¡Blut und Feuer! (Softcover) - Manuel Chaves Nogales - E-Book

¡Blut und Feuer! (Softcover) E-Book

Manuel Chaves Nogales

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Beschreibung

Mit diesem Erzählband zeigt sich der Journalist Manuel Chaves Nogales (1897–1944) als meisterhafter Erzähler, dem es gelingt, die Hoffnungen und den Hass der Menschen in Kriegszeiten in kurze Geschichten zu gießen. Mit geradezu mahnender Klarheit erkennt er die Wirkweisen totalitärer Anschauungen und hält die blinde Gewalt fest, die überall hervorbricht. "Von den hunderten Erzählungen und Romanen, die über den Spanischen Bürgerkrieg geschrieben wurden, kann sich kaum etwas mit ¡Blut und Feuer! messen." - Andrés Trapiello

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Inhalt

CoverInhalt¡Massaker, Massaker!

    

¡Massaker, Massaker!

Eine halbe Stunde war nach dem letzten Bombardement durch die faschistischen Flugzeuge vergangen. Hin und wieder ertönte der überflüssige und alberne Schuss eines eifernden Milizionärs, der glaubte, am nachtdunklen Himmel den fast nicht erkennbaren Schatten eines feindlichen Flugzeugs entdeckt zu haben, das in zwei- oder dreitausend Meter Höhe flog; ohne zu zögern legte er den Karabiner an und feuerte in die Nacht. Viele wurden kindsköpfig, nachdem sie wie Tore diese Geste wiederholten und nach dem Schuss wütend herumsprangen, weil ihr sicher gewähnter Treffer einen Hauch danebenging:

„Mist! Es ist mir nur knapp entkommen!“, jammerte der Idiot von einem Milizionär. Flugzeuge mit Schüssen aus einer Pistole vom Himmel zu holen, schien ihm das Natürlichste der Welt.

Arabel und seine Leute rechneten mürrisch, wie viele Opfer ihrem Durst nach Rache in dieser Nacht genügen könnten; unter den Faschisten müsse man ein fürchterliches Gemetzel veranstalten. Valero, der weniger aufgebracht und kaltblütiger war, hörte sich schweigend den verbrecherischen Plan der Schwadron an, als ginge es um völlig irreale Fantastereien. Aber er wusste, dass diese Kerle fest entschlossen waren, ihre Drohungen wahr zu machen.

Einer der Milizionäre, der am Eingang Wache schob, kam herein, um den Anführer zu warnen:

„Draußen steht eine Frau, die uns ein paar Faschisten ans Messer liefern will.“

„Blablabla“, kommentierte Valero.

„Sie beschwört, dass sie die kontrarevolutionären Aktivitäten eines Obersts des Heeres belegen kann, der mysteriöse Zusammenkünfte mit anderen Befehlshabern und Offizieren abhält.“

„Soll reinkommen; wir quetschen sie aus.“

Eine junge Frau kam herein, hübsch und in einem überkandidelt luxuriösen Kleid. Leicht pummelig, machte sie einen übertrieben naiven Eindruck. Und obwohl sie etwas schlampig wirkte und man merkte, dass sie sich das Erstbeste übergezogen hatte, um auf die Straße treten zu können, war sie doch unverkennbar eine herausgeputzte Frau mit Stil.

„Ich bin gekommen“, sagte sie völlig unerwartet, „um den Oberst der Artillerie Don Eusebio Gutiérrez als Faschisten zu denunzieren.“

„Woher wissen Sie, dass er Faschist ist? Haben Sie Beweise?“

„Alle, die Sie wollen. Ohne zu weit auszuholen, vor einer halben Stunde, als die Flugzeuge der Aufrührer über Madrid flogen, war er mit zweien seiner Freunde, auch Faschisten, bei mir, und als der Alarm aufheulte, rief er mit überschäumender Freude »Das sind unsere! Begrüßen wir sie!« Und die drei standen eine Weile stramm, mit ausgestrecktem Arm.“

„Woher kennen Sie diesen Mann?“, wollte Valero wissen.

„Ein alter Freund ist er“, antwortete sie und wurde leicht rot im Gesicht, „ich bin Waise, und er hat mich eine Zeit unterstützt und nannte sich mein Patenonkel, aber seit ein paar Monaten ist er grob und widerlich zu mir. Ja Señor, er ist ein brandgefährlicher Faschist. Vom Balkon meines Zimmers, wo er mich jeden Nachmittag besuchte, schoss er mit der Pistole in die Menge, das war an dem Tag, als die Kaserne La Montaña gestürmt wurde.“

„Und warum denunzierten Sie ihn nicht damals?“

„Weil ich Angst vor ihm hatte.“

„Gerade haben Sie keine mehr?“

„Gerade bin ich zornig genug, es ihm heimzuzahlen. Er ist ein alter Geizhals und Schuft.“

„Hatten Sie an diesem Nachmittag vielleicht einen Streit?“

„… Ja!“

„Und Sie sagen, er ist Oberst der Artillerie, ist er aktiv?“

„Ja, ja, aktiv. Erst heute Morgen ging er seinen Sold holen. Mir war es aufgefallen, weil … ach.“

„Er hat seinen Sold erhalten … und er hat Ihnen kein Geld gegeben, war es nicht so rum? War das nicht der Grund für den Streit?“

Valero stand auf und wandte ihr den Rücken zu, ohne eine Antwort zu erwarten.

Die Frau wurde augenblicklich zur Furie. Sie sei eine anständige Frau und stehe treu zur Republik. Sie habe sich endlich durchgerungen, einen Feind der Regierung anzuzeigen, aber nicht, um sich grundlos beleidigen zu lassen. Ihr Freund sei ein gefährlicher Faschist. Er zelebriere mysteriöse Treffen mit anderen Militärs in einem Haus in der Calle Hortaleza, wo er oft nachts schlafe.

„Gerade jetzt müsste er dort sein“, fügte sie hinzu.

„Er wird dort doch nicht eine andere kleine Freundin haben?“

Arabel notierte sich den Namen und die Adresse.

„Wir werden hingehen müssen und nachschauen, wer diese Halunken sind.“

Valero warnte ihn:

„Die Anzeige könnte erfunden sein; irgendein Krach im Schlafzimmer, ziemlich sicher. Es wäre keine schlechte Idee, wenn dieses Pummelchen hierbliebe, bis wir Klarheit haben.“

Arabel schaute sie von oben bis unten mit prüfendem Blick an, und es schien ihm eine exzellente Idee, sie dazubehalten.

„Einverstanden, das Beste wird sein, wenn sie heute Nacht hierbleibt.“

Sie protestierte, aber nicht energisch. Zwei charmante Milizionäre in ihrem Alter führten sie sofort an die clubeigene Bar, wo sie ihr einen explosiven Cocktail nach dem anderen mixten.

Sie erwischten den alten Oberst in einer zweideutigen Pension in der Calle Hortaleza. Zwischen den Laken schaute er mit seinem gelben Gesicht und den herunterhängenden Schnurrbartspitzen verdutzt aus der Wäsche, hatten der Concierge und die Eigentümerin die Milizionäre von Arabel doch bis an sein Bett geführt und ihn verraten. Er faselte ein paar unglaubwürdige Erklärungen zu seiner Anwesenheit dort, und jeder begriff sofort, dass ihn allein die Angst vor Schwadronen wie der Escuadrilla de la Venganza von zuhause fliehen ließ, und er Plätze suchte, wo er mit einer gewissen Ruhe schlafen konnte und nicht gefunden wurde. Dachte er. In dieser Furcht lebten in Madrid Tausende. Jeder Militär war aufgrund der Tatsache, Soldat zu sein, ein mutmaßlicher Feind des Volkes. General Mola hatte den Madridern über den Rundfunk erklärt, vier Kolonnen der nationalistischen Kräfte seien im Anmarsch, aber er fügte hinzu, eine »fünfte Kolonne« sei bereits in Madrid und arbeite tatkräftig an der Einnahme der Hauptstadt. Selten hat eine so unüberlegte Äußerung mehr Leben gekostet. Jedes Mal, wenn sich den Milizionären ein Zweifel auftat, wenn es keine Belege gegen die Verdächtigungen gab, oder ein Beschuldigter glaubte, er habe die Anschuldigungen entkräften können, flackerte Molas Warnung auf. Im Zweifel wandte sich das Urteil gegen den Verdächtigten und lautete »weil er der fünften Kolonne angehören könnte« Gefängnis oder Erschießen. Der folgenreichste Satz, der je in Spanien ausgesprochen wurde.

»Weil er der ›Fünften Kolonne‹ angehören könnte«, nahmen die Milizionäre den Oberst der Artillerie mit. Während er aus dem Bett kroch und sich anzog, ließ er sich zu wilden Tiraden herab: Gegen seine Unterstützung der Regierung, gegen die falsche Loyalität seinem Volk gegenüber. Seine traurige, an Quijote in Unterwäsche erinnernde, erniedrigte und verängstigte Gestalt erregten bei den Milizionären keinerlei Mitleid. Sie wiesen ihm mit der Pistole den Weg. Hinaus. Sie stopften ihn in ein Auto, fuhren mit ihm irgendwohin, raus aus der Stadt. Angesichts des Unausweichlichen gewann der alte Oberst während der Fahrt seine Fassung und Würde zurück. Bei Kilometer neun der Landstraße nach La Coruña befahlen sie ihm, auszusteigen und drängten ihn zu einer vom Mondlicht weiß beschienenen Mauer, die wie zufällig neben der Straße stand. Dann sah man, wie er entschlossenen Schrittes auf eine Stelle zulief, die er am geeignetsten hielt.

„Da“, zeigte er den Milizionären trocken die Stelle.

Er wollte nicht, dass ihm jemand folgte. Einem, der schon hinter ihm stand und kurzen Prozess machen wollte, indem er ihm eine Kugel in den Hinterkopf jagt, brachte er mit einer Geste von seinem Plan ab:

„Warte!“

Er drehte sich mit dem Rücken zur Mauer und befahl:

„Legt an!“

Die etwas irritierten Milizionäre stellten sich ungeschickt in eine Reihe, und seiner Stimme gehorchend zielten sie mit ihren durchgeladenen Waffen auf ihn. Der Alte streckte den rechten Arm und rief:

„¡Arriba España!“

Er spürte, wie die verirrten Kugeln der Milizionäre an seinem Kopf vorbeiflogen, ohne ihn zu treffen. Doch seine Beine haben sie ihm durchlöchert. Er knickte ein und stürzte vornüber auf die Erde. Er besaß noch die Kraft, den unverletzten Oberkörper aufzurichten und gegen die Brust schlagend zu rufen:

„¡Hier! ¡Hier! Ins Herz, Ihr Idioten!“

Dahingestreckt ließen sie ihn liegen. Lang, mager und mit verrutschter Kleidung war er nur noch eine groteske Vogelscheuche, die der Wind umgeworfen hatte.