New Haven Eagles – An deiner Seite - K. Elly de Wulf - E-Book
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New Haven Eagles – An deiner Seite E-Book

K. Elly de Wulf

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Beschreibung

Tiefgründiger, witziger und romantischer Liebesroman über einen Football-Spieler und eine blinde Violistin. Für alle LeserInnen von Leonie Lastella und Sarah Heine »Jonah hält mich aufrecht. Schweigend, wie ein riesiger Felsen, der jedem Sturm trotzen könnte und sanft, als würde er eine wohlig warme Decke um mich herumlegen.« Jonah ist mit Leib und Seele Football Spieler und ordnet dem Sport alles unter, bis er in einem Café auf Layna trifft. Von Beginn an ist er von ihrer Natürlichkeit fasziniert und fühlt sich zu ihr hingezogen, obwohl er weiß, dass er mit der blinden Violinistin nur wenig gemeinsam hat. Zwischen den beiden entwickeln sich Gefühle, die schon bald über Freundschaft hinausgehen, doch ist er mutig genug, der Liebe eine Chance zu geben und mit Layna gemeinsam durchs Leben zu gehen? »Man spürt das Knistern zwischen Layna und Jonah, die zusammen einfach zum Dahinschmelzen sind. Die zuckersüße Lovestory ist voller Hoffnung und hat ganz klar mein Herz berührt.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Die Geschichte ist einfach süß, ohne extremes Drama und man hat sich auf essenzielle Dinge der Beziehung konzentriert. Eine aussergewöhnliche und gefühlvolle Geschichte, die man einfach gelesen haben muss.« ((Leserstimme auf Netgalley))  »Das Buch gehört auf jeden Fall zu meinen Jahreshighlights. Ich muss sagen das Buch war wirklich toll.« ((Leserstimme auf Netgalley)) 

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© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Julia Feldbaum

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Emily Bähr, www.emilybaehr.de

Covermotiv: Shutterstock (Olga_C); rawpixel.com; Freepik (designjuntion001; user11929930; edge_graphic)

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Layna

Jonah

Epilog

Layna

Jonah

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Widmung

Für alle, die mit dem Herzen sehen

Jonah

Es ist ein komisches Gefühl, das Stadion ohne Ausrüstung zu betreten. Keine Schutzkleidung, keine Stollenschuhe. Ich komme mir vor wie jeder x-beliebige Zuschauer, der sich sonntags ein Spiel reinziehen will. Weder Cheerleader noch Sprechchöre heizen die Stimmung an. Stattdessen umgibt mich die bleierne Stille der Off-Season.

Im Innenbereich sauge ich den Duft des frisch gemähten Rasens tief in mich ein. Das Spielfeld liegt verlassen da. Die Pfosten der Field Goals recken sich zu beiden Seiten in den kobaltblauen Frühlingshimmel. Die Saison ist seit drei Monaten für uns vorbei, die nächste startet erst in fünf. Mich überkommt tiefe Sehnsucht. Das hier ist der Ort, an den ich gehöre – meine Bestimmung. Ich bin ein New Haven Eagle. Mein Blut ist braun-golden, und ich trage das Trikot mit Stolz.

»Es hieß zehn Uhr! Du bist zu spät, Chap.« Desean, unser Left Tackle, steckt sein Handy weg und wuchtet sich von der Spielerbank.

An Statur und Größe sind wir uns ähnlich, nur bin ich etwa acht Jahre jünger.

»Beruhigt mich, dass du hier bist«, meint er noch.

»Wieso?«, hake ich irritiert nach und sehe mich nach dem Coach um.

»Na, weil Wayne sich die ganze Zeit über Sorgen macht, aus Angst, dass ihm der Coach mitteilt, er würde getradet werden.«

Wayne Miller, unser Center ist ebenfalls aufgestanden und nickt mir knapp zu. »Junge, was treibst du? Hast dich wohl in deiner Waldhütte verbarrikadiert, zumindest siehst du ganz danach aus.«

»Dort habe ich meine Ruhe. Kein Verkehr, keine Hektik, kein Stress«, erwidere ich und vermisse augenblicklich mein geliebtes Blockhaus am Ufer des Swan Lake. Die von dichtem Wald umgebene Idylle ist zwar nur eine knappe Dreiviertelstunde von hier entfernt, doch es kommt mir jedes Mal vor wie die Reise in eine andere Welt. Dort draußen kann ich atmen, was mir in der erdrückenden Enge der Stadt oft schwerfällt.

»Und keinen Strom, kein Internet und keinen Fernseher«, ergänzt Wayne und grinst mich schief an. »Und der Fusselmatte in deinem Gesicht nach zu urteilen, nicht mal fließendes Wasser, damit du dich rasieren kannst.«

»Natürlich gibt es ein Badezimmer und Strom«, versuche ich, seine Behauptung zu entkräften. Nur weil das Haus aus Holz gebaut ist und weitab von New Haven liegt, heißt es nicht, dass es dort keinen Komfort gibt. Es mag keine Protzhütte mit acht Schlafzimmern sein, dafür ist es behaglich … Und mir ist die Zeit, die ich dort verbringe, heilig.

»Sind das etwa Löckchen in deinem Haar?«, steigt Desean in die nervige Neckerei ein. »Danielle hat bestimmt ein paar Spängchen für dich. Mit Alpakas drauf oder schlimmer: Einhörnern.«

Da ich die dämlichen Sprüche der beiden zur Genüge kenne, mache ich mir eher Gedanken darum, warum der Coach ausgerechnet uns drei heute Morgen hierher gebeten hat.

»So winzige pinke? Die hat Anna-Mae auch. Diese fiesen kleinen Drecksdinger«, meint Wayne.

»Sie reißt mir damit immer die Haare aus, wenn ich mal wieder Model spielen muss.«

»Ich hab schon kahle Stellen. Hier, siehst du?«

Irritiert mustere ich die beiden wegen der Richtung, die das Geplänkel eingeschlagen hat. Vollblutväter unter sich. Da kann ich nicht mitreden. Ich bin aus tiefster Überzeugung Single. Es dauert eine Weile, bis die beiden damit aufhören, ihre Kinder-Kriegsverletzungen zu vergleichen.

»Wünschte, ich hätte auch so ein Blockhaus mitten im Wald. Love Shack, Baby.« Waynes Zungenschnalzer soll wohl unterstreichen, dass er glaubt, ich würde regelmäßig irgendwelche Mädels abschleppen.

»Und ich erst«, wirft Desean ein und lässt seufzend den Kopf hängen. »Lula zahnt. Sie brüllt Tag und Nacht.« Er reibt sich mit der flachen Hand über das müde Gesicht.

»Frag mich echt, was das soll. Zehn Minuten zu spät. Der Coach ist sonst immer pünktlich.« Wayne streckt seinen Rücken durch und späht in Richtung Tunnel.

»Noch ein Grund mehr, besorgt zu sein«, unkt Desean. »Das wäre der dritte Trade in fünf Jahren. Noreesha bringt mich um, wenn sie schon wieder eine neue Tagesmutter und Kinderärzte finden muss. Die Teams wollen bloß die Starspieler halten, wir kleinen Fische sind für die lediglich Spielzeug, was sie beliebig untereinander austauschen können.«

»Bei so was bestellt der Coach dich nicht hierher. Das macht das Management diskret im Hauptgebäude«, meint Wayne.

»Woher willst du das wissen, Miller? Jedes Team geht da anders vor. Ich hatte solche Gespräche mit dem Manager, dem Coach und dem Teamchef«, erklärt Desean und zählt seine Teamwechsel an einer Hand ab.

»Der Coach ist ein Ehrenmann. Außerdem würde er Chap nicht traden, niemals. Ein besseres Zeichen, dass es hier um was ganz anderes geht, gibt es ni… Fuck!«

Waynes heftig ausgestoßener Fluch lässt mich zusammenzucken. Er sieht von mir zu Desean und wieder zurück.

»Hast du einen Schlaganfall oder so was?«, will Desean gespielt entsetzt wissen.

Wayne zeigt Desean den Mittelfinger und deutet von ihm auf mich und dann auf sich. »Jungs, wer steht hier? Center, Right und Left Tackle. Wisst ihr, was ich glaube? Wir treffen gleich unseren neuen Quarterback.«

»Laber nicht rum. Das würde nie so ablaufen.«

»Woher willst du das …?«

»Ich … Verdammt! Das würde …«

»… den Prius erklären«, füge ich an und ziehe verwirrte Blicke auf mich.

»Draußen auf dem VIP standen eben, als ich ankam, eure Durangos, der Grand Caravan vom Coach … und ein Prius.«

»Ein Prius? Diese langweilige Schüssel von Auto?«, hakt Wayne nach und scheint an meinem Verstand zu zweifeln, was mich nachdenklich stimmt.

»Dann ist es wohl doch was anderes. Kenne keinen Quarterback, der sich freiwillig in einen Prius setzen würde. Für kein Geld der Welt.«

Da stimme ich Desean zu. Hancock, der uns zum Saisonende Gott sei Dank verlassen hat, bestand auf einen Dodge Challenger, in Topausstattung, versteht sich.

Schritte hallen aus Richtung Tunnel. Desean und ich nehmen Wayne wie gewohnt in die Mitte. Fehlt nur, dass wir uns nach vorn beugen und auf das »HutHutHut!« zu Beginn des Spielzuges warten. Wenn Wayne richtig liegt, wird uns der Coach gleich den Mann vorstellen, den ich die nächste Saison über beschützen darf.

Einige Namen sind in den vergangenen Wochen durch die Medien gegeistert. Hamlin Quinn, der glücklose Ersatzmann aus Phili, der recht wurfschwache Rooster Adams aus Denver und der zuletzt vertragslose Patric Hastings, den sie in Miami vor die Tür gesetzt haben. Patric gilt als ausgereifter Ego-Arsch, der seine Mitspieler von oben herab behandelt. Da wären mir Hamlin und sogar Rooster lieber. Wir sind nicht das beste Team der Liga, aber wir besitzen Herz und Kampfgeist, was wollen wir mit einem, der wie Hancock lieber protzige Karren fährt, anstatt sich aufs Spiel zu konzentrieren?

»Dreck! Es ist Hastings«, stößt Desean grimmig zwischen den Zähnen hervor.

Ich hab’s geahnt. Wegen des Prius’ hegte ich bereits Hoffnungen, dass unser neuer Quarterback ausnahmsweise mal ans Spiel und die Mannschaft denkt. Wahrscheinlich war kein anderer Mietwagen verfügbar.

Verwaschene Jeans, weiße Sneakers, graublaues Hemd mit langen Ärmeln, keine Jacke. Die kurzen dunklen Haare trägt er fast schon langweilig nach hinten gegelt. Trotzdem, gegen ihn wirke ich wie ein Wilder. Hätte mich wohl doch rasieren sollen. Wir sind kein reiches Team, somit können wir wohl von Glück reden, dass so einer wie Hastings bei uns unterschrieben hat.

»War der vertragslos?«, nuschelt mir Wayne zu.

»Hmm«, erwidere ich. »Miami wollte ihn nicht mehr.«

Wie er Schulter an Schulter mit dem Coach auf uns zukommt, stelle ich fest, dass er völlig normal und kein bisschen abgehoben wirkt. Trotzdem, für ein wenig Händeschütteln bin ich extra früh aufgestanden, habe meine morgendlichen zehn Runden um den See vernachlässigt und nicht mal gefrühstückt. Selbst ohne all die Berichte, sein übergroßes Ego betreffend, kann ich Hastings schon jetzt nicht leiden.

»Guten Morgen.« Der militärisch zackige Tonfall des Coaches lässt mich Haltung annehmen. Nicht zum ersten Mal kommt er mir wie ein Drill Sergeant vor, der mich mit gnadenloser Härte in die Grundausbildung der Marines schleift. Seit zwei Jahren spiele ich schon für die Eagles, dank ihm. Der Mann könnte alles von mir verlangen, für ihn würde ich sogar Ballett im rosa Röckchen auf dem Green in der Innenstadt tanzen. Er hat mich ins Team geholt. Ohne Draft, ohne Agenten. Ein Sechser im Lotto, Chance: eins zu einer Milliarde. Er hat mich bei einem Trainingsspiel gesehen, bei dem ich durch Zufall teilnehmen konnte. Es ging einzig darum, den Männern in der Defense als menschlicher Schutzwall entgegenzutreten und ihnen etwas Arbeit zu verschaffen, und ich habe sie mehr als beschäftigt.

»Morgen, Coach.« Unsere Erwiderung erfolgt wie aus einem Mund. Drei gestählte Kerle, die auf seinen Pfiff hin sofort losspurten und sich in die Aufstellung begeben würden.

»Danke, dass ihr es einrichten konntet. Der Rest der Offensive Line ist nicht in der Stadt, deshalb weiß ich euer Kommen sehr zu schätzen.«

Ich denke wieder an das rosa Röckchen. Würde ich jetzt lieber machen, als Hastings die Hand zu schütteln.

»Männer.« Coach lässt seinen stählernen Blick über uns gleiten, dabei zuckt sein linker Mundwinkel einen halben Millimeter nach oben. Er scheint gut gelaunt zu sein. »Wie ich sehe, haltet ihr euch fit. Wie verlief die OP, Miller?«

»Alles bestens, Coach«, erwidert er zackig.

Wie viele andere im Team, hat er die Off-Season dazu genutzt, sich unters Messer zu begeben. Footballer sind besonders anfällig für Knieverletzungen, gedehnte Bänder, Meniskusprobleme. Ach was, wir schreien buchstäblich bei allen typischen Profisportler-Verletzungen, die es gibt, »Hierher!«. Am beliebtesten ist dabei die gute alte Gehirnerschütterung. Wie ich sie hasse.

»Freut mich zu hören. Ich habe euch, wie ihr unschwer erkennen könnt, nicht grundlos hergebeten. Machen wir es kurz und schmerzlos, unser neuer Quarterback hat gerade seinen Vertrag unterschrieben. Patric, ich darf dir deine Bodyguards vorstellen. Jonah Chapman deckt deine rechte Seite. Wayne Miller steht vor dir, und Desean Dubois hält dir die linke Seite frei.«

Hastings streckt mir die Hand entgegen und sieht mir, während ich sie ergreife, fest in die Augen. In dem dunklen Grau kann ich weder Arroganz noch einen herablassenden Zug erkennen, trotzdem packe ich fester zu, als ich es normalerweise tun würde. Er zuckt nicht einmal mit der Wimper.

»Es ist mir eine Ehre, mit euch spielen zu dürfen.«

An Waynes Miene kann ich die gleiche Überraschung ablesen, wie auch ich sie bei seinen Worten empfinde. Für Mr.-Super-Bowl-Gewinner ist es also eine Ehre, mit uns zu spielen. Am liebsten würde ich laut lachen.

»Patric hat bereits eine Bleibe gefunden und wird sich in New Haven auf den Saisonstart vorbereiten«, erklärt der Coach.

»So ist es«, klinkt sich Patric ein. »Und ich möchte direkt mit der Tür ins Haus fallen, denn bis zum ersten Anpfiff haben wir nicht mehr viel Zeit.«

»Fünf Monate«, wirft Wayne ein.

Ich mustere den Coach.

»Ganz richtig. Und da wir ein enges Gespann bilden werden, was aufeinander abgestimmt agieren sollte, wollte ich vorschlagen, die kommenden Wochen gemeinsam zu trainieren. So intensiv wie möglich, um für die Conference gerüstet zu sein.«

Desean wirft mir einen Seitenblick zu, der Bände spricht. Wayne kratzt sich am Hinterkopf und murmelt etwas Unverständliches. Keiner von uns scheint große Lust darauf zu haben, die Off-Season gemeinsam mit Mr. Großkotz zu verbringen.

»Das Team stellt uns das Indoor-Areal zur Verfügung. Mickey Mulgrew übernimmt die Drills und das Cardio. Für uns alle, versteht sich.«

»Das Team stellt uns Mulgrew an die Seite?«, will Wayne wissen.

Er ist genauso beeindruckt wie Desean und ich. Damit hätte ich nicht gerechnet. Der Coach scheint es ernst zu meinen. Mulgrew ist einer der besten Side Trainer, die man für Geld bekommen kann. Vier von fünf Teams, die er in der Off-Season trainiert hat, gewannen den Super Bowl oder gelangten zumindest ins Finale.

Der Coach räuspert sich und möchte etwas sagen, doch Hastings ist schneller. »Das Management will uns siegen sehen, also werden wir uns gemeinsam die Ärsche aufreißen und Blut schwitzen. Wir sind schließlich keine Weicheier, sondern Profi-Footballer.« Hastings ballt eine Faust und streckt sie uns entgegen.

»Mulgrew, verdammt!«, ruft Desean und stößt mit seiner Faust dagegen.

»Das wird unser Jahr, Mann«, meint Wayne und tut es ihm gleich.

Ich zögere und wechsele einen kurzen Blick mit dem Coach. Was auch immer er sagen wollte, er behält es für sich und wohnt diesem Aufeinandertreffen nur mehr als wohlwollender Beobachter bei.

»Was ist mit dir? Bist du dabei?«, fragt Hastings und reckt mir die Faust entgegen.

Ich wollte den Sommer über am See bleiben und mit meinem alten Highschool-Coach trainieren. Allerdings ist Mulgrew eine echte Hausnummer. So mancher Spieler würde Haus und Hof verpfänden, um mit ihm zu arbeiten. »Klar, bin dabei«, presse ich halbherzig hervor, zucke mit den Schultern und dotze mit der Faust gegen seine.

Patrics angespannter Gesichtsausdruck hellt sich auf. Sein Grinsen wirkt ansteckend und lässt ihn jünger erscheinen. »Dann ist es abgemacht. Ich würde vorschlagen, wir starten morgen früh um zehn Uhr. Dominic Booker, unser neuer Wide Receiver, wird ebenfalls dabei sein. Die restlichen Spieler der Offensive Line holen wir später dazu.«

»Klingt nach einem Plan«, stimmt Wayne zu, und Desean besiegelt seine Worte mit einem erhobenen Daumen.

Ich kann mir lediglich ein verhaltenes Nicken abringen. Bye-bye, Ruhe am See. Hallo, New Haven im Frühling.

Am nächsten Morgen ist das Wetter genauso grau und mies, wie ich mich fühle. Ein kalter Wind pfeift mir um die Ohren, als ich in der Innenstadt aus dem Wagen steige. In den bodentiefen Fenstern des Cafés spiegeln sich die kahlen Bäume auf der gegenüberliegenden Straßenseite, aber auch die hochglanzpolierten Felgen meines Journey. Die Waschanlage war pure Geldverschwendung. Am Wochenende fahre ich wieder raus zum See, dann ist er genauso verdreckt wie vorher.

Missmutig werfe ich einen Blick durch die Scheibe der Eingangstür ins Innere des Coffeeteers und hadere damit, ob ich hineingehen soll. Wäre mein angestammtes Diner gegenüber meiner Wohnung nicht während meiner Abwesenheit dichtgemacht worden, würde ich keinen Fuß hier reinsetzen.

Was das Frühstück anbelangt, bin ich eher Oldschool. Eier, Speck und Pancakes. Dazu reichlich Kaffee. Mit Street-Art-Graffiti an den Wänden kann ich hingegen wenig anfangen. Mein Teamkollege Le’Veon meinte aber, das Frühstück hier sei gut, also wage ich den Schritt.

Beim Eintreten stelle ich überrascht fest, dass für halb neun erschreckend wenig los ist. Keine Schlange an der Verkaufstheke, nichts. Dabei hatte ich befürchtet, der Laden würde vor Gästen überquellen. Die Lage gegenüber des Greens vor den Toren der Uni wäre doch für jeden kaffeesüchtigen Studenten die erste Adresse des Tages. Anscheinend ticken die Yale-Yuppies da ganz anders, oder sie kriechen erst mittags aus ihren Betten.

Der vordere Teil des Gastraumes ist leer. Weiter hinten sitzt ein Typ mit seinem Laptop, und an einem großen Tisch nahe einer Spielecke hat sich eine Gruppe junger Frauen mit mehreren Kleinkindern niedergelassen. Mir bleibt die Wahl zwischen einem der runden Bistrotische an der Fensterfront oder einem Platz in der Mitte. Da ich nicht auf dem Präsentierteller sitzen will, schiebe ich mich auf eine der couchähnlichen Bänke. Sie sehen halbwegs bequem aus.

Kaum sitze ich auf dem dick gepolsterten Leder, überkommt mich schon das Gefühl, eingepfercht zu sein. Die Konstruktion ist nichts für Männer meiner Statur. Missmutig versuche ich, mich abzulenken, indem ich den Blick nach draußen richte. Außer vorbeihastenden Passanten und dem Rasen des gegenüberliegenden Parks ist nicht viel zu sehen. Am Hafen gab es wenigstens Boote.

Beim Gedanken an mein angestammtes Frühstückslokal wallt erneut Ärger in mir auf. Macht der Laden einfach zu. Ich fasse es nicht. Verdammte Immobilienspekulanten. Da bin ich mal ein paar Wochen nicht in der Wohnung, und schon habe ich eine Horrorbaustelle vor der Nase. Wenigstens bin ich tagsüber im Trainingscenter.

»Hallo! Willkommen im Coffeeteer. Ich bin Helene, deine Bedienung. Hast du einen Wunsch?«, trällert die Kellnerin viel zu fröhlich für meine miese Stimmung.

Da sie nicht sehr groß ist, muss ich nicht einmal zu ihr aufblicken. Sie ist höchstens fünfundzwanzig und ein natürlicher Typ, denn ihr Lächeln wirkt ehrlich und freundlich. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, sie jobbt hier neben dem Studium an der Yale oder einem der Colleges und stammt aus dem mittleren Westen.

Ihr Blick wandert von meinen zotteligen Haaren und dem ungepflegten Bart über die abgewetzte rot-schwarz karierte Flanelljacke zu den verschlissenen Jeans und bleibt bei den ausgelatschten Wildleder-Boots hängen. Ihr Lächeln wird breiter.

»Großer Kaffee straight und ein ordentliches Frühstück mit allem Drum und Dran?«, fragt sie.

»Wenn es das hier gibt?« Ich sehe mich betont kritisch um, was sie zum Lachen bringt.

»Klar, auf Wunsch sogar full fat und full carb.«

Klingt nach einem Touchdown. »Dann wünsche ich mir dazu mal krossen Speck und ein Omelett mit acht Eiern und Käse.«

»Pancakes?«

»Doppelte Portion und spar nicht am Sirup.«

»Endlich mal ein Mann, der weiß, was er will.« Sie zwinkert mir zu und verschwindet in Richtung Küche.

Ich fühle mich dank Helenes offener Art und der Aussicht auf ein vernünftiges Frühstück ein wenig besser. Zudem werde ich in Ruhe essen können und nicht von Fans belagert, denen egal ist, wenn sie in meine Privatsphäre eindringen.

Während ich über das anstehende Training mit Hastings und Mulgrew nachdenke, wandert mein Blick rüber zum Park. Ein bildhübscher Retriever, der brav mit seiner Besitzerin Gassi geht, erregt meine Aufmerksamkeit.

»Hier schon mal dein Kaffee.« Helene stellt eine große Tasse vor mir ab, von deren heißem Inhalt zarter Dampf aufsteigt. Daneben platziert sie ein Kännchen mit Milch und einen Becher, in dem ein buntes Sammelsurium verschiedenster Zuckerbeutel steckt. Im Abwenden sieht sie in die gleiche Richtung und verharrt. »Endlich, hab mir schon Sorgen gemacht«, murmelt sie.

»Meinst du mich?«, hake ich nach, sodass sie über ihre Schulter zu mir zurückblickt.

»Sorry, meine Freundin ist normalerweise ein absoluter Pünktlichkeitsfanatiker; nach ihr kann man die Uhr stellen. Ganze fünfzehn Minuten sind da schon ein Grund zur Sorge. Aber ich will dich nicht zutexten. Dein Frühstück ist gleich so weit.« Auf dem Weg zum Müttertisch muss sie über zwei krabbelnde Kleinkinder steigen. Helene scheint es gewohnt zu sein, denn sie verliert dabei weder das Gleichgewicht noch ihr Lächeln.

Das Öffnen der Tür bringt einen Schwall kalter Luft mit sich. Es ist die Frau mit dem Retriever, den sie an einem seltsamen Geschirr führt. Da sie ihr glattes dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat, kann ich ihre freiliegenden, leicht geröteten Ohren sehen. Auch ihre Wangen glühen ein wenig. Ich schätze sie auf einen guten Meter siebzig, und sie dürfte in meinem Alter sein.

»Hi, Layna, bin gleich bei euch«, ruft Helene von hinten.

Layna winkt ihr zu und entledigt sich ihres Schals und der Jacke. Darunter trägt sie einen kastanienroten Hoodie mit einem großen Y. Die Laptoptasche stellt sie hinter ihren Stuhl. Der Hund, an dessen Halsband ein T baumelt, wartet und legt sich, nachdem sie sich mit Blick in meine Richtung hingesetzt hat, neben ihr ab. Mit dem unförmigen Geschirr, an dem eine Art Griff befestigt ist, scheint er keine Probleme zu haben, ich finde es hingegen ein wenig übertrieben.

Aus einem kleinen Beutelchen, das an einer Gürtelschlaufe ihrer Jeans hängt, holt sie einige Leckerlis heraus und legt sie sich auf die flache Hand. Dankbar schnappt er danach und leckt, nach mehr suchend, über ihre Finger.

Ich würde ihr gern sagen, was für einen tollen Hund sie hat. Schon viel zu lange wünsche ich mir einen wie diesen. Einen Gefährten, einen Kumpel an meiner Seite. Als Kind durfte ich keinen haben, und jetzt, wo es mir keiner mehr verbieten kann, fehlt mir die Zeit.

»Hier kommt der erste Teil. Die Pancakes sind gleich fertig.« Helene leert ihr Tablett vor mir und wendet sich ihrer Freundin zu. »Guten Morgen, Süße.«

»Sag nichts«, erwidert Layna und lacht. Es klingt, als würde es direkt aus ihrem Herzen kommen. Frei und unbekümmert.

Ich halte in der Bewegung inne, um ihr zuzusehen. Sie strahlt buchstäblich. Ihr Anblick fesselt mich so sehr, dass ich nur am Rande mitbekomme, wie mir das Stück Omelett von der Gabel fällt, die vor meinem offenen Mund schwebte.

»O doch! Du bist zu spät. Du … ausgerechnet du!«, feixt Helene gespielt entrüstet.

»Schande über mich, aber Val trägt ganz allein die Schuld. Er hat gestern Abend den Schlüssel nicht dorthin gelegt, wo er hingehört. Ich musste ihn suchen.«

»Der soll mir unter die Augen kommen. Tja, leider scheint das nicht dein Tag zu sein, Süße. Der Haselnusssirup ist alle, somit gibt es heute keinen Hazelnut Latte für dich.«

Layna lässt den Kopf hängen und seufzt theatralisch, bevor ein noch breiteres Lächeln ihr Gesicht erhellt. »Es muss auch mal schlechte Tage in einem guten Leben geben. Ich nehme einfach Vanille.«

»Wie abenteuerlustig«, erwidert Helene, was Layna mit einer wegwerfenden Handbewegung kommentiert. »Du sprengst die Ketten der Monotonie.«

»Gezwungenermaßen. Ahornsirup für die Pancakes habt ihr aber, oder? Wir wollen es mit der Experimentierfreude ja nicht übertreiben.«

»Und riskieren, dich als geschätzte Stammkundin zu verlieren? Niemals. Vanilla Latte und Pancakes mit Sirup. Schon unterwegs.«

Layna lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück und faltet die Hände im Schoß. Mein Blick wandert ihre schlanken Beine entlang, die in einer Skinny Jeans stecken. Verdammt sexy. Als ich damit fertig bin, mir vorzustellen, wie sich die Wölbung ihrer Hüften anfühlt, bemerke ich, dass sie mich ansieht.

Ertappt zucke ich zusammen und erwarte einen Rüffel. Sogar meine Ohren schämen sich und beginnen zu glühen.

Zwar ziehe ich es vor, während der spielfreien Zeit allein in einem alten Blockhaus im Wald zu leben, doch ein Mönch bin ich deswegen noch lange nicht. Allerdings auch kein Weiberheld, was es mir schwer macht, einer Frau näherzukommen. Die meisten, die ich kennenlerne, sehen in mir entweder den reichen Profisportler oder einen grobschlächtigen Trottel. Die wenigsten interessiert, wer ich wirklich bin. Wobei da auch nicht viel mehr ist. Ohne den Sport wäre ich ein Nichts.

Zu meiner Verwunderung scheint sich Layna nicht an meinen Blicken zu stören. Sie lächelt mich weiter an, und ich versinke im Braun ihrer Augen. Wäre ich ein Draufgänger, würde ich mich zu ihr setzen, sie anquatschen und mit ihr flirten. Dummerweise sehe ich nur so aus, als hätte ich ein extragroßes Stück Selbstbewusstsein abgebissen. Auf dem Spielfeld ist das durchaus von Vorteil, da muss ich auch nicht viel reden. Bei einer Frau wie ihr bezweifle ich jedoch, mit Muskeln allein punkten zu können, und bekomme wahrscheinlich nicht mal zwei Worte am Stück heraus.

»Der Vanilla Latte«, trällert Helene und stellt ein großes Glas auf Laynas Tisch.

Unser Blickkontakt reißt ab. Aus einem unerfindlichen Grund fühlt es sich komisch an, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben und deren Wärme damit blockiert. Mir läuft ein Schauder über den Rücken.

»Pancakes kommen gleich nach. Miguel hat heute Morgen vergessen, den Teig anzurühren, und jetzt sind nicht genügend Eier vorrätig.« Helene grinst schief zu mir rüber. »Weil ein Gast sich ein extragroßes Omelett bestellt hat.«

Betont genüsslich schiebe ich mir ein riesiges Stück eben jenes Omeletts in den Mund. Helenes Humor gefällt mir. Ein echter Pluspunkt für das Café.

Layna hat scheinbar nichts von unserem stummen Austausch mitbekommen. Ihr Blick haftet an Helene, die sich ihr wieder zuwendet.

»Ich checke mal, ob Miguel schon aus dem Minimarkt zurück ist.«

»Mach das. Du weißt, wo du mich findest«, erwidert Layna und legt ihre zarten Finger um das Glas. Sie nimmt einen Schluck und leckt sich den Milchschaum von den Lippen.

Allein dabei zuzusehen, wie ihre Zungenspitze über die sanft geschwungene Oberlippe gleitet, setzt mein Kopfkino in Gang. Ihr Blick fängt meinen ein. Mir wird heiß. Macht sie das mit Absicht?

Irritiert stochere ich in den Resten des Omeletts herum und sehe einige Male verstohlen zu ihr. Sie starrt mich an, als ob sie auf etwas warten würde. Die Unsicherheit weicht, und Unmut macht sich in mir breit. Warum tut sie das? Wenn sie mich erkannt hat, soll sie um ein Autogramm oder von mir aus ein Foto bitten.

»Versuchst du, mich zu hypnotisieren, damit ich dir was abgebe? Sorry, keine Chance. Da kannst du starren, wie du willst.« Mit Genugtuung stelle ich fest, wie sie ertappt zusammenzuckt.

»Entschuldigung. War keine Absicht«, erwidert sie und sieht hinab auf ihr Getränk.

»Wie kann man jemanden unabsichtlich anstarren?«

Sie errötet leicht. »Ich habe nicht gestarrt.«

»Ach nein?« Will sie mich veralbern? »Weißt du, ich bin es gewohnt. Kein Ding. Also steh ruhig dazu.«

»Wirklich. Ich habe nirgendwo hingesehen.« Ihre Unterlippe verschwindet zwischen ihren Zähnen, und die Röte auf ihren Wangen verstärkt sich. »Es tut mir leid, wenn du dich gestört gefühlt hast. Ich kann dir aber versichern, dass ich dich nicht angestarrt habe.« Sie hebt den Kopf, bis sich unsere Blicke treffen. Obwohl sie ihr Unbehagen kaum verbergen kann, zupft ein sanftes Lächeln an ihren Mundwinkeln.

»Tja, so einen schönen Mann wie mich sieht man nicht alle Tage, was?«, mutmaße ich süffisant und schüttele den Kopf. Keine Ahnung, was der Mist soll, hoffentlich findet Miguel bald seine Eier, damit ich in Ruhe weiteressen kann.

Laynas zaghaftes Lächeln verschwindet. Sie trinkt einen Schluck Kaffee und atmet tief durch. »Ich kann das schlecht einschätzen, weißt du«, sagt sie. Traurigkeit liegt in ihrer Stimme. »Ich bin blind.«

Layna

Die Morgensonne wärmt mein Gesicht, und der leichte Frühlingswind bringt den feinherben Geruch der Zedern mit sich. Bald wird es hier im Park überall nach frischem Gras und Blüten duften. Wie ich diese Jahreszeit liebe. Im Gegensatz zu Herbst und Winter fühlt sich alles leichter an. Je näher ich der Straße meines Lieblingscafés komme, desto kräftiger wird das Zwitschern der Vögel von den Motorengeräuschen der Autos übertönt.

Der Mülleimer stinkt wie jeden Montagmorgen nach Bier und Fast-Food-Resten. Noch zehn Schritte, dann erreiche ich die Fußgängerampel.

Topper, der die ganze Zeit über ruhig neben mir gelaufen ist, verspannt sich. Ich kann genau spüren, wie sich seine Haltung verändert, sobald seine Aufmerksamkeit gefordert ist. Wir erreichen den Bordstein. Wie gewohnt legt er seine Schnauze gegen mein Bein. Ein klares Zeichen zum Stehenbleiben. Jetzt heißt es warten. In anderen Ländern gibt es Ampeln, die nicht nur mit optischen, sondern auch mit akustischen Signalen ausgestattet sind. Leider ist es der Stadt zu teuer, diese anbringen zu lassen. Doch ich gebe nicht auf und werde es bei der nächsten Stadtratssitzung ein weiteres Mal vorbringen.

Die Rollgeräusche der Reifen werden langsamer, bis sie in meiner Nähe ganz stoppen. Der Druck der Hundeschnauze verschwindet, und ich setze mich in Bewegung. Auf der anderen Straßenseite muss ich aufpassen, dort ist der Bordstein höher, deshalb verharrt Topper kurz. Wir sind ein eingespieltes Team.

Leicht korrigiert er mich nach links, damit ich direkt zum Eingang gehe. Ich kann den Kaffee bereits riechen. Die Vorfreude zupft an meinen Mundwinkeln. Ich drücke die Tür nach innen auf und betrete das Coffeeteer, in dem ich beinahe täglich frühstücke, denn es hat die perfekte Lage zwischen Wohnung und Büro.

»Hey, Layna.«

»Guten Morgen, Helene. Sonniger Tag wird das heute. Der Frühling ist da.« Ich vermag meine Freude darüber kaum zu zügeln. Helene lacht. Außer ihr kann ich einige wenige Gäste hören, dazu Miguel in der Küche. Es duftet nach Pancakes, Eiern mit Speck und ganz vielen anderen Sachen, von denen ich mich nicht traue, sie zu probieren. Routine ist wichtig. Immer.

Deshalb setze ich mich auf meinen angestammten Platz, den Helene freihält, und mache es mir bequem.

»Einmal Hazelnut Latte. Rest wie immer oder hast du Lust auf ein Experiment?«

»Heute eher nicht. Demnächst mal.« Mein Standardausweichmanöver funktioniert.

Minuten später stellt Helene den Kaffee vor mir ab und entfernt sich. Bestecke klappern, jemand schlürft und irgendwer ganz in meiner Nähe hackt reichlich grob auf dem Teller herum. Mir liegt die Frage auf der Zunge, ob der arme Pancake so ein Ende verdient hat, als mir der Geruch von Holz und Kiefernnadeln in der Nase kitzelt.

Er ist wieder hier? Dabei hatte ich angenommen, dass er Angst vor der großen, bösen Blinden hat, die ihn mit ihrem Todesblick verfolgt. Der Wunsch nach einem kleinen Seitenhieb, ob er seinen Mut zusammengerafft und sich wieder hierher gewagt habe, brennt ein Loch in meine Selbstbeherrschung, aber ich schaffe es, den Mund zu halten, und widme mich lieber meinem Getränk. Ich will ihn nicht belästigen.

Bei der Erinnerung an die markante Stimme des Mannes läuft mir ein wohliger Schauer den Rücken hinunter. Tief, voll und mit einem Hauch Reibeisen. Ich unterdrücke ein Seufzen und klammere mich am Glas fest.

»Dein Essen, Süße.« Helene stellt den Teller vor mir ab.

Besteck befindet sich rechts daneben auf der Serviette und ein kleines Gefäß mit Ahornsirup platziert sie auf zehn Uhr. Die Pancakes liegen nebeneinander. Alles genau so, wie ich es mit Helene besprochen habe, als ich zum ersten Mal hierherkam. Ich muss nicht herumstochern, in der Hoffnung etwas auf die Gabel zu bekommen, oder laufe Gefahr, den Kaffee zu verschütten, weil ich dagegenstoße.

Der erste Bissen ist gerade auf dem Weg in meinen Mund, da beginnt das Handy zu klingeln.

»Hallo?«, frage ich, nachdem ich es aus der Jackentasche befreit habe, und hege keine guten Vorahnungen bezüglich des Grundes für den Anruf.

»Hey. Ich bin es, Val. Ähm, es tut mir …«, höre ich den Studenten sagen, der Toppers Gassi-Service seit einigen Wochen recht unzuverlässig übernommen hat.

»Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Das kannst du nicht bringen. Gestern Abend kommst du eine Stunde zu spät und bettelst mich an, heute Morgen mit Topper erst gegen acht gehen zu können.«

»Es tut mir leid, aber was soll ich sagen …?«

»Nichts, Val. Du musst mir gar nichts sagen. Du brauchst auch heute Abend nicht vorbeizukommen. Schönen Tag noch!«

Ich bin so sauer, dass ich die Fäuste balle, doch was bringt es mir, mich über seine Unzuverlässigkeit aufzuregen. Topper ist der Leidtragende, denn er war vorhin lediglich einmal kurz mit mir an der nächsten Straßenecke. Mit mir Gassi zu gehen, ist für ihn keine Pause vom Job, die er sich wie auch ein hart arbeitender Mensch redlich verdient hat.

»Lass mich raten, er hat dich wieder hängen lassen.« Helenes Feststellung lässt mich tief durchatmen.

»Natürlich, wie gewohnt. Das war das letzte Mal. Sobald ich im Büro bin, rufe ich bei den studentischen Helfern an und lasse mich zum gefühlt tausendsten Mal auf die Warteliste setzen.«

Helene schnauft entrüstet. »Ich würde dir gern helfen, leider kenne ich niemanden, der …«

»Ich dummerweise auch nicht. Liegt es an den dreihundert Dollar? Ist das zu wenig, um täglich zweimal mit einem Hund für eine Stunde Gassi zu gehen?«

»Ach was«, erwidert sie brüsk. »Das ist leicht verdientes Geld. An anderen Unis würden sie sich darum prügeln, mit Topper losziehen zu dürfen.«

»Alles, was ich verlange, ist, dass man mit ihm gut umgeht und ein gewisses Maß an Zuverlässigkeit zeigt. Was ist so schwer daran?«

Missmutig stochere ich in meinem Frühstück herum und möchte mir am liebsten daheim die Decke über den Kopf ziehen. In meinem Leben gibt es beim besten Willen genug Barrieren, doch auf jemanden angewiesen zu sein, ist die für mich am schwersten zu überwinden.

»Was machst du jetzt mit ihm?«

»Ich werde meine Mutter anrufen müssen.« Genau das, was ich vermeiden wollte. Jedes Mal, wenn ich auf sie zurückgreifen muss, bekomme ich es noch Wochen später vorgehalten. Am beliebtesten ist dabei die Frage, wieso ich überhaupt einen Blindenführhund brauchte, sie könnte mich wie früher auch überall hinbringen.

»Tut mir echt leid. Magst du noch einen Kaffee? Ich lade dich ein.«

Helene ist so lieb und einer der Gründe, warum ich das Coffeeteer so mag. Sie behandelt mich nicht wie eine Behinderte, redet normal mit mir und vermittelt mir nicht das Gefühl, am Rand zu stehen. Gäbe es mehr Menschen wie sie, wäre das Leben so vieler Personen mit Beeinträchtigungen erheblich leichter.

»Schon okay, nicht nötig. Ich beeile mich besser, damit ich im Büro bin, wenn Mom vorfährt«, erwidere ich und lasse den Kopf hängen.

»Ist ein echt schöner Hund.« Der Mann mit der sexy Reibeisenstimme.

Im ersten Moment weiß ich gar nicht, was ich sagen soll, und richte mein Gesicht auf die Quelle der Worte aus. Er sitzt mir erneut gegenüber, räuspert sich, und ich befürchte, dass er den schlimmsten aller Fauxpas begehen könnte, indem er lauter spricht. Ich bin sehbehindert, nicht schwerhörig.

»Topper ist ein voll ausgebildeter Blindenführhund.« Ich bin stolz auf mich, dass meine Stimme nichts von meiner aufwallenden Aufregung preisgegeben hat. Wenn er mir ins Ohr flüstern würde, wäre ich Wachs in seinen Händen.

»Sollte er da nicht so ein gelbes Irgendwas mit drei schwarzen Punkten drauf tragen? Oder du? Ich meine, dann …«, setzt er leiser werdend an.

Ich quittiere seine Worte mit einem freudlosen Lachen. »Du meinst, damit mich jeder halbseidene Tunichtgut ausrauben kann? Kein Opfer ist besser als das, welches nicht in der Lage ist, den Täter zu beschreiben.«

»Sag jetzt nicht, dass man dich schon mal ausgeraubt hat«, bringt Helene keuchend hervor.

»Einmal? Nachdem mir so ein Typ beim dritten Mal fast den Kiefer gebrochen hat, weil ich meine Handtasche nicht loslassen wollte, trage ich nichts mehr, was auf meine Beeinträchtigung hinweisen könnte. Toppers Geschirr ist notwendig, fällt allerdings den wenigsten auf.«

»Das ist echt unfassbar. In was für einer Welt leben wir eigentlich?« Helene klingt entrüstet und lässt sich auf einen Stuhl am Nebentisch nieder.

»In einer echt beschissenen«, merkt Reibeisenstimme an. »Entschuldige noch mal, wegen neulich.«

»Schon okay. Passiert mir häufiger. Allerdings denken die Männer dann meistens, ich würde mit ihnen flirten«, gestehe ich und quäle ein verkrampftes Lächeln auf mein Gesicht.

»Dann kannst du dich vor Angeboten bestimmt nicht retten, was?«

Den Versuch, mich aufzumuntern, rechne ich Helene hoch an, doch die Wahrheit verschweige ich lieber. Im Normalfall sind die Typen, wenn ich ihnen nach einem netten Gespräch offenbare, dass ich nicht sehen kann, sehr schnell wieder verschwunden. Einfach so. Manche sagen noch »Tschüss«, meistens nicht einmal das.

»Was glaubst du, wozu ich meinen Blindenstock benutze? Ich halte sie damit in Schach«, erwidere ich, was sogar Reibeisenstimme ein leises Lachen entlockt.

»Ach, Süße, ich liebe deinen Humor«, kichert Helene. »Sorry, ich muss rüber zu Miguel.«

Sie kehrt zurück an die Arbeit und lässt mich mit dem Fremden und meinen aufgewühlten Gedanken allein.

»Ich bin übrigens Jonah. Jonah Chapman.«

Verwundert darüber, dass er sich mir vorstellt, vergesse ich fast, ihm meinen Namen zu sagen. Wie unhöflich von mir. »Layna Fleming. Freut mich.«

»Mich auch. Du kommst oft hierher, was?«

»Fast täglich. Das Frühstück schmeckt, und da im Moment der Haupteingang des Unigebäudes wegen Renovierungsarbeiten gesperrt ist, ist nur wenig los. Normalerweise steppt hier um diese Uhrzeit der Bär.«

»Ich habe mich schon gewundert«, meint Jonah und malträtiert seinen Teller mit dem Besteck.

»Entschuldige, lass dich nicht stören. Genieße dein Frühstück!« Er spült sein Essen hinunter, was ich an den Schluckgeräuschen hören kann.

»Bin fertig.«

Ein leises Knistern dringt an meine Ohren, was ich nicht einzuordnen vermag, aber ein wohliges Kribbeln erzeugt.

»Ich hätte noch etwas Zeit. Knappe halbe Stunde. Was hältst du davon, wenn ich mit deinem Hund – Topper oder? – eine Runde drüben im Park drehe?«

Sein Vorschlag kommt für mich aus heiterem Himmel. Vor lauter Verwirrung bleibt mir der Mund offen stehen. »Ich kenne dich doch überhaupt nicht«, erwidere ich perplex. »Wer sagt mir, dass du nicht irgendein verrückter Tierquäler bist?« Es ist für mich unverständlich, weshalb mir ein wildfremder Mann anbietet, mit meinem Hund Gassi zu gehen.

»Bin ich nicht, ehrlich. Okay, ähm, warte!« Er steht auf und kommt zu mir an den Tisch. »Das hier sind mein Wagenschlüssel, mein Führerschein, meine Kreditkarte. Das Handy nehme ich lieber mit, aber meine Nummer gebe ich dir natürlich.« Ich kann hören, wie er einige Dinge vor mir auf dem Tisch platziert, und greife zögerlich danach. Von Form und Größe passt es zu seinen Angaben, doch auf den Plastikstücken ist nirgends etwas in Brailleschrift vermerkt – nichts, was mir die Echtheit bestätigt. »Das bringt mir alles nicht viel. Keines der Dinge bezeugt mir, dass du wirklich der bist, der du angibst zu sein.« Bei der Vermittlung der studentischen Hilfen werden sämtliche Daten erfasst und geprüft. Verunsichert überlege ich, was ich ihm sagen soll.

Wieder ist da dieses Knistern. Was ist das? Es gefällt mir, wie es eine Gänsehaut über meine Arme laufen lässt.

»Darf ich?« Helene nimmt mir das Stück Plastik aus der Hand und gibt es mir wenig später zurück.

»Ist okay. Jonah Chapman. Wo arbeitest du?«

»Ich bin bei den Eagles.«

»Dem NFL-Team?«, hakt sie nach.

»Genau.«

Mit Sport kenne ich mich nicht aus, glaube aber, dass dies der Name des hiesigen American Football Teams ist.

»Was denkst du, kann ich ihm Topper anvertrauen?«

Helene legt eine Hand auf meine Schulter und drückt sie ermutigend. »Er sieht zwar recht raubeinig aus, doch ich glaube, das kannst du. Eine Sache wäre da aber noch, Jonah. Falls du Topper auch nur ein Haar seines goldenen Flauschefells krümmst, werde ich dich finden. Verstanden?«

»Und wie, war ja laut und deutlich.« Ein leises Knacken, was wohl von seinen Knien herrührt, deutet daraufhin, dass Jonah neben Topper in die Hocke gegangen ist.

Trotz Helenes Ermutigung fühle ich mich hin- und hergerissen. Entweder Mom anrufen oder Topper mit Jonah, den ich überhaupt nicht kenne, in den Park gehen lassen. Was mache ich nur? Mein Magen fährt Achterbahn, doch eine innere Stimme sagt mir, dass ich mutig sein und mich darauf einlassen sollte.

»Hey, Big T«, raunt Jonah.

»Sekunde … Wenn er das Geschirr trägt, bedeutet es für ihn, dass er arbeitet. Dann darf er nicht gestreichelt werden«, erkläre ich und öffne die Clips. Aus der Laptoptasche hole ich die Leine heraus und übergebe sie Jonah.

»Danke. Ach so, gib mir bitte noch deine Handynummer.«

Während ich ihm die Nummer sage, die er direkt in sein Handy eintippt, zupfe ich nebenbei zwei Plastiktüten aus dem Seitenfach.

»Wofür sind die?«, hakt Jonah verdutzt nach.

»Für die großen Hinterlassenschaften. Und hier noch die Leckerlis. Nicht mehr als drei. Du weißt, wo du mich findest.«

»Sicher. Bis gleich.«

»Jonah?«

»Ja?«

»Pass bitte gut auf ihn auf. Ohne Topper ist meine Welt vollkommen dunkel.«

Jonah

Mit einem Handtuch um die Hüften trete ich aus der Dusche und entwirre auf dem Weg zum Spind mein feuchtes Haar. Mittlerweile ist es so lang, dass ich es mir mühelos zu einem kleinen Bun am Hinterkopf zusammenbinden kann.

Unsere Gruppe wird ab morgen um vier Spieler anwachsen, dann ist es vorbei mit der relativ angenehmen Atmosphäre in der Kabine.

»Hast du heute Abend was vor?« Patric ist bereits angezogen und schaut mich erwartungsvoll an, während er sein Mobiltelefon in die hintere Tasche der Jeans schiebt.

Er hat mich das neulich schon mal gefragt, und ich bin erneut unschlüssig, ob ich darauf eingehen soll. Ich bezweifle, dass wir außer Football und das Team viele Gesprächsthemen hätten, schließlich kommt er aus einer ganz anderen Welt. Als Sohn eines Bauarbeiters, der in einer Hütte im Wald billigen Fusel schwarzgebrannt hat, habe ich mit dem Sohn einer Footballlegende, der mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde, nur wenige Gemeinsamkeiten. »Bin bereits verplant«, antworte ich.

Er verzieht nachdenklich das Gesicht und lässt die Schultern hängen.

Mein Gewissen meldet sich. »Also wenn acht Uhr nicht zu spät ist … Vorher geht nicht.«

Sein Gesicht hellt sich auf. »Passt für mich. Wie wäre es mit einem saftigen Steak? In der Church Street soll ein guter Laden sein. Heißt glaube ich Prime Cut.«

Und schon bereue ich mein Einlenken, da ich das Steakhaus kenne. Es liegt um die Ecke des Kinos, in dem ich vorgestern Abend den neusten Marvel-Streifen gesehen habe. Innerlich sträube ich mich dagegen, einen Fuß hineinzusetzen. Viel zu edel. Sobald mehr als eine Gabel und ein Messer auf dem Tisch liegen, bekomme ich Panik. Außerdem sah es so aus, als würde das Restaurant vor Gästen nur so überquellen. Ich bezweifle allerdings, dass man den neuen Star-Quarterback der New Haven Eagles abweisen wird.

Im Gegensatz zu den Gerüchten, die über ihn in Umlauf waren, lässt Patric weder den Super-Bowl-Sieger heraushängen, noch versucht er, uns mit einem übergroßen Ego kleinzuhalten. Was nicht bedeutet, dass ich Lust habe, mit ihm einen auf Best Buddy zu machen. Er ist viel zu kumpelhaft für einen Top-Quarterback, da muss mehr dahinterstecken. Ich weiß zwar nicht, was, aber er hat was zu verbergen, und es gibt nichts, was ich mehr hasse als Falschheit und Lügen.

»Wir treffen uns dann dort kurz nach acht?«, schlägt er vor, was ich mit einem halben Nicken und mangels einer guten Ausrede bestätige. Verdammt, ich hätte mir was anderes einfallen lassen sollen.

»Was ist mit dir?«, fragt er Wayne, der seine gepackte Tasche schultert und den Kopf schüttelt. »Kommst du mit?«

»Heute nicht. Wir waren erst vorgestern unterwegs. Zweimal die Woche bekomme ich keinen Ausgang. Kannst du vergessen!«

»Mich brauchst du nicht zu fragen«, meint Desean und hebt abwehrend die Hände. »Noreesha hat sich wegen unseres spontanen Biers neulich noch immer nicht eingekriegt. Wieso spielt deine Frau nicht verrückt? Mache ich irgendwas falsch?«

Patric wendet sich ab und kramt in seinem offenen Spind herum. »Ach was, Brenda ist froh, dass ich nicht mehr auf der Couch sitze und Doom zocke. Ihr habt die vergangene Saison gespielt, ich bin ihr derweil auf die Nerven gegangen.«

»Daran könnte es liegen. Tja, dann viel Spaß euch beiden, und treibt es nicht zu wild«, feixt Desean und knufft mir gegen die Schulter.

»Wie man es wild treibt, weißt du doch wohl am besten«, grätscht Wayne dazwischen. »Wer hat denn hier drei Kinder?«

Deseans Grinsen wird breiter, während er sich imaginären Staub von der Schulter wischt. »Nur kein Neid, ihr Luschen.«

 

Auf der Fahrt in die Innenstadt gehe ich in Gedanken die neuen Spielzüge durch, die der Coach dem Playbook hinzugefügt hat. Dieses Jahr will er es echt wissen. Wir werden offensiver aufgestellt, und unser Spiel wird auf Läufe und Yardgewinne ausgelegt sein. Hinzu kommt, dass Mickey uns bis aufs Blut quält. Der Mann ist ein Sadist. Am See schleppe ich Baumstämme von gut zweihundert Pfund, er packt mir im Gym satte sechzig mehr auf die Stange. Wundert mich, dass ich meine Knie überhaupt noch bewegen kann, denn er drillt uns brutale vier Runden, statt der normalen ein oder zwei. Blocken und Tackeln, immer wieder. Die Bewegungsabläufe sind mir dermaßen in Fleisch und Blut übergegangen, dass er nicht einmal mehr sagen muss, was er von uns fordert, ich erkenne es an seinem Blick.

Ganz anders ist es hingegen bei Layna. Da erkenne ich mich selbst überhaupt nicht wieder und habe keinen blassen Schimmer, was da heute Morgen in mich gefahren sein könnte. Aus heiterem Himmel kam mir die Idee, und ich habe den Mund geöffnet, ohne für zwei Cent darüber nachzudenken.

Regelmäßig Gassigehen, noch dazu mit einem Hund, der mir nicht mal gehört! Bin ich bescheuert? Wenn die Jungs das mitkriegen, werde ich zum Gespött des gesamten Teams. Die meisten sehen wegen meines Werdegangs sowieso auf mich herab. Meinen, ich hätte es nicht verdient, in der ersten Mannschaft zu spielen. Offen sagt mir das natürlich niemand, aber ich weiß genau, dass sie hinter meinem Rücken über mich reden.

 

Dank des unerwartet moderaten Verkehrs, bin ich satte fünfzehn Minuten zu früh an meinem Ziel und parke den Wagen der Einfachheit halber nahe dem Restaurant. Die zwei Blocks bis zu dem Apartmenthaus, in dem Layna wohnt, gehe ich schnell zu Fuß.

Keine zehn Meter vom Auto entfernt klingelt mein Handy. Patrics Name leuchtet im Display auf.

»Hey, was gibt’s?«

»Sorry, Mann. Wir müssen das Essen verschieben«, sagt er.

Meine Gebete wurden erhört.

»Mir ist kurzfristig was dazwischengekommen.«

»Kein Problem. Dann eben ein anderes Mal«, erwidere ich und habe Mühe, meine Freude zu unterdrücken, während ich am Eingang des Restaurants vorübergehe, in dem ich mich sowieso nur lächerlich gemacht hätte. »Bis morgen!«, verabschiede ich mich.

Als ich in Laynas Straße einbiege, kommt sie mir entgegen. Wieder einmal wundere ich mich darüber, dass man ihr die Behinderung nicht ansieht. Auf mich wirkt sie wie jede normale junge Frau, die von der Arbeit nach Hause kommt. Schon heute Morgen klebte mein Blick an ihren langen Beinen, die durch die enge Jeans ausgesprochen gut in Szene gesetzt werden. Dazu trägt sie sportliche Sneakers und eine weiße Bluse unter dem grauen Cardigan. Ihr dunkles, seidig glänzendes Haar ist wieder zu einem Zopf zusammengebunden, dessen Ende beim Gehen hin und her schwingt.

Selbst auf die Entfernung stellt ihr Lächeln sonderbare Dinge mit meinem Magen an, und ich komme mir überhaupt nicht mehr blöd vor, weil ich einer fremden Frau Hilfe angeboten habe.

Vor einem Hauseingang bleibt sie stehen und zieht ihren Schlüssel aus der Hosentasche. Ich will nach ihr rufen, damit sie auf mich wartet, als ein linkisch aussehender Typ, der mit seinem umgedrehten Basecap und dem übergroßen T-Shirt den Eindruck erweckt, zu irgendeiner Gang zu gehören, von hinten an sie herantritt.

Zwei Herzschläge später befinde ich mich in der Vorwärtsbewegung, sehe, wie er sie an der Schulter berührt, nach ihrer Tasche greift.

»Ey! Nimm deine dreckigen Pfoten weg!«, brülle ich.

Layna fährt erschrocken zusammen, der Kerl lässt von ihr ab und stolpert über Topper.

Beherzt greife ich den Möchtegerngangster am Kragen und zerre ihn zur Hauswand. »Ich fasse es nicht! Echt? Eine Blinde? Du willst eine Behinderte bestehlen?«, beiße ich wutschnaubend hervor.

»Jonah?«, höre ich Layna neben mir sagen, doch mein Fokus liegt allein auf diesem wimmernden Waschlappen, mit dem ich gleich den Gehweg wischen werde. »Lass ihn los«, fordert sie und legt mir eine Hand auf den Arm. Ihre zitternden Finger suchen Halt an meiner Jacke.

»Der Dreckskerl wollte dich ausrauben. Wir rufen die Cops.«

»Das werden wir nicht, und es wäre lieb, wenn du Alejandro loslassen würdest.«

»Ich habe es gen…«, setze ich zu einer Erwiderung an, als mir klar wird, dass sie den Kerl zu kennen scheint.

»Mein Nachbar wollte mir lediglich behilflich sein«, erklärt sie.

Ich mustere sie irritiert und nehme ihre besorgte Miene wahr. »Nachbar, okay.« Langsam lasse ich von ihm ab, wobei ich versuche, die in seinem Shirt entstandenen Falten ein wenig zu glätten. »Tut mir leid.«

»Seit wann hast du einen Bodyguard?«, will Alejandro wissen und drückt sich langsam an mir vorbei in Richtung Hauseingang. Dabei fällt mir auf, dass er in der Hüfte gekrümmt geht und die rechte Hand in einem unnatürlichen Winkel verdreht nahe am Körper hält.

»Seit heute Morgen, nachdem Val uns ein weiteres Mal fadenscheinig versetzt hat. Das ist Jonah. Er ist so nett gewesen, kurzfristig einzuspringen und mit Topper den Park unsicher zu machen.«