16,99 €
»… der herbst / würde ohne kürbisse bleiben in diesem jahr / wie ich ohne dich.« Neue Gedichte von Kathrin Schmidt. Kathrin Schmidts neue Gedichte erzählen vom Älterwerden, von Abschieden, von der Vergänglichkeit. Und doch sind sie das Gegenteil von Stillleben, denn sie sprechen immer »vom Leben her«. Still steht da nichts, alles bewegt sich – getrieben von großer Lebensliebe, Klugheit und scharfem Humor. Gesprochen und nachgedacht wird über den Körper und seine Metamorphosen, über das Vergehen der Natur ringsum, über das, was Familie bedeutet. Über alles, was bleibt, und über die Dinge, die – manchmal auch Gott sei Dank – verschwinden. Neben urbane Schauplätze treten oft ländliche Gegenden. Die Texte »spielen« auf dem Land, im Dorf oder zumindest im Garten. Das Vokabular schöpft aus dieser Naturwelt, aber es ist keine ungebrochene Idylle: Windräder stehen im Bild, ihre Rotoren zerschneiden die Luft. So gelingen Kathrin Schmidt Gedichte, die beides miteinander verklammern: die Natur und die Stadt, das Leben und das Sterben, den sinnlichen Eindruck und die abstrakte Analyse. » solche gegenden zahlen mit blütenzucker für schlaf. in wellen fährt er durchs feld, sammelt kraft für den gang in die ortschaften. wo du zusehen kannst, wie stunde für stunde vollendete gegenwart quert vorm verschwinden. wo du platzhalter bist. «
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 47
Veröffentlichungsjahr: 2020
kathrin schmidt
gedichte
Buch lesen
Titelseite
Über kathrin schmidt
Über dieses Buch
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Hinweise zur Darstellung dieses E-Books
zur Kurzübersicht
Kathrin Schmidt, geboren 1958 in Gotha, arbeitete als Diplompsychologin, Redakteurin und Sozialwissenschaftlerin. Sie erhielt für ihre literarischen Arbeiten zahlreiche Preise, darunter den Leonce-und-Lena-Preis 1993. Ihr 1998 erschienener Roman »Die Gunnar-Lennefsen-Expedition« wurde mit dem Förderpreis des Heimito-von-Doderer-Preises und dem Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 1998 ausgezeichnet. Für ihren Roman »Du stirbst nicht« erhielt sie 2009 den Preis der SWR-Bestenliste und den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschien ihr Gedichtband »waschplatz der kühlen dinge« (2018).
zur Kurzübersicht
Kathrin Schmidts neue Gedichte erzählen vom Älterwerden, von Abschieden, von der Vergänglichkeit. Und doch sind sie das Gegenteil von Stillleben, denn sie sprechen immer »vom Leben her«. Still steht da nichts, alles bewegt sich – getrieben von großer Lebensliebe, Klugheit und scharfem Humor. Gesprochen und nachgedacht wird über den Körper und seine Metamorphosen, über das Vergehen der Natur ringsum, über das, was Familie bedeutet. Über alles, was bleibt, und über die Dinge, die – manchmal auch Gott sei Dank – verschwinden. Neben urbane Schauplätze treten oft ländliche Gegenden. Die Texte »spielen« häufig auf dem Land, im Dorf oder zumindest im Garten. Das Vokabular schöpft aus dieser Naturwelt, aber es ist keine ungebrochene Idylle: Windräder stehen im Bild, ihre Rotoren zerschneiden die Luft. So gelingen Kathrin Schmidt Gedichte, die beides miteinander verklammern: die Natur und die Stadt, das Leben und das Sterben, den sinnlichen Eindruck und die abstrakte Analyse.
nach dem trabantentrara
nach dem trabantentrara
spätlese
sommerschaums ernte
nichts sagend
phrasenstrukturgrammatik
kardiales troponin
rosenseife
wesenheiten
altneubausubstanz
muster, geloopt
ballon d’amour
aller falschen dinge
siebentabu
geweihnacht
bildproduktion
reizzeit
engerlings blues
engerlings blues
gelbes elend
fingerbeerenlese
bildnis der grenze als verlorene zeit
gelten, gebieten
parzelliertes verbrechen in untergeordneter landschaft
fälliger wechsel
l’absence d’eau
kopierte pausen
im mädchenwald
werkswesen
statistik der lockerungen
sturzkasse
paar unterm dach
paar unterm dach
sanitätseinsatz
das war
höfischer phlox
erkundung
immerdar
fühlung
zu sehen,
technischer fortschritt
vom schreddern der tage
optionshandlung
gefleckte mandeln
schwundsache
gesellenstück
schwarze platten
stundenausfall
lunatische gedichtnis
gemischt faschiert
gemischt faschiert
far-fetched
synkope
beim wort genommen
geländegänger
rechnung ohne wirt
lockerer taschenschnabel
ufervolk
auf den hund gekommene dinge
heimkehr in homecare und umkehr
Aschene Quadrille
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
es ist zu ende. in gewissem sinne ganz ausgestanden, das ding
mit den kindern, die sich aus deinem körper stanzten.
sicher, da bleiben löcher, wo sie einst steckten,
als sie noch nicht mit dem knüppelchen knallen
und knülle ins bett fallen konnten. als sie in deinem wasser
schwammen, bewusstseinsschweblingen gleich,
und von nachtniere zu morgenmund wanderten
im ohnelicht. in gewissem sinne dir fern jetzt
und fremdlinge, deren freiersfüße sprungbereit zucken.
trabantenstatus gekündigt. das gerissene sehnen
will dich noch hin und wieder ergreifen
mit abgekupfertem beistand. da helfen gestrickte tricks,
um die schultern getragen. das rückgrat
steht wurzelstockfarben und steif.
wir verständigten uns über äpfel,
die in aufgegebenen gärten,
an wegrändern wuchsen,
über gestreckte äste in teiche fielen,
sauer blieben über das herbstgold hinaus,
die nicht geerntet wurden, nicht abgeholt,
nicht in plastikeimern gesammelt, entsaftet,
vermust, nicht zentrifugiert oder in ringen
getrocknet, nicht im schmalz versenkt
oder in enten, gänse gefüllt,
deren schale sich nicht in tee verwandelte,
der saft keineswegs zu gelee,
das püree nimmer in fruchtleder:
in dosen verwahrt, spräche es noch im winter
vom spätsommer, vom früh- und vom spätherbst
unter unseren längst vergangenen umständen,
vom sammeln, sich bücken,
der räuberleiter, den kletterkindern,
den unter der last zerreißenden taschen.
uns, die wir den gravensteiner verehrt hatten
(nur kurze zeit haltbar), den boskoop
in rührteig versenkt und langsam verbacken,
war mit den kindern der platz aus dem haus gegangen,
hatte das haus gleich mitgenommen,
so dass wir im kleinen zimmer hockten,
kein raum für stühle und tisch in großer runde,
für gläser, töpfe, dosen, flaschen, wünsche,
besuch und vergebung, aber wenigstens
verständigten wir uns über äpfel
in aufgegebenen gärten.
den verregneten sommer über begleitete schaum die mädchen der stadt.
der nacht zwischen zwölf und null entwischt, bemerkten sie nicht,
wie er ihre frisuren tönte und ihnen mürbes licht auflegte.
auf der haut fälschte er sonne mit moussierendem schmelz.
immer, wenn ich eines der mädchen stellte, sprach es vom schnee,
der aus meinen gelenkkapseln riesele. das alter antwortete selbstherrlich
auf jeden versuch, mir meine knochen fünfzehnjährig vorzustellen.
nichts blieb mir übrig, als es den mädchen nachzusehen, wie sie perlten.
später, im herbst, erntete ich den schaum, der sich von ihnen löste
und auf den trottoirs um die ecken flatterte. wenn ich ein fetzchen
erwischte, stopfte ich es in mund und ohr. sehr deutlich hörte ich dann
die schönen klanglichen körper der mädchen, birnen und deren duft.
du siehst nicht, wie unsere salzige hefe den sommer
noch einmal aufgehen ließ. still stehen sätze,
die wir uns eben noch zuflüsterten, im getreide ringsum.
wir aber schlafen, werden später als pflückfische