Chefarzt Dr. Holl 1965 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1965 E-Book

Katrin Kastell

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Beschreibung

Nora Caspar hat ihr Hobby zum Beruf gemacht und arbeitet als Fitnesstrainerin in einem angesagten Münchener Sportstudio. Dort hat sie auch ihren Freund Alex Schedow kennengelernt. Der muskulöse Bad Boy ist ihr absoluter Traumtyp. Doch seit Neukundin Evelyn regelmäßig ins Studio stolziert, rückt eine bittere Erkenntnis immer näher ...
Am Tag, als die schmerzhafte Gewissheit über Alex’ Untreue Nora die Augen öffnet, diagnostiziert ihr Hausarzt bei einer Routineuntersuchung einige Knoten in der Schilddrüse. Sie sind derart verändert, dass ihr das Organ entfernt werden muss. Mit einem bleischweren Gewicht auf der Brust wacht Nora auf und bekommt kein Wort heraus. Eine linksseitige Stimmbandlähmung ist der Grund dafür, wie sie bald erfährt.
Als sich ihr Körper und ihre Stimme frisch von der OP erholt haben, hält Nora im Fitnessstudio ihre erste Zumba-Stunde ab. Doch erschreckt muss sie feststellen, dass ihre Kondition stark nachgelassen hat. Sie bricht das Training vorzeitig ab. Ein Belastungs-EKG beim Hausarzt soll Aufschluss geben. Aber auch hier kann Nora keine Leistung erbringen und verliert schon nach wenigen Minuten auf dem Rad das Bewusstsein. Mit Blaulicht und Martinshorn wird sie in die nahe gelegene Berling-Klinik gebracht ...


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Inhalt

Cover

Der falsche Herzinfarkt

Vorschau

Impressum

Der falsche Herzinfarkt

Dr. Holl und eine Fitnesstrainerinmit mysteriösen Krankheitssymptomen

Von Katrin Kastell

Nora Caspar hat ihr Hobby zum Beruf gemacht und arbeitet als Fitnesstrainerin in einem angesagten Münchener Sportstudio. Dort hat sie auch ihren Freund Alex Schedow kennengelernt. Der muskulöse Bad Boy ist ihr absoluter Traumtyp. Doch seit Neukundin Evelyn regelmäßig ins Studio stolziert, rückt eine bittere Erkenntnis immer näher ...

Am Tag, als die schmerzhafte Gewissheit über Alex' Untreue Nora die Augen öffnet, diagnostiziert ihr Hausarzt bei einer Routineuntersuchung einige Knoten in der Schilddrüse. Sie sind derart verändert, dass ihr das Organ entfernt werden muss. Mit einem bleischweren Gewicht auf der Brust wacht Nora auf und bekommt kein Wort heraus. Eine linksseitige Stimmbandlähmung ist der Grund dafür.

Als sich ihr Körper und ihre Stimme frisch von der OP erholt haben, hält Nora im Fitnessstudio ihre erste Zumba-Stunde ab. Doch erschreckt muss sie feststellen, dass ihre Kondition stark nachgelassen hat. Sie bricht das Training vorzeitig ab. Ein Belastungs-EKG beim Hausarzt soll Aufschluss geben. Aber auch hier kann Nora keine Leistung erbringen und verliert schon nach wenigen Minuten auf dem Rad das Bewusstsein.

Mit Blaulicht und Martinshorn wird sie in die nahe gelegene Berling-Klinik gebracht ...

»Auf geht's, Leute, zum Endspurt. Sammelt eure letzten Kraftreserven zusammen, und gebt noch einmal alles!« Die Fitnesstrainerin Nora Caspar stand vor dem raumhohen Spiegel und feuerte ihre Gruppe an. »Und noch ein bisschen schneller, die Knie höher! Nicht aufgeben. Gleich habt ihr es geschafft!«

Füße stampften im Rhythmus der Musik. Die Gesichter im Spiegel glänzten vor Schweiß, die Gliedmaßen wurden schwer. Doch bevor die Ersten aufgeben konnten, war der Höhepunkt erreicht.

»Bravo!« Noras Wangen leuchteten mit ihren Augen um die Wette, als sie sich zu ihren Kursteilnehmern umdrehte und ihnen Applaus spendete. »Das war fabelhaft. Ihr könnt wirklich stolz auf euch sein. In diesem HIIT-Training haben wir ungefähr fünfhundert Kalorien verbrannt. Jetzt gönnen wir uns noch ein Cool-down, und danach habt ihr euch euren Protein-Shake mehr als verdient. Und bitte vergesst das Trinken nicht. Eure Körper haben während des Trainings viel Wasser verloren. Die Reservoirs müssen wieder aufgefüllt werden.«

Zum Schluss bat sie die Teilnehmer, sich hüftbreit aufzustellen und die Schultern kreisen zu lassen. Mit sanften Twists und Mobility-Übungen wurden die Muskeln der Arme und Beine aufgedehnt. Selbst bei diesen ruhigen Bewegungen kam der eine oder andere noch einmal ins Schwitzen.

»Warum ist dieses Dehnen nach dem Sport eigentlich so wichtig?«, erkundigte sich ein korpulenter Mann, der vergeblich versucht hatte, die Beine zu strecken.

»Ein ausgiebiges Dehnen senkt den Muskeltonus, der Muskel entspannt sich wieder«, erklärte Nora und trank einen Schluck Wasser aus der Flasche. »Das fördert die Regeneration und hilft gleichzeitig dabei, Laktat zu absorbieren.« Sie zwinkerte Peter zu. »Dann fällt der Muskelkater am nächsten Tag weniger verheerend aus.«

»Am nächsten Tag?« Peter lachte. »Ich spüre jetzt schon jeden einzelnen Knochen im Körper.«

»Das ist ein sehr gutes Zeichen«, lobte Nora. »Ich hoffe, du bist beim nächsten Training wieder mit dabei.«

»Auf jeden Fall.« Kaum merklich glitten Peters Augen über die makellose Figur seiner Trainerin. »Ich will dir ja zeigen, was in mir steckt.«

Er verabschiedete sich grinsend.

Nora kannte das schon. Seit sie ihr Hobby zum Beruf gemacht hatte und im Fitnessstudio als Trainerin arbeitete, konnte sie sich vor ein- und mehrdeutigen Angeboten kaum retten. Doch inzwischen hatte sie das Flehen ihres Arbeitskollegen erhört und seither nur noch Augen für Alex. Kein Wunder also, dass sie rasch die Gymnastikmatten zusammenräumte und den Raum verließ.

Um diese Uhrzeit – es war früher Abend – herrschte reger Andrang an den Geräten und im Freihantelbereich. Aufgrund einer gestiegenen Lebenserwartung sowie der Zunahme von beruflichem Stress litten immer mehr Menschen an orthopädischen oder internistischen Erkrankungen. Dieser Umstand führte dazu, dass Fitnessstudios einen regen Zulauf hatten. Die Tatsache, dass Bewegung das Krebsrisiko senkte und Herz- und Kreislaufbeschwerden vorbeugte, tat ein Übriges dazu, dass sich Sport zunehmender Beliebtheit erfreute.

Noch vor wenigen Jahren beschränkte sich die Tätigkeit eines Fitnesstrainers darauf, die Nutzung der Geräte zu erklären und auf die richtige Ausführung der Übungen zu achten. Aber auch das hatte sich inzwischen geändert. Neben einem hohen Maß an Flexibilität, Empathie und Belastbarkeit wurden von Nora, Alex und ihren Kolleginnen und Kollegen Kenntnisse in den wichtigsten physiologischen und anatomischen Grundlagen erwartet. Darüber hinaus sollten sie Trainings- und Ernährungspläne erstellen, die Kundinnen und Kunden in Ausdauer- und Gerätetraining einweisen und verschiedene Kursformate anleiten.

Welcher dieser Aufgaben ging ihr Freund im Augenblick nach? Nora sah sich suchend um.

Endlich entdeckte sie den Mann, der sie nach langer Überzeugungsarbeit vor acht Wochen endlich weichgeklopft und zu einer Beziehung überredet hatte. Alex Schedow saß an einem der kleinen Tische neben dem Tresen, umringt von einer Gruppe kichernder Mittzwanzigerinnen in knapper Sportbekleidung. Ein eifersüchtiger Stich fuhr in Noras Herz.

»Ich hab dir gesagt, dass du dich nicht mit ihm einlassen sollst«, raunte ihr eine Stimme ins Ohr. »Einen schönen Mann hat man nie für sich allein.«

Nora drehte sich zu ihrer Freundin und Kollegin Betti um.

»Nur, weil er seinen Job gut macht, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn teilen muss«, verteidigte sie ihn wider besseres Wissen. »Keiner schließt so viele neue Verträge ab wie er. Dazu ist eben ein gewisser Einsatz nötig.«

Eine der jungen Frauen landete auf seinem Schoß. Die übrigen Mädels lachten und kreischten.

»Die Frage ist, ob so viel Einsatz wirklich nötig ist«, gab Betti zu bedenken. »Ich habe eher das Gefühl, dass es ihm Spaß macht.«

»Das sagst du nur, weil er sich nicht für dich interessiert.«

»Lieber eine Abfuhr als ein gebrochenes Herz.« Bis jetzt hatte Betti gelächelt. Nun wurde sie ernst. Sie legte eine Hand auf Noras Schulter und sah ihr in die Augen. »An deiner Stelle würde ich abspringen, solang du noch kannst.«

Über Noras Schulter sah sie hinüber zu der lachenden, schwatzenden Hühnerschar und dem Gockel mittendrin. Alex' geschmeicheltes Lachen wehte durch das Studio.

Nora trat zurück. Die Hand ihrer Freundin fiel von ihrer Schulter ins Leere.

»Ich muss los! Gleich beginnt der Spinning-Kurs, und ich muss den Raum noch vorbereiten.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sie sich ab und eilte davon.

Beide wussten, dass das nur eine Ausrede war. Die Uhr zeigte erst viertel vor sechs ...

***

Am nächsten Morgen wagte sich nur nach draußen, wer unbedingt musste. Ein zorniger Wind fuhr um Häuserecken, in Jackenkrägen und durch Hosenbeine. Unheilverkündende Wolken türmten sich am Himmel. Ein Regenguss schien unausweichlich.

Doch darauf achtete Dr. Milan Kovac nicht. Unerschütterlich ging er auf die Berling-Klinik zu. Seine Miene war konzentriert, zwei Finger seiner linken Hand ruhten auf seinem rechten Handgelenk.

Im Schnitt dreiundzwanzigmal fühlte der Kardiologe täglich seinen Puls, entweder am Handgelenk oder an der Halsschlagader. In dieser Woche betrug der Schnitt sechzig. Sechzig Komma zwei, um genau zu sein, denn der Kardiologe hatte eine Schwäche für Genauigkeit.

Wenn Milan wach war, prüfte er seinen Puls gewöhnlich zweimal pro Stunde. Falls er sich gestresst fühlte, auch öfter. Das geschah beispielsweise dann, wenn er wie an diesem Morgen auf dem Weg zu einer neuen Arbeitsstelle war, ein Patientengespräch anstand oder sein Untermieter und bester Freund Bastian wieder einmal kochte.

Es erschien Milan Kovac wichtig, seinen Puls zu kontrollieren, wenn ein Tag besonders viel Neues und damit Aufregung bot – oder Bastian wieder einmal versuchte, die Wohnung in Brand zu stecken.

Die Gefahr bestand immer dann, wenn er Pizza im Ofen einäscherte, Reis zu einem schwarzen Klumpen auf dem Topfboden verbrannte oder versuchte, Würstchen in der Mikrowelle zu erwärmen. An solchen Tagen lag Milans Puls gern über dem Durchschnitt, und er wusste, dass er auf sich aufpassen musste. Alles über fünfundsechzig Schläge pro Minute verriet ihm, dass er eine Pause einlegen oder über sein Leben nachdenken sollte. Mehr als achtzig Schläge waren ein deutliches Signal dafür, dass er die Kontrolle verloren hatte.

Im Foyer der Berling-Klinik blieb er stehen. Noch einmal legte er Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand zur Gegenkontrolle auf seine Halsschlagader.

Das warme, durchströmende Blut, das rhythmisch vom Herzen durch seine Adern gepumpt wurde, beruhigte ihn sofort. Gleichzeitig warf er einen Blick auf seine Armbanduhr mit dem Metallband und wartete darauf, dass der Sekundenzeiger die zwölf erreichte. Er begann zu zählen. Bei fünfunddreißig war Schluss.

»Einen wunderschönen guten Morgen, Kollege Kovac.« Die Stimme des Klinikleiters lenkte ihn ab. »Ich freue mich, Sie in unserer Klinik begrüßen zu dürfen.«

Dr. Holl reichte dem neuen Mitarbeiter die Hand. Nach einem kurzen Gespräch machten sich die beiden Seite an Seite auf den Weg zum Aufzug.

Neugierige Blicke folgten den Männern. Der groß gewachsene, schlanke Begleiter des Chefs mit den dunklen Haaren und den stechend blauen Augen war eine Attraktion. Sie waren kaum vorbeigegangen, als auch schon zwei Schwestern die Köpfe zusammensteckten.

»Das muss der neue Kardiologe sein«, raunte Schwester Lore ihrer Kollegin Mia zu. Wie immer war sie bestens informiert und brachte ihr Wissen nur zu gern unter die Leute. »Wenn der nur halb so nett wie schön ist, ist demnächst die halbe Klinik hinter ihm her.«

Zum Glück bekam Milan Kovac nichts von dem Aufsehen mit, das er erregte. Sein Puls wäre augenblicklich durch die Decke geschossen, und das ganz bestimmt nicht deshalb, weil er sich geschmeichelt fühlte.

Surrend schlossen sich die Aufzugtüren, der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung.

»Als sich ein Ende der Covid-Pandemie abzeichnete, waren wir optimistisch, dass sich auch auf der Kardiologie eine deutliche Entlastung abzeichnen würde«, setzte Stefan Holl das Gespräch fort. »Leider scheint das genaue Gegenteil der Fall zu sein. Bis zu dreißig Prozent der an Covid neunzehn Erkrankten geben nach der Infektion anhaltende Beschwerden an, die sich unter anderem im Herzen zeigen.«

Nach und nach beruhigte sich Dr. Kovacs Puls. Die Kardiologie war sein Zuhause, auf diesem Gebiet fühlte er sich sicher.

»Ich bekam neulich eine US-Studie auf den Tisch. Darin wurde berichtet, dass nach einem Jahr ehemals Covid-Erkrankte ein um über siebzig Prozent erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz im Vergleich zu Nichtinfizierten haben«, erinnerte er sich an einen der zahlreichen Fachartikel, die durch seine Hände gingen. »Diese Berichte decken sich mit meinen Erfahrungen bei meinem ehemaligen Arbeitgeber.«

»Umso glücklicher sind meine Kollegen und ich, dass wir Sie für unser Haus gewinnen konnten.«

»Es ist eine Ehre, für die Berling-Klinik zu arbeiten. Ihr hervorragender Ruf eilt Ihnen voraus.«

»Vielen Dank.« Stefan Holl freute sich sichtlich. »Das habe ich in erster Linie all den großartigen Menschen zu verdanken, die jeden Tag ihr Bestes geben, um den Patienten zu helfen.«

Über dem Gespräch hatten sie die Kardiologie erreicht, wo der neue Kollege schon sehnsüchtig erwartet wurde. Schlagartig verstummten die Gespräche im Aufenthaltsraum der Ärzte. Obwohl die langjährige Kardiologin der Berling-Klinik, Dr. Ariane Hegemann, nicht so leicht zu beeindrucken war, blitzten auch ihre Augen beim Anblick des Neuzugangs kurz auf.

»Ein Glück, dass wir uns auf unserem Fachgebiet auskennen«, raunte sie einer Kollegin zu. »Dann können wir die gebrochenen Herzen der Mädels kitten, die dieser Mann hinterlassen wird ...«

***

Ein großer Vorteil, den Fitnesstrainer genossen, waren die flexiblen Arbeitszeiten.

»Ein Glück, dass wir noch nicht aufstehen müssen.« Mit der Zehenspitze hob Nora den Vorhang ein Stück hoch, ließ ihn aber sofort wieder fallen. »Da draußen sieht es aus, als ob die Welt gleich untergehen würde.«

Die Bettdecke raschelte, als sie sich zu ihrem Freund umdrehte. Sie schlang ein Bein um seine Hüften, näherte sich seinem Gesicht und biss sich aufreizend auf die Unterlippe.

Alex' Herzschlag beschleunigte sich von null auf hundert – wie der Ford Mustang, auf den er schon seit einer Weile sparte. Er zog Nora unter die Bettdecke und unterdrückte ihr Kichern und Glucksen mit einem leidenschaftlichen Kuss. Eine Weile war nichts weiter zu hören als das Rascheln der Bettdecke und leises Seufzen.

Nora schwebte noch im siebten Himmel, als Alex die Decke vom Kopf zog. Sein Gesicht war hochrot, Schweiß glänzte auf seiner Stirn.

»Noch eine Sekunde länger, und ich wäre erstickt«, beschwerte er sich und schwang die Beine aus dem Bett.

Wie Gott ihn geschaffen hatte, ging er hinüber ins Bad. Auch von hinten war sein trainierter Körper eine Augenweide.

Doch an diesem Morgen konnte Nora diesen Anblick nicht würdigen. Mit einem lautlosen Aufprall war sie wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet.

Ernüchtert stopfte sie sich das Kissen in den Rücken und starrte vor sich hin. Wasserrauschen untermalte ihre Enttäuschung.

Am liebsten hätte sie geweint. Aber Alex hasste Tränen, so viel wusste sie schon und wollte ihn auf keinen Fall in die Flucht schlagen. Doch das war gar nicht nötig.

»Ich muss los«, verkündete er, als er aus dem Bad kam.

Sein dunkelblondes Haar war zurückgekämmt, Wassertropfen glitzerten auf seinen nackten Schultern. Um die schmalen Hüften hatte er ein Handtuch geschlungen.

»Jetzt schon? Wir müssen heute doch erst um elf anfangen.«

Alex hob seine Sachen vom Boden auf und schlüpfte in Jeans und T-Shirt.

»Du vielleicht«, erwiderte er, ohne Nora anzusehen. »Ich habe vorher noch einen Termin mit einer neuen Kundin.«

»Die kann sich doch im Studio anmelden«, wunderte sich Nora. »Dennis hat heute Frühdienst.«

»Du verstehst nicht. Das ist eine andere Geschichte. Evelyn sucht einen Personal Trainer, der ihr hilft, bis zu ihrer Hochzeit einen Traumbody zu bekommen.«

»Einen exklusiven Trainer nur für sie? Aber so etwas bietet unser Studio doch gar nicht an.«

»Ich habe schon mit der Chefin gesprochen.« Alex nahm die Jacke vom Stuhl und schlüpfte hinein. Er beugte sich über Nora und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Sie ist einverstanden, solang Evelyn einen Vertrag mit dem Studio abschließt und ich sie in meiner Freizeit trainiere.« Er richtete sich auf und grinste. »Mach nicht so ein Gesicht, Schatzi! Die Sache ist äußerst lukrativ für mich. Wenn es gut läuft, kann ich mir schon bald den Mustang kaufen, der beim Händler im Schaufenster steht.« In der Tür blieb er noch einmal stehen und schickte ihr eine Kusshand. »Außerdem sind wir nicht verheiratet. Ich kann also tun und lassen, was ich will.«

Mit diesen Worten verschwand er endgültig aus Noras Blickfeld. Der Fußboden knarrte unter seinen Füßen, kurz darauf fiel die Wohnungstür krachend ins Schloss.

Noras Kehle war eng geworden. Sie schnappte nach Luft, eine einzelne Träne rollte über ihre Wange und tropfte vom Kinn auf die Bettdecke.

So hatte sie sich die Beziehung mit Alex wirklich nicht vorgestellt.

Anfangs hatte sie ihn extra lange zappeln lassen, seine Komplimente überhört, seine Einladungen ausgeschlagen. Trotzdem hatte er nicht aufgegeben und ihr weiter kleine Geschenke gemacht, Liebesbriefe geschrieben und ihr seine unsterbliche Liebe geschworen, bis sie ihm nicht länger hatte widerstehen können.

Doch es war seltsam. Statt sich voller Leidenschaft in die Beziehung zu stürzen, wie Nora es endlich getan hatte, schien er nach und nach das Interesse an ihr zu verlieren. Kaum war er am Ziel seiner Wünsche angelangt, war es offenbar nicht mehr interessant ...