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Band I der epischen High Fantasy Saga Als berühmte Schwertmeisterin kehrt die Graselfe Esmanté d‘Elestre in ihre Heimat zurück, um vor anrückenden Orks zu warnen. In einem Gefecht wird sie von ihren Gefährten getrennt und schwer verletzt. Loglard, ein geheimnisvoller Magier der verfeindeten Waldelfen, rettet ihr Leben. Sie verlieben sich ineinander, doch die Verbindung bringt beide in Gefahr. Unterdessen überschlagen sich die Ereignisse im Lande Tiranorg. Nach Jahrhunderten erhebt sich der grausame Geheimbund der Arsuri erneut. Die sagenumwobenen Meerelfen betreten den Boden Tiranorgs, weil sie vom Untergang bedroht sind. Esmanté muss erkennen, dass sie im Kampf um die Macht in Tiranorg eine wichtige Rolle spielt – in einem Kampf, dessen Regeln sie nicht kennt. 3. Auflage (30.11.2018) professionell neu lektoriert. »Tiranorg, Schwertliebe« ist der Auftakt zu der abgeschlossenen vierteiligen High Fantasy Saga um die Zukunft der Elfenvölker in Tiranorg. Band II Tiranorg, Schwertmagie, Band III Tiranorg, Schwertverrat, Band IV Tiranorg, Schwertmacht Leserstimmen von Lovelybooks: "Schöne Geschichte, die einen mitnimmt!" "Eine tolle Fantasy Geschichte die fesselt und nicht mehr weggelegt werden kann" "Phantastisch" "Super Highfantasie"
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Tiranorg
Schwertliebe
Ein Roman von Judith M. Brivulet
Freunde, es ist mir eine Ehre,
mit euch in den Kampf zu ziehen!
© 2018 Judith M. Brivulet
www.brivulet.com
ISBN 978-1530009565
3. überarbeitete Auflage
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme, des Nachdrucks in Zeitungen und Zeitschriften, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung und Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- und Bildteile sowie der Übersetzung in andere Sprachen.
Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, Schauplätze, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder realen Ereignissen sind rein zufällig.
Lektorat: Carolin Olivares
www.olivares-canas.com
Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss
www.juliane-schneeweiss.de
Bilder © Depositphotos.com/
fxquadro, fotokostic, mikeaubry, angle
Impressum:
Impressumssservice:
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Am Wimhof 20
94034 Passau
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Inhaltsverzeichnis
1. Grianan Aileach
2. Training
3. Kampf am Keriya
4. Loglard
5. Die Höhle im Wald
6. Magier und Hunde
7. Einladung
8. Magische Hände
9. Ein Fehler
10. Die Große Buche
11. Nisz
12. Uthgart der Löwe
13. Trollkraft
14. Der Rat der Sieben
15. Das Haus der Heiler
16. Zuhause
17. Nachrichten
18. Das Sternenfest
19. Der tanzende Bär
20. Tyr Abath
21. Kräftemessen
22. Missverständnisse
23. Tollkirschensaft
24. Vergessen
25. Gute Geschäfte
26. Alban Arthuan
27. Traditionen
28. Lyn Darwich
29. Ein langer Weg
30. Verletzte Gefühle
31. Im Badhaus
32. Entdeckung
33. Im Kerker
34. Erér
35. Flucht
36. Die Panther
37. Im Weißforst
38. Verwandlung
39. Dun Fraoch
40. Die Tiefe Bindung
41. Creydillad, die Gütige
42. Bilsenkraut
43. Caers Fluch
44. Jelanda
45. Wasser überall
46. Men Dûr
47. Bealtaine
48. Das Duell
49. Osol
50. Warnung
51. Auf der Spur
52. Schutzzauber
53. Ein schönes Leben
54. Der einsamste Kampf
55. Stürmische Ankunft
56. Beschwörung
57. Eisbrücke
58. Entführt
59. Der andere Weg
60. Nebelkrieger
61. Das Portal
62. Wirklichkeit
63. Zurück
64. Wilder Wein
65. Kraft und Liebe
66. Eifersucht
67. Unfrieden
68. Vor dem Hohen Rat
69. Im Langhaus
70. Freunde
71. Koadeck
72. Auf dem Weg
73. Rückzieher
74. Spione
75. Begegnungen
76. Heimlichkeiten
77. Neue Gefährten
78. Verluste
79. Unterwegs
80. Schlangen und Ratten
81. Eine winzige Flamme
82. Brennendes Pentagramm
83. Aufruhr
84. Geheimnisse
85. Epilog
86. Personenverzeichnis
87. Zum Schluss
88. Und so geht’s weiter mit Tiranorg II
Für Christoph, die Liebe meines Lebens,
ohne ihn wäre die Geschichte nie entstanden.
Für meine drei Töchter,
die immer an mich glaubten.
Der Mond kämpfte tapfer, bevor er verlor. Dunkle Wolkenberge erstickten den Schein seiner vollen silbernen Scheibe. Nebelfetzen stiegen aus den Wiesen, verbanden sich mit dem Geruch nach Äpfeln, Pilzen und frisch gemähtem Gras. Nur die Flammen des Lagerfeuers vertrieben die Feuchtigkeit. Gierig leckten sie an ein paar dürren Ästen. Der Wind frischte auf, lud die Schatten der Bäume zum Tanz.
Wolkenwind stutzte und hob den Kopf. Das Wasser lief aus seinem Maul und tropfte zu Boden, als er wieherte. Ich hielt den Atem an – kein Zweifel! Ein Kind weinte, nein, kein Kind, vielmehr ein Säugling, herzzerreißend, tieftraurig. Ich konnte das armselige Bündel direkt vor mir sehen, wie es im Gras lag, hilflos der Kälte und Dunkelheit ausgesetzt. Sofort sprang ich auf, um nachzusehen, warum sich hier, mitten in den Hügeln von Cérnowia, niemand um das Kleine kümmerte. Das Weinen erstarb, die Geräusche der Nacht füllten die Lücke. Ich blieb stehen und lauschte. Wo bei allen Göttern war das Kind geblieben? Da – das Schluchzen ertönte erneut, steigerte sich, so als wisse das Baby, in welcher Gefahr es schwebte.
Na warte, wenn ich deine Mutter in die Finger kriege!, schwor ich mir, während ich den Hügel hinaufrannte.
Jäh übertönte lautes Bellen das Greinen. Wildhunde! Natürlich hatten auch sie das Jammern gehört und freuten sich auf leichte Beute. Aber nicht mit mir.
»Uh, hu, hu.« Das Schluchzen füllte meine Ohren, beherrschte jeden Gedanken und ließ mich fürchten, zu spät zu kommen. Der Wind brachte das kniehohe Gras zum Rascheln.
»Wo bist du nur?«, flüsterte ich in die Nacht.
In der Dämmerung stolperte ich über einen Erdhaufen, das rettete mir das Leben. Rasiermesserscharfe Krallen rissen statt meinem Hals nur den linken Arm auf. Geistesgegenwärtig warf ich mich nach vorn, zog noch im Fallen Akrya, schnellte herum und stieß zu.
Empörtes Fauchen war die Antwort. Grünes Blut tropfte neben mir zu Boden, wo es zischend verdampfte. Die Wolken gaben endlich den Mond frei. Sein Licht offenbarte zwei rundliche Silhouetten mit stattlichen Flügeln, die eben kehrtmachten und auf mich zusteuerten.
»Hat‘n Schwert, die Gute, will das Kind beschützen«, krächzte eine und es klang, als schramme ein Messer über Glas.
»Wäh, wäh.«
Erst jetzt begriff ich, dass diese fliegenden Wesen das Weinen verursacht hatten.
»Kommt her, ihr Bastarde.« Akrya erhoben, wartete ich auf sie.
Knapp außerhalb der Reichweite der Klinge segelte einer der Angreifer über mich hinweg.
»Schade, der Meister ruft. Vielleicht sehen wir uns wieder.«
Noch einmal überflogen mich die beiden, dann verschwanden sie in die Nacht.
»Haut nur ab«, knurrte ich und drehte mich um. Eine kalte Schnauze berührte mich an der Hand. Beinahe hätte ich zugestoßen, doch da winselte es und ich erkannte einen zerzausten Wildhundewelpen mit honigfarbenem Fell. Glanzlose Augen blickten zu mir auf. Ein buschiger Schwanz pendelte einmal hin und her.
»Na, Kleiner, was ist mit dir los?« Statt einer Antwort leckte er über meine Hand.
Als ich ihn hochnahm, bemerkte ich auf der Seite eine lange Schramme. Nur wenige Schritte entfernt lag seine Mutter, schrecklich verbrannt, und neben ihr zwei Geschwister.
»Ich muss dich wohl mitnehmen«, seufzte ich.
Statt einer Antwort schmiegte sich der Kleine an mich. Am Bach angekommen beschnupperte Wolkenwind den neuen Reisegefährten ausgiebig und widmete sich anschließend dem frischen Gras.
»Wer zum Henker war das?«, murmelte ich, während ich die Verletzung säuberte. Die Silhouette der Angreifer ähnelte keinem Wesen in Tiranorg, das ich kannte.
Zuletzt schöpfte ich dem Hund mit der Hand Wasser, das er gierig aufleckte. Dann rollte er sich auf meinem Schoß zusammen. Anschließend breitete ich die Decke aus, öffnete den Verschluss des Wasserschlauches und leerte ihn in einem Zug. Mit dem Ärmelrücken des Wamses wischte ich mir über den Mund, wobei ich mich an meine Erzieherin Lady Cémana erinnerte.
»Wir Cérn gehören vom einfachen Bauern bis zur Königin dem stolzen Geschlecht der Graselfen an. Besonders wir Adligen, die hier auf Grianan Aileach der Edlen Frau treu dienen, sind aufgefordert, ein leuchtendes Beispiel für die Größe des Sternenthrones abzugeben …«, und so weiter und so fort.
Wenn ich ehrlich bin, hatte ich spätestens bei dem Wort Adligen nicht mehr zugehört.
Ich schloss die Augen und blickte zurück. Als wäre es erst gestern passiert, sah ich das Trainingsgeviert vor mir.
Mutter und Freyda standen sich gegenüber. Ihre Schwerter prallten klirrend aufeinander. Sie ächzten. Jetzt holte Freyda aus, Mutter duckte sich weg, wirbelte herum und deckte ihre Gegnerin mit raschen Schlägen ein.
Wer wollte da noch bei dieser langweiligen, alten Hofdame sitzen, um zu lernen, die Gabel auf die einzig richtige Art zu halten? Also war ich abgehauen, wieder einmal.
Nein, viel lieber saß ich hier, frei wie der Wind. Zu meinem Glück fand ich im Proviantbeutel noch ein Stück Speck und einen Kanten Brot, dankte Scathach, und ließ es mir schmecken.
An Schlaf war allerdings nicht zu denken und ich fragte mich, was mich in Grianan Aileach erwartete.
Als ich die Burg vor fünfzig Jahren verlassen hatte, herrschte die Edle Frau, Lady Ethima, über die Cérn. Sie war selbst in ihrer Jugend Kämpferin gewesen und verstand deshalb die Krieger und deren Anliegen. Vor einiger Zeit nun war die Kunde bis nach Dunmór gelangt, dass die Edle Frau überraschend an einer Krankheit gestorben sei. Ihr Cousin, Lord Ahearn, hatte die Nachfolge angetreten. Sogar Meister Gowan, reich an Jahren, kannte ihn nicht. Nun, es sollte mir egal sein. Ich würde morgen die dringende Nachricht von der Bedrohung durch die Orks überbringen, ein oder zwei Humpen Bier mit meinen alten Freunden trinken und danach die Burg und die Stadt so schnell verlassen, als drohte der Ausbruch der schwarzen Pest.
Kurz nach Mitternacht brach ich auf. Kel, wie ich den Welpen nannte, kuschelte sich in die zusammengerollte Decke hinter dem Sattel und lag dort, als hätte er nie etwas anderes getan.
Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus, als die Gegend hügeliger wurde. Felder wechselten sich mit grasbedeckten Erhebungen ab. Eingestreut in die Landschaft lagen hier und da stattliche Höfe. Die Bauern der Umgebung belieferten nicht nur Grianan Aileach, sondern auch Ciarrach, die Stolze, und verdienten augenscheinlich gut daran.
Seit dem Morgengrauen füllte sich die Heerstraße, die breite Verbindungsstraße zwischen Dunmór und Grianan Aileach. Immer wieder überholte ich Ochsenkarren, beladen mit frischem Heu oder Gemüse; Pferdefuhrwerke von Handwerkern mit Brettern und Werkzeug. Ich passierte die Abzweigung nach Ciarrach und sah wenig später wehmütig einem unscheinbaren Weg hinterher, der zu meinem Haus am Kristallsee führte.
Wolkenwind schnaubte und ich klopfte ihm aufmunternd den Hals. »Wir liefern die Nachricht ab und dann kehren wir sofort um, versprochen. Irina hat bestimmt etwas Leckeres für dich.«
Mittlerweile hatte die Sonne ihren höchsten Stand erreicht, und ich spornte den Hengst an. Sollte sich seit meinem Weggang nichts geändert haben, würden die Tore der Stadt mit Sonnenuntergang schließen.
Wolkenwind gehorchte und so folgten wir in flottem Trab dem letzten Stück der Heerstraße, die nun, so nah am Machtzentrum der Cérn, in die Ahornallee, mündete. Diese führte, links und rechts flankiert von Ahornbäumen, in Serpentinen bergwärts, direkt auf die Silberne Burg zu. Wie eine Königin thronte sie auf dem Hügel, beherrschte Cérnowia über viele Meilen.
Da ich nach so langer Zeit heimkehrte, musste ich einen Augenblick anhalten. Welch ein Anblick! Die Erbauer hätten sich keinen besseren Platz aussuchen können: Im Osten wurde die Burg flankiert vom Steinernen Meer, einer schier endlosen Gebirgslandschaft, deren erste Ausläufer nur wenige Fuß neben der Burgmauer steil in die Höhe ragten. Westlich bildete der Spiegelsee eine natürliche Barriere. Im Norden, gleich hinter der letzten Mauer, ergoss sich ein fünfzig Fuß hoher Wasserfall in den See, über dem sich im Licht der untergehenden Sonne gerade ein Regenbogen spannte. Wer Grianan Aileach zuerst als Silberne Burg bezeichnet hatte, wusste ich nicht. Vielleicht hätte ich doch besser im Unterricht aufpassen sollen. Auf jeden Fall passte der Name.
Die mit Adamas überzogenen Dächer der Zinnen funkelten wie Edelsteine in der Sonne. Adamas, ein Metall, glich im äußeren Erscheinungsbild dem Silber, war für uns Elfen aber ungefährlich. Leider war es äußerst selten. Deshalb wurden nur wenige kostbare Dinge daraus gefertigt, unter anderem auch Schwerter wie Akrya. Fahnen mit dem Emblem der Cérn, ein silbern glitzernder Stern, beschützt von einem Schwert auf nachtblauem Hintergrund, flatterten im Wind.
Ich kam jetzt nur noch langsam voran. Erstens zogen sich die Serpentinen bergan. Auch die Ochsen mühten sich redlich, die voll beladenen Karren an ihr Ziel zu bringen. Zweitens drängten sich immer öfter Reiter, gekleidet in die Livreen der verschiedenen Adelsgeschlechter, in beiden Richtungen zwischen die Fuhrwerke. Mit blasiertem Gesichtsausdruck bahnten sie sich roh den Weg, achteten nicht auf die vielen Fußgänger, Diener und Handwerker, die ihrem Tagwerk nachgingen.
»Platz da, zur Seite! Mein Herr wartet auf die Lieferung!« Hinter mir hörte ich Schreie und Flüche, als sich ein junger Bursche, gekleidet in eine rot-schwarze Livree, durch die Menge kämpfte. »Wollt Ihr Ärger mit dem Seneschall?« Er stemmte sich aus dem Sattel und musterte die Bauersfrau, die einen riesigen Korb schleppte und ihm mit der Faust drohte.
Angesichts seines Schwertes presste sie die Lippen zusammen und machte Platz. Auch die übrigen Elfen in ihrer Nähe senkten die Köpfe und ließen den Diener passieren. Er drückte einen Sack an sich und gönnte seiner Umgebung keinen Blick. Erst als er außer Reichweite war, murrten die Bauern.
»Seneschall, dass ich nicht lache. Er hat die Stellung nur, weil der König ihn mag.«
»Hab ich auch gehört«, stimmte ein anderer zu. »Mein Junge ist bei der Stadtwache und sagt, dass er überhaupt nichts leistet.«
Während meiner Abwesenheit hatte sich wohl mehr verändert, als ich vermutet hatte. Egal, jetzt war es an der Zeit, der eigentlichen Herrin der Stadt Respekt zu erweisen.
Sie wartete hinter der nächsten Kehre. Hochaufgerichtet im Sattel, das lange wallende Haar nur durch eine Spange gebändigt, schüchterte allein ihr kalter Blick jeden ein. Der Rücken gerade, das Pferd in vollem Galopp, zielte ihr hocherhobenes Schwert auf mich und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wer hier das Sagen hatte. Der Rabe auf der linken Schulter vervollständigte das Bild. Die Statue Scathachs, Schutzgöttin der Krieger, stand direkt neben dem Weg und forderte die ihr gebührende Ehrbezeugung.
»Große Scathach, ein ruhmvolles Leben und einen ehrenhaften Tod im Kampf, das ist alles, worum ich dich bitte«, betete ich, wie ich es von Kindesbeinen an gelernt hatte. Danach warf ich den Raben, den Lieblingen der Göttin, mein letztes Stück Speck hin. Mit lautem Krächzen stürzte sich eine schwarze Wolke auf den Leckerbissen. Ich nahm es als gutes Omen.
Wenig später erreichte ich das Stadttor. Grianan Aileach bestand bei Weitem nicht nur aus einer trutzigen Burg. Schon vor ewigen Zeiten hatten Elfen begonnen, sich in ihrem Schutz niederzulassen. So war eine Stadt entstanden, deren Häuser sich, eng aneinandergeschmiegt hangaufwärts zur Burg hin flüchteten. Das Besondere an Grianan Aileach war die zweite Mauer, die den Fuß des Hügels umschloss. Übermannsgroß zog sie sich, mit Schießscharten im oberen Drittel, über die gesamte Länge der Anhöhe hin, unterbrochen nur von Wehrtürmen mit Zinnen und rundem Dach. So bot sie der Burg und ihren Bewohnern doppelten Schutz.
Eine lange Schlange hatte sich gebildet, jeder wollte noch vor Sonnenuntergang in die Stadt. Ich ließ mir Zeit und beobachtete die Soldaten links und rechts vom Stadttor. Sie trugen die Uniform der Burgwache: ein sonnengelbes Hemd und eine nachtblaue Hose. Ein Ledergürtel schloss das gesteppte helle Wams, an dem die Scheide mit dem Schwert hing. Die Kleidung war sauber und ordentlich. Wachsame Augen glitten über die geschäftige Menge von Bauern, Handwerkern und Dienern, die das Stadttor in beiden Richtungen passierten. Kein Zweifel, mein alter Meister Montard befehligte die Wache.
Jetzt blieb der Blick des rechten Wachhabenden an mir hängen. Die Augen verengten sich, als er das Schwert sah. Schlagartig zeigte seine Hellebarde in meine Richtung.
»Halt! Wer seid Ihr und was wollt Ihr hier?«
Die beiden Handwerksburschen, die mich eben noch auf einen Humpen Bier in den Goldenen Schwan eingeladen hatten, wichen sofort zurück. Mit den Sternenkriegern, wie die Stadtwache von der Bevölkerung genannt wurde, wollten sie sich nicht anlegen.
Ich wechselte die Zügel in die linke Hand und bemerkte, wie sich der Griff des zweiten Wachhabenden um seine Hellebarde verstärkte, als meine Rechte am Schwertknauf vorbeistrich. Kein Zweifel, Meister Montard trainierte seine Leute immer noch gut. Betont langsam, um der Wache keinen Grund zu geben, ärgerlich zu werden, zog ich den Umschlag aus dem Beutel, der am Sattel baumelte. »Mein Name ist Lady Esmanté. Ich überbringe dem König eine wichtige Nachricht der Herzogin von Dunmór«, sagte ich ruhig.
Einen Moment lang betrachtete er das Siegel, das einen Farnwedel zeigte, nickte seinem Kollegen zu und beide gaben den Weg frei. »Ihr solltet Euch beeilen, Lady. Das Burgtor schließt bald«, riet er mir.
Das war nun wirklich nicht nötig. Hier war ich aufgewachsen, ich kannte die Burganlage wie meine Westentasche. Ich stieg wieder auf, ritt durch das Haupttor und lenkte Wolkenwind nach rechts.
»Ihr müsst geradeaus!«, rief mir der Wachposten nach, doch ich kümmerte mich nicht mehr um ihn. Wie ich richtig vermutet hatte, schloss der Markt gerade. Die Händler räumten ihre Waren weg, beluden ihre Karren und handelten noch mit den letzten Kunden. Bettler stritten sich mit den Hunden um die Abfälle. Kurz gesagt, es herrschte Gedränge auf dem Weg, links und rechts standen dicht gedrängt Haus an Haus, Taverne an Taverne. Aus letzteren drangen bereits um diese frühe Stunde Gelächter und Musik.
Nein, ich wusste genau, dass ich der Gasse an der Burgmauer folgen musste. Anfangs konnte ich noch reiten, dann führte ich Wolkenwind, was er mit einem ärgerlichen Schnauben quittierte. Überhaupt drehten sich seine Ohren nervös hin und her.
»Ich weiß, mein Liebling, ich weiß. Auch mir gefällt die Stadt nicht, aber ich verspreche, gleich kommst du in einen Stall mit dem besten Hafer, den du dir vorstellen kannst«, beruhigte ich ihn und bog in eine Gasse, die direkt nach Westen führte.
Ein kleiner Platz öffnete sich, in dessen Mitte ein Brunnen plätscherte. Dort saßen mehrere alte Elfen, vertieft in ein Brettspiel. An der nächsten Kreuzung hielt ich mich links, bog in ein Gässchen, das um diese Zeit leer war und nicht sehr angenehm roch. Erreichte endlich das Burgtor und reihte mich ein in die Schlange, die sich davor gebildet hatte.
»Absteigen! Wer seid Ihr und was wollt Ihr hier?« Wieder die gleiche Frage, doch hier, in unmittelbarer Nähe des Königssitzes musterten mich die Soldaten noch genauer.
Ich wiederholte meinen Auftrag. Diesmal überprüften beide Wachtposten das Siegel auf dem Schreiben eingehend. Dann erst durfte ich eintreten. Zielstrebig wandte ich mich den Stallungen zu, die im unteren Burghof linker Hand untergebracht waren. Warme Luft strömte mir entgegen, zusammen mit dem strengen Geruch nach Heu und Pferd. Sofort eilte ein Junge herbei und griff nach den Zügeln.
»Sieh her Kleiner!« Wie aus dem Nichts erschien ein Goldstück in meiner rechten Hand. Der Bursche machte große Augen.
»Es gehört dir, wenn Wolkenwind, so heißt der Gute hier, genügend zu Fressen bekommt und frisch gestriegelt wird. Verstehst du mich?«
Der Junge ließ das Goldstück, das im Schein einer Laterne funkelte, nicht aus den Augen und nickte.
»Sollte ich jedoch nicht zufrieden sein ...« Starke Arme packten mich von hinten und drehten mich um.
»Nicht zu fassen, du bist es wirklich!« Sofort drückte mich der Elf an sich.
Ich erwiderte die Umarmung. »Londo! Wie geht es dir? Du bist immer noch hier?«
»Aye, einen alten Hengst steckt man nicht in einen neuen Stall, das weißt du doch. Gut siehst du aus!« Blaue Augen musterten mich. »Und du ärgerst kleine Jungs. Ich dachte, als Schwertmeisterin müsste man immer ein Vorbild sein.« Er grinste. Dadurch verschob sich seine Narbe, die sich quer über die linke Wange zog.
»Es hat sich also bis zu euch herumgesprochen.«
Mein Freund nickte und die kurzen blonden Haare wippten mit. »Natürlich, du kennst doch das fahrende Volk, jede Neuigkeit verbreitet sich in Windeseile. Warum bist du gekommen, bleibst du vielleicht?«
Er nahm mich am Arm und zusammen wandten wir uns zur Tür, als ein Knurren erklang und der Junge erschrocken aufschrie. »Ihr habt nichts von einem Hund gesagt, Lady!«
Londo und ich lachten angesichts des Welpen, der mit gesträubtem Fell auf Wolkenwind saß und die Zähne fletschte.
»Nun, Térec, als angehender Stallmeister muss man mit jedem wilden Tier fertigwerden«, spottete Londo.
»Ah, ich habe den Kleinen ganz vergessen. Ich fand ihn in den Hügeln vor Ciarrach. Stell dir vor, der ganze Wurf war verbrannt, sogar seine Mutter. Da habe ich ihn einfach mitgenommen. Vielleicht kennst du ein Kind, das ihn nehmen würde?«, fragte ich Londo.
»Keine Ahnung. Du sagst verbrannt, da fällt mir etwas ein. Gestern erzählten die Leute, man hätte einen Kobold gefunden, fast völlig verkohlt. Zuerst dachte ich, dieser Hohlkopf Lamar will sich über mich lustig machen.«
Nachdenklich runzelte Londo die Stirn, während ich Térec den Welpen hinhielt. »Hier, er heißt Kel, du sorgst auch für ihn. Und wenn ihn jemand will, gibst du mir Bescheid.«
»Kel, du wirst brav sein, ja?« Ich wuschelte sein flauschiges Fell. Dann folgte ich meinem alten Freund nach draußen.
Gerade schlossen die Wachen das schwere eichene Burgtor mit den beiden Rundtürmen. Versonnen beobachteten wir das Schauspiel.
»Wie oft sind wir über diese verdammte Mauer geklettert, weil wir wieder zu spät dran waren?«, fragte ich Londo grinsend.
»Aye, weil du unbedingt noch eine Runde Karten spielen musstest, zum Beispiel«, erwiderte er und stieß mir freundschaftlich in die Rippen. »Warum bist du zurückgekommen?«
Londo zählte zu meinen ältesten Freunden. Freyda, seine Gefährtin, war Mutters beste Freundin gewesen. Ihr verdankte ich es, dass auch ich Schwertkämpferin geworden war.
»Ich habe eine dringende Nachricht an den König von der Herzogin von Dunmór. Wo ist der Hofmarschall?«
In diesem Augenblick ertönte ein Tusch. Flötenmusik erfüllte, leicht wie eine Feder, den Burghof.
Londo deutete auf den Bergfried, der den halben Himmel vor uns einnahm. »Der König ist im Festsaal und feiert Lughnasadh. Er liebt Feste. Manchmal denke ich, wir sind nur noch hier, um die Musiker zu beschützen, die jetzt so zahlreich sind wie die Hasen in den Hügeln.« Seine Lippen zogen sich nach unten, ebenso wie der dünne Schnurrbart. Diesen Gesichtsausdruck kannte ich. »Wie ist er denn so, der edle König Ahearn?«, fragte ich.
Statt einer Antwort zuckte er die Achseln und setzte sich in Richtung des Bergfrieds in Bewegung. Ich folgte ihm, wich einer Gruppe Soldaten aus, die wohl ihre Schicht gerade beendet hatten und sich in der Schenke erholen wollten.
»Weißt du, er kämpft nicht schlecht. Na ja, ein bisschen langsam vielleicht … Er ist ein vorsichtiger Führer und sagt immer: Wenn ich einen Konflikt friedlich lösen kann, muss ich kein Elfenleben aufs Spiel setzen. Das stimmt wohl, aber hast du so etwas schon mal von einem König gehört?«
Zugegeben, das passte nicht recht zu einem Herrscher von Cérnowia. Wir Cérn, was in der alten Sprache Krieger heißt, waren berühmt für unsere Kampfkunst, vor allem den Schwertkampf. Deshalb war es mehr als ungewöhnlich, dass ein Elf König geworden war, der mehr auf Diplomatie setzte als auf die Kriegskunst. Bilde dir deine eigene Meinung, lass den Kopf frei und gib nichts auf das Gerede der Leute. Dieser Ratschlag meines Meisters schoss mir durch den Kopf und so nahm ich mir vor, den König selbst zu beurteilen.
Kurze Zeit später kniete ich vor dem Herrscher, wie es die Etikette verlangte, die rechte geballte Faust auf dem Herzen. Inständig wünschte ich, dies nicht vor dem versammelten Hofstaat tun zu müssen. Doch der Zeremonienmeister hatte mir versichert, dass König Ahearn die Nachricht sofort sehen wollte.
»Lady Esmanté, Schwertmeisterin.« Seine Stimme füllte den Saal und ließ das Gemurmel des Hofstaates verstummen. »Bitte erhebt Euch! Wir freuen uns, Euch auf Grianan Aileach begrüßen zu können. Man sagte mir, dass Ihr hier geboren und aufgewachsen seid. Lange wart Ihr fort. Nun hoffe ich, dass Eure Wanderzeit beendet ist und Ihr länger in Cérnowia verweilt.«
Stille breitete sich nach seinen Worten aus. Gespannt warteten die Höflinge rund um mich auf eine Antwort. Ich wusste nur zu gut, dass meine Kleidung in den Augen der meisten Adligen völlig unpassend für Lughnasadh, das spätsommerliche Mondfest, war. Immer noch trug ich die Reisekleidung: die abgenutzte braune Reithose und ein festes blaues Wams, das mit einem breiten dunklen Gürtel zusammengehalten wurde. Unter den Ärmeln lugte das burgunderrote Obergewand hervor.
Mit einem Wink erlaubte mir der Herrscher aufzustehen. Unbewusst richtete ich den Schwertgurt und bereute es sofort, denn einige Hofdamen wichen erschrocken zurück. Puh, wie ich das Hofleben hasste. Zum dritten Mal holte ich die Depesche hervor und überreichte sie mit einer formvollendeten Geste dem Hofmarschall. »Edler König Ahearn. Ich entschuldige mich für meine unpassende Kleidung, aber Lady Arianrhod bat mich, Euch diese Nachricht so schnell wie möglich zu überbringen. Sie lässt Euch grüßen und hofft, dass es Euch gut geht.«
Noch während ich sprach, untersuchte der Hofmarschall den festen, ölgetränkten Umschlag, öffnete ihn und reichte das Schreiben dem Herrscher.
Der König entfaltete das blütenweiße Papier und las. Leises Getuschel setzte unter den Höflingen ein und ich hatte Zeit, Ahearn zu mustern. Was ich sah, überraschte mich. Nach allem, was ich während meiner Reise und von Londo über ihn erfahren hatte, hatte ich mit einem älteren Mann gerechnet, vielleicht einem Gelehrten, was die Vorliebe für friedliche Konfliktlösungen erklären würde. Stattdessen saß eine gut trainierte, hochgewachsene Gestalt auf dem Thron. Seine halblangen, leicht gelockten blonden Haare wurden von einem dünnen goldenen Reif gehalten, der eindeutige Hinweis auf seine Stellung. Buschige Augenbrauen beherrschten das Gesicht, unter denen hellblaue Augen über das Blatt glitten. Die Nase war fast zu klein und endete ein gutes Stück oberhalb des Mundes. Den freien Platz nahm ein akkurat gestutzter Bart ein, der sich um die jetzt zusammengepressten Lippen zog. Er trug ein kurzärmeliges dunkelblaues Hemd aus feinster Seide, das kräftige Oberarme sehen ließ. Kein Bauch wölbte sich über dem Gürtel. An seiner rechten Hand zierte ein schmaler Ring mit einem funkelnden Stein den kleinen Finger. Nach einigen Augenblicken seufzte Lord Ahearn, faltete das Papier zusammen und gab es dem Hofmarschall zurück.
»Ich bitte um Ruhe! Wir werden das Fest jetzt wie gewohnt weiterfeiern. Lady Esmanté, Ihr habt wichtige Nachrichten gebracht und ich danke Euch. Bitte nehmt Platz und feiert Lughnasadh mit uns.«
»Natürlich gerne! Wie Ihr wünscht, Lord Ahearn«, versicherte ich und setzte mich auf den angewiesenen Stuhl rechts neben dem König. Mist! Damit hatte ich nicht gerechnet und verfluchte mich dafür, mich nicht umgezogen zu haben. Eine junge Elfe hatte den Platz räumen müssen. Sie warf mir einen wütenden Blick zu. Dies bemerkte der König. Er winkte sie zu sich, nahm sie am Arm und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sofort überzog ein Lächeln das hübsche Gesicht. Daraufhin ging sie hocherhobenen Hauptes an mir vorbei und nahm einige Stühle weiter unten Platz. Auch die übrigen Festteilnehmer setzten sich an die lange Tafel. Speise um Speise wurde aufgetragen.
»Ihr habt nicht auf meine Frage geantwortet, Lady Esmanté«, sagte der König wenig später und beugte sich zu mir hinüber.
Eine Wolke von Rosenholz und Tabak hüllte mich ein, machte mich schwindelig. Ich schluckte den Bissen zartrosa gebratenes Rehfleisch hinunter und zwang mich, ruhig durchzuatmen. »Die Sache ist nicht so einfach, edler König«, begann ich vorsichtig und schickte einen hilfesuchenden Blick zu Meister Montard hinüber, der aber gerade in ein Gespräch mit einer Hofdame vertieft war. Wie sehr ich diese gesellschaftlichen Ereignisse hasste! Man sollte mich auf ein Schlachtfeld stellen, in einen Kampf mit Orks oder Trollen – das war meine Sache. Aber hier, wo jedes Wort sorgfältig abgewogen werden musste – nein.
Nachdem der König nur verhalten lächelte, aber nicht antwortete, fuhr ich fort: »Wahrscheinlich wisst Ihr, dass meine Lehrjahre, so es denn überhaupt welche waren, bei Meister Gowan längst beendet sind. Die Prüfung zur Schwertmeisterin legte ich schon vor zwanzig Jahren ab. Ich blieb bei ihm, weil die Südlichen Provinzen immer wieder von Orks heimgesucht werden. Deshalb war jede Schwerthand willkommen. Jetzt hat er einige neue Schüler. Er braucht mich nicht mehr!«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, entgegnete König Ahearn. »Soweit ich weiß, bat Euch Meister Gowan, zu bleiben und manche der Neulinge zu unterrichten, die eigens wegen Euch gekommen waren.«
Woher bei Scathach wusste der König davon? Das war eine Sache zwischen Gowan und mir. Ich trank einen Schluck Wein und dachte nach. Schließlich entschied ich mich für die Wahrheit. »Tatsächlich wollten einige Schüler von mir unterrichtet werden, aber offen gesagt: Ich fühle mich noch nicht reif dafür. Sicher, stellt mich auf ein Schlachtfeld, gebt mir ein paar Gegner, keiner wird mich besiegen! Die Ausbildung junger Krieger jedoch erfordert viel Geduld. Ich denke, ich bin noch nicht so weit!«
Die Reaktion des Herrschers hätte ungewöhnlicher nicht sein können: Er lachte! Sofort verstummten alle Gespräche. Jeder einzelne Höfling blickte zum König, der ganz offen seiner Heiterkeit Ausdruck gab, und zu mir. Ich fühlte, wie ich rot anlief, und wäre am liebsten auf und davon gerannt. Dieses verflixte Hofleben. Dafür war ich einfach nicht geschaffen!
»Ich kenne niemanden, der sein Licht so unter den Scheffel stellt, wie Ihr es tut, meine liebe Lady Esmanté«, brachte der König schließlich hervor. »Soweit ich weiß, wart ihr schon damals, als Ihr noch auf Grianan Aileach gedient habt, Meister Montards rechte Hand und auch mit der Ausbildung junger Krieger beschäftigt. Und sehr erfolgreich, wenn ich das anfügen darf. Nun, Meister Gowan riet mir, Euch einige Zeit Ruhe zu gönnen. Wie es scheint, wart Ihr in letzter Zeit sehr bemüht, die Zahl unserer Feinde zu verringern. Danach solltet Ihr eine Entscheidung über Euer weiteres Leben treffen und ich denke doch, dass es hier am Hof stattfinden sollte. Die Silberne Burg kann jede gute Schwerthand gebrauchen.«
Nach diesen bestimmten Worten wandte er sich, Scathach sei gepriesen, einem Elfenpaar zu, das jedes Wort seines Herrschers gierig aufsog. Einige Zeit später – mir kam es wie eine Ewigkeit vor – begann das Orchester, das bisher passend zum Essen nur verhalten gespielt hatte, lustige Weisen zum Besten zu geben. Die Stimmung wurde ausgelassener. Unvermittelt drehte sich Lord Ahearn wieder zu mir. »Was denkt Ihr, Meisterin: Stimmt es, dass ein Trupp Orks zu uns unterwegs ist?«
Ohne zu zögern, antwortete ich: »Ja, leider, edler König. In letzter Zeit litten die Städte im Süden vermehrt unter ihren Angriffen. Es sind manchmal nur kleine Gruppen, aber sie richten großen Schaden an. Als uns ein Bote davon berichtete, dass sich der Stamm der Húruk aufmacht, um gegen die Siedlungen im Norden zu ziehen, bat mich Eure Cousine, Euch zu warnen.«
Er wandte sich einem hageren Elfen zu, der zu seiner Linken saß, und mich seit einiger Zeit verstohlen musterte. »Darf ich Euch Lord Sorretan vorstellen, den Seneschall.«
Sieh an, jener Seneschall, der bei den Leuten nicht sehr beliebt war.
»Ihr bringt uns Kunde von einem versprengten Orkstamm, der angeblich gen Norden zieht?«, fragte er mit ungewöhnlich hoher Stimme, die so gar nicht zu der hageren Gestalt passen wollte. Wässrig blaue Augen bohrten sich in die meinen.
Ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Nur zu gut kannte ich die Vorbehalte der Nordländer gegenüber den Provinzen im Süden. »Mit Verlaub, Lord Sorretan, die Herzogin verfügt über viel weniger Soldaten als Ihr, dennoch stellen sie sich mutig jeden Tag aufs Neue der Bedrohung durch die Orks. Vor nicht allzu langer Zeit ging einer sogar freiwillig ins Lager der Huruks, um herauszufinden, was sie vorhaben. Wollt Ihr etwa andeuten, der tapfere Elf würde lügen?« Wütend ballte ich die Faust. Gleichzeitig bemerkte ich, dass ich zu laut gesprochen hatte. Verflucht! Noch ein Fehler an diesem Abend, wahrscheinlich erreichte ich einen neuen Rekord.
»Die Leute im Süden sind träge und langsam. Wer weiß, was er gehört hat. Tatsache bleibt nun einmal, dass unsere Städte besser geschützt sind. Ein paar versprengte Orks, was macht das schon?« Selbstzufrieden lehnte er sich zurück, setzte den Becher mit Rotwein an die Lippen.
Zu gern hätte ich diesen aufgeblasenen Fatzke meine Rechte schmecken lassen, aber ich beherrschte mich.
Der König lehnte sich während unseres Schlagabtausches schmunzelnd zurück. »Ihr seid Euch nicht einig. Deshalb bitte ich Euch, Lady Esmanté, noch ein oder zwei Tage hierzubleiben. Ich würde gerne noch mehr über die Huruks erfahren.« Mit zwei Fingern strich er über den Bart und wartete auf meine Antwort.
Natürlich hatte ich keine andere Wahl, als zuzusagen, um einen Affront zu vermeiden. Der Seneschall schickte mir noch mehrere giftige Blicke. Ihm war es offensichtlich nicht recht, dass der König eine zweite Meinung einholen wollte.
Wenig später erhob sich der Herrscher und verließ zusammen mit seinem engsten Gefolge das Fest. Dankbar nahm ich seinen Aufbruch zum Anlass, ebenfalls zu gehen. Während ich die lange Treppe hinuntereilte, ärgerte ich mich darüber, nicht wie geplant morgen nach Hause reiten zu können. Hoffentlich rief der König mich bald zu sich. Ich legte keinen Wert darauf, dem Seneschall in die Quere zu kommen. Die Ränke am Hof waren mir immer schon zuwider gewesen. Alles, was ich je wollte, hatte ich erreicht. Ein Posten bei Hof gehörte sicher nicht dazu. Meine Freiheit bedeutete mir zu viel.
Ich stieß die schwere Holztür auf und sog den Schwall kühler Luft ein, der mir ins Gesicht schlug.
»Wir dachten schon, der König nimmt dich mit in sein Lager!« Eine kräftige Kriegerin mit dickem brünetten Haar, einen halben Kopf größer als ich, stieß sich von der Mauer ab.
»Aye, könnte ich ihm nicht verdenken, du siehst gut aus!« Farin schob Malina zur Seite und umarmte mich.
»Londo erzählte uns, dass du wieder da bist. Da dachten wir, es wäre eine gute Idee, hier auf dich zu warten Bei der Großen Mutter, musstest du am Bankett teilnehmen?«
»Quatscht nicht so viel, gehen wir lieber zur Schenke. Da warten noch ein paar Leute auf dich.« Ein vollständig tätowierter Arm legte sich um meine Schulter. Farin schob mich in Richtung der Schenke.
Trotz der späten Stunde war die Schenke gut besucht und es dauerte eine Weile, bis ich mich zum Tisch mit meinen Freunden durchgekämpft hatte. Zu meiner Freude entdeckte ich viele Krieger und Kriegerinnen, die ich von früher kannte. Alle paar Schritte musste ich stehen bleiben und erzählen.
Aufatmend ließ ich mich schließlich neben Malina nieder, die mir schon einen Humpen Bier hingestellt hatte. Genüsslich trank ich einen Schluck und sah mich um: Die Schenke war immer noch so, wie ich sie in Erinnerung hatte: Die in regelmäßigen Abständen aufgehängten Fackeln verrußten die Wände. Ein vielarmiger Leuchter hing in der Mitte des riesigen Raumes. Die Einrichtung konnte man nur spartanisch nennen. Den hinteren Teil nahm eine lange Schänke ein, an der Wand stapelten sich unzählige Fässer. Es gab nur einfache Bänke und Tische, die im Laufe der Zeit ein tiefdunkles Braun angenommen hatten. Am Tresen füllten zwei Elfen unermüdlich Humpen nach.
»Schmeckt das Bier in Nis Mathùin immer noch so schrecklich?«, fragte Farin. »Als wir damals dort einkehrten dachte ich, die wollten uns beleidigen!« Geräuschvoll stellte er den Krug auf den Tisch und wischte sich mit dem Ärmel den Schaum vom Mund.
»Sie trinken dort kaum Bier, sondern Branntwein, Farin. Aber das ist nicht jedermanns Geschmack«, gab ich zurück.
Wir tauschten Neuigkeiten aus und ich erkundigte mich nach Sorretan.
»Lord Feargal starb in einem Scharmützel mit rolligen Trollen im Steinernen Meer. Danach war ein Platz im Dreierrat frei. Lord Camé, der Kämmerer, ist immer noch für den Handel zuständig und Meister Montard für die Ausbildung. Aber sie brauchten natürlich einen Oberbefehlshaber. Lord Sorretan war wohl nach Meinung des Königs der geeignete Mann, er genießt sein volles Vertrauen«, antwortete Farin.
Malina nickte, beschloss aber wohl, das Thema zu wechseln. Sie wollte wissen, ob ich in den Südlichen Provinzen endlich einen Gefährten gefunden hatte. »Es kann nicht sein, Esmanté, dass du immer noch allein lebst. Zugegeben, die meisten Männer sind ziemlich nervig, aber bei Caer! Du musst auch mal Spaß haben!«
»Glaub mir, ich hatte in letzter Zeit sehr viel Spaß. Nur werden das einige Irrwische und Orks nicht so sehen.«
Eine schwere Hand senkte sich auf meine Schulter und eine wohlbekannte Stimme ertönte: »Nun, sagt mir, wehrte Schwertmeisterin, welche fünf Möglichkeiten gibt es wohl, mit Feuer anzugreifen?«
»Meister Montard!« Ich sprang auf und streckte ihm die Hand entgegen. »Ein langes Leben und einen ruhmvollen Tod im Kampf!« Doch dann musste ich ihn umarmen, zu sehr freute ich mich, meinen früheren Meister wiederzusehen.
Er war ungefähr so groß wie ich, trainiert, mit den unübersehbaren Spuren des Alters im Gesicht. Nur noch wenige Haare zierten, schlohweiß, den Kopf. Den Bart von früher trug er nicht mehr.
»Ab und zu hörte ich Gerüchte über dich und Meister Gowan dort im tiefen Süden. Es ist schön, dich wieder leibhaftig hier zu haben.« Seine hellblauen Augen waren feucht geworden. Ich setzte mich, um ihm Gelegenheit zu geben, sie sich unauffällig zu wischen.
»Die Orks sollen sich im Sumpf von Moirin niedergelassen haben«, erkundigte er sich. »Und jetzt planen sie, Plouhinec und Béara anzugreifen?«
»Die letzten zehn Jahre versuchten wir, die Ansiedlung des Stammes zu verhindern. Aber das Gelände ist unwegsam, Sumpf, wohin das Auge blickt. Außerdem verfügt die Herzogin über weit weniger Krieger als ihr Cousin. Wir konnten sie einfach nicht vertreiben. Aber die Südländer sind tapfere Kämpfer. Einer ging sogar freiwillig als Sklave in das Lager der Orks, um ihre Absichten zu erfahren. Von ihm wissen wir, dass sie weiterziehen wollen, Richtung Norden. Vielleicht ist der Bannwald ihr Ziel. Ich weiß nur, dass es nicht mehr lange dauern wird. Die Sümpfe von Moirin werden ihnen zu eng, sie brauchen ein anderes Lager.«
»Dann müssen wir sie aufhalten«, seufzte Meister Montard.
Meine Freunde schwiegen, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
»Soll unser Wiedersehen so ernst bleiben?« Ich schlug auf den Tisch. »Bei Brigid! Komm Farin, wir holen noch eine Runde und ich erzähle euch, wie man am besten Irrwische jagt!«
Damit stand ich auf, sammelte die leeren Becher ein und folgte Farin zur Schänke.
Gerade, als ich durch die letzte Reihe ging, hörte ich einen Soldaten sagen: »Sieh an, die Eislady hat endlich jemanden gefunden, der ihr das Lager wärmt. Ah, auf einmal weht so ein eisiger Wind vom Nordmeer.«
Alle lachten.
Sofort drehte ich mich um, knallte die Becher auf den Tisch und fragte mit in die Hüften gestemmten Händen: »Wen nennst du Eislady, ha?«
Der Sprecher, ein muskelbepackter, hochgewachsener Krieger mit zerzausten lockig blonden Haaren ließ sich nicht so leicht einschüchtern. »Was wollt Ihr, Lady? Man erzählt sich Wunderdinge über Euch. Die Anderswelt ist angeblich voller Orks, die ihr selbst dorthin verfrachtet habt. Leider war keiner von uns dabei. Von einem Gefährten hörten wir allerdings nichts. Also dachten wir, Euer Herz müsse aus Eis sein. Aber jetzt ist das Rätsel gelöst: Unser tapferer Farin hat Euer Herz erobert. Er ist aber auch ein Draufgänger!«
Wieder brachen die Elfen am Tisch in Gelächter aus. Einige klopften dem Sprecher anerkennend auf die Schulter.
Trotz meiner Wut musste ich schmunzeln. So kannte ich die Sternenkrieger und hier, anders als im Thronsaal, wusste ich genau, was zu tun war. Ich trat einen Schritt näher, wehrte Farins Protest ab und musterte den Maulhelden. »Leider kenne ich Euren Namen nicht, Lord …? Lange könnt Ihr noch nicht auf der Burg dienen.«
Der Mann grinste über das ganze Gesicht, stand auf und deutete eine förmliche Verbeugung an. »Mein Name ist Téfor, Mylady.«
Seine Freunde hielten sich vor Lachen die Bäuche.
»So, so, mein Herz ist also aus Eis, Téfor?« Mit einem Finger tippte ich ihm gegen die Brust.
Der Angesprochene hörte nicht auf zu grinsen. »Aye. Falls Ihr es noch nicht wisst, alle nennen Euch so. Wenn ich ehrlich sein soll, Esmanté, niemand von uns …« Er zeigte in die Runde, »... hat jemals gesehen, wie du kämpfst. Vielleicht hat dein treuer Freund Farin auch nur alles erfunden, um mit der tollen Freundin anzugeben.«
»Du Bastard!« Rot vor Zorn wollte sich Farin auf Téfor stürzen, aber ich hielt ihn zurück.
»Er hängt an ihrer Leine wie ein Hund!«, höhnte Téfor. »Sitz, Farin, mach Männchen! Gebt mir mein Wams, mir ist so kalt.« Theatralisch schlug er die Arme um sich.
Wut stieg in mir hoch, die ich sofort zurückdrängte. Stattdessen baute ich mich vor Téfor auf, verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Leider sagt mir dein Name gar nichts, Téfor. Weißt du eigentlich, wie man ein Schwert hält, oder sitzt du nur hier rum und trinkst Bier?«
Mehrere Krieger, und zwar nicht nur die Kameraden an seinem Tisch protestierten. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Téfor durchaus schon Einiges geleistet hatte.
»Nimm das sofort zurück, du …« Sein Gesicht verzerrte sich. Die rechte Faust zielte auf meine Schulter. Ohne zu zögern, packte ich den Arm, drehte ihn und, seinen Schwung ausnutzend, brachte ich ihn zu Fall.
»Du hast mich wirklich noch nicht kämpfen sehen«, knurrte ich.
Ohne den Krieger, der sich gerade hochstemmte, aus den Augen zu lassen, schnallte ich mit einer fließenden Bewegung Akrya ab und gab Farin mein Schwert. »Pass gut auf sie auf!«
Ohne Zeit zu verlieren, schlüpfte ich aus dem dicken Wams und dem Obergewand. Beides warf ich auf den Boden. Darunter trug ich ein kurzärmliges Hemd. Anerkennende Pfiffe waren die Antwort und Rufe nach mehr Kleidungsstücken, die ich ablegen sollte.
Die Fäuste erhoben, umrundete ich Téfor und musterte ihn. Er war gut einen Kopf größer als ich. Das ärmellose Hemd gab den Blick frei auf imposante Muskeln, die sich über den Rücken bis zum Hals zogen. Einer Sanduhr gleich verjüngte sich sein Oberkörper zu einer schmalen Taille. Das dünne Hemd offenbarte einen gut trainierten Bauch. Unter der weichen Lederhose zeichneten sich kräftige Schenkel ab. Mit anderen Worten: Mir stand ein wahres Kraftpaket gegenüber und ich durfte ihn nicht unterschätzen. Um uns herum brach die Hölle los. Die Gäste hatten sich in zwei Gruppen aufgeteilt. Diejenigen, die zu mir hielten, buhten und pfiffen, wünschten Téfor alles Schlechte. Dessen Unterstützer feuerten ihn an und machten sich über mich lustig. Kurz: Der Lärm war unbeschreiblich.
Gerade höhnte Farin: »Dein Maul ist wie immer größer als dein Verstand!«
Da schnellte Téfors Rechte vor. Blitzschnell duckte ich mich, rammte die Faust in seinen Magen, drehte mich halb und hieb den Ellbogen in seine Nieren. Mit einem Gurgeln brach er zusammen. In der Schenke breitete sich gespenstische Stille aus.
»Nur um das klarzustellen«, rief ich, »wenn noch jemand Lust hat, mich Eislady zu nennen, soll er sich bei mir melden, ich kläre das gerne mit ihm. Außerdem ist Farin nicht mein Gefährte. Und jetzt – lasst euch das Bier schmecken!«
Ich holte die Krüge von dem Tisch, an dem die Freunde von Téfor recht kleinlaut saßen, marschierte zur Schänke, nahm vier volle Humpen und kehrte unbehelligt an meinen Platz zurück.
Malina grinste. »Ah, das ist fast so wie früher. In letzter Zeit war es hier wirklich sehr langweilig.«
»Ich dachte, du hättest bei Meister Gowan mehr Selbstbeherrschung gelernt«, tadelte Montard, während er sich bemühte, ein Lächeln zu verbergen. »Ich hörte, dass der König dich gebeten hat, zu bleiben.«
»Ja, ich konnte nicht absagen. Er will mehr über die Huruks wissen. Der Seneschall glaubt mir nicht. Wie ist der eigentlich so?«
Nachdenklich wiegte der Meister den Kopf hin und her. »Du solltest ihn nicht unterschätzen. Er kam mit Ahearn zusammen an den Hof und der König hält viel von seinem Rat. Man sieht es ihm nicht an, aber er trainiert jeden Tag mehrere Stunden. Wenn er dich für einen Rivalen um die Gunst des Königs hält, musst du vorsichtig sein.«
Nach einer kurzen Nacht blinzelte ich verschlafen in den strahlend blauen Himmel. Malina, die ihre Kammer mit mir teilte, musste zum Training.
Alleine durchquerte ich den oberen Burghof. Hier lagen die Unterkünfte der Krieger, aber auch die Waffenkammer und der Turm mit den Kriegsmaschinen. Ich passierte das obere Burgtor und holte mir aus der Backstube neben der Schenke herrlich duftende, lauwarme Marmeladekringel. Dann füllte ich den Wasserschlauch am Brunnen und wandte mich nach Süden. Passierte den unteren Burghof und nickte den Wachen an der Zugbrücke zu. Beide waren gestern in der Schenke gewesen und zwinkerten.
Gut, in Zukunft würde eine Kontrolle wohl entfallen. Weiter ging es scharf nach rechts, dem Lauf der inneren Burgmauer folgend. Nach kurzer Zeit erreichte ich das Trainingsgeviert. Niemand bemerkte meine Anwesenheit. Ich kam gerade recht, um zu sehen, wie ein Krieger eine Schülerin gepackt hatte. Ihre Arme hielt er über Kreuz vor sich verschränkt. Die junge Elfe mochte sich wehren, wie sie wollte, ihr Gegner war stärker.
»Also Efira, kommst du heute endlich mit mir? Du wirst es nicht bereuen, ich verspreche es und außerdem – du kannst gar nicht anders, ich hab dich fest in meinem Arm.« Er drückte einen Kuss auf den Hals der Angebeteten, die sich vergeblich wand.
Die Stimmung heizte sich auf. Es hagelte Anfeuerungen vonseiten der Krieger, die Lomero in seinem Vorhaben unterstützten, und wütende Rufe der Kriegerinnen, die verlangten, er sollte Efira sofort loslassen. Die junge Elfe sah so aus, als würde sie gleich losweinen. Sie schämte sich wohl und sah keinen Ausweg. Einige Dinge änderten sich wahrscheinlich nie. Wütend bahnte ich mir nicht gerade zimperlich einen Weg durch die Schaulustigen. Mir war das selbst als Schülerin passiert, ich musste ihr einfach helfen.
»Was für eine Heldentat!«, höhnte ich. »Du kommst dir wohl sehr toll vor, Lomero, nicht wahr? Herzlichen Glückwunsch, du hast es geschafft, eine Schülerin zu überwältigen. Ich hoffe, deine Enkel werden Heldenlieder darüber singen.«
Auf Lomeros Gesicht zeigte sich die Einsicht, zu weit gegangen zu sein. Er ließ Efira los und versuchte, sich zu verteidigen. »Es war doch nur Spaß, Meisterin! Ich meine, früher oder später wird sie mitkämpfen. Da geht es rauer zu.«
Widerwillig nickte ich. »Stimmt! Dann wird sie aber auch besser vorbereitet sein.«
»Lasst ihn uns, Meisterin! Wir zeigen ihm, wie rau es bei uns zugeht«, schrie eine der älteren Kämpferinnen und ich konnte es mir lebhaft vorstellen. Aber so weit war ich noch nicht. Efira stand da wie ein begossener Pudel. Sie hatte ihr Selbstvertrauen verloren. Das musste ich ihr schleunigst zurückgeben.
»Komm Kleine, mach dir nichts draus.« Malina nahm sie in den Arm. »Uns allen ist es schon so ergangen. Die Typen glauben, nur weil sie ein Schwert haben und einen Schwanz, der nicht annähernd so lang ist …« Die Elfenfrauen lachten höhnisch. »... können sie sich alles erlauben. Du klebst in Zukunft an meinem Hintern wie eine Zecke und wirst sehen, in ein paar Wochen kann er dir nicht mehr das Wasser reichen.«
Efira nickte dankbar und schniefte.
Doch so leicht gab sich Lomero nicht geschlagen. »Wenn die Meisterin nicht gekommen wäre, hätte sie sich nicht wehren können. Das ist nun mal der beste Griff.«
Er erntete zustimmendes Gemurmel unter seinen Kumpeln und ich wusste, es blieb mir nichts anderes übrig, als ihm das Gegenteil zu beweisen.
»Du sagst, das sei der beste Griff, um ein Mädchen festzuhalten?« Damit wandte ich mich an Lomero. Der nickte selbstgefällig, die Hände vor sich verschränkt.
»Gut, Londo, pack mich und ich zeige Efira, dass sie nicht wehrlos gewesen wäre.«
»Nichts für ungut, Esmanté, aber ich habe heute noch eine Verabredung und sie freut sich schon auf meine Künste.« Er verzog das Gesicht und rieb sich die Stelle zwischen seinen Beinen.
Alle lachten und ich wollte gerade Lomero selbst auffordern, als die Stimme Téfors das Gelächter durchdrang. »Ich mach‘s! Ich sage euch doch die ganze Zeit, dass die Eislady eine Schwäche für mich hat. Sie tut mir nichts.« In betont lässiger Art schritt er durch die Menge.
Amüsierte Blicke streiften mich. Jedem war der gestrige Kampf noch lebhaft vor Augen. Nachdem ihm seine Kameraden am Vorabend hoch geholfen hatten, hatte Téfor eine Weile gebraucht, um wieder fit zu werden. Danach war er einer der Ersten gewesen, die sich mit einem Humpen Bier zu mir setzten. Jetzt noch einmal mit ihm zu kämpfen, behagte mir nicht, zumal er aus seinem Interesse für mich keinen Hehl machte.
Téfor ließ mir jedoch nicht viel Zeit zu überlegen. Er tat, als ginge er zu Lomero. Als er gerade an mir vorbeigelaufen war, drehte er sich blitzschnell um, schnappte meine Handgelenke und zog mich zu sich. Natürlich waren meine Arme nun über Kreuz, so hatte ich weniger Kraft. Seine Rechte umklammerte die meine und eine seltsame Tätowierung stach mir ins Auge: Eine Kobra schlängelte sich um seinen Unterarm bis zum Handgelenk, der Kopf war sauber ausgearbeitet, das aufgerissene Maul verschlang den Daumen.
»Keine Angst, Meisterin, sie beißt nicht«, flüsterte er. Ein Schauer rann meinen Körper hinab. Ich spürte seine kräftigen Arme und die Schwielen an seiner rechten Hand, als er mich an sich presste.
»So Leute, die Vorstellung ist vorbei! Ihr geht besser in die Schenke. Was jetzt kommt, ist nur für Erwachsene und nicht für Kinder!«, höhnte er, während er mit dem Kopf auf die beiden Schülerinnen deutete.
Ich kämpfte mit den unterschiedlichsten Gefühlen. Es verwirrte mich mehr, als ich gedacht hätte, so in seinen Armen zu liegen. Téfor war ein trainierter Kämpfer. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt, denn trotz der nach außen zur Schau getragenen Selbstsicherheit, unterschätzte er mich nicht eine Sekunde. Und ich – genoss es! Es war schon einige Zeit her, dass ich Caer gehuldigt hatte. Trotzdem! Dieser Spuk musste beendet werden.
»Denk immer daran, Efira, es gibt nur einen Körperteil, mit dem ein Mann wirklich denkt …«, begann ich.
»... und der ist zwischen seinen Beinen«, spottete Malina.
Téfor zuckte zusammen. Anscheinend sind die beiden schon einmal aneinandergeraten, dachte ich amüsiert.
»Eben! Jetzt ist er am Ziel«, fuhr ich fort. »Er glaubt, er sei der Beste, der Stärkste und überhaupt, wenn du ihn erst mal kennenlernst, seine Fähigkeiten genießt, dann willst du keinen anderen mehr. Stimmt’s, Téfor?«
»Muss das wirklich sein?«, murmelte er. Seine Lippen berührten fast mein Ohr und in meinem Bauch prickelte es.
Ohne ihm zu antworten, fuhr ich fort: »Du hast nun zwei Möglichkeiten, Efira. Entweder du gibst dem romantischen Werben nach …«
Die junge Elfe schüttelte trotzig den Kopf.
»... oder du trittst ihm mit voller Kraft auf den Fuß.«
Téfor stieß einen Schmerzenslaut aus, als mein Stiefelabsatz seinen Fuß traf.
»Dein Ellbogen muss sofort in den Bauch und die Faust in die Nase!« Jetzt überkam mich doch Mitleid, als sich Téfor mit vorwurfsvoller Miene die Nase hielt, aus der ein Rinnsal Blut floss.
»Ihr seid wirklich noch nicht bereit, Schüler zu unterrichten?«
Die Stimme des Königs ließ mich herumfahren. »Mylord! Es tut mir leid, ich habe Euch nicht gesehen!« Hastig verbeugte ich mich.
»Nun, Ihr wart auch ziemlich beschäftigt damit, einem meiner besten Kämpfer eine Lektion zu erteilen.« Azurblaue Augen blitzten Téfor an und der senkte den Kopf.
Verlegen ordnete ich meine Kleidung. Wieso hatte ich die Ankunft des Herrschers nicht bemerkt?
Der König stemmte die Arme in die Seiten. Sofort stellten sich Beot und ein anderer Krieger namens Uma, die zusammen mit ihm und Sorretan gekommen waren, rechts und links neben ihn.
»Lasst mich einen Moment mit Lady Esmanté allein.« Lord Ahearn winkte ab. »Ich bin hier mitten unter meinen Leuten, was sollte passieren?«
Zustimmendes Gemurmel der Krieger war die Antwort. Einer von ihnen konnte es nicht lassen, Beot herauszufordern. Der König gab seine Erlaubnis mit einem Kopfnicken. Die Kämpfer scharten sich um die Kontrahenten und schlossen Wetten über den Ausgang des Duells ab.
»Ihr glaubt, die Orks würden den Schutz des Sumpfes verlassen, um die Städte zu plündern?« In den Augen des Lords lag offene Skepsis.
»Die Sümpfe genügen ihnen nicht mehr, Mylord. Sie haben gute Beute gemacht in letzter Zeit, trotz unserer Anstrengungen. Es werden immer mehr und deshalb machen sie sich auf. Wer weiß, vielleicht ist ein Trupp schon unterwegs.«
»Wahrscheinlich ist Euch bereits zu Ohren gekommen, dass ich, im Gegensatz zu meinen Vorgängern, eine friedliche Lösung bevorzuge. Ein Elfenleben ist viel zu wertvoll, um es leichtfertig in einem Kampf aufs Spiel zu setzen. Vor allem ein so hübsches, wenn Ihr mir die Bemerkung gestattet.« Er strich mit zwei Fingern über den Bart, seine Augen funkelten mich an.
»Ich danke Euch, Mylord. Natürlich begreife ich, dass Ihr das Leben der Krieger schonen wollt. Nur sehe ich beim besten Willen nicht, wie man mit den Orks verhandeln kann. Alles was sie verstehen, ist die Sprache des Schwertes«, sagte ich bestimmt und legte instinktiv meine Rechte auf den Schwertgriff. In Gedanken war ich bei den unzähligen Kämpfen, die wir uns mit ihnen geliefert hatten.
Sorretan deutete die Geste falsch. Im nächsten Moment sprang er mich an, stieß mich zu Boden, zog Akrya und warf sie weg. »Ihr wolltet in der Gegenwart des Königs das Schwert ziehen? Das wird Euch noch teuer zu stehen kommen!« Er bleckte die Zähne wie ein Wolf, kniete auf mir und drückte meine Arme auf den Boden.
Noch bevor ich entscheiden konnte, wie ich mich verhalten sollte, griff Lord Ahearn ein: »Lasst sie aufstehen, Lord Sorretan. Sie hat nichts getan.«
Ungläubig blickte der Seneschall zum König und erhob sich. Ich rappelte mich ebenfalls auf, klopfte den Staub von der Hose und nahm Akrya von Efira entgegen.
»Ich entschuldige mich, Mylord, wenn es so ausgesehen hat, als würde ich das Schwert ziehen.« Formvollendet verbeugte ich mich.
»Es gibt nichts zu entschuldigen, außer dem hitzigen Gemüt meines Seneschalls. Er ist einfach zu besorgt um mein Wohlergehen.« Sein Blick, in dem ein offener Vorwurf lag, streifte Lord Sorretan. Und zu mir gewandt: »Ich werde das Training nicht weiter stören. Es wäre schön, Euch öfter hier auf der Burg zu sehen, Meisterin.« Damit verabschiedete er sich und ging mitsamt seiner Leibwache zurück zur Burg.
»Du musst vorsichtiger sein«, mahnte Meister Montard, der zu mir getreten war.
Ich nickte und nahm mir vor, in Zukunft einen großen Bogen um den Hof und das Hofprotokoll zu machen.
Auch an diesem Tag blieb ich auf der Burg, half Meister Montard beim Unterricht und machte mich am Abend auf zur Schenke. Der Durchgang zum mittleren Burghof maß gut und gern zehn Schritte. Gerade in der Mitte, eine fast abgebrannte Fackel erhellte den Durchgang nur mäßig, fuhr ein Schatten über mich hinweg und ein Fauchen erklang, das mich an Kels Angreifer erinnerte. Akrya ziehen und stehenbleiben, geschah gleichzeitig. Zwei weitere Flügelschläge und ich sah die rundliche Silhouette gegen den hellen Umriss des offenen Tores. Zur Sicherheit wartete ich noch ein paar Minuten, aber das Wesen zeigte sich nicht mehr.
In der Schenke empfing mich die bekannte Mischung aus Bierdunst, Gesprächen, Gelächter und dem Klackern der Würfel im Becher. Heute saßen nicht nur Londo, Malina, Farin und Téfor zusammen am Tisch, sondern auch Andrah, die ich ebenfalls seit langem kannte.
»Esmanté, schön dich zu sehen. Die anderen erzählen gerade, wie du es Téfor gegeben hast.« Die Kriegerin umarmte mich. Ihre ein wenig zu weit auseinanderstehenden blauen Augen blitzten mich an. Mit dem Lachen verstärkten sich die Grübchen an ihrem Kinn. Ihre blonden Haare hatte sie hochgesteckt und bot so den Blick auf einen Skorpion, der den Nacken schützte und angriffslustig den Stachel hob.
»War halb so schlimm«, wehrte ich ab, holte mir einen Humpen und erzählte von der Begegnung mit dem unbekannten Wesen.
Eigentlich erwartete ich, dass meine Freunde mich auslachen würden.
Londo wiegte den Kopf. »Ich kann dir nicht sagen, was es ist, aber es ist uns auch schon begegnet. Wir waren spät dran und gingen durch das obere Tor. Da wischte was über uns weg. Zuerst dachten wir an Fledermäuse oder einen Kobold. Farin war ziemlich voll und schrie dem Viech hinterher, dass es zurückkommen sollte. Und was passierte?« Die Fältchen um seine Augen zogen sich zusammen, als er mich ansah.
»Keine Ahnung.«
Er schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ob du‘s glaubst oder nicht, es kam zurück. Ich bleib dabei, es hatte rote Augen und fauchte so komisch. Los Farin, zeig die Krallen.«
Dieser schob wortlos den Ärmel auf. Tatsächlich, quer über den vollständig tätowierten Unterarm prangten drei lange Streifen, feuerrot. »Verstehst du, ich habe es nicht richtig gesehen!«
»Aye, weil du schon so viel gesoffen hattest, dass alles doppelt da war«, stichelte Malina.
Farin nickte und ich fragte: »Was sagt der Meister dazu?«
»Er meint, wir sollten weniger trinken, dann würden wir nicht solche Viecher sehen. Seitdem haben wir keins mehr gesichtet, verstehst du? Seit die Edle Frau tot ist, ist hier nichts mehr so, wie es war.« Versonnen blickte Londo in sein Glas.
»Hier gibt es bald mehr Musiker als Kämpfer. Wenn es so weitergeht, tragen wir alle demnächst nur noch feine Stoffe und unterhalten uns über Kunst oder Musik.« Londo tat so, als würde er in ein imaginäres Tüchlein husten, wie es einer der Adligen immer tat, wenn er in die Nähe der Krieger kam.
Alle lachten. Als wir uns wieder beruhigt hatten, zog Téfor, der neben mir saß, mich näher zu sich heran und legte den Arm um mich. »Und wie ist es so, unter dem Seneschall zu liegen?«
Die anderen prusteten los.
»Beinahe hätte ich ihm meinen Dolch in seinen knochigen Hintern gerammt. Ich habe mich nur beherrscht, weil der König anwesend war. Und jetzt …« Verstimmt stand ich auf. »... werde ich mich aufmachen und nach Hause reiten. Das wollte ich schon vor zwei Tagen tun.«
»Ach komm, Meisterin.« Téfors Hände lagen auf meinen Hüften, sein Hemd roch nach Lavendel. »Du bist mir noch ein Bier schuldig wegen heute Morgen, weißt du nicht mehr?«
Unsere Blicke trafen sich einen Augenblick zu lange und das Kribbeln im Bauch begann wieder. »Na gut. Ein Bier und dann reite ich nach Hause.« Ich streifte seine Hände ab und ging, um Nachschub zu holen.
Eine wütende Stimme weckte mich. Ich brauchte einige Momente, um zu begreifen, wo ich war. Richtig, der Abend war noch sehr lang geworden, immer wieder hatten sich alte Bekannte zu uns gesetzt auf ein Bier. Schließlich hatten sich meine Freunde entschlossen, mich nach Hause zu begleiten. Ich rieb mir die Stirn, hinter der es heftig pochte, und bemerkte erst jetzt eine wütende Blumenfee.
Die Hände in die Hüften gestemmt polterte sie los: »Wer seid Ihr eigentlich und was sucht Ihr im Haus der Schwertmeisterin? Macht sofort, dass Ihr wegkommt! Wenn sie davon erfährt, seid Ihr Eures Lebens nicht mehr sicher! Dreimal Pfui, wie es hier stinkt!«
Die zierliche Gestalt schüttelte die gold-violetten Haare, der kurze Rock schwang bei jeder Bewegung hin und her. Sie trug eine kurzärmelige weiße Bluse und ein fliederfarbenes Mieder schmiegte sich um ihre Brust. Ihre Flügel, die aufgeregt flatterten, schimmerten in allen Regenbogenfarben.
»Ist schon gut, Irina, ich bin es. Wenn du bitte etwas leiser sprechen könntest. Mein Kopf …«
»Bei der Großen Mutter, Ihr seid es wirklich!« Die Fee stieg über den schnarchenden Farin und umarmte mich. Intensiver Duft nach Schwertlilien hüllte mich ein.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen, Irina. Und danke dafür, dass du so gut auf mein Haus aufgepasst hast.«
»Ach, was sind schon zwanzig Jahre für uns«, meinte Irina und spielte damit auf die lange Lebenszeit von Elfen und Feen an.
Ich blinzelte, um wach zu werden.
Im Zimmer sah es schrecklich aus. Auf dem Tisch standen Becher und Flaschen. In dem kleinen Raum hatten es sich meine Freunde, so gut es ging, bequem gemacht. Ich selbst hatte mich irgendwann mit untergeschlagenen Füßen in einen Sessel vor dem Kamin gekuschelt, Malina in den anderen. Am Boden vor uns lagen, in ihre Umhänge gehüllt, Farin und Londo. Téfor hatte sich die beiden Stühle zusammengeschoben, verschränkte die Arme vor der Brust und grinste die wütende Fee an.
»Einen tollen Wachhund hast du, Esmanté. Das muss man dir lassen. Hu, ich fürchte mich richtig.«
Immer noch zornig drehte sich Irina zu ihm um, ihre Augen schimmerten violett. »Ihr solltet mich nicht unterschätzen, Lord. Natürlich bin ich keine Kriegerin, aber auch eine Blumenfee hat ihre Tricks.«
In der Zwischenzeit rappelten sich Farin und Londo hoch.
»Könntest du etwas zu essen und zu trinken besorgen? Bitte, Irina«, bat ich.
Versöhnt, weil ihre Herrin Hilfe brauchte, nickte die Fee. Ihre Haut verlor allmählich die dunkelgrüne Farbe, die sie bei Aufregung annahm, und wechselte zu grasgrün, als sie nun antwortete: »Natürlich, Lady. Und so wie Ihr alle ausseht, würde eine anständige Tasse Tee wohl auch nicht schaden.«
Alle nickten reumütig. So kam es, dass wir wenig später vor dem Haus in der Sonne saßen.
»Könntest du Irina nicht mit in die Burg nehmen, Esmanté? So ein Frühstück lass ich mir jeden Tag gefallen.« Malina biss genüsslich in ein Stück frisches Brot, von dem die Erdbeermarmelade tropfte.
»Das würde euch so passen. Nein, als Irinas Familie damals eine neue Bleibe suchte, waren sie damit einverstanden, sich um mich und mein Haus zu kümmern. Dafür wohnen sie auf meinem Land hier rundherum.«
Farin rieb sich die Stirn und blies gedankenverloren in den heißen Tee. »Was gäbe ich jetzt für einen der Heiler der Gwydd. Man sagt, sie legen bloß die Hand auf eine schmerzende Stelle und es tut nicht mehr weh.«
Erschrocken fuhr Andrah hoch. »Wirst du wohl still sein! Du weißt ganz genau, dass man darüber nicht spricht.«
»Ich habe das auch gehört«, meldete sich jetzt Londo in seiner bedächtigen Art zu Wort. »Wenn bei denen einer verletzt ist, holen sie einen Heiler, der wirkt Magie und der Verletzte kann wieder aufstehen, als wäre nichts passiert.«
»Jetzt hört wirklich auf!«, mischte ich mich ein. »Niemand weiß etwas Genaues über diese Dämonen oder hat einer von euch schon mal einen gesehen?«
Alle schüttelten den Kopf.
»Eben, sonst wäre derjenige nämlich nicht mehr hier. Ich brauche Euch nicht zu sagen, dass der Kontakt verboten ist. Die Gwydd wenden Magie an und bringen das Gleichgewicht der Natur durcheinander. Darum ist es besser, sie bleiben auf ihrer Seite des Perlenden Flusses und wir auf unserer.« Niemals hätte ich zugegeben, dass ich selbst schon oft über die Gwydd nachgedacht hatte.
»Außerdem Farin, wenn du nicht so viel Branntwein getrunken hättest, bräuchtest du jetzt keinen Heiler für deine Kopfschmerzen«, fügte ich hinzu.
Der grummelte: »Es war aber auch lustig, als wir mitten in der Nacht um die Wette die Ahornallee hinuntergeritten sind und Téfor immer geschrien hat: Ich krieg euch alle.«
»Wo habt ihr eigentlich den Branntwein her?«, wollte ich wissen.