Romantic Skye - Hochzeit auf der kleinen Alpakafarm in Schottland - K. Elly de Wulf - E-Book
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Romantic Skye - Hochzeit auf der kleinen Alpakafarm in Schottland E-Book

K. Elly de Wulf

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Beschreibung

Romantischer Roman für alle Alpakafans, die von Liebe und den flauschig weichen Wollknäulen einfach nicht genug bekommen können. Für alle LeserInnen von Manuela Inusa & Charlotte McGregor »In seiner Nähe zu sein, bringt mein Innerstes durcheinander. Selbst jetzt, wo er am anderen Ende des Raumes sitzt, glaube ich ihn spüren und riechen zu können. Mein Körper sehnt sich nach seinen Berührungen, seiner Wärme und dem Gefühl endlich wieder ganz zu sein.« Cait versucht ihre kleine Brauerei Skye Craft zu etablieren, was im Land des Single Malt Whiskey einem unmöglichen Vorhaben entspricht. Neben dem Versuch, neue Kunden für ihre Biere zu begeistern, plant sie auch noch die große Doppel-Hochzeit ihrer beiden Freundinnen Melina und Rosalind. Leider läuft sie dabei ständig Lachlan, ihrem Ex über den Weg, für den sie noch immer starke Gefühle hegt. Auch Lachlan lässt die Nähe zu Cait nicht kalt. Die Zeit mit ihr war die bisher schönste in seinem Leben und er kann noch immer nicht verstehen, warum sie die Beziehung plötzlich und ohne wirklichen Grund beendet hat. Lachlan setzt alles daran Cait zurückzuerobern, obwohl so viel zwischen ihnen steht, was unausgesprochen blieb und auch bleiben muss, denn Cait verbirgt etwas vor Lachlan ... Band 3 der »Skye«-Reihe. Die Bände sind lose verknüpft und unabhängig voneinander lesbar. »Ich liebe die Geschichten rund um die kleine Alpakafarm. Hier geht es um zwei weitere Inselbewohner die eine gemeinsame Vergangenheit haben. Ich habe richtig mitgefiebert und wurde sehr gut unterhalten.« ((Leserstimme auf Netgalley))

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© Piper Verlag GmbH, München 2023

Redaktion: Julia Feldbaum

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Alexa Kim »A&K Buchcover«

Covermotiv: lifeonwhite/depositphotos.com; Daria Gulenko/shutterstock.com; PNGTree

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

1. Cait

2. Cait

3. Lachlan

4. Cait

5. Lachlan

6. Cait

7. Lachlan

8. Lachlan

9. Cait

10. Lachlan

11. Cait

12. Lachlan

13. Cait

14. Lachlan

15. Cait

16. Lachlan

17. Cait

18. Lachlan

19. Cait

20. Lachlan

21. Cait

22. Lachlan

23. Cait

24. Lachlan

25. Cait

26. Lachlan

27. Lachlan

28. Cait

Epilog

Cait

Lachlan

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Für alle, die Liebe im Herzen tragen

1. Cait

Feiner Schnee überzuckert die Landschaft um mich herum. Wie ironisch, schließlich wünscht sich jeder weiße Weihnachten, und dann kommt der Schnee genau drei Tage später auf die Insel. Von der Fahrbahn ist kaum mehr was zu erkennen, doch das macht mir nichts aus. Die Straßen hier auf der Isle of Skye könnte ich im Schlaf entlangfahren, so gut kenne ich sie. Ich bin hier aufgewachsen und nach London gezogen, sobald sich mir die Gelegenheit bot. Vor einigen Monaten habe ich mich dazu entschieden zurückzukehren, und erst jetzt weiß ich, wie sehr ich mit dieser Insel und den Menschen hier verbunden bin.

Kurz hinter dem Ortsschild von Leathan taucht ein großes und sehr edel anmutendes Schild auf, was auf das Leathan Castle Golf- und Jagdhotel hinweist. Direkt dahinter steht ein kleineres, aber nicht minder auffälliges. Trotzdem denke ich, dass das darauf abgebildete grinsende Alpaka um Längen mehr Besucher dazu verleitet, die dahinterliegende Abbiegung zu nehmen. Falls nicht, zaubert es sicherlich jedem, der vorbeifährt, ein Lächeln ins Gesicht. Mir geht es zumindest immer so, wenn ich wie jetzt vom Festland zurück auf die Isle of Skye komme.

Eigentlich könnte ich mir die »Wollies«, wie sie von ihren Besitzern Melina und Rory liebevoll genannt werden, mal wieder aus der Nähe ansehen und setze kurzerhand den Blinker.

»Hey! Du bist schon wieder zurück?«, begrüßt mich Rory, der sein dunkles Haar unter einer Schiebermütze in den Farben von Clan Craig verborgen hat, und zieht mich in eine seiner robusten Umarmungen, sobald ich aus dem Wagen gestiegen bin. Er ist über einen Kopf größer als ich, deshalb fühle ich mich neben ihm immer wie ein Zwerg. Früher, als ich noch einige Kilo mehr auf den Rippen hatte, war es noch bedeutend schrecklicher für mich.

»Was heißt hier schon? Drei Tage sind drei Tage, wie ich es gesagt hatte«, nuschle ich gegen seine dicke Flanelljacke an, die den wohligen Duft von Heu verströmt.

»Und dann kommst du direkt hier vorbei? Wir müssen dir mächtig gefehlt haben«, feixt er und schickt ein freies, beinahe unbekümmertes Lachen hinterher.

Wie ich ihn dafür beneide.

Als ich vor einem knappen dreiviertel Jahr zurück nach Leathan kam, traute ich meinen Augen kaum. Rory, den ich seit frühester Jugend eher als ruhig und in sich gekehrt gekannt hatte, hatte sich völlig verwandelt. Der Grund dafür tritt in diesem Moment auf die Terrasse hinaus, als wir ums Haus herumkommen: seine Verlobte Melina.

Das zwischen uns war Freundschaft auf den ersten Blick, denn sie ist einfach wundervoll – natürlich und herzlich. Mit ihr kann ich stundenlang quatschen und manchmal sogar für einige Augenblicke vergessen, warum mein Herz oft so schwer ist.

»Trinkst du eine Tasse Tee mit uns?«, fragt sie und hakt sich bei mir ein, um mich so besser in Richtung Haus manövrieren zu können. Ihre blauen Augen sprühen dabei vor Freude.

»Ein andermal gern, ich wollte eigentlich nur kurz ein wollig-weiches Alpaka streicheln«, gestehe ich und sehe sehnsüchtig in Richtung der nahe am Haus liegenden Weide. »Die Strecke von Perth hat sich ewig gezogen, ich dachte schon, ich komme nie an.«

»Stressabbau mit Alpaka. Rory, was meinst du? Das sollten wir mit auf die Homepage nehmen. Alpaka-Streicheln, fünfzehn Minuten, fünf Pfund«, sagt Melina und zwinkert mir zu.

»Hör auf, dann haben wir noch mehr Leute am Gatter stehen. Die Videoüberwachung spielt jetzt schon ständig verrückt«, entgegnet er und öffnet das Tor zur Weide. »Hereinspaziert, die Dame.«

Unter meinen dick gefütterten Outdoor-Boots knirscht die dünne Schneeschicht, als ich durch das Törchen trete. Augenblicklich recken die Wollies die Hälse und spähen in unsere Richtung. Zu Beginn zögerlich, kommen sie dann rasch näher.

»Waren das nicht mal mehr?«, frage ich verdutzt und bin irritiert, da hier auf dieser Weide sonst immer zehn Tiere leben. Auf den anderen beiden Wiesen, die zum Croft gehören, sind weitere zwanzig in Offenställen untergebracht. Die Anzahl, und von den meisten Wollies sogar die Namen, kenne ich deshalb so genau, weil ich eine der Vertrauenspersonen bin, die die Tiere versorgt, falls Rory und Melina auf Reisen sind.

Eine riesig große Ehre, die die beiden nur ihren engsten Freunden gewähren. Neben mir kümmern sich noch Connor, Niall, Rosalind und … Lachlan um die Süßen. Für einige Augenblicke halte ich den Atem an. Es genügt schon, an ihn zu denken, und mein Herz beginnt zu rasen. Verdammt! Ich muss jetzt ganz fix ein Alpaka knuddeln. Sofort!

»Die Umsetzung war nötig. Die Mädels brauchten ihre Ruhe vor den halbstarken Raufbolden, deshalb haben wir Freddy und Blue rüber zu Liam und den anderen auf die große Weide gestellt«, erklärt Melina das Fehlen der beiden Wallache. »Vor allem Blue braucht jetzt männliche Führung. Er ist eben kein kleines Cria mehr.«

Ich kann die Schwermut in ihrer Stimme hören, schließlich wurde er, kurz nachdem sie auf die Isle of Skye gezogen war, geboren, und er ist zudem ein Sorgenkind, das in seinem jungen Leben schon so einiges mitgemacht hat.

Celine, eine zuckersüße reinweiße Alpakastute schiebt sich neben mich und zieht meine Aufmerksamkeit in Bann. Wie ferngesteuert lege ich eine Hand an ihren Hals und streichele sanft über die butterweiche Wolle. Jetzt im Winter ist sie extradick und flauschig. Am liebsten würde ich sie fest an mich drücken, doch ich bezweifle, dass Celine das so toll fände. Schließlich sind Alpakas von Natur aus eher scheu. Nur im Umgang mit Menschen geübte Tiere dulden es, gestreichelt zu werden.

Ich bemerke erst nicht, dass auch Whitney näher gekommen ist. Sie riecht an meiner freien Hand, stupst sie kurz an und schiebt ihren Kopf darunter. Sie und Liam, ein knuffiger rotbrauner Wallach, der auf der gegenüber dem Cottage gelegenen Weide zu Hause ist, sind die einzigen beiden Wollies, die so auf Tuchfühlung gehen. Und es verfehlt auch diesmal seine Wirkung nicht. In Sekundenschnelle fällt der Stress der Fahrerei von mir ab und weicht einem wohligen Gefühl innerer Ruhe.

»Ah, da kommt Connor«, verkündet Rory und lässt Melina und mich mit den Alpakas allein, um den Neuankömmling zu begrüßen.

»Wie liefen die Gespräche?«, fragt Melina und holt mich ins Hier und Jetzt zurück.

»Besser als gedacht. Williams Market ist zwar nur eine kleine Supermarktkette, aber sie würden jeden Monat achtzig Kästen abnehmen«, erwidere ich matt.

»Das klingt doch toll«, freut sich Melina.

Ich kann mir lediglich ein müdes Schulterzucken abringen. »Monatlich ein halber Tank … ist nicht wirklich viel.« Dass mich der knallharte Einkäufer im Preis bis zur Schmerzgrenze gedrückt hat, verschweige ich. So sehr ich hinter meinen Craft-Bieren stehe, Verhandlungsgeschick muss ich mir erst noch erarbeiten. Ich bin einfach zu nett und viel zu nachgiebig, was mir dieses Gespräch, für das ich extra in das an der Ostküste Schottlands gelegene Perth gefahren bin, mehr als bewiesen hat.

Wenigstens war die lange Strecke nicht umsonst, denn neben dem kaum gewinnbringenden Vertrag konnte ich Erfolg versprechende Kontakte zu anderen kleineren Craft-Bier-Brauereien knüpfen, die zusammen mit Skye-Craft in einem Verband organisiert sind. Wer wie wir unter dem Radar der Großbrauereien fliegt, kümmert sich umeinander. Schließlich schätzen wir ein gut gebrautes Bier fast genauso wie manch einer einen dreißig Jahre alten Whisky.

»Besser als nichts. Das wird schon«, versucht sie, mir Mut zu machen. Ich weiß, sie glaubt an mich, denn so was tun echte Freunde. Also ringe ich mir ein tapferes Nicken ab und atme tief durch.

»Kommst du denn morgen Abend zur Silvesterparty?«, will Melina wissen und legt mir einen Arm um die Schultern.

»Schätzchen, es ist Hogmanay, das ist mit der wichtigste Feiertag in Schottland«, erwidere ich und schüttele vor Entsetzen darüber den Kopf, dass sie unser traditionsreiches Fest als schnöde Silvesterparty abtut.

»Hogmanay, stimmt. Bin schon gespannt. Rory und ich wollten gegen elf vorbeischauen, bleiben aber nur bis kurz nach Mitternacht. Zum Anstoßen. Lachlan warnte uns vor, dass das große Feuerwerk für seine Hotelgäste zehn Minuten nach zwölf startet. Dann müssen wir wieder auf dem Hof sein. Ich hasse diese Knallerei, und die Tiere können sie erst recht nicht ab. Zayn wird wieder alle vollspucken, dieses Sensibelchen«, echauffiert sie sich und wirft einen finsteren Blick in Richtung der Grundstücksgrenze, auf deren anderen Seite der Golfplatz des Leathan Castle Golf- und Jagdhotels liegt.

»So was erwarten gut betuchte Gäste eben. Da kann er nichts machen«, erwidere ich und bin insgeheim erleichtert, da Lachlan deswegen sicherlich vor Ort bleiben wird, um alles zu überwachen. Somit besteht keine Gefahr, dass er im Pub auftauchen könnte. »Ich bin von Beginn an dabei und schenke mit aus.«

»Wie toll! Wir waren übrigens gestern Abend dort, um die Silly Rats zu sehen«, meint Melina und sofort nagt das schlechte Gewissen an mir, da ich Brodee nicht als Bedienung zur Verfügung stand. An den Abenden mit Livemusik steppt dort richtig der Bär, und er kann jede helfende Hand gut gebrauchen. Es gibt einen weiteren Grund, den ich aber für mich behalte: die Trinkgelder. Ich mag zwar eine Brauerei besitzen, aber im Moment kostet mich der Spaß mehr Geld, als er einbringt. Außerdem muss ich meinen zwei Mitarbeitern gute Löhne zahlen und nehme daher jedes Pfund extra gern an. »Ginny und ihre Jungs sind verdammt gut«, gehe ich auf die Band ein. Sie spielen häufiger im Stormy Skye, da mein Kumpel Brodee, der den Pub von meiner besten Freundin Rosalind pachtet, mit der Leadsängerin was am Laufen hat.

»Da werden sogar die alten Schafzüchter munter. Gilbert hat getanzt! Kannst du das glauben?«, erwidert Melina lachend und zückt ihr Handy. »Ich hab es zum Glück filmen können. Was meinst du? Ist das was für TikTok?«

Sie hält mir das Display vor die Nase, und ich sehe fassungslos zu, wie Gilbert mit seinen siebzig Jahren ein Mädel, was gut und gern seine Enkelin sein könnte, zu feinstem Scottish Folk wild herumwirbelt. Ich muss so lachen, dass mir die Tränen in die Augen schießen.

»Zeigst du ihr gerade Gilberts flotte Sohle?«, höre ich Connor hinter mir und wende mich zu ihm, aber nur, um mich an seinem Arm festzuklammern, denn mir tut schon der Bauch weh.

»Geht’s?«, will er wissen und lacht aus Sympathie mit.

»Herrje, der alte Zausel. Immer für eine Überraschung gut«, bringe ich keuchend hervor.

»Seit wann bist du wieder da?«

»Gerade angekommen«, sage ich und wische mir die Tränen von den Wangen. »Puh! Jetzt ist mir warm. Am besten schickst du es Brodee, der kann es auf dem TikTok-Channel des Pubs hochladen und bei Instagram posten.«

»Gute Idee«, meint Melina und tippt auf ihrem Handy herum, während ich versuche, mich von Connor zu lösen. Er hält jedoch meinen Arm fest gegen seinen Körper gepresst, sodass ich ihn nicht fortziehen kann.

Er ist nicht ganz so groß wie Rory, dafür kräftiger gebaut. Sein rotblondes Haar ist zerzaust, als hätte er vergessen, es sich nach dem Aufstehen zu kämmen, und seine Ohren sind ganz rot vom kalten Wind, der vom See herüberweht. Ich sehe in seine hellbraunen Augen, die sich an meinem Gesicht festgesogen haben, und ich meine, erahnen zu können, was er gerade denkt.

Jetzt geht das schon wieder los! Warum begreift er nicht, dass wir nur gute Freunde sind und nie, nie, nie mehr sein werden? Ich habe ihm weder in unserer gemeinsamen Teenagerzeit noch jetzt irgendwelche Hoffnungen gemacht, doch für ihn bin ich die Eine. Dabei hat mein Herz von jeher immer nur für einen anderen Mann geschlagen … und ist daran zerbrochen.

»Hey, Connor? Was ist jetzt mit der Lichterkette?«, ruft Rory vom Schuppen her rüber, in dessen Tür er mit einer großen Leiter steht.

»Lichterkette?«, frage ich. »Weihnachten ist doch vorbei.«

»Wir lassen sie noch ein paar Tage hängen und haben gestern Abend bemerkt, dass an der auf dem Dach des Cottages ein paar Birnchen defekt sind. Rory möchte sie austauschen, und ich will nicht, dass er allein aufs Dach klettert … ohne ordentliche Sicherung«, erklärt Melina, woraufhin Connor die Augen verdreht.

»Dieser Firlefanz sollte verboten werden«, grummelt er und lässt meinen Arm endlich frei, um zu Rory zu marschieren.

»Der und seine Weihnachtsphobie«, raune ich Melina zu, die ein ersticktes Kichern von sich gibt. »Was hat der sich angestellt, als er sie mit anbringen sollte. Fehlte nicht viel und er hätte sie mit dem Cuttermesser in Stücke geschnitten.«

»Aber sie hängt doch?«, hake ich verdutzt nach.

»Auch nur, weil Lachlan mit der Hebebühne des Hotels vorbeikam und Connor sich in seiner Männlichkeit verletzt fühlte. Er blieb nicht mal, um sie leuchten zu sehen. Direkt ins Auto, und weg war er. Weißt du, warum er Weihnachten so hasst? Nicht einmal Geschenke will er. Sogar die Einladung zu unserem Weihnachtsessen hat er abgelehnt.«

»Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Früher hat er Weihnachten und alles, was damit zusammenhängt, geliebt. Aber danach zu fragen können wir uns beide schenken. Außer seinem üblichen ›Lasst mich in Ruhe mit dem Kram!‹ bekommt man sowieso nichts aus ihm raus. Verschlossener als jede Auster, der Mann.«

»Eine echte Miesmuschel«, feixt Melina, woraufhin wir uns mit einem High Five abklatschen.

»Ich fahre jetzt besser nach Hause. Eine heiße Dusche und die Couch rufen laut meinen Namen«, sage ich und strecke meinen noch immer ganz steifen Rücken durch. Die Fahrt hatte es echt in sich.

»Schade, aber wir sehen uns spätestens an Silvester … ähm … Hogmanay.«

»Bestimmt«, erwidere ich und drücke sie zum Abschied. »Ach so, da fällt mir ein: Hast du was aus Rory herausbekommen, weshalb Niall unbedingt mit ihm vor Weihnachten nach Inverness fahren wollte?«

»Keine Silbe. ›Weihnachtsgeschenke kaufen‹, dass ich nicht lache«, murrt Melina und nimmt Rory, der anscheinend mit Connor darüber diskutiert, wer nun auf die Leiter steigt und wer den anderen absichern soll, scharf ins Visier. »Da halten die Kerle zusammen wie Pech und Schwefel. Ich habe es sogar bei Lachlan versucht, aber keine Chance.«

»Ich sag’s dir, er hat einen Ring gekauft«, unke ich und zwinkere ihr zu. »Rosalind hängt am Haken, und jetzt holt er die Angel ein.«

»Meinst du wirklich?«

»Mels, ich kenne keinen Typen, der so verknallt und hoffnungslos verloren ist wie Niall. Der steckt ihr einen Ring an, sobald sich ihm die Gelegenheit bietet. Die zwei sind noch schlimmer als du und Rory. Turtel hier, turtel da …«

»Wir turteln doch überhaupt nicht!«, versucht Melina, meine Worte zu entkräften, was mich herzlich auflachen lässt.

»Klar und um uns herum stehen lauter rosa Elefanten. Wir sehen uns, Süße«, verabschiede ich mich und ignoriere den wenig glaubwürdigen Einwand, den sie mir hinterherruft. Auf einer Skala von eins wie Sich-Anschweigen und zehn wie Total-und-hemmungslos-verliebt-ineinander-Sein, belegen Rory und Melina gemeinsam mit Niall und Rosalind die Fünfzehn. Pinke Herzchenballons inklusive.

Ich will gerade in den Wagen steigen, als ein dumpfes Grollen lauter wird und mir eine eisige Gänsehaut über den Körper jagt. Nein! Nicht jetzt! Ich muss hier weg! Schnell!

Dummerweise ist die Einfahrt zum Cottage zu eng, um an Lachlans dickem Jaguar-SUV vorbeizukommen. Ich muss also warten, bis er neben mir eingeparkt hat. Sein frostiger Blick fällt auf mich, und seine versteinerte Miene spricht Bände. Er ist genauso wie ich überaus erfreut, dass wir uns hier über den Weg laufen.

Während ich ihn mit einem knappen Nicken grüße, lege ich den Gang ein und gebe Gas. Ob er den Gruß erwidert hat, registriere ich nicht, denn mein Magen rebelliert, meine verschwitzten Hände klammern sich am Lenkrad fest, und meine Beine haben sich in Wackelpudding verwandelt. Jetzt bloß nicht den Motor abwürgen. Er darf nicht merken, wie sehr er mich aus der Fassung bringen kann. Du schaffst das, Cait.

Es funktioniert. Keine Ahnung wie ich die Konzentration aufbringen konnte, aber ich fahre an und biege nur Sekunden später auf die Straße in Richtung Leathan. Sobald ich das Ortsschild passiert habe, atme ich erleichtert auf.

Lachlan … wie gut ihm der bordeauxfarbene Rollkragenpullover steht. Er bringt seine braunen Augen perfekt zur Geltung. Gott, seine Augen. Für einen Moment sehe ich ihn vor mir stehen, damals in der Cupid’s Gondel des London Eye. Nur wir beide und eine Flasche Champagner. Seine Lippen ziert dieses verschmitzte Grinsen, bevor er mir …

Wie aus dem Nichts taucht ein Radfahrer vor mir auf. In letzter Sekunde steige ich auf die Bremse und halte den Atem an. Das war knapp! Beinahe hätte ich Calvin, Nialls neuen Kompagnon in der Tierarztpraxis, über den Haufen gefahren. Der arme Kerl sieht mich völlig verdattert an. Damit ist es amtlich. Ich muss endlich aufhören, an Lachlan und die wunderschöne Zeit, die wir miteinander hatten, zu denken. Es war schließlich meine Entscheidung, es zu beenden, und es gibt keinen Weg zurück. Es ist aus und vorbei.

2. Cait

Brodee wirft sich gekonnt das Geschirrtuch über die Schulter, stellt zwei frisch polierte Gläser unter die Zapfanlage und zieht an den Hebeln für Stout und Ale. Nur echte Profis wie er können beidhändig zapfen.

»Hier sind die Getränke für Tisch fünf und sieben«, rufe ich Ginny über den Lärm der Hogmanay feiernden Gäste hinweg zu und deute auf das Tablett am Ende des Tresens. Sie schnappt es sich und verschwindet in der Menge. Ausgelassene Gespräche mischen sich mit Gelächter, untermalt von Musik. Ein wundervoller Abend, den ich nur hin und wieder in einer kleinen Verschnaufpause genießen kann.

Eine weitere Bestellung kommt über das System rein. »Vier Ale und drei IPA«, gebe ich an Brodee weiter, der sich die nächsten Gläser schnappt.

»Dein Bier schmeckt ihnen«, meint er und klopft mir auf die Schulter. »Vorgestern haben sie zwei Fässer IPA geleert. Hätte nie gedacht, dass es so gut ankommt, aber anscheinend mag man es hier herb-fruchtig.«

Das Stormy Skye ist einer von drei Pubs auf der Insel, die meine Craft-Biere ausschenken, und ich bin megastolz darauf. Schließlich ist es kein leichtes Unterfangen gewesen, die Inhaber der anderen beiden Läden davon zu überzeugen, mein Bier auszuschenken. Die Verträge gehen zum größten Teil auf Brodees Konto, der für Skye-Craft eine wahre Social-Media-Lawine losgetreten hat. Da wollten die anderen nicht hintanstehen, sondern auf der Welle mitreiten.

Apropos Social Media. »Wie viele Likes hat Dancing Gilbert bisher bekommen?«, hake ich nach, was er mit einem breiten Grinsen beantwortet.

»Habt ihr die Getränke für Tisch zwei fertig?«, will Maihri wissen und drückt sich an zwei Typen vorbei, die wohl der Meinung sind, es gäbe keinen Grund, warum der Weg hinter die Bar nicht freibleiben müsste.

»Oy! Pass doch auf, du Walze«, blafft ihr einer der Kerle hinterher.

Im ersten Moment glaube ich, mich verhört zu haben, doch am geschockten Gesichtsausdruck meiner kleinen Schwester erkenne ich, dass er sie tatsächlich gerade beschimpft hat. Bevor ich diesem Wicht verbal eine einschenken kann, hat Brodee sich bereits vor den beiden aufgebaut.

»Ihr zwei!«, bellt er und streckt den Arm in Richtung Eingangstür. »Hausverbot! Raus, und zwar sofort, sonst mach ich euch Beine!«

Ich trete zu Maihri, die mit Mühe versucht, die Tränen zurückzukämpfen. Sie ist drei Jahre jünger als ich und für mich der liebste Mensch auf Erden. Wer sie beleidigt, beleidigt auch mich.

»Was soll der Scheiß? Die Dicke …«, versucht der Trottel tatsächlich, einen Einwand vorzubringen, wird jedoch aus einer gänzlich anderen Richtung zum Schweigen gebracht.

Connor, der den Abend über am Tisch mit Rosalind, Niall und Calvin saß, schnappt ihn und seinen Kumpel am Kragen und bugsiert die beiden durch die sich teilende Gästeschar bis vor die Eingangstür.

»Süße, lass dieses dumme Gelaber nicht an dich ran. Das sind bloß besoffene Idioten«, sage ich ganz nah an ihrem Ohr und ziehe sie in eine feste Schwestern-Magie-Umarmung. Das hat schon früher gut funktioniert und beruhigt Maihri auch dieses mal, sodass ich vorsichtig von ihr ablasse und ihr ein Blatt von der Küchenrolle abreiße, damit sie sich die Nase putzen kann.

Ihr Schluchzen geht in ein leichtes Hicksen über, was, wie ich finde, irgendwie niedlich und ganz und gar Maihri ist.

»Kanntest du die?«, will Brodee wissen, doch mir kamen die Typen nicht bekannt vor. Dafür ist die Insel dann doch zu groß.

»Josh McMillan und sein Cousin Roman Belton, die wohnen drüben in Skeabost«, wirft Connor ein und legt einen Arm um Maihri.

Sie sieht zu ihm auf. Ihre Augen laufen über vor Sehnsucht, doch er sieht es nicht.

Stattdessen tätschelt er ihre Wange. »Cookie, das wird schon wieder«, versucht er, sie auf seine ganz eigene, ungelenke Art zu trösten. Das ist so typisch Connor. Genauso, wie er nicht kapiert, dass ich absolut nichts von ihm will, ist er völlig blind für Maihris Gefühle, die ihm und nur ihm allein gelten. Außerdem ist sie keine drei Jahre alt und hat sich auch nicht das Knie aufgeschrammt.

»Lass mich«, zischt sie und drückt ihn von sich weg. »Kann ich jetzt endlich die Getränke für Tisch zwei bekommen?«

Völlig verdattert verlässt Connor den Bereich hinter dem Tresen und versucht dabei Hilfe suchend, mit mir Blickkontakt herzustellen.

Sorry, Kumpel. Du musst schon selbst herausfinden, was du gerade falsch gemacht hast. Die Zeiten, in denen ich dich durch die Prüfungen getragen habe, sind lange vorbei.

Um mich abzulenken, stelle ich die gewünschten Biere und mit Whisky gefüllten Tumbler auf Maihris Tablett, womit sie sofort in der Menge verschwindet. Meine kleine Schwester hat schon genug seelische Wunden, da braucht sie nicht auch noch irgendwelche Idioten, die sie zusätzlich verletzen. Sie mag zwar oft fröhlich und ungezwungen wirken, doch in Wirklichkeit ist sie verletzlich und voller Komplexe. Aber da ist sie nicht allein, stelle ich für mich fest und spanne mich an. Schließlich ist sie im gleichen Haus und unter derselben Knute aufgewachsen wie ich.

Nein! Den Abend werde ich mir nicht mit Gedanken an unsere Mutter versauen. Wir feiern Hogmanay! »Hey! Da seid ihr ja endlich!«, rufe ich Rory und Melina entgegen, die sich durch die Gäste zum Tresen durchgekämpft haben.

»Wir hatten Mühe, einen Parkplatz zu finden. Du meine Güte, ist das voll«, meint Rory und wirft einen panischen Blick in die Runde. »Ich glaube, heute ist ganz Skye hier.«

»Kann gut sein. Connor hat eben zwei Typen aus Skeabost vor die Tür gesetzt.«

»Da gehören die auch hin. Egal wer, aus dem Nest ist noch nie was Gutes gekommen«, funkt Gilbert dazwischen, der den ganzen Abend seinen Platz an der Theke verteidigt hat. »Dort sind die Schafe intelligenter als so mancher Bewohner.«

»Ich würde das nicht so laut sagen, wenn ich du wäre. Da hinten steht der Bürgermeister von Skeabost«, meint Brodee und deutet auf einen etwas älteren Mann mit Halbglatze.

»Jetzt lassen wir die Skeaboster mal in Ruhe und genehmigen uns ein wee dram vom besten Talisker, was meint ihr?«, schlage ich vor, was bei Gilbert für leuchtende Augen sorgt. Von Brodee ernte ich hingegen einen Seitenblick, der mir andeutet, dass ich mich hier in seiner Bar und nicht in meiner Brauerei befinde. »Hab ja nicht gesagt, dass sie aufs Haus gehen«, raune ich ihm im Vorbeigehen zu und kneife ihm dabei in den knackigen Po.

»Oy! Lass das!«, blafft er, doch ich kann nicht anders und kneife gleich noch in die andere Seite hinein. Seit wir uns vor drei Jahren bei einem Craft-Bier-Tasting in London kennengelernt haben, hängen wir zusammen wie Pech und Schwefel. Im Prinzip sind wir wie Bruder und Schwester. Ich kann mich auf ihn verlassen und er sich auf mich.

Da sich Rory und Melina zu den anderen an den Tisch gesellt haben, bringe ich den Whisky dorthin. Es ist aber kein Platz mehr frei, also bleibe ich kurzerhand neben Melina stehen.

»Setz dich doch«, meint Connor und deutet auf seinen Schoß.

Na, ganz bestimmt nicht. »Ich bleib nur kurz, muss noch die Sektgläser parat stellen«, weiche ich aus und hebe mein Glas an. »Auf uns!«

»Auf uns!«, erwidern die anderen im Chor, und wir trinken. Der dreißig Jahre alte Talisker ist wirklich einer der besten Whiskys, den die Isle of Skye, ach was, ganz Schottland zu bieten hat. Torfig und doch weich und rund im Abgang. Ich liebe Bier, aber dieses Tröpfchen ist echt was Feines.

Rasch schlängele ich mich zurück zur Theke, wo Maihri und Ginny bereits auf die nächsten Bestellungen warten.

»Wie ich höre, hast du Brodee eben in den Hintern gekniffen«, zischt mich Ginny an. Sie ist seit einigen Monaten mit ihm zusammen, und ich muss gestehen, die beiden passen perfekt zueinander. Er, der langhaarige Surfertyp mit Tattoos und dem Ladykiller-Grinsen, sie, die wilde Rockröhre, die mit ihrer Band weit über die Insel hinaus bekannt ist.

Maihri reißt erschrocken die Augen auf und starrt uns beide an, als erwartete sie, dass Ginny gleich auf mich losgehen würde.

»Klar, zweimal sogar«, kontere ich, woraufhin Ginny mir ihre tätowierten Arme lachend um den Hals schlingt.

»Du bist echt so was von krass drauf«, bringt sie keuchend hervor und spitzt die Lippen.

Wir küssen uns. Ein einfacher Schmatzer. Ist doch nichts dabei. Denke ich zumindest, denn als ich mich zu Maihri wende, ist sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht gewichen. Aber nicht nur ihr, sondern auch Lachlan, der neben meiner Schwester steht.

Mein Magen vollführt augenblicklich den wohlbekannten Salto mortale und landet in Höhe meiner Knie, ach was, er schlägt direkt auf den dunklen Holzdielen auf.

»Du hier? Hast du nicht ein Hotel voller Gäste, die in«, sage ich und checke die Uhrzeit, »fünfundvierzig Minuten auf das neue Jahr anstoßen wollen?« Keine Ahnung, wie ich es geschafft habe, einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen. Meine Hände beginnen zu zittern, und ich klammere mich am leeren Tablett fest, damit er nicht merkt, was seine Nähe mit mir anstellt.

»Ich will kurz mit meinen Freunden anstoßen.«

Kommt es mir nur so vor oder hat er das Wort meine extra betont?

»Ich nehme ein Stout«, ordert er und schiebt sich an mir vorbei, um sich zu den anderen zu gesellen.

»Dein Ex ist bester Laune, wie mir scheint«, meint Ginny und grinst mich schief an. »Soll ich ihm sein Bier bringen?«

»Ach was«, wiegle ich ab. »Wenn er nach fast sechs Jahren Trennung noch immer nicht drüber weg ist, kann ich ihm auch nicht helfen.« Dass es mir genauso geht, verschweige ich lieber. Aber so, wie mich Ginny mustert, steht mir die Wahrheit ins Gesicht geschrieben.

Mutig recke ich das Kinn vor, doch mein Kampfeswillen ist lediglich vorgetäuscht, denn am liebsten würde ich die Tür zur Küche ansteuern und mich dort verkriechen.

Lachlan. Wieso bist du hier? Ausgerechnet heute! Sieben Jahre ist es her, dass wir uns auf einer typisch englischen Silvesterparty in Bloomsbury zufällig über den Weg liefen. Zwei Wochen später zog er zu mir in meine kleine Wohnung. Wie ich es vermisse, neben ihm aufzuwachen oder seinen warmen Atem auf der Haut zu spüren …

»Brodee, zapfst du mir ein Stout, ein IPA und ein Ale«, ordere ich und fülle zwei Gläser mit Coke Zero und eines mit Rotwein, um alles zusammen zu den anderen aus der Clique zu bringen.

Als ich zum Tisch zurückkehre, sehe ich, dass sich Rosalind auf Nialls Schoß gesetzt und damit Platz für Lachlan geschaffen hat.

»Wollt ihr nachher auch Sekt trinken?«, frage ich und sehe in die Runde, während ich die gewünschten Getränke verteile. Nur Lachlan kann ich nicht in die Augen sehen. Ihm hier so unvermittelt gegenüberzustehen, hat mich weit mehr aus der Fassung gebracht als neulich bei Rory und Melina. Vielleicht liegt es wirklich an diesem Tag?

»Klar, einer geht. Angus und seine Leute sind in Portree, um dort das Feuerwerk im Hafen zu beaufsichtigen«, sagt Melina.

Jetzt weiß ich zumindest, warum die meisten Gäste trotz Promillegrenze mit dem Wagen gekommen sind. Wenn die wenigen Polizisten der Insel allesamt ein Event überwachen, herrscht für den Rest von uns Anarchie. Gut, sie sind alle erwachsen und müssen wissen, was sie tun.

»Solltest du denn Alkohol trinken? Du hast doch Antibiotika genommen«, wirft Rory besorgt ein.

»Hast du dir was eingefangen?«, hake ich nach und nehme erst jetzt die dunklen Augenringe und die eingefallenen Wangen wahr.

»Magen-Darm. Aber es geht schon wieder. Ein Sekt ist okay.«

»Wir haben auch alkoholfreien«, biete ich an, was zu Gelächter führt. »Ja, kriegt euch wieder ein. War bloß ein Angebot. Wir sehen uns dann draußen«, sage ich und verschwinde, so schnell es mir die umstehenden Gäste erlauben, zurück hinter die Theke. Dort warten bereits die Kartons mit den Sektgläsern auf mich, die ich nach und nach auspacke und auf Tabletts verteile.

Zehn Minuten vor zwölf öffne ich die erste Flasche und beginne einzuschenken. Hätte Brodee nicht auf der Bar stehend den Countdown runtergezählt, ich hätte es kaum mitbekommen, dass es bereits Mitternacht ist. Alle jubeln und liegen sich in den Armen. Und dann geschieht es: Jeder ergreift die Hand des ihm am nächsten Stehenden und wir beginnen wie aus einem Mund Auld Lang Syne zu singen. Robert Burns hat uns Schotten dieses Lied wahrlich auf die Seele geschrieben.

Mir läuft eine Gänsehaut den Körper hinunter, während ich mit den Tränen kämpfe. Lachlan und ich haben damals das Lied gemeinsam gesungen – nur wir beide. Zwei Schotten allein auf einer für meinen Geschmack viel zu versnobten Sassenach-Party.

»Frohes neues Jahr«, wünsche ich Maihri und nehme sie fest in den Arm.

»Wünsche ich dir auch, Kitty«, erwidert sie.

Ich bin so froh, dass ich sie habe. Keine Ahnung, wie ich das Zusammenleben mit Mum sonst durchgestanden hätte. Für Maihri habe ich immer gelächelt, auch wenn mir oft zum Heulen zumute war.

»Los, raus mit euch!«, ruft Brodee, während er über den Tresen hinweg Sektgläser verteilt. Ginny steht mit einem der Tabletts beladen an der Tür, also schnappen wir uns ebenfalls jede eines und gehen damit nach draußen.

Anscheinend hat jeder der Gäste Feuerwerk mitgebracht. Überall knallt und funkelt es farbenfroh, dazwischen stehen sich küssende Paare, die sich gegenseitig ihre Liebe bekunden. Toll!

Sobald mein Tablett leer ist, gehe ich zu den anderen, in der Hoffnung, dort dem Pärchenwahnsinn zu entkommen, doch ich renne mitten hinein ins Epizentrum. Rory und Melina knutschen, dass mir beim bloßen Zusehen die Luft wegbleibt.

»Wunderkerze?«, fragt Connor, aber ich bin zu perplex, um zu reagieren. Er drückt mir das Stäbchen in die Hand und zündet das obere Ende an.

»Rory? Melina?«, unterbricht Lachlan die beiden reichlich barsch und nickt in Richtung Niall und Rosalind. Im ersten Moment verstehe ich nicht, worauf er hinauswill, doch dann kniet sich Niall vor Rosalind hin und öffnet ein kleines Samtkästchen.

Mir wird übel.

»Willst du meine Frau werden?«, fragt er und sieht sie so hoffnungsvoll an, dass ich am liebsten in Tränen ausbrechen würde. Wie in einem Flashback sehe ich Lachlan vor mir. Damals, in dieser gottverdammten Gondel des London Eye.

»Ja! Natürlich … Ich will!!«, ruft Rosalind und fällt ihm buchstäblich um den Hals.

Ich versuche indes angestrengt, nicht zu Lachlan zu sehen, und zwinge mir gleichzeitig ein dem Ereignis angemessenes Lächeln aufs Gesicht. Ich sollte mich für die beiden freuen, sie haben die Liebe ihres Lebens gefunden und wollen den Bund der Ehe miteinander eingehen. Stattdessen fühle ich, wie etwas tief in mir aufreißt. Der Schmerz zwingt mich beinahe in die Knie, doch ich bleibe aufrecht. Irgendwie zumindest.

Es ist Connor, der mich aus meiner funkenumnebelten Schockstarre reißt, weil er mich fast umwirft, als er Niall auf die Schulter klopfen will.

»Ist das ein toller Ring«, ruft Melina und ich gehe rasch zu ihr und Rosalind, um ihn ebenfalls zu bewundern.

»Wow! Der ist traumhaft schön. Gratuliere«, sage ich und sehe mir den zarten weißgoldenen Ring näher an. Der Kopf ist wie ein sich aufrollender Farnwedel geformt, in dessen Rundungen zwei Smaragde und ein Diamant eingelassen sind.

»Das ist der Verlobungsring, den mein Dad damals meiner Mutter geschenkt hat«, erklärt Niall, schlingt seine Arme von hinten um Rosalind und küsst ihr dunkles Haar.

Ich weiß von Rosalind, dass Nialls Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen, daher hat dieser Ring für ihn gewiss eine immense Bedeutung.

So sehr ich es bisher versucht habe zu verhindern, fällt mein Blick in diesem Moment doch auf Lachlan. Das Schlimme ist, er sieht mich ebenfalls an. Was auch immer in ihm vorgeht, ich kann nichts davon auf seinem sonst so ausdrucksstarken Gesicht ablesen. Es wirkt fast so, als wäre er zu Eis erstarrt. Und doch ist da etwas in seinen Augen. Wenn ich raten müsste, würde ich es als Sehnsucht deuten. Eine tief empfundene Sehnsucht.

Mein Herz gerät ins Stolpern. Mir stockt der Atem. Lan!, ruft eine Stimme tief in mir. Tränen beginnen, in meinen Augen zu brennen. Ich muss hier weg, und zwar sofort. Lachlans Blick, ach was, alles hier wühlt mich viel zu sehr auf und fördert das, was ich getan habe, zurück an die Oberfläche. Meinen Verrat, meinen größten Fehler.

Ich kann hier nicht bleiben. »Leute, ich muss wieder rein«, bringe ich halblaut hervor, drücke Rosalind einen Kuss auf die Wange und verabschiede mich von Rory und Melina, bevor ich, so schnell ich kann, in den Schankraum flüchte. Nur weg von all der Liebe, aber vor allem, weg von Lachlan und der Erinnerung an die schönsten Tage in meinem Leben.

3. Lachlan

Der April zeigt sich von seiner wechselhaften Seite. Am Morgen war alles von dickem Raureif überzogen, sodass die Äste der Sträucher vor meinem Schlafzimmerfenster in der Morgensonne glitzerten. Am Vormittag gab es Regen, zum Mittag Sonnenschein, und nun fallen dicke Schneeflocken vom langsam dunkler werdenden Himmel.

Heute in zwei Monaten ist der Tag X. Jedes Mal, wenn ich das in unserem Buchungskalender rot markierte Wochenende sehe, läuft mir ein Schauder über den Rücken. Aber keiner von der guten Sorte. Als Niall mir sagte, dass er um Rosalinds Hand anhalten will, glaubte ich, er würde es wie Rory machen, der Melina während eines New-York-Urlaubs auf der Brooklyn Bridge die Frage aller Fragen stellte. Aber nein, unser Landtierarzt wollte im Beisein all seiner Freunde vor ihr knien – und dazu ausgerechnet an Hogmanay.

Bin ich ein mieser Kumpel, weil ich ihn in diesem Moment gehasst habe? Wahrscheinlich. Trotzdem habe ich irgendwie versucht, diesen für ihn so wichtigen Augenblick durchzustehen, mich für die beiden zu freuen und nicht daran zu denken, dass die Frau, die ich einst gefragt habe, keine fünf Meter von mir entfernt stand und mich keines Blickes würdigte.

Und jetzt hoffe ich inständig, dass ich erneut genug Kraft aufbringen werde, damit ich diese vermaledeite Hochzeit hinter mich bringen kann. Hier im Hotel, was ich meinen Freunden, die sich auf eine Doppelhochzeit geeinigt hatten, in einem Anflug von Wahnsinn und ohne Vater darüber in Kenntnis zu setzen, angeboten habe.

In dem Moment muss ich komplett neben mir gestanden haben, denn ich weiß bis heute nicht, wie ich auf diese völlig bescheuerte Idee kam. Oder doch, es war Caits widerliches Craft-Bier, was mich das Angebot aussprechen ließ, bevor ich für zwei Sekunden darüber nachdenken konnte. War ja klar, dass sie ein Stout ins Sortiment aufnimmt, und natürlich ist es so gut, dass ich nicht die Finger davon lassen kann.

Das Klingeln des fast schon antiken Haustelefons reißt mich aus meinen trüben Gedanken. Der Knopf für externe Gespräche blinkt rot, was selten etwas Gutes bedeutet.

»MacDugan, guten Abend«, melde ich mich, und wie erwartet, legt mein Vater direkt los, ohne Gruß oder jedwede andere Höflichkeit.

»Ich habe gehört, dass es heute Vormittag zu einem Zwischenfall mit der Zimmervergabe gekommen ist?«, blafft er, und ich frage mich, woher er von Zoreens Missgeschick mit den Buchungen erfahren haben könnte.

Wer zum Teufel ist der Spitzel, der ihn ständig mit Informationen über den Hotelbetrieb füttert?

»Ein kleiner Fehler, der längst korrigiert wurde und ohne Auswirkungen für die Gäste blieb. Nicht der Rede wert«, wiegle ich ab. Dass eine Flasche Champagner und eine Freirunde auf dem Green nötig waren, um Giles Edmond das kleinere Zimmer schmackhaft zu machen, verschweige ich tunlichst. Zoreen ist top in ihrer Arbeit, sie hat die Rezeption besser im Griff als so manch anderer Mitarbeiter. Dass ihr ausnahmsweise ein Fehler passiert ist, ist für mich okay und menschlich.

»Ich will es hoffen, falls mir noch eine Beschwerde zu Ohren kommt, fliegt die Person hochkant raus. Habe ich mich klar ausgedrückt?«, bellt er mich durch den Hörer an.

»Klar und deutlich«, erwidere ich genervt. Sich als General Manager eines Fünfsternehotels wie ein Schuljunge abkanzeln zu lassen, macht doch immer wieder aufs Neue Spaß. »Ist sonst noch etwas?«, frage ich sicherheitshalber nach, doch er bleibt mir eine Antwort schuldig und legt stattdessen einfach auf. »War wie immer nett, mit dir zu plaudern, Vater. Mir geht es übrigens gut. Danke der Nachfrage«, murmle ich vor mich hin und lege den Hörer zurück auf den Apparat.

Ist ja nicht so, als hätte es mal eine Zeit gegeben, in der er anders mit mir umgegangen wäre. Für ihn muss ich nur eines tun: seinen hohen Anforderungen genügen. Es gibt da allerdings einen Haken. Er hat die Messlatte derart hoch gelegt, dass ich sie niemals werde erreichen können und wohl nur noch nicht von ihm gefeuert wurde, weil ich sein Sohn bin.

Ein Klopfen lenkt mich ab. »Herein!«

George, unser Chefbutler, betritt mein Büro auf seine unnachahmlich steife Art. Kinn und Nase trägt er so hoch, dass ich mich oft frage, wie er es schafft, ohne zu stolpern, von A nach B zu gelangen.

»Mr MacDugan, die Jagdgesellschaft trifft soeben ein«, meldet er, macht auf dem Absatz kehrt und verlässt mein Büro wieder.

Ich sehe das Telefon an und schüttle den Kopf. Dem Mann ist echt nicht mehr zu helfen. Unsere Anlage mag alt sein, aber sie funktioniert einwandfrei. Warum benutzt er sie nicht?

Da es müßig ist, sich über Georges schräge Angewohnheiten den Kopf zu zerbrechen, schnappe ich mir lieber das Sakko, richte die Krawatte und den Sporran, den ich an der Vorderseite des Kilts trage, am Spiegel, der innen an der Tür hängt.

Wie mir mein werter Vater schon mehrfach eingeschärft hat, ist der erste Eindruck bei den Gästen entscheidend. Dieses Mal umso mehr, denn bei besagter Jagdgesellschaft handelt es sich um den Chef eines Premier-League-Fußballvereins, der mit seinem Partner – immerhin einem Mitglied der britischen Regierung – einige Tage lang wild in der Gegend herumballern will.

Auf dem Weg zur Rezeption zücke ich das Handy und rufe John MacLerie, unseren Wildhüter, an. Er sollte beim Empfang der Gäste dabei sein. Als Rory diesen Posten innehatte, ersparte ich ihm dieses leidige Händeschütteln, wohl wissend, dass er sich dabei unwohl und fehl am Platz fühlte.

Den Gedanken habe ich kaum zu Ende gedacht, als besagter Ex-Wildhüter vor mir um die Ecke biegt.

Von Ohr zu Ohr grinsend begrüßt Rory mich. »So herausgeputzt? Steht hoher Besuch an?«

»Unten ist gerade ein Mitglied der Regierung vorgefahren, der britischen Regierung, wohlgemerkt«, erwidere ich und greife wie ferngesteuert an den Knoten meiner Krawatte.

Rory lacht laut auf. »Schießen oder Schwingen?«

»Schießen«, antworte ich, wobei er das Gesicht verzieht.

»MacLerie soll sich ja von unseren Weiden fernhalten.« Mit seinem Nachfolger steht Rory ein wenig auf Kriegsfuß, seit er mit einer Jagdgesellschaft, samt nicht angeleinten Hunden, über die Weiden marschierte und die Alpakas erschreckte. Hätte er mir nicht glaubhaft versichert, dass er keine Ahnung von der Abneigung der Alpakas gegen Kaniden hatte, wäre er sicher rausgeflogen. Rücksichtsloses Verhalten gegenüber Mensch oder Tier dulde ich nicht, dann ist mir auch egal, ob er weitläufige Verwandtschaft ist.

Was daraus hätte werden können, weiß ich nur zu gut, denn als ich in meinem Leben das erste Mal Alpakas sah, jagten sie Lester, immerhin ein ausgewachsener Jagdhund, vor sich her, der sich laut winselnd unter einem Golf Cart verkroch. Mittlerweile akzeptieren sie ihn zwar auf der Weide, es bedurfte allerdings sämtlicher Tierflüster-Fähigkeiten, die Rory aufbieten konnte.

»Er hat klare Anweisungen. Außerdem fahren sie ins Innere der Insel, dort wurden größere Rudel Damwild gesichtet.«

Die Zeiten, in denen er sich buchstäblich zu den Jagden quälen musste, sind lange vorbei. Wenn ich ihn heute sehe, kann ich manchmal kaum glauben, dass es ein und dieselbe Person ist, so sehr hat er sich verändert. Nicht charakterlich, nein, er ist noch immer der verbindliche und verlässliche Kerl, wie ich ihn seit frühster Jugend kenne. Viel eher ist es sein Wesen. Seit er mit Melina zusammen ist, scheint sein Selbstbewusstsein gewachsen und er als Person gereift zu sein.

»Gut. Hättest du einen Moment Zeit für mich?«, fragt er und ich ahne, dass es um Tag X geht.

»Warte in meinem Büro, ich brauche etwa fünfzehn Minuten«, biete ich an und setze meinen Weg in Richtung Lobby fort.

Man merkt dem Gebäude an, dass es niemals dazu bestimmt war, als Hotel zu fungieren. Die Gänge sind viel zu verwinkelt, und man braucht ewig, um von einem Flügel in den nächsten zu gelangen. Mal ganz abgesehen von den vielen Treppen, die ich überwinden muss, um in meine Mansardenwohnung zu gelangen.

Als ich die Haupttreppe herunterkomme, betreten die Gäste gerade die Lobby, wo George sie in Empfang nimmt. Doch einer, der ganz gewiss nicht zu der wohlbetuchten Truppe gehört, sorgt beinahe dafür, dass ich vor lauter Schock die noch verbliebenen Stufen hinunterfalle. Niall, der in verdreckten Gummistiefeln und mit ebenso schlammverschmierter Rannoch-Jacke so gar nicht in das stilvolle Ambiente passt, schiebt sich an Lord Arthur Wright-Spencer, einem ehrenwerten Mitglied der Regierung, vorbei und hält direkt auf mich zu.

»Verdammt, verschwinde, und zwar sofort«, knurre ich und bugsiere ihn in Richtung der Tür, die neben der Rezeption zum Servicebereich führt. Sofort treibt mir der strenge Geruch nach Kuhmist, der von ihm großzügig verströmt wird, die Tränen in die Augen.

»Ist Rory schon da?«, will er wissen, und sein Gesichtsausdruck lässt darauf schließen, dass es um mehr als nur Tag X geht. Wollen sie die Hochzeit etwa abblasen?

Natürlich fände ich das schrecklich, aber so könnte ich mir das Donnerwetter meines werten Vaters ersparen. Wenn er rausfindet, dass ich die Hochzeit meiner besten Freunde hier im Hotel ausrichte, und das auch noch kostenlos, knüpft er mich oben am Giebel auf, nachdem er mich geteert, gefedert und gevierteilt hat.

Ich sollte definitiv die Hände von Caits Stout lassen. Von überhaupt allem, was von Cait kommt. Und an sie denken sollte ich erst recht nicht mehr. Vor allem nicht an ihre weiche Haut, ihre zarten Lippen und ihr strahlendes Lächeln, wenn sie mich … Verdammt, ich tue es schon wieder.

»Er sitzt oben in meinem Büro, wohin du jetzt ebenfalls verschwindest. Geradeaus, dann links die Treppe hoch … Und mach das Fenster auf, du stinkst nach Stall«, weise ich ihn an und kann ein genervtes Stöhnen kaum unterdrücken, als ich die dicken Brocken Schlamm sehe, die von seinen Stiefeln abfallen, während er über den frisch gereinigten Perserteppich stapft.

Zum Glück scheinen die Gäste nichts davon mitbekommen zu haben. Zumindest wirken sie weder irritiert noch pikiert. Stattdessen plaudern sie ausgelassen mit John, der ihnen berichtet, wie groß die Herde ist, der sie morgen nachstellen werden.

 

Schneller als gedacht bin ich auf dem Rückweg in mein Büro, vor dessen Tür ich kurz innehalte. Es ist definitiv kein Zufall, dass die beiden hier sind.

»Was denkst du, wie er reagieren wird?«, höre ich Nialls durch das Holz gedämpfte Stimme.

»Wenig begeistert und ziemlich angepisst«, erwidert Rory. »Wir hätten das mit ihm besser im Pub bequatschen sollen. Bei einem Bier und nicht hier in seinem Büro.«

»Was genau wollt ihr denn mit mir besprechen?«, frage ich, während ich schwungvoll die Tür öffne.

Beide fahren erschrocken herum und sehen mich schuldbewusst an. Bitte, lass sie die Hochzeit abblasen! Bitte!

»Ähm also …«, setzt Niall an und wirft Rory einen Hilfe suchenden Blick zu.

»Ja, gut. Am besten setzt du dich«, meint Rory.

Das Kribbeln auf meiner Kopfhaut wandelt sich in eine Gänsehaut. »Jetzt spuck es endlich aus«, murre ich und lasse mich auf meinen Chefsessel fallen.

»Du und Connor, ihr beiden seid ja unsere Trauzeugen«, setzt Rory an. Sein Selbstbewusstsein scheint sich für den Moment verzogen zu haben.

»Ähm, ja. Wieso?«, frage ich gedehnt und hoffe, dass einer der beiden endlich mit der Sprache herausrückt. Das grenzt nämlich langsam an Folter.

»Was Rory sagen will, die Mädels haben natürlich auch ihre Brautjungfern.«

»Meine Güte, ihr zwei druckst herum, als würdet ihr euren Teenie-Kids die Sache mit den Bienchen und den Blümchen erklären wollen. Jetzt sagt doch endlich, worum es geht!«, fordere ich und springe vom Stuhl auf.

»Cait wird Rosalinds und Melinas Brautjungfer«, platzt es aus Niall heraus. »Zusammen mit Maihri.«

Ich setze mich wohl besser wieder hin. Denke ich zumindest, stattdessen bemerke ich viel zu spät, dass mein Bürostuhl nach hinten weggerollt ist, und ich lande reichlich unsanft auf dem Allerwertesten.

Rory und Niall sehen mir beide über den Tisch hinweg zu, wie ich versuche, wieder auf die Füße zu kommen. Nicht so einfach, wenn man einen Kilt trägt und sich ständig auf den Saum tritt.

»Alles okay bei dir?«, will Niall wissen.

»Sieht es etwa danach aus?«, blaffe ich und werfe den beiden meinen tödlichsten Blick zu.

Er scheint gewirkt zu haben, denn sie kommen um den schweren Eichentisch herum, schnappen jeweils einen meiner Arme und hieven mich auf die Füße. Keine Ahnung, wie Frauen so was elegant und ohne jeden Verlust des eigenen Ehrgefühls bewerkstelligen.

»Dass dich die Nachricht umhaut, hatten wir bereits vermutet«, nuschelt Rory und vermeidet den Blickkontakt zu mir.

»Dass Cait Brautjungfer sein würde, war mir von vornherein klar, sie ist Rosalinds beste Freundin. Ihr tut gerade so, als würde ich im Tal der Tränen leben, bloß weil sie mich grundlos von jetzt auf gleich abserviert hat«, maule ich und ziehe den vermaledeiten Stuhl zu mir, um mich endlich hinsetzen zu können.

»Na ja, wir …«, setzt Niall an und mustert mich kritisch, als wäre ich einer seiner tierischen Patienten.

»Ich weiß es zu schätzen, dass ihr euch um meine Gefühlslage sorgt, doch es macht mir nichts aus.« Doch tut es, aber daran ändern kann ich nichts, also ist es Zeitverschwendung, darüber zu grübeln.

Seit Hogmanay habe ich Cait nur dreimal gesehen und vermeide es tunlichst, an den Tagen ins Pub zu gehen, an denen sie dort arbeitet. Je weniger wir uns über den Weg laufen, desto besser. Es hat Wochen gebraucht, um über den Schock, dass sie wieder auf Skye lebt, hinwegzukommen.

»Gut, das ist gut. Wirklich«, stammelt Rory.

So, wie er rumdruckst, kommt doch da noch mehr, oder? Bitte nicht! Brautjungfer, okay, damit kann ich leben. Aber was denn nun noch?

»Rory und ich sind hier, um mit dir über die Feier, also deren Planung zu sprechen. Du bist ja hier quasi der Hausherr und …«, beginnt Niall endlich, mit der Sprache rauszurücken.

»Cait übernimmt die Planung in Sachen Ablauf, Sitzordnung, Hen Party und so«, fügt Rory an.

Ich hab es geahnt. Es kommt immer schlimmer.

»Und ihr zwei wollt mir jetzt schonend beibringen, dass ich mit ihr zusammenarbeiten muss.« Hätte ich doch bloß nie den Vorschlag gemacht, hier im Hotel zu feiern. Die ganze Sache entwickelt sich mehr und mehr zu einem Albtraum.

»Joa … deshalb sind wir hier. Also, um dir das schonend beizubringen.«

Ich sehe vom einen zum anderen und schüttele den Kopf. »Mission gescheitert. Von schonend kann hier keine Rede sein. Aber was soll’s, ich weiß euren Einsatz zu schätzen«, bringe ich tonlos hervor und starre mein Schreibtischset aus feinstem Sterlingsilber ab. Neben einem Füllfederhalter liegen dort auch einige meiner Visitenkarten. Mir kommt eine Idee.

»Sie soll mir einfach alles per E-Mail schicken«, verkünde ich und drücke dem verwirrten Rory eines der Kärtchen in die Hand.

»Prima, sie war der gleichen Meinung«, erwidert er, zieht ein weiteres Kärtchen aus der Innentasche seiner Jacke und legt es vor mich hin. Unter dem Logo der Brauerei – einem Schattenriss des Old Man of Storr – steht:

Cait Hutton

Skye-Craft Brewery Ltd.

Inhaberin

 

Als ich ihren Nachnamen lese, krampft sich mein Magen zusammen. Eigentlich müsste dort Cait MacDugan stehen. Hätte sie unsere Verlobung nicht gelöst, würden wir Donnerstag in drei Wochen unseren fünften Hochzeitstag feiern. Vielleicht hätten wir ein oder vielleicht sogar zwei Kinder.

Der eisige Klammergriff der Erinnerungen lässt meinen Magen rebellieren. Da hilft nur ein wee dram.

»Wollt ihr auch einen?«, frage ich, während ich hastig aufspringe und zu dem Tisch am zum Glück geöffneten Fenster gehe, auf dem einige Karaffen und Gläser parat stehen.

»Ähm, okay«, meint Rory.

»Einer geht«, nuschelt Niall.

Ein leises Klirren, als ich beim Einschenken leicht gegen das Glas schlage, verrät mein Zittern. Ich muss mich zusammenreißen und zumindest so tun, als wäre mir Cait vollkommen egal. »Runter damit!«, fordere ich und leere mein Glas in einem Zug. Auf dem Weg hinab zu meinem Magen brennt der Whisky fürchterlich, doch er klärt gleichermaßen meine Gedanken.

»Das mit Cait und mir ist lange vorbei. Macht euch also nicht so einen Kopf. Wir sind beide erwachsen und können damit umgehen.« Ich muss gestehen, dass ich mir den Stuss, den ich da gerade von mir gegeben habe, selbst abgekauft hätte. Na ja, fast zumindest. Bei Rory und Niall scheint es auf jeden Fall geklappt zu haben, denn sie wirken irgendwie erleichtert.

»Prima, wirklich. Wir hatten befürchtet, du könntest … nach der Sache im vergangenen Jahr, als dich Phil …«, rüttelt Rory nun an anderen, weitaus schmerzhafteren Erinnerungen.

Unwillkürlich fasse ich an die Stelle an meinem Hinterkopf, wo mich Melinas Ex eiskalt mit einer Schaufel erwischt hat. Mein Glück war es, dass der Verrückte so dämlich war und den Stil statt des Blattes für seinen feigen Angriff benutzt hat. Ein Hieb mit der scharfen Metallkante, und ich würde heute nicht mehr hier stehen. Außer einer vom Haar verborgenen Narbe ist nichts zurückgeblieben.