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Wenn wieder die Weibsmauser naht Geschichte und Geschlecht, Körper und die Codes unserer Erfahrung, ein Blick, der die Sprache zum »fremdwörterhaus« werden lässt, die »kleinhausordnung« der Kindheit: Das sind Themen, um die das Schreiben von Kathrin Schmidt kreist, nicht nur in ihrer Lyrik, aber dort werden die Modelle zunächst erprobt, mit Lakonie, Frechheit, Intellekt, aber auch nicht ohne Melancholie.»im oberwasser berlins ein rumoren: breitblättrig, außer fasson, schlägt die zunge ein rad«, heißt es im Titelgedicht, und worauf dann die losgelassene Sprache sich einlässt, ist bestimmt von Geschichte, vom Blick auf die Sprengkräfte der Körpergeschichte und das, was sie gewaltsam eindämmt, »aus all meinen schießscharten«. Mit einem großen Formenreichtum bezeugen die neuen Gedichte die Individualität und Intensität der Lyrikerin Kathrin Schmidt.Auch dieses Kind hat den stehauf gelernt, den leckmich, den lediglich, die blutindenschuhmetapher, das klassische o - auch dieses kind ist dahergekommen, davongeritten, verschreckt und verzweckdienstet, erblüht und erbleicht, eine falle. auch diesem kind ist ein kopf gewachsen, ein kropf und ein schnütchen, ein hütchen gab die familie dazu: und nun los
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Seitenzahl: 42
Veröffentlichungsjahr: 2017
Kathrin Schmidt
Gedichte
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Über Kathrin Schmidt
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zur Kurzübersicht
Kathrin Schmidt, geboren 1958 in Gotha, arbeitete als Diplompsychologin, Redakteurin und Sozialwissenschaftlerin. Sie erhielt für ihre literarischen Arbeiten zahlreiche Preise, darunter den Leonce-und-Lena-Preis 1993. Ihr 1998 erschienener Roman »Die Gunnar-Lennefsen-Expedition« wurde mit dem Förderpreis des Heimito-von-Doderer-Preises und dem Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 1998 ausgezeichnet. Für ihren Roman »Du stirbst nicht« erhielt sie 2009 den Preis der SWR-Bestenliste und den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschien ihr Gedichtband »waschplatz der kühlen dinge« (2018).
zur Kurzübersicht
Geschichte und Geschlecht, Körper und die Codes unserer Erfahrung, ein Blick, der die Sprache zum »fremdwörterhaus« werden lässt, die »kleinhausordnung« der Kindheit: Das sind Themen, um die das Schreiben von Kathrin Schmidt kreist, nicht nur in ihrer Lyrik, aber dort werden die Modelle zunächst erprobt, mit Lakonie, Frechheit, Intellekt, aber auch nicht ohne Melancholie. »im oberwasser berlins ein rumoren: breitblättrig, außer fasson, schlägt die zunge ein rad«, heißt es im Titelgedicht, und worauf dann die losgelassene Sprache sich einlässt, ist bestimmt von Geschichte, vom Blick auf die Sprengkräfte der Körpergeschichte und das, was sie gewaltsam eindämmt, »aus all meinen schießscharten«. Mit einem großen Formenreichtum bezeugen die neuen Gedichte die Individualität und Intensität der Lyrikerin Kathrin Schmidt.
I KLEINE CLAQUEURSHERZEN
idiom, das meinen mund schaukelt
vor dem ausschwärmen
militärmuseum
zu werbezwecken verschwistert,
im dunkel der kleinhausordnung
im rücken die feuerschutztür,
grenzblick, wie zur probe
als die zu sieben schwestern
affen zählen / hütejungen bezahlen
was in der kurve
fazitti
auch dieses kind
kleine claqueursherzen
II GO-IN DER BELLADONNEN
weibsmauser
stimmblöße, frostsicher
bergfrühling
putsch der putten
rohe botschaft
alkolholische lösung
das ist wurzelgemüse
im pechpanzer
mein aufenthalt im zehrkummer
lunatisch
wie gehabt
wasser.marsch.
go-in der belladonnen
III FERMENT ALS VERSFUSS
dich in schonhaltung
vorgang mit befreiender wirkung
flaschengrün, höhlengrau
was wie suff scharfen schaum aus dem mund treibt,
spaltbild mit ankunftsszene
der tag verharrt
klar schiff, kamerad
satzverlust
wir befinden uns im
da kann ja kein mensch mehr
auch das asyl
farne fotografieren
e. outet den flop
IV PAARSEGELN
frühwarnsystem
fischisch
was mehr war
eine andere sein
wellenbrecher
zück ab
als ich einmal einen österreichischen hund liebte
immer im zimmer bleiben
mitotisch
armer altritter
paarsegeln
V DISTANZFIEBER
dimmbar, das schraubzwingenplatt
eben noch stumm
da draußen der körperfühlige
die art der verwilderten tauben,
nach dir, ohne die
im krebsgang, gegen sieben,
gecancelt
entmantelt umarmt
als ich den verpflanzungshügel bemerkte
von den ästen getropft, im schlafrausch
in meinem blassen rahmgesicht,
distanzfieber
über der atemschwelle, im schwesternkuss: klarnamen,
an die tür gehängt und vergessen, im stoffturnbeutel,
zwischen körperkultur und brotdose, jemand schweißte es
so zusammen − ledernacken und tochternatur −,
dass der hilfscode versagte, das rechte passwort
sich im geheimen verlor. mundartmündel
mit kurzem insektenatem, waren wir zart gedacht
in unseren flappenden höschen, beim turnen nach noten
oder beim staffellauf. regelhafte beschwerden hielten wir
interniert, unter der leibdecke, im sonnengeflecht.
so konnte es bleiben, bis zwischen den mädchenlippen
pflanzen sich zeigten, schallmauerblumen. die wächsernen
stängel filterten wort um wort, das idiom war ein kunstgriff
geworden.
der tapferen kleinen hautflügelkämpfer
wird das markieren der pflanzareale vollzogen:
nachzüglerjungs, die weichen nacken
im haftgriff der fieberklammer,
üben den tanzschritt, das schlagen der
zwillingsglocken.
zu kriegerattrappen versippt, bleiben
die ausgelöffelten vaterschalen noch kenntlich. deren
zirpen im mahlgang, wie es das trockene rascheln
von laub fälscht!
ich hab mir einen der jungs
in die offene stelle gescannt, diese raubkopie
bockt und bockt –
neben dem haupteingang lagerten schweigend die postentiere,
der lüfter schnetzelte rangabzeichen, verstummte.
schmelzendes trachtengrün, wie es aus den vitrinen hinabging
aufs freigelände, immer der melde nach, den nervösen
brennnesselschwärmen!
ich trug deine dienstzeit am körper, schickte die juckenden
stellen ins blut, bis das kleid verschorfte. in meiner tasche die
kindersoldaten fiepten und fiepten, dass die staubkruste sacht
von der eskaladierwand platzte. es fehlten flexibel bespannte
strukturen und zielscheibenwischer.
ich hatte nur diese kleinen kindersoldaten dabei, deren münder
nicht einen moment lang zögerten, mich beim namen zu rufen.
wurden erst beine sichtbar, knickstauden,
denen der knochenleim aus den knieschalen abwärts
durch die strumpfschläuche sackte, in
kindersandalen mit katzengoldspangen.
vor der falle des zögerns ein ruck durch die szene,
nach oben, zu breiblonden Schnecken, beschnittenen
ponys und anderen lebenden arten. zuletzt waren die
kleider zu sehen, bunte häftlingskostümchen, die
zerbrechliche rumpfelemente fixierten. wir puzzelten
das zusammen: schmale mädchen, der mutterquote
links und rechts ins beiboot gereiht.
zwar wollten wir den gestrandeten