Chefarzt Dr. Holl 1963 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1963 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Kurz vor Weihnachten wird das Unternehmen verkauft, in dem Vera Lich arbeitet. Der neue Inhaber strukturiert um, von einem Tag auf den anderen steht sie mit einer Abfindung auf der Straße. Den Kredit für das schicke Haus können sie nicht mehr abbezahlen. Das monatliche Einkommen reicht kaum noch für das Nötigste. Ein Albtraum!
Verzweifelt und unausgelastet, wie sie ist, sucht Vera ihre neue Erfüllung im Haushalt, während ihr Mann Simon seine Arbeitsstunden in der Möbellackiererei aufstockt und immer seltener zu Hause ist. Die Stimmung ist angespannt.
Und dann erreicht Vera beim Putzen auch noch die schockierende Nachricht: Simon ist auf der Arbeit zusammengebrochen und in die Berling-Klinik eingeliefert worden. Die Leberwerte und Entzündungsparameter sind stark erhöht. Außerdem konnten Spuren von organischen Lösungsmitteln in seinem Blut nachgewiesen werden. Ob die Dämpfe in der Lackiererei dem Familienvater derart zugesetzt haben? Als Vera ihren Mann im Patientenzimmer besuchen will, findet sie es verlassen vor. Und Dr. Holl überbringt der schreckensstarren Ehefrau eine weitere Hiobsbotschaft ...


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Inhalt

Cover

Gefährlicher Putzwahn

Vorschau

Impressum

Gefährlicher Putzwahn

Als im Hause Lich die Familienmitglieder bewusstlos werden, stehen die Ärzte vor einem Rätsel

Von Katrin Kastell

Kurz vor Weihnachten wird das Unternehmen verkauft, in dem Vera Lich arbeitet. Der neue Inhaber strukturiert um, von einem Tag auf den anderen steht sie mit einer Abfindung auf der Straße. Den Kredit für das schicke Haus können sie nicht mehr abbezahlen. Das monatliche Einkommen reicht kaum noch für das Nötigste. Ein Albtraum!

Verzweifelt und unausgelastet, wie sie ist, sucht Vera ihre neue Erfüllung im Haushalt, während ihr Mann Simon seine Arbeitsstunden in der Möbellackiererei aufstockt und immer seltener zu Hause ist. Die Stimmung ist angespannt.

Und dann erreicht Vera beim Putzen auch noch die schockierende Nachricht: Simon ist auf der Arbeit zusammengebrochen und in die Berling-Klinik eingeliefert worden. Die Leberwerte und Entzündungsparameter sind stark erhöht. Außerdem konnten Spuren von organischen Lösungsmitteln in seinem Blut nachgewiesen werden. Ob die Dämpfe in der Lackiererei dem Familienvater derart zugesetzt haben? Als Vera ihren Mann im Patientenzimmer besuchen will, findet sie es verlassen vor. Und Dr. Holl überbringt der schockierten Ehefrau eine weitere Hiobsbotschaft ...  

»Auf Wiedersehen, Mausi!« Vera Lich drückte ihrer neunjährigen Tochter Linda einen Kuss aufs Haar. »Viel Glück bei deiner Probe. Wir sehen uns heute Abend. Ach, und vergiss bitte nicht, Mimi zu füttern.«

Sie bückte sich, um die Katze zu streicheln, die miauend um ihre Beine strich. Danach bekam Ehemann Simon seinen gewohnten Abschiedskuss.

Linda zog eine Schnute.

»Warum kannst du nicht wie andere Mamas weniger arbeiten und die meiste Zeit zu Hause bleiben?«

»Das weißt du doch.« Der ungeduldige Unterton war kaum zu überhören. »Wir haben doch schon vor Jahren die Rollen getauscht.« Im Stehen schob Vera ein Stück Toastbrot in den Mund und nippte an ihrem Kaffee. »Als Controllerin verdiene ich nun einmal viel mehr als der Papa in der Möbellackiererei.«

»Sogar so viel, dass wir uns dieses wunderschöne Haus hier leisten konnten.«

Simons Blick wanderte durch das offene Erdgeschoss mit dem honigfarbenen Parkettboden, der trotz des trüben Herbstwetters freundlich schimmerte.

Auf einem Orientteppich stand eine Sofalandschaft, hinter der in einem Designer-Regal abstrakte Skulpturen neben antiken Kleinigkeiten ausgestellt waren. Rechts neben der Terrassentür führte eine Treppe hinauf auf eine Galerie. Links daneben stand ein Sessel mit Blick in den Garten. Der jedoch lag aktuell noch brach. Die Grünfläche sollte neu angelegt werden, sobald wieder Geld in der Familienkasse war. Doch jetzt nahte ohnehin der Winter. Eine ebenso gnädige wie dünne Schneedecke bedeckte den Kieshaufen und die Baumaterialien, die vom Umbau übrig geblieben waren und noch immer auf ihre Entsorgung warteten.

Vera folgte dem Blick ihres Mannes und seufzte.

»Ehrlich gesagt lag das Haus ein bisschen über unserem Budget. Dafür ist es das schönste weit und breit. Warte erst, bis der Garten fertig ist ...«

»Mir hat unsere Wohnung auch gefallen«, murrte Linda. »Als wir noch dort gewohnt haben, musstest du nicht so viel arbeiten.«

»Ach, Mausilein! Dafür ist dein Papa doch nachmittags für dich da. Davon können die meisten Kinder nur träumen«, seufzte Vera und warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr.

Obwohl es noch früh war, wollte sie sich gleich auf den Weg in das Möbelgeschäft machen, in dem sie als Controllerin arbeitete.

Controllerin! Vera mochte dieses Wort. Dabei musste sie immer an ihre beiden Lieben vor dem Fernseher denken, wie sie mit den schwarzen Hebeln der Spielkonsole die Männchen auf dem Bildschirm durch gefährliche Abenteuer lenkten. Der Controller hatte die Kontrolle über das Geschehen. Ohne Controller waren die Männchen dem Untergang geweiht.

»Früher nannte man das einfach Buchhalterin«, behauptete ihre Freundin Susi gern, obwohl sie genau wusste, dass Vera alles andere als eine Buchhalterin war.

Sie plante aktiv die Geschäftsstrategie des Unternehmens, während die Buchhalter nur die Geschäftsaktivitäten erfassten. Und Vera liebte ihren Beruf, das Spiel mit den Zahlen, die Kontrolle und Macht, die sie im Unternehmen hatte. Auch aus diesem Grund fuhr sie an diesem Morgen schon früher als sonst in die Firma. Eine besondere strategische Planung erforderte Überstunden.

Zu dieser frühen Stunde war der Mitarbeiterparkplatz noch fast leer. Selbst der Wagen des Chefs stand noch nicht in der für ihn reservierten Lücke.

»Geschäftsleitung«, stand auf dem weißen Schild davor, ohne seinen Namen. Der Herr über Wohnzimmerschränke, Esszimmereinrichtungen und Wohnlandschaften war ein bescheidener Mann und fuhr einen passenden Wagen. Umso protziger erschien Vera die schwarze Limousine, die ein Stück entfernt parkte, daneben ein verwehter Prospekt und ein Stück Brot, an dem sich ein Rabe zu schaffen machte.

Vera stieg aus und sah hinüber zum Möbelhaus. In ihrer Etage über den Verkaufsräumen brannte Licht.

»Wer ist denn schon so früh in der Firma?«, wunderte sie sich und betrat das Gebäude.

Um sich wenigstens ein bisschen zu bewegen, ließ sie den Aufzug links liegen und nahm die Treppen. Stufe um Stufe eilte sie nach oben. Im Flur kamen ihr zwei Fremde in schwarzen Anzügen entgegen.

»Guten Morgen, die Herren.« Vera blieb vor den beiden stehen. »Darf ich fragen, wer Sie sind?«

»Pechstein und Herzog von der Firma ›Starinvest‹«, erwiderte der Größere der beiden. »Und mit wem haben wir das Vergnügen?«

»Vera Lich, Controlling.«

»Das trifft sich gut.« Herr Pechstein sah sich um. »Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«

Veras Magen wurde heiß. Sie führte die beiden in ihr Büro und bot ihnen Kaffee an.

»Um was geht es?«

Ihre Augen wanderten von einem zum anderen.

»Gut, dass wir ausgerechnet Ihnen über den Weg gelaufen sind.« Die Tasse klirrte, als Herr Pechstein sie zurück auf den Unterteller stellte. »Immerhin sind Sie das Controlling und können uns später helfen, den übrigen Mitarbeitern die Sachlage zu erklären.«

»Wovon reden Sie, wenn ich fragen darf?«

Hoffentlich bemerkten die beiden nicht, dass ihre Stimme zitterte.

Herr Herzog räusperte sich.

»Bestimmt haben Sie schon einmal von unserer Firma gehört. Wie der Name sagt, handelt es sich bei ›Starinvest‹ um ein Investment-Unternehmen. Wir kaufen Firmen auf, die in finanzielle Notlage geraten sind.«

Vera fühlte sich, als hätte der Fremde ihr eine Ohrfeige verpasst.

»Aber unsere Finanzen sind in Ordnung. Ich bin so früh hier, um die strategische Planung für die nächsten fünf Jahre auf den Weg zu bringen. Rabattaktionen, Jahrmärkte für die Kunden, der Ausbau unseres Sortiments. Darüber hinaus soll in drei Jahren eine neue Filiale entstehen. Ich kenne die Zahlen.«

Herr Pechstein und sein Kollege tauschten Blicke, die Vera als mitleidig empfand. Die Hitze in ihrem Magen stieg hinauf und erreichte ihren Kopf.

»Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Aber kennen Sie auch Ihren Chef?«

Vera runzelte die Stirn.

»Ich arbeite seit zwölf Jahren mit ihm zusammen.«

»Wussten Sie von seinen Aktiengeschäften? Zuletzt hat er mit Firmenkapital spekuliert und verloren. Um zu retten, was zu retten ist, hat er kürzlich die Reißleine gezogen und das Unternehmen an ›Starinvest‹ verkauft.«

Herr Herzog öffnete die Aktentasche und reichte Vera eine Mappe. Die Buchstaben tanzten vor ihren Augen.

»Und was geschieht jetzt?«

»Nach Prüfung sämtlicher Zahlen durch unsere Steuerberater haben wir beschlossen, dieses Haus abzuwickeln. In den kommenden zwei Wochen helfen Sie uns bitte, die Restbestände zu verkaufen.«

Die Welt um Vera begann, sich zu drehen. Eine kleine, heiße Sekunde lang hoffte sie, dass sie das alles nur träumte, dass sie noch in ihrem Bett lag, neben ihrem Mann, Katze Mimi auf ihren Beinen. Sie war doch Controllerin, sie hatte die Geschicke der Firma gelenkt. Das alles konnte nicht sein!

»Sehen Sie mich nicht so böse an«, bat Herr Pechstein und erhob sich. »Schließlich bin nicht ich derjenige, der die Firma auf dem Gewissen hat.«

***

Nach einem verwirrenden Arbeitstag machte sich Vera früher als sonst auf den Heimweg. Inzwischen hatte es zu regnen begonnen. Die kläglichen Schneereste verwandelten sich zusehends in braunen Matsch.

Wieder einmal würde es grüne Weihnachten geben. Doch das war Veras kleinste Sorge. Viel mehr beschäftigte sie, wie sie ihrem Mann die Neuigkeiten beibringen sollte.

Da saß Simon hinter dem Fenster der schmucken Stadtvilla, mit der sich Vera einen lang gehegten Traum erfüllt hatte. Nie war sie glücklicher gewesen als an jenem Tag vor zehn Monaten, als sie den Kaufvertrag unterschrieben hatten. Endlich wohnte sie so, wie eine Managerin wohnen sollte.

Und nun? Von einer Sekunde auf die andere war ihr Traum zerplatzt wie eine Seifenblase. Vera war keine Controllerin mehr. Und das Haus? Würde sie das auch noch verlieren?

Simon saß am Schreibtisch im Arbeitszimmer und studierte vermutlich die Angebote der Landschaftsgärtner. Wenn möglich, wurde Veras Herz noch schwerer. In diesem Augenblick hob er den Kopf. Ihre Blicke trafen sich.

»Schatz, warum stehst du denn hier am Fenster?«

Er begrüßte seine Frau mit einem Kuss.

»Ich ... ich habe gesehen, dass du beschäftigt warst, und wollte dich nicht stören.«

»Aha.« Simon legte den Kopf schief und musterte seine Frau. »Ist etwas passiert? Warum bist du überhaupt schon zu Hause?«

Um Zeit zu gewinnen, hängte Vera den Mantel an den Haken und verstaute umständlich die Handtasche im Garderobenschrank.

»Ist Linda schon zu Hause?«

»Sie ist nach der Schule gleich zu Emilia gegangen, um für das Weihnachtsspiel zu proben.«

»Gut.« Vera nahm allen Mut zusammen und hob den Kopf. »Ich muss dir nämlich etwas sagen.« Sie ging auf Simon zu, atmete ein und sah in seine schönen Augen, die auch nach all den gemeinsamen Jahren noch so dunkel und geheimnisvoll wie zwei Bergseen auf sie wirkten. »Simon«, sagt sie langsam und so gefasst wie möglich. »In zwei Wochen bin ich arbeitslos.«

Ihre Worte hatten die Wirkung eines Erdbebens. Sie sah ihm an, dass er genauso erschüttert war wie sie.

»Aber der Kredit für das Haus, die Schulden ...«

Vera seufzte tief. »Ich weiß.«

»Wie kann das sein? Was ist passiert?«

Schnurrend strich Mimi um Veras Beine, während sie ihrem Mann von den Aktiengeschäften des Firmeninhabers erzählte. Davon, dass er das ganze Vermögen der Firma verspekuliert hatte. Tränen liefen über ihre Wangen.

Simon schloss sie in die Arme und dachte nach.

»Was ist mit einer Abfindung?«

»Bei Firmenverkauf habe ich keinen gesetzlichen Anspruch darauf. Und was würden uns ein paar tausend Euro schon nutzen? Du kennst doch unsere Situation! Der Mitarbeiter der Kreditabteilung hat beide Augen zugedrückt, als er uns den Hauskredit bewilligte«, schluchzte Vera. »Was sollen wir denn jetzt tun?«

Es wurde still im Haus. Außer dem Ticken der Küchenuhr war kein Laut zu hören.

»Auf keinen Fall werden wir die Nerven verlieren und überstürzt handeln«, beschloss Simon nach einer Weile. »Im Augenblick haben wir in der Lackiererei mit einer Krankheitswelle zu kämpfen. Mein Chef ist bestimmt froh, wenn ich meine Stunden aufstocke.«

»Das ist lieb von dir.« Vera rang sich ein Lächeln ab. »Aber dann fehlt uns immer noch jede Menge Geld, um die Kreditrate und die laufenden Kosten zu decken. Und so kurz vor Weihnachten finde ich auf keinen Fall eine neue Stelle. Für meine Position kann das Monate dauern.«

»Na und?« Simon nahm allen Mut zusammen, um so viel Optimismus wie möglich auszustrahlen. »Die Firmen stehen alle kurz vor dem Jahresabschluss, Privatleute müssen ihre Steuererklärungen abgeben. Bis du eine neue Stelle gefunden hast, können wir uns damit über Wasser halten.« Er zupfte ein Taschentuch aus dem Spender und trocknete die Tränen seiner Frau. »Und etwas Positives hat selbst diese vertrackte Situation: Du kannst mehr Zeit mit Linda verbringen.«

***

Trotz ihres festen Willens, das Beste aus der Situation zu machen, dauerte es eine ganze Weile, bis Vera und Simon den Schock überwunden hatten. Und auch danach ließen sich die beiden noch ein paar Wochen Zeit, bis sie ihren Lieben die Wahrheit beichteten.

Die Runde, die sich eines Abends kurz nach Weihnachten um den großen Esstisch versammelt hatte, war überschaubar, denn Simons Eltern befanden sich – wie jedes Jahr in der Winterzeit – in ihrem Haus auf Mallorca, und es war nur der harte Kern anwesend.

Veras Mutter streichelte die schnurrende Katze, die sich auf ihrem Schoß niedergelassen hatte. Linda spielte mit Simons Schwester Edda Karten, Veras beste Freundin Susi naschte von den Plätzchen, die von Weihnachten übrig geblieben waren.

Nach einer Weile sah Vera hinüber zu ihrem Mann. Simon verstand die stumme Frage und nickte. Sie griff nach einem kleinen Löffel und klimperte an die Kaffeetasse. Sofort kehrte Ruhe ein.

»Ihr Lieben, danke dass ihr unserer Einladung gefolgt seid.«

»Mach dir keine Hoffnungen. Wir sind nur hier, weil euer Haus mit Abstand das schönste in der Familie ist«, scherzte Edda.

Alle lachten. Ungeduldig wartete Vera, bis wieder Ruhe eingekehrt war.

»Simon und ich müssen euch etwas sagen ... Wir werden ab Januar die Rollen tauschen.«

Auf einen Schlag wurde es still. Nur Mimi schnurrte unbeeindruckt weiter.

»Habt ihr etwa im Lotto gewonnen?«, witzelte Simons Schwager. »Oder zahlt Simons Chef auf einmal Managergehälter?«

Alle Augen ruhten auf Vera, die sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. Doch es nutzte nichts.

»Schön wäre es«, seufzte sie. »Leider ist es so, dass das Möbelhaus, in dem ich als Controllerin gearbeitet habe, verkauft wurde. Eine Investmentfirma hat das Unternehmen in den vergangenen Wochen abgewickelt. Ab Januar ist es endgültig geschlossen.«

Ihre Geldsorgen erwähnte sie vorsichtshalber nicht. Trotzdem machte sich Betroffenheit breit.