BWL für die PDL - Birger Schlürmann - E-Book

BWL für die PDL E-Book

Birger Schlürmann

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Beschreibung

Die Leitung eines ambulanten Dienstes ist Management pur: Alles dreht sich um Zahlen, Daten & Fakten. Wer diese Materie beherrscht, führt seinen Dienst mit sicherer Hand zum Erfolg. Doch dazu braucht es Wissen, BWL-Wissen. Dieses Buch bietet die wichtigsten Grundlagen in Sachen BWL für die PDL: Betriebliche Kennzahlen lesen und beeinflussen können; Den eigenen ambulanten Dienst wirtschaftlich erfolgreich steuern können; Kosten & Erlöse kennen und gewinnbringend planen. Und das alles kompakt und verständlich! Dieses Buch ist die ideale Lektüre für Einsteiger und Profis, denn es kommt ganz ohne Vorkenntnisse aus. Wichtige Begriffe werden praxisnah und verständlich erläutert. So werden Zusammenhänge erkennbar und eine gewinnbringende Strategie überhaupt erst möglich. In der 2., aktualisierten Auflage werden u. a. die Konsequenzen aus den neuen QPR ambulant kompakt vorgestellt, außerdem gibt es ein neues Kapitel rund um die außerklinische Intensivpflege und auch die Auswirkungen von MDK-Prüfungen aufs Geschäft werden klar dargestellt.

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Seitenzahl: 240

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Birger Schlürmann arbeitet seit 25 Jahren im Management und in der Beratung in der ambulanten und stationären Pflege.

» Lernen Sie die Erlösquellen und Kosten kennen – dann kann der Blick auf das Konto sogar Spaß machen.«

BIRGER SCHLÜRMANN

pflegebrief

– die schnelle Information zwischendurch Anmeldung zum Newsletter unter www.pflegen-online.de

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8426-0875-7 (Print)ISBN 978-3-8426-9137-7 (PDF)ISBN 978-3-8426-9138-4 (EPUB)

2., aktualisierte Auflage

© 2022 Schlütersche Fachmedien GmbH, Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover www.schluetersche.de

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in diesem Buch gelegentlich die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich Personenbezeichnungen gleichermaßen auf Angehörige des männlichen und weiblichen Geschlechts sowie auf Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen. Autor und Verlag haben dieses Buch sorgfältig erstellt und geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus in diesem Buch vorgestellten Erfahrungen, Meinungen, Studien, Therapien, Medikamenten, Methoden und praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen. Insgesamt bieten alle vorgestellten Inhalte und Anregungen keinen Ersatz für eine medizinische Beratung, Betreuung und Behandlung.

Etwaige geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass es sich um freie Warennamen handelt.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.

Lektorat: Claudia Flöer, Text & Konzept FlöerCovermotiv: Tobif82 – stock.adobe.comCovergestaltung und Reihenlayout: Lichten, Hamburg

Inhalt

Vorwort

1Die Ertrags- und Kostenstruktur eines ambulanten Pflegedienstes

1.1Die Umsatzstruktur eines ambulanten Pflegedienstes

1.1.1Das Leistungsrecht im SGB V

1.1.2Das Leistungsrecht im SGB XI

1.1.3Leistungen des Sozialamtes nach SGB XII

1.1.4Erträge aus Privatleistungen

1.1.5Investitionskosten

1.2Die klassische Kostenstruktur eines Pflegedienstes

1.2.1Schaffung einer Grobstruktur

1.2.2Die Verteilung der Kostenarten

1.2.3Steuerung der Kosten

1.2.4Kalkulatorischer Vollkostensatz einer Produktivstunde

2Das Erstgespräch – Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg

2.1Kostenfalle Erstgespräch

2.1.1Unter Kostengesichtspunkten: Die Neuaufnahme

2.1.2Die strukturierte Entscheidungsfindung

2.2Die richtige Einsatzkalkulation

2.2.11. Schritt: Vollkostensatz ermitteln

2.2.22. Schritt: Erlösberechnung

2.2.33. Schritt: Zuordnung des Einsatzes an Mitarbeiter

2.2.44. Schritt: Hochrechnung auf einen Monat

2.3Niemals ohne Pflegeverträge arbeiten

2.3.1Zahlungsfrist/Zahlungsweise

2.3.2Absage von Einsätzen

2.3.3Kündigung

3Die Pflegeprozessdokumentation – richtig geführt ist sie bares Geld wert

3.1Verfahrensanweisung

3.2Umsetzung der MD-Prüfgrundlagen ambulant vom Oktober 2020

3.2.1Das Prinzip »mit wenig Aufwand viel erreichen«

3.3Modellrechnungen für den Mehrwert der Pflegedokumentation

3.3.1Genereller Mehrwert

3.3.2Realer Gewinn durch erfolgreiche Höherstufungsverfahren

3.3.3Keine Mehrkosten durch schwaches MD-Prüfergebnis

3.3.4Schaden abwenden bei der Abrechnungsprüfung

4Das SGB V-Verordnungswesen – 100 % Erträge generieren

4.1Gestaltung des internen Verordnungswesens

4.2Die wichtigsten vertraglichen Grundlagen

4.3Ablehnungspraxis der Kassen bekämpfen

4.3.1Weitere Ablehnungsgründe einiger Krankenkassen

5Die Dienst- und Tourenplanung

5.1Die mitarbeiterorientierte und wirtschaftliche Dienstplanung

5.1.1Die Ermittlung des tatsächlich mengenmäßig benötigten Personals

5.1.2Ermittlung des qualitativen Personalbedarfes

5.1.3Praktische Umsetzung der Dienstplanung

5.1.4Mit Dienstplankennzahlen arbeiten

5.2Die wirtschaftliche Tourenplanung

5.2.1Die strukturierte Tourenplanung

5.2.2Die gewinnorientierte Tourenplanung

6Die Abrechnung der Leistungen

6.1Die Vorbereitung der Abrechnung

6.2Der Ablauf der Abrechnung

6.3Die Erfolgsmessung der monatlichen Abrechnung

6.4Nachbereitung der Abrechnung

6.4.1Sofortige Bearbeitung der offenen Posten

6.4.2Umgang mit Rückläufern

6.4.3Einleitung des Mahnwesens

6.4.4Abarbeitung alter offener Posten

6.5Kennzahlen für die Abrechnung

7Weitere ambulante Versorgungsformen

7.1Die ambulante psychiatrische Hauskrankenpflege

7.1.1Voraussetzungen für die Erbringung der ambulanten Psychiatriepflege

7.1.2So kalkulieren Sie Erlöse in der psychiatrischen Hauskrankenpflege

7.2Die ambulante Intensivpflege

7.2.1Gesetzliche Grundlagen

7.2.2Personelle Voraussetzungen

7.2.3Zusammensetzung des Kostensatzes

7.2.4Proaktive Risikosteuerung

8Risikosteuerung

8.11. Schritt: Die Risikoidentifikation – Wo die Gefahren lauern

8.22. Schritt: Die Definition konkreter Risiken

8.33. Schritt: Die systematische Risikoanalyse hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und Schweregrad der Folgen

8.44. Schritt: Die Risikosteuerung – Minimierung oder gar Beseitigung

9PDL-Reporting –Zahlen, Daten, Fakten für die Geschäftsführung

9.1Patientendaten

9.2Pflegesituation

9.3Pflegecontrolling

9.4Ergebnisqualität

9.5Qualitätsmanagement

9.6Umsatz- und Gewinnkennzahlen

10So funktioniert der erfolgreiche Recruitment-Marketing-Aktionsplan

10.1Worum geht es beim Personal-Marketing

10.1.1Ziel 1: Steigern Sie die Bekanntheit Ihres Unternehmens und schaffen Sie eine Arbeitgebermarke

10.1.2Ziel 2: Schaffen Sie Vertrauen, um in die nähere Auswahl zu gelangen

10.1.3Ziel 3: Stellen Sie die Botschaft in den Mittelpunkt

10.2Personal-Marketing

10.2.1Schritt 1: Definieren Sie Ihre Personal-Marketing-Ziele

10.2.2Schritt 2: Identifizieren Sie Ihre Kandidaten-Persönlichkeit

10.2.3Schritt 3: Definieren Sie das Wertversprechen an Ihre Mitarbeiter

10.2.4Schritt 4: Erstellen Sie Rekrutierungsinhalte

10.2.5Schritt 5: Nutzen Sie auch soziale Medien

10.2.6Schritt 6: Entwickeln Sie Botschafter für die Arbeitgebermarke

10.2.7Schritt 7: Multikulti, Multi-Channel und Multivitamin

10.2.8Schritt 8: Bauen Sie Ihren Talentpool auf und nutzen Sie die Kraft der Community

10.2.9Schritt 9: Messen Sie die Ergebnisse Ihres Personalmarketings

10.35 Strategien, um Top-Talente anzuziehen

10.3.11. Optimieren Sie Ihre Website mit einer Karriereseite

10.3.22. So erstellen Sie Ihre erfolgreiche LinkedIn-Unternehmensseite – dranbleiben lohnt sich!

10.3.33. Welches Arbeitgeber-Bewertungsportal passt zu Ihrem Recruitment-Aktionsplan?

10.3.44. Video-Marketing wirkt – emotionales Marketing auch

10.3.55. Sind Sie bereit, Ihr Personal-Marketing in Gang zu bringen?

Literatur

Register

Vorwort

Der Job der Pflegedienstleitung (PDL) hat sich in den letzten 25 Jahren erheblich gewandelt. War in den Neunzigern die PDL noch als klassische »Stationsschwester« unterwegs und hat die Aufgaben der Kontrolle der direkten Pflege und der Personaleinsatzplanung übernommen, ist die heutige ambulante PDL mehr und mehr in die betriebswirtschaftliche Verantwortung gerutscht. Das verwundert wenig, sitzt die PDL durch die Verantwortung für Erst- und Folgegespräche, Tourenplanung und allgemeiner Personaleinsatzplanung an den »BWL-Schalthebeln«. Hinzu kommt der Trend der Konzentration ambulanter Dienste in Ketten- und Konzernstrukturen. Es ist absehbar, dass diese ambulanten Pflegedienstleitungen im Konstrukt einer großen Kette bzw. Konzern gesamtverantwortlich für ihren Standort sind. Bei kirchlichen Trägern ist dies vielerorts schon der Fall. Das impliziert vor allem das Liefern von vorgegebenen Renditen.

Leider haben die meisten PDL-Kurse diesen Trend verschlafen. Die meisten Absolventen, die nach einem PDL-Kurs ihre erste Stelle antreten, merken nach kurzer Zeit, dass sie nichts gelernt haben, was sie für die Praxis brauchen. Leider hilft auch ein wohlklingender Titel eines Hochschulabschlusses nicht. Denn dort lernen die Absolventen vieles – nur nicht, worauf es in der Praxis ankommt. In diesem kleinen Buch habe ich mir zum Ziel gesetzt, Ihnen in 10 Kapiteln die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge darzustellen, die Sie als ambulante PDL im operativen Geschäft benötigen.

Ich habe die 2. Auflage genutzt, um die Kapitel »weitere Versorgungsformen«, »Risikomanagement« und »Personalgewinnung« hinzuzufügen. Alle drei Themen für sich und im Gesamtzusammenhang gehören für mein Dafürhalten in so ein Buch. Denn der Pflegedienst mit allein klassischer Ausrichtung wird auf Dauer Probleme haben zu überleben. Zudem nehmen betriebliche Risiken immer mehr zu und zum Thema Personalsituation ist bereits vieles gesagt worden.

Dennoch ändert es nichts daran, dass die personelle Situation fast schon monatlich immer prekärer wird. Wachstum ist kaum noch möglich, manche Anbieter sind sogar gezwungen zu schrumpfen. Mit althergebrachten Einstellungen und Methoden zur Personalakquise ist nichts mehr zu gewinnen. Um einmal einen Blick über den Tellerrand zu werfen, konnte ich meine ehemalige Produktmanagerin und Marketingspezialistin Lisa Baur gewinnen, dieses Kapitel zu schreiben. Die Sichtweisen sind nicht nur erfrischend – sie motivieren auch zum lange schon notwendigen Umdenken und beim Verlassen ausgelatschter Pfade.

Ich habe mich sehr um eine einfache Sprache und um einfache Darstellungen bemüht. Wenn Sie beim ersten Lesen schon vieles erfassen können, macht mich das als Autor sehr froh. Aber jetzt wünsche ich Ihnen viel Erfolg beim Durcharbeiten des Buches – und an der einen oder anderen Stelle auch gute Unterhaltung. Denn BWL kann auch Spaß machen!

Ihr

Birger Schlürmann

1 Die Ertrags- und Kostenstruktur eines ambulanten Pflegedienstes

Damit die Pflegedienstleitung (PDL) ihren Dienst betriebswirtschaftlich optimal steuern kann, muss sie zunächst wissen, wo das Geld herkommt und wo es hingeht. Denn nur, wenn die PDL ihre Erlösquellen und ihre Kosten kennt, kann sie die richtigen Entscheidungen treffen. Ebenso muss die ambulante Pflegedienstleitung ihre individuelle Erlösstruktur kennen. Sie muss wissen, zu welchen Anteilen die Umsätze generiert werden. Das Gleiche gilt für die Kostenstruktur, auch hier müssen die jeweiligen Anteile bekannt sein. Aus diesem Grund startet dieses Buch zunächst mit der typischen Erlös- und Kostenstruktur sowie deren Verteilung. Das schafft eine solide Grundlage für die folgenden Kapitel und Abschnitte.

1.1Die Umsatzstruktur eines ambulanten Pflegedienstes

Ein ambulanter Pflegedienst bekommt keine Pauschalvergütungen pro Monat und Bewohner, wie die stationären und teilstationären Einrichtungen. Vielmehr ist die Vergütungsstruktur im ambulanten Dienst wesentlich vielschichtiger und hängt zudem von verschiedenen individuellen Faktoren ab. Der ambulante Pflegedienst hat generell vier Erlösquellen: Den Hauptteil machen die Erträge von den Krankenkassen für die SGB V-Leistungen (Behandlungspflege) und von den Pflegekassen die SGB XI-Leistungen (körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung [häusliche Pflegehilfe]) aus. Eine kleinere Rolle spielt das Sozialamt als Kostenträger sowie privat beim Patienten direkt liquidierten Leistungen.

Zusammengefasst sieht die Erlösstruktur eines Pflegedienstes in der Regel wie folgt aus:

1. Einnahmen von den Krankenkassen (SGB V)

2. Einnahmen von den Pflegekassen (SGB XI)

3. Einnahmen vom örtlichen oder überörtlichen Sozialhilfeträger (SGB XII)

4. Einnahmen von Privatzahlern

Diese vier Erlösquellen werden in der Folge genauer erläutert.

1.1.1Das Leistungsrecht im SGB V

In der Regel fallen unter die sogenannten »SGB V-Leistungen« die Behandlungspflegeleistungen. Diese richten sich nach der Auflistung der jeweils aktuellen Fassung der Richtlinie zur häuslichen Krankenpflege (HKP-Richtlinie). Allerdings macht die HKP-Richtlinie eine kleine Ausnahme: Dort sind nämlich auch körperbezogene Pflegemaßnahmen und hauswirtschaftliche Leistungen verortet. Das liegt an zwei Paragrafen im SGB V, die diese Ansprüche regeln. Hierbei geht es um Versicherte ohne Pflegegrad, die nach Krankenhausaufenthalt aber unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Grundpflege- und Hauswirtschaftsleistungen haben. Stand heute spielen diese Leistungen aber kaum eine Rolle in ambulanten Pflegediensten. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe:

1. Die Genehmigungspraxis der Kassen diesbezüglich ist nicht selten sehr schleppend bis kritisch.

2. Der Erlös deckt in den allermeisten Fällen nicht die Kosten für die Einsätze.

Dennoch wird auf diesen Aspekt gesondert eingegangen, weil es durchaus Gründe geben kann, diese Leistungen dennoch anzubieten. Dazu gleich mehr.

Zurück zur medizinischen Behandlungspflege. Der Anspruch hierauf ist im § 37 (2) SGB V geregelt: »Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist; (…)«

Die Krankenkassen haben den Sicherstellungsauftrag für die medizinisch-pflegerische Versorgung ihrer Versicherten. Zu diesem Zweck schließen sie mit ambulanten Pflegediensten Verträge nach §§ 132, 132 SGB V. Vertragspartner sind einerseits die Kostenträger (Krankenkassen) und andererseits die Leistungsanbieter, vertreten durch ihre Trägerverbände. Liegt ein solcher Vertrag im Pflegedienst vor, darf dieser seine SGB V-Leistungen mit der jeweiligen Krankenkasse abrechnen.

Zu diesen Rahmenverträgen gehört auch immer eine Vergütungsvereinbarung. Dort ist genau definiert, für welche Leistungen welcher Preis gezahlt wird und welche Ausschlusskriterien es gibt. Je nach Bundesland sind auch Preise dafür festgelegt, wenn

• zwei oder mehrere Personen Leistungen aus dem Vertrag beziehen, die an der gleichen Adresse/im gleichen Haushalt wohnen,

• In einer Anfahrt zugleich auch SGB XI-Leistungen beim Patienten erbracht werden,

• zu welcher Zeit die Leistungen stattfinden.

Info

Jedes Bundesland hat seine eigenen SGB V-Vergütungsregelungen. In einigen wenigen Ländern gibt es durchaus sehr ordentliche Vergütungen – in anderen Bundesländern hingegen weniger gute Vergütungen. Diese Information ist wichtig, damit Pflegedienstleitungen den richtigen Mix aus SGB V- und SGB XI-Leistungen für ihren Pflegedienst finden. Dazu später mehr.

Die »grundpflegerische« Ausnahme: § 37.1 und § 38 SGB V

Am 1. Januar 2016 trat das Krankenhaus-Strukturgesetz in Kraft. Dieses Gesetz brachte ein für ambulante Pflegedienste bislang eher unbekanntes Nachfragepotenzial. Im Kern ging es nämlich darum, dass Versicherte ohne festgestellte Pflegebedürftigkeit der Grade 1–5 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung nun ein Recht auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in ihrem häuslichen Umfeld haben.

Ähnliches gilt auch für die hauswirtschaftliche Hilfe nach § 38 SGB V: Auch hier gibt es seit dem 1. Januar 2016 Erleichterungen. Bislang war im § 38 SGB V geregelt, dass ein Anspruch auf hauswirtschaftliche Versorgung nach Krankenhausbehandlung nur dann besteht, wenn ein Kind unter 12 Jahren im Haushalt lebt oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Diese Einschränkung wurde seinerzeit aufgehoben. Für die ersten vier Wochen nach einem möglichen Krankenhausaufenthalt besteht nun auch ohne Kinder im Haushalt der Anspruch auf Haushaltshilfe. Aus dieser möglichen Nachfragesituation einen Markt herauszuarbeiten, fällt angesichts der wenig attraktiven Vergütungen schwer. Allerdings kann die eine oder andere angenommene § 37 (1) und/oder § 38-Versorgung den Bekanntheitsgrad eines Pflegedienstes steigern und auf Umwegen zu wirklich lukrativen Kunden führen.

Abrechnungsfähige Leistungen

Bindend zur Genehmigung und Abrechnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege ist die »Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung häuslicher Krankenpflege«, auch »HKP-Richtlinie« genannt. Diese Richtlinie ist die Leitschnur für die Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

Weiter oben habe ich bereits angesprochen, dass in der HKP-Richtlinie die abrechnungsfähigen Leistungen aus der medizinischen Behandlungspflege sowie der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung für Versicherte ohne Pflegegrad nach Krankenhausaufenthalt aufgeführt sind. Dort stehen auch die Bedingungen für die Verordnungsfähigkeit für jede Leistung. Im Gegensatz zu dem Flickenteppich der Vergütungsvereinbarungen rund um die SGB V-Leistungen ist die HKP-Richtlinie bundesweit gültig.

Tipp

Besorgen Sie sich immer die aktuelle Fassung der HKP-Richtlinie, denn es werden immer mal wieder Leistungen hinzugefügt: https://www.g-ba.de/richtlinien/11/

Doch das heißt noch lange nicht, dass auch schon eine Vergütung mit den für Sie zuständigen Kostenträger vorliegt.

In Einzelfällen gibt es auch verordnungs- und somit auch vergütungsfähige Leistungen außerhalb der HKP-Richtlinie. Hierzu gibt es Urteile des Bundessozialgerichtes. Entscheidend ist immer, ob besagte Leistungen medizinisch notwendig sind. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist die Bauchfelldialyse: Dabei kann die Blutwäsche in der Häuslichkeit des Versicherten durch einen ambulanten Pflegedienst durchgeführt werden. Da eine solche Maßnahme auch nicht in der Vergütungsvereinbarung hinterlegt ist, kann der Preis bei jedem Versicherten bei seiner jeweiligen Krankenkasse individuell verhandelt werden. Darüber hinaus gibt es immer wieder Einzelfallverhandlungen, wenn es um eine sehr komplexe Wundversorgung geht. Die Wundversorgung ist sowohl in der HKP-Richtlinie als Leistung als auch in jeder SGB V-Vergütungsvereinbarung mit einem Preis hinterlegt. Dennoch kann es für ambulante Pflegedienste gute Gründe geben, in manchen Fällen in eine Einzelverhandlung zu gehen. Nämlich dann, wenn das Wundgeschehen so umfangreich ist, dass selbst bei einer Mischkalkulation keine wirtschaftliche Leistungserbringung mehr möglich ist. Das kann der Fall sein, wenn eine Wundversorgung z. B. 30–40 Minuten dauert.

Damit Leistungen der häuslichen Krankenpflege abgerechnet werden können, benötigt der Pflegedienst eine entsprechende Verordnung über Häusliche Krankenpflege, auf der die konkreten Maßnahmen dokumentiert sind und die Unterschriften des Patienten bzw. seines Bevollmächtigten und von der Pflegedienstleitung auf der Verordnung stehen. Abgerechnet wird der genehmigte Verordnungszeitraum. Sollte die Krankenkasse die Verordnung einer medizinisch notwendigen Leistung ablehnen, darf der Pflegedienst die Leistungserbringung aber bis zum Zeitpunkt der Ablehnung abrechnen. Hierzu ein Beispiel:

BeispielDie 3-Tage-Frist

Der Hausarzt Dr. Mabuse hat seiner Patientin Sophie Lehmann am 10. April 2022 eine HKP-Verordnung über 2x täglich Medikamentengabe sowie 1x wöchentlich Richten der Medikamente ausgestellt. Frau Lehmann lebt mit ihrem demenzkranken Ehemann allein in einer 3-Zimmer-Wohnung. Sie leidet unter einer hochgradigen Einschränkung der Sehfähigkeit und einer fortgeschrittenen Arthritis in allen Fingern.

Der Pflegedienstleiter des Pflegedienstes an der Castroper Straße, Jochen Abel, unterschreibt die Verordnung und holt sich auch die Unterschrift von Frau Lehmann. Er faxt die Verordnung am 11. April 2022 an die Kasse und startet die Leistungserbringung. Am 22. April 2022 kommt die Ablehnung. Jochen Abel rechnet die Leistungen vom 10. April bis zum Morgeneinsatz des 22. April 2022 ab und erhält die Vergütung laut SGB V-Vergütungsvereinbarung.

Dies ist aber nur möglich, weil der Pflegedienstleiter die 3-Tages-Frist eingehalten hat. Diese besagt, dass die Verordnung binnen drei Tagen bei der Kasse vorliegen muss (Fax oder Scan genügt, das Original kann später eintreffen). Wird die 3-Tages-Frist überschritten, ist in der Regel keine rückwirkende Vergütung möglich.

Die Vergütungsvereinbarungen sind von Bundesland zu Bundesland verschieden

Jedes Bundesland hat wie schon angesprochen unterschiedliche Rahmenverträge zwischen den Kostenträgern (Krankenkassen) und Leistungserbringern (ambulante Pflegedienste). Das gilt auch für die Vergütungsvereinbarungen für die Behandlungspflegeleistungen. In einigen Bundesländern sind die Vergütungen zum Teil durchaus attraktiv, in anderen Bundesländern hingegen eher weniger. Auch bei den Hausbesuchspauschalen sollte genau hingeschaut werden. Gibt es überhaupt Hausbesuchspauschalen für SGB V-Leistungen und wenn ja, wie sind diese verhandelt worden? Eminent wichtig für eine wirtschaftliche Einsatzplanung ist es daher für Pflegedienstleitungen, die Struktur der Vergütungsvereinbarung gut zu kennen. Wie unterschiedlich SGB V-Vergütungsstrukturen sein können, zeigt das Beispiel Nordrhein-Westfalen (NRW) im Vergleich zu Hessen (Tab. 1).

Tab. 1: Gegenüberstellung der SGB V-Vergütungen zwischen NRW und Hessen

Nordrhein-Westfalen

Hessen

• Keine Hausbesuchspauschale

• Hausbesuchspauschalen, die sich nach solitären SGB V-Einsätzen, kombinierten Einsätzen mit SGB XI, Anzahl Personen an einer Adresse sowie Uhrzeit richten

• Einteilung der Verrichtungen in 4 Leistungsgruppen (LG)

• Jede Leistungsgruppe hat einen unterschiedlichen Preis (aufsteigend von LG 1 bis LG 4)

• Preise sind nach jeweiligen Leistungen, nicht nach Leistungsgruppen gestaltet

• An die Erbringung der einzelnen Leistungsgruppen sind jeweilige Qualifikationsanforderungen und zum Teil Meldepflichten des Personals geknüpft

• An die Erbringung einzelner Leistungen sind Qualifikationsanforderungen des Personals benannt – aber es besteht keine Meldepflicht

 

• Für das nicht-examinierte Personal muss 1 x jährlich eine Anleitung zur Behandlungspflege durch die PDL auf Anfrage/bei der MD-Prüfung nachgewiesen werden

Zusammengefasst sollte die Pflegedienstleitung die Struktur der jeweils für ihren Pflegedienst gültigen Vergütungsvereinbarung nach diesen Aspekten erfolgen:

• Vergütungshöhe

• Staffelung der Vergütungshöhe nach Leistungsart

• Hausbesuchspauschale vorhanden

• Regeln der Hausbesuchspauschale (z. B. Tag-/Nacht; Werktag/Feiertag; Halbierung bei gleichzeitigem SGB XI-Einsatz, wie viele Personen in einem Haushalt/an einer Adresse)

• Abrufgrenzen von Leistungen und Hausbesuchspauschalen

• Kombinationsmöglichkeit von Leistungen in Bezug auf die Abrechnung

• Individuelle Qualifikationsanforderungen des Personals

Die über die medizinische Behandlungspflege erwirtschafteten Erlöse sind einer der beiden mit Abstand größten Erlösanteile in einem klassischen ambulanten Pflegedienst. Zum Abschluss dieses Abschnittes daher eine Zusammenfassung der verschiedenen Leistungen im SGB V für die häusliche Krankenpflege (Tab. 2):

Tab. 2 : Zusammenfassung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege aus dem SGB V

Paragraf im SGB V

Anspruch

§ 37.1

Krankenhausvermeidungspflege

§ 37 Abs. 1a

Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches vorliegt.

§ 37.2

Behandlungspflege

§ 38

Haushaltshilfe

1.1.2Das Leistungsrecht im SGB XI

Im Gegensatz zum relativ überschaubaren Leistungsrecht im SGB V ist das Leistungsrecht im SGB XI auf den ersten Blick etwas komplizierter. Denn die Anspruchsgrundlagen der anerkannten Pflegebedürftigen verteilen sich auf mehrere Paragrafen, die nicht nur die körperbezogenen Pflegemaßnahmen berücksichtigen, sondern auch Bereiche wie die soziale Betreuung und einen parallelen Anspruch auf teil- und vollstationäre Leistungen. Um den Einstieg in diesen Abschnitt zu erleichtern, folgende Zusammenfassung (Tab. 3):

Tab. 3 : Zusammenfassung der Ansprüche aus dem SGB XI

Paragraf

Leistung in €/Monat

*

Leistungsinhalte

§ 36 Pflegesachleistungen

Pflegegrad 2: 724 €

Pflegegrad 3: 1.363 €

Pflegegrad 4: 1.693 €

Pflegegrad 5: 2.095 €

Die üblichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung analog LK-System

§ 37 Bezug von Pflegegeld

Pflegegrad 2: 316 €

Pflegegrad 3: 545 €

Pflegegrad 4: 728 €

Pflegegrad 5: 901 €

Finanzierung privater Pflegehilfen

§ 37.3 Beratungseinsatz

Pflegegrad 1 bis 3: ca. 75 € Halbjährlich (je nach individueller Vergütungsvereinbarung) Pflegegrad 4 und 5: ca. 75 € Vierteljährlich (je nach individueller Vergütungsvereinbarung) für alle (auch Sachleistungsempfänger!!)

Beratung durch anerkannte Stellen, auch ambulante Pflegedienste

§ 38 Kombinationsleistungen

Siehe §§ 36, 37

Kombination von Pflegesachleistungen und Pflegegeld möglich

§ 38a Wohngruppenzuschlag

Pflegegrad 1 bis 5: 214 € Sachleistung

Zuschlag für Bewohner von ambulant betreuten Wohngruppen

§ 39 Verhinderungspflege

Pflegegrad 2 bis 5: 1.612 € zzgl. 50 % Anspruch des Leistungsbetrages für die Kurzzeitpflege (806 €). Gesamtleistungsanspruch im Jahr 2.418 €.

Leistungen der Ersatzpflege bei Verhinderung der Pflegeperson

§ 40 (1) Pflegehilfsmittel

Pflegegrad 1 bis 5: 40 € Sachleistung

z. B. Inkontinenz-Hilfsmittel

§ 40 (4) wohnumfeldverbessernde Maßnahmen

Pflegegrad 1 bis 5: 4.000 € Sachleistung

z. B. barrierefreier Umbau des Bades

40 a, b Digitale Pflegeanwendung

Pflegegrad 2 bis 5: bis zu 50 € im Monat

Der Anspruch umfasst nur solche digitale Pflegeanwendungen, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen nach § 78a, Absatz 3 aufgenommen sind.

§ 41 Tagespflege

Pflegegrad 1: Höhe des Entlastungsbeitrages von 125 € Pflegegrad 2–5: Höhe des jeweiligen Sachleistungspotenzials

Tagsüber Betreuung in einer Tagespflegeeinrichtung mit anderen Senioren

§ 42 Kurzzeitpflege

Pflegegrad 2–5 bis zu 28 Tage und bis zu 1.774 € im Jahr

Aufenthalt in einer stationären Kurzzeitpflegeeinrichtung

§ 45 Schulung pflegender Angehöriger

Vergütung je nach vertraglicher Vereinbarung

Schulung zu Prophylaxen und Pflegetechniken

§ 45b Entlastungsleistungen

Pflegegrad 1–5:

125 € Erstattungsbetrag

Betreuungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Entlastung pflegender Angehöriger

*

Stand: 1. Januar 2022

Die am häufigsten erbrachten Leistungen sind die Pflegesachleistungen aus dem § 36 SGB XI. In jedem Bundesland gibt es dazu einen Katalog mit festen Leistungskomplexen (LK). Die Leistungskomplexe sind unter gewissen Bedingungen zum Teil miteinander kombinierbar. Die Regeln dazu sind in den jeweiligen LK-Systemen festgelegt. In den Systemen sind auch die Vergütungshöhen und die Abrechnungsbedingungen für die Hausbesuchspauschalen festgelegt. Hierzu zählen auch Abrufbeschränkungen und bestimmte Hausbesuchspauschalen zu bestimmten Leistungen.

Die Preise der einzelnen Leistungskomplexe sind entweder mit Punkten oder mit konkreten Preisen in Euro hinterlegt. Bei den LK-Systemen mit Punkten gilt ein Punktwert als Multiplikator. Die Anfahrtspauschalen hingegen sind durchgängig mit festen Euro-Preisen versehen.

BeispielGleicher Service – unterschiedliche Vergütungen

Der Pflegedienst an der Castroper Straße hat einen Punktwert von 0,0525 € (ohne Altenpflegeumlage). Eine Ausscheidung wird mit 104 Punkten* vergütet. Dies ergibt einen Preis von 5,46 € für diese Leistung. Zudem kann eine erhöhte Hausbesuchspauschale von 5,50 € abgerechnet werden, sodass der gesamte Einsatz 10,96 € einbringt.

Der Pflegedienst Adler kann für die Hilfe bei Ausscheidungen 7,74 €** abrechnen, zzgl. einer Hausbesuchspauschale von 6,68 €, wenn parallel keine SGB V-Leistung erbracht wird. Die solitär erbrachte Hilfe bei der Ausscheidung bringt einen Erlös für den Einsatz von 14,42 €.

* Angelehnt an NRW-Vergütungssystem ambulanter Pflegeleistungen gemäß § 89 SGB XI von 2021-22

** DRK-Vereinbarung gemäß § 89 SGB XI über die Vergütungen ambulanter Pflegeleistungen in Rheinland-Pfalz von 2021

Anspruch auf diese Sachleistungen haben alle Versicherten, die mindestens den Pflegegrad 2 aufweisen, sowie die Patienten mit Pflegegrad 1 im Rahmen des Entlastungsbetrages. Die Leistungskomplexsysteme decken damit in der Regel folgende Verrichtungen ab:

• Körperpflege

• Ausscheidungen

• Nahrungsaufnahme

• Mobilisationsmaßnahmen

• Pflegerische Betreuungsmaßnahmen

• Hilfen bei der Haushaltsführung

• Behördengänge/Arztbesuche

In manchen Leistungskomplex-Systemen sind übrigens genaue Definitionen hinterlegt, wann welche Leistungen abrechenbar sind. Ebenso gibt es in manchen Bundesländern LK-Systeme, bei denen verschiedene Einzelleistungen zu einer übergeordneten Leistung zusammengefasst werden: so sind z. B. in Nordrhein-Westfalen die Einzelleistungen »Ganzwaschung« und »Ausscheidung« zu einem LK zusammengefasst. Diese beiden Leistungen können in einem Einsatz nicht parallel abgerechnet werden, sondern nur in der zusammengefassten Leistung. Das führt beim Preis zu einem »Mengenrabatt« für die Pflegekassen bzw. die Patienten.

Geldleistung für selbst beschaffte Pflegehilfen gemäß § 37 SGB XI

Versicherte der Pflegegrade 2–5 können solitär Pflegegeld beziehen und sich damit selber Pflegehilfen beschaffen. In der Praxis sind oftmals Ehepartner oder sonstige nahe Angehörige als Pflegepersonen eingetragen. Die Pflegegeldbezieher müssen in den Pflegegraden 2 und 3 alle halbe Jahre einen Beratungsbesuch bei sich durchführen lassen, Pflegegeldbezieher der Pflegegrade 4 und 5 sogar jedes Vierteljahr. Bei diesen Beratungsbesuchen gemäß § 37 (3) SGB XI wird durch beauftragte Pflegefachkräfte der jeweiligen Pflegekasse (in der Regel zugelassene ambulante Pflegedienste) überprüft, ob die Pflege in der Häuslichkeit sichergestellt ist oder nicht. In der Praxis kommt es seit Jahren leider auch zu problematischen Fällen, wie das folgende Beispiel zeigt.

BeispielDer »geldgierige« Pflegedienst?

Der Versicherte Horst Klattke hat Pflegegrad 4. Er hat damit Anspruch auf 728 € Pflegegeld im Monat. Seine Tochter ist ihm morgens beim Waschen behilflich und kümmert sich um den Haushalt der 1 1/2-Zimmer-Wohnung. Die 728 € sind eine willkommene Zulage zur Haushaltskasse. Beim Beratungsbesuch einer Pflegefachkraft vom Pflegedienst Schnitter wird deutlich, dass Herr Klattke in einem prekären pflegerischen Zustand ist und dringend die Hilfe eines professionellen Pflegedienstes benötigt.

Die Pflegefachkraft möchte daher auf das Nachweisformular eintragen, dass die Pflege nicht sichergestellt ist. Als der Inhaber des Pflegedienstes davon erfährt, reagiert er sehr ungehalten. Er befürchtet, dass »Herr Klattke überall herumerzählt, was wir für ein böser Pflegedienst sind – dass wir ihm sein Geld wegnehmen wollen. Schließlich hat er nur eine kleine Rente.«

Manche Pflegedienst-Inhaber glauben wirklich noch, dass ihr Pflegedienst bei einer ehrlichen Aussage (»die Pflege ist nicht sichergestellt«) eine Rufschädigung erleidet, an deren Ende eine wirtschaftlich gefährliche Situation durch Nachfragerückgang entstehen kann. Dieser These ist aus folgenden Gründen entschieden entgegen zu treten:

• Mittlerweile gibt es mehr Nachfrage nach ambulanten Pflegeplätzen als entsprechende Angebote.

• In den meisten Fällen, in denen die Pflegeversicherung auf Versicherte Druck ausübt, Sachleistungen anzunehmen, gehen diese Patienten auch zu dem Pflegedienst, der die Beratungsbesuche durchführt.

• Ein Gefälligkeitsgutachten (»die Pflege ist sichergestellt«) bringt die unterschreibende Pflegefachkraft in eine gefährliche Situation, wenn es durch die in Wahrheit nicht sichergestellte Pflege zu Körperverletzung oder gar Todesfolge aufgrund der prekären Versorgungssituation kommt.

Einzig der letzte Punkt führt dann zu einem betriebswirtschaftlichen Desaster des betreffenden Pflegedienstes.

Info

Seit dem 1. Januar 2017 haben auch Versicherte, die bereits Pflegesachleistungen erhalten, einen Anspruch auf den Beratungsbesuch. Dieser kann vom Pflegedienst ebenso abgerechnet werden wie der Beratungsbesuch bei den reinen Pflegegeldempfängern.

Die Erlöspotenziale beim § 37.3-Beratungsbesuch

Wenn eine ambulante Pflegedienstleitung und ihr Inhaber bzw. Geschäftsführer den Prozess des § 37.3-Beratungsbesuches ernst nimmt und als Akquisemotor ansieht, kann der Pflegedienst langfristig davon profitieren. Eine PDL sollte daher nie den Fehler machen und diese Einsätze als lästige Pflicht empfinden. Bei reinen Pflegegeldempfängern kann eine Beratung zu diesen künftigen Umsätzen führen:

• Durchführung der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI

• Durchführung von Schulungen pflegender Angehöriger nach § 45 SGB XI

• Abschöpfen des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI

• Akquise von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege nach § 37.2 SGB V

Alle diese Leistungen schmälern nur hälftig (Verhinderungspflege)1 oder überhaupt nicht das Pflegegeld. Das ist im Beratungsbesuch ein besonders gutes Argument für die PDL. Das nachstehende Beispiel zeigt, welcher Umsatz im Einzelfall drin ist.

BeispielKostenneutrale Beratung

Die Pflegefachkraft Claudia Horn ist zum Beratungsbesuch bei dem Pflegegeldempfänger Heinz Wassmer. Dieser wird grundpflegerisch sehr gut von seiner Ehefrau versorgt. Der Fachkraft fällt auf, dass der Patient sehr geschwollene Unterschenkel hat. Nebenbei erzählt die Ehefrau, dass sie gern mit ihrem Kegelklub im Sommer für drei Wochen an die Ostsee fahren würde, aber ihren Mann nicht allein lassen kann. Zudem klagt sie, dass die Transfers ihr schwerfallen. Claudia Horn berät daraufhin die Ehefrau, was alles möglich ist, ohne dass das Pflegegeld signifikant geschmälert wird.

Aus diesem Beispiel können folgende Umsatzpotenziale abgeleitet werden:

• 2 x täglich Behandlungspflege (Kompressionsstrümpfe an- und ausziehen) – entspricht ca. 690 € (SGB V-Vergütung NRW)

• 3 Wochen Verhinderungspflege (1.612 €)

• 3 Schulungen zu je 90 Minuten nach § 45 SGB XI (ca. 250 €)

Rechnet man diese Erlöse auf ein Jahr hoch, kommen in Summe über 10.100 € zusammen – das sind im Monatsdurchschnitt immerhin ca. 845 € zusätzlicher Umsatz. Gelingt bei 50 Beratungsbesuchen auch nur bei sieben Patienten ein solcher Akquiseerfolg, schlagen hochgerechnet 70.700 € im Jahr bzw. ca. 5.890 € im Monat an Mehrerlös zu Buche. Bei einer kalkulierten Umsatzrendite von 10 % sind das pro Jahr über 7.000 € mehr Gewinn vor Steuern!

Tipp

Erstellen Sie ein gutes Konzept für die § 37.3-Beratungsbesuche und setzen Sie es nachhaltig um!

Geld und Sachleistung – die Kombinationsleistung nach § 38 SGB XI

Viele Versicherte nutzen die Möglichkeit, das Pflegegeld mit den Pflegesachleistungen zu kombinieren. In manchen Fällen mag das sinnvoll und auch der individuellen Pflegesituation entsprechen. Leider gibt es aber manche Fälle, in denen das anteilige Pflegegeld als steuerfreie Zulage zum Haushaltseinkommen angesehen wird, obwohl der pflegerische Zustand des Betroffenen eigentlich nach professioneller Pflege ruft.

Bei dem Prinzip der Kombinationsleistung nach § 38 SGB XI wird nur so viel an Pflegesachleistungen bei einem Pflegedienst abgerufen, dass das bestehende Sachleistungspotenzial nicht vollumfänglich ausgeschöpft wird. Dadurch entsteht ein anteiliger Anspruch auf Pflegegeld. Dieser Anspruch bemisst sich nach dem Prozentsatz der abgerufenen Sachleistungen. Die nachstehende Übersicht (Tab. 4) zeigt eine Modellrechnung.

Tab. 4: Die drei Berechnungsschritte zur Ermittlung des restlichen Geldleistungsanspruchs bei Kombinationsleistungen

1. Schritt:

Ermittlung der prozentualen Auslastung der Sachleistung

Der Versichert Hans Hoffmann hat Pflegegrad 4 und somit einen Sachleistungsanspruch in Höhe von 1.693 € monatlich. Er nimmt etwa 1.200 € Sachleistungen vom Pflegedienst in Anspruch. Das entspricht einer Ausschöpfung von 71,1 %.

2. Schritt:Ermittlung des Anteils des übrig gebliebenen Geldleistungsanspruches

Da Herr Hoffmann 71,1 % seines Sachleistungsanteils ausgeschöpft hat, hat er noch Anspruch auf 28,9 % seines monatlichen Pflegegeld-Anspruches (100–71,1 %).

3. Schritt:Errechnen des übrig gebliebenen Pflegegeld-Anspruch

Herr Hoffmann hätte bei solitärer Inanspruchnahme von Pflegegeld einen Anspruch in Höhe von 728 €. Da er bereits 71,1 % seines Sachleistungspotenzials ausgeschöpft hat, verbleiben ihm noch 28,9 % von 728 € Pflegegeld – also 210,39 €