CHARLIE'S GOOD TONIGHT - Paul Sexton - E-Book

CHARLIE'S GOOD TONIGHT E-Book

Paul Sexton

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Beschreibung

Taktgeber und Seele der Rolling Stones: Die offizielle und autorisierte Biographie über den am meisten bewunderten Drummer der Welt – inklusive Vorworte seiner Bandkollegen Mick Jagger und Keith Richards.      London, Sommer 1962: Eine neu formierte Band namens Rolling Stones ist auf der Suche nach einem festen Schlagzeuger. In ihrem Blickfeld: der zwanzigjährige Charlie Watts, ein überaus talentierter Jazz-Musiker, der in der lokalen Rhythm-and-Blues-Szene hohes Ansehen genießt. Watts übernimmt den Job mit den Worten: Mal sehen, wo ich in zwei Jahren spiele … Als Herzstück der Band und ruhender Gegenpol zu Mick Jagger und Keith Richards verpasste Watts keinen einzigen Beat mit der größten Rock-'n'-Roll- Band der Welt. Fast 60 Jahre trommelte er an der Seite der Glimmer Twins – von den Swinging Sixties, in denen die Stones Weltruhm erlangten, über die ausschweifenden Siebziger bis ins neue Jahrhundert der ausverkauften Stadiontourneen. Obwohl der Drummer in den Achtzigern mit eigenen Dämonen zu kämpfen hatte, schaffte er den Absprung und festigte letztlich seinen Ruf als kultivierter und besonnener Musiker, als Anti-Rockstar, dem die eigene Familie wichtiger war als alles andere. Der renommierte Musikjournalist Paul Sexton hat die Rolling Stones über 30 Jahre lang begleitet und hatte für sein vorliegendes Buch exklusiven Zugang zu den Bandmitgliedern und ihrem engsten Kreis sowie zu Charlie Watts' Familie. CHARLIE'S GOOD TONIGHT ist die autorisierte, offizielle und erstmalig erzählte Geschichte des Ausnahmemusikers.       »Charlie ist unser Motor – und ohne unseren Motor kommen wir nirgends hin.« Ron Wood

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CHARLIE'S GOOD TONIGHT

Der Autor

Paul Sexton ist Autor, Journalist und Radiomacher, der die Rolling Stones seit mehr als 30 Jahren begleitet und all ihre Mitglieder etliche Male interviewt hat. Für sein Buch über Charlie Watts bekam er exklusiven Zugang zum engsten Umfeld der Band und zur Familie des Schlagzeugers. Seine ersten musikjournalistischen Artikel schrieb er 1977 als Teenager für den Record Mirror, und viele seiner Reportagen und Interviews erschienen in namhaften Zeitungen wie The Times, The Sunday Times und dem Billboard Magazine. Zudem produzierte er unzählige Dokumentationen für BBC Radio 2. Er lebt im Süden Londons.   

Das Buch

London, Sommer 1962: Eine neu formierte Band namens Rolling Stones ist auf der Suche nach einem festen Schlagzeuger. In ihrem Blickfeld: Charlie Watts, ein zwanzigjähriger, überaus talentierter Jazz-Musiker, der in der lokalen Rhythm-and-Blues-Szene hohes Ansehen genießt. Watts übernimmt den Job mit den Worten: Mal sehen, wo ich in zwei Jahren spiele …Als Herzstück der Band und ruhender Gegenpol zu Mick Jagger und Keith Richards verpasste Watts keinen einzigen Beat mit der größten Rock-‘n‘-Roll-Band der Welt. Fast sechzig Jahre trommelte er an der Seite der Glimmer Twins – von den Swinging Sixties, in denen die Stones Weltruhm erlangten, über die ausschweifenden Siebziger bis ins neue Jahrhundert der ausverkauften Stadiontourneen. Obwohl er in den Achtzigern mit Dämonen zu kämpfen hatte, schaffte er den Absprung und festigte letztlich seinen Ruf als Gentleman und besonnener Musiker, als Anti-Rockstar, dem die eigene Familie wichtiger war als alles andere.Der renommierte Musikjournalist Paul Sexton hat die Rolling Stones über dreißig Jahre begleitet und hatte für sein vorliegendes Buch exklusiven Zugang zu den Bandmitgliedern und ihrem engsten Umfeld sowie zu Charlie Watts‘ Familie. Charlie’s Good Tonight ist die autorisierte, offizielle und erstmalig erzählte Geschichte des Ausnahmemusikers.

Paul Sexton

CHARLIE'S GOOD TONIGHT

Die autorisierte und offizielle Biographie von Charlie Watts

Aus dem Englischen von Dieter Fuchs und Kristian Lutze

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

© 2022 der deutschen Ausgabe:Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin© 2022 by Paul SextonAlle Rechte vorbehaltenRedaktion: Lars ZwickiesUmschlaggestaltung: zero-media.net,München nach einem Entwurf von Holly Macdonald© HarperCollinsPublishers Ltd. 2022Umschlagmotiv: Bent Rej Photography E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-8437-2881-2

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Inhalt

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Danksagung

Vorwort von Mick Jagger

Vorwort von Keith Richards

Vorspiel

Einleitung

1

2

Backbeat – Geliebte Shirley

4

Backbeat – Ein Meter dreiundsiebzig an Stil

5

6

Backbeat – A Man of Wealth and Taste

7

Backbeat – Ein Talent fürs Schenken

8

9

Bildteil

Nachwort

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Danksagung

Widmung

Im Gedenken an Mum und Dad,mit ewiger Dankbarkeit für ihreLiebe und Ermunterung

Danksagung

Diese Biographie wurde nur durch die engagierte Hilfe und Unterstützung von Charlies Familie, seinen Freunden und seinen Mitstreitern ermöglicht. Ganz besonders bedanke ich mich bei seiner Tochter Seraphina, seiner Enkelin Charlotte sowie seiner Schwester Linda. Sie haben mir mit der ganzen Zuvorkommenheit, die für die Familie typisch ist, dabei geholfen. Großer Dank geht auch an seinen ältesten Freund Dave Green, der über jede Pflicht hinaus bei der Beschaffung von Fotos und Dokumenten behilflich war; an das Team der Rolling Stones (speziell Joyce Smith, Paul Edwards, Bernard Doherty, Dave Trafford, Carol Marner, Rachel McAndrew und Sarah Dando) für Ermunterung und Bestätigung; sowie an alle weiteren Beitragenden (Bill Wyman, Tony King, Jools Holland, Glyn Johns, Lisa Fischer, Chuck Leavell, Don McAuley und viele andere), die Charlie ebenso sehr geliebt haben wie ich. Und natürlich stehe ich – wie schon so oft in den vergangenen Jahrzehnten – in der Schuld von Mick Jagger, Keith Richards und Ronnie Wood. Sie haben nicht nur ihre Erinnerungen beigesteuert, sondern mir auch ihre Zeit geschenkt, als sie für die SIXTY-Tour probten, die dann mit unverminderter Pracht in den Sommer 2022 rollte. Charlies Geist begleitete sie dabei, so wie auch alle anderen von uns.

Vorwort von Mick Jagger

Charlie war ein sehr unvoreingenommener Musiker, und sein Spiel besaß echte Raffinesse und Feinheit. Er hatte einen breit gefächerten Geschmack, mochte Jazz, Boogie-Woogie, Blues und Klassik genauso wie afrikanische Musik, Dance, Reggae oder stupide Popsongs, die zufälligerweise gut waren. Die Leute sagen immer, er sei so ein großer Jazzfan gewesen, aber er war mehr als das. Wer ihn ausschließlich so bezeichnet, wird seinem Musikgeschmack und dem, was er gerne spielte, nicht gerecht.

Es ist fast schon ein Mythos, dass Charlie nicht ausging. Natürlich tat er das. Wir sind zusammen zu Sportveranstaltungen und in alle möglichen schicken Läden gegangen, um dort etwas zu essen oder Musik zu hören. Im Studio haben wir oft nur zu zweit gespielt, die unterschiedlichsten Musikstile, wenn die anderen sich schon auf den Heimweg gemacht hatten oder noch keiner da war. Manchmal spielte er diese afrikanischen Rhythmen, und was er da machte, war immer wieder faszinierend. Er war kein wahnsinnig technischer Drummer, aber er lernte schnell. Wenn er also einen neuen Rhythmus entdeckte, war er fast nicht zu bremsen.

Charlie war ein großer Klassikfan. Er mochte Dvořák, Debussy, Mozart, und wir zwei haben uns Stockhausen und Mahler angehört. Wir hörten auch zeitgenössische Komponisten und fragten uns dann, was zum Teufel sie da machten.

Er war intelligent, ein Mann der leisen Töne, konnte aber auch sehr direkt sein und sagen, was er dachte. Er hielt sein Privatleben äußerst privat, doch wir verstanden beide sehr gut, was im Kopf des anderen vorging. Charlie war ein äußerst ruhiger Mensch, aber er besaß einen großartigen Humor, und wir haben ständig zusammen gelacht. Ich vermisse ihn auf so viele verschiedene Arten.

Mick Jagger

Juni 2022

Vorwort von Keith Richards

Immer wenn ich denke: »Ich werde jetzt mal über Charlie Watts reden«, dann wird mir bewusst, dass er keiner war, den man in Worte fassen konnte. Charlie war eine Präsenz, und wenn man mit ihm zusammen war, dann hatte es sich damit.

Was Charlie und mich mehr als alles andere verband, war der Humor. Wir haben uns über Leute lustig gemacht, ohne überhaupt ein Wort zu verlieren. Wir besaßen eine Art visuelle Zeichensprache, wie sie zwischen Rhythmusgitarrist und Drummer nötig ist, weil man auf eine ganz bestimmte Art und Weise miteinander kommunizieren muss. Diese Sprache entwickelten wir zu einer höheren Kunstform, mit der wir einander mitteilen konnten, wenn wir etwas ironisch meinten, angepisst waren oder auf der Bühne dachten: »Okay, wir fliegen, aber wie können wir wieder landen?«

Charlies Humor war unglaublich trocken und dezent, doch ich kannte bestimmte Schlüsselwörter, die ich sicher nicht preisgeben werde. Ich habe das nicht oft gemacht, aber manchmal sagte ich eins dieser Wörter, bei denen er sich auch in der Mitte eines Flughafens auf den Boden gelegt und die Beine in die Luft gestreckt hätte. Bei den wenigen Gelegenheiten, wenn ich ihn in diese Position gebracht habe, befanden wir uns zum Glück in Hotelzimmern, denn manchmal brach er in ein hysterisches Gelächter aus, das in einem Schwall aus ihm herauskam. Und nur Gott allein weiß, was da der Witz war. Wie bei dieser Art von Gelächter meistens der Fall, war das, was es ausgelöst hatte, gar nicht besonders komisch.

Er war ein sehr reservierter Mann. Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, auf ihn zuzugehen und mich nach etwas zu erkundigen, außer natürlich, er wollte darüber reden. Es gab bei ihm weder verborgene Seiten, noch machte er einem etwas vor. Bei Charlie wusstest du immer, woran du warst. Er war der echteste Mensch, dem ich je begegnet bin.

Keith Richards

Juni 2022

Vorspiel

Ich lernte Charlie Watts auf Eel Pie Island kennen. Es war ein Mittwoch, der erste Tag im Mai. Am Sonntag davor hatte ich die Stones zum ersten Mal live gesehen, im Station Hotel in Richmond. Ich hatte nicht mit ihm gesprochen – vielleicht hatte ich Mick und Keith zugenickt, geredet hatte ich aber nur mit Brian Jones, damals ganz klar das Sprachrohr der Gruppe.

Die Band hatte mich im Station Hotel vollkommen überwältigt. Ich wusste nicht, was konkret der Grund dafür war. Ich wusste nur, dass sie meinen Blick auf ganz viele Dinge verändert hatte und ich unbedingt dabei sein wollte. Am Mittwoch darauf war ich im eigenen Interesse und in dem von Eric Easton unterwegs, der eine Agentur betrieb und mir in der Regent Street ein Zimmer mit Telefon vermietete. Der Gig war zu Ende, und ich drückte mich nervös herum, denn ich wollte die Prüfung bestehen und die Sache voranbringen.

Ich stand neben Charlie und seinem Schlagzeug. Da ich keine Ahnung hatte, worüber wir reden sollten, bot ich an, ihm beim Tragen zu helfen. Er lehnte lächelnd ab; intuitiv wusste er bereits, dass meine Stärken woanders lagen. Er hatte mich im Station Hotel vollkommen verzaubert, genau wie die anderen auch.

In meiner ersten Autobiographie Stoned schrieb ich: »Der Drummer wirkte, als hätte man ihn hereingebeamt, und irgendwie spürte man ihn mehr, als dass man ihn hörte. Mir gefiel nicht nur, wie er spielte, sondern auch, welche Präsenz er der Gruppe verschaffte. Im Gegensatz zu den anderen fünf, die kein Jackett trugen, hatte er seins fein säuberlich bis oben zugeknöpft. Darunter trug er ein elegantes Hemd und eine Krawatte, ohne Rücksicht auf die hohe Temperatur im Raum. Er saß hinter dem Schlagzeug, hielt den Kopf nach rechts gedreht und stellte eine distanzierte, höfliche Geringschätzung der Hände zur Schau, die da vor ihm mit 78 RPM fuchtelten. Er war eher mit als bei den Stones, irgendwie ›blue‹, als sei er für den Abend vom Ronnie Scott’s oder Birdland hierher transportiert worden, wo er sich in einer anderen, von Cannonball Adderley beherrschten Raumzeit bewegt hatte. Er war der einzig wahre, allgegenwärtige Vertreter seiner Welt, ein Gentleman der Zeit, des Raums und des Herzens. Sein außergewöhnliches musikalisches Talent ist Ausdruck seines noch größeren Talents zum Leben: Ich hatte soeben Charlie Watts kennengelernt.«

Unsere letzten gemeinsamen Aufnahmesessions waren die zu »We Love You« und »Dandelion«. Wie bei so vielen Stones-Songs gab es keinerlei Absprachen, wie die Sache enden sollte – besser, man sorgte erst mal für Fleisch und Kartoffeln und verschob das Gemüse auf später. Der Schluss war dann eine Melange aus Nicky Hopkins und Brian Jones an Cembalo und Blasinstrument, den verhallten Stimmen von Keith und Mick sowie Charlie, der das Ganze mit improvisierten Fills anführte. Damals dachte ich, diese Fills seien ganz allein für mich gemacht. Natürlich waren sie das nicht; sie waren lediglich typisch für Charlie.

Als er in den Achtzigerjahren mit einem seiner Jazzprojekte unterwegs war, schaute er bei mir in New York vorbei. Ich machte den Fehler, ihm etwas vorzuspielen, an dem ich damals arbeitete. Es interessierte ihn kein bisschen. »Andrew«, sagte er, vielleicht als Erklärung. »Es ist mir völlig egal, was bei den Stones passiert. Mich interessiert nur das, was ich spiele.« Zum Glück ging diese schwierige Phase vorüber, und die Band machte weiter. Unser letztes Treffen fand 2005 in Seattle statt – er war immer noch genau der Mann, den ich auf Eel Pie Island kennengelernt hatte.

In der Geschichte des Kinos spricht man vom Goldenen Zeitalter. Unser Goldenes Zeitalter hieß Charlie Watts. Alle großen Bands haben eines gemeinsam: unterschiedliche Drummer.

Andrew Loog Oldham

Juni 2022

Einleitung

Out of Time, Always in Time

Madison Square Garden, New York, November 1969. Gerade lässt die Gruppe, die MC Sam Cutler als »größte Rock’n’Roll-Band der Welt« angekündigt hat, Chuck Berrys Song »Little Queenie« ausklingen und spielt die ersten Takte ihres jüngsten Nummer-eins-Hits »Honky Tonk Women«, als Mick Jagger im Plauderton feststellt: »Charlie’s good tonight, isn’t he?«

Selbstverständlich spielte Charlie gut, er war immer gut. Bei der bloßen Erwähnung von Charlie Watts’ Namen erstarren Musikerkollegen wie Fans förmlich vor Ehrfurcht. Und vor genau dieser Art von Lobpreisung hat er im Laufe seines wahrhaft einzigartigen und unglaublich erscheinenden Lebens stets Reißaus genommen.

Charlie war der Beweis dafür, dass nicht alle Rockstars gleich und dass Klischees dazu da sind, sie zu vermeiden. Wie zum Beispiel seiner Meinung nach das Klischee, dass er überhaupt ein Rockstar war. Er gehörte zu der seltenen Spezies von Prominenten, die Aufmerksamkeit verabscheuen. Er sagte einmal, dass er die Gesellschaft von Hunden der von Menschen vorziehe. Er war ein begeisterter Autoliebhaber, der selbst nicht fuhr; ein Pferdemensch, der nicht ritt; ein Mann of wealth and taste, der in einem Fertighaus aufgewachsen war; ein Drummer, der fünfeinhalb Jahrzehnte lang um die Welt tourte und sich doch immer danach sehnte, zu Hause zu sein; ein Musiker, der zunächst glaubte, die Stones hätten sich in einem Jahr erledigt, und der dann ein Leben lang als ihr Antrieb und Motor fungierte. Hätte man ihn erfunden, kaum jemand würde einem glauben.

Es ist natürlich traurig, in der Vergangenheitsform über ihn zu schreiben. Aber wahrscheinlich hätte er es sowieso vermieden, dieses Buch zu lesen. Vielleicht hätte er mal einen Blick hineingeworfen, um die Fotos zu begutachten, die ihn in seiner eleganten Garderobe zeigen, aber das wär’s auch gewesen. Dieses Buch erzählt, so hoffe ich, die einfühlsame Geschichte eines gut gelebten und sehr geliebten Lebens. Wer nach Kontroversen sucht, ist bei Charlie an den falschen Stone geraten.

Nachdem ich das große Vergnügen hatte, ihn und alle anderen Bandmitglieder über dreißig Jahre hinweg immer wieder zu interviewen, trat man 2020 mit der Idee an mich heran, gemeinsam mit Charlie an seiner Autobiographie zu arbeiten. Der Gedanke war ebenso aufregend wie zum Scheitern verurteilt; die bloße Vorstellung, er könne über sich selbst schreiben, war grundverkehrt.

Er gab stets offen zu, dass die Musik der Rolling Stones eigentlich nicht nach seinem Geschmack war und er sich ihre Platten nur sehr selten anhörte, es sei denn, er musste eine Wiederveröffentlichung oder dergleichen absegnen. Trotzdem war er immer die Freundlichkeit in Person, wenn er zu PR-Pflichtterminen angekarrt wurde. Im Laufe der Zeit lernte man, sich in seine unberechenbaren Gedankengänge und seine Ausdrucksweise ein- und wieder auszuklinken und sich auf sein strahlendes Lächeln zu freuen. Auch wenn sein Verstand und sein Mundwerk manchmal unterschiedlich schnell funktionierten und er bisweilen den abwesenden Ausdruck eines Mannes hatte, der versucht, sich zu erinnern, ob er etwas auf dem Herd vergessen hat.

Es fühlt sich auf jeden Fall angemessener an, sein Leben in der dritten Person zu dokumentieren. Und die rasche Bereitschaft, mit der seine Freunde und seine Familie dem Projekt zugestimmt und sich daran beteiligt haben, spricht Bände über ihn. Sie ist ein Widerhall des verehrungsvollen Jubels, der bei jedem Stones-Konzert auf seine Vorstellung durch Mick Jagger folgte, ein Widerhall der globalen Welle von Anteilnahme, die sein Tod im Alter von achtzig Jahren im August 2021 auslöste.

Vom bezahlten Auftragsdrummer zum festen Taktgeber mit der Aura eines weisen Mannes von Welt, vom Fels in der Brandung der glorreichen Jahre bis zur silberhaarigen Stilikone und zum treuen Vasallen, Charlie Watts hat all diese Leben gelebt, es jedoch anderen überlassen, für ihn zu klappern. Exhibitionismus? Nicht seine Sache. Er hat sich bloß nach zu Hause gesehnt und sich gefragt, was das ganze Getue sollte.

Bei seinem Tod nahmen fast alle Ehrungen und Nachrufe Bezug auf den Silent Stone, das stille Rückgrat der Band, auf den Mann, der in siebenundfünfzig Jahren kein einziges Konzert versäumt hatte. (Was nicht ganz stimmt: Im Jahr 1964 hat er mal eins verpasst, weil er sich im Datum irrte, wie wir noch erfahren werden.) Deutlich seltener hingegen war die Rede von dem eingefleischten Sammler, dem generös Schenkenden, dem Mann mit dem altmodischen Stilempfinden, das ihm oft das Gefühl gab, er sei im falschen Jahrhundert geboren.

Charlie hatte die Gabe, eine Geschichte, eine Situation oder auch ein ganzes Leben mit einem trockenen verbalen Haken auf den Punkt zu bringen. Darin stand er seinem Freund Ringo Starr und dessen Wortspielen in nichts nach. »Fünf Jahre arbeiten, zwanzig Jahre rumhängen«, ist einer von Charlies berühmtesten Sprüchen, aber es gibt noch viele weitere. Wenn man dabei war, als er diese Bonmots brachte, wobei sein kantiges Gesicht und seine stoischen Gesichtszüge zu einem breiten Grinsen zerbröselten, er beim Sprechen immer wieder neu ansetzte und dann eine lockere Bemerkung zur Seite weg nuschelte, dann war das beinahe noch wertvoller als ein Ticket für das, was die Stones der Welt geschenkt haben: die größte Show der Welt.

Es gibt nicht wenige Rockmusiker von Weltrang, die trotz millionenfacher Bewunderung gelegentlich unter quälenden Selbstzweifeln leiden. Doch es geschieht nur sehr selten, dass einer von ihnen sich explizit selbstkritisch äußert. Bei fast jeder unserer Begegnungen machte Charlie murmelnde Bemerkungen darüber, dass er sich selbst eigentlich nicht als Drummer bezeichnen würde und keinem seiner Schlagzeuger-Idole auch nur annähernd das Wasser reichen könne.

Was ein Hinweis auf mangelndes Selbstbewusstsein sein könnte, gründete in Wahrheit auf jener besonders englischen Mischung aus Bescheidenheit und Demut, die bei ihm ausgeprägter war als bei vielen anderen. Als Brian Jones den Slalom seines drogenbedingten Verfalls bereits begonnen hatte, beschrieb er Charlie einmal als den »wahrscheinlich ausgeglichensten Menschen in der gesamten Popszene«.

In den ersten beiden Zeilen von »If You Can’t Rock Me«, dem ersten Song auf It’s Only Rock ’n Roll, singt Mick: »The band’s on stage and it’s one of those nights … the drummer thinks that he is dynamite.« Charlie war damit ganz bestimmt nicht gemeint. Für ihn war Arroganz schlicht ungehobelt. Er wusste, wer er war, und abgesehen von einer relativ kurzen Episode narkotischen Wahnsinns Mitte der Achtzigerjahre, die er ohne klischeehaft dramatischen Entzug hinter sich ließ, hat er stets einen klaren Kopf bewahrt und sich als Mensch nicht verändert.

»Seine Philosophie lautet: ›Ich brauche nicht viel‹«, sagte Andrew Loog Oldham, Manager in der Anfangszeit der Stones, einmal über ihn. »Damit war er zufrieden, und er hat sich nicht in dem ganzen anderen Bullshit verloren.« Selbst in der Phase des ersten aufflackernden Ruhms erklärte Charlie der Musikpresse: »Ich mache den Eindruck, als würde ich mich langweilen, aber das stimmt eigentlich nicht. Ich hab bloß ein unglaublich langweiliges Gesicht.«

Es mag weit hergeholt sein, die Weisheiten eines amerikanischen Basketball-Coaches zu bemühen, aber die Worte der verstorbenen Trainerlegende John Wooden (die Oldham auch in seiner E-Mail-Signatur zitiert) scheinen passend: »Talent kommt von Gott, sei demütig«, sagte der einmal. »Ruhm kommt von den Menschen, sei dankbar. Eitelkeit kommt von dir selbst, sei vorsichtig.« Charlie wurde mit dem ersten geboren, mit dem zweiten überschüttet und war zu dem dritten von Natur aus unfähig.

Diese Biographie soll nicht ein weiteres Mal die Legende der größten Rock’n’Roll-Band der Welt schildern. Vielmehr soll sie das Porträt eines einzigartigen Menschen in seiner Zeit liefern, die durch ihn besser geworden ist. Wie jeder von uns, der ihm jemals begegnete. Ich erzähle die Geschichte chronologisch, streue aber gelegentlich einige Backbeat-Zwischenspiele ein, die sich auf bestimmte Aspekte von Charlies Welt konzentrieren, vor allem auf die beständige Ehe mit seiner geliebten Shirley.

Natürlich ist es auch die bewegte Geschichte der Stones, aber vor allem ist es die Geschichte eines Menschen, wie wir ihn nie wieder sehen werden. Eines Menschen, der scheinbar aus einer vollkommen anderen Epoche kam – eines Mannes, der aus der Zeit gefallen schien, aber immer perfekt im Takt war.

1

Fertighauskindheit und ein Jazzfreund fürs Leben

Mozart wusste schon, wovon er redet. Aber er hätte einen guten Drummer gebraucht. Keith Richards, 2011

Das wandelnde Gitarrenriff erklärte mir, wie die Synthese aus Hillbilly und Black Music die Formel für den Rock’n’Roll hervorgebracht hatte, der das Feuer für die sich gerade findenden Rolling Stones und eine Generation ähnlich hoffnungsvoller Proleten entflammte. Die Pointe seiner Geschichte fühlte sich für mich immer so an, als hätte er damit auch das Leben des Mannes, der achtundfünfzig Jahre lang hinter ihm saß, flapsig auf den Punkt gebracht. Man kann sich gut vorstellen, dass Wolfgang Amadeus in einem Paralleluniversum zu Charlie Watts aufblicken würde. Alle anderen haben es jedenfalls getan.

Charlie war nicht nur der widerwilligste Star in der gesamten Musikwelt, sondern auch der unwahrscheinlichste Kandidat, um so viele Jahrzehnte lang den Drumhocker bei den globalsten Repräsentanten des Rock’n’Roll zu besetzen. Selbst nachdem er schließlich den wiederholten Angeboten der Band nachgegeben hatte, sich ihrer Truppe anzuschließen, glaubten weder er noch sonst jemand, dass die Stones und ihr Rythm-and-Blues-Spektakel länger als ein Jahr überleben würden.

Anfang Juni 1941 lag die Bismarck versenkt auf dem Grund des Atlantiks. Deutschland bereitete sich mit einer Truppenstärke von drei Millionen Mann darauf vor, die Sowjetunion zu überfallen. Bald sollten Panzerschlachten um Kiew toben, wie ein schreckliches Vorzeichen für 2022. Nachdem die Queen’s Hall nach einem Bombenangriff ausgebrannt war, hatten die traditionell dort stattfindenden Proms in der Royal Albert Hall eine neue Heimat gefunden. Churchills Handelsministerium verkündete die Einführung von Kleidercoupons, die jedoch noch nicht gedruckt waren, sodass die Margarinecoupons aus dem Bezugsscheinheft herhalten mussten: sechzehn für einen Regenmantel, sieben für Schuhe. Doch im University College Hospital in Bloomsbury hatte Lil Watts andere Sorgen.

Die gerade zwanzigjährige Lillian Charlotte Watts, die in Islington als Tochter von Charles und Ellen Eaves zur Welt gekommen war, hatte 1939 den einen Monat älteren Charles Richard Watts geheiratet. Er gehörte zum Bodenpersonal der Royal Air Force und diente als Chauffeur für das Offizierskorps. Nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst wurde er Lkw-Fahrer für die London, Midland and Scottish Railway, ein Beruf, den er immer noch ausübte, als die Stones Großbritannien eroberten. Am Montag, dem 2. Juli 1941, brachte Lillian ihr erstes Kind zur Welt, das – genau wie Bill Wyman und Brian Jones – nach seinem Vater benannt wurde. Es war der Auftakt des Lebens von Charles Robert Watts.

Die britischen Charts sollten formal erst zehn Jahre später eingeführt werden, doch die Andrew Sisters lieferten mit ihrem »Boogie Woogie Bugle Boy« bereits Ermunterung für die Truppe. Bald prophezeiten Glenn Miller und zahlreiche andere Stars bessere Zeiten und »Blue Birds Over the White Cliffs of Dover«. In den Radios liefen die Comedysendung It’s That Man Again und Deanna Durbins »Waltzing in the Clouds«, die Ink Spots und Bing Crosby, während Noël Coward höflich fragte: »Could You Please Oblige Us With a Bren Gun?« Abbott und Costello zählten zu den neuen Stars des Kinos, Universal hatte jüngst ihren Film In the Navy mit Dick Powell veröffentlicht. Joan Crawford, deren Bild später zur Covercollage von Exile on Main St gehören sollte, begeisterte in George Cukors gerade angelaufenem Melodram Die Frau mit der Narbe.

Als Kleinkind lebte Charlie jeweils eine Zeitlang bei seinen Großmüttern, während sein Vater in der Royal Air Force diente, doch er hatte kaum Erinnerungen an die Kriegsjahre. Später sagte er: »Ich hörte, wie in der Nachbarschaft Bomben explodierten. Und ich weiß noch, wie wir Hals über Kopf aus dem Haus in den Luftschutzbunker gerannt sind. Aber ich war noch sehr klein. Krieg war für mich eine Art Spiel – ich glaube nicht, dass ich jemals echte Angst hatte.«

Seinen Vornamen teilte er nicht nur mit seinem Vater, sondern auch mit seinem Großvater (Charles A. Watts), seinem Onkel und seinem Cousin; darum nannten ihn seine Eltern häufig Charlie Boy. Der jüngste Charles besuchte die Fryent Way Infant School in Kingsbury im Nordwesten von London. In Kingsbury begegnete er nach Kriegsende auch dem neun Monate jüngeren Dave Green. Sie wurden Freunde fürs Leben und Bandkollegen in vielen von Charlies Jazzprojekten, im Studio wie auf der Bühne.

Obwohl Dave neun Monate jünger ist, hat er lebhaftere Erinnerungen an den Krieg. »Ich wurde 1942 in Edgware geboren, und wir haben in Kingsbury gewohnt. Mein Dad war bei den Royal Engineers. Er ist am D-Day nach Frankreich übergesetzt, und ich erinnere mich noch – ich muss ungefähr zwei gewesen sein – an die V1-Raketen. Eine ist in unserer Straße runtergekommen, etwa sechzig Häuser weiter. Das Gebäude wurde völlig zerstört. Ich weiß noch, dass meine Mum mich immer unter die Treppe geschoben hat. Ich glaube, das hat die Regierung den Leuten damals geraten.«

Dave erinnert sich auch, dass seine Mutter gerne die tägliche BBC-Sendung Music While You Work hörte. Später erzählte sie ihm, dass er immer die Basslinien beliebter Schlager mitsang, ein frühes Vorzeichen seiner lebenslangen Ausnahmestellung als Kontrabassist. Er breitet seine Erinnerungen mit so viel Freundlichkeit und Großzügigkeit aus, dass man schnell das Gefühl hat, schon ein Leben lang mit ihm befreundet zu sein. Als wir für dieses Buch miteinander sprachen, stand er kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag, und er hat sich eine bescheidene Lebensfreude bewahrt, die Charlie bestimmt sympathisch war.

1946 wurden sie Nachbarn und bald auch vereinte musikalische Geister. Dank der deutschen Luftwaffe zogen beide Familien in den Pilgrims Way in Wembley, in einfache Fertighäuser, wie sie zahlreichen ausgebombten Familien in Großbritannien zur Verfügung gestellt wurden. Rückblickend erscheinen die anderthalbgeschossigen Häuser aus vorproduzierten Modulen primitiv, doch für die Familie Green waren sie damals staunenswert.

»Als wir in der Brampton Road in Kingsbury gewohnt haben, waren die Fertighäuser nicht weit entfernt, und ich erinnere mich, dass ich oft dorthin gegangen bin, um sie anzuschauen«, sagt Dave. »Es gab noch keine richtige Straße, und überall lagen große Erdhaufen. Aber meine Mum hat diese Fertighäuser geliebt. Sie hatten fantastische, moderne Küchen, mit Kühlschrank und allem Drum und Dran. Sie trug sich in eine Anwärterliste ein, und als die Häuser fertig waren, sind wir eingezogen.« Charlie wohnte mit seinen Eltern in der Nummer 23, die Greens in Nummer 22.

1944 brachte Lillian Charlies Schwester Linda zur Welt, zu der er immer ein enges Verhältnis hatte, vor allem als er noch bei seinen Eltern lebte. Gemeinsam mit ihrem Mann Roy Rootes hat sie für dieses Buch zum ersten Mal überhaupt ein Interview über ihren Bruder gegeben. Tatsächlich wissen viele Menschen gar nicht, dass Charlie eine Schwester hatte, da Linda nie das Licht der Öffentlichkeit gesucht hat.

»Das wissen sie nicht, weil ich mich nie in den Vordergrund gedrängt habe«, sagt sie leise, als sie und Roy mich in ihrem Haus in Buckinghamshire empfangen. »Das liegt nicht in meiner Natur, und außerdem weiß ich, dass er es nicht gewollt hätte. Aber wenn ich bei einem Konzert mal ganz vorne stand und jemand sagte: ›Oh, du bist Charlies Schwester, du musst echt stolz auf ihn sein‹, dann antwortete ich: ›Ja, ich bin stolz auf ihn.‹ Er war nie jemand, der übertrieben hat. Er bevorzugte Begegnungen unter vier Augen, weil er ein ziemlich zurückhaltender Mensch war. Er war wie meine Mum, ich bin mehr wie mein Dad. Charlie konnte einfach nur dasitzen und kein Wort sagen.«

Sie spricht mit nostalgischer Wärme über die Jahre zu Hause mit ihrem Bruder und ihren Eltern und das Gemeinschaftsgefühl in ihrem kleinen Zuhause. »Weil sie Sport und Billard mochten, beschloss Dad, einen Billardtisch in halber Größe zu kaufen«, erzählt Linda. »Wenn man einen Stoß machen wollte, musste man das Fenster öffnen«, ergänzt Roy trocken. »Alle kamen zu uns nach Hause, und mein Dad hat es geliebt«, fügt Linda hinzu. »Meine Mutter war ein bisschen reservierter, aber für sie war es auch okay, weil sie sich hauptsächlich in der Küche aufhielt.« Roy, der ein Jahr älter ist als Charlie, heiratete Linda 1965.

»Ich glaube, Charlie und ich sind uns zum ersten Mal begegnet, als wir dort hingezogen sind. Da war ich vier«, sagt Dave. »Unsere Mütter wurden sehr enge Freundinnen, und im Lauf der Jahre wurden wir auch echt gute Freunde. Es ist wirklich erstaunlich, wie wir unser gemeinsames Interesse für Jazz im Tandem entwickelt haben.«

»Bis wir zehn waren, haben wir im Garten gespielt«, erzählte Charlie mir. »Es war eigentlich ein großes Grundstück mit einem Zaun auf der Rückseite. Der hatte ein Loch, durch das wir geschlüpft sind. Unsere Eltern waren befreundet. Dann fing Dave an, in Skifflegruppen zu spielen, genau wie ich. In unserer ersten Jazzband spielten wir zusammen, hörten gemeinsam unsere ersten Platten, und ich habe ihn immer eingesetzt, wenn ich etwas außerhalb der Rolling Stones gemacht habe.« Dann fügte er staubtrocken hinzu: »Mit denen wollte ich ihn nicht belästigen.«

»Mein Dad hat ein bisschen Klavier gespielt, aber keinen Jazz«, erklärt Dave. »Les Paul, Mary Ford und solche Sachen. Und wir hatten eine Musiktruhe. Mit diesen Songs hat es für Charlie und mich angefangen, da waren wir neun oder zehn. Wir gingen auf dieselbe Schule, die Fryent Junior, aber er war in einer anderen Stufe als ich. Danach kamen wir auf dieselbe weiterführende Schule, die Tyler’s Croft in Kingsbury, und haben weiter in derselben Straße gewohnt.« Diese Schule besuchten etwa zur selben Zeit auch die Schauspielerin Shirley Eaton, das Bondgirl aus Goldfinger, und William Woollard, der langjährige Moderator der BBC-Sendung Tomorrow’s World.

»Komischerweise kann ich mich an Charlie in der Schule gar nicht erinnern«, sagt Dave. »Dort habe ich nicht viel von ihm gesehen. Aber wir haben angefangen, Schellackplatten zu sammeln, und sind zusammen zu Plattenläden gegangen. Später haben wir dann LPs von Charlie Parker und Jelly Roll Morton gekauft, die ich noch nie gehört hatte. Wir haben sie in seinem Zimmer abgespielt, manchmal auch in meinem.«

In seinem großartig detaillierten Buch The Rolling Stones Story berichtet Bill Wyman, dass Charlie schon im zarten Alter von sieben Jahren bei der Hochzeit seines Onkels Albert in Holloway einen Samtanzug trug. »Mein Dad hat mir Anzüge gekauft, und ich habe sie möglichst elegant getragen«, sagte Charlie. »Wie so eine Art kleiner Lord, nehme ich an. Ich erinnere mich, dass ich Jeans und Pullover damals nicht mochte. Ich fand, dass sie unordentlich aussahen, und habe mich darin nicht so wohl gefühlt wie in meinen kleinen Anzügen mit den weiten Hosen.« Daran hat sich nie viel geändert.

Als die Ehe von Daves Eltern zerbrach, wurde er zu Verwandten in Yeovil geschickt, kehrte jedoch nach zwei Jahren ländlichen Glücks nach London zurück und knüpfte 1953 wieder an seine Freundschaft mit Charlie an.

»Als wir noch in dem Fertighaus wohnten, bekam Mum eines Tages eine Sozialwohnung angeboten, in einem Neubau in Kingsbury. Deshalb sind wir dorthin gezogen. Ich kann mich an den Nebel erinnern – die reinste Waschküche. Der Schaffner ist vor dem Bus hergelaufen. Man konnte einfach nichts sehen, der Dunst war unglaublich. Viele Leute sind gestorben.

Wir haben ein Jahr in diesem Neubau gewohnt, und dann hat meine Mum einen Antrag gestellt, in das Fertighaus zurückkehren zu dürfen«, erinnert Dave sich lachend. »Sie hat es vermisst, außerdem sehnte sie sich nach Lill Watts zurück. Diese Fertighäuser hatten einfach ein wundervolles Konzept. Dort hatte jeder den gleichen Platz zur Verfügung, und auch die Gärten waren ungefähr gleich groß. Man lebte wie in einer utopischen Gesellschaft, und meine Mum vermisste das. Wir konnten jedoch nicht wieder in das Haus neben Charlie ziehen, also wohnten wir ein Stück weiter die Straße runter.«

Im Juni 1954 – Doris Day hatte gerade einen Hit mit »Secret Love« – wurde aus dem Jungen Charlie ein Teenager. An der Tyler’s Croft Secondary Modern School begann er als einer von vierzig Schülern seiner Klasse, ein Interesse für Kunst zu entwickeln. Mehr noch als für das Studium und das Spielen von Musik, was an dem Musiklehrer lag, den niemand verstand. Außerdem war er ein hervorragender Fußballer, ein flinker Rechtsaußen, und auch ausgezeichneter Cricketspieler; er wurde sogar zu einem Probetraining beim Middlesex County Cricket Club eingeladen. »Er war ein großer Junge mit kräftigen Beinen«, sagte Lil. »Wir haben oft gedacht, dass er vielleicht Fußballer werden würde.«

»Meine erste Erinnerung an ihn ist, wie er Cricket spielt«, sagt seine Schwester Linda. »Er war wirklich ein sehr guter Cricketspieler. Auf dem Dachboden haben wir immer noch die Medaillen, die er gewonnen hat. Er hatte schon damals eine gute Statur, und Mum und Dad haben ihn bei allem unterstützt, was er tun wollte. Unser Fertighaus hatte nur zwei Schlafzimmer. Also bekam mein Bruder das große, das eigentlich das Elternschlafzimmer hätte sein sollen, und ich das kleinere. Mum and Dad hatten etliche Jahre ein aufklappbares Bett im Wohnzimmer.«

Wenig später machte Charlie auf dem Banjo seine ersten zögernden Schritte als Musiker. Er behauptete zwar immer, dass in seiner erweiterten Verwandtschaft niemand ein anderes Instrument beherrschte als das Grammophon, aber das stimmte nicht ganz. Ein unwahrscheinlicher Zweig der Familie wuchs in den Migil Five, einer britischen Jazzcombo, bei der Charlie gelegentlich aushalf. Später folgte das Quintett dem Weg der Stones zum R&B-eingefärbten Pop und schaffte es mit »Mockin’ Bird Hill« im Mai 1964 in die britischen Top Ten.

Frontman der Gruppe war ursprünglich Charlies und Lindas Onkel Lennie Peters, mit dem Charlie zu Beginn seiner Drummerkarriere spielte. »Er war der einzige Blinde, den ich kannte, der tapezieren konnte«, sagt Linda nonchalant. »Und eine Glühbirne wechseln.«

Nachdem Onkel Lennie jahrelang solo durch die Londoner Clubs getingelt war und für Labels wie Oriole und Pye weitgehend unbeachtete Singles aufgenommen hatte, wurde er ein Teil von Peters & Lee – einem Duo, das die Überlebenden der Siebzigerjahre als Archetyp des spießigen Filzpantoffel-Pop in Erinnerung haben. In einem gloriosen Missverhältnis rangierte ihr bekanntester Song und Nummer-eins-Hit »Welcome Home« im September 1973 gleichzeitig mit »Angie« von den Stones in den britischen Top 20.

Zurück zu dem Banjo, bei dem Charlie die Punkte auf dem Hals nicht gefielen, weshalb er das Ding auseinandernahm. »Zur selben Zeit hörte ich einen Drummer namens Chico Hamilton«, sagte er, »der mit Gerry Mulligan spielte. So wollte ich auch spielen, mit Besen.« Weil sein erstes selbst gebautes Drumset keine Snare hatte, montierte er den Korpus des Banjos auf einen Holzständer und spielte mit Besen auf dem runden Fell.

So tat er, was er konnte, bis Charlies Vater und seine Großmutter ein Einsehen hatten und ihm zu Weihnachten 1955 sein erstes richtiges Schlagzeug kauften. Ein gebrauchtes Olympia-Kit, das sie von einem Typen erworben hatten, der im örtlichen Pub spielte, inklusive Bierflecken auf den Fellen und Brandlöchern auf der Bassdrum. »Ich weiß noch, wie ich es im Schlafzimmer meiner Tante entdeckt habe«, sagte Charlie Boy. »Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich je mehr über etwas gefreut hatte. Und ich muss sagen, die Nachbarn waren wirklich super, was den Lärm angeht, den ich gemacht habe.«

Linda erinnert sich, dass Charlie bereit war, Arbeit zu investieren. »Er saß immer mit zwei Gummibällen in der Küche, um seine Handgelenke zu kräftigen«, sagt sie. »Wir hockten da, sahen ihn an, und meine Mutter sagte: ›Herrgott noch mal, leg die Dinger weg!‹ Aber sie haben ihn stolz gemacht. Als das Schlagzeug kam, dachte ich: ›Du liebe Güte, was sollen die Nachbarn denken?‹ Zum Glück hatten sie keine Probleme damit. Er ist immer mit Roy und einem weiteren Freund, Andrew Wren, nach London gefahren. Ich glaube, da hat ihn das Fieber gepackt.«

Zu der Zeit erwies sich auch das technische Know-how, über das sein Freund Roy Rootes als Fernsehtechniker verfügte, als sehr praktisch. »Ich habe dafür gesorgt, dass Charlie in seinem Zimmer spielen konnte«, sagt er. »Ich habe von der Musiktruhe im Wohnzimmer Kabel in sein Zimmer verlegt und einen Lautsprecher angeschlossen, damit er dort zu der Musik Schlagzeug spielen konnte.«

Und dann waren da natürlich die Platten. Zu Charlies ersten Leidenschaften als Hörer zählte unter anderem Earl Bostics R&B-Nummer-eins-Hit »Flamingo« von 1951, eine Platte, die sein Onkel gekauft hatte und die regelmäßig bei den Partys seiner Eltern in dem kleinen Fertighaus lief. Darauf spielte ein Saxofonist aus Tulsa seine lässig swingende Version einer Melodie, die zehn Jahre zuvor von Duke Ellington und seinem Orchester aufgenommen worden war. Ein perfektes frühes Beispiel für eleganten Jazz mit einer Prise Rhythm and Blues. Mit Charlie Parkers 1947 aufgenommenem »Out of Nowhere« begann Charlies lebenslange Liebe für den Meistersaxofonisten und das transparente Schlagzeugspiel von Max Roach. Ein gewisser Miles Davis, damals gerade einundzwanzig Jahre alt, war als Trompeter ebenfalls an der Session beteiligt.

»Was ich bin, verdanke ich diesem Mann«, sagte Charlie über Parker. »Jeder Drummer, der Ohren hat, um zu hören, würde für Charlie Parker Schlagzeug spielen wollen.« Tatsächlich flatterte »Bird« mehr als einmal durch die Fantasie der zukünftigen Rolling Stones. Drüben in Cheltenham war es eine Platte von Charlie Parker, die Brian Jones dazu bewegte, sich von seinen Eltern ein Saxofon zu wünschen. Und der eine Charlie sollte, wie wir hören werden, die Inspiration für ein Buch des anderen liefern.

Charlies Bekehrung zu den Drums wurde weiter befeuert durch den Schlagzeuger Chico Hamilton aus Los Angeles, dessen markantes Besenspiel auffiel, als er sich dem Quartett von Gerry Mulligan anschloss, dem Magier am Baritonsaxofon. Ihre LP Volume 1 mit Chet Baker an der Trompete enthielt auch die Mulligan-Komposition »Walkin’ Shoes«, ein Musterbeispiel zurückgenommener Eleganz. Die Aufnahmen faszinierten den jungen Charlie. So wie Chico Hamilton wollte er unbedingt auch spielen. Mehr denn je war er sich sicher, dass sein Platz hinter den Drums war.

Charlie und Dave (für seinen Freund immer »David«) erfüllten das kleine Fertighaus mit dem zeitgenössischen Skifflesound, wobei Dave auf seinem selbst gebauten Teekisten-Bass die Begleitung lieferte. Aber im Grunde brachte sich Charlie das Schlagzeugspiel bei, indem er seinen frühen Jazzidolen lauschte. In der Schule hingegen erbrachte er zur selben Zeit nur durchschnittliche Leistungen. Als er mit sechzehn abging, schaffte er die mittlere Reife lediglich im Fach Kunst, ergänzt durch die Belobigung für zwei Pokale im Laufen. Sein Talent für Grafikdesign bewog ihn, sich an der Harrow Art School anzumelden.

»Als ich jünger war, konnte ich nur sehr schwer einschlafen, deshalb habe ich gezeichnet«, sinnierte er später. »Als Therapie und wahrscheinlich auch, um mich von Ärger fernzuhalten.« Dave erinnert sich: »Er war ein fantastischer Künstler. Ich weiß, dass er davon geträumt hat, Grafiker zu werden, aber er ist bei einer Prüfung durchgefallen oder so. Ich kann mir aber nicht vorstellen, warum, denn er war wirklich gut. Das war schon ein Rückschlag für ihn, glaube ich. Zu der Zeit fing er an, immer mehr zu spielen.«

Die Freunde verfolgten im Pilgrims Way in Wembley und westlich davon ihre musikalische Bildung weiter. »Wir lernten, indem wir zu Platten spielten, und wir gingen in Clubs«, erzählt Dave. »Im 100 Club haben wir die Band von Humphrey Lyttelton gesehen – das war ungefähr 1958. 1965 bin ich dann selber Mitglied bei Humph geworden und achtzehn Jahre lang geblieben. Charlie war begeistert von Eddie Taylor am Schlagzeug, Brian Brocklehurst spielte Bass. Wir saßen da, haben aufmerksam gelauscht und beobachtet, wie das Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug funktionierte. Und zu Hause haben wir das kopiert, was wir auf den Schallplatten hörten. Charlie hat zu den Aufnahmen gespielt, genau wie ich.«

»Ich bin damit groß geworden, dass ich bestimmten Leuten beim Spielen zugesehen habe«, erklärte Charlie. »Wenn ich zu einer Tanzveranstaltung in der Gegend gegangen bin, habe ich nie getanzt; ich habe mich in die Nähe des Drummers gestellt und ihn beim Spielen beobachtet. Und meine Favoriten waren ausnahmslos schwarze Amerikaner, die eine Musik namens Jazz spielten. So wollte ich auch spielen.«

Charlies angeborene Selbstzweifel schimmerten durch, als er 2001 in der Radiosendung Desert Island Discs über jene Zeit sprach. »Ich bin so ein Fünfzig-Prozent-Typ«, sagte er. »Als ich jung war, hätte ich Unterricht nehmen sollen, ich hätte richtig Noten lesen lernen sollen, aber ich habe den Glitter vorgezogen.«

1958 hatten die beiden Freunde bereits erste eigene Gigs. Die Jazztruppe Joe Jones Seven aus Nord-London suchte neue Rekruten, nachdem ihr Bassist und ihr Drummer zum Wehrdienst eingezogen worden waren. Jones wohnte in der Meadowbank Road in Kingsbury, nicht weit entfernt von Charlie und Dave im Pilgrims Way. Eigentlich lautete sein Vorname Brian, nicht zu verwechseln mit dem Gründungsmitglied und ursprünglichen Bandleader der Stones oder dem amerikanischen Drummer Jo Jones, dessen präzises Schlagzeugspiel im Count Basie Orchestra Charlie bewunderte.

»Ich kannte die B-Dur-Tonleiter«, erinnert sich Dave, der mit einer Skiffletruppe gespielt hatte. »Dann besorgte ich mir einen richtigen Bass und fing an zu lernen, und wir hörten von einer Band, die zu einem Vorspielen einlud. Es war eine Mainstream-Dixieland-Kapelle. Diese Art von Schallplatten hörten wir uns sowieso schon an. Also sind wir einfach hin. Wir dachten, wir hätten absolut keine Chance. Aber Brian hat mir vor Kurzem erzählt, dass außer uns gar keiner auftauchte. Das hieß, wir oder keiner – also kriegten wir den Job. Wir hatten beide kein Interesse daran, Solos zu spielen«, fügt er hinzu. »Wir wollten bloß dasitzen und mit der Band swingen. Diese Haltung hat sich bei Charlie nie geändert und bei mir im Grunde auch nicht. Wir sind beide Teamplayer. Ich spiele immer für die Band, für die Musik, passe mich an. Und das hat Charlie auch gemacht.«

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