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»… der herbst / würde ohne kürbisse bleiben in diesem jahr / wie ich ohne dich.« Neue Gedichte von Kathrin Schmidt. Kathrin Schmidts neue Gedichte erzählen vom Älterwerden, von Abschieden, von der Vergänglichkeit. Und doch sind sie das Gegenteil von Stillleben, denn sie sprechen immer »vom Leben her«. Still steht da nichts, alles bewegt sich – getrieben von großer Lebensliebe, Klugheit und scharfem Humor. Gesprochen und nachgedacht wird über den Körper und seine Metamorphosen, über das Vergehen der Natur ringsum, über das, was Familie bedeutet. Über alles, was bleibt, und über die Dinge, die – manchmal auch Gott sei Dank – verschwinden. Neben urbane Schauplätze treten oft ländliche Gegenden. Die Texte »spielen« auf dem Land, im Dorf oder zumindest im Garten. Das Vokabular schöpft aus dieser Naturwelt, aber es ist keine ungebrochene Idylle: Windräder stehen im Bild, ihre Rotoren zerschneiden die Luft. So gelingen Kathrin Schmidt Gedichte, die beides miteinander verklammern: die Natur und die Stadt, das Leben und das Sterben, den sinnlichen Eindruck und die abstrakte Analyse. » solche gegenden zahlen mit blütenzucker für schlaf. in wellen fährt er durchs feld, sammelt kraft für den gang in die ortschaften. wo du zusehen kannst, wie stunde für stunde vollendete gegenwart quert vorm verschwinden. wo du platzhalter bist. «
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Seitenzahl: 47
kathrin schmidt
sommerschaums ernte
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es ist zu ende. in gewissem sinne ganz ausgestanden, das ding
mit den kindern, die sich aus deinem körper stanzten.
sicher, da bleiben löcher, wo sie einst steckten,
als sie noch nicht mit dem knüppelchen knallen
und knülle ins bett fallen konnten. als sie in deinem wasser
schwammen, bewusstseinsschweblingen gleich,
und von nachtniere zu morgenmund wanderten
im ohnelicht. in gewissem sinne dir fern jetzt
und fremdlinge, deren freiersfüße sprungbereit zucken.
trabantenstatus gekündigt. das gerissene sehnen
will dich noch hin und wieder ergreifen
mit abgekupfertem beistand. da helfen gestrickte tricks,
um die schultern getragen. das rückgrat
steht wurzelstockfarben und steif.
wir verständigten uns über äpfel,
die in aufgegebenen gärten,
an wegrändern wuchsen,
über gestreckte äste in teiche fielen,
sauer blieben über das herbstgold hinaus,
die nicht geerntet wurden, nicht abgeholt,
nicht in plastikeimern gesammelt, entsaftet,
vermust, nicht zentrifugiert oder in ringen
getrocknet, nicht im schmalz versenkt
oder in enten, gänse gefüllt,
deren schale sich nicht in tee verwandelte,
der saft keineswegs zu gelee,
das püree nimmer in fruchtleder:
in dosen verwahrt, spräche es noch im winter
vom spätsommer, vom früh- und vom spätherbst
unter unseren längst vergangenen umständen,
vom sammeln, sich bücken,
der räuberleiter, den kletterkindern,
den unter der last zerreißenden taschen.
uns, die wir den gravensteiner verehrt hatten
(nur kurze zeit haltbar), den boskoop
in rührteig versenkt und langsam verbacken,
war mit den kindern der platz aus dem haus gegangen,
hatte das haus gleich mitgenommen,
so dass wir im kleinen zimmer hockten,
kein raum für stühle und tisch in großer runde,
für gläser, töpfe, dosen, flaschen, wünsche,
besuch und vergebung, aber wenigstens
verständigten wir uns über äpfel
in aufgegebenen gärten.
den verregneten sommer über begleitete schaum die mädchen der stadt.
der nacht zwischen zwölf und null entwischt, bemerkten sie nicht,
wie er ihre frisuren tönte und ihnen mürbes licht auflegte.
auf der haut fälschte er sonne mit moussierendem schmelz.
immer, wenn ich eines der mädchen stellte, sprach es vom schnee,
der aus meinen gelenkkapseln riesele. das alter antwortete selbstherrlich
auf jeden versuch, mir meine knochen fünfzehnjährig vorzustellen.
nichts blieb mir übrig, als es den mädchen nachzusehen, wie sie perlten.
später, im herbst, erntete ich den schaum, der sich von ihnen löste
und auf den trottoirs um die ecken flatterte. wenn ich ein fetzchen
erwischte, stopfte ich es in mund und ohr. sehr deutlich hörte ich dann
die schönen klanglichen körper der mädchen, birnen und deren duft.
du siehst nicht, wie unsere salzige hefe den sommer
noch einmal aufgehen ließ. still stehen sätze,
die wir uns eben noch zuflüsterten, im getreide ringsum.
wir aber schlafen, werden später als pflückfische
wieder erwachen, das kabeljaulen im ohr. mit diesem tinnitus
könntest du sonderbar werden, seelen sezieren
oder dich verschlucken an meiner besseren hälfte,
ihren lauteren absichten.
du wirst auch den fahrradboten nicht sehen, wie er mitten
hinein tappt in die wohlgeruchsfalle. wie er über die haferkante äugt,
ganz benommen von heimlichen sekreten, die sich teilen
in meine und deine. anvertraut hinter vorgehaltenen händen.
mitten im korn, das der liebe den stoff gibt, sich zu entfalten.
der ablauf der fruchtfolgen ist längst optimiert und eingetragen
in die verschiedenen spalten der landschaft, deren zeilen
genau zwischen dir und mir so heillos zerfurcht sind.
womöglich aber wird das erwachen uns unverrichteter dinge
wieder verlassen? wir werden den acker nicht säumen wollen
mit unseren viel zu kleinen stichen. wir werden diese schläge
nicht mehr besticken. hier steht schierling, dort das krautige
jakobskreuz, die schönen mörder lassen uns grüßen. im ungewissen
bleibt, ob wir engel auf erden beringen. ob der einmal geblasene marsch
andauern wird wie die aufgabe der atmung, die so
oder so vor uns steht
ich sah dich in meine begriffe radeln, mitten hinein
ins tohuwabohu der halbsätze, die um bedeutungen
kungelten. da war kein wort übrig für dich, die redefiguren
versteckten sich zwischen gehisstem kehlkopfsegel
und gegessenen stunden. als du geflügelte satzfische
aus deinem rucksack holtest, köderte ich sie auf der stelle,