Call 69: Verlockung und Hingabe - Victoria vanZant - E-Book
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Call 69: Verlockung und Hingabe E-Book

Victoria vanZant

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  • Herausgeber: Feelings
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Victoria vanZant steht für sinnliches Prickeln zwischen den Zeilen: »Call 69: Verlockung und Hingabe« - ein erotischer Roman über eine fesselnde Sehnsucht und tiefe Gefühle! Fiona Lane und Ryan Kerrigan ahnen schon beim ersten Blickkontakt: Das Schicksal hat sie auf besondere Weise zusammengeführt. Die bildhübsche Fremdsprachensekretärin ist einundzwanzig Jahre alt, couragiert, frech und scharfsinnig. Ryan, Edel-Callboy und kultivierter Gentleman, lebt ein außergewöhnliches Leben und zeigt der jungen Schönheit schon bald seine beängstigend dominant-manipulativen Qualitäten. Aufgerieben zwischen den dunklen Geheimnissen der Vergangenheit und leidenschaftlicher Begierde, wird das emotionale Band, das beide zusammenschweißt, schon bald zur quälenden Fessel … Es handelt sich um eine überarbeitete Ausgabe des bereits unter diesem Titel selbst publizierten Werkes der Autorin. »Call 69: Verlockung und Hingabe« von Victoria vanZant ist ein eBook von feelings*emotional eBooks. Mehr von uns ausgewählte erotische, romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer Facebook-Seite. Genieße jede Woche eine neue Geschichte - wir freuen uns auf Dich!

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Seitenzahl: 1077

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Victoria vanZant

Call 69

Verlockung & Hingabe

Knaur e-books

Über dieses Buch

Victoria vanZant steht für sinnliches Prickeln zwischen den Zeilen: »Call 69: Verlockung & Hingabe« ist ein erotischer Roman über eine fesselnde Sehnsucht und tiefe Gefühle.

Fiona Lane und Ryan Kerrigan ahnen schon beim ersten Blickkontakt: Das Schicksal hat sie auf besondere Weise zusammengeführt. Die bildhübsche Fremdsprachensekretärin ist einundzwanzig Jahre alt, couragiert, frech und scharfsinnig. Ryan, Edel-Callboy und kultivierter Gentleman, lebt ein außergewöhnliches Leben und zeigt der jungen Schönheit schon bald seine beängstigend dominant-manipulativen Qualitäten. Aufgerieben zwischen den dunklen Geheimnissen der Vergangenheit und leidenschaftlicher Begierde, wird das emotionale Band, das beide zusammenschweißt, schon bald zur quälenden Fessel …

Inhaltsübersicht

VorspannTeil 1 – VerlockungFranzösisch – fließend!Die Walküre und andere LadiesVibratorballettQuell der FreudeEine Nacht – nur für dich!Leder aus AmsterdamAbflügeFühle mich – spüre michDanach ist man immer klüger … oder nicht?VanillaschubBDSM macht mich fertigBeltanefeuerUngeplante LandpartieSafanads RettungDer Mann im SchrankKleeblatt, Krönchen und ein FliegerFohlentaufeTanze Salsa mit mir …Ingwer andersherum …Haltlos oder halterlos?Haie und andere wilde BestienVertreibung ins ParadiesOhne SexDesign, Pomp und PartygeflüsterNachwehenWir sind zwei BerlinerPoker am KaminWer bist du?Dein erstes MalDie PartyNachwirkungenDer Cinderella-Komplex… und dann war alles andersRhythmisches ErwachenKleidung – wozu?Die große BeichteReisefieberLove-Bridge auf dem TischUnten ohneÜber den Dächern der StadtBlindflugEin Gewitter braut sich zusammenIch bin deinIhre Erinnerungen – seine ErinnerungenFeierlauneKinbakuDer letzte SonnenaufgangBizarres ArrangementLiebe und HiebeBilder der LiebeTeil 2 – HingabeUnerwartete BegegnungEr ist zurückTom-Kha-Gai mit BeilagenBrücken und MauernLiebestanzÜber den WolkenSüße Worte – bittere EntscheidungenFliegende KnöpfeZartbitterGanz andere Zungenspiele …Sechs Wochen FreiheitSegelscheinNachschlagSplitterfreie HärtenEin Hauch von MeganReicht es?Nachts um halb einsVenezianische FreiheitEin Traum in WeißKlammern und KlemmenHit and killRehe und andere sanfte LämmerPanna cottaInsalata CapresePizza MargheritaEins – zwei – drei … SallyLiebestodVoller EinsatzWenn die Worte fehlenBöses ErwachenEiner von acht MillionenBlinddarmentzündungAufwärts und abwärtsZwei ToteUntersuchungenHeimkehr
[home]

 

 

 

Ein Blick – zwei gefangene Seelen – ein Schicksal.

Er entzündet das Feuer verzehrender Liebe, das sie verbrennt.

Zusammensein heißt Leiden(schaft), Trennung unerträgliche Qual.

[home]

Teil 1 – Verlockung

Französisch – fließend!

Guten Abend, schöne Frau! Ist es dir drinnen auch zu voll?«

Überrascht schnellte Sophie herum, doch in der Dunkelheit konnte sie nicht mehr als einen großen Schatten im hintersten Winkel der Veranda erahnen.

»Dreh dich wieder um«, bat der Fremde.

»Wa…?«

»Bitte!«

Dieses einzige Wort, leise schmeichelnd und gleichzeitig so voller Entschlossenheit, genügte: Sophie konnte nicht anders. Wider besseres Wissen drehte sie sich um und lauschte den Schritten, die ohne Eile näher kamen. »Weg, weg, nur schnell weg, noch ist Zeit!«, schrie ihre innere Stimme alarmiert auf, doch ihr Körper weigerte sich, zu gehorchen. Paralysiert blieb sie am Rand der Veranda stehen und starrte in das dunkle Nichts.

Schon bevor seine weichen Hände ihre Locken beiseiteschoben, spürte sie seine körperliche Präsenz. Zärtlich verwöhnten geöffnete Lippen ihren Hals vom Nacken bis zum Haaransatz. Die leisen, erregten Atemzüge, die Sophies Ohr streiften, ließen einen wohligen Schauer nach dem anderen über ihren Rücken rieseln. Berauscht krallten sich ihre Finger um das Holzgeländer.

Die Küsse wurden leidenschaftlicher, härter – der stockende Atem offenbarte, wie erregt der Fremde sein musste. Ohne ein Wort, ohne eine Frage, drängte er sich mit seinem warmen Körper eng an Sophie heran und schob ihren Minirock energisch hoch.

Entsetzt und fasziniert zugleich hielt sie die Luft an. Er würde doch nicht? Sophie stöhnte auf, als seine Finger den Rand ihres Slips berührten, darunter glitten und tief …

 

Brring … brring … brring …

Fiona brauchte einen Moment, bis sie das Klingeln des Telefons als solches identifiziert hatte. Och, Mensch, gerade jetzt! Die Einundzwanzigjährige ließ ihr Buch neben sich fallen und angelte nach dem Telefonhörer, der irgendwo vor dem Bett liegen musste. Sie griff direkt in etwas Flauschiges: Ein irritierter Blick, dann flog der Lammfell-Hausschuh in hohem Bogen hinter der Lektüre her, und Fiona tastete blind weiter.

Brriiiiiiiiing … brriiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing … Das Klingeln schien ungehaltener zu werden.

»Ja, doch, ich mache ja schon!«, brummte sie entschuldigend und beugte sich vor, um unters Bett sehen zu können. Weit hinten im Dunkeln leuchtete das Telefondisplay rhythmisch auf. Es gelang ihr, den Hörer mit den Fingerspitzen so anzustoßen, dass er auf dem glatten Laminatboden ein Stück in ihre Richtung schnellte. Endlich konnte sie ihn fassen. Fiona richtete sich auf, warf ihre langen dunklen Haare mit Schwung über die Schulter zurück und drückte die grün unterlegte Taste.

»Hallo, hier ist Fiona Lane.«

»Guten Tag, Miss Lane, hier spricht Fallon Holden von Teckling and Garbald, ich muss Ihnen leider mitteilen …«

Den Rest hörte Fiona schon gar nicht mehr. Sie kannte den Tonfall, und sie kannte die Floskeln, die jetzt folgten: Es tut uns ja so leid … Wir haben uns für jemand anderen entschieden … Bitte sehen Sie das nicht als Bewertung Ihrer Qualifikation … bla … bla … bla … Als die Frau am anderen Ende ihren Redeschwall beendet hatte, bedankte Fiona sich freundlich und legte auf. Ihr Blick fiel auf das Buch, das aufgeblättert wie ein Fächer am Boden lag. Die Seite, die sie gerade gelesen hatte, würde sie suchen müssen. Doch die Lust aufs Schmökern war ihr vergangen und das Buch total unrealistisch. Welche vernunftbegabte Frau ließ sich denn schon in der Dunkelheit von einem Unbekannten begrabbeln?

Ein lauter Stoßseufzer entwich ihren Lippen, und sie zog genervt die Stupsnase kraus: nicht als Bewertung der Qualifikation … An Zynismus waren diese Absagefloskeln kaum zu überbieten. Ihre veilchenblauen Augen verfinsterten sich. Wie sollte sie die Ablehnung denn sonst verstehen? Fallon Holden hatte gut reden, die hatte einen Job!

Auch wenn Fiona die Fremdsprachenschule mit Auszeichnung abgeschlossen hatte – es schien in London keinen Markt für Europasekretärinnen zu geben. Fünf suboptimale Vorstellungsgespräche mit Absage in drei Monaten bei über achtzig Bewerbungen, das war die magere Ausbeute ihrer Bemühungen. Doch Jammern half nicht weiter, und so machte sie sich auf die Suche nach der Zeitung, die während der gemütlichen Teestunde irgendwo vor dem Bett gelandet sein musste, um sich ihrem täglichen Ritual – Stellenanzeigen durchforsten – zu widmen.

 

Persönliche Assistentin (PA) gesucht, diese Überschrift war die gleiche wie in fast jeder anderen Annonce auch. Doch das Kleingedruckte, so unauffällig und unscheinbar, dass Fiona es auf der zerknitterten Seite fast übersehen hätte, war das wirklich Aufsehenerregende. Sorgfältig strich sie das Blatt glatt, um den Text vollständig entziffern zu können:

 

Bereitschaft, zu reisen (Europa/USA/Asien), Fremdsprachenkenntnisse (Französisch/Spanisch/Deutsch) unbedingt erforderlich, flexible Arbeitszeiten, gepflegte Erscheinung.

 

Das hörte sich nach einem Volltreffer an. Leider stand keine Adresse dabei, noch nicht einmal der Name des Arbeitgebers. Die einzigen Hinweise waren eine Telefonnummer und eine Zeitspanne, in der um telefonische Bewerbung gebeten wurde. Sehr mysteriös oder vielleicht sogar unseriös? Viel Zeit zum Überlegen blieb nicht. Vier Glockenschläge verkündeten die unabänderliche Tatsache: In dreißig Minuten würde die Bewerbungszeit enden …

 

Elektrisiert sprang Fiona auf und stürmte über den Flur. Ohne anzuklopfen, hechtete sie in das Zimmer ihrer Mitbewohnerin und konnte ihre Füße nur durch einen beherzten Sprung auf das Bett vor einem schmerzhaften Zusammenprall mit einem Stapel Bretter retten. Kritisch blickte sie auf die unzähligen Stolperfallen, die kreuz und quer über den Boden verteilt waren. Sie passten so gar nicht in die ansonsten penibel aufgeräumte Umgebung.

Selbst drei Monate nach dem Einzug hatte Fionas WG-Mitbewohnerin es noch immer nicht geschafft, ihr Zimmer in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen. Elena schob die Bücherstapel, das in Fragmenten am Boden liegende Regal und einen Koffer mit Kleidung lediglich von einer Ecke in die andere. Die Tatsache, dass die Haufen inzwischen ein Eigenleben führten und quer durch das Zimmer wanderten, machten es beinahe unmöglich, unfallfrei in das Zimmer zu gelangen: Was gestern noch unter dem Fenster gelegen hatte, konnte heute schon neben der Tür lagern.

Wenn Elena alles auspacken, zusammenbauen und einräumen würde, hätte das etwas Endgültiges. Und wenn ihre Mitbewohnerin und Busenfreundin in dieser Lebensphase etwas nicht wollte, dann war es Endgültigkeit. Dieses gedankliche wie auch lokale Chaos verdankte die Zweier-WG Elenas Freund Jack, der es gewagt hatte, vor seiner Geliebten auf die Knie zu sinken und um ihre Hand anzuhalten. Heirat gleich programmierte Langeweile; Heirat gleich Ende aller Freiheit; Heirat gleich lebenslänglich. Schon allein der Gedanke an das böse H-Wort hatte auf Elena die Wirkung einer Packung Narkosemittel. Und so war dieses chaotische Refugium Elena Pasleys persönlicher Ausdruck der Anarchie, den sie brauchte, um wieder Balance in ihr Studentenleben zu bringen, das sonst in Monotonie zu versinken drohte.

 

»Sorry, die Tür war offen«, entschuldigte Fiona ihr stürmisches Eindringen.

Elena ließ den Lippenstift sinken und quittierte den Überfall mit einem ironischen Lächeln im Spiegel. »Miss Lane, es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte mir vor Schreck einen Strich quer durchs Gesicht gezogen.«

»Das könnte ich mir auch sehr dekorativ vorstellen, aber zu deinen blonden Locken und dem hellen Teint solltest du vielleicht einen dunkleren Farbton wählen, damit man es besser sieht!«

Ihre Blicke begegneten sich wieder im Spiegel, und sie begannen, laut zu lachen.

»Wo brennt es denn? Ich muss gleich los, meine Schicht fängt in zwanzig Minuten an.«

Fiona kratzte sich am Kopf und murmelte: »Nur ganz kurz, ganz kurz … denkst du, ich sollte mich dort bewerben?«

Elena hielt es nicht für nötig, auch nur einen Blick auf die Stellenanzeige zu werfen. »Du weißt genau, wie ich darüber denke! Warum solltest du dich irgendwo nicht bewerben? Wirf endlich deine Selbstzweifel über Bord.«

»Das solltest du der Frau sagen, die eben angerufen hat … wieder eine Absage.«

»Das tut mir leid. Aber als Empfangsdame in einem Reinigungsunternehmen wärst du doch wirklich überqualifiziert. Der Chef, der dich bekommt, muss dich erst mal verdienen!«

Dankbar für die seelische Aufmunterung, trottete Fiona in die Küche und bereitete sich einen Tee zu, so wie sie es immer tat, wenn sie nachdenken wollte. Ihr blauer Becher stand noch im Abtropfkorb auf der Spüle. Die Wartezeit, bis das Wasser kochte, konnte sie gleich sinnvoll nutzen, um das restliche Geschirr vom Gestell in die Schränke zu räumen.

Ein Geschirrspüler wäre toll, aber leider weder finanziell noch platzmäßig drin. Die Küche war so winzig, dass der Kühlschrank nicht geöffnet werden konnte, wenn der Miniküchentisch, der außerhalb der Mahlzeiten ein Dasein als Hängebrett fristen musste, ausgeklappt war. Hektisches Agieren ließ sich nur verhindern, wenn die Mahlzeiten generalstabsmäßig durchgeplant waren. Ansonsten blieb nur: Tisch komplett leer räumen, wegklappen, Senf aus dem Kühlschrank angeln, Tisch wieder ausklappen, alles wieder auftischen, kaltes Essen – oder eben gleich heiße Würstchen ohne Senf genießen …

Ein Blick auf die Uhr verriet ihr: noch zehn Minuten. Sie trank den letzten Schluck Nerven-Beruhigungs-Tee, griff zum Telefon, atmete geräuschvoll aus und wählte die Nummer.

 

»DreamAcademy, Sie sprechen mit Amanda Sully, wie kann ich Ihnen helfen?«

Das Telefonat mit der netten, melodischen Frauenstimme war wenig erhellend. Jede genaue Nachfrage wimmelte Amanda Sully geschickt, aber sehr bestimmt und mit einem Hinweis auf ihren Chef ab. Doch was hatte Fiona zu verlieren? Sie hatte keinen Job, kein Geld, ein Zimmer in einer winzigen WG eines viktorianischen Stadthauses am Rande von Notting Hill und keine Lust, ihren Eltern weiterhin auf der Tasche zu liegen. Die Aussicht, in London in die Fänge von ominösen Mädchenhändlern zu geraten, stufte sie als verschwindend gering ein. Auf jeden Fall hatte sie einen Termin für ein Vorstellungsgespräch in der Tasche, und das war schon viel mehr als sonst. Morgen musste endlich alles glattgehen!

***

Nervös zupfte Fiona an ihrem Schalüberwurf herum, sie hatte das Gefühl, dass irgendwie nichts richtig saß, obwohl der kritische Blick auf ihr Spiegelbild das Gegenteil bewies: Eine gepflegte junge Frau sah ihr aus dem Schaufenster entgegen. Der schwarze Hosenanzug in Kombination mit der dunkelroten Bluse wirkte seriös, aber nicht langweilig. Die Pumps mit den hohen Absätzen und die lederne Dokumentenmappe unter dem Arm unterstrichen den geschäftstüchtigen Auftritt, wie sie fand. Mehrere Varianten von Hochsteckfrisuren hatten Fiona nicht gefallen, und so hatte sie sich entschlossen, die langen mahagonifarbenen Haare offen zu tragen; schwungvoll und glänzend fielen die Locken bis weit über ihre Schultern hinab.

Ein Blick auf die Armbanduhr verriet: noch fünfundvierzig Minuten bis zum Gesprächsbeginn. Langsam schlenderte sie vom Themse-Ufer hinauf in die St-Katherine-Docks und hätte fast durch die Zähne gepfiffen. Was für eine exklusive Lage! Die laute, hektische Großstadt war von den liebevoll restaurierten Backsteingebäuden im Stil der alten Lagerhäuser und Werfthallen ausgesperrt. Motorboote und kleine Segeljachten dümpelten an den Stegen der Marina vor sich hin. Obwohl die großen dunkelroten Sonnenschirme noch in ihren Winterschutzhüllen verstaut waren, herrschte in den Restaurants und Cafés rund um den idyllischen Jachthafen schon reges Treiben. Die Gäste hatten ihre Stühle und Sessel in die Sonne gerückt; fröhliches Geplapper und Gelächter schwappte zu Fiona herüber. Egal, was gleich beim Vorstellungsgespräch geschehen würde, dieses versteckte Refugium, das nahezu mediterrane Leichtigkeit mitten ins Herz der Londoner City brachte, würde sie sich merken.

Fiona sah sich orientierend um. Das mehrstöckige Gebäude mit den bodentiefen Halbbogenfenstern passte zu der Hausnummer, die Amanda Sully ihr genannt hatte. Am liebsten hätte sie schon wieder gepfiffen, als sie durch die Drehtür des großen Glasportals trat. Was für ein Empfang! Der Eingangsbereich erstreckte sich über die gesamte Länge des Gebäudekomplexes. Durch die Komplettverglasung wurde der einschüchternde Eindruck von Unendlichkeit noch verstärkt. Sollte Fiona in die Verlegenheit kommen, ihre bisherigen Eindrücke in nur einem Wort zusammenfassen zu müssen, fiel ihr spontan »überdimensional« ein.

Der verlockende Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee zog Fiona magisch an, doch ein flüchtiger Blick auf die Preistafel genügte, um sie davon zu überzeugen, dass es besser sein würde, sich jeden Morgen eine Thermoskanne Selbstgebrühten mitzubringen – wenn es denn endlich mit dem Job klappen würde.

Laut klackten die Absätze ihrer Pumps auf dem eleganten Steinboden, als sie zu den Aufzügen ging. Das Grummeln in ihrem Magen strengte sich mächtig an, Fiona in die Flucht zu schlagen, doch sie drückte entschlossen den Knopf mit der großen Sechs darauf, sobald sie im Fahrstuhl stand. Angespannt verfolgte sie die wechselnden Anzeigen auf dem Display und zählte innerlich jede Zahl mit, die aufleuchtete, wenn der Aufzug das nächste Stockwerk passierte. Unwillkürlich fasste sie sich ans Dekolleté: Ihr Herzklopfen wurde immer heftiger.

 

»Guten Tag, mein Name ist Fiona Lane …« Sie ärgerte sich über ihre leicht zitternde Stimme.

»Miss Lane, schön, dass Sie da sind.« Die nette Frau am Empfang lächelte freundlich, stand auf und reichte Fiona die Hand. »Wir haben miteinander telefoniert, ich bin Amanda Sully, Mister Kerrigans Assistentin. Er hat unerwartet einen wichtigen Termin hereinbekommen und bittet Sie noch um einen Moment Geduld. Sie haben doch keine dringenden Termine im Anschluss?«

Die Stimme der Frau war in natura noch beeindruckender als am Telefon.

»Nein, kein Problem. Ich bin ja auch fast eine halbe Stunde zu früh.«

»Darf ich Sie bitten, hier in der Lounge zu warten?« Die Assistentin zeigte auf einen großzügigen, lichtdurchfluteten Bereich, ihrem Schreibtisch gegenüber.

Fiona hatte schon Angst, sich auf den eleganten Sessel zu setzen, der war mit Sicherheit richtig teuer gewesen. So wie die anderen Möbel – eine Mischung aus eleganten, modernen Elementen und Antiquitäten. Dieser Stilmix war genau auf die Räumlichkeiten abgestimmt. Der Charakter der historischen Dock-Bebauung wurde in den ursprünglichen rotbraunen Ziegeln bewahrt. Dazu der sündhaft teure Schieferboden mit seiner unebenen Struktur, dessen elegantes Grau sich in den klassischen Metallrahmen der bodentiefen Fenster wiederfand. Ein sehr stimmiges Gesamtkonzept, das Fiona sich für ihre WG auch sehr gut vorstellen, aber mangels entsprechender monetärer Kapazitäten leider nicht realisieren konnte – jedenfalls nicht in den nächsten hundert Jahren. Aber die Dekoidee mit dem Blumengesteck in der antiken Teekanne, die wollte sie sich auf jeden Fall merken; sie angelte nach einer Zeitschrift vom Stapel daneben.

 

»Miss Lane, darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee oder Wasser?«

Dankend lehnte sie ab, das fehlte noch, sich jetzt vor lauter Nervosität die Bluse zu bekleckern. Mit einem unauffälligen Seitenblick an ihrer Lektüre vorbei versuchte Fiona, sich ein Bild von der Assistentin zu machen. Amanda Sully wäre also ihre Vorgängerin? Warum sie wohl ging? Oder vielleicht brauchte ihr Chef eine zweite Kraft?

Der Kleidung und dem Auftreten der Frau am Schreibtisch nach zu urteilen, legte man in diesem Unternehmen auf jeden Fall Wert auf Stil. Amanda Sully trug ein teures dunkelgraues Kostüm, und die kurzen schwarzen Haare waren perfekt gestylt. Unauffällig sah Fiona an sich herunter und kam sich in ihrem Hosenanzug von der Stange sofort billig vor. Leise seufzte sie in sich hinein – und wenn es mit diesem Job wieder nicht klappte?

 

Die Tür flog auf, und dann ging alles ganz schnell … oder besser gesagt, ganz langsam. Ein bildgewaltiges Epos spielte sich in Zeitlupe vor Fionas Augen ab … und sie hatte einen Sitzplatz in der ersten Reihe:

Er war mindestens einen Meter neunzig groß, trug nichts als eine schwarze enge Lederhose, lachte ausgelassen und wirbelte mit elegantem Schwung aus dem Handgelenk einen Stock durch die Luft. Wild standen seine schwarzen Locken in alle Himmelsrichtungen ab, und die dunkelblauen Augen blitzten vor Unternehmungslust. Auf seinem stählernen Oberkörper brach sich das Licht der Halogenlampen glitzernd in kleinen Schweißperlen. Ein ebenmäßiger, sonnengebräunter Teint überspannte durchtrainierte Muskeln. Keine Muskelberge, drahtig schlanke Muskeln, wie die eines Tänzers. Mit den charmanten Lachfältchen, die seinem Gesicht etwas Jungenhaftes verliehen, durfte der Mann etwa Mitte dreißig sein.

Fiona schnappte nach Luft, was für eine Erscheinung!

 

»Ryan, das ist Miss …«, versuchte die Assistentin zu erklären und zeigte in Richtung Besucherlounge.

Fiona stand von ihrem Sessel auf und befürchtete, gleich wieder rückwärts hineinzusinken. Der Anblick dieses Mannes hatte eine verheerend zersetzende Wirkung auf ihre Körperspannung: Sie bekam butterweiche Knie.

Ryan Kerrigan kam direkt auf Fiona zu, lächelte verwegen und hielt ihr bezeugend seine Arme entgegen, auf denen noch deutliche Spuren von Schweiß schimmerten. »Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen nicht die Hand gebe, und bitte bleiben Sie doch sitzen!«

Wie gute Musik, die man immer wieder gern hört, brachte sein melodischer Bariton etwas in ihr zum Schwingen. Gab es an diesem Mann etwas, das nicht perfekt war? Irritiert starrte Fiona auf seinen Hosenbund. Unterhalb des Bauchnabels musste Ryan Kerrigan eine Tätowierung haben. Es sah nach kleinen Schriftzeichen in einer ihr nicht bekannten Sprache aus. Augenblicklich lief ihr ein Schauer den Nacken hinab, und ein dümmliches Grinsen war alles, was sie noch zustande brachte.

Zwischen zwei Reihen tiefschwarzer geschwungener Wimpern strahlten Fiona ausdrucksstarke Augen entgegen. »Es tut mir leid, eine schöne Frau wie Sie sollte niemals auf einen Mann warten müssen. Ich stehe Ihnen gleich uneingeschränkt zur Verfügung.«

Angesichts der merkwürdigen Formulierung zog Fiona die Stirn kraus, beeilte sich dann aber zu sagen: »Kein Problem, ich bin auch etwas zu früh gekommen.«

»Ja, das kann ein großes Problem sein!«

Was für ein entwaffnendes Lächeln! Sprachlos und verunsichert, weil sie nicht einschätzen konnte, was Ryan Kerrigan jetzt von ihr erwartete, starrte Fiona ihr Gegenüber schweigend an. Aus der Nähe betrachtet war seine Haut noch makelloser, und trotz des Schweißes, der auch auf seiner Brust glitzerte, roch er gut – irritierend gut. Geräuschvoll inhalierte sie noch einmal tief den anziehenden Duft. Selbst frisch geduscht kam sie sich neben diesem verschwitzten Mann regelrecht ungepflegt vor.

»Chef, Miss Lane bewirbt sich als PA!«, erklang Amanda Sullys Stimme aus dem Hintergrund nahezu wie ein Warnruf.

»Miss Lane, Sie sehen, ohne PA bin ich völlig aufgeschmissen. Jetzt im Frühling habe ich so viel zu tun, da brauche ich dringend jemanden, der mir die Termine sortiert und mich brieft.« Er beugte sich zu Fiona hinunter, zwinkerte ihr zu und flüsterte direkt in ihr Ohr: »Es ist nicht nur mein Aftershave …«

Unangenehm berührt starrte sie dem wandelnden Charisma hinterher: Der Mann musste Gedanken lesen können.

 

Zwanzig Minuten später betrat Ryan Kerrigan sein Büro. Geschickt öffnete er mit einer Hand den Knopf seines Sakkos, das seine Schultern perfekt umrahmte. Das Kleidungsstück war mit Sicherheit eine Maßanfertigung. Kerrigan ließ sich lässig in den Sessel gegenüber von Fiona gleiten.

Da es keinen Tisch gab, unter dem sie ihre zappelnden Beine hätte verstecken können, war sie froh, ihre stabile Dokumentenmappe mitgenommen zu haben. So konnte sie durch kräftigen Druck auf die Mappe zumindest verhindern, dass ihre Beine nervös auf und ab wippten.

Der attraktive Mann mit den geschliffenen Umgangsformen, der ihr so gelassen gegenübersaß, brachte sie allein schon durch seine bloße Anwesenheit aus dem Konzept. Und dann fing er auch noch an zu sprechen; sichtlich bemüht, die Atmosphäre und den Ton während des Vorstellungsgesprächs locker und entspannt zu gestalten.

Wenn da nur nicht seine Blicke wären. Jedes Mal, wenn Fiona von ihrer Schreibmappe aufschaute, um Ryan Kerrigan anzusehen – wie es sich für einen respektvollen Umgang gehörte –, bemerkte sie, dass sein durchdringender Blick auf sie geheftet war. Nicht eine Sekunde ließ er sie aus den Augen – fixierte sie wie ein Raubtier seine Beute. Dazu das überaus charmante, selbstsichere Lächeln. So als wüsste er mit Bestimmtheit etwas, das ihr verborgen war – noch. Mehr als einmal jagte ihr sein ambivalentes Verhalten einen kalten Schauer über den Rücken.

Fiona musste sich zwingen, ruhig auf dem Sessel sitzen zu bleiben. Der rutschige Untergrund, feinstes weißes Leder, machte das Stillsitzen nicht eben einfacher. Der Stoff ihrer Hose war ebenso glatt und bescherte ihr das unangenehme Gefühl, auf einer Rutschbahn hin- und herzuschlittern.

 

Ryan Kerrigan riss Fiona aus ihren Gedanken. »Sie haben keine Erfahrung als PA, Miss Lane?« Äußerst gelassen schlug er ein Bein über das andere und lächelte sie an.

Vorbei! Vorbei, bevor es überhaupt begonnen hatte. Wenn sie sich beeilte, könnte sie früh genug wieder zu Hause sein, um mit Elena gemeinsam zum Pilates zu gehen. Doch dann sprach er überraschend weiter.

»Das sagt nichts über Ihre Qualitäten aus, und ich überzeuge mich gern persönlich von den Fähigkeiten meiner Mitarbeiterinnen.« Sein Kopf hatte wieder diese ganz besondere Haltung angenommen: Er hielt sein Kinn tief und erzeugte damit den umwerfenden Effekt, als würde er sein Gegenüber von unten herauf durch seine dichten schwarzen Wimpern ansehen. Dieser Blick war so extrem sexy … wie eine Liebkosung … eine Reihe von Liebkosungen, eine nach der anderen, bei jedem Wimpernschlag neu. »Im Sommer würden wir sechs Wochen an der Côte dʼAzur verbringen, dazu kommen in unregelmäßigen Abständen Wochenend- oder Kurztrips ins europäische Ausland und manchmal in die USA oder nach Asien. Können Sie sich das vorstellen?« Seine vollen Lippen … wie betont er sie beim Sprechen einsetzte … Jeder Satz, jedes einzelne Wort wie ein zärtlicher Kuss. Fiona schwebte auf Wolke sechseinhalb und war nur noch zu Minimalreaktionen – sprachloses Kopfnicken – fähig. Ja, sie konnte sich das alles sehr gut vorstellen. »Sie sprechen fließend Französisch?« Die schwungvolle Geste, mit der er sich die Haare aus dem Gesicht strich, lenkte ihre Aufmerksamkeit auf seine gepflegten Hände. Sein Griff, so zupackend und einfühlsam … wie ein sinnliches Streicheln.

»Ja, Französisch und Spanisch ebenso, mein Deutsch ist nicht verhandlungssicher, aber auch flüssig«, hauchte Fiona sichtlich irritiert.

»Ihre Aufgaben als meine PA wären in erster Linie die Terminkoordination, dann Telefonate und Korrespondenz erledigen, Reiseplanungen, Eintrittskarten für die Oper besorgen, Theater oder Konzerte buchen – und vor allem müssen Sie mich auf Empfänge und Veranstaltungen begleiten.«

Intensiv drang er mit seiner verführerischen Stimme in sie ein … wieder und wieder … Fiona nickte stumm. Alles, was sie vom ersten Moment an gehofft hatte, schien sich zu bestätigen: Ryan Kerrigan hatte einen Traumjob zu vergeben … und vielleicht sogar an sie. »Wenn Sie für mich arbeiten, werden Sie viele Freiheiten und Annehmlichkeiten genießen können, Miss Lane. Nur auf eines muss ich mich unbedingt verlassen können: hundertprozentige Diskretion! Aber das bekommen Sie doch hin, nicht wahr?«

Sein Sprachrhythmus war so unglaublich ästhetisch, so genussvoll und pointiert … ein sinnliches Stakkato. Er füllte sie mit seiner Offerte vollständig aus und erfüllte sie mit einer tiefen Erregung … Fionas kognitive Fähigkeiten standen kurz vor dem Kollaps.

Konzentriere dich, Fiona, konzentriere dich …

Was genau machte Ryan Kerrigan noch mal? Hatte er seinen Beruf erwähnt, und sie hatte es überhört, während ihr Gegenüber sich so gekonnt in Szene setzte? Der Firmenname DreamAcademy ließ einen breiten Spielraum für Mutmaßungen.

»Haben Sie noch Fragen an mich, Miss Lane?«

Zwischen ihnen lag der Stock auf dem Tisch, mit dem er in der Lounge so elegant die Luft durchschnitten hatte. Eine sehr dünne Ledergerte – lang wie eine Dressurgerte, aber viel schmaler. Ein Reitlehrer? Viele Engländer waren begeisterte Pferdesportler, aber in dieser Umgebung? Eher unwahrscheinlich.

»Sind Sie Unternehmensberater, Sir?«, fragte Fiona unsicher. Ihr Kopf schwirrte, Ryan Kerrigan erfüllte sie immer noch ganz und gar, und sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte seine durchdringende Präsenz nicht abschütteln. Statt zu antworten, nahm er die Gerte auf und ließ sie mit einem eleganten Schwung auf die Seitennaht seiner schwarzen Designerjeans tippen. »Vielleicht Reitlehrer?« Fionas Gefühle entluden sich ungewollt in einer massiven Gänsehaut, die ihren ganzen Körper überzog. Sie war sich nicht bewusst, die Frage laut gestellt zu haben.

Die Walküre und andere Ladies

Den Fahrstuhl beachtete Fiona nicht. Mit laut klappernden Absätzen rannte sie die Treppe hinunter, sechs Etagen. Weg, nur schnell weg, bevor sie völlig die Fassung verlor. Jetzt konnte nur Bewegung helfen, und sie wollte unbedingt, so schnell wie möglich so viel Distanz wie möglich zwischen sich und Ryan Kerrigan bringen. Dieser Mann hatte das Vorstellungsgespräch zelebriert wie einen Liebesakt!

Ein breites Grinsen hatte sein Gesicht überzogen. Ich mache Frauen glücklich … für Geld …, hallten seine Worte immer wieder durch ihren Kopf. Sie hörte seine Stimme, sie sah seine strahlend blauen Augen, den nackten Oberkörper …

Ihr zukünftiger Chef wäre ein … ja, wie nannte man einen solchen Mann eigentlich?

***

»Callboy«, bemerkte Elena trocken. »Ist doch wunderbar, bei so einem Chef brauchst du wenigstens keine Angst zu haben, dass er dich begrapscht! Wenn der nicht ausgelastet ist, wer dann?« So lautete der nüchterne Kommentar ihrer Mitbewohnerin. In solchen Dingen war Elena wie immer sehr pragmatisch.

»Als er hereinkam, war er halb nackt!« Fiona stand immer noch weit neben sich.

»Welche Hälfte?« Elena konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen.

»Wie, welche Hälfte?«, fragte Fiona verwirrt, sie verstand die Frage nicht.

»Oben oder unten?«

»Oben natürlich.«

»Natürlich«, wiederholte Elena mit einem bedauernden Unterton. »Und wie sieht er aus?«

Nach Fionas Blick zu urteilen, musste ihr Quasimodo persönlich begegnet sein. Umso überraschender erklärte sie: »Zum Niederknien!«

Elena zog entsetzt eine Augenbraue hoch. »Oh, Fi, Gefahr im Anzug?«

»Nein!« Abwehrend hielt Fiona die Hände vor den Körper, als wolle sie den Gedanken ganz weit wegschieben.

Dieses »Nein!« kam definitiv eine Spur zu entschieden und auch einen Hauch zu schnell. »Na los, wie sieht er aus, was hatte er an?« Inzwischen war auch Elena neugierig geworden.

»Er hat schwarze Locken!«

»Wo?«

»Auf dem Kopf!«

»Selten heutzutage, die meisten föhnen und gelen glatt.«

»Er hat wundervolle schwarze Locken und dazu strahlend blaue Augen. Er ist mindestens einen Meter neunzig groß und hat eine richtig tolle, durchtrainierte Figur, kein Gramm Fett …«

»Oh, oh!«

»Nichts ›oh, oh‹! Ich habe doch keine Vollmeise und verliebe mich in so einen Typen!«, versuchte Fiona, abzuwiegeln. Jetzt nur keinen Fehler machen! So wie Ryan Kerrigan offensichtlich Gedanken lesen konnte, besaß auch Elena einen sechsten Sinn – vor allem, wenn es um Männer in Bezug auf ihre Mitbewohnerin ging. Denn davon gab es – für deren Geschmack – definitiv zu wenige in Fionas Leben … nämlich keine.

»Schwaches Statement, Fi. Aber auf der anderen Seite, bei dem kannst du bestimmt noch was lernen!«

Wie immer, wenn Elena auf dieses Thema anspielte, ging Fiona in die Luft. »Danke, du bist mir eine echte Freundin! Du meinst also auch, ich soll mir einen Mann kaufen?«

»Wieso ›auch‹?«, fragte Elena interessiert zurück.

»Na, mein neuer Chef.«

Elena staunte Bauklötze. »Wie, dem hast du gleich erzählt, dass du noch Jungfrau bist?«

»Spinnst du? Natürlich nicht! Aber er hat gedacht, ich sei eine neue Kundin.«

»Ach so, und ich dachte, das Personal hätte vielleicht einmal im Monat Anspruch auf eine Gratisnummer … oder vielleicht als eine Art Weihnachtsgratifikation.« Kichernd fiel Elena rückwärts aufs Bett und musste sich schon bald vor Lachen den Bauch halten.

»Ich kann ja mal fragen, vielleicht gibt er Gutscheine aus – meinen kannst du gern bekommen!«, entgegnete Fiona deutlich angesäuert.

»Okay, ich sehe schon, wir sollten an dieser Stelle das Thema wechseln.« Elena verdrehte die Augen und ließ sich theatralisch wieder auf die Matratze zurückfallen. »Aber eines interessiert mich ja nun doch … was genau sollst du denn machen? Die Jobbeschreibung würde ich gern mal lesen!«

»Pst, nicht so laut! Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich dir das überhaupt erzählen darf. Absolute Diskretion wäre in dem Job das Wichtigste, hat er gesagt!«

Elena schaute sich mit eingezogenem Kopf und verschwörerischer Miene im Raum um und flüsterte zurück: »Haben wir seit Neuestem Mitbewohner, von denen ich nichts weiß?« Sie senkte ihre Lautstärke noch weiter und beugte sich mit einem feisten Grinsen zu ihrer Freundin hinüber. »Oder werden wir etwa ab-ge-hört?«

Fiona entschied sich, die Frage zu ignorieren. »Aber was mache ich denn jetzt, soll ich zusagen?«

»Hast du etwas zu verlieren?« Ihre Mitbewohnerin war wieder ganz sie selbst: pragmatisch.

»Aber ich bin vorhin so schnell gegangen, der denkt doch sicher, mit mir stimmt was nicht.«

»Und wennschon. Das hört sich nach einem absoluten Traummann und einem ebensolchen Job an. Ich wiederhole meine Frage: Was hast du zu verlieren?«

Meine Unschuld, dachte Fiona gereizt, hütete sich aber davor, es auszusprechen.

»Ruf ihn an!« Elena machte Druck und hielt ihr Kerrigans Visitenkarte direkt vor die Augen. Fiona zögerte einen Moment, dann wählte sie die private Rufnummer, die er auf der Rückseite vermerkt hatte: Call69. Sie atmete tief durch und versuchte, sich mit dem kleinen Stück Pappe Luft zuzufächeln.

Es klingelte nur zweimal.

»Hallo, hier ist Ryan. Eine unbekannte Rufnummer, mit wem habe ich das Vergnügen?«

Seine Stimme war so weich, so voll, so sexy. Der Tonfall allein schon brachte Fionas Herzfrequenz in die Nähe eines pathologischen Befunds. Fast wäre ihr das Telefon aus der schweißnassen Hand geglitten. Sie räusperte sich.

»Guten Abend, Sir, hier ist Fiona Lane. Ich würde die Stelle als Ihre persönliche Assistentin gerne annehmen«, stammelte sie ins Telefon. »Wenn sie noch frei ist«, schob sie hastig hinterher.

»Miss Lane, das freut mich. Wir werden bestimmt gut zusammenarbeiten und eine Menge Spaß miteinander haben. Sehe ich Sie morgen um 11.00 Uhr zur Unterschrift Ihres Vertrags?«

»Ja, gern, Sir.« Ihr wurde kalt und heiß zugleich. Was hatte sie bloß getan? In wenigen Stunden würde sie, Fiona Lane, mit exakt null Erfahrung in Sachen Sex, persönliche Assistentin von Londons heißestem Edel-Callboy, Ryan Kerrigan, sein.

 

»Und jetzt gehen wir aus und begießen deinen neuen Job. Los, komm, schlüpfe in deine Jeans, und dann gehen wir ins Dannys. Dort spielt heute eine Bluesband.« Widerstand war zwecklos, und Elena hatte recht. Es gab einen Grund zu feiern – endlich hatte sich das Blatt gewendet!

»Was soll ich denn zur weißen Jeans anziehen?«, meckerte Fiona im nächsten Moment. »Ich habe kein schönes Oberteil.«

Elena zog sie kurzerhand vom Kleiderschrank weg, hinüber in ihr Zimmer. Mit geübten Handgriffen war schnell ein wenig Ordnung ins kreative Chaos gebracht, bevor sie den kleinen Sessel neben ihrem Schreibtisch freischaufelte und Fiona hineinbugsierte.

»Warte!«, forderte die Blondine und wandte sich ihrem Kleiderschrank zu. Sie zog mehrere Oberteile heraus, befand sie aber alle für unpassend. Fiona wurde gar nicht erst gefragt. »Ich habʼs!« Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief auf den Flur hinaus. Das Erste, das wieder durch die Tür kam, war ihr hübsches Gesicht, dominiert von einem triumphierenden Grinsen. Dann schob sie einen Kleiderbügel hinterher, auf dem eine Sünde von glutrotem Minikleid mit Korsagenoberteil sanft hin- und herpendelte.

Fiona konnte nur laut lachen. »Du spinnst! So was kann ich doch nicht tragen.«

»Miss Lane, du hast zwanzig Kilo abgenommen, du hast eine wunderschöne weibliche Figur, zeige sie doch endlich. Mir ist das Kleid leider zu klein geworden.« Mit Bedauern blickte sie an sich herunter. Sosehr Fiona sich auch wehrte, Elena ließ nicht locker – und nur dreißig Minuten später fragten sich die Freundinnen, wer die fremde Frau war, die ihnen im Spiegel entgegenblickte. Das hautenge Kleid und die schwarzen hochhackigen Pumps setzten Fionas weibliche Attribute dramatisch in Szene. Beim Make-up und der prächtigen Lockenmähne hatte Elena sich selbst übertroffen. »Vom Entlein zum Schwan, und jetzt lerne endlich fliegen«, flüsterte Elena ihrer Freundin liebevoll zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Du hast jetzt einen tollen Job, eine wunderbare WG mit der besten Freundin, die es gibt, und als Nächstes besorgen wir dir endlich einen netten Mann!«

***

Mit geschlossenen Augen lauschte Fiona den leisen Klängen der Ballade. Heute war ihr Glückstag: Sie hatte einen der heiß umkämpften Plätze direkt an einem der Holzpfeiler ergattern können. Ein seltener Ruhepol in dem standardmäßig überfüllten Klub, an dem man nicht ständig unsanft von den Massen hin und her gestoßen wurde. Träumend genoss sie die melancholische Melodie, die der Gitarrist, nur wenige Schritte entfernt, seinem Instrument entlockte. Die Töne wanderten direkt von den Ohren in Fionas Herz. Ihre Gedanken machten sich selbstständig: Der Mann, der sie so schwer beeindruckt hatte, und das bizarre Vorstellungsgespräch kamen ihr wieder in den Sinn, und plötzlich war da diese sanft schmeichelnde Stimme in ihrem Ohr: »DreamAcademy ist überall.«

Ich habe eine Erscheinung, war ihr letzter Gedanke, bevor Fiona den gesamten Klub mit einem gellenden Schrei zusammenbrüllte. Danach war Totenstille.

Außer dem merkwürdigen Geräusch einer Rückkopplung, wenn jemand mit einem Instrument zu nahe an ein Mikrofon kommt, und dem Rauschen der Verstärker war nichts zu hören. Niemand konzentrierte sich mehr auf die Bühne. Selbst von dort wurde auf Fiona hinuntergeschaut. Ungewollt und ungeplant hatte sie gerade ihren ganz großen Auftritt. Dem Herzinfarkt nahe, ließ Fiona ihren Kopf gegen den Pfeiler sinken und schloss die Augen. Könnte sich jetzt nicht wenigstens der Boden unter ihr auftun und sie verschlucken?

»Sind Sie wahnsinnig, wie können Sie mich nur so erschrecken?«, presste Fiona hervor und schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund. Ihre Zunge war wieder schneller gewesen als ihr Hirn. Obwohl ausnahmslos alle Personen in dem Klub zu ihnen herüberstarrten und sie gerade ihrem zukünftigen Chef eine verbale Klatsche erteilt hatte, grinste Ryan Kerrigan sie von oben herab gönnerhaft an. Er schien nicht sauer zu sein, im Gegenteil, seinem Lachen nach zu urteilen, war er im höchsten Maße amüsiert.

»Miss Lane, wenn ich Ihnen ein Kompliment machen darf, Sie sehen absolut fantastisch aus.«

Dass sie im dichten Gedränge immer näher aneinandergepresst wurden, schien ihn überhaupt nicht zu stören.

Der Geruch, da war er wieder. Es war sein Aftershave und dieses gewisse Etwas. Es war dieser prickelnde Cocktail aus seinem Parfum und seinem eigenen Aroma. Konnte pure Männlichkeit so gut riechen? Wie ein Lockmittel sickerte es aus jeder einzelnen Pore seines Körpers direkt in Fionas Gefühlszentrum. Ganz selbstverständlich legte Ryan Kerrigan einen Arm um ihre Schultern und zog sie eng an sich, um sie mit seinem Körper vor dem unsanften Gedränge abzuschirmen. Obwohl die Gefahr dank seiner ritterlichen Rettungsaktion schnell vorüber war, hielt er es absolut nicht für nötig, sie aus seiner Umarmung zu entlassen. Fiona sah ihn mit großen Augen von unten herauf an. Obwohl sie sich mit einem Meter fünfundsechzig noch nie klein vorgekommen war, fühlte sie sich gerade wie ein Zwerg. Verunsichert schlug sie die Augen nieder … und sah direkt in ihren eigenen Ausschnitt.

Totale Erstarrung. Dank der engen Korsage blickte ihr von dort das pralle Leben entgegen … Und Ryan Kerrigan hatte von weiter oben bestimmt einen noch besseren Über- und Einblick. Sie könnte sich ohrfeigen. Warum nur hatte sie sich von Elena zu diesem Kleid überreden lassen? Sie fühlte sich entsetzlich nackt. Durch die Wimpern hindurch versuchte Fiona verstohlen, wieder zu ihm hinaufzusehen, um seine Blickrichtung zu eruieren. Große dunkelblaue Augen sahen sie direkt an, ihr Chef grinste und zog anerkennend eine Augenbraue hoch.

Was machte man in so einem Moment? Er fühlte sich gut an, er fühlte sich so warm an und überhaupt nicht aufdringlich. Aber er war ihr zukünftiger Arbeitgeber und ein fremder Mann. Sein nackter Unterarm und seine Hand umfassten so wunderbar zärtlich und zugleich fest ihre unbedeckten Schultern. Was, wenn er jetzt dachte, sie würde sich von jedem Mann gleich auf eine solch vertraute Weise anfassen lassen?

 

Wie eine Walküre kämpfte Elena sich den Weg frei und kam von der Theke zurückgeeilt. »Was war denn das? Du hast mich mit deinem Schrei so erschreckt, dass ich unsere Drinks am Tresen vergessen habe. Die schmecken jetzt bestimmt schon jemand anderem.«

»Dann bin ich jetzt wohl zumindest eine Runde schuldig«, bekannte Ryan Kerrigan gespielt reumütig. »Was darf ich Ihnen holen?«

Elena schaute den großen dunkelhaarigen Mann irritiert an. Der hatte mehr Sex-Appeal in der Stimme als andere Männer in ihrem intimsten Körperteil. »Wir hatten beide einen Hugo«, antwortete sie wie hypnotisiert.

Ryan Kerrigan glitt mit seinen Fingerspitzen betont langsam über Fionas Schultern, um sie aus seiner Umarmung zu entlassen. Lässig bahnte er sich seinen Weg zur Theke.

»Meine Güte, was war denn das, kennst du den?« Schmachtend blickte Elena dem Traum von Mann hinterher.

»Das ist mein Chef«, antwortete Fiona trocken.

Es war einer dieser Momente im Leben: Elena Pasley sprachlos.

Vibratorballett

Ich brauche fünfhundert Kondome, XXL. Ach ja, und bevor Sie losgehen, die Batterien in den Vibratoren müssen überprüft werden. Können Sie das bitte übernehmen?« Ryan Kerrigan lächelte unverbindlich.

Das Telefon läutete, Fiona griff reflexartig zum Hörer und sagte freundlich: »Vibrator.«

»Wie bitte?«, fragte die Stimme am anderen Ende verwirrt.

Entsetzt knallte sie den Hörer auf und blickte ihren Arbeitgeber an. Ryan betrachtete sie mit dem Ausdruck leichter Verwunderung, zog die Augenbrauen hoch und stolzierte auf ihre Seite des Schreibtischs. Fiona saß immer noch wie versteinert in ihrem Stuhl und starrte auf das Telefon. Hinter ihr angekommen, beugte er sich hinunter und raunte ihr sehr bestimmt ins Ohr: »Solange wir die Einkaufsliste besprechen, sollten Sie besser den Anrufbeantworter einschalten.« Betont langsam setzte er sich auf die Kante ihres Schreibtischs, verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte sie entspannt von oben herab an. Augenscheinlich genoss er seine Überlegenheit in vollen Zügen.

Verzweifelt versuchte Fiona, sich auf die Informationsflut zu konzentrieren, die über sie hinwegbrandete. Bloß nicht die Fassung verlieren, bloß nicht die Fassung verlieren, betete sie stumm angesichts der Stichworte, mit denen ihr Chef um sich warf: Gleitcreme, dreißig Tuben; je fünfzig Fingerlinge mit großen und kleinen Noppen; Politur für die Sklavenliege – die, die so schön nach Orangen riecht; Lederfett und eine Nietenzange. Inbrünstig hoffte sie, die schnell hingeworfenen Silben auf dem Zettel hinterher noch entziffern zu können.

 

Mit einem Stoßseufzer drückte Fiona die schwere Messingklinke hinab und öffnete die Tür zu dem Raum, den Ryan Kerrigan hochtrabend als Weißen Salon bezeichnet hatte. Aus der Helligkeit der Lounge kommend, konnte sie in dem abgedunkelten Zimmer kaum etwas erkennen. Tastend griff sie um die Türzarge herum, irgendwo musste der Lichtschalter sein. Der Rahmen einer Steckdose untermauerte ihre Vermutung, dass sie auf dem richtigen Weg war. Nur eine Sekunde später flammte eine dezente Beleuchtung auf und tauchte den Raum in ein angenehmes Licht.

Die indirekten Beleuchtungselemente waren so geschickt hinter Plastiken arrangiert, dass sie neben dem Raum auch die Kunstwerke davor ins richtige Licht rückten. Wenn Fiona auch nicht viel von Kunst verstand, war sie doch sicher, dass diese Liebespaare in eindeutigen Posen wertvoll sein mussten. Das war bestimmt kein billiges Material, wohl eher Bronze. Prüfend berührte sie eine der figürlichen Darstellungen, die in Augenhöhe auf einem Bord stand: Sie fühlte sich kalt an, also auf jeden Fall eine Art von Metall und keine Plastikkopie.

Über dem weißen Kingsize-Bett in der Mitte des Raumes prangte ein Sternenhimmel aus LED-Dioden, die in eine große Spiegelfläche eingelassen waren. Eine todschicke weiße Ledercouch, zwei Cocktailsessel und ein weißer Tisch, die auch in ihrem WG-Wohnzimmer eine gute Figur gemacht hätten, standen als Sitzgruppe zusammen. Umrahmt wurde das Ensemble von halbhohen, eleganten Schränken, ebenfalls weiß. Kein Wunder, dass Ryan diesen Raum Weißen Salon nannte.

Ein großer bogenförmiger Durchgang gab den Blick auf einen Whirlpool mit Platz für mindestens sechs Personen frei. Das war der Raum, den sie suchte – und wie von ihrem Chef beschrieben, lagen die Freudenspender auf dem halbhohen Sideboard. Mit einem mulmigen Gefühl schritt Fiona langsam darauf zu und ließ die enorme Anzahl aus der Ferne auf sich wirken. Diese Auswahl an Toys stellte locker alles in den Schatten, was sie von ihren Spaßbesuchen mit El und den anderen Mädchen im Sexshop kannte.

Wenn sie sich auch kaum vorstellen konnte, welches Vergnügen Frauen daran hatten, mit Plastiknachbildungen von Geschlechtsteilen zu spielen, brachte sie doch ein gewisses Maß an Verständnis für die Begeisterung an Männern in Teilen auf. Welche tiefe Verbindung mochte es wohl aber zu Monstern in Baseballkeulen-Format geben? Oder zu den ganz Kleinen, die eher aussahen wie Eispickel, die neben den zweigeteilten neonfarbenen Plagiaten lagen. Ob die wohl ein TÜV-Zertifikat hatten? In Kinderspielzeug war die Menge an Schadstoffen per Gesetz begrenzt. Ob das wohl auch für diese Gummiliebhaber galt? Man steckte sie zwar nicht in den Mund … oder vielleicht doch? Aber andere Körperöffnungen würden doch bestimmt auch empfindlich auf den Kontakt mit Schadstoffen reagieren …

Vorsichtig ließ Fiona ihre gerümpfte Nase über das Ensemble der Dubletten gleiten, ehe sie sich traute, mit spitzen Fingern eine schneeweiße Reproduktion hochzunehmen. Sie ließ das Ding auch genauso schnell wieder fallen und wurde von einem Ekelanfall durchgeschüttelt. Igitt! Wenn sie sich vorstellte, wer den schon mal wo an oder in sich gehabt haben könnte, wurde ihr schlecht. Ihr Kopf schnellte suchend herum: ob es hier irgendwo Gummihandschuhe gab? Oder wenigstens Desinfektionsmittel? Und wie überprüfte man bei so einem Ding den Batteriestatus? Da half nur eins: beherzt wieder zugreifen, anstellen und abwarten, was geschehen würde.

Blieb nur noch die Frage zu klären, wie man diese Dinger zum Laufen brachte? Am unteren Ende des weißen Imitats waren zwei Knöpfe zu sehen. Ohne das Teil erneut in die Hand zu nehmen, drehte Fiona vorsichtig an einem der Regler und erstarrte augenblicklich: Der weiße Gummistab fing an, sich auf der Holzoberfläche zu bewegen! Eine Schnur von Perlen, die das obere Drittel umlief, begann, sich zu drehen, und die Spitze zuckte hin und her. Wie von Zauberhand fing das ganze Ding, durch die gegensätzlichen Bewegungen, an, auf dem Sideboard zu tanzen. Aber irgendwie sah das alles ein wenig stockend aus. Wenn er auch noch ein Lied dabei gespielt hätte, wäre es perfekt gewesen, aber das Einzige, was der weiße Gummistab von sich gab, war ein merkwürdiges Brummen.

 

»Die sind alle neu!«, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Fiona wirbelte herum. Ryan hatte sich unbemerkt angeschlichen und anscheinend ihre Gedanken gelesen. Er nahm den weißen Gummistab in die Hand und schraubte mit einem gekonnten Griff an den Knöpfen herum. Sofort begann das weiße Monster, in seiner Hand die aberwitzigsten Verrenkungen zu machen, und es sah aus, als wolle der Vibrator unbedingt in ihre Richtung springen. Fiona wurde blass.

Lass ihn bloß nicht frei, hätte sie am liebsten geschrien und verließ fluchtartig den Raum.

Ryan Kerrigan musste sich den Mund mit beiden Händen zuhalten. Hoffentlich bekam sie nicht mit, dass ihm vor Lachen die Tränen kamen. Bisher hatte er die Nummer mit jeder neuen PA durchgezogen, und jedes Mal waren sie darauf hereingefallen.

Quell der Freude

Fiona trank den letzten Schluck Kaffee, betrachtete noch einmal den exklusiven Porzellanbecher, bevor sie ihn auf dem Schreibtisch abstellte und begann, den Stapel Post zu sortieren, den sie vom Briefkasten mitgebracht hatte. Das melodische Klingeln, das den Fahrstuhl ankündigte, ertönte im Flur. Erwartungsvoll sah sie von ihrer Arbeit auf. Ein gut gelaunter Ryan Kerrigan stieg aus dem Aufzug und war anscheinend nicht um Diskretion bemüht – jedenfalls nicht Fiona gegenüber.

»Entschuldige, der Fahrstuhl … aber natürlich, Sybil … Ich freue mich auch, dich zu sehen, und wir werden genau dort weitermachen, wo wir beim letzten Mal aufgehört haben.« Von einem lasziven Lachen gekrönt, schnurrte er seine Worte ins Smartphone. »Wo darf ich uns einen Tisch bestellen? Was hältst du von Theater? Ja, das soll sehr gut sein. Hm, ich sehe, was ich tun kann. Ich melde mich so schnell wie möglich, vielen Dank für deinen Anruf.« Er schien auf dem Display noch einige Nachrichten zu kontrollieren, ehe er direkt auf Fiona zukam. »Sorry, dass ich Sie gestern so ins kalte Wasser geworfen habe, schlimm?«, fragte er mit einem entwaffnenden Lächeln. Fiona schüttelte den Kopf, einen leicht sarkastischen Ausdruck konnte sie aber nicht verhindern. »Heute Vormittag habe ich Zeit, Ihnen alle Fragen zu beantworten. Ich hole mir einen Kaffee, darf ich Ihnen auch noch einen mitbringen? Oder möchten Sie etwas anderes trinken?«

Fiona lehnte dankend ab und war gespannt auf das, was gleich geschehen würde.

 

»Sie sind meine vierte PA in einem Jahr«, plapperte Ryan Kerrigan mit entwaffnender Offenheit.

»Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum …«, knurrte Fiona leise vor sich hin. Erschrocken sah sie ihren Chef an, doch der inspizierte nur unverbindlich seine manikürten Fingernägel.

»Die sind alle binnen kürzester Zeit schwanger geworden …« Fiona klappte die Kinnlade herunter. »Nein, nein, nicht von mir«, winkte er mit großzügiger Geste ab, beugte sich zu ihr hinüber und flüsterte verschwörerisch: »Ich habe den Verdacht, das steckt an, weil das Klima hier so anregend ist!«

Fiona entschloss sich, die unflätige Bemerkung zu ignorieren, und fragte stattdessen: »Wie sieht mein Tagesablauf hier im … im …?« Ihr fehlten die Worte. Wie nannte man dieses Etablissement? Puff? Einmannpuff?

»Sagen Sie einfach Studio. Wir nennen es Studio.« Ryan Kerrigan hatte sein strahlendstes Lächeln aufgesetzt.

»Danke – wie sieht mein Tagesablauf im Studio aus?«

»Sie kümmern sich in erster Linie um meinen Terminkalender.«

»Ich vereinbare die Termine?« Das Unbehagen war ihr deutlich anzusehen. Was für Fragen werden da wohl auftauchen? Und vor allem, wie soll ich die beantworten?

Doch Kerrigan beruhigte sie, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Im Normalfall gibt es keine aufwendigen Gespräche zu führen. Ich würde es eher ›Terminverwaltung‹ nennen. Jedenfalls, was die Klientinnen betrifft. Wenn eine Klientin tatsächlich bei Ihnen landet, notieren Sie das Anliegen, und ich rufe zurück.«

»Das ist gut …« Erleichtert atmete Fiona auf.

»Ja, das ist gut. Es wäre für Sie schwierig, einige Fragen zu beantworten. Was sollten Sie auch sagen, wenn Sie gefragt werden, wie groß ich bin?« Ein charmantes Lächeln umspielte seine Lippen.

»Ich würde sagen, einen Meter neunzig«, erwiderte sie arglos.

Ryan Kerrigan verzog keine Miene. Langsam sank er in seinem Sessel zurück, presste die Handflächen mit leichtem Druck gegeneinander und positionierte seine Fingerspitzen unter dem Kinn. Er setzte wieder ein unverbindliches Lächeln auf und erklärte mit sehr ruhiger und leiser Stimme: »Ich danke Ihnen für Ihr Zutrauen, aber ich denke, wenn Sie die Information herausgeben würden, hätten Sie ein ziemliches Problem mit der Terminverwaltung – und ich, weil der Tag nur vierundzwanzig Stunden hat.«

Fiona schnappte nach Luft und schloss entsetzt die Augen. Oh bitte, einmal das ganz große Loch im Boden – exklusiv für mich! Doch als sie die Augen wieder öffnete, saß sie noch immer an ihrem Schreibtisch und Ryan Kerrigan ihr schräg gegenüber in seinem Sessel. »So etwas werden Sie gefragt?« Die Bestürzung in ihrem Blick sprach Bände. »Das ist ja wie auf einem Viehmarkt. Was soll man denn auf so eine Frage antworten?«

»Am besten die Wahrheit, alles andere wäre zwecklos. Spätestens, wenn ich mich ausziehe, würden die nackten Tatsachen sowieso ans Licht kommen«, konterte Ryan Kerrigan trocken. Er strich sich mit den Händen über den Kopf, die Haare aus dem Gesicht. »Ja, das Leben ist hart in meinem Job. Die Frauen wollen alle nur das eine von mir …« Ein dramatischer Seufzer unterstrich seine Aussage.

»Gibt es so etwas wie eine Preisliste?« Fiona zog nachdenklich die Stirn kraus und war sich wieder mal nicht bewusst, die Frage laut gestellt zu haben. Wie berechnete man wohl Sex, und in welcher Einheit wurde abgerechnet? Erfolgsprämie? Oder ging es danach, welche Körperteile in welche Körperöffnungen geschoben würden? Unbewusst verzog sie das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.

»Preisliste, hm, ja, das wäre eine Idee. Sie könnten eine entwerfen. Ich bin schon sehr gespannt.« Ryan Kerrigan lächelte entwaffnend. »Da sollten wir uns dann noch mal ganz in Ruhe zusammensetzen. Ich müsste Ihnen schließlich erklären, was ich so anbiete, und vor allem, was meine Spezialitäten sind.« Er beugte sich in seinem Sessel vor und senkte die Stimme zu einem Flüstern herab. »Am einfachsten wäre es natürlich, wir spielten alles einmal durch, und Sie sagen mir aus Frauensicht, welche Dienstleistung wir wie bewerten können!«

Fiona schnappte nach Luft. Verstand sie ihren Chef richtig? Machte er ihr gerade ein unsittliches Angebot? Diese Provokationen schienen ihm richtig Spaß zu machen.

Pfeifend und ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er den Raum in Richtung Weißen Salon.

 

Knappe zwanzig Minuten später hörte Fiona ein Rufen. Es dauerte eine Zeit, bevor sie begriff, dass es ihr Name war. »Miss Lane!« Da war es wieder. Sie stand auf und machte sich auf die Suche nach der Quelle. Es war eindeutig Ryan Kerrigans Stimme. Aber woher kam sie? Fiona klopfte an die Tür und trat in den Weißen Salon. Niemand war zu sehen. Sie wollte die Tür gerade wieder zuziehen, da hörte sie ihn erneut.

»Miss Lane, ich bin hier im Whirlpool!«

Durch den Rundbogen gelangte sie in den Nebenraum – und tatsächlich, ihr Chef saß mit entspannter Miene und zurückgelegtem Kopf im Pool. Das schwach blubbernde Wasser reichte ihm bis zur Brust, seine muskulösen Arme hatte er auf dem Rand ausgebreitet.

»Sie gehen auch mit den Klientinnen in den Whirlpool? War denn jemand hier?«

»Nein, heute genieße ich den Pool allein. Man kann in diesen Dingern wunderbar entspannen. Dabei kommen mir die besten Ideen.«

Ja, schon klar! Das war wieder eine seiner Aktionen, um sie herauszufordern. Aber warum nur? Der musste mächtig Langeweile haben. Fiona ging um den Whirlpool herum. Das bodentiefe Fenster gleich dahinter gab den Blick auf den Tower, die City Hall und das Bankenviertel frei. Ein wunderschöner … ein sehr exklusiver Ausblick.

Ryan schien ihre Gedanken zu lesen, auch wenn er Fiona nicht sehen konnte. »Solange Sie das Licht nicht einschalten, kann man hier nicht hineinsehen. Und ansonsten sind da die großen Vorhänge. Ich meine nur, wenn Sie um meinen guten Ruf besorgt sind!« Innerlich schüttelte Fiona über seine letzte Bemerkung den Kopf. Aber so ein Whirlpool, das musste eine tolle Sache sein. »Möchten Sie mir nicht Gesellschaft leisten?«

Da war sie wieder, die Tonlage, wenn er seine Stimme zu diesem sexy Singsang herabsenkte. Fiona schüttelte langsam den Kopf. Mit meinem Chef im Pool? Womöglich auch noch nackt?

Ein Lächeln huschte über Kerrigans Gesicht, es war nicht schwer zu erraten, was seine Assistentin bewegte. »Ich bin gleich fertig … Es wäre schade um das schöne warme Wasser. Soll ich es für Sie drin lassen?« Fiona war immer noch nicht überzeugt. »Machen Sie sich keine Gedanken, Sie können alles genau so lassen, wie es ist. Um 20.00 Uhr kommt die Raumpflegerin, sie wird sich um den Pool kümmern. Na, ist das ein Angebot?«

***

Fiona war unsicher. Sollte sie sich ganz ausziehen? Nein, BH und Slip wollte sie anbehalten, das gab ihr ein Bikinigefühl von Sicherheit. Sie war noch weit davon entfernt, sich in diesen Räumen heimisch genug zu fühlen, um nackt in diesen Whirlpool zu steigen. Prüfend steckte sie ihren großen Zeh in das Wasser – herrlich warm. Sie ließ sich hineingleiten. Entspannt sank ihr Kopf auf das Kissen hinab, und sie drückte die Knöpfe der Fernbedienung in der Reihenfolge, wie Ryan Kerrigan es ihr erklärt hatte. Anfangs war da nur ein leichtes Brausen, doch es schwoll durch Millionen von explodierenden Wasserbläschen schnell zu einem ohrenbetäubenden Tosen an. Zu ihrer Überraschung gab es in dem wild bewegten Wasser sogar einen leichten Auftrieb. Es hatte beinahe etwas von Schweben. Und gleichzeitig wurde die gesamte Körperrückseite von dem Wasserdruck auf angenehme Art durchgeknetet. Sie begann zu verstehen, was ihr Chef an diesem Vergnügen schätzte.

»Wunderbar entspannend, nicht wahr?«

Fiona riss die Augen auf und blickte in ein Paar dunkelblauer Augen, die sich, ihr direkt gegenüber, der brodelnden Wasseroberfläche immer weiter näherten. Sie hatte ihn nicht hereinkommen hören – weder in den Raum noch in den Pool – und konnte jetzt nur noch mit Entsetzen zur Kenntnis nehmen, dass Ryan Kerrigan sich in aller Seelenruhe in das warme Wasser setzte. Die Nerven möchte ich haben!

»Ich muss erst in einer Stunde los, Carolyn hat gerade angerufen und den Termin verschoben.« Seinem Gesicht nach zu urteilen, bedauerte er diesen Umstand nicht. »Ich dachte, da können wir noch schnell etwas besprechen. Ist doch okay, oder?« Mehr als ein stummes Nicken brachte Fiona nicht zustande. Aber das war auch nicht nötig. Ryan Kerrigan überschüttete sie mit einem Vortrag über die Annehmlichkeiten und Unannehmlichkeiten moderner Kommunikationsmittel und wie schwierig es heute sei, die immer größer werdenden Ansprüche der Umwelt zu erfüllen. »In Ruhe werde ich nur gelassen, wenn ich nackt bin … na ja, fast.« Er grinste. »Aber zumindest erwartet dann niemand von mir, dass ich ans Handy gehe!«

Fionas Nervenkostüm zeigte angesichts der intimen Nähe erste Ausfallserscheinungen. Was sollte sie jetzt tun? Von Entspannung keine Spur mehr. Der Kloß in ihrem Hals wuchs unaufhörlich, sie begann, ihre Finger ineinander zu verkrallen, und versuchte krampfhaft, ihre Gedanken zu sortieren. Plötzlich tauchte die Überlegung vom Vortag in ihrem Kopf auf – dass in diesem Pool locker sechs Personen Platz hätten. »Machen Sie auch Gruppensex?«

»Warum? Wollten Sie mich als Ehrengast zu Ihrer nächsten Gang Bang einladen?« Fiona lief knallrot an und überlegte kurzfristig, sich im Pool zu ertränken, weil es schlimmer wohl nicht mehr kommen konnte … und dann kam es schlimmer: Ihr Chef stand unvermutet auf und präsentierte sich von seiner besten Seite. Im vollen Bewusstsein seines schönen Körpers rekelte er sich noch einmal dekorativ und streifte das Wasser so geschickt mit den Händen von den Oberschenkeln, dass es Fiona ins Gesicht spritzte. »Und da wir zusammen nackt im Pool waren, können wir uns doch auch eigentlich duzen, oder?« Er machte immer noch keine Anstalten, etwas zu bedecken oder zumindest aus ihrem direkten Blickfeld zu nehmen. Irritiert starrte Fiona auf die Tätowierung: die fremdartigen Schriftzeichen, die unterhalb seines Bauchnabels begannen und knapp oberhalb seines Schambereichs endeten. »Damit die Ladys etwas zu lesen haben«, bemerkte er beiläufig und sprang mit einem eleganten Satz aus dem Pool. »Lass dir ruhig noch Zeit! Und damit du die Handtücher nicht verfehlst, mache ich dir das Licht an.«

***

Ryan Kerrigan hatte es sich mit einem Kaffee im Foyer bequem gemacht. Sein Kennerblick erfasste sofort, dass Fiona den nassen BH und Slip in der Hand zusammengeknüllt trug, als sie an ihren Schreibtisch zurückkehrte.

»Ist das nicht ein wenig kratzig in der Jeans, so ganz ohne Slip?«, fragte er scheinheilig. Fiona war nahe daran, ihm die nassen Sachen an den Kopf zu werfen. »Darf ich dir auch einen Kaffee holen?« Eine Antwort wartete er nicht ab. Ein paar Minuten später überreichte er Fiona mit der rechten Hand einen Kaffeebecher, mit der linken eine kleine Plastiktüte. »Ich glaube, darin sind die nassen Sachen besser aufgehoben als in deiner Handtasche oder im Schreibtisch.« Sein Tonfall klang versöhnlich – aber nur für eine Sekunde, dann legte er sofort wieder los. »Wenn ich es mir recht überlege … vielleicht sollten wir das hier als Unternehmenskleidung einführen. So ohne Unterwäsche, meine ich, aber ich glaube, da spielt die Gewerkschaft nicht mit. Könntest du das recherchieren?« Fröhlich pfeifend ging Ryan Kerrigan in Richtung Fahrstuhl. »Halte bitte die Stellung bis 18.00 Uhr, ich muss los. Ich freue mich schon auf morgen!« Er hielt eine Hand zwischen die Aufzugtüren, damit sie sich nicht schließen konnten, und steckte seinen Kopf noch einmal heraus. »Und ganz ehrlich, einen BH hast du gar nicht nötig.«

Eine Nacht – nur für dich!

Was sind das eigentlich für Frauen, die dich buchen?«

»Vor allem solche, die es sich leisten können.« Ryan lachte. »Hast du eine Vorstellung davon, was ich für einen Stundenlohn habe?« Fiona zuckte die Schultern. »Für einen Abend, das sind zwei bis maximal drei Stunden, nehme ich tausend Pfund. Alles darüber zählt als ganze Nacht und kostet zweitausendfünfhundert Pfund. Du kannst dir sicher vorstellen, dass es nur Frauen mit entsprechendem finanziellen Hintergrund sein können. Und die meisten sind Stammklientinnen.«

Fiona wusste kaum, was sie sagen sollte. »Für mein Gehalt arbeitest du eine Nacht?«

Schallendes Lachen. »So habe ich das noch nie betrachtet, aber das finde ich gut, die Rechnung finde ich gut. Also, eine Nacht gehört dir ganz allein. Prinzessin, die mache ich nur für dich!« Fiona schüttelte immer noch den Kopf und wunderte sich: Er hatte sie Prinzessin genannt. »Ich muss direkt überlegen, was ich sonst noch so einspiele … Also … zwei Nächte die Miete hier, eine Nacht der Unterhalt fürs Penthouse, eine Nacht Benzin und Versicherung für den Ferrari …«

»Du hast einen Ferrari?« Das »Ja!« kam ihm mit so einer Selbstverständlichkeit über die Lippen, als würde ihn Fionas Nachfrage in komplettes Erstaunen versetzen. »Wenn ich mir überlege, wen du … äh … was du für den Ferrari so alles hast leisten müssen.« Fionas Kopfkino begann sofort, alle Clips abzuspielen, die sie bis jetzt in Bezug auf sexuelle Handlungen und Ryan abgespeichert hatte – und das waren einige.

»Das wäre bei zweihundertfünfzigtausend Pfund wirklich sehr zeitraubend, aber der Wagen war ein Geschenk, ein Dankeschön.«

»Eine Viertelmillion … und die hast du geschenkt bekommen?« Fiona war sich nicht sicher, ob sie sich vorstellen wollte, was ihr Chef für diese Luxuskarosse getan hatte. »Wie viele Leute musstest du denn dafür umbringen?« Für einen Sekundenbruchteil hatte Fiona das Gefühl, ihrem Gegenüber würden sämtliche Gesichtszüge entgleiten, aber dann setzte er sofort wieder sein Strahlemann-Lächeln auf.

»Genau das Gegenteil ist der Fall. Ich habe dafür gesorgt, dass ein sehr, sehr reicher Mann einen Erben bekommen hat.«

Fiona starrte ihn ungläubig an. »Als Samenspender?«, rutschte ihr unkontrolliert und voller Entsetzen heraus. Ryan Kerrigan kostete seinen großen Auftritt in vollen Zügen aus. Genüsslich ließ er sich in seinen Sessel zurückfallen, streckte die Beine weit von sich und verschränkte die Arme demonstrativ vor der Brust. Er zog eine Augenbraue hoch, grinste breit und schüttelte ganz langsam den Kopf. »Du hast …«, Fiona schluckte trocken, »du hast seine Frau … also ich meine … mit seiner Frau … du … ihr?«

»Sprich es doch ruhig aus. Du wolltest fragen, ob ich eine Lebendspende geleistet habe! Wir hatten eine Menge Spaß.« Ryan seufzte laut, als würde er eine sehr schöne Erinnerung noch einmal Revue passieren lassen.

»Na, wer es braucht …« Fiona konnte einen leicht angewiderten Gesichtsausdruck nicht verbergen.

»Prinzessin, entspanne dich! Ich habe mit dem Nachwuchs nichts zu tun, also jedenfalls nicht als Erzeuger. Ich habe nur dafür gesorgt, dass es bei den beiden im Schlafzimmer wieder rundläuft. Der arme Mann hatte Potenzprobleme. Nachdem er dann einige Male zugesehen hat, wie ich seine Frau sehr, sehr glücklich gemacht habe, hat das auf ihn wie ein Jungbrunnen gewirkt. Ich habe ihm beigebracht, wie er seine Frau erziehen kann. Als sie dann einen gesunden Jungen zur Welt gebracht hat, hat er mir als Dankeschön das Auto vor die Tür gestellt.«

»Du unterrichtest auch noch, wie man andere unterdrückt?«

»Irgendwie hast du ein verschobenes Weltbild.« Ryan schüttelte lachend den Kopf.

»Ich habe ein verschobenes Weltbild?« Fiona schnappte nach Luft. Warum machte der Mann sich über alles lustig?

»Ja, schon ein wenig«, lachte er und rieb sich innerlich die Hände. Es machte ihm diebischen Spaß. Auf die Nummer sprang Fiona mit der Zuverlässigkeit eines deutschen Automobils an. »Meine Güte, Prinzessin, hast du mit deinem Schatz noch nie irgendwelche Bondage-Spielchen gemacht? Fesseln, Augenverbinden und so …«

»Bestimmt nicht.«

»Wenn du eure Beziehung irgendwann ein bisschen aufpeppen willst, sag Bescheid. Ihr könnt auch gemeinsam kommen, dann zeige ich euch, was Spaß macht.« Rhythmisch ließ er die Reitgerte gegen seine Lederhose schwingen.

Fiona wusste nicht, was sie sagen sollte. Er war so attraktiv, so stolz und sexy. Und im gleichen Moment ärgerte sie sich über sich selbst: Wie konnte sie sich nur von so einem Macho angezogen fühlen? Solche Männer waren Relikte aus einer längst vergangenen Zeit – und schon gar keine Männer für eine moderne Frau, wie sie eine war. Selbst ihre Mutter gehörte nicht mehr zu der Generation, die sich von ihrem Ehemann Vorschriften machen ließ. Und jetzt kam Ryan Kerrigan in seiner selbstverliebten Herrlichkeit daher und fegte mit einem Handstreich alle Bemühungen, für die Frauenrechtlerinnen jahrzehntelang gekämpft hatten, weg. Am liebsten würde sie ihm die Reitgerte …