waschplatz der kühlen dinge - Kathrin Schmidt - E-Book

waschplatz der kühlen dinge E-Book

Kathrin Schmidt

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Beschreibung

»wir sind so still wie feuersalamander …«. Ihre Romane wurden vielfach ausgezeichnet, für »Du stirbst nicht« erhielt sie 2009 den Deutschen Buchpreis. Nun kehrt Kathrin Schmidt zu ihrer zweiten Herzensgattung zurück: der Lyrik. Ein Glück für die Leser, denn diese Gedichte sind so klug, spracherfinderisch und sinnlich, dass man jedes einzelne laut vorlesen möchte. Es sind poetische Reisen, zu denen Kathrin Schmidt einlädt: an abgelegene, oft zungenbrecherische Orte wie Los Guachimontones oder Paleski Radyaytsina-Ekalagichny – aber es sind auch Reisen in die Sprache selbst. Denn immer wird hier ein Raum vermessen und durchschritten, wird genau hingeschaut, gedeutet und umgedeutet. Das Gedicht ist bei Schmidt ein Überraschungsmedium, in dem jeder Zeilenumbruch unerwartete Bedeutungen freisetzt. Archaisches Wortmaterial wird behutsam geborgen und mit Begriffen unserer Gegenwart verschaltet, dass es Funken schlägt. Diese Texte gehen aufs Ganze und tief unter die Oberfläche – bis zur »Erdhirnrinde«. Aber sie bleiben immer so einladend, humorvoll und scharfsinnig, dass man gerne mitreist, selbst in die entlegensten Gegenden.

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Seitenzahl: 48

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Kathrin Schmidt

waschplatz der kühlen dinge

gedichte

Kurzübersicht

> Buch lesen

> Titelseite

> Inhaltsverzeichnis

> Über Kathrin Schmidt

> Über dieses Buch

> Impressum

> Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

verfallendas boot setzt überausflug zu den guachimontonesrjasaner picknickpaleski radyaytsina-ekalagichny, pogonnoyefruchtlose leseübung im hochmoormobilé über nanjinggelackte schulterschlucken. müssen.septemberkurzschriftgeschälter freitagein wort wie zweiallertagefaltschmerzdoppeladlerirrgang, abendlichhölzge, strüppgeüber den wasserlagenflaschenzügigvogelallürenblechschlafmusikzwischen den vogelartenvorhersehbar infiziertstände und tiefenorigmai für fortgeschrittenewaage, vorm wasser verchromt, gestähltfaulwassernatürlich gesprochenharter angerwoher kommt,leihfristkulanz für anfängerwie mehl, das auf blüten tautrelegierte legionendie borealiendurstthema, mit variationenkleistkubus, klandestinunter den biberschwänzenscharfer schneidalbfischers traumgeburtstagsaatmann haut den lukasstimmen im schneewurzelgleiche8/17gebogen, gebauschtsag mir, wo du stehstalte fabrik, geländespielamazonian amazon
zurück

verfallen

im unruhigen garten der mohn kopf an kopf,

ein nebliges warten im gießwasser. frisch installiert

die widerborsten der kletten für enkels haar

oder für meins, falls ich ins gras falle. falls ich die falle

der zündschnüre nicht umgehen kann, die der sommer

hier auslegt,

denn hier zeltet die verpflichtung zum zeithaben, zum ausharren.

wenn ich am gestänge rüttle, höre ich nichts. ich muss

wie toll aussehen und einen strengen winter

um den mund tragen, mein eisiger standpunkt

tritt sehr beherrscht auf und ködert

die temperaturen,

denn hier bleibt den sommer über der waschplatz

der kühlen dinge, die ich mitnehmen will, während im zelt

die schuldigkeit langsam dahingeht. kommt herbst,

kommt rat. womöglich in deiner gestalt, mit händen

wie deinen, die den vergehenden durst zum ende

in luft auflösen.

zurück

das boot setzt über

(dem Hand- und Kopfwerk des Übersetzens)

1

das boot setzt über, ufer sind längst zeiten,

aus stein gemacht, doch mit vergängnismalen.

wir geben gern die freien, radikalen,

so völlig ohne kopf- und herzkrankheiten.

doch hier im boot sind alle nur für einen

moment mit sich im reinen, die gestalten

beginnen aus der zeit ersatz zu falten

für ihr und ihresgleichen nichterscheinen.

wer übersetzt, spricht nicht mehr miteinander,

wir sind so still wie feuersalamander,

fixiert auf grauen schleusenkammerwänden.

die worte mühen sich, uns zu entwischen

ins ungesagte. wie beim fliegenfischen:

ihr wechsel, ihre ungestalten enden.

2

ihr wechsel, ihre ungestalten enden –

wer wollte nicht den tausch der wörter planen,

die sich vernutzen in bergabromanen

und drohen mit erzählten gegenständen …

was ist ein feldzug, was sind grenzkonflikte?

man übertrug, und die verhärmte sprache

zog aus, uns furcht zu lehren. siebenfache

verpuppung schützte nicht vor dem, was tickte.

der feldzug ging nur auf kartoffeläcker,

den grenzkonflikt entschied kein reisewecker.

wir fühlten in uns vorerst abbaublenden.

tau auf, tau auf, die energiebilanzen

sind abgefälscht, sonette oder stanzen

nur stillgequälte formen in den bänden.

3

nur stillgequälte formen in den bänden

der alten schrift sind auch erinnerungen.

so zögerlich verlassen unsre lungen,

kaum ausgehaucht, gewährte atemspenden …

das boot bewegt sich in der zeit. die schlägt sich

zurück zum fernen, abgehängten ufer.

dort lagern menschen, paar- und unpaarhufer,

auch echsen, unken, parzen und ein schrägstrich.

sie drängen nicht auf überfahrt. sie lungern

am strand, wo die kartoffelkäfer hungern

wie damals, in den kind- und kegelzeiten.

am boden zitternd, weisen tellerminen

im stahlbeton des piers auf ankerschienen

der staatendichter, die sich benedeiten.

4

der staatendichter, die sich benedeiten,

vollzugsbeamte gehen nun zur sache

und wagen mit der falschen mutter sprache

den schnellen tanz in die unfehlbarkeiten.

sie beißen blitzgeschult vom gras die spitzen,

um grüne zähne in die luft zu schlagen,

und sie bedienen klassenwarnanlagen,

signal proletenrot durch überhitzen.

du stehst, wo ziffern aus den büchern stieben,

hast die geheimzahl heimlich überschrieben

und bleibst beim wort, in parallelgeschichte.

ein zimmerwarmer luftzug streift die stelle

des eintritts über die familienschwelle.

kocht gott für volk und vater weltgerichte?

5

kocht gott für volk und vater weltgerichte?

ein mus aus pflaumen schlägt blasiert die stürze

des topfes. würzt sich selbst. gebotne kürze:

gott zeigt sich nicht in dieser langgeschichte.

stattdessen döst er, halftert ab die sätze,

die innersprachlich außersprachlich heißen.

er nennt die namen, kennt die zahlungsweisen

von sprachsortierern der mobilfunknetze.

ich ruf dich. an. man hat dich abgeschaltet.

und sorgt sich darum, wer dich nun verwaltet.

um deine kinder züngeln nachwuchssorgen.

du gibst dein hemd her, noch den letzten zipfel,

der übergang jedoch zum jetztzeitgipfel

in den gesellschaftszentren bleibt verborgen.

6

in den gesellschaftszentren bleibt verborgen,

was hart und weich macht. hart und weich gekochte

sind plötzlich da, sie tragen vorgelochte

papiere mit sich für den unschuldsmorgen.

der steht nun weiß vor uns, das eulenauge

ganz zugekniffen, kann er uns nicht sehen.

die blindheit wäre gar berufsvergehen,

zerfiele er nicht schnell in warmer lauge.

du lässt ihn hinter dir, du stehst gewaschen

mit den papieren in der hand und einwegflaschen,

so widersetzt du dich den kleingeldsorgen.

du wählst, stimmst ab, du bist geeicht auf töne

und ölst im namen deiner sanften söhne,

was hier muslimisch knirscht am wahltagmorgen.

7

was hier muslimisch knirscht am wahltagmorgen,

bleibt unterschwellig. deine stimmabgabe

bleibt gottgefällig, und das protzgehabe

der säkularen gilt nicht alltagssorgen.

metaphern fliehn und lassen deutlichkeiten

zurück. senile schaffen kernbereiche

am kai, die hirne walnusshälftengleiche

gebilde, minimale druckeinheiten.

wer hier zu spät kommt, der bestraft. das leben

muss sich mit weniger zufriedengeben,

wer hier nichts sagt, beschäftigt die gerichte.

siehst du die schriftspur ziehn am hohen himmel?

das ist, was bleibt (vom apfel nur der schimmel)

und ausstreut in geringer zeichendichte …

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und ausstreut in geringer zeichendichte

auch briefpapier – in unverwandter sprache

bleibt doch das schriftstück eine hochdrucksache