Carleton - Thomas Hürlimann - E-Book

Carleton E-Book

Thomas Hürlimann

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Beschreibung

Amerika, zu Beginn des 20. Jahrhunderts: In Kansas, dem Kornspeicher der Vereinigten Staaten, wächst nichts mehr, der Boden ist ausgelaugt und verödet. Dorthin kommt Carleton, Agronom und Abgesandter der Regierung in Washington. Er soll das Land wieder fruchtbar machen. Auf der Suche nach dem widerstandsfähigsten Getreide reist er nach Russland, in die Steppen und Eiswüsten. Und er wird fündig: Mit einem russischen Wunderweizen wird in Amerika der Hunger besiegt, Reichtum schwappt über das Land. Doch der Überfluss erzeugt eine neue Krise. Und wieder ist Carleton zur Stelle und begibt sich auf eine halsbrecherische Reise, um Amerika zu erlösen. Carleton selbst aber kann von dem Reichtum nicht profitieren. Er bleibt sein Leben lang ein armer Hund.

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Seitenzahl: 74

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Thomas Hürlimann

Carleton

Ein Stück

 

 

Über dieses Buch

 

 

Amerika, zu Beginn des 20. Jahrhunderts: In Kansas, dem Kornspeicher der Vereinigten Staaten, wächst nichts mehr, der Boden ist ausgelaugt und verödet. Dorthin kommt Carleton, Agronom und Abgesandter der Regierung in Washington. Er soll das Land wieder fruchtbar machen. Auf der Suche nach dem widerstandsfähigsten Getreide reist er nach Russland, in die Steppen und Eiswüsten. Und er wird fündig: Mit einem russischen Wunderweizen wird in Amerika der Hunger besiegt, Reichtum schwappt über das Land. Doch der Überfluss erzeugt eine neue Krise. Und wieder ist Carleton zur Stelle und begibt sich auf eine halsbrecherische Reise, um Amerika zu erlösen. Carleton selbst aber kann von dem Reichtum nicht profitieren. Er bleibt sein Leben lang ein armer Hund.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Impressum

 

 

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

© 2018 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main

Die Originalausgabe erschien 1996 im Ammann Verlag, Zürich

Covergestaltung: Nicole Lange, Darmstadt

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-490865-6

 

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Inhalt

[Zitat]

[Einleitung]

Personen

I Der Stoff

II Die Ebene hungert

III Die Reise nach Russland

IV Der Kornvulkan

V Die Reise in den Weltkrieg Spaghetti Total

VI Die Reise in den Gummiwald

VII Adieu

Uraufführung

Erstaufführung in Deutschland

CARLETON Ein Stück von Thomas Hürlimann

»Unendlichkeit, wo Lilien sind wie Gift und Schlangen wie Libellen: zart und tödlich in einem«

Gottfried Benn

Das Stück erzählt eine wahre Begebenheit. Gottfried Benn wollte in den frühen dreißiger Jahren ein Libretto für Paul Hindemith verfassen, Thema: Carleton.

Carleton wurde 1866 in Jerusalem, Ohio, geboren und starb im April 1925 in Paita, Peru, an akuter Malaria. Er ernährte die Welt, aber nicht seine Familie. Er machte Amerika zum großen Kornland und blieb selbst ein armer Schlucker.

Aus dem Libretto ist nichts geworden. Da schrieb Benn Gebührt Carleton ein Denkmal? Diesem Essay sowie dem Buch The Hunger Fighters von Paul de Kruif habe ich die Daten und Fahrten Carletons entnommen.

PERSONEN:

In Berlin, in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1933:

 

Dr. Gottfried Benn

 

Jule Leibowitz

 

Gertrud Hindemith, die Gattin des Komponisten

 

Patient

 

 

In Amerika, Rußland, Langemarck, Peru:

 

Carleton, Agronom des Agrarministeriums Washington

 

Amanda Carleton-Faught, seine Frau

 

Lucy, die Tochter der Carletons

 

Angus Fixter

 

Wark, Prediger, dann Unternehmer

 

Jackrabbit

 

Der Kornhändler und seine Frau

 

Kapturak

 

Ein Zuhälter mit seiner Nutte

 

Revolutionär

 

Abraham, Wanderer zwischen Rußland und Amerika

 

Sarah, seine Frau

 

Truffaldino

 

Zwei Zöllner

 

Unterleutnant

 

Soldat

 

Der Tod

 

Koch

 

Die Arnholt-Sisters

 

Farmer, Sichler, Auswanderer, Hüte, Angestellte

IDer Stoff

Berlin, 30. Januar 1933.

Praxis Dr. Gottfried Benn.

Dr. Benn, im Arztkittel. Jule Leibowitz tritt ein, mit einem Koffer.

DR. BENN

Ihren Krankenschein.

(Sie steht. Er blickt auf.)

Leibowitz?

JULE LEIBOWITZ

Heimgekehrt.

(Draußen marschiert SA.)

DR. BENN

(ins Sprechgerät.) Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler macht diesen Tag zum Feiertag. Erkläre meine Praxis für geschlossen.

(Zu Jule Leibowitz.) Mein Gott, Jule, sind Sie noch bei Trost? Sie haben Deutschland rechtzeitig verlassen.

JULE LEIBOWITZ

Papa sang uns ganze Partien aus dem Ring vor. Ohne Goethe kann ich nicht fühlen, ohne Nietzsche nicht denken.

DR. BENN

Die können Sie auch in den Staaten lesen.

JULE LEIBOWITZ

Und mit wem rede ich über Ihre Gedichte, Herr Doktor Benn? Drüben wurde mir klar, daß ich eine deutsche Züchtung bin.

DR. BENN

Unsere Wissenschaft ist gerade dabei, das semitische Element als Fremdkörper herauszuschälen.

Ein Patient.

DR. BENN

Die Praxis ist geschlossen.

PATIENT

Auch für einen alten Frontknochen? Meine Lunte ist entzündet.

DR. BENN

Kommen Sie morgen wieder.

PATIENT

Deutschland!

DR. BENN

Deutschland!

(Patient ab.)

DR. BENN

(ins Sprechgerät.) Falls die Hindemith kommt: Ich habe einen komplizierten Fall. Irgendwas Ansteckendes.

SPRECHGERÄT

Deutschland!

DR. BENN

(schluckt eine Tablette.) Der Magen.

JULE LEIBOWITZ

Sie sind bleich.

DR. BENN

Habe seit Tagen nichts gegessen.

(Straße: Deutschland den Deutschen! Juda verrecke!)

DR. BENN

Jule Leibowitz …

JULE LEIBOWITZ

Jaja, Benn, um große Dinge muß es sich handeln, wenn es so laut zugeht.

(Deutschland den Deutschen!)

DR. BENN

Fürchte, muß deutlich werden. Bin liiert. Sie kann jeden Augenblick hereinplatzen.

SPRECHGERÄT

Gertrud Hindemith.

DR. BENN

Die Frau unseres ersten Tonsetzers. Hinlegen!

JULE LEIBOWITZ

Nein, Benn, das geht nicht. Das kann ich nicht.

DR. BENN

Mensch, Jule, Hitler ist Kanzler, das Volk schöpfungsnah, die Geschichte tätig, und ausgerechnet an diesem Tag: du.

JULE LEIBOWITZ

Verlange ich, daß wir gleich heiraten und den Sumpf der biologischen Erbmischung vergrößern?

DR. BENN

Leg dich bitte auf den Stuhl!

Gertrud Hindemith, in Gala, tritt ein.

GERTRUD HINDEMITH

Gottfried, wo bleiben Sie! Ganz Berlin stürzt sich in einen Fasching, und Sie plagen sich mit einer Syphilis ab?

(Jule Leibowitz verschwindet hinter den Wandschirm.)

GERTRUD HINDEMITH

Mein Mann ist sehr, sehr ungeduldig. Große Zeiten wollen große Opern.

DR. BENN

Ja, Gertrud, soviel Anfang war noch nie.

GERTRUD HINDEMITH

Dann greifen Sie zu! Seien Sie kreativ!

(Leise.) Wenn ihr am Libretto arbeitet, können wir uns täglich sehen.

DR. BENN

Ich habe eine Patientin hier.

JULE LEIBOWITZ

Hello!

GERTRUD HINDEMITH

O, eine Amerikanerin?

JULE LEIBOWITZ

Yes, Ma’m.

GERTRUD HINDEMITH

Und ich dachte schon, Ihnen sei wieder eine Ihrer Jüdinnen zugeflogen. Dafür haben die eine feine Witterung. Wie die Motten zum Licht flattern sie auf einen Herrn von Rasse zu. Sehen wir uns im Kempinski? Der Fackelzug wird gigantisch, Gottfried, Deutschland erwacht!

DR. BENN

Deutschland!

GERTRUD HINDEMITH

Ick liebe dir.

(Ab.)

Jule Leibowitz tritt hinter dem Schirm hervor, in schwarzem Dessous.

(Benn steht.)

JULE LEIBOWITZ

Ich habe etwas für dich.

DR. BENN

Zieh dich an.

JULE LEIBOWITZ

Stoff.

(Sie öffnet den Koffer.)

Unterwegs in den Staaten las ich ihn auf.

Aus dem Koffer: Carleton.

CARLETON

Gestatten:

(Devot.) Carleton. Agronom.

JULE LEIBOWITZ

Er lancierte den achten Schöpfungstag.

CARLETON

Im Dienst des Agrarministeriums.

JULE LEIBOWITZ

Er grub dem Hunger ein Grab. Er füllte den Brotkorb der Welt.

CARLETON

Meine Lucy hat Hunger.

JULE LEIBOWITZ

Und er hatte die Dollars nicht, der brave Carleton, seine Familie zu ernähren.

DR. BENN

Füllt den Brotkorb der Welt!

(Er schluckt eine Tablette.)

Und seine Familie hat Hunger.

JULE LEIBOWITZ

Gehts besser?

DR. BENN

Ich habe den Stoff für die Oper.

IIDie Ebene hungert

II, 1

Kansas, USA. Sommer 1890. Station in der Ebene.

Amanda Faught, eine junge, trotz der staubigen Hitze hochgeschlossene Frau, stapft mit ihrem Köfferchen. Angus Fixter, ein junger Mann.

FIXTER

Miss Faught! Miss Faught!

(Von fern nähert sich die Santa Fé.)

Sie wollen uns verlassen, Miss Faught?

AMANDA FAUGHT

Auf dieser Erde ist uns gegeben keine bleibende Stätte.

FIXTER

Wer spielt das Harmonium, wenn Sie fort sind?

AMANDA FAUGHT

Bald gibt es niemanden mehr, der die Kraft hat, einen Choral zu singen. Ich gehe, weil ich nicht will, daß der arme Prediger sein kümmerliches Brot mit mir teilen muß. Gott sei mit Ihnen, Angus Fixter!

FIXTER

Ich möchte Sie etwas fragen, Amanda. Etwas sehr Wichtiges.

AMANDA FAUGHT

Dann wollen wir Gott um seinen Beistand bitten.

(Fixter nimmt den Hut ab. Kurze Stille.)

AMANDA FAUGHT

Amen. Ihre Frage, Angus Fixter?

FIXTER

Amanda, ich besitze zwei Dampfmühlen. Ich bin jung, und ich – ich mag es, wie Sie singen.

AMANDA

Das ist mein Zug.

FIXTER

Amanda, noch gibt es draußen bei mir keinen Hunger. Ich bitte Sie, Amanda, werden Sie meine Frau.

(Quietschende Bremsen. Der Zug hält. Aus dem Zug, mit seinem Forschungsgepäck, u.a. Ombro-, Hydrou. Hygrometer, steigt:)

Carleton.

RUF

Kansas-City!

AMANDA

Sehr nett von Ihnen, Mister Fixter, wirklich, aber ich habe ein bißchen Geld gespart und mir diese Fahrkarte gekauft.

(Die Lokomotive pfeift.)

AMANDA

Ich muß einsteigen.

FIXTER

Bleiben Sie da!

CARLETON

(untersucht den Boden.) Steppe. Sand.

AMANDA

(mit Blick auf Carleton, zu Fixter.) Dampfmüller, kennen Sie den?

CARLETON

Es muß Dampfmühlen geben in Kansas.

(Die Lokomotive pfeift.)