CityWolf IV - Judith M. Brivulet - E-Book

CityWolf IV E-Book

Judith M. Brivulet

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Beschreibung

Tamara – Werwölfe, Hexen, Vampire Eine Frau am Rande ihrer Gemeinschaft Ein Mann mit einem dunklen Geheimnis Ein Hexenzirkel, der nach der Macht giert Ein schrecklicher Plan – lässt er sich verhindern? Tamara Hauptner hat ihren Job als Alpha des Clans von Bayern hingeschmissen. Das macht sie zu einer Außenseiterin in der Welt der Werwölfe. Zur Strafe wird sie ins Archiv des Hauptquartiers beordert, wo sie mit dem exzentrischen Faun Luther zusammenarbeitet. Zu allem Überfluss kreuzt ausgerechnet Victor Dvorak, Bandleader der Höllenwölfe, undurchsichtiger Söldner und Womanizer, immer wieder ihren Weg. Da offenbaren die Recherchen, die ihr aufgetragen wurden, Unglaubliches. Was verbindet den Zirkel der Arberhexen mit den Vampiren? Und was braut sich in den Rängen der führenden Werwölfinnen zusammen? Als sich die Ereignisse überschlagen, muss Tamara die Vergangenheit hinter sich lassen und ausgerechnet Victor vertrauen. Zu viel steht auf dem Spiel! CityWolf IV ist eine Sidestory aus der CityWolf‑Welt. Rebecca und Jack, die Hauptpersonen der Bände I bis III erscheinen nur am Rande. Zeitlich beginnt die Handlung mit Tamaras Ausstieg aus dem Clan und überschneidet sich mit CityWolf III. Zum besseren Verständnis empfiehlt sich die Lektüre der vorherigen Bände.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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1. Prolog
2. Die Mitternachtsüberraschung
3. God Save the Queen
4. Überraschender Besuch
5. Nur ein Freund
6. Der Wolfabwehrer
7. Eine toughe Wölfin
8. Moderne Technik
9. Keine Schonzeit
10. Ein wichtiger Zweck
11. Zeit für Party
12. Versöhnung
13. Nur altes Zeug
14. Ein heiliges Versprechen
15. Ein schrecklicher Verdacht
16. Der Umsturz
17. Eine neue Zeit
18. Frischer Kaffee
19. Der Silberkalmar
20. Die Legionäre
21. Keine Alleingänge
22. Irgendetwas Garstiges
23. Der große Grillteller
24. Perfekte Tanzschritte
25. Grüne Wände
26. Vater und Sohn
27. Eine gute Hexe
28. Kampfbereit
29. Ein ehrloser Frieden
30. Großvaters Grimoire
31. Das Puppentheater
32. Ein letzter Kuss
33. Ein neuer Job
34. Zwei verlorene Seelen
35. Epilog
36. Zum Schluss

 

 

 

 

 

CityWolf IV

Tamara

 

 

Ein Roman von Judith M. Brivulet

 

 

 

Copyright © 2022 Judith M. Brivulet

www.brivulet.com

1. Auflage

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme, des Nachdrucks in Zeitungen und Zeitschriften, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung und Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- und Bildteile sowie der Übersetzung in andere Sprachen.

Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, Schauplätze, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder realen Ereignissen sind rein zufällig.

 

Lektorat: Carolin Olivares

www.olivares-canas.com

 

Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

www.juliane-schneeweiss.de

Frau (c) depositphotos.com/syberianmoon

Pentagramm (c) depositphotos.com/Nomadsoul1

Funken (c) depositphotos.com/Nomadsoul1

Kirche (c) depositphotos.com/tupungato

 

Impressum:

Impressumsservice:

Fa. bachinger software

Am Wimhof 20

94034 Passau

www.bachinger-software.de

1. Prolog

 

Budweis, 20. Januar, Anno Domini 1611

Es war fast zu einfach gewesen. Doch nun lagerte seine Truppe in einem der Wäldchen um Budweis, gut verborgen vor neugierigen Blicken. Jaspar traute seinem Glück nicht. Andererseits war das Glück immer mit den Tüchtigen und tüchtig mochte man ihn wahrhaft nennen. Ein Gefühl des Stolzes wallte in seiner Brust auf. Das Passauer Kriegsvolk verschaffte sich überall Respekt, was nicht zuletzt an der Passauer Kunst lag. Unwillkürlich schmunzelte er. So nannten die Leute die begehrten Zauberzettel. Noch jetzt standen sicher hundert Mann Schlange, um einen zu bekommen.

Leider spürte er, dass die Nachwehen dieser mächtigen Magie mehr und mehr an seinen Kräften zehrten. Aber so lange sie noch wirkte und vor allem, so lange die Söldner auf seine Zaubermacht vertrauten, würde alles klappen wie geplant. Ein Seufzer entrang sich seiner Brust. Einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, der schwere Wollmantel würde ihm das Atmen erschweren. Der Gedanke daran, warum er dies alles auf sich nahm, raubte ihm seinen nach außen zur Schau getragenen Gleichmut.

Dame Scarlett hatte einen entscheidenden Fehler begangen. Im Turm Spielhaybl der Stadtbefestigung von Budweis schmachtete seit Wochen sein Eheweib, seine Geliebte, die Mutterhexe des mächtigsten Zirkels von Bayern. Diesen Affront würde er sich nicht länger bieten lassen. Endlich war die Zeit gekommen, die arroganten Wölfinnen, allen voran Scarlett, in ihre Schranken zu verweisen.

»Schick die Boten los!«, befahl er seinem Adjutanten.

»Wie Ihr wünscht!«, buckelte der Mensch und verschwand.

Natürlich hatten die Budweiser vom Passauer Kriegsvolk gehört. Schließlich zogen sie schon seit einigen Monaten herum - neuntausend Mann Fußvolk, viertausend Reiter unter Waffen, zweitausend Leute Tross - und verheerten die Gegend. Geschützt durch die Zauberzettel, auf die seine Leute vertrauten, hatten sie noch jede Stadt, die sich ihnen in den Weg stellte, in die Knie gezwungen.

Tja, die Zauberzettel, sinnierte er weiter. Welch ein Glück, dass ihnen bei der Plünderung von Stift Lambach das Grimoire der dortigen Mutterhexe in die Hände gefallen war. Ein Schutzzauber, simpel zu weben und auf Ziegenhaut zu schreiben. Die meisten seiner Leute trugen es in einem Säckchen am Leib, nicht wenige Söldner schluckten es neuerdings. Danach waren sie wahrhaft für mehrere Stunden vor Schwert und Kugel gefeit. Teufel hilf mir, Leib und Seele geb ich dir. Eigentlich ein banaler Spruch. Doch der zugehörige Zauber hatte es in sich. Für einen Hexer seines Formats war dies jedoch spielend zu bewältigen.

Welch ein Wink des Schicksals und obendrein die eindeutige Aufforderung, Katharina endlich zu befreien! Keinen Augenblick hatte er gezögert. Ohne seine Katharina wollte er keinen Zirkel führen. Außerdem war jetzt der ideale Zeitpunkt, um mehr Einfluss für die Hexenzirkel zu erkämpfen, denn die Wölfinnen gerieten immer häufiger unter Druck. Zu viele Kriegswirren, zu viele Auseinandersetzungen!

Schweigend streckte er die Hand aus. Sofort reichte ihm sein Adjutant das Fernrohr. Still wob er den Zauber. Deshalb hörte er, gerade so, als würde er danebenstehen, wie die Boten am Stadttor ankamen und riefen: »Öffnet das Tor! Wir bringen wichtige Nachricht von Kaiser Mathias.«

Er hatte die mutigsten Kämpfer geschickt, gewandet in die Uniform der kaiserlichen Boten. Es wäre ein Affront, würden die Stadtwachen ihnen nicht öffnen. Da hätte die Stadt Budweis gleich selbst dem Kaiser den Krieg erklären können.

Tatsächlich dauerte es noch genau dreißig Atemzüge, dann öffneten die Wachen die kleine Tür neben dem großen Stadttor. Sogleich stiegen die gut vorbereiteten Boten ab, nahmen ihre Pferde am Zügel und traten ein. Niemand achtete auf den Knaben, den Jaspar genau zu diesem Zweck mit einem Tarnzauber versehen hatte. Obwohl er seine Männer nicht mehr sehen konnte, hörte er, wie sie die gelangweilten Wachen in ein Gespräch verwickelten. So abgelenkt bemerkten diese erst zu spät, dass der Bursche das große Stadttor öffnete. Das war das Zeichen.

Brandpfeile stoben aus dem verschneiten Wäldchen. Die erste Abordnung Reiter preschte auf das offene Tor zu. Spätestens jetzt sollten seine als Boten verkleideten Männer die Wachen ermordet haben. Wenig später wallte erster dunkler Rauch in den grauen Winterhimmel.

Zufrieden wandte sich Jaspar ab. Sein Hengst stand bereit. Nun würde er Katharina befreien.

 

In den Straßen floss Blut. Viele Häuser standen in Flammen. Schreie von Verwundeten und Sterbenden gellten in seinen Ohren. Wegen des dichten Rauchs, der in seiner Kehle kratzte, hatte er einen Schal um den Kopf gewickelt. Sein Hengst scheute, denn nur wenige Schritte von ihm entfernt zerrten vier Söldner zwei Mädchen aus dem Haus. Die Kämpfer johlten, einer öffnete bereits seinen Gürtel. Die jungen Weiber weinten und bettelten. Eine riss sich los, kniete vor ihm nieder. Doch er lenkte sein Ross an ihr vorbei. Ihr Schicksal war besiegelt.

»Herr, diese Richtung!« Sein Adjutant ritt ihm entgegen, schnauzte dabei zwei Söldner an, die auf die Straße stolperten. In beiden Händen hielten sie Silbergeschirr und teure Stoffe. Bei Jaspar angekommen, zeigte er in die Richtung, in der die Flammen noch nicht wüteten und sagte: »Dort befindet sich der Turm!«

Jaspar spornte sein Pferd an. Ritt durch die verwüsteten Gassen, erreichte den Turm, sprang aus dem Sattel. Warf seinem Begleiter die Zügel zu. Orientierte sich kurz. Schon wurde die Tür aufgerissen, ein Söldner erwartete ihn.

»Oben wird geschossen, Herr.«

Das kümmerte ihn wenig. Er rannte, nein, er flog die Treppen im Turm hinauf. Lebte Katharina noch? Die Sorge um seine Geliebte verlieh ihm ungeahnte Kraft. Zwei Söldner salutierten, Kampfgeräusche drangen aus dem Gang hinter ihnen.

»Zur Seite!«, herrschte er die Männer an, die sofort gehorchten.

Er spähte ums Eck, warf sich beinahe gleichzeitig zur Seite. Eine Musketensalve fauchte nur knapp an ihm vorbei und bohrte sich in die Wand. Das war seine Chance! Bis der Musketier nachgeladen hatte, würde er ihn überwältigt haben. Im Laufen zog er seinen Zauberstab. Seine Hand kribbelte, die Kraft des Stabes breitete sich in ihm aus. Er wob das Erstbeste, was ihm in den Sinn kam, fegte um die Ecke und beschoss den knienden Musketier mit dem Feuerzauber. Eine Flammenzunge bohrte sich in die Brust des Mannes. Stöhnend brach er zusammen. Hinter ihm sprang ein bereits verletzter Soldat hervor, nur mit einem Dolch in der Hand. Auch er starb unter Jaspars Beschuss.

Der Gang nahm kein Ende. Die letzte Tür im oberen Gang, so hatte man es ihm berichtet. Tatsächlich erblickte er im Schein einer einzelnen blakenden Fackel eine schwere Holztür, gehalten von drei breiten Eisenbeschlägen. Runen fauchten, als er näher kam - was ihn nicht aufhielt. Einen magischen Befehl murmelnd, drehte er das Handgelenk ein wenig. Die kaum sichtbare Welle ließ die Runen erlöschen.

Danach hielt er den Zauberstab an das Schloss und befahl: »Solve!«

Quietschend schwang die Türe auf. Sein Herz setzte aus. Dort lag sie, gebunden wie ein Stück Vieh, auf einem dünnen Strohsack inmitten eines Pentagramms. Ihre dunklen Augen umfingen ihn, der grässliche Knebel hinderte sie am Sprechen. Vorsichtig näherte er sich dem Pentagramm. Wer konnte wissen, welche Hexen mittlerweile Scarlett Gefolgschaft leisteten? Erleichtert stellte er fest, dass es keine weiteren magischen Fallen gab. Einem Hexer mit seinen Fähigkeiten bereitete es keinerlei Schwierigkeiten, das Pentagramm zu öffnen. Nun kniete er – endlich – vor seiner Geliebten, befreite sie mit fliegenden Fingern von den groben Fesseln und dem Knebel.

»Ich danke dir, mein Liebster«, hauchte Katharina und warf sich ihm zitternd in die Arme.

Sein Glück kannte keine Grenzen. »Lass uns von hier verschwinden.« Umsichtig half er ihr auf, führte sie zur Tür, stützte sie die Treppen hinunter.

Der Adjutant gab ihr sein Pferd. Wie geplant gehörte Budweis nun dem Passauer Kriegsvolk. Ohne noch einmal zurückzusehen, verließen Jaspar und Katharina die brennende Stadt. Wenige Meilen hinter Budweis warteten die Mitglieder des Zirkels. Nun galt es, einen sicheren Unterschlupf zu finden und Katharina gesund zu pflegen.

 

Mehrmals musste der Zirkel einen neuen Zufluchtsort suchen. Katholiken und Protestanten fochten unter verschiedenen Anführern um die Vorherrschaft. Doch das war nicht zum Schaden des Zirkels. Gerade in schlechten Zeiten wandten sich die Menschen hilfesuchend an die Hexen. Auf diese Weise vergingen zwei Jahre.

Doch dann wendete sich das Blatt. Bis an die Zähne bewaffnete Söldner stürmten das Haus des Zirkels. Sogar eine Hexe war mit von der Partie. Ohne Mühe schaltete sie alle magischen Fallen aus und half, die Mitglieder des Zirkels unter Kontrolle zu halten. Erst dann betrat Dame Scarlett das Haus. Kühl blickte sie zuerst Jaspar, dann Katharina an. Ihre Verachtung verbarg sie nicht.

»Ein geheimes Gericht hat beschlossen, dich zu verbannen, Jaspar Kleinhart. Du hast ein Söldnerheer zur Erreichung deiner Ziele ausgehoben, Zauberzettel in Umlauf gebracht, Städte verwüstet und Klöster überfallen. Man sollte dich verbrennen!«

Ihre Stimme hallte im Haus wider. Die jungen Hexen zogen die Köpfe ein. Nach einer winzigen Bewegung mit ihrem energischen Kinn postierten sich vier Söldner um Jaspar.

»Bitte, Scarlett. Du hast selbst einmal geliebt …«, stammelte Katharina.

Die Alpha winkte rüde ab. »Ich werde Gnade vor Recht ergehen lassen. Du, Jaspar Kleinhart, wirst für fünfhundert Jahre ins Osmanische Reich verbannt. Noch heute bringen meine Männer dich weg. Allerdings stelle ich eine Bedingung dafür, dass ich dein Leben verschone.«

Er horchte auf. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass Katharina atemlos an Dame Scarletts Lippen hing.

»Katharina wird als Mutterhexe des Zirkels einen Vertrag unterzeichnen!«

Hinter Scarlett trat ein Werwolf hervor. Langsam entrollte er vor Katharina eine Urkunde. Um den Text lesen zu können, beugte Jaspar sich vor. Doch einer der Bewacher zog ihn zurück.

»Die Hexen und ich werden ebenfalls verbannt«, flüsterte Katharina, nachdem sie den Text gelesen hatte.

Grimmig nickte Scarlett. »Ich habe endgültig die Schnauze voll von euch. Morgen werdet ihr Prag verlassen. Ihr nehmt nur das Nötigste mit und wendet euch nach Westen.«

»In dieser Richtung befindet sich der Nordwald!«, begehrte er auf.

Schon näherte sich Scarletts Hexe, bereit, einen Beugezauber über ihn zu verhängen. Mühsam hielt er sich zurück.

»Richtig. Dort befindet sich der Nordwald«, bestätigte Scarlett. »Einige Stellen wurden bereits gerodet. Sucht euch ein ruhiges Plätzchen. In den nächsten Jahrhunderten will ich nichts mehr von euch hören. Haben wir uns verstanden?«

Was blieb ihnen übrig? Verzweiflung überkam ihn. Katharina schluchzte auf.

»Verabschiedet euch. Und wag keine Spielchen, Jaspar. Esmira wird dich begleiten.« Scarlett deutete auf die Hexe, die sich wieder im Hintergrund hielt. »Sollte ich erfahren, dass du dich der Deportation entzogen hast, ist Katharinas Leben und das aller Mitglieder des Zirkels verwirkt!«

Drohend näherten sich drei Werwölfe. Mit zitternden Händen setzte Katharina ihr Zeichen unter die Vereinbarung. Als seine Geliebte sich ein letztes Mal in seine Arme warf, liefen ihr die Tränen in Strömen über die Wangen.

»Ich werde dich finden«, raunte er ihr zu, »gleichgültig, wo du bist.«

»Mein Geliebter«, hauchte sie.

 

Wenig später bretterte eine Kutsche ohne Fenster vom Hof. Die verbliebenen Söldner, allesamt Werwölfe, gaben den Hexen unmissverständlich zu verstehen, dass sie packen sollten.

Schon am nächsten Tag verließ der Zirkel Prag, um sich am Fuß des Großen Arber inmitten des Nordwaldes niederzulassen.

 

2. Die Mitternachtsüberraschung

 

»Das Amt der Alpha des Clans von Bayern lege ich hiermit nieder. Möge eine fähigere Wölfin, als ich es bin, die Arbeit zum Besten des Clans fortführen.«

Ein letzter Blick in die Runde. Entsetzen und Fassungslosigkeit in allen Gesichtern. Tamara schüttelte den Kopf, hastete hinauf in ihr Zimmer. Diese Worte, ihre eigenen Worte, gesprochen aus freiem Willen, wiederholten sich wieder und wieder in ihrem Kopf, gerade so, als hätte eine Fremde es gesagt. Sie hörte die Worte, als sie mit fliegenden Händen das Nötigste packte; sie hörte die Worte, als sie Phil ein letztes Mal ansah. Sein tieftrauriger Blick schmerzte mehr als jede Verletzung, die sie jemals erlitten hatte. Selbst als sie in das Luxusauto der Alpha einstieg, dröhnten die Worte in ihren Gedanken.

Jetzt saß sie auf der Rückbank des SUV und vermied es krampfhaft, zu Scarlett hinüberzusehen, zur Alpha von Europa, eine der vier mächtigsten Frauen des Planeten – und ihre Tante. Die Atmosphäre im Fahrzeug als eisig zu bezeichnen, traf es nicht einmal im Ansatz - was nichts mit der Klimaanlage zu tun hatte.

Tony telefonierte, der Fahrer konzentrierte sich auf die kurvige Strecke und den Verkehr. Scarlett starrte nach draußen. Ihr Gesicht spiegelt keine Emotion wider.

Kurz vor Passau wandte Scarlett sich ihr zu. »Ich hatte wirklich geglaubt, du hättest endlich Fuß gefasst. Zugegeben, was Margaret dir in deiner Jugend angetan hat, war unrecht. Dennoch - das ist zweihundert Jahre her. Irgendwann muss man die Vergangenheit ruhen lassen, sein Leben in die Hand nehmen und das Beste daraus machen. Ab und zu hatte ich schon mit dem Gedanken gespielt, dich nach München zu holen, vor allem, nachdem Cat untergetaucht ist. Du bist Familie, Tamara! Aber du hast mich enttäuscht.«

Tamaras Fäuste ballten sich, sie schluckte. In ihrem Hals steckte ein dicker Kloß. »Alpha, bitte, lass …«

»Die Zeit für Erklärungen ist vorbei. Die nächsten vier Wochen hast du Hausarrest. Ich muss mir erst darüber klar werden, was mit dir geschehen soll. Du kennst die Wohnung im Vornholzer Weg?«

Beklommen nickte sie. Ihre Wölfin heulte auf. Vier Wochen nicht raus zu dürfen, war eine ernste Sache.

»Dort wirst du die nächste Zeit wohnen. Vorher erledigst du noch etwas für mich.« Scarlett stieß einen Seufzer aus. »Tony, gib ihr den Stick!«, verlangte sie. »Dann hat die ganze Sache doch noch etwas Gutes und ist nicht reine Zeitverschwendung. Tamara, du bringst diesen Stick zu Victor. Die Höllenwölfe hausen in der aufgelassenen Fabrikhalle von Siemens. Das machst du heute noch. Sag Victor, dass die Sache keinen Aufschub duldet. Wenn du ihm den Stick gegeben hast, fährst du sofort zur Wohnung. Danach will ich dich nicht mehr draußen sehen. Nutz die Zeit und denk über dein Verhalten nach! Haben wir uns verstanden?«

»Victor?«, entschlüpfte es ihr.

In dem Moment drehte sich Tony zu ihr um. Mit dem Stick in der Hand polterte sie los: »Ach so, der Dame gefällt der Auftrag nicht! Zuerst den Clan im Stich lassen, alles ins Chaos stürzen, und jetzt will sie nicht einmal eine einfache Botschaft überbringen?«

»Ich kenne das Gelände«, erwiderte Tamara resigniert.

»Geht doch!«

Scarlett schwieg zu all dem. Auf ein kaum wahrnehmbares Zeichen von Tony hielt der Fahrer an einer Bushaltestelle an.

»Steig aus! Überbring den Stick und kauf ein, was du brauchst. Wenn ich höre, dass du dich draußen rumtreibst, sperre ich dich eigenhändig in einen Käfig.«

»Natürlich, Alpha!« Es gab keine andere Erwiderung.

»Du hast es echt vergeigt. Deiner Mutter gebe ich Bescheid und nun raus aus dem Auto. Ich ertrage deine Anwesenheit nicht mehr.« Die ruhige Anweisung war bedrohlicher als ein lauter Anpfiff.

»Danke, Scarlett. Es tut mir leid«, murmelte sie und stieß die schwere Autotür auf.

Bis dato von ihr unbemerkt hielt ihr Landrover hinter dem SUV. Eine von Scarletts Wachen stieg aus, musterte sie einen Augenblick, nahm dann Platz im SUV, der sofort startete.

Mutterseelenallein blieb sie zurück. Mit hängenden Schultern stieg sie in ihr Auto und warf den Rucksack auf die Rückbank. Der Geruch des fremden Wolfes füllte den Fahrzeugraum. Hastig kurbelte sie die Fenster herunter, weil sie glaubte, nicht mehr atmen zu können. Kein Mensch weit und breit. Also ließ sie den Kopf auf das Lenkrad fallen, Schluchzen stieg in ihr hoch. Wie konnte es nur so weit kommen?

Lautes Hupen riss sie aus ihrer Traurigkeit. Lichter blitzten auf. Der Stadtbus scheuchte sie aus der Bucht der Haltestelle. Schniefend startete sie den Motor und fuhr los. An einem Supermarkt hielt sie, um einzukaufen. Dann griff sie nach ihrem Handy und suchte Victors Nummer. Jede Alpha hatte seine Nummer, die sie zum Glück noch nicht gelöscht hatte.

Während es klingelte, dachte sie nach. Ausgerechnet Victor! Das Universum hatte nicht lange gewartet, um sie zu bestrafen. Victor, der Bandleader der Höllenwölfe, Rocksänger, Frauenheld, Werwolf mit einer langen Liste von Vergehen, inklusive einer dubiosen Vergangenheit. Immer, wenn Scarlett oder eine der höherrangigen Alphas jemanden brauchten für besondere Aufgaben, die Diskretion erforderten, holte man Victor oder einen seiner Höllenhunde. Ihre Tarnung als Rocksänger war perfekt.

Unter dem Deckmantel einer Tournee konnten die Wölfe, ohne Verdacht zu erregen, fast überall hin reisen. Victor selbst hatte, so wurde unter den Vertrauten gemunkelt, Verbindungen, um die ihn nicht nur ein Geheimdienst beneidete. Außerdem verfügte er über vielfältige Kenntnisse und Fähigkeiten. Auf keinen Fall wollte sie etwas mit ihm zu tun haben. Sein Ruf als Womanizer eilte ihm voraus.

Noch hoffte sie, ihm den Stick irgendwo in der Stadt übergeben zu können, statt zum Fabrikgelände fahren zu müssen. Die Partys der Höllenwölfe galten als ausschweifend und nicht selten gewalttätig. Und nach Feiern war ihr nun wirklich nicht zumute. Sie hoffte vergebens, er nahm nicht ab.

Resigniert holte sie die Wurstsemmel, die sie gekauft hatte, und die Cola aus dem Beutel. Während sie aß, wählte sie mehrmals seine Nummer. Mit jedem erfolglosen Anruf verschlechterte sich ihre Stimmung. Die Ansage der Mailbox kannte sie zwischenzeitlich auswendig. Das Schicksal meinte es nicht gut mit ihr. Ein Blick auf das Autodisplay zeigte ihr, dass es mittlerweile dreiundzwanzig Uhr war.

Sofort!, war die Anweisung der Alpha gewesen. Auf keinen Fall wollte sie sich erneut Scarletts Ärger zuziehen. Also steuerte sie den Landrover durch den spätabendlichen Verkehr. Schneller als ihr lieb war, erreichte sie die Lagerhalle. Der Parkplatz war voll. Noch bevor sie den Motor abgestellt hatte, überfielen sie die dröhnenden harten Beats von Metallica. Mehr als ein Dutzend schwere Motorräder versperrten die Einfahrt. Daneben stand der rote Truck, der das gesamte Musikequipment der Band enthielt. Ein letztes Mal wählte sie Victors Nummer. Fehlanzeige!

Missmutig stieg sie aus. Das Logo der Höllenwölfe wurde durch einen Laser an die Hauswand geworfen und wechselte im Rhythmus der Musik die Farbe. Kreischendes Frauenlachen durchbrach die Musik. Durchdringender Geruch nach Alkohol, Drogen und Sex drohte sie zu überwältigen.

Auch wenn sie keine Alpha mehr war und ihr der Rückhalt eines Rudels fehlte, war es mehr als unwahrscheinlich, dass einer dieser Wölfe ihr etwas antat. Andererseits gab es sehr gute Gründe, warum sich die meisten Wölfe von Drogen fernhielten. Manche wirkten viel schneller als bei Menschen und erschwerten es insbesondere den Männern, das Raubtier in ihnen zu bändigen. Tamara straffte sich, drängte den starken Impuls umzukehren zurück und schlängelte sich zwischen den Maschinen hindurch.

»Hey, Schätzchen, hast du dich verirrt oder bist du die Mitternachtsüberraschung?«

Zwei Männer mit Bierflaschen in der Hand lehnten am Eingang. Trotz der Dunkelheit trugen sie Brillen, aber auch so spürte sie die Blicke auf sich.

»Ich muss zu Victor.« Unwillkürlich setzte sie ihr finsterstes Gesicht auf, machte einen Schritt an ihnen vorbei, um die Tür zu öffnen.

Prompt versperrte ihr einer der beiden den Weg. »Bei uns wird Eintritt gezahlt, Mäuschen.« Graublaue Augen zogen sie aus. »Hättest dich ruhig ein bisschen aufhübschen können. Oder ist die Überraschung unter den Klamotten?«

Die Zigarette wechselte in den anderen Mundwinkel, seine Hände griffen nach ihrem Trenchcoat.

Ihre Handkante schlug gegen seine Hand. »Wag es ja nicht, mich anzufassen!«

Raues Gelächter erklang, die beiden rückten näher. Die Wölfin knurrte, spannte sich an, aber Tamara drängte sie zurück. Kein Grund, sich aufzuregen. Es waren nur Menschen. In diesem Moment wurde die Tür geöffnet und einer von Victors Wölfen kam heraus.

Sofort überblickte er die Situation und schnauzte los: »Seid ihr bescheuert? Lasst sie sofort rein, sie gehört zu Victor!«

»Kann ich ja nicht wissen, Fred«, brummelte derjenige, der sie angemacht hatte. »Hat ja kein Schild vorne drauf mit Victors Bitch.«

Am liebsten hätte sie die Idioten angefallen. Ein Biss und es wäre vorbei mit den großkotzigen Sprüchen. Fast meinte sie, den metallischen Geruch von Blut zu schmecken. Doch sie straffte sich und ging erhobenen Hauptes an den Türstehern vorbei. Die Luft, die ihr entgegenschlug, verursachte ihr einen Würgereiz. Alkohol in vielen Varianten, Drogen, ein wenig Essen und sehr viel Schweiß. Manchmal wünschte sie sich, ihr Geruchssinn wäre nicht so ausgeprägt.

Die Beleuchtung konnte man nur als spärlich bezeichnen - rötliches Schummerlicht. Mehrere Couchen waren über den großen Raum verteilt. Bässe wummerten. Bilder zeigten die Höllenwölfe auf verschiedenen Stationen ihrer Tournee. Fast alle Couchen waren besetzt mit Pärchen oder mehreren Personen. Die Wölfin registrierte viele menschliche Frauen, zu ihrer Überraschung auch ein paar Wölfinnen. Eine Sektflasche wurde geköpft. Lautstarker Beifall ertönte.

»Hier entlang. Du hast dir einen schlechten Zeitpunkt für deinen Besuch ausgesucht, Alpha«, murmelte Fred.

Sie umrundeten ein Paar, das eng umschlungen an einer Tür lehnte. Die Frau trug nur noch einen hautengen Minirock, die Strapse spannten sich über einen straffen Hintern. Tamara sparte sich den Hinweis, dass sie keine Alpha mehr war. Wenn ihr die alte Stellung half, Respekt zu gewinnen, würde sie einen Teufel tun und sich outen.

»Warte hier.« Fred eilte voraus.

Doch sie wollte auf keinen Fall allein herumstehen und folgte ihm.

»Chef, hey!«

In diesem Moment wünschte Tamara, sie hätte sich Zeit gelassen, denn sie stand in der Tür zum Schlafzimmer. Auf einem Flatscreen lief in voller Lautstärke ein Porno mit mehreren Darstellern. Victor lag auf dem Rücken in einem riesigen Bett, eine üppig gebaute Wasserstoffblondine ritt ihn. Neben ihm lag eine Brünette, die hingebungsvoll an seinem Daumen nuckelte und gleichzeitig seine Brust streichelte.

»Chef, sorry. Die Alpha, also Tamara, ist da.«

»Verflucht, bist du gut, Baby!« Victor gab der Blonden mit der freien Hand einen Klaps auf den Po, was sie zu neuer Höchstform antrieb. »Ja, spitze!«

Tamara drehte sich weg, ging zwei Schritte und lehnte sich außerhalb des Zimmers an die Wand. Warum nur war sie hierhergekommen? Mehrere Höllenwölfe liefen an ihr vorbei, grüßten kurz und verschwanden im Schummerlicht.

»Hey, Tam.« Victor stand vor ihr, bekleidet mit einem Leinentuch. »Wusste gar nicht, dass du auch auf Party stehst.«

Am meisten machte es sie wütend, wie unverschämt gut er aussah. Trainierte Oberarme, kräftige Hände, die lässig das Tuch hielten. Der Bart war akkurat geschnitten, braune Augen funkelten sie an.

»Du gehst nicht ans Handy!«, stieß sie hervor und verschränkte die Arme. Gleichzeitig ärgerte sie sich, vor ihm so die Fassung zu verlieren. Sie führte sich auf wie eine alte Schachtel.

»Mein Handy?« Dichte Augenbrauen flutschten in die Höhe. »Hey, Chicas, hat eine von euch mein Handy gesehen?«

Schwungvoll wandte er sich dem Schlafzimmer zu. Das Handtuch schwang mit und ein gut gebauter Hintern kam zum Vorschein.

»Lass gut sein.« Tamara beruhigte ihren Pulsschlag.

Kichernd brachte die Brünette das Handy und zog das Tuch nach oben. Ihre Augen verweilten einen Moment auf seiner Leibesmitte. Unnötig zu sagen, dass sie vollkommen nackt war und mit den Brüsten wackelte, in denen mehrere Piercings steckten.

»Na, na! Ihr habt Fotos gemacht - die ganze Zeit. Schlimme Mädchen«, knurrte er, »ganz schlimme Mädchen.« Kraftvoll packte er die Brünette an den Handgelenken, nagelte sie am Türrahmen fest und sog an ihrem Hals. Stöhnend bog sie ihm den schlanken Körper entgegen.

»Victor!« Tamara wollte so schnell wie möglich weg.

»Ist gut, ich komme.«

Nach einem letzten glutvollen Blick auf das Mädchen scheuchte er es zurück ins Schlafzimmer und schlang das Handtuch fester um sich. Dann drängte er sich an Tamara vorbei und ging voraus in einen Raum, der normalerweise wohl als Küche diente. Drei Paare hatten den Raum umfunktioniert und waren rund um einen Tisch zugange.

»Macht draußen weiter, Leute«, empfahl er ihnen.

Murrend zogen sie ab, nicht ohne eine volle Flasche Wodka mitzunehmen. Der letzte Wolf schloss die Tür.

Tamara atmete auf. Die ohrenbetäubende Musik klang nur noch gedämpft zu ihnen herein. Als sie sich am Tisch abstützte, schreckte sie zurück, weil er schweißfeucht war. Die Küche war ein Schlachtfeld aus halb leeren Platten mit Fleisch, Fisch, Kaviar und jeder Menge Flaschen.

»Also, Ex-Alpha von Bayern.« Mit einem Mal blickte Victor sie aus klaren Augen an.

Sie zuckte zusammen. »Du weißt es also.«

»Ich bin Victor. Informationen sind mein Geschäft. Deshalb beauftragt ihr Frauen mich doch immer. Aber ich gebe dir einen guten Rat. Wenn meine Jungs das erfahren, wird es schwer für dich.«

»Ich weiß.«

»Also, was machst du, Tamara Hauptner, in der Höhle des Löwen?«

»Ich soll dir einen Stick geben. Scarlett sagt, es sei dringend. Deshalb musste ich heute kommen.«

Verdammt, das klang wie die Entschuldigung eines kleinen Mädchens, das unerlaubt in die Party des großen Bruders platzt. Sie ärgerte sich über sich selbst, als sie ihm den Stick reichte, und hoffte gleichzeitig, dass er das Handtuch nicht fallen ließ.

»Shit!«, Victor drehte sich weg und schlug mit der Faust auf den Tisch. Die Flaschen klirrten.

»Ich kann nichts dafür!«, verteidigte sie sich.

Es folgte eine Reihe von Flüchen, die sie glücklicherweise nicht verstand. War wohl Russisch. Erst in diesem Moment wurde ihr klar, dass sie keine Ahnung hatte, woher er eigentlich stammte. Schließlich endete die Litanei, er band das Handtuch fester um die schmale Taille und griff nach einer teuer aussehenden Flasche. Fragend sah er sie an, als er sich ein Glas einschenkte.

Sie schüttelte den Kopf, wollte so schnell wie möglich wieder weg. Leider hielt sie den Stick immer noch in der Hand.

»Das ist armenischer Kognak. So einen bekommst du nur bei mir.« Er schwenkte den schweren Becher und starrte auf die goldbraune Flüssigkeit. »Wir sind erst heute Morgen angekommen. Mann - ein paar Tage Ruhe, ist das zu viel verlangt?« Mit verkniffenem Gesichtsausdruck kippte er den Kognak hinunter.

Die Tür wurde aufgerissen, mehrere Leute polterten herein, mehr oder weniger bekleidet.

»Hey, ihr Zwei, Privatparty oder was? Kommt mit! Michi säuft gegen Jerin um die Wette.«

Arme griffen nach ihr, zogen sie zum Ausgang. Doch Victor hielt sie fest. »Lasst mal Leute«, wehrte er ab.

Inmitten des Chaos stand auf einmal Fred vor ihr.

»Egal, was Scarlett will, heute geh` ich feiern«, raunte Victor ihr ins Ohr. »Du kannst gerne bleiben.«

Seine tiefe Stimme raste ohne Umwege übers Gehirn direkt in ihr Herz.

»Nein, danke«, wehrte sie ab und hielt ihm erneut den Stick hin. »Nimm ihn schon, damit mein Auftrag erledigt ist.«

Nach einem langen Blick nahm er den Stick entgegen. Ihre Hände berührten sich, ein Schauder lief über ihren Rücken, Verheißung auf Spaß und Leidenschaft. Trotzig wandte sie sich ab.

Laut sagte er: »Fred, bring die Alpha sicher nach draußen und bis zum Auto. Verstanden?«

Ohne sich noch einmal umzusehen, umarmte er eine Blondine und tauchte schon bald in der Menge unter. Sie wurde am Arm gepackt, nicht so, dass es wehtat, aber doch so fest, dass sie mitging.

»Oder hast du vielleicht doch Lust, zu feiern?« Fred grinste sie an.

Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. »Danke, ich finde allein raus.«

»Befehl ist Befehl«, knurrte der Wolf und brachte sie tatsächlich bis zum Auto. »Seinen Clan im Stich zu lassen, ist das die neue Masche von euch Weibern? Ihr wollt immer das Sagen haben, aber wenn’s brenzlig wird, steigst du aus.«

Mit diesen Worten ließ er sie stehen und ging kopfschüttelnd zurück. Zitternd ließ sie den Motor an, stellte auf D und fuhr los. Sie wussten es bereits. Victors Wölfe wussten es und waren augenscheinlich nicht besonders begeistert.

Viel zu schnell erreichte sie die Wohnung. Der Clan besaß über ganz Bayern verteilt einige Appartements, die in Notzeiten als Safehouse genutzt wurden oder als Unterkunft für hochgestellte Gäste, die unerkannt länger bleiben wollten. Als Alpha des Clans von Bayern kannte sie die Lage der meisten Wohnungen natürlich. Halt! Als Ex-Alpha, erinnerte sie sich schmerzlich.

Das Appartement befand sich im obersten der fünf Stückwerke. Sie nutzte die letzte Gelegenheit, sich ausgiebig zu bewegen und sprintete die Treppe hinauf. Auf Anhieb fand sie den Schlüssel unter der Fußmatte und sperrte auf. Muffige Luft schlug ihr entgegen. Hier war schon länger niemand mehr gewesen. Missmutig öffnete sie die Fenster und die Balkontür. Dann räumte sie ihre Einkäufe ein und verstaute die wenigen Kleidungsstücke, die sie mitgenommen hatte.

Wie gern wäre sie jetzt im Clanhaus, würde das leckere Essen von Tom genießen und den Semper Vivum, der so gut schmeckte wie noch in keinem anderen Rudel bisher. Nein! Nicht an Phil denken und sein geheimes Spezialrezept.

Nichts davon war ihr geblieben. Sie, Tamara Hauptner, Ex-Alpha des Werwolfclans von Bayern; Ex-Geliebte von Phil, dem Heiler des Clans; Ex-Freundin von Rebecca, Vertraute des Clans, war jetzt eine Paria, eine Ausgestoßene. Eine einsame Wölfin ohne den Rückhalt eines Clans.

Erst in der Abgeschiedenheit der fremden Wohnung löste sich der Druck. Ihre Augen brannten, in ihrem Hals steckte ein Kloß so dick, dass sie kaum atmen konnte. Die Wände drehten sich um sie. Gerade noch rechtzeitig bekam sie einen Stuhl zu fassen, sank darauf nieder, schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte los. Wie konnte es nur so weit mit ihr kommen?

3. God Save the Queen

 

God save the Queen. Tamara schreckte hoch, tastete nach dem Handy. Erst als die Melodie ein zweites Mal erklang, wurde ihr die Tragweite bewusst. Ohne ihr Zutun überrollte eine Welle, nein, ein Tsunami an Erinnerungen ihr Gehirn. Keine davon war schön. Der Geruch nach altem Gemäuer, nassem Felsen, teuren Möbeln und Putzmittel katapultierte sie nach Hevter Castle in Schottland.

Unwillkürlich schnappte sie nach Luft, denn sie glaubte, der Moder und der Geruch von Hoffnungslosigkeit würden ihr den Atem rauben. Ihr Herz raste, ihr Puls dröhnte in den Ohren, während die Melodie weiter dudelte. Mit aller Macht verdrängte sie die Erinnerungen, rieb sich den Schlaf aus den Augen, räusperte sich und nahm ab.

»Wieso hat das so lange gedauert?«

Als hätten die letzten achtzig Jahre nur acht Minuten gedauert. Es hat sich nichts verändert, dachte sie bitter.

»Mother.« Sofort wechselte sie ins Englische, in ihre Muttersprache. Oxfordenglisch, um genau zu sein. Wie alle gebildeten Leute.

»Hast du etwa geschlafen? Am helllichten Tag? In deiner Situation?« Die Stimme klang vorwurfsvoll, verständnislos und ein klein wenig gelangweilt.

»Es ist zweiundzwanzig Uhr. Ja, ich war gerade eingeschlafen. Wie geht es dir?«

Man schuldete den Eltern Respekt, egal, was vorgefallen war. Das hatte man ihr wieder und wieder eingebläut – im wörtlichen Sinn. Wölfinnen als Lehrerinnen waren ganz besonders im siebzehnten Jahrhundert nicht sehr geduldig gewesen.

»Danke, nicht zu schlecht, bedenkt man die Umstände. Wie geht es dir, Darling?«

»Danke, könnte schlechter sein.«

Margaret McCarson, die Frau, die biologisch gesehen ihre Mutter war, gleichzeitig Alpha von England, Schottland und Irland, zögerte kurz - sehr kurz.

»Es gibt Gerüchte.«

Tamara seufzte. Das war schnell gegangen. »Es sind keine Gerüchte, Mutter. Helen ist die neue Alpha des Clans von Bayern.«

Sie glaubte, ein entsetztes Schnauben zu hören.

»Wie konnte das passieren?« Margarets Empörung war greifbar.

»Ich habe Rebecca vertraut. Bis jetzt bin ich nicht sicher, ob sie wirklich das Geld unterschlagen hat. Doch Helens Beweise waren stichhaltig. Ich musste Rebecca aus dem Clan werfen. Leider ist mir Scarlett in den Rücken gefallen, sie hat Rebecca zurückgeholt. Also bin ich gegangen. Es gab keine andere Möglichkeit für mich.« Das war die kürzeste Zusammenfassung, die sie zustande brachte.

»Helen, oh my god! Ein Niemand, ein Straßenköter. Du bist meine Tochter. Du hättest dich behaupten müssen.«

Es war nicht das erste Gespräch dieser Art und Tamaras Nerven lagen blank. Scharf erwiderte sie: »Ich hatte die Schnauze gestrichen voll - von Helen, von Sabrina und ihren dauernden Intrigen. Also bin ich gegangen.«

Schweigen hallte ihr entgegen. So war es immer. Sobald sie irgendetwas tat, was ihrer Mutter nicht gefiel, wurde sie mit Schweigen bestraft. Wie sie das hasste! Dann hörte sie ein Wispern vom anderen Ende.

»Emmy, schön, von dir zu hören!«, zischte sie.

»Hi, Darling«, zwitscherte ihre ältere Schwester, die Vertraute ihrer Mutter, ins Handy. »Wir dachten, du wärst endlich sesshaft geworden und mit dem neuen Welpen hast du dich ja gut vertragen. Rebecca, so heißt sie doch, oder? Hat sie wirklich mit den widerlichen Saugern paktiert?«

Tatsächlich schwang echtes Interesse in ihrer Stimme mit. Bildhaft sah Tamara sie vor sich. Die intrigante Emilie saß aufrecht in ihrem taubenblauen Kostüm am wuchtigen Schreibtisch im Büro der Mutter. Alles, wirklich alles, an ihr war perfekt. Die Aussicht auf einen Skandal dieser Größenordnung bereitete ihr sicher Vergnügen.

»Eigentlich fällt es mir schwer, das zu glauben«, erwiderte Tamara und stöhnte innerlich, »obwohl Helen erdrückende Beweise hatte.«

»Es war ein Fehler, sie zu wandeln. Allmählich versteht Scarlett das.«

Margaret hatte noch nie sehr viel für ihre Schwester übriggehabt. Tamara wusste, dass ihre Mutter am liebsten die Alpha von Europa geworden wäre.

»Ich würde ja gerne weiter mit dir plaudern, Liebes, aber ich habe noch so viel Arbeit. Deine Fehlentscheidung wird dich noch lange begleiten. Ein mütterlicher Rat von mir: Im Clan von Bayern geht irgendetwas Seltsames vor. Behalte ihn im Auge. Zurzeit gerät alles in Bewegung. Man muss früh entscheiden, auf der richtigen Seite zu stehen. Vergiss das nicht!«

Klick. Die Verbindung war unterbrochen. Unwillkürlich atmete Tamara aus. Dann überlegte sie. Was ging im Clan von Bayern Seltsames vor und welche Dinge gerieten in Bewegung?

 

Die erste Woche verstrich, ohne dass Tamara hätte sagen können, was sie gemacht hatte. Einmal klingelte es und ein verlegener Ludwig händigte ihr die Sachen aus, die sie im Clanhaus vergessen hatte. Beide wussten nicht, was sie sagen sollten, also fuhr Ludwig rasch wieder davon. Noch lange stand sie auf dem Balkon und lauschte dem Röhren seines Hummers. Ihr Blick fiel auf die Tupperdosen mit vorgekochtem Essen für drei Tage. Das hatte Tom sich nicht nehmen lassen. Sie schrieb ihm eine WhatsApp, in der sie sich bedankte und bekam keine Antwort.

Sie konnte es ihnen nicht verdenken, sie hatte das Unsagbare getan, ein Tabu gebrochen. Obwohl sie lange nachdachte, fiel ihr kein ähnlicher Fall ein. Natürlich nicht! Die Alpha eines Clans zu sein, bedeutete einer Wölfin alles. Noch dazu eines reichen, angesehenen Clans wie dem von Bayern! Nur zu gut wusste Tamara, dass sie die ihr anvertrauten Wölfinnen und Wölfe im Stich gelassen hatte – und ihre vormals beste Freundin. Aber was hätte sie tun sollen?

In der Stille der Wohnung, wenn sie stundenlang auf und ab wanderte, um der Ruhelosigkeit der Wölfin entgegenzuwirken, ging sie immer wieder den Sachverhalt durch.

Helen, die intriganteste Wölfin in ganz Bayern und vormals Alpha ihres Clans hatte ihr Beweise vorgelegt, nach denen Rebecca Clangeld veruntreut haben sollte. Nur, um es ausgerechnet Nicolas de Grabeuil, dem Sohn des mächtigsten Vampirs von Europa, zu geben. Noch in der Nacht hatte Tamara die Beweise geprüft, sie als echt und stichhaltig eingestuft. Und Rebecca, ihre beste Freundin, die erste Frau, die nach Jahrhunderten wieder in eine Werwölfin verwandelt worden war, konnte diese Beweise nicht entkräften. Stattdessen hatte sie mit einem Werwolf-Gigolo herumgeflirtet.

Wie wahrscheinlich war es, dass Rebecca mit Nick zusammenarbeitete? Gut, ihr Blut war eine abenteuerliche Mischung aus Vampirgift, Werwolfessenz und Menschenblut mit dem Diener-Gen, dem kein Vampir widerstehen konnte. Was ging in Rebecca vor? Sie beide waren einmal unzertrennlich gewesen. Wehmütig dachte Tamara an die guten alten Zeiten, als Rebecca noch nichts von Werwölfen und Vampiren wusste, als sie tanzen gingen und feiern – und studierten. Und dann hatte Tamara eine Entscheidung treffen müssen, eine Entscheidung, die Rebeccas Leben vollkommen veränderte. Hatte sie sich geirrt?

Erinnerungsfetzen überfielen sie.

Bran, der Heiler, wandelte Rebecca und meinte dann, sie hätte so viel Vampirgift und Meth abbekommen, dass es einem Wunder gliche, wenn die Wandlung glückte.

Brans Mitteilung, dass Rebecca über das Diener-Gen verfügte, wodurch es für Nick leichter war, einen Bann über sie zu verhängen.

Jack, der stinksauer von seiner Mutter zurück in den Clan beordert wurde.

Die ständigen Sticheleien und Intrigen von Sabrina und Helen.

Schließlich tauchte Scarlett auf und brachte Rebecca zurück in den Clan. Damit stellte sie ihre Autorität als Alpha in Frage.

Die Erkenntnis, dass sie Phil nicht liebte.

Ungeduldig vertrieb sie diese Erinnerungen. Während sie sich auf der Couch in eine Decke kuschelte, überlegte sie, wie es mir ihr weitergehen würde. Eines war ihr klar geworden. Sie wollte nie mehr eine Alpha sein. Dafür war sie nicht gemacht. Der Traum jeder Werwölfin war nicht der ihre. Sie wollte wieder studieren und als normale Wölfin in einem Clan leben - ohne die Verantwortung, die mit der Stellung als Alpha einherging. Aber kein Clan in ganz Europa wird mich aufnehmen, dachte sie verzweifelt. Außerdem will Scarlett mich bestrafen.

Ihre Lage schien aussichtslos.

 

4. Überraschender Besuch

 

So vergingen auch die nächsten beiden Wochen. Sie war allein und hatte keinen Auslauf. Die Stille im nur karg möblierten Appartement fühlte sich zentnerschwer an.

Eines Tages fragte sie sich, was Tom wohl am Abend kochen würde? Sie seufzte auf und erschrak sofort über das leise Geräusch, das die Stille kurz unterbrochen hatte. Heute war Spieleabend - normalerweise. Wahrscheinlich hatte Tom sein perfektes Gulasch gekocht. Man konnte es den ganzen restlichen Abend essen, weil es aufgewärmt noch besser schmeckte. Für Rebecca gab es sicher einen extra Topf mit Tofu-Geschnetzeltem.

Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie daran dachte, welch ein Gebrumm der alte Werwolf immer veranstaltete. Er bestand darauf, kein vegetarischer Koch zu sein, obwohl er die besten vegetarischen Gerichte zauberte, wenn man Rebecca Glauben schenkte. Rebecca! Ihre beste Freundin – bis vor wenigen Wochen jedenfalls. Wieder verbot sie sich jeden Gedanken an das, was geschehen war.

Ja, sie hatte es vergeigt, um Scarlett zu zitieren, und wirklich alle Brücken hinter sich abgebrochen. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf, sah kurz im Spiegelbild des Fensters, dass ihre kurzen braunen Haare strubbelig abstanden. Doch ihr Aussehen war ihre geringste Sorge.

Etwas beschäftigte sie fast noch mehr als ihr Kummer und ihre Selbstzweifel. Ob Rebecca herausfand, wer das Geld des Clans veruntreut hatte? Würde Scarlett sich an das Ultimatum halten und Rebecca wirklich zu dem wilden Rudel verbannen und sie damit dem sicheren Tod überantworten?

Um dem Gedankenkarussell zu entrinnen, räumte sie das Geschirr auf und setzte sich an den Tisch. Sie nahm sich Mitschriften vom letzten Semester vor, um sie nochmals durchzugehen. Als sie ein Geräusch hörte, schreckte sie hoch. Stirnrunzelnd stand sie auf. Es sah nach einem Gewitter aus. In der Ferne zitterte ein Blitz über den Dächern der Häuser. Ein Schatten huschte über die Terrasse.

Tamara wappnete sich. Wer würde ausgerechnet bei ihr einbrechen? Sie griff nach der Wasserflasche, drehte sie, sodass sie zuschlagen konnte. Dann schlich sie zur Terrassentür, lupfte den Vorhang und - stutzte.

»Sorry, wollte dich nicht erschrecken.« Stefan senkte schuldbewusst den Kopf.

Nach einem tiefen Atemzug stellte sie die Flasche betont ruhig neben sich ab, öffnete die Terrassentür und ließ den jungen Werwolf herein.

»Was machst du hier?« Beinahe überschwänglich umarmte sie ihn.

Ihre Wölfin freute sich, jemanden vom alten Clan zu treffen. Grummelnd befreite er sich und strich sich die Haare glatt.

»Wie geht es dir? Hast du Hunger?« Reiß dich zusammen, schob sie im Stillen hinterher. Vor lauter Freude war ihr nach Plappern zumute.

Stefan hob die Nase, dann grinste er. »Gegen das Steak hätte ich nichts einzuwenden.«

Also stellte sie ihm das Essen hin, schenkte Saft ein und sah amüsiert zu, in welcher Geschwindigkeit das nicht gerade kleine Steak in Stefans Mund verschwand. Satt setzte er sich schließlich zurück.

»Im Clan sind alle verrückt geworden.« Er wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht. Dabei wirkte er bedrückt.

»Was soll das heißen?«

»Sabrina scheucht alle rum, als wäre sie die Königin selbst. Helens arrogante Art geht mir so was von auf den Sack. Phil schleicht rum, als wäre er ein Gespenst und Tom …!« Er schnaubte. »Ist ein Wunder, dass wir nicht jeden Tag neue Töpfe brauchen. Neulich wollte er mit Helen ein paar Tage frei machen. Wir haben uns wirklich schon gefreut. Endlich mal Ruhe vor der Zicke! Aber dann hat sie plötzlich was anderes vorgehabt. Die verarscht ihn doch.« Unvermittelt schlug er mit der Faust auf den Tisch.

Tamara schluckte und wischte ein paar Tränen beiseite. »Das tut mir leid.« Sie rückte näher und strich ihm über den Kopf, was er sogar duldete.

»Rebeccas Ultimatum läuft bald ab. Weißt du noch?« Mit großen Augen blickte er sie an.

Wie sehr der Junge an ihrer früheren Freundin hing, wusste sie genau. Beklommen nickte sie. Es käme Helen mehr als gelegen, wenn Rebecca endgültig aus dem Weg wäre.

»Gibt es Fortschritte?«, erkundigte sie sich.

Stefan schüttelte den Kopf.

»Sie sitzt oft in der Bib in der Uni. Keiner von uns kann ihr helfen. Jack ist viel mit Thora unterwegs …«

Allmählich begriff sie. »Und keiner hat Zeit für dich.«

»Ich brauch keinen!«, begehrte er auf und nahm sich einen Keks aus der Schale. »Aber ich dachte, also ich dachte, wo du nicht raus darfst, vielleicht brauchst du was? Vom Clan will dir sonst keiner helfen, nicht mal Phil.«

Dankbar lächelte sie ihn an. Auch wenn ihr klar war, dass er seine eigene Einsamkeit mit der Hilfsbereitschaft für sie bekämpfte, freute es sie doch. Einige Augenblicke dachte sie nach. »Ja, ein paar Sachen brauche ich wirklich. Ich schreibe eine Liste. Solange kannst du ja fernsehen.«

»Hast du nicht mal WLAN?«

Fast schon verzweifelt tippte er auf seinem zugegebenermaßen alten Smartphone herum.

»Nope. Kein WLAN, nur Fernsehen.« Sie hob die Augenbrauen und versuchte, Scarletts Stimme nachzuahmen: »Du sollst über deine Verfehlungen nachdenken!« Ihr schwante, dass der Versuch vergeblich war.

»Schlimmer als im Mittelalter«, brummte er. »Gibt es wenigstens ne X-Box oder ne alte Wii? Playstation verlange ich eh nicht.«

Jetzt musste sie wirklich lachen. »Nichts davon. Aber schau, da läuft gerade eine Doku über die Indianer am Amazonas. Vielleicht gefällt dir das?«

Kopfschüttelnd schlurfte er zur Couch, lümmelte sich darauf und stierte auf den Bildschirm. Währenddessen schrieb sie die Liste, setzte neben einigen Lebensmitteln ein paar Bücher und DVDs darauf. Als sie ihm den Zettel hinhielt, beachtete er sie gar nicht. Denn just in diesem Augenblick wurde erklärt, wie die Indianer Curare-Gift herstellten. Interessiert verfolgte der junge Wolf die Reportage.

Also nutzte sie die Gunst der Stunde, setzte sich neben ihn und strich ihm wie nebenbei ein paar Mal über den Kopf. Seit dem Tag ihres Arrestes war es das erste Mal, dass ihre Wölfin schnurrte. Es fühlte sich fast wie Rudel an. Erst als der Bericht endete, wurde Stefan augenscheinlich bewusst, was vor sich ging. Rasch befreite er sich von ihr, nahm die Liste und umarmte sie kurz.

»Also vielleicht dauert es ein, zwei Tage, bis ich Tom wieder entwischen kann.« Als er jetzt grinste, sah er seinem Vater Victor ziemlich ähnlich.

»Kein Problem.« Sie hob die Arme. »Ich werde da sein.«

»Schlimmer als im Mittelalter«, wiederholte er, bevor er durch die Tür verschwand.

Jäh überfiel sie ein Gefühl der Beklemmung. Ihre Wölfin heulte auf, wollte hinter dem Rudelmitglied herrennen. Um sich abzulenken, ging sie in das andere Zimmer, in dem mehrere Fitnessgeräte standen. Hier hielt sie sich ohnehin meistens auf. Irgendwie musste sie die Wölfin ja besänftigen.

Zum Glück hielt Stefan Wort. Zwei Tage später brachte er die gewünschten Dinge. Danach kam er regelmäßig, erzählte vom Clan und ab und zu von der Schule. Auf diese Weise gestaltete sich der Hausarrest für Tamara ein wenig angenehmer.

 

Stefan hatte sich angesagt, aber heute verspätete er sich. Schließlich - sie war fast vor dem Fernseher eingeschlafen - polterte es. Ihre Wölfin spürte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie sprang auf, zutiefst beunruhigt öffnete sie die Terrassentür.

»Rebecca ist unschuldig. Sie war eingesperrt und Nick hat sie befreit. Jack ist fuchsteufelswild, weil Nick das Blut aus dem Clanhaus gestohlen hat.«

Stefan holte tief Luft, lief durch den Raum und ließ sich aufs Sofa fallen. Während sie versuchte, die Informationen zu verarbeiten, schob sie ihm die Kekse hin, die sie aus Langeweile gestern gebacken hatte. Er stopfte drei auf einmal in sich hinein, öffnete dann zischend die Flasche Cola.

»In aller Ruhe und mal ganz von vorne«, befahl sie.

»Tom hat Rebecca heimlich Helens Laptop gegeben und sie konnte die Datei entschlüsseln. Die ist echt ne gute Informatikerin. Aber dann wurde sie in der Uni entführt - von Helen, zusammen mit Chantal, der blöden Hexe. Rebecca sagte, jemand habe um ihr Blut gefeilscht, aber sie weiß nicht, wer. Mann, die war kurz davor abzukratzen. Diese scheiß Vamps - echt!«

Vor Aufregung und Zorn stand der junge Wolf kurz vor der Verwandlung. Als ihr die Tragweite seiner Worte dämmerte, wurde ihr übel. Trotzdem legte sie ihm beruhigend die Hand auf die Schulter, spürte, wie sein Körper bebte.

»Dann war alles gut. Jack hat sie aus der Donau gezogen und dann stiehlt Nick die Blutprobe. Jack ist so was von sauer.«

Instinktiv rieb Stefan sich die Schulter. Sie vermutete, dass der Junge an der Stelle schon öfters etwas abbekommen hatte.

»Und deshalb bin ich spät dran.« Er sackte zusammen, schielte zur Küche.

Obwohl ihr Kopf von so vielen Neuigkeiten brummte und sie am liebsten in Ruhe über alles nachgedacht hätte, drückte sie sich hoch, servierte Schnitzel und Pommes. Zusammen aßen sie.

»Wie lange noch?«, fragte er mit vollem Mund.

»Nächste Woche darf ich raus. Was dann passiert, weiß ich nicht.« Ratlos zuckte sie mit den Schultern.

Er räusperte sich. »Also … äh … ich soll noch was ausrichten.«

Nervös fuhr er sich durch die Haare, ihr schwante nichts Gutes.

»Phil lässt fragen, ob du dich noch mal mit ihm treffen willst, zum Quatschen und so …« Verlegen schielte er zu ihr herüber.

Ihr Herz raste, am liebsten hätte sie nein gesagt. Andererseits hatte gerade Phil es verdient, dass sie in Ruhe mit ihm redete. »Ja, klar. Sobald ich raus bin, ruf ich ihn an«, erwiderte sie ausweichend.

»Tja, die Sache ist die, er meinte er würde morgen Abend kommen – falls es dir passt.«

Unwillkürlich zuckte sie zusammen.

Der erste Impuls war abzulehnen. Ihr Magen zog sich zusammen, ihr wurde heiß und sie spürte, wie sich ihr Gesicht rot färbte. Morgen schon! Trotz der einsamen Wochen, in denen sie hin und her überlegt hatte, war sie noch nicht auf die Begegnung mit Phil vorbereitet. Beklommen nickte sie.

 

Pünktlich am nächsten Abend klingelte es und Phil stand vor der Tür. Sie kannte ihn gut genug, um zu erkennen, dass er mindestens genauso aufgeregt war wie sie.

»Hi, Tamara! Bitte …« Die Köpfe der Rosen zitterten.

»Danke, das wäre doch nicht nötig gewesen.« Tränen brannten in ihren Augen. »Komm rein.«

Neugierig sah er sich um, als er vor ihr herging. »Eigentlich würde ich gerne sagen: Hübsch hast du’s hier.« Angesichts der kargen Möblierung verstummte er.

»Ja, ich weiß.« Sie stellte die Blumen in eine Vase mit Wasser und war froh, dass sie etwas mit ihren Händen tun konnte.

»Hör zu, Phil! Ich möchte mich entschuldigen. Wir hätten auf jeden Fall vorher darüber sprechen müssen. Es ist alles meine Schuld. Es liegt nicht an dir.«

Er verzog das Gesicht. »Das sagt man immer.«

Sie schluckte, wollte etwas erwidern, hob an, etwas zu sagen und brachte keinen Ton heraus.

Langsam kam er auf sie zu. Schon glaubte sie, er wollte sie umarmen. Schmerz lag in seinen dunkelblauen Augen. Kurz bevor er sie berühren konnte, blieb er stehen. Ihre Blicke trafen sich. Einige Atemzüge lang sahen sie sich einfach nur an. Dann drehte er sich weg, kramte in seiner Umhängetasche herum und hielt schließlich ein Päckchen in der Hand.

»Du hattest recht. Mir ist klar geworden, dass wir eigentlich nur noch Freunde waren - gute Freunde.« Seine Lippen hoben sich ein wenig. »Was damals in Schottland passiert ist, hast du noch nicht verwunden. Du brauchst jemanden, der dich Cian vergessen lässt. Leider bin ich das nicht.« Er schluckte schwer.

Wieder wollte sie etwas erwidern, doch er winkte ab.

»Niemand weiß, wo Scarlett dich hinschickt. Auf Rebeccas Drängen hat Sabrina gnädigerweise ihre Kontakte in München konsultiert. Es heißt, dass die Alpha wirklich sauer auf dich ist. Also dachte ich, du könntest ein Notfallset gebrauchen. Ist alles beschriftet, im Zweifelsfall kannst du mich anrufen. Ich bin zu jeder Zeit für dich da. Ich wünsche dir alles Gute, Tamara.«

Sanft fuhr er ihr einmal über den Arm, seine Augen glänzten verräterisch. Dann drehte er sich abrupt um und eilte durch die Wohnung. Leise schloss sich die Tür.

Sie war allein. Die Stille schien sie zu erdrücken. Sie atmete nicht, schaute nur auf die kleine Tasche in ihren Händen. Schließlich sank sie zu Boden, stellte vorsichtig die Tasche ab, zog die Knie an und legte den Kopf darauf. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, steigerte sich, bis sie hemmungslos heulte.

5. Nur ein Freund

 

Am nächsten Morgen klingelte das Telefon. »Hattest du genug Zeit, um nachzudenken, welchen Mist du gebaut hast?«, dröhnte Tonys Stimme ihr entgegen.

Den Hintergrundgeräuschen nach zu urteilen, hockte sie im Hubschrauber.

»Ja, klar! Also …«

»Ist mir alles egal«, unterbrach Tony sie rüde. »Wir haben noch nichts Passendes gefunden für eine Wölfin, die ihren Clan im Stich gelassen hat. Die nächsten Wochen arbeitest du im Archiv in der Zentrale in München. Du bleibst im Appartement in Passau. Wir zahlen keine extra Miete für eine Wohnung in München. Das bedeutet, du fährst mit dem Zug hin und her. Die BahnCard kommt mit der Post. Dein Bewegungsradius wird auf den Neuburger Wald begrenzt. Du weißt ja, Sabrina ist die neue Alpha. Sie will nicht, dass du ihr über den Weg läufst. Halt dich dran! Ab morgen hast du wieder WLAN. Alles weitere per Mail.«

Freizeichen. Kein Wort von Scarlett. Tamara war eine Paria - ausgestoßen, minderwertig, ohne Schutz durch einen Clan. Wieder einmal!

Erneut überkam sie heftige Trauer. Doch dann siegte ihr Stolz. Sie hatte wieder einen Job und Zugriff auf ihre Konten. In dieser Wohnung würde sie sich gemütlich einrichten. Sabrina aus dem Weg zu gehen, fiel ihr nicht schwer.

 

Am nächsten Abend durfte sie endlich wieder raus. Die Wohnung lag günstig - viel Grün drumherum, die Häuser zurückgesetzt. Zwei Sprünge und sie stand als Wölfin verwandelt im Garten. Flink schnürte sie weiter. Nach wenigen Minuten erreichte sie die ersten Bäume des Neuburger Waldes. Auch wenn das Waldgebiet nicht sehr groß war, kam es ihr nach den vier Wochen Hausarrest riesig vor. Leider machte die Jagd alleine keinen Spaß. Das Rudel fehlte, vor allem die geistige Verbindung. Als es zu dämmern begann, rollte sie sich am Fuße einer großen Buche, gut versteckt unter einem Haufen Laub, zusammen und schlief ein.

 

»Argh!« Ihr Schrei hallte ungehört von den kahlen Wänden. Wieder und wieder. Irgendwann versiegte die letzte Träne. Wut wandelte sich in Verzweiflung. Tamara vernahm ein Wimmern und verstand erst nach mehreren Atemzügen, dass es aus ihrer rauen Kehle kam. Ohnmächtig hieb sie auf den Strohsack, der von den unzähligen früheren Schlägen schon zerrissen war.

Wind heulte um den Turm. Sie spürte, wie der eisige Luftzug durch jede noch so kleine Ritze fuhr. Ein Sonnenstrahl stahl sich zwischen die rasch dahinziehenden Wolken und beleuchtete ihre Kammer. Mein Gefängnis, dachte sie voller Bitterkeit und blickte sich um. Auf dem stabilen Bett mit vier Pfosten lagen nur noch die Überreste des Strohsackes. Es gab noch einen wackligen Tisch und einen Stuhl – oder das, was davon übrig geblieben war, nachdem sie ihn gegen die Tür geschleudert hatte. Als Antwort auf die Frage von Lady Margaret McCarson, Alpha von England, Schottland und Irland während ihres einzigen Besuches: „Wann wirst du endlich vernünftig?“

Graupel schlugen gegen das Fenster. Für einen Augenblick befürchtete Tamara, die Eiskristalle würden das dünne Glas zertrümmern. Schaudernd wickelte sie sich in das Plaid, das ihre Kinderfrau heimlich hereingeschmuggelt hatte. Dabei hatte Gertrudis sie angefleht, endlich dem Willen ihrer Mutter zu entsprechen.

Lieber würde sie sterben, was nicht so einfach war, denn ihre Wölfin hinderte sie erfolgreich daran. Mehrfach hatte sie es versucht. Müde rieb sie sich über die Augen. Wann hatte sie das letzte Mal geschlafen? Immer, wenn sie die Augen schloss, spielte sich die gleiche Szene ab.

Das Deck eines Kriegsschiffes mit hämisch grinsenden, hart gesottenen Matrosen. Unter ihnen befand sich, in perfekt sitzender Uniform, Admiral Albert Finch. Er sah auf den Mann hinab, den drei Soldaten nur mit Mühe bändigen konnten. Unter dem zerrissenen Hemd arbeiteten die kräftigen Muskeln. Blut rann von der Stirn, Schweiß tränkte das rote Haar und färbte es dunkel. Cian, Lord Cian Davlin! Alles in ihr schrie danach, zu ihm zu laufen, um ihm zu helfen.

Nun strich der Admiral liebevoll über die grausame Waffe in seiner Hand, sein Markenzeichen - die neunschwänzige Peitsche. Er holte aus. Mit einem furchtbaren Schrei bäumte sich Cian auf. Doch die Männer drückten ihn zu Boden. Mit einem hässlichen Sirren sauste die Peitsche immer wieder auf den entblößten Rücken herab und hinterließ blutige Streifen.

Tamara heulte auf, doch niemand hörte sie. Sich zu wandeln war Cian nicht möglich. Der silberne Reif um seinen Hals hinderte ihn daran. Schlag auf Schlag folgte, bis Cian – endlich – bewusstlos zusammenbrach. Blut floss aus unzähligen Wunden seines geschundenen Rückens.

Jetzt hob der Admiral den Kopf, triumphierend blickte er Tamara direkt in die Augen. Die gebärdete sich wie wild – biss, knurrte, heulte. Aber der Käfig mit den versilberten Stäben ließ ihr keinen Spielraum. Die Soldaten zerrten ihren Geliebten unter Deck. Eine Blutspur markierte ihren Weg. Und dann war er nicht mehr zu sehen – Cian, ihr Gefährte, der Mann, mit dem sie ihr restliches Leben hatte verbringen wollen. Ihr Herz weigerte sich weiterzuschlagen.

Hämisch grinsend baute sich der Admiral vor ihrem Käfig auf: »Deine Mutter hat es versprochen. Du wirst meine Frau, ob du willst oder nicht. Vergiss ihn!«

In diesem Käfig - welche Schande – hatte man sie zurück nach Hevtor Castle gebracht. Seitdem schmorte sie im obersten Gemach des Kettenturmes. Wie viel Zeit war seitdem vergangen? Dumpf erinnerte sie sich an drei Vollmonde, in den Nächten durfte sie wenigstens verwandelt im Burghof rennen. Eine Abfolge lähmender, langweiliger Tag und verzweifelter Nächte, in denen sie sich mit jeder Faser ihres Seins nach ihm sehnte.

Sie musste doch eingeschlafen sein, denn mit einem Mal schreckte sie hoch. Ihr Herz raste. Sie war nicht mehr allein. Er saß in einem bequemen Stuhl, das Feuer im Kamin brannte. Sein ständiger Begleiter, die Peitsche, lag auf seinen Knien. Ihr Kopf brummte. Hatte man ihr etwas in den Wein getan? Blinzelnd sah sie sich um – und erschrak. Sie war nicht mehr in der Kammer. An den Wänden glänzten helle Tapeten, die verschiedene Landschaften zeigten. Die Möbel waren neu und teuer. Der Raum befand sich im Erdgeschoss, was sie bemerkte, als sie aus dem einzigen Fenster sah. Es war vergittert - mit silbernen Stäben.

Theatralisch seufzte Finch. »Das alles wäre nicht nötig gewesen, Herzchen.«

Unwillkürlich knurrte sie. Er tätschelte die Peitsche.

»Ich habe dir genug Zeit gegeben, dir über die Situation klar zu werden. Du bist mir versprochen. Ich habe so viel für deine Mutter und dieses Land getan. Die Bezahlung steht mir zu, nicht zu reden von dem Geheimnis! Deiner Mutter liegt natürlich viel daran, dass niemand davon erfährt.«

Süffisant deutete er auf die silbernen Handschellen, die sich um ihre Handgelenke schlossen und sie an das Bett fesselten.

»Die Leute beginnen zu reden. Sie wundern sich, warum die Heirat noch nicht stattgefunden hat. Es wird Zeit, dass meine Familie in den Adelsstand erhoben wird, so wie es uns zusteht. Also ein letztes Mal. Füg dich oder du wirst es bereuen! Allerdings muss ich sagen, dass ich meine Weiber gern störrisch hab. Sobald sie mit meinem Liebling Bekanntschaft machten, hat sich noch jede gefügt. Oder magst du es vielleicht härter? Kein Problem für mich. Eines lass dir gesagt sein. Auf Cian musst du nicht mehr hoffen. Da dieser Bastard mich um das Privileg deiner Jungfräulichkeit gebracht hat, füttert seine Leiche nun die Fische im Nordmeer. Hat lange gedauert, bis er endlich hinüber war. Euresgleichen stirbt wohl nicht so leicht. Noch ein Vorteil für meinen Liebling und mich.«

Hingebungsvoll strich er über den Griff der Peitsche. Es dauerte, bis die Bedeutung seiner Worte in ihr Bewusstsein sickerte. Cian war tot! Wie ein gepeinigtes Tier schrie Tamara auf. Ihre Augen brannten.

Finch lachte nur. »Schrei so viel du willst. Das kümmert niemanden. Die sind es gewohnt, dass es in meinem Schlafgemach etwas lauter zugeht.«

Nach diesen Worten stand er auf, legte die Peitsche neben sich und zog die Jacke aus. Langsam knöpfte er die Weste auf, nicht ohne ihr lüsterne Blicke zuzuwerfen. Mit Grauen wurde ihr bewusst, dass sie hilflos diesem Monster ausgeliefert war. Verzweifelt zerrte sie an den Handschellen, das Silber fraß sich in ihre Haut. Aber das war ihre geringste Sorge. Schon streifte er seine Hose ab, das dünne Untergewand zeigte seine Erregung nur zu deutlich.

»Du gehörst mir. Je eher du es einsiehst, umso besser wird es dir ergehen.« Seine Stimme klang rau vor Verlangen.

Fieberhaft überlegte sie, wie sie sich wehren konnte. Mit einem Mal wurde sie ruhig. Ihr war, als würde Cian zu ihr sagen: »Du bist nicht allein.

---ENDE DER LESEPROBE---