reisen in die Sprache selbst. Denn immer wird hier ein Raum vermessen und durchschritten, wird genau hingeschaut, gedeutet und umgedeutet. Das Gedicht ist bei Schmidt ein Überraschungsmedium, in dem jeder Zeilenumbruch unerwartete Bedeutungen freisetzt. Archaisches Wortmaterial wird behutsam geborgen und mit Begriffen unserer Gegenwart verschaltet, dass es Funken schlägt. Diese Texte gehen aufs Ganze und tief unter die Oberfläche – bis zur »Erdhirnrinde«. Aber sie bleiben immer so einladend, humorvoll und scharfsinnig, dass man gerne mitreist, selbst in die entlegensten Gegenden.

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Seitenzahl: 48

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Kathrin Schmidt

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Über Kathrin Schmidt

Über dieses Buch

Inhaltsverzeichnis

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Über Kathrin Schmidt

Kathrin Schmidt, geboren 1958 in Gotha, arbeitete als Diplompsychologin, Redakteurin und Sozialwissenschaftlerin. Sie erhielt für ihre literarischen Arbeiten zahlreiche Preise, darunter den Leonce-und-Lena-Preis 1993. Für »Du stirbst nicht« erhielt sie 2009 den Preis der SWR-Bestenliste und den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschien ihr Roman »Kapoks Schwestern« bei Kiepenheuer & Witsch (2016). »waschplatz der kühlen dinge« ist ihr siebter Gedichtband – nach »blinde bienen« (2010). Sie lebt in Berlin.

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Über dieses Buch

Es sind poetische Reisen, zu denen Kathrin Schmidt in ihrem neuen Gedichtband einlädt: an abgelegene, oft zungenbrecherische Orte wie los guachimontones oder paleski radyaytsina-ekalagichny – aber es sind auch Reisen in die Sprache selbst. Denn immer wird hier ein Raum vermessen und durchschritten, wird genau hingeschaut, gedeutet und umgedeutet. Das Gedicht ist bei Schmidt ein Überraschungsmedium, in dem jeder Zeilenumbruch unerwartete Bedeutungen freisetzt. Archaisches Wortmaterial wird behutsam geborgen und mit Begriffen unserer Gegenwart verschaltet, dass es Funken schlägt. Diese Texte gehen aufs Ganze und tief unter die Oberfläche – bis zur »Erdhirnrinde«. Aber sie bleiben immer so einladend, humorvoll und scharfsinnig, dass man gerne mitreist, selbst in die entlegensten Gegenden.

 

»Ein Feuerwerk an sprachlichen Erfindungen, phonetischen Beglückungen und mal aggressivem, mal tänzerischem Sound. [...] Eine einzige Wortwollust.«

Joachim Sartorius

Inhaltsverzeichnis

verfallen

das boot setzt über

ausflug zu den guachimontones

rjasaner picknick

paleski radyaytsina-ekalagichny, pogonnoye

fruchtlose leseübung im hochmoor

mobilé über nanjing

gelackte schulter

schlucken. müssen.

septemberkurzschrift

geschälter freitag

ein wort wie zwei

allertage

faltschmerz

doppeladler

irrgang, abendlich

hölzge, strüppge

über den wasserlagen

flaschenzügig

vogelallüren

blechschlafmusik

zwischen den vogelarten

vorhersehbar infiziert

stände und tiefen

origmai für fortgeschrittene

waage, vorm wasser verchromt, gestählt

faulwasser

natürlich gesprochen

harter anger

woher kommt,

leihfrist

kulanz für anfänger

wie mehl, das auf blüten taut

relegierte legionen

die borealien

durstthema, mit variationen

kleistkubus, klandestin

unter den biberschwänzen

scharfer schneid

albfischers traumgeburtstag

saatmann haut den lukas

stimmen im schnee

wurzelgleiche

8/17

gebogen, gebauscht

sag mir, wo du stehst

alte fabrik, geländespiel

amazonian amazon

verfallen

im unruhigen garten der mohn kopf an kopf,

ein nebliges warten im gießwasser. frisch installiert

die widerborsten der kletten für enkels haar

oder für meins, falls ich ins gras falle. falls ich die falle

der zündschnüre nicht umgehen kann, die der sommer

hier auslegt,

denn hier zeltet die verpflichtung zum zeithaben, zum ausharren.

wenn ich am gestänge rüttle, höre ich nichts. ich muss

wie toll aussehen und einen strengen winter

um den mund tragen, mein eisiger standpunkt

tritt sehr beherrscht auf und ködert

die temperaturen,

denn hier bleibt den sommer über der waschplatz

der kühlen dinge, die ich mitnehmen will, während im zelt

die schuldigkeit langsam dahingeht. kommt herbst,

kommt rat. womöglich in deiner gestalt, mit händen

wie deinen, die den vergehenden durst zum ende

in luft auflösen.

das boot setzt über

(dem Hand- und Kopfwerk des Übersetzens)

1

das boot setzt über, ufer sind längst zeiten,

aus stein gemacht, doch mit vergängnismalen.

wir geben gern die freien, radikalen,

so völlig ohne kopf- und herzkrankheiten.

doch hier im boot sind alle nur für einen

moment mit sich im reinen, die gestalten

beginnen aus der zeit ersatz zu falten

für ihr und ihresgleichen nichterscheinen.

wer übersetzt, spricht nicht mehr miteinander,

wir sind so still wie feuersalamander,

fixiert auf grauen schleusenkammerwänden.

die worte mühen sich, uns zu entwischen

ins ungesagte. wie beim fliegenfischen:

ihr wechsel, ihre ungestalten enden.

2

ihr wechsel, ihre ungestalten enden –

wer wollte nicht den tausch der wörter planen,

die sich vernutzen in bergabromanen

und drohen mit erzählten gegenständen …

was ist ein feldzug, was sind grenzkonflikte?

man übertrug, und die verhärmte sprache

zog aus, uns furcht zu lehren. siebenfache

verpuppung schützte nicht vor dem, was tickte.

der feldzug ging nur auf kartoffeläcker,

den grenzkonflikt entschied kein reisewecker.

wir fühlten in uns vorerst abbaublenden.

tau auf, tau auf, die energiebilanzen

sind abgefälscht, sonette oder stanzen

nur stillgequälte formen in den bänden.

3

nur stillgequälte formen in den bänden

der alten schrift sind auch erinnerungen.

so zögerlich verlassen unsre lungen,

kaum ausgehaucht, gewährte atemspenden …

das boot bewegt sich in der zeit. die schlägt sich

zurück zum fernen, abgehängten ufer.

dort lagern menschen, paar- und unpaarhufer,

auch echsen, unken, parzen und ein schrägstrich.

sie drängen nicht auf überfahrt. sie lungern

am strand, wo die kartoffelkäfer hungern

wie damals, in den kind- und kegelzeiten.

am boden zitternd, weisen tellerminen

im stahlbeton des piers auf ankerschienen

der staatendichter, die sich benedeiten.

4

der staatendichter, die sich benedeiten,

vollzugsbeamte gehen nun zur sache

und wagen mit der falschen mutter sprache

den schnellen tanz in die unfehlbarkeiten.

sie beißen blitzgeschult vom gras die spitzen,

um grüne zähne in die luft zu schlagen,

und sie bedienen klassenwarnanlagen,

signal proletenrot durch überhitzen.

du stehst, wo ziffern aus den büchern stieben,

hast die geheimzahl heimlich überschrieben

und bleibst beim wort, in parallelgeschichte.

ein zimmerwarmer luftzug streift die stelle

des eintritts über die familienschwelle.

kocht gott für volk und vater weltgerichte?

5

kocht gott für volk und vater weltgerichte?

ein mus aus pflaumen schlägt blasiert die stürze

des topfes. würzt sich selbst. gebotne kürze:

gott zeigt sich nicht in dieser langgeschichte.

stattdessen döst er, halftert ab die sätze,

die innersprachlich außersprachlich heißen.

er nennt die namen, kennt die zahlungsweisen

von sprachsortierern der mobilfunknetze.

ich ruf dich. an. man hat dich abgeschaltet.

und sorgt sich darum, wer dich nun verwaltet.

um deine kinder züngeln nachwuchssorgen.

du gibst dein hemd her, noch den letzten zipfel,

der übergang jedoch zum jetztzeitgipfel

in den gesellschaftszentren bleibt verborgen.

6