blues in schwarz weiss & nachtgesang - May Ayim - E-Book

blues in schwarz weiss & nachtgesang E-Book

May Ayim

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Beschreibung

»Manche der Gedichte sind wie vom klappernden Rap-Rhythmus inspiriert und dessen purer Lust am Reimen, die epigrammatisch kurzen erinnern an den poetischen Resonanzboden Sarah Kirschs. Vor allem sind diese Gedichte mutig und kühn: Mit Versen, die kein Gefühl aber auch nicht die Wahrheit scheuen, macht May Ayim vor, wie aus Ausgrenzung Widerstand wird, und dass es notwendig ist zu kämpfen statt zu schweigen.« – Frederike Haberkamp, Bonner Stadtmagazin »Zwischen Gänsehaut und amüsiertem Schmunzeln werden die in Zeilen gegossenen Gedanken spürbar.« – Savannah Sipho, Missy Magazine

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Seitenzahl: 81

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May Ayim

blues in schwarz weissnachtgesang

gedichte

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

May Ayim:

blues in schwarz weiss / nachtgesang

Insurrection Notes, Vol. 13

2. Auflage, Januar 2022

eBook UNRAST Verlag, Januar 2022

ISBN 978-3-95405-096-3

© UNRAST Verlag, Münster

www.unrast-verlag.de | [email protected]

Mitglied in der assoziation Linker Verlage (aLiVe)

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung

sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner

Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter

Verwendung elektronischer Systeme vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Patricia Ann Elcock, Berlin

Satz: UNRAST Verlag, Münster

Inhalt

Vorwort zur Neuausgabe, von Olumide Popoola

Teil Iblues in schwarz weiss

Grußwort, von Maryse Condé

vorwort

am anfang war das wort

am anfang war das wort | afro-deutsch I | überhaupt fast gar nicht | dunkelheit | vatersuche | gewitterstille | afro-deutsch II | nichtig | entfernte verbindungen

zeitenwechsel

ein nicht ganz liebes geh dicht | ansichtssache | du | selbstgespräch | morgengrauen | zeitenwechsel | liebe | afrekete* | abschied

die zeit danach

fragezeichen | Sehnsucht | ANA* | vertrauen | der käfig hat eine tür | die zeit danach | vision | soul sister

aus dem rahmen

grenzenlos und unverschämt | gegen leberwurstgrau – für eine bunte republik | exotik | aus dem rahmen | deutschland im herbst

blues in schwarz weiss

endscheidung | freundinnen und freunde | schwarz weiss monolog | freiheit der kunst | künstlerische freiheit | aufruf zum boykott | am anderen ende der revolution | blues in schwarz weiss

berührung

jerusalem | berlin | oktoberfest | bitte bosnien herzegowina krieg | im exil und hiv positiv | berührung | community

himmlisch

zehntausendmal | betrifft: bewerbung | hochgestochene frage | himmlisch

nachtrag

zwickmühle | schwester | nachtrag | kaspar | aufbruch | nachwort

Glossar

Teil IInachtgesang

nachtgesang

testament

rückblick

auskunft | mama und papa | sein oder nichtsein | zwischen avenui und kreuzberg | mama | das nervenkostüm | rückblick

tagesthemen

exodus | tagein tagaus | winter | sommer | tagesthemen

tanzkurs

tierisch menschlich | kleinkrieg | tanzkurs | kinderspiel

endlich

träume | zwei tänze ein tanz | vorahnung | gedankensprung | erinnerungen | fassungslos | waffenbrüder und schwertschwestern | unterwegs | endlich

bewältigung

einladung | winterreim in berlin | frühjahr | jazz | die farbe der macht | die unterkunft | bewältigung

kehrtwende

leidelied | tristesse | stille | schatten | kehrtwende | vorbereitung für den ernstfall

ewiglich

was braucht ein leben zum sterben | götterspeise | ewiglich | nicht einfach | im antlitz des todes | diesseits im jenseits | abschied

Nachgedanken, von Marion Kraft

Adinkra Motive

Vorwort zur Neuausgabe

Als May Ayims erster Gedichtband erscheint, bin ich 20 Jahre alt. Als Lyrikerin, Aktivistin und Mitbegründerin der ISD (Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland) ist sie mir schon längere Zeit bekannt. May ist ein großes Vorbild für mich, und sicherlich für viele andere auch. Ich will selbst Dichterin werden und nenne mich so, seit ich neunzehn bin. Mays dichterisches Werk ist eine große Inspiration.

Ich habe in der Frauenbuchhandlung May Ayims ersten Gedichtband blues in schwarz weiss vorbestellt und kann es kaum erwarten, mich darin zu vertiefen. Auf dem Weg nach Hause setze ich mich hinten in den Bus. Meine Augen rasen über die Seiten. May beginnt mit den »vorworten«, die so schwer und »unerquicklich« sind, »weil am ende schon alles gesagt ist«. Wenig später kommt eines ihrer berühmtesten Gedichte, afro-deutsch I.

Sie spielt mit den Bildern, die sie beschreibt, mit Zeiten und Zeitformen. Sie lässt Sätze aufeinanderprallen, stellt sie nebeneinander, um Absurdes, Gefährliches, Verletzendes darzustellen. Sie schafft es, mit kurzen Vignetten komplizierte Gegebenheiten zusammenzufassen.

der mann brachte

die frau zum kind

die frau brachte das kind

ins heim

Ich kann ihren Schmerz fühlen. Der Bus holpert durch die Straßen. Ich komme nicht weit, im Buch. Meine Tränen fließen, nicht laut, aber stetig. Sie strömen, und doch kann ich nicht aufhören zu lesen. Der Schmerz ist in Mays Arbeit oft gleich an der Oberfläche. Die Wunden liegen so offen, dass ich Angst habe, in sie hineinzutreten. Aber ich weine, vor allem, weil ich zum ersten Mal auf dem Papier existiere. Ich fühle mich gespiegelt, gesehen, benannt. Ich kann sein, weil May da ist. Weil sie existiert und ihre Stimme erhebt – weil sie Raum für ihre Sisters und ihre Brothers einklagt. Sie gibt mir Mut, denn sie wird

noch einen schritt weitergehen

wo meine schwestern sind

wo meine brüder stehen

und wiederkehren

wann

ich will

wenn

ich will

grenzenlos und unverschämt

bleiben

May ist für viele in der schwarzen Community eine Autorität, so auch für mich. Ihre Stimme ist wertvoll. Wir wissen das. Nun sollte es der literarische Kanon auch wissen. Hier ist ein ganz neues Buch, und ich halte es in meinen Händen – Wortkunst zwischen zwei Klappendeckeln.

Ab und zu stolpere ich, im guten Sinne, über die Verse. Dann muss ich noch einmal zurück, sehen wie sie es macht: das Singen mit dem Stift. Die Melodie ist zu schön, zu beeindruckend ihr Talent mit Worten und dem Tempo zu spielen. Sie spricht vom Blues und vom Jazz, »eine waffe gegen die lüge, und ehrlichkeit ohne ehrfurcht«. Ihre Verse sind voller Melodie, Rhythmik, und dem wiederkehrenden Motiv des Blues‘. So zugänglich können Gedichte sein, so komplex, so spielerisch, so humorvoll, so bissig und scharf.

Als der Bus endlich an meiner Haltestelle ankommt, habe ich die meisten Gedichte in blues in schwarz weiss schon gelesen. Ich habe ihre Worte verschlungen, weil ich mich nach ihnen gesehnt hatte. Dieses Buch ist eine Wende für mich. Bedeutsam, Kraft gebend, transformierend.

Nun sind einige Jahre vergangen, seit der Erstausgabe von Mays Gedichtbänden blues und schwarz weiss und nachtgesang. Ihre Aussagekraft ist unverändert stark. Erst nach Mays Tod werden ihre literarischen Werke mit den Arbeiten von Autorinnen wie Ingeborg Bachmann und Inge Müller verglichen. Solche Vergleiche sind immer etwas schwierig, auch wenn sie zeigen sollen, wie stark und prägnant Mays Arbeiten sind. May Ayim ist May Ayim, eine der wichtigsten afrodeutschen Lyrikerinnen. Das steht für sich selbst, braucht keine Vergleiche. Anderseits zeigen diese Bezüge zu anderen deutschen Schriftsteller_innen, wie wichtig sie im deutschen literarischen Raum ist.

May Ayim ist eine Dichterin, die ohne elitäre Verworrenheit schreibt. Sie will ihr Publikum erreichen. Ihre Metaphern sind zugänglich, unerwartet und treffend.

Sie erhebt ihre Stimme und gibt politischen Realitäten kreativen Ausdruck, kunstvoll und mit scharfem Blick. Sie zeigt, wie Unterdrückung, Rassismus, Ausgrenzung produziert und reproduziert werden. In den kleinen Gesten, die ja nie so gemeint sind, in der Stille, die sie und so viele andere, mich auch, erdrückt.

die die das sagen haben

sagen gar nichts

die meisten anderen

schweigen auch

Dichtung war für May eine Möglichkeit, der weißen Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Beim erneuten Lesen in den letzten Tagen merke ich wieder, wie zeitlos ihre Werke sind. Ihre kunstvollen gesellschaftliche Analysen könnten heute, oder in den letzten Jahren, geschrieben worden sein.

deutschland im herbst

mir graut vor dem winter

Heute, wo ich selbst Schriftstellerin bin, kenne ich Erlebnisse wie das, das May in freiheit der kunst beschreibt, leider zu gut. In dem Gedicht reden zwei Autorinnen miteinander und eine sagt: »einer meiner texte heißt ›ausländer rein‹ ich kann also nicht rassistisch sein.« Bei dieser »künstlerischen Freiheit« schwingt Unterdrückung mit. Da wird denen, die »Nein, so nicht« sagen, die Stimme entzogen, gar verboten. Solche Aussagen sind eine Weigerung, sich selbst als Handelnde in einem System zu sehen, einem System, das anderen großen Schaden zufügt. Es ist die Weigerung, sich einzugestehen, dass man nur »dagegen« ist, wenn man auch »dagegen« wirkt. May hat ein einzigartiges Talent, solche Strukturen in kleine auf den ersten Blick humorvolle Verse zu fassen. Die Tiefe fällt im Nachklang der Zeilen auf.

alle worte in den mund nehmen

egal wo sie herkommen

und sie überall fallen lassen

ganz gleich wen es

trifft

In »auskunft«, das in ihrem zweiten Gedichtband nachtgesang veröffentlicht ist, schreibt sie

meine heimat

ist heute

der raum zwischen

gestern und morgen

die stille

vor und hinter

den worten

Sie fordert uns damit auf, genauer zu sein, Vielschichtigkeiten wahrzunehmen und zuzulassen.

Noch heute beeinflusst May neue Generationen nicht nur als Afrodeutsche, sondern vor allem als Dichterin. In Mays Gedichten geht es um Liebe, Traurigkeit, Einsamkeit, Gewalt, das Unbegreifliche. Sie sind weiterhin aktuell, berührend und bissig. Der Doppelband lädt uns ein, in Mays Welt einzutreten, bei den Worten von gestern und morgen, von Heimat, die anders ist, von der Stille und dem, was gesagt werden muss, zu verweilen.

Olumide Popoola

London, Mai 2021

Die nigerianisch-deutsche Autorin Olumide Popoola lebt in London, wo sie schreibt und unterrichtet. Zu ihren Veröffentlichungen zählen die Novelle this is not about sadness (Unrast Verlag, 2010), das Theaterstück Also by Mail, der Kurzgeschichtenband breach (Ko-Autorin Annie Holmes), der Roman When we speak of nothing sowie zahlreiche lyrische Essays und Gedichte.

2004 gewann sie den May Ayim Award in der Kategorie Lyrik.

Teil I

blues in schwarz weiss

gedichte

für Yoliswa

und die vielen die oft

alleine kämpfen

und unbemerkt

sterben

die selten gefeiert werden

und doch unvergeßlich

bleiben

Grußwort

Ich war überrascht. Inmitten tiefen Winters ein winziger Hauch von Frühling.

Im Februar 1994 bereiste ich Deutschland im Geschwindschritt. Geschmückt in der Farbe des Schnees rauschten hinter den Zugfenstern Saarbrücken, Frankfurt, Leipzig vorbei. Ein Lächeln, ein Händedruck, kurze Wortwechsel, während ich Segu oder Ich, Tituba