Blue Skye - Die kleine Alpakafarm in Schottland - K. Elly de Wulf - E-Book
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Blue Skye - Die kleine Alpakafarm in Schottland E-Book

K. Elly de Wulf

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Beschreibung

Quirlige Alpakas, die wildromantische Isle of Skye und die große Liebe – für alle LeserInnen von Susanne Oswald & Manuela Inusa »Immer, wenn ich die Augen schließe, tauchen ihre Augen auf, und mit ihnen wallt erneut Ärger in mir hoch. ›Halsstarrig‹ ist das Erste, was mir zu dieser Frau einfällt. ›Durchgeknallt‹ das Zweite. Welcher normale Mensch hält sich Alpakas außerhalb der Anden? Hier in den Highlands, auf Skye? Das ist doch völlig gaga.« Melina wagt mit ihren Alpakas auf der Isle of Skye einen Neuanfang. Leider fällt ihr Empfang durch die Einheimischen frostig aus; vor allem der mürrische Wildhüter Rory ist wenig angetan von den südamerikanischen Invasoren, die sein eintöniges Leben mit ihrer besonderen Magie gehörig durcheinander wirbeln. Zu allem Überfluss geht ihm Melina nicht mehr aus dem Kopf. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an, und bald fliegen zwischen den beiden nicht nur die Fetzen, sondern auch gehörig die Funken. Band 1 der »Skye«-Reihe.Die Bände sind lose verknüpft und unabhängig voneinander lesbar. »Absolut spitze. So hautnah und spannend erzählt bis zum Schluss. Eine wunderschöne Geschichte und ich hatte lange nach Beendigung des Buches noch ein Lächeln auf den Lippen.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Bei diesem Roman war ich sehr schnell mit Melina und ihren Alpakas auf der Isle of Skye. Die Handlungsorte konnte ich mir sehr gut vorstellen und ich spürte den Meereswind. Ein Roman um den Alltag zu entfliehen und schöne Lesestunden zu genießen.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Eine schöne Geschichte voller Gefühl und Spannung, Romantik und Unterhaltung zum Abschalten und Genießen. Ein Wohlfühlroman!« ((Leserstimme auf Netgalley))

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© Piper Verlag GmbH, München 2021

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Alexa Kim »A&K Buchcover«

Covermotiv: Depositphotos.com (unkreatives; lifeonwhithe; spline_x); PNGTree

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

1.Melina

2.Rory

3.Melina

4.Rory

5.Melina

6.Rory

7.Melina

8.Rory

9.Melina

10.Rory

11.Melina

12.Rory

13.Melina

14.Rory

15.Melina

16.Rory

17.Melina

18.Rory

19.Melina

20.Rory

21.Melina

22.Rory

23.Melina

Epilog

Melina

Rory

Danksagung

Für alle Sterne im Regenbogenland

1.Melina

Der Kofferraum ist so voll, dass ich die Heckklappe kaum schließen kann. Die Gurte, die die Plane auf dem Anhänger halten, sind ordentlich festgezurrt. Ich bin abfahrtbereit und stehe unter Hochspannung, denn auf mich wartet ein neues Leben. Auf Skye.

»Hast du alles?« Phil ist in der Hintertür stehen geblieben.

So kenne ich ihn. Die Hände in den Hosentaschen, Kaffeeflecken auf der Jeans und ein schiefes Lächeln auf den schmalen Lippen. Er war nie ein Mann der großen Gesten, nicht einmal der kleinen oder … Egal. Das Thema ist beendet, die Zeit hier auf seinem urigen Hof außerhalb von Edinburgh ab heute Geschichte.

»Definitiv.«

»Sicher?«

Natürlich bin ich das, schließlich bereite ich meinen Umzug seit mehreren Wochen vor und habe sämtliche Dinge markiert, katalogisiert und eingepackt, die ich auf gar keinen Fall hierlassen will. Lediglich drei Gegenstände erhielten ganz aus Versehen keinen roten Klebepunkt. Der schielende Flamingo im Garten, den mir Phils Mutter zum Geburtstag geschenkt hat, die Ork-Tasse, die ich letztes Weihnachten von Phil bekam, und dieses Etwas, von dem ich heute noch nicht weiß, was es überhaupt darstellen soll.

Selbstverständlich war das auch ein Geschenk, sogar von Phil und seiner Mum. Geschenktechnisch haben die beiden echt nichts drauf. Schrecklich. Okay, ich gebe zu, dass sie einmal einen Volltreffer gelandet hat. Die pinkfarbenen Gummistiefel mit den weißen Alpakas liebe ich mittlerweile heiß und innig. Sie passen nämlich wie angegossen.

»Ja, ja«, flöte ich und grinse ihn an, obwohl mir mulmig zumute ist. Nicht, weil ich doch was vergessen haben könnte, sondern wegen des Sprungs ins Unbekannte, den ich wage. Ich bin seit frühester Kindheit häufig umgezogen, und es sollte mir nichts ausmachen, diesmal liegt die Sache jedoch ein bisschen anders. Niemand wartet auf Skye auf mich. Dort habe ich weder Familie – zumindest nicht mehr – oder Freunde, von denen ich sowieso nie viele hatte. Und bin völlig auf mich allein gestellt.

Puh! Ruhig atmen. Du schaffst das! Goodbye Edinburgh, auf nach Leathan!

»Wollen wir?«, ruft Wally, der glatzköpfige Fahrer einer lokalen Spedition, die vornehmlich Tiere befördert. Er hält einen seiner baumstammdicken, tätowierten Arme aus dem Seitenfenster des sonst für Pferde genutzten Transporters und sieht erwartungsfroh zu mir rüber.

»Kann losgehen. Bin direkt hinter dir.«

Er gibt mir ein »Daumen hoch« und startet den Motor. Die Rücklichter verschwinden im diffusen Licht des anbrechenden Morgens, während ich den Blick ein letztes Mal über die kleine Farm, auf der ich die vergangenen drei Jahre gelebt habe, schweifen lasse. Es war eine schöne Zeit, nicht immer einfach, doch trotz allem bleiben viele wundervolle Erinnerungen.

»Tja, dann ist es wohl so weit.« Phils Hang, das Offensichtliche festzustellen, nervt. Ich verkneife mir das Endlich und quäle stattdessen ein Lächeln auf mein Gesicht. So, wie er mich ansieht, scheint er es falsch zu interpretieren, denn er kommt auf mich zu.

»Na, na, ich weiß, es tut weh. Nicht weinen.«

Hatte ich nicht vor. Keine Ahnung, wie er darauf kommt. Der Einzige, der mir wirklich richtig fehlen wird, heißt nicht Phil, sondern Tiberius, und ist ein zuckersüßer reinweißer Huacaya-Alpakahengst. Leider gehört er meinem Ex und konnte deshalb keinen roten Klebepunkt bekommen, auch wenn ich ihm nur zu gern einen verpasst hätte.

»Ich melde mich, sobald wir angekommen sind. Mach’s gut, Phil.« Meine Hand schnellt vor, die er irritiert beäugt, bevor er sie ergreift. Wie immer legen sich seine Finger viel zu lasch um meine, und ich habe das Gefühl, einen nassen Lappen auszupressen. Als ich vor drei Jahren zu Beginn des vierten Semesters eine neue Wohnung brauchte und zum ersten Mal vor ihm stand, fand ich ihn irgendwie süß. Eine Mischung aus nerdig und ländlich, kein hipper Großstädter, sondern etwas verschroben.

Vielleicht lag es auch eher an Tiberius, den er neben sich am Halfter führte, auf jeden Fall war ich für ihn sofort Feuer und Flamme. Nun ist da nur Asche, aus der ich hoffentlich wie ein Phönix auferstehen werde.

»Mach’s besser!«, erwidert er und zuckt mit den Schultern, als ich ihn nicht zum Abschied drücke.

Wozu? Das mit uns hielt kaum achtzehn Monate. Wir sind bestenfalls Freunde, wenn überhaupt. Allein meine Alpakas, die ich mir während der gemeinsamen Zeit zugelegt habe, banden mich an diese Zweckgemeinschaft. Die neun Stuten und fünf Walache kann ich schließlich nicht in einem Vorgarten anpflocken. Sie brauchen Auslauf, und zwar jede Menge davon.

»Hab ich vor. Man sieht sich.« Oder nicht. Es ist komisch, aber als ich die Wagentür schließe, verspüre ich keinerlei Angst mehr vor dem Unbekannten. Meine einzige Sorge gilt meiner Herde, vornehmlich dabei Celine, die trächtig ist und in knapp drei Monaten gebären wird. Obwohl der Tierarzt mir versichert hat, dass sie robust genug ist und der Stress sicherlich nicht zu umfänglich, habe ich dennoch ein mulmiges Gefühl.

Ich atme tief durch und gebe Gas. Während ich durch das Tor fahre, färbt sich der Horizont lila. Es beginnt nicht nur ein neuer Tag, sondern auch ein neues Leben. Auf mich wartet die Isle of Skye, und ich freue mich auf dieses Abenteuer.

Es ist bereits dunkel, als wir auf die schmale Zufahrt zum Cottage einbiegen. Die Ankunft war für den Nachmittag geplant, daraus wurde, dank einiger Staus, später Abend. Zum Glück habe ich vergangenes Wochenende schon viel vorbereitet, sodass meine wilde Bande direkt in den Stall einziehen kann.

Etwas zögerlich beäugen sie alles, doch sobald Celine, die einen fitten Eindruck auf mich macht, forsch voranschreitet, um das neue Refugium genauer zu inspizieren, folgen ihr die restlichen Herdenmitglieder voller Neugier. Ich werfe Heu in die Raufe, in das Freddie und Harry gemeinsam mit den Jungs ihre langen Nasen vergraben, als stünde ihnen der Hungertod bevor.

»Wäre gern dabei, wenn die morgen das erste Mal auf die Weide kommen. Das haut die alten Schaftreiber aus den Socken«, tönt Wally. Sein bäriges Lachen dröhnt durch den Stall und versetzt die Gang kurz in Panik. Erschrocken hüpfen Tina und Whitney herum. Zayn, mein zotteliger Suri-Wallach, steht ihm am nächsten und schreit schrill, reckt den Hals und beginnt zu flehmen. Kein gutes Zeichen!

»Wally!« Mein verzweifelter Versuch, ihn zu warnen, kommt zu spät. Wie in Zeitlupe fliegt Zayns Spucke durch die Luft und landet zielsicher mitten auf Wallys Stirn. Treffer, versenkt.

»Verdammte Axt!«

Mit der flachen Hand reibt er sich über die Glatze. Na toll, jetzt hat er es erst so richtig verteilt. Aus der Hosentasche fische ich ein Papiertaschentuch und reiche es ihm. Normalerweise ekeln sich die Opfer, wenn sie von Zayn angespuckt werden. Wally findet es hingegen witzig und lacht noch, während er die Klappe des Transporters schließt.

»Sorry, tut mir wirklich leid. Dieses Sensibelchen reagiert auf laute Geräusche, und nach dem Stress mit der langen Fahrt heute kann so was schnell passieren«, versuche ich, meinen Wollwuschel in Schutz zu nehmen, doch er winkt ab und streckt mir seine riesige Pranke entgegen.

»Mädel, mir sind schon Kaltblüter auf die Füße gestiegen, und ein Galloway Bulle hat mich mal aufs Horn genommen. Da ist so ein wenig Schnodder nichts dagegen«, tut er Zayns Ausrutscher ab und öffnet die Fahrertür.

»Du fährst jetzt aber nicht zurück nach Edinburgh, oder?« Die Straßen hier sind verdammt eng, und es ist mittlerweile stockdunkel. Außerdem steckt ihm bereits die lange Herfahrt in den Knochen. Selbst wenn er nur halb so müde ist wie ich, wäre es keine gute Idee, weitere zweihundertfünfzig Meilen zu fahren.

»Nay, nur aufs Festland. In Kyle wartet ein Ale mit meinem Namen drauf.«

Das beruhigt mich ungemein. »Danke. Für alles.« Ich stecke ihm vierzig Pfund zu, die er erst nicht annehmen will, doch ich klopfe ihm einfach gegen den massigen Oberarm und gehe zurück zum Stall. Von der Tür aus sehe ich ihm dabei zu, wie er den Transporter wendet.

»Pass auf dich auf, Mädel«, ruft er und winkt zum Abschied, bevor er mit dröhnendem Motor zur Straße fährt. Es vergehen nur wenige Augenblicke, bis eine unglaubliche Stille einkehrt, die ich so bis dato nur hier erlebt habe. Keine Autos, kein Fluglärm, keine Musik, keine Stimmen. Nichts.

Schon bei meinem allerersten Besuch auf Skye, damals war ich dreizehn und begleitete meine Eltern zur Beerdigung von Großtante Mairead, ist mir das aufgefallen. Wir waren immer zu Fuß unterwegs, und ich erinnere mich, dass ich manches Mal stehen geblieben bin, nur um in die Stille hineinzulauschen und sie tief in mich aufzunehmen. Auch jetzt geht mir aufs Neue das Herz auf, und ich kann spüren, wie ich innerlich zur Ruhe komme.

Aus jener Zeit kenne ich die Storr Apartments, daher hatte ich dort für die Aufenthalte gebucht, während denen ich alles für unsere Ankunft vorbereitet habe. Dort würde ich nun auch viel lieber übernachten als in Großonkel Currans altem Bett. Obwohl es eine neue Matratze bekommen hat, fühlt es sich komisch an. Vor allem wegen des eingeschnitzten Ritters und der darum herum befindlichen lateinischen Inschrift. Davon trennen konnte ich mich irgendwie trotzdem nicht. Mein Bauch riet mir, es zu behalten.

Ich sehe hinauf in den mit dicken Wolken verhangenen Himmel. Der Wind frischt auf und reißt die Wolkendecke an einigen Stellen auseinander. Sterne funkeln, und eine schmale Mondsichel lugt hervor. Der Ruf einer Eule ertönt, und ich kann den sanften Wellenschlag vom Ufer hören. Mein Cottage liegt erhöht und bietet einen fantastischen Ausblick auf Loch Leathan, den ich in jeder Putzpause genossen und mich, wenn ich zurück nach Edinburgh fuhr, danach gesehnt habe.

Das ist es, mein neues Zuhause, von dem ich hoffe, hier endlich Wurzeln schlagen und glücklich werden zu können. Unter normalen Umständen wäre dieses Haus sicherlich nicht meine erste Wahl, aber oftmals bergen derlei Herausforderungen weit mehr Positives, als sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Dieses alte, sanierungsbedürftige Cottage mit Mauern aus dunkelbraunem grobem Stein steckt voller Erinnerungen und kann eine eigene Geschichte erzählen. Drumherum befinden sich mehrere Hektar mit Heide, Gras und Kräutern bewachsendes Weideland und als Tüpfelchen auf dem i: jede Menge Ruhe.

Was braucht Frau mehr? Internet natürlich! Zum Glück ließ sich das Hotel ein Stück die Straße runter vor einigen Jahren Glasfaserkabel legen, und alle auf der Route befindlichen Häuser wurden angeschlossen. Somit steht mir eine Bandbreite zur Verfügung, von der ich auf Phils Hof in der Peripherie Edinburghs nur träumen konnte.

Gleich morgen früh, nachdem ich die Gang auf die provisorisch eingezäunte Weide gebracht habe, werde ich das Auto und den Hänger ausladen, das Equipment aufbauen und anschließen. Gregg, mein Teamleiter bei High Definition Web, hat bestimmt eine Menge Aufträge für mich an Land gezogen. Vor dem nächsten Herbst muss ich das Dach neu decken lassen, da kann ich jeden Penny brauchen.

Hinter mir höre ich Celine leise Summen. Meine hübsche Huacaya-Stute schaut mich an, und ich schmelze dahin, wie jeder, der einmal in den dunkelbraunen, beinahe schwarzen Tiefen der Alpakaaugen versunken ist. Diesem Blick kann man nicht entkommen. Die Sanftmut, die darin liegt, ist unbeschreiblich. Sie sind so liebenswert, dass einem das Herz aufgeht und die Seele zur Ruhe kommen kann.

»Willkommen auf Skye. Schlaft gut!«, wünsche ich und mache das Licht aus, bevor ich die Tür von außen verriegele.

Das Tolle an dem Stall ist, dass er zwar mit seinem moosbedeckten Schindeldach und den groben Steinwänden reichlich verwittert wirkt, innen hingegen sehr geräumig ist. Zudem verfügt er über ein großes Tor zur Seeseite, was ab sofort immer unverschlossen bleiben wird, da man Alpakas am besten im Offenstall hält. Sie brauchen Bewegungsfreiheit, und die haben sie hier mehr als genug.

Sobald ich die Tür aufmache, reckt jedes Mitglied der Gang den langen Hals und blinzelt mir verschlafen entgegen. Liam hat wie immer eine wilde Heufrisur, die ihm das leicht trottelige Aussehen eines verwirrten Professors verleiht. Keine Ahnung, wie er das schafft, aber allein deswegen bekommt er bei meiner Niedlichkeitswertung einen Extrapunkt.

Nach einer kleinen Morgeninspektion, bei der ich jedes Tier einzeln begutachte, öffne ich das Gatter. Wie gewohnt schreitet Celine, ganz Leitstute, voran und folgt mir, was auch die anderen in den kühlen Märzmorgen lockt. Dichter Nebel verhüllt den Blick auf die nähere Umgebung und dämpft die Geräusche der Wellen vom See.

Während die Alpakas ihre neue Weide genauer in Augenschein nehmen, die ersten Halme abzupfen und sich voller Lebensfreude wälzen, checke ich die Tränke und schaue nach den Zaunpfählen. Sie sind alt und verwittert. An einer Seite wird die gut tausend Quadratmeter einnehmende Fläche von einer Steinmauer begrenzt, in der ein Gatter eingesetzt ist. Dahinter liegt eine, ebenfalls mir gehörende, achtmal so große Wiese. Wenn das Gelände ordentlich eingezäunt ist, kann sich die Herde darauf frei bewegen.

Im Moment sieht hier alles noch recht chaotisch aus, und die offenen Stellen, die ich mit dünnen Strängen notdürftig gesichert habe, machen mir Sorgen. Alpakas sind von Natur aus neugierig und so ein paar Drähte dann schnell hochgeschoben. Da muss ein stabiler Schafweidezaun hin, sonst begeben sich die Wollgangster ohne mich auf Wanderschaft.

Bei der ersten Bestandsaufnahme, nachdem ich das Erbe angetreten hatte, habe ich neben den Drahtrollen jede Menge anderen Krimskrams in dem Schuppen hinter dem Stall gefunden. Noch überlege ich, was mit dem wilden Sammelsurium von Angelruten, Schnüren und antiquiert wirkendem Werkzeug, dessen Namen ich nicht einmal kenne, geschehen soll – geschweige denn, wofür man es gebrauchen könnte.

Curran war früher Wildhüter beim Besitzer des nahe gelegenen Leathan Castle Hotel. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich eigentlich keine Ahnung, womit sich so ein Wildhüter überhaupt beschäftigt. Es ist bestimmt einer dieser vom Aussterben bedrohten Berufe, die sich nur die reichen Lords leisten, um ihre Ländereien vor schnödem Fußvolk wie mir zu schützen.

Auf dem Weg zurück zum Haus kommt Celine von der Seite auf mich zu. Bis zur nächsten Schur ist es noch ein wenig hin, trotzdem hat sie schon viel von ihrem flauschig weichen reinweißen Fell stehen. Man kann erkennen, wie stark sich ihr Bauch wölbt, und sie wirkt dadurch um einiges voluminöser.

In gut drei Monaten ist es so weit, und meine Süße wird Mama. Dann wird sie ein hoffentlich gesundes schwarz-weißes oder dunkelgrau meliertes Cria von einem wunderhübschen nachtschwarzen Hengst bekommen. Eine richtige Investition, denn Hank Dawsons Crafter hat bei der nationalen Alpakaschau im vorletzten Jahr die ersten Plätze in Statur und Vliesqualität belegt.

In der Küche gieße ich mir einen Tee ein und lausche dem wohligen Summen meiner Tiere. Alles ist bestens, wenn sie das tun, dann sind sie entspannt und glücklich. Nur meine Laune sinkt rapide, als mein Handy zu klingeln beginnt.

»Hey, Melina. In welchem Stau habt ihr denn festgesteckt?«

Phil, den ich am Vorabend absichtlich vergessen habe, klingt vorwurfsvoll, und ich kann ihn sogar ein klein wenig verstehen. Ich lehne mich an einen der hölzernen Pfosten, die die Überdachung der Terrasse tragen, und lasse den Blick über die sanften Wellen auf Loch Leathan schweifen.

»In mehreren. Entschuldige, aber ich war nach der Tour völlig erschlagen. Bei uns ist alles in Ordnung.« Wenngleich ich ihm keinerlei Erklärungen schulde, will ich ihn trotzdem nicht forsch angehen oder gar anlügen. Er ist Alpakazüchter, und davon gibt es nicht viele hier in Schottland.

Trotz unserer endgültigen Trennung muss ich diplomatisch agieren, um mir die Türen offenzuhalten. Neben all seinem Fachwissen hat er mit Tiberius einen zuckersüßen Alpakahengst stehen und verlangt moderate vierhundert Pfund fürs Decken. Es wundert mich allerdings, dass er ihn noch nicht hat prämieren lassen, dann könnte er locker das Doppelte verlangen. Andererseits kommen so auch kleine Züchter oder Alpakaliebhaber günstig an Nachwuchs.

Celine ist zwar nicht von ihm trächtig, doch wer weiß, was die Zukunft so bringt. Phil vor den Kopf zu stoßen wäre daher ein Fehler.

Innerlich rümpfe ich die Nase, da es arg berechnend ist, so zu denken, bei Phil dreht sich jedoch prinzipiell alles nur ums Geld und wie er am besten die Arbeit auf andere abwälzen kann. Während unserer Beziehung kam ich mir irgendwann, als ich die rosarote Brille abgenommen hatte, nur noch finanziell und emotional ausgenutzt vor, was letztendlich der Grund für die Trennung war.

»Freut mich. Wenn was ist, melde dich. Mum lässt dich grüßen.« Er klingt neutral, so wie die letzten Wochen und Monate, seit wir uns auf ein normales Mieter-Vermieter-Verhältnis geeinigt haben.

»Richte ihr bitte auch einen Gruß von mir aus, und Danke für dein Angebot. Ich werde darauf zurückkommen, falls nötig.«

»Schön.«

»Ich muss dann mal. Bye.« Ich höre seine Erwiderung noch, bevor ich auflege. Der Nebel hat sich größtenteils aufgelöst und gibt Old Man of Storr, eine Felsformation, die einige Meilen entfernt oberhalb des Sees liegt, frei. Die Aussicht ist überwältigend und wird durch Sonnenstrahlen, die sich ihre Bahn in breiten Blöcken durch die aufreißende Wolkendecke brechen, verstärkt. Ein Handyfoto könnte diesen Anblick in all seiner Schönheit niemals einfangen. Es ist so atemberaubend, dass ich besser die Nikon holen sollte, doch die ist irgendwo im Kofferraum vergraben. Ich versuche es daher mit der Light-Variante und starte die Kamera-App des Smartphones.

Während ich das Foto auf dem Display betrachte, spüre ich, dass die Entscheidung, hierher zu ziehen, richtig war. Dieser ursprünglichen und rauen Insel wohnt ein besonderer Zauber inne, der mich leichter atmen lässt. Meine Seele beginnt bereits, Wurzeln zu schlagen.

Plötzlich wird alles still, das Summen verstummt, bis ein schriller Ruf ertönt. Mein Blick fliegt über die Weide. Jedes Alpaka reckt den Hals, hat die Ohren aufgestellt, und einige haben leicht den Schwanz gehoben. Im Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr und erkenne den Grund für den Alarm. Ein Mann steht am Gatter an der Steinmauer. Womöglich ein Wanderer, denn dazu würden die dunkelgrüne Rannoch-Jacke, seine festen Stiefel und die Schiebermütze passen. Die Kapuze hat er sich wohl zum Schutz vor der klammen Nebelkälte aufgesetzt. In der linken Hand hält er einen mannshohen Stock und trägt etwas über der Schulter, das wie ein länglicher Rucksack aussieht.

Die Herde formiert sich. Celine bleibt zurück, während die anderen Mädels zielstrebig auf ihn zulaufen. Die Wallache folgen. Normalerweise würde ich cool bleiben, doch als ich einen Hund neben dem Mann erkenne, stockt mir der Atem. Zwei Herzschläge, dann setze ich mich in Bewegung, um das Schlimmste zu verhindern. Genau im gleichen Moment öffnet der Typ das Gatter und betritt die Weidefläche. Weitere schrille Laute zerreißen die Stille. Okay, jetzt aber zügig.

»Ey!«, rufe ich und hoffe, dass es schroff genug klang, um ihn aufzuhalten. »Stehen bleiben!« Wenn jemand die Alpakas näher in Augenschein nehmen will, kann er gern vorn an der Haustür klopfen. Einfach auf die Weide marschieren, geht mal gar nicht. Und erst recht nicht mit einem Hund im Schlepptau. Da prallen immerhin zwei natürliche Feinde aufeinander.

Der braune Jagdhund mit kurzem Fell und wachem Blick bleibt zum Glück am Gatter zurück und legt sich flach auf den Boden, während der Eindringling weiterstapft, als habe er mich nicht gehört.

»Sie da!«, blaffe ich und lege all meinen Ärger hinein. »Was soll das?«

Der Kerl wird langsamer, als Ginger ihm den Weg abschneidet. Liam und Harry flankieren sie. Zayn hebt den Kopf, bläht die Nüstern und beginnt zu flehmen. Gott, wie ich diese Herde liebe. Der Zusammenhalt ist einfach nur der Wahnsinn.

Ich baue mich vor ihm auf, doch alles, was ich im Schatten seiner tief ins Gesicht gezogenen Kopfbedeckung erkennen kann, sind zwei dunkle Edelsteine, die mich mürrisch anfunkeln, und ein rotgoldener reichlich wild aussehender Bart. Er stellt sich breitbeinig vor mir auf, rammt den Stock in den Boden und zieht sich die Kapuze herunter. Ich muss den Kopf in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können. Nachdem er die Mütze gerichtet hat, bohrt er seinen kalten Blick in mich hinein. Für einen winzigen Moment scheint es mir, als wäre ich hier der Störenfried und nicht er.

»Jedermannsrecht«, knurrt er mehr, als er es ausspricht, und schickt sich an, an mir vorbeizugehen.

»Was?« Nicht einmal einen Gruß, geschweige denn eine vernünftige Erklärung bekommt er heraus. »Runter von der Weide oder ich werde ungemütlich!«

Er bleibt erneut stehen, wendet sich mir zu und tritt mit einem einzigen Schritt so nah an mich heran, dass ich die Sommersprossen auf seiner Nase zählen kann. Ein erdiger Geruch, gemischt mit dem Duft nach Schwarztee und Bittermarmelade, schlägt mir entgegen. Zayns Flehmen wird lauter, er zieht Luft ein. Ich weiß, was jetzt kommt, und im Gegensatz zu gestern bei Wally spreche ich diesmal keine Warnung aus.

Spucke fliegt und klatscht zielsicher auf die freie Fläche zwischen Auge und Bart des Eindringlings. Entsetzen macht sich auf seinen harten Zügen breit. Mit weit aufgerissenen Augen starrt er mich an, bevor er sich wie in Zeitlupe Zayn zuwendet, der noch immer aufgeregt schnaubt. Als der nächste Spuckefleck mitten auf der Nase des Eindringlings landet, befürchte ich, dass er meinen Wallach eigenhändig erwürgen könnte, und schiebe mich todesmutig zwischen die beiden ungleichen Kontrahenten.

»Runter von der Weide! Sofort!« Weder Hund, der von den Alpakas zum Glück weitestgehend unbeachtet bleibt, noch Mann zucken mit den Wimpern. Stoisch verharrt der Kerl, während Zayns Sabber in seinem Bart versickert.

Ich weiß, wie sich das anfühlt, und nein, es ist nicht so eklig, wie man es gemeinhin glauben mag. Für mich sind die Alpakas wie Babys, und die spucken schließlich auch ab und an. Zudem bin ich keine Mimose, die Angst um ihr Make-up hat, so was trage ich erst gar nicht.

»Jedermannsrecht«, wiederholt er. Diesmal klingt sein Knurren gepresst und bedrohlich. In seinen haselnussbraunen Augen blitzt es gefährlich, und seine dichten Brauen schieben sich so weit zusammen, dass dazwischen drei tiefe Furchen entstehen. Für die Länge eines Herzschlags bilde ich mir ein, ihm schon mal über den Weg gelaufen zu sein.

»Das ist eine Weide mit stehenden Tieren darauf«, entgegne ich barsch, denn schließlich weiß ich, was das schottische Wegerecht genau beinhaltet. »Das Land mag nicht kultiviert sein, was aber keinesfalls bedeutet, dass Sie ungefragt das Gatter öffnen und durchmarschieren können. Der Umweg um die Einzäunung hätte Sie, wenn es hochkommt, eine Minute Ihrer kostbaren Zeit gekostet. Diese ganze Grütze hier dauert bereits länger.«

Wenn der Typ denkt, ich wäre blöde, dann hat er sich geschnitten. Nicht mit mir …

Die Furchen werden tiefer, seine Nasenflügel blähen sich auf, und ich nehme ein Knirschen wahr. Sein Griff um den Stock muss es hervorgerufen haben, denn es fehlt nicht mehr viel, und er zerdrückt das Holz buchstäblich mit seiner riesigen Pranke.

»Im Uferbereich brüten Bekassine. Ich bin Wildhüter, und es gehört zu meinen Aufgaben, die Nester regelmäßig zu kontrollieren.«

»Beka… was?«

»Schnepfen!«

»Und warum kann man das nicht normal sagen? Stattdessen versetzen Sie meine Alpakas und mich in Panik?«

Die Muskeln in seinen überwucherten Wangen beginnen zu zucken, bevor er sich, dabei ungehalten schnaubend, abwendet und an mir vorbei zu dem von mir mühsam errichteten Drahtzaun geht. Spielend überwindet er ihn, indem er die Stränge nach unten drückt und die langen Beine drüber schwingt. Der Hund bleibt währenddessen regungslos liegen, den Blick starr auf sein Herrchen gerichtet.

Die wenigen Inselbewohner, mit denen ich bisher Kontakt hatte, schienen mir alle recht nett und freundlich zu sein. Dieses Exemplar bildet jedoch den totalen Kontrast dazu und lässt mich ahnen, dass es vielleicht doch nicht so leicht für mich wird, hier Fuß zu fassen.

2.Rory

Zwei Regenbogen, jeder eingerahmt von einem dunkelblauen Ring, verfolgen mich schon seit Tagen. Ich hätte ihr niemals so nahekommen dürfen, denn nun tauchen ihre Augen auf, wann immer ich die Lider schließe. Und mit ihnen wallt erneut Ärger in mir hoch. Halsstarrig, ist das Erste, was mir zu dieser Frau einfällt. Durchgeknallt, das Zweite. Welcher normale Mensch hält sich Alpakas außerhalb der Anden? Hier in den Highlands … auf Skye? Das ist doch völlig gaga.

Zarter Dampf steigt von meinem Tee auf, während ich das Logo auf dem Emaillebecher betrachte. Ein Fasan und ein Golfschläger über der Silhouette des altehrwürdigen Schlosses. Leathan Castle – Golf- und Jagdhotel steht in stilvollen Lettern darunter. Meiner Meinung nach wäre das Familienwappen der MacDugans die weitaus bessere Wahl gewesen, Lachlans Vater bevorzugt allerdings etwas zur Hotelkette Passendes.

Vor meinen Augen verschwimmt der Bildschirm. Ich hasse diesen Teil meiner Arbeit, aber ich muss es machen, genauso wie gewisse andere Dinge, die mir keineswegs leicht von der Hand gehen. Schillernde Farben drängen sich in meine Gedanken. Warum rast mein Herz jetzt plötzlich so? Habe wohl den Tee zu lange ziehen lassen, ist zu stark geworden.

Missmutig richte ich den Blick auf die mir so verhasste Tastatur des altersschwachen Computers. 18. März, zwanzig Brutpaare westliches Ufer, fünfundachtzig östliches Ufer. Mit meinem Zwei-Finger-Suchsystem benötige ich für das Ausfüllen der Bestandstabellen täglich nahezu eine halbe Stunde. Keine Ahnung, wie andere so was in unter einer Minute hinbekommen.

Alpakas! Wieso um alles in der Welt züchtet jemand in den Highlands aus freien Stücken Alpakas?

Verdammt, da sind wieder die Regenbogen! Ich hätte doch rüber nach Rona fahren sollen, dann wäre ich wenigstens beschäftigt und könnte mich gemeinsam mit Connor anschweigen. Mein Freund aus Kindertagen redet sowieso nie mehr als nötig, und ihm ist egal, was mir im Kopf herumgeht, solange ich ihn damit nicht behellige.

Wenn Curran wüsste, was seine Großnichte da in seinem Stall untergebracht hat, würde er im Grab rotieren. Was stirbt der alte Griesgram auch an einem Herzinfarkt. Drei Monate ist das nun her. Heute ist Mittwoch, wir hätten uns wie immer im Pub auf ein Ale getroffen, die Brut besprochen und danach im Schuppen Fliegen fürs Angeln gebaut. Von April bis Juni wären wir jeden Samstagmorgen losgefahren, um Forellen oder Lachse zu fischen, die wir dann abends auf dem Grill zubereitet hätten.

Der Fliegendraht. Mir fällt wieder ein, dass diese – zugegeben ziemlich hübsche – Verrückte ihn für den Zaun zweckentfremdet hat. Eine Schande. Wehe, eines ihrer Viecher trampelt auf den Nestern am Ufer herum. Jetzt muss ich nicht nur auf das Rotwild aufpassen, damit es die Gelege nicht gefährdet, sondern obendrein auf diese komischen südamerikanischen Einwanderer. Zumindest schleppen sie keine Krankheiten ein und sind von Doc Price eingehend gecheckt und für gesund befunden worden. Das hat er vorgestern im Pub laut verkündet, nachdem ihm so ziemlich jeder nach den langhalsigen Neuankömmlingen gefragt hat.

Immerhin etwas. Wobei ich nicht annehme, dass die Stadtmaus einen blassen Schimmer von den Tieren hat. Allein beim Gedanken an den Zaun, den sie da zusammengeschustert hat, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Und dann diese Gummistiefel? Pink! Die waren pink!

»Rory?« Lachlan stapft, ohne anzuklopfen, in mein Büro.

Er weiß, dass ich das nicht mag, tut es aber trotzdem. Wäre er nur mein Chef, würde ich ihn ignorieren, bis er Leine zieht. Er ist allerdings auch mein bester Freund und hat somit einen Bonus, was das Anknurren und Wegschweigen anbelangt.

Lester hebt den Kopf und legt ihn sofort wieder ab. Wenn alles so gut funktionieren würde wie mein Hund, hätte ich ein weitaus leichteres Leben.

»Dachte, du bleibst bis morgen in Glasgow.«

»Wollte ich, doch der Alte rief an und brabbelte was von Lamas und ob ich davon wüsste. Wäre übrigens nett, wenn du ab und an mal an dein Handy gehen könntest. Ich hab es dutzendmal bei dir probiert«, mault er und lässt sich neben mir auf der Kante des Schreibtischs nieder. Die Arme hat er vor der Brust verschränkt, sodass sich Tweed des piekfeinen Jacketts, welches farblich perfekt zu seinem grün-blau-gelb karierten Kilt passt, über den Oberarmen spannt.

Als wir uns mit fünf Jahren kennenlernten, war er ein blasser Junge mit dünnen Ärmchen, der sein Kindermädchen wie die Pest hasste. Connor und ich machten uns einen Spaß daraus, ihn durch halb Leathan zu jagen und herumzuschubsen. Lachlan wehrte sich und landete einen Treffer, der Connor einen Milchzahn kostete. Danach waren wir die besten Freunde.

Er mustert mich mürrisch, während ich überlege, wo ich das verdammte Handy liegen gelassen habe. Wahrscheinlich in der Küche, könnte allerdings auch im Wagen sein. Außer Lachlan ruft mich sowieso niemand an. Wozu es also ständig mit mir herumschleppen?

»Keine Lamas«, erwidere ich und drücke mich samt Bürostuhl vom Tisch weg, damit mir Lachlan nicht mehr auf der Pelle hängen kann.

»Was soll dann der ganze Schwachsinn? Dreht der jetzt durch? Ich hatte es mir gerade mit Josie gemütlich gemacht. Oder hieß sie Jenny? Egal. Keine Lamas, keine Probleme.«

»Alpakas.«

»Häh?«

»Alpakas.«

»Ganze Sätze, Rory!«, fordert er und reibt sich mit der flachen Hand über die Stirn, als würde ihm dieses Gespräch an den Nerven zerren. Für einen winzigen Moment habe ich sogar ein klein wenig Mitleid mit ihm, weil ich mir vorstellen kann, wie ihn der alte MacDugan am Telefon in die Senkrechte gestellt hat. Das tut er meistens grundlos, einfach nur, weil er Lachlan gern runtermacht.

»Es sind keine Lamas, sondern Alpakas. Die sind kleiner, liefern aber hochwertigere Wolle.« Steht zumindest im alten Lexikon meines Dads. Da wird auch erwähnt, dass sie weitaus friedlicher und genügsamer als ihre Vettern wären.

Spucken können sie trotzdem verdammt gut, fällt mir wieder ein, und ich reibe zum gefühlt tausendsten Mal über meine Wange und Nase.

Lachlan blinzelt. Mehrmals.

»Currans Cottage und das dazugehörige Land werden seit Kurzem von einer Alpakaherde samt Besitzerin bewohnt«, erkläre ich für meine Verhältnisse äußerst ausführlich, und Lachlan schlägt die Hände vors Gesicht.

»Okay, jetzt wird ein Schuh draus. Kein Wunder, dass mein Alter vor Wut schäumt. Bis zuletzt hat er gehofft, es der Erbin abzukaufen.«

»Currans Nichte Muriel hat alles an ihre Tochter abgetreten.«

»Und wie ist die so?«

Für einige Augenblicke starre ich ihn ungläubig an. »Sie züchtet Alpakas. Noch Fragen?«

»Wie alt? Single? Kinder?«

»Keine Ahnung.«

»Beschreib sie.«

»Zickig, bissig, durchgeknallt.«

»Rory«, mault er und beginnt damit, seine Nasenwurzel zu massieren. »So reagiert jede Frau auf dich. Ich will wissen, wie sie aussieht.«

Ich zucke unschlüssig mit den Schultern, blähe die Wangen auf und lasse langsam die Luft entweichen, während ich darüber nachdenke, wie ich die Äußerlichkeiten dieser Melina Brunner wiedergeben soll. Lachlan zieht eine Augenbraue nach oben, doch ich zucke lediglich erneut mit den Schultern, weil mir die Worte fehlen, die ihr gerecht werden könnten.

»Du bist ihr schon begegnet, oder?«

Kann man wohl sagen. Ich nicke.

»Blond oder brünett?«

»Blond.« Dunkelblond, um genau zu sein. Ihr langes, welliges Haar hat die gleiche Farbe wie die Kieselsteine am westlichen Ufer von Loch Leathan. Feine Nebeltröpfchen haben sich darin verfangen, die im zarten Sonnenlicht wie Diamanten funkelten.

»Rory! Ich rede mit dir!«, mault Lachlan, und die Regenbogen verblassen.

Ich sehe ihn fragend an. Hat er was gesagt?

»Ist sie mehr Typ Rosalind oder eher Typ Cait?«

»Warum willst du das wissen?«, hake ich schroff nach, denn mir schwant, worauf diese ganze Fragerei hinauslaufen soll. Er ist doch eben erst aus dem Bett gestiegen, was Jenny oder Josie für ihn warm gehalten hat, was zur Hölle läuft bei ihm falsch?

Rosalind, die Besitzerin des Stormy Skye, einem Pub drüben in Leathan, bildet den obersten Punkt von Lachlans Baggerskala. Sie ist sehr hübsch und verdammt gut gebaut. Genau die Art Frau, auf die er anspringt. Und nicht nur er, denn jeder Kerl sieht ihr und definitiv nicht den Biergläsern hinterher, wenn sie mit einem Tablett beladen durch den Schankraum geht. Dumm nur, dass sie ihn aus einem unerfindlichen Grund heraus abgrundtief hasst und nicht einmal mehr bedient.

Cait, die pausbäckige Pfarrerstochter, belegt hingegen das untere Ende. Sie ging mit uns zur Grundschule, lebt aber schon seit Jahren in London. Unscheinbar und rundlich, fällt mir zu ihr ein. Typische graue Maus, die für jeden ein Lächeln übrig hatte, außer für Lachlan, da er sich immer über sie lustig gemacht hat. Daran scheint sich bis heute nichts geändert zu haben.

Melina Brunner würde ich in keine der beiden Schubladen stecken und an Lachlans Stelle auch nicht auf seiner Skala einordnen wollen. Bestenfalls hetzt sie ihm ihre Alpakas auf den Hals. Wobei ich nur zu gern Zeuge wäre, wie der Sohn des Clanoberhaupts aus der Wäsche guckt, wenn ihm die Spucke vom Gesicht tropft. Der gesamte Ort würde sich vor Lachen nicht mehr einkriegen. Ach was, die gesamte Insel.

Mit Mühe verkneife ich mir ein Grinsen.

»Vielleicht kann ich sie …«

»Kannst du nicht!«, unterbreche ich ihn barsch. »Currans Besitz ging an seine rechtmäßigen Erben. Nur weil dein Vater den Golfplatz erweitern will, musst du nicht die Planierraupe spielen und über die Kleine drüberrollen.«

»Dann erklär mir, wie wir an das Gelände kommen!«

Lachlan ist wütend, das kann ich an den roten Flecken erkennen, die sich auf seinen Wangen gebildet haben. Eigentlich ist es ihm egal, ob ein weiteres Loch gespielt werden könnte, was er will, ist die Anerkennung seines Vaters. Seit Jahren dreht sich bei ihm alles nur darum.

»Hätte der Chief eben mehr bieten müssen«, entgegne ich und lehne mich zurück. So, wie ich meinen obersten Boss kenne, wollte er es Muriel für einen Penny pro Quadratmeter abluchsen. Darauf lassen sich vielleicht noch die Dorfdeppen aus Skeabost ein, aber sicher niemand, der in Brüssel, Kopenhagen oder gar Mailand lebt und arbeitet. Curran hat mir nämlich immer voller Stolz erzählt, wo seine Nichte samt Familie unterwegs ist, und wenn mal wieder eine ihrer Karten angekommen war, hat er diese stets an den Kühlschrank gehängt und oft stundenlang betrachtet.

Lachlan springt auf und geht zur Tür. Bevor er die Hand an den Knopf legen kann, wird sie von außen geöffnet, und George, der Chefbutler erweist mir die Ehre eines Besuchs. Ehrlich gesagt kann ich mich nicht daran erinnern, dass er hier überhaupt jemals einen Fuß hineingesetzt hat. Als Wildhüter steht man beim Personal nicht sonderlich hoch im Kurs. Nichts als Neid darüber, dass ich den ganzen Tag an der frischen Luft sein und dabei bequeme Kleidung tragen darf. Wenn ich ständig mit Anzug und Fliege rumrennen müsste, wäre ich auch total verkniffen und schmallippig.

»Mr Fyfe, mir wurde mitgeteilt, dass es auf dem Golfplatz zu einem Zwischenfall gekommen ist. Unsere Gäste wurden von herumstreunenden Tieren belästigt.«

»Kann vorkommen«, erwidere ich.

»Was ist passiert?«, will Lachlan wissen.

Die roten Flecken sind verschwunden, dafür ist er jetzt kreidebleich. Bestimmt, weil er seinen Vater schon brüllen hören kann. George wendet sich ihm zu und neigt ergeben sein Haupt. Ich glaube, der Typ ist so steif, der müsste in Weichspüler baden, um locker zu werden.

»Wahrscheinlich hat sich wieder ein Eichhörnchen an einem der Golfbälle zu schaffen gemacht oder eine der Wildkatzen gefaucht, weil sie es nicht witzig fand, dass man sie streicheln wollte«, mutmaße ich und ziehe damit die Aufmerksamkeit der beiden auf mich.

»Mitnichten, Mr Fyfe. Es handelt sich um eine trampelnde Horde Lamas.«

»Alpakas«, korrigiere ich ihn seufzend. Wieso wusste ich, dass das passiert? Ein Blick auf diesen Witz von Zaun hat mir genügt, und wäre diese Furie nicht so biestig gewesen, hätte ich ihr auch gesagt, dass er nicht mal einer Windböe standhalten würde.

»Jetzt tu doch was!« Lachlan sieht mich an, als bestünde eine tödliche Bedrohung für die golfschlägerschwingenden Upper-Class-Schnösel. Es ist Mitte März, wer spielt da bitte Golf? So vernarrt in diesen Pseudosport kann man doch gar nicht sein.

Ich gebe mir keine Mühe, mir ein missmutiges Schnauben zu verkneifen, während ich mich langsam erhebe. Na, wenigstens brauche ich jetzt nicht länger auf den Bildschirm zu starren und komme endlich wieder raus ins Freie.

»Willst du deine Doppelläufige nicht mitnehmen?«

»Das sind Alpakas, keine hungrigen Wölfe.« Ich schnappe meine dicke Jacke, setze die Mütze auf und schnalze einmal kurz mit der Zunge. Lester steht sofort bei Fuß, und sein wachsamer Blick ruht auf mir. Guter Junge.

Er ist jetzt seit acht Jahren bei mir, war ein Geschenk von Curran, mit dem ich ihn ausgebildet habe. Bei ihm genügt ein Fingerzeig, und er weiß genau, was er zu tun hat. Kann sich George eine gehörige Scheibe von abschneiden.

Mit meinem Range Rover zu fahren wäre mir weitaus lieber, denn mit dem Elektro-Golfcart komme ich mir irgendwie entmannt vor. Es ist einfach nur peinlich, aber mit dem Greenkeeper will ich mich nicht anlegen. Patrick O’Reilly ist Ire und keiner von der netten Sorte. Ob Dad auch so ein Ding benutzt hat, als er hier Wildhüter war? Mit Sicherheit nicht, und mit ebensolcher Sicherheit musste er auch keine randalierenden Alpakas einfangen. Der werde ich was erzählen, Fliegendraht als Zaun zu verwenden. Wie kommt man nur auf solch dämliche Ideen?

Lachlan, noch immer kreidebleich, sitzt neben mir. An Loch neun erwartet uns allerdings kein wildes Kampfgetümmel, sondern trügerisch erscheinende Ruhe. Die Opfer, zwei nobel gekleidete Herren samt zweier hauseigenen Caddies, halten sich hinter einer Hecke versteckt. Die Täter, ein zotteliges schwarz-weiß geschecktes und zwei dunkelbraune Alpakas, grasen gemütlich vor sich hin und geben dabei ein sonderbares Summen von sich.

Sobald ich ausgestiegen bin, hebt der gescheckte Eindringling den Kopf und nimmt mich ins Visier.

Dich kenne ich doch! Na warte, noch einen Treffer wirst du nicht landen, Freundchen. Mir kommt in den Sinn, dass der Vorschlag mit der Doppelläufigen doch keine so schlechte Idee gewesen sein könnte.

»Mr Abercrombie«, japst Lachlan und geht auf die Männer zu, die jede Bewegung der wilden Wollbestien argwöhnisch beobachten. Ein leicht untersetzter Mann mit Seehundschnauzer und hängenden Wangen hebt den Arm und fuchtelt mit einem Wedge in die Richtung der Tiere.

»Das ist unerhört! Diese … diese Viecher haben uns angegriffen! Sehen Sie mich an!«, donnert er brüskiert und deutet mit der freien Hand ausladend auf sich selbst. Erst bei genauerem Hinsehen fällt mir auf, dass er mit braungrünem Schnodder bespritzt worden ist. Ui, da hatte ich ja Glück, dass es bei mir nur Spucke war.

In mich hineingrinsend wende ich mich der Bedrohung zu. Für das Beschwichtigen und Ärscheküssen ist Lachlan zuständig, das kann er besser. Kurz wäge ich meine Optionen ab und entscheide mich für die einfachste und effektivste: Lester!

Ein Schnalzer, und er springt von der Rückbank des Cart. Ich lasse einen Pfiff folgen. Treiben, soll das heißen. Zielgerichtet bewegt sich mein Hund auf die drei Invasoren zu, und ich übernehme die linke Flanke, um mögliche Ausbrüche an dieser Seite aufzuhalten. Lester hat nicht einmal die Hälfte der Distanz überwunden, da ertönt ein schriller Schrei. Alle drei Alpakas recken die Hälse, legen die Ohren an und stürmen auf ihn zu. Ich dachte, das wären Fluchttiere, wieso lassen die sich nicht treiben?

Vom Gegenangriff irritiert verharrt Lester, weicht zurück, sieht zu mir und desertiert. Ihm dicht auf den Fersen, die Alpakas. Mein sonst so stolzer Jagdhund zieht sogar den Schwanz ein und winselt panisch, während er wie ein geölter Blitz zum Golfcart schießt und sich darunter verkriecht.

»Sehen Sie! Sehen Sie! Tollwütige Biester!«, tönt Abercrombie, als das Elektrogefährt von den Guerillas umzingelt wird. Mein gescheckter Feind behält dabei auch mich genau im Auge. Jetzt habe ich die Faxen aber dicke. Egal ob die Spucke, die mich gleich trifft, weiß oder braungrün sein wird, das Spielchen hat ein Ende. Forsch stapfe ich auf eines der Tiere zu, ziehe den Gürtel aus den Schlaufen an meiner Hose und schlinge ihn gnadenlos um den langen Hals meines Erzfeindes.

»Machen Sie das sofort ab!«

Die Stimme kenne ich. Eine Gänsehaut läuft über meine Arme. Statt mich umzudrehen, umschließe ich mit der linken Hand das längliche Maul des Tieres und hindere es vorsorglich an weiteren Missetaten. Es schreit und windet sich wegen meines rigorosen Vorgehens. Die anderen Alpakas stimmen mit ein, greifen allerdings nicht an, sondern hüpfen wild um mich und meinen Gefangenen herum.

»Hören Sie auf!«, kreischt sie.

Das klang verdammt nahe. Als ich den Kopf drehen und über meine Schulter sehen will, trifft mich etwas in der Kniekehle. Ich knicke ein und muss das Maul meines tierischen Feindes freigeben. Knurrend fahre ich hoch und baue mich vor der Verrückten auf. Ihre Wangen sind gerötet, ihr wildes Haar klebt ihr teilweise im Gesicht, und in ihren Regenbogenaugen steht die pure Mordlust.

Sie ist wunderschön.

»Sie Widerling! Nehmen Sie augenblicklich Ihre Pfoten von meinem Wallach!« Ihre Stimme gleicht dem Kreischen einer Kreissäge, während sie vor meiner Nase mit der Faust herumfuchtelt, in der sie einen langen Strick umklammert hält. Als ob der eine bessere Alternative zu dem Gürtel darstellen würde. Hauptsache ist doch, dass der Täter und seine beiden Komplizen zügig abgeführt werden können.

Lachlan und die anderen geben derweil keinen Mucks mehr von sich. Wahrscheinlich hocken sie alle zitternd hinter der Hecke, in der Hoffnung, die Cailleach würde sich an mir sattfressen und sie nicht bemerken.

Ich beuge mich leicht nach vorn und bringe mich damit über die Gewitterhexe. Leider funktioniert die Drohgebärde nicht einmal annähernd so wie geplant, denn meine Kontrahentin lässt sich nicht einschüchtern, sondern bohrt mir ihren Zeigefinger in die Brust.

»Spreche ich etwa undeutlich?«, zischt sie. »Nehmen Sie Ihre Pfoten weg! Sofort!«

Diese Frau schafft es, dass die Muskeln in meinen Wangen zu zucken beginnen, weil ich die Zähne zusammenbeißen muss, um nicht ausfällig zu werden.

»Hören die aufs Wort?«, bringe ich hervor und lehne mich gegen den Finger.

»Natürlich nicht!«

»Und wie gedenken Sie, die Tiere von hier wegzuführen?« Innerlich zähle ich bis zehn, während sie die Lippen schürzt und mich ansieht, als hätte ich überhaupt keine Ahnung von irgendwas. Mag sein, dass ich mit meiner Annahme, die Alpakas würden sich wie Schafe verhalten, falsch gelegen habe, aber diese Stadtmaus wird sicher nicht bloß mit der Zunge zu schnalzen brauchen.

»Schon mal was von Herdenverhalten gehört?« Sie wendet sich brüsk ab, rammt mir ihren Ellenbogen in den Magen und bugsiert mich rüde zur Seite, bis ich von meinem Gürtel ablassen muss. Mit geübt erscheinenden Handgriffen legt sie dem Gescheckten ein Halfter an, zieht die Lederschlaufe vom Hals und hält sie mir unter die Nase.

»Sind das Ihre Tiere?«, meldet sich Abercrombie zu Wort.

»Sind es, ja«, erwidert die Frau kühl und würdigt ihn keines Blickes.

Abercrombie scheint das nicht gewohnt zu sein, denn er verlässt, bewaffnet mit dem Wedge, todesmutig seine Deckung. So sauer ich wegen ihres hinterhältigen Angriffs auf meine Kniekehle sein mag, so sehr freue ich mich auf das kommende Schauspiel.

»Was gedenken Sie bezüglich der angerichteten Schäden zu unternehmen?«

»Keine Ahnung, was Sie meinen. Das Green schaut top gepflegt aus. Theoretisch müsste ich eine Rechnung stellen … für den Einsatz meiner Tiere. Hoffentlich wurde der Rasen nicht mit Pestiziden behandelt.«

»Wer redet denn vom Rasen? Sehen Sie mich an! Meine Kleidung ist ruiniert! Feinster Tweed, maßgeschneidert von Harrisons«, jammert er.

Auf seine Forderung hin sieht sie zu ihm. An der Bewegung ihrer Augen erkenne ich, dass sie ihn von Kopf bis Fuß mustert.

»Ich kann nichts entdecken. Was soll denn beschädigt worden sein?«

Meine Wangenmuskulatur zuckt erneut, diesmal, weil ich mir ein Lachen verkneifen muss.

Abercrombie schnappt nach Luft. Sein Seehundschnauzer bebt, und seine hängenden Wangen erzittern. »Gute Frau!«, donnert er brüskiert.

Melina schnaubt verächtlich.

»Guter Mann!«, fährt sie ihm barsch über den Mund. »Sie gehen Mitte März zum Golfen und wundern sich, dass Sie dreckig werden? So, wie Sie aussehen, könnte Ihnen auch ein Abschlag missglückt sein. Ich vermag nicht zu erkennen, welche Beschädigung es an Ihrer Kleidung geben soll. Wenn der Tweed tatsächlich hochwertig ist, kann man ihn leicht mit einem feuchten Tuch reinigen. Genauso, wie Sie sich im Übrigen auch. Nennt man gemeinhin Waschen. Schönen Tag noch!« Damit wendet sie sich auf dem pinkfarbenen Absatz um und marschiert hoch erhobenen Hauptes vom Green.

»Das ist unerhört! Ich werde Sie verklagen!«, plärrt er ihr nach, doch sie geht ungerührt weiter, ohne sich umzudrehen. Abercrombie schnauft und grollt noch einige Augenblicke, bis er seinen Ärger an dem Wedge auslässt und ihn mit Wucht in das Golfbag stopft.

Ich kann meine Aufmerksamkeit indes nicht von Melina losreißen, während sie das gescheckte Alpaka abführt und die beiden dunkelbraunen wie von selbst folgen. Von hinten sehen die dicken Wollhintern irgendwie lustig aus, wobei mein Augenmerk schnell von einem schmaleren und knackigeren angezogen wird.

»Verdammt«, entweicht es mir. »Die Frau hat Feuer und Haare auf den Zähnen.«

»Das trifft es. Eine Spur zu viel für meinen Geschmack. Die übernimmst du«, sagt Lachlan, und ich bemerke sein teuflisches Grinsen, sobald ich den Blick von Melinas Kehrseite abwende.

»He?«

»Du vergraulst sie, damit wir an das Land kommen«, meint er und will zurück zu Abercrombie gehen.

Ich packe ihn am Arm und halte ihn zurück. »Das kannst du vergessen. Auf gar keinen Fall. Du hast sie eben erlebt, die macht aus mir Alpakafutter.«

»Stell dich nicht so an. Du musst doch bloß du selbst sein, dann klappt das von ganz allein.«

Idiot!

3.Melina

Rory Fyfe. Seit drei Tagen versuche ich, ihn zu erreichen. Es klingelt und klingelt, aber nicht einmal eine Mailbox meldet sich am anderen Ende. Trotzdem will ich nicht aufgeben, irgendwann muss er ja mal rangehen. Er ruft allerdings auch nicht zurück. Komisch.

Vor mir, auf der altehrwürdigen Wachstuchtischdecke, die den Küchentisch wohl schon seit Jahrzehnten schützt, liegt ein in Zeitungspapier eingewickeltes Geschenk. An einer zerdrückten Schleife baumelt ein Weihnachtskärtchen, auf das Curran den Namen Rory in seiner akkuraten, durch das Alter jedoch recht krakelig gewordenen Handschrift geschrieben hat. Von außen fühlt sich das Päckchen an wie ein Buch. Öffnen werde ich es auf gar keinen Fall, sondern ich mache es zu meiner Mission, Rory aufzuspüren. So schwer wird das sicher nicht sein, schließlich wohnen im näheren Umkreis mehr Schafe als Menschen. Ein weiteres Mal versuche ich mein Glück mit der Handynummer, die in Currans reichlich zerfleddertem Notizbuch stand. Nach dem zwanzigsten Klingeln gebe ich auf.

Seufzend greife ich nach der Teetasse. Curran besaß ein wahres Sammelsurium davon. Zumeist Emaillebecher. Einfache in Schwarz oder Beige, andere sind grün, und dann gibt es welche mit dem Logo des nahe gelegenen Hotels. Dort habe ich mir definitiv keine Freunde gemacht. Ich schiebe den Gedanken an den Zusammenprall auf dem Golfplatz beiseite und widme mich wieder meiner Mission. Rory! Wenn ich mich nicht täusche, hat Mum ihn mal erwähnt. Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen.

»Mein Schatz«, höre ich ihre sanfte Stimme, die mir augenblicklich ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, während ich aus der Hintertür trete. Mein Blick huscht kurz über die Weide. Seitdem ich die drei Ausbrecher aus den Klauen dieses Alpakaquälers befreien musste, lasse ich sie kaum mehr aus den Augen. Schlingt dieser Grobian meinem Zayn doch tatsächlich einen Gürtel um den Hals und würgt ihn. Er mag schöne Augen und eine raue Stimme haben, aber so darf niemand mit meinen geliebten Tieren umspringen.

»Hallo, Mum. Hast du kurz Zeit?«

»Fünf Minuten, gleich kommt ein Mandant. Wie geht es dir?«

»Alles bestens.«

»Was macht die Narbe? Du weißt, du musst noch aufpassen.«